Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Gesamtfakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg vorgelegt von Diplom-Biochemiker Stefan Knoth Tag der mündlichen Prüfung: 25.07.2006 Titel der Arbeit: Regulation der Genexpression bei der Erythroiden Differenzierung Gutachter: Prof. Dr. Stefan Wölfl, Universität Heidelberg Prof. Dr. Katharina Pachmann, Universität Jena Prof. Dr. Jürgen Reichling Prof. Dr. Ulrich Hilgenfeldt Zusammenfassung Viele Erkrankungen des blutbildenden Systems, insbesondere Leukämien, haben ihre Ursache in einer Störung der Differenzierungvorgänge, die ausgehend von undifferenzierten Stammzellen des Knochenmarks zu allen Arten von hochspezialisierten Blutzellen führen. Bei der Chronischen Myeloischen Leukämie (CML) im Stadium der Blastenkrise kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung unreifer Blasten. Alle Chronischen Myeloischen Leukämien exprimieren dass Fusionsprotein BCR-ABL welches aus der Translokation t(9;22)(q34;q11) resultiert. BCR-ABL ist eine konstitutiv aktive Proteinkinase und stimuliert die Zellen zu unkontrolliertem Wachstum. Es ist bekannt, dass sich bei transformierten Zellen mit verschiedenen Substanzen wie AraC oder Butyrat die Proliferation unterdrücken und eine weitere Differenzierung induzieren lässt. Daher werden diese Substanzen oder ihre Derivate als Therapeutika eingesetzt bzw. als solche erprobt. Bei CML-Zellen geht man davon aus, dass durch die genannten Chemikalien die Differenzierung in Richtung der erythroiden Reihe stimuliert wird, da verstärkt Hämoglobine synthetisiert werden. Wegen ihrer einfachen Handhabung in Kultur wurden diese Zellsysteme in der Vergangenheit häufig als Modelle zur Untersuchung der erythroiden Differenzierung verwendet. Die therapeutikastimulierte erythroide Differenzierung von CML-Zellen ist also in zweierlei Hinsicht interessant, einerseits aus medizinischer Sicht zur Bewertung der Vorgänge im behandelten Patienten und andererseits hinsichtlich der Eignung dieser Systeme als Modelle zur Erforschung der Erythropoese. Bisher ist nämlich noch wenig darüber bekannt, wie sich die Differenzierung im Detail vollzieht und in wie fern sie mit der gesunden Erythropoese vergleichbar ist. Die gesunde Erythropoese selbst ist auf molekularer Ebene bisher ebenso unvollständig charakterisiert. Der Differenzierungszustand einer Zelle wird durch die Gesamtheit der in ihr enthaltenen Moleküle bestimmt, wobei die Proteine die wichtigste Komponente darstellen. Die Gesamtheit der Proteine einer Zelle (Proteom) lässt sich aber im Gegensatz zur Gesamtheit aller RNA-Spezies (Transkriptom) zurzeit nur mit sehr hohem technischen Aufwand erfassen. Im biochemischen Informationsfluss besteht jedoch ein direkter Zusammenhang zwischen mRNA und durch sie kodiertem Protein. Deshalb wurden in der vorliegenden Arbeit Veränderungen des Transkriptoms als Maß für Differenzierungsprozesse herangezogen. Die Entwicklung von Erythrozyten aus Vorläuferzellen wurde in vier Zellkultursystemen untersucht, die als Modelle für diesen Differenzierungsweg allgemein anerkannt sind. Als Modell für die normale Erythropoese dienten CD34-positive hämatopoetische Vorläufer- zellen, die mit Erythropoietin stimuliert wurden. Die drei anderen Modelle basieren auf der CML-Zelllinie K562, wobei die Zellen mit AraC, Natriumbutyrat oder Hämin behandelt wurden. Bei allen Modellen wurden Zellproben in Form von Zeitreihen entnommen. Mit Hilfe der aus den Zellen präparierten total-RNA wurden Hybridisierungsproben hergestellt und auf AFFYMETRIX-U133A-Microarrays hybridisiert. Die Daten aller Arrays wurden vor der Auswertung einem für solche Zwecke optimiertem Normalisierungsverfahren, der Rangmittel-Normalisierung, unterzogen, um eine bestmögliche Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Es konnte gezeigt werden, dass Datensätze, die als Duplikate vorliegen, gut übereinstimmen, wodurch die generelle Reproduzierbarkeit der Methode bestätigt wurde. Die therapeutikainduzierte Differenzierung der K562-Zellen verläuft schneller als die EPO- induzierte Differenzierung der CD34+-Zellen, deshalb unterscheiden sich die untersuchten Messzeitpunkte der CD34+-Datensätze von denen der K562-Datensätze. Um die Vergleichbarkeit wieder herzustellen, wurde versucht, sowohl in den CD34+- als auch in den K562-Datensätzen allen untersuchten Zeitpunkten definierten Stadien der Erythropoese zuzuordnen. Dazu wurden FACS-Daten bekannter Oberflächenmarker, morphologische Kriterien sowie Array-Daten einer Vielzahl weiterer erythrozytenspezifischer Gene benutzt. Die Einordnung gelang im CD34+-Experiment sehr gut. Die überwiegende Mehrheit der Zellen erreichte die letzten kernhaltigen Stadien Proerythroblast, Erythroblast und Normoblast, vollendete aber die erythroide Differenzierung nicht. Bei den K562-Zellen war eine Einordnung anhand ausgewählter Marker wegen widersprüchlicher Ergebnisse nicht möglich. Der Vergleich der kompletten Datensätze mittels hierarchischen Clusterns ermöglichte schlussendlich aber doch eine Zuordnung. Anschließend wurden die Datensätze nach differentiell exprimierten Genen durchsucht. Dazu wurden bestimmte Selektionskriterien festgelegt, die mathematisch ausgedrückt als Datenfilter zur Anwendung kamen. Im Ergebnis wurden bei den EPO-stimulierten CD34+- Zellen 2363 Gene (2980 Probesets), bei den AraC-stimulierten K562 1987 Gene (2343 Probesets), bei den Butyrat-stimulierten K562 1941 Gene (2355 Probesets) und bei den Hämin-stimulierten K562 850 Gene (1048 Probesets) als differentiell exprimiert eingestuft. Um festzustellen, welche Gene in allen oder zumindest mehreren Modellen reguliert werden, wurden die Schnittmengen berechnet. Überraschenderweise waren nur 66 Gene (69 Probesets) in allen Modellen reguliert, wobei anhand der Schnittmengen noch keine Aussage über die Richtung der Veränderung getroffen werden kann. Von den 66 Genen wurden 5 Gene in allen 4 Modellen hoch- und 11 Gene herunterreguliert. Wegen der geringen Übereinstimmung der Modelle und unter der Annahme, dass das CD34+-Modell die in-vivo- Bedingungen am besten repräsentiert, wurde festgestellt, dass die therapeutikastimulierten K562 als Modelle der Erythropoese ungeeignet sind. Daher wurde im Weiteren nur das CD34+-Modell untersucht. Mittels k-means-clustering wurden regulierte Gene mit ähnlichen Expressionsverläufen innerhalb einer Zeitreihe zu Gruppen (Cluster) geordnet. Dadurch konnte besser zwischen früher (später) Aktivierung (Deaktivierung) unterschieden, und die Ergebnisse auch anschaulich dargestellt werden. Unter der Annahme, dass gleichen Expressionsverläufen häufig auch gleichartige Mechanismen der Expressionsregulation zugrunde liegen, wurde innerhalb der Cluster nach Genen gesucht, deren Produkte an der biochemischen Signaltransduktion beteiligt sind und in einer funktionellen Beziehung zueinander stehen. Die Bedeutung dieser Veränderungen für die regulatorischen und metabolischen Reaktionswege in der Zelle wurde erörtert. Insbesondere wurden regulatorische Proteine identifiziert, denen eine zentrale Funktion bei der Umsetzung der extrazellulären Stimuli in die Zellantwort zukommen dürfte. Ein weiterer Fokus lag auf der Identifizierung differentiell exprimierter Transkriptionsfaktoren sowie deren Aktivierungs- muster. Diese Daten wurden an kooperierende Bioinformatiker weitergegeben, die unter Verwendung weiterer Informationen aus Interaktionsdatenbanken transkriptionelle Netzwerke modellierten. Die therapeutikainduzierte Differenzierung von K562 ist zwar kein ideales Modell der Erythropoese, ist aber von großem Wert bei der Beschreibung der biologischen Vorgänge, die bei einer Chemotherapie im Patienten stattfinden. In diesem Zusammenhang wurde konkret nach regulatorischen Proteinen gesucht, deren Expressionsmuster sich in den K562-Modellen deutlich vom CD34+-Modell unterscheiden und die daher neben BCR-ABL für die Ausprägung des CML-Phänotyps wichtig sein könnten. Es wurde eine Auswahl von 18 Genen vorgestellt und für 14 von ihnen wurden die Array-Daten durch quantitative RT-PCR bestätigt. Mit Hilfe eines noch in Entwicklung befindlichen Microarrays mit phosphorylierungs- spezifischen Antikörpern war am Modell der CD34+-Zellen die Signalkaskade ausgehend von der Stimulierung mit Erythropoietin (EPO) zu verfolgen. Es wurde gezeigt, dass durch EPO die Phosphorylierung von AKT und p70S6-Kinase ausgelöst wird. Diese Ergebnisse konnten durch Immunoblots bestätigt werden. Abstract Many diseases of the hematopoietic system, especially leukemias, originate from a dysfunction of differentiation processes. During these differentiation processes primitive hematopoietic stem cells develop into mature blood cells of all lineages. The chronic myeloic leukemia (CML) in blast crisis is characterized by uncontrolled growth of immature blast cells. All CMLs express the constitutively active protein kinase BCR-ABL, which results from the fusion of BCR and ABL as a consequence of the translocation t(9;22)(q34;q11). Moreover it is known that cytostatic substances as cytosine arabinoside or butyrate induce in blast cells a resuming of the aborted differentiation beyond their antiproliferativ action. Therefore these substances and their derivatives are used or rather tested as therapeutics. In CML the mentioned chemicals are believed to trigger differentiation into the erythroid lineage because of the raised synthesis of hemoglobins. Therefore in the past CML cell lines have been widely used as models for red blood cell differentiation. So the chemical induced erythroid differentiation of CML
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