[Transformation] Oslo in Bewegung~11 Minuten Lesezeit www.zukunft-mobilitaet.net/164485/urbane-mobilitaet/oslo-autofreie-innenstadt-radverkehrsfoerderung-oslo-standard- oepnv-ausbau-verkehrswende/ Martin Randelhoff Die norwegische Hauptstadt Oslo mit ihren 666.757 Einwohnern (1. Januar 2017) verzeichnet seit Mitte der 1990er Jahren ein konstantes und starkes Bevölkerungswachstum, welches sich in den kommenden Jahren weiter fortsetzen soll. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Einwohner pro Jahr um über zwei Prozent, innerhalb von fünf Jahren kamen rund 50.000 Neubürger hinzu (Einwohnerzahl 2012: 618.683). Bis zum Jahr 2040 soll die Einwohnerzahl nach Prognosen des norwegischen Statistikamts auf etwa 853.931 Einwohner wachsen. Das Stadtentwicklungsprojekt „Oslo Barcode“ im Oktober 2015 – Foto: „L1000202.jpg“ von Frode Ramone (froderamone) @ Flickr – CC BY 2.0 Seit 2014 arbeitet die Stadt Oslo auf Basis eines Masterplans aus dem Jahr 2008 systematisch an der Erstellung von 100.000 neuen Wohnungen, welche innerhalb von 15 Jahren fertiggestellt werden sollen. In der Innenstadt wie auch an vielen anderen Stellen der Stadt entstehen eine Reihe neuer Gebäude. Im Zentrum sollen eine Reihe von Hochhäusern die Verbindung zwischen Innenstadt und Wasser stärken. Bis Ende der 1980er Jahre diente dieser Bereich fast ausschließlich dem Hafenbetrieb und stellte gemeinsam mit der Autobahn E 18 eine Barriere zum Oslofjord dar. 1/10 Verlauf des Bjørvikatunnels – Illustration: Statens vegvesen / Norwegian Public Roads Administration – gemeinfrei Wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Stadt hin zum Wasser war der Bau des Bjørvikatunnels, welcher die E 18 vom Ufer in einen sechsstreifigen Straßentunnel unter die Bjørvika, die Bucht des Oslofjords im Innenhafen der Stadt, verlegte. Der Tunnel wurde am 29. September 2010 für den Verkehr freigegeben, für die Nutzung ist eine Maut zu entrichten. Der Bau des 1.100 Meter langen Tunnels hat 650 Millionen Euro gekostet. In den kommenden Jahren soll der Innenstadtbereich weiter nachverdichtet werden. Die Neubauten sollen neben dem Gewerbe und Dienstleistungssektor auch dem Wohnen dienen. Rund 5.000 Wohnungen sollen im Innenstadtbereich neu errichtet werden. Zudem sollen 20.000 Arbeitsplätze eine Heimat finden. Obwohl die Lebenshaltungskosten in Oslo im weltweiten Vergleich sehr hoch sind und auf einer Ebene mit London und Tokio liegen, ist das Wohnen nicht vollkommen durch ertragsreichere Nutzungen aus dem Innenstadtbereich verdrängt worden. Oslo gönnt es sich sozusagen, das Wohnen in der Innenstadt zu halten. Insbesondere um den Bereich des neuen Osloer Opernhauses soll in den kommenden Jahren eine rege Bautätigkeit herrschen. Oslo ist eine vergleichsweise kompakte und kleine Stadt. Die Bebauung erstreckt sich auf etwa sieben Kilometer entlang des Oslofjords, zwei Drittel des 454 km² umfassenden Osloer Stadtgebiets sind Grünflächen und zu einem großen Teil bewaldet. Mehrere einzelne kleine Siedlungen liegen verstreut im Hinterland. 2/10 Siedlungsfläche im Stadtgebiet Oslos (grau) am 01.01.2005 – Karte: Statistisk sentralbyrå (Statistics Norway). Statistics Norway erlaubt die kostenfreie Nutzung und Verbreitung von Daten, Karten und Grafiken bei Nennung der Urheberschaft. Norwegen verfolgt das Ziel einer nachhaltigen, kompakten und dichten Stadt seit mehr als 20 Jahren. Das Planungsideal wurde in den vergangenen Jahren zunehmend in nationales wie lokales Planrecht übernommen. Durch die Errichtung weiterer Gebäude im bereits bebauten Bereich soll die Dichte weiter gesteigert und die Notwendigkeit des Pkw-Besitzes ebenso wie die Treibhausgasemissionen reduziert werden. Gleichzeitig sollen Grünflächen im Stadtgebiet gesichert und weiterentwickelt werden.1 Ähnlich wie in anderen Ländern geht das Planungsziel einer dichten Stadt mit den Interessen neoliberaler Immobilieninvestoren einher: ein Nebeneffekt des profitgetriebenen Wunsches nach möglichst dichter Bebauung ist das Entstehen eines kompakten Siedlungskörpers mit einer entsprechenden positiven Umweltwirkung. Der Großteil der Immobilienprojekte in Oslo wird primär durch Investoren und nicht durch die Stadtverwaltung angestoßen.2 Parallel zur wachsenden Einwohnerzahl Oslos wächst auch das Verkehrsaufkommen. Der Verkehrsverbund Ruter AS hat vor diesem Hintergrund das Ziel ausgegeben, dass das erwartete Verkehrsaufkommen vollständig durch den Öffentlichen Personennahverkehr absorbiert werden soll. Zudem sollen private Pkw-Fahrten auf Bus, Straßenbahn, Metro und Schienenpersonennahverkehr verlagert werden. Hierfür wird das ÖPNV-Angebot und - Netz systematisch ausgebaut. Das Osloer Busnetz wird durch Ruter in einzelnen Losen ausgeschrieben. Mehrere Busunternehmen befahren das umfangreiche Tagesnetz und Nachtnetz. Die Osloer Straßenbahn und Metro werden durch das kommunale Verkehrsunternehmen Sporveien Oslo AS betrieben. Das Straßenbahnnetz besteht aus sechs Linien mit einer Netzlänge von 131,4 Kilometern und 99 Haltestellen, das Metronetz aus sechs Linien mit einer Linienlänge von 84,2 km und 101 Stationen (davon 16 unterirdisch). Der Betrieb erfolgt zwischen 06:00 Uhr und 1:00 Uhr, einige Metro- und Straßenbahnlinien werden in der Hauptverkehrszeit zu einem Fünf-Minuten-Takt verdichtet. 3/10 Im Rahmen des sogenannte „Oslo Package 2“ (norwegisch: Oslopakke 2) wurden zwischen 2001 und 2011 umgerechnet 1,7 Milliarden Euro in den öffentlichen Verkehr investiert. Die Finanzmittel kamen sowohl aus dem nationalen wie lokalen Haushalten wie auch aus Mauteinnahmen und zu einem kleinen Teil Immobilieninvestoren. Bereits in den 1980er Jahren führte Oslo eine Maut auf den Ringstraßen ein, welche primär zur Generierung von Einnahmen für Investitionen in die Infrastruktur dient. Im Zeitraum 2008 – 2027 sollen im Rahmen des Oslopakke 3 weitere 5,8 Milliarden Euro in den Ausbau der Metro und das Autobahnnetz investiert werden. Bestandteil des „Oslo Package 3“ sind unter anderem der 2016 fertiggestellte Bau der 1,6 km langen Løren Line (Lørenbanen) als Verbindungslinie zwischen der Ring Line und der Grorud Line mit einer neuen Station und der Kauf von 189 neuen MX3000-Metrozügen. Metrozug MX3000 der Metro Oslo (Oslo T-bane oder Oslo Tunnelbane oder einfach T-banen) – Foto: Antti T. Nissinen @ Flickr – CC BY 2.0 Die Verknüpfung der Metro mit der Straßenbahn soll durch den Bau der neuen Station Homansbyen verbessert werden. Zudem soll die Furuset Line um 5,0 Kilometer bis Lørenskog und dem Universitätsklinikum Akershus verlängert werden. Weitere Bestandteile des „Oslo Package 3“ sind die Modernisierung der 7,3 km langen Stammstrecke (englisch: Common Tunnel, norwegisch: Fellestunnelen) mit einer Aufweitung des engen Tunneldurchmessers und der Erneuerung der Signaltechnik. Dies soll eine Verlängerung der Zuglänge von drei auf sechs Wagen und perspektivisch einen automatisierten Betrieb ermöglichen. 4/10 Gelenktriebwagen der Reihe SL95 auf der Lillekerbanen stadteinwärts nach Grefsen stasjon. – Foto: Falk2 @ Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0 Auch in das Straßenbahnnetz soll investiert werden. Zwischen 2016 und 2024 sind insgesamt Investitionen von umgerechnet 1,1 Milliarden Euro geplant. Unter anderem sollen ein neuer Betriebshof errichtet und 87 neue Straßenbahnen gekauft werden. Diese sollen die derzeit eingesetzten Modelle SL79 und SL95 ersetzen. Ein Mangel an Fahrzeugen steht zurzeit einer Ausweitung des Angebots entgegen. Perspektivisch sollen die Stadtteile Tonsenhagen im Osloer Nordosten und Filipstad im Westen ebenfalls einen Straßenbahnanschluss erhalten. Als Stadt am Wasser ergänzen zwei Fährlinien das öffentliche Verkehrsangebot. Ruter setzt nahezu vollkommen auf elektronische Fahrausweise. Die travelcard (reisekort) ist ein kartenbasierter Fahrausweis, welcher als übertragbare Karte mit mehreren unterschiedlichen elektronischen Tickets aufgeladen werden kann oder als IMPULS-Karte einmalig nutzbar ist. Seit 2012 ergänzt die RuterBillett-App das kartenbasierte System. Über die App können Einzelfahrten wie auch Zeitkarten gelöst werden. Mittels GPS-Ortung wird das richtige Ticket empfohlen. Dieses kann über Visa und MasterCard, die Bezahlapps Vipps, MobilePay, mCash oder Strex oder über die Mobilfunkrechnung bezahlt werden. 5/10 RuterBillett-App (Android-Version) – Grafik: Ruter AS Im Stadtbusverkehr setzt Ruter auf Vertrauen und einen effizienten Fahrgastwechsel: Fahrgäste müssen beim Einstieg ihren Fahrschein nicht vorzeigen. Im Regionalverkehr zeigt ein blinkendes, täglich wechselndes Foto dem Busfahrer den Besitz eines gültigen Tickets an. Aufgrund der Kompaktheit des Siedlungskörpers finden der ÖPNV wie auch der nicht- motorisierte Verkehr sehr gute Bedingungen vor. Die Stadt Oslo hat sich in ihrer Radverkehrsstrategie 2015-2025 (80 MB, norwegisch) zum Ziel gesetzt, den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen (Modal Split) bis zum Jahr 2025 auf 16 Prozent zu steigern (2013: 8 %). Umgerechnet 1,5 Milliarden Euro sollen in zwei Schritten in die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur und ein Ziel- Radwegenetz von insgesamt 510 Kilometern investiert werden. Der ursprüngliche Plan mit einer Netzlänge von 180 Kilometer wurde von der norwegischen Zeitung Aftenposten kurz und knackig mit „30 Jahre gebrochene Versprechen“ kommentiert, wenngleich das Radwegenetz im Jahr 2015 180 Kilometer umfasste. Zwischen 2005 und 2015 wurden jedoch im Schnitt nur 1,6 km neue Radwege pro Jahr errichtet. Radwege sind von den Außenbezirken in die Innenstadt nahezu durchgängig vorhanden, fehlen jedoch insbesondere im Zentrum. In einem ersten Schritt sollen daher
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