„Und wer den Schmerz einmal gesehen hat…” Neue deutsche Jugendliteratur zum Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Holocaust im Kontext des postmemorialen Wandels Britta C. Jung ©2015 Britta C. Jung, Limerick Titelzitat: Mirjam Pressler: Ein Buch für Hanna, Weinheim u. Basel: Beltz & Gelberg, 2011, 210. Corresponding to the version of the thesis submitted to the College of Deans of the University of Groningen (ISBN:978-90-367-8383-5). No part of this thesis may be reproduced in any form without written permission from the author. „Und wer den Schmerz einmal gesehen hat…“ Neue deutsche Jugendliteratur zum Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Holocaust im Kontext des postmemorialen Wandels PhD Thesis to obtain the joint degree of PhD at the University of Groningen and at Mary Immaculate College, University of Limerick, on the authority of the Rector Magnificus of the University of Groningen, Prof. E. Sterken, the President of Mary Immaculate College, Prof. M. Hayes and the President of the University of Limerick, Prof. D. Barry, in accordance with the decision by the College of Deans of the University of Groningen. This thesis will be defended in public on Monday 30 November 2015 at 11.00 hours by Britta Christina Jung born on 11 September 1981 in Wiesbaden, Germany Supervisors: Prof. Dr. R.M. Esser Dr. S. Egger Co-supervisors: Prof. Dr. A. Erll Prof. Dr. W. Wende Assessment Committee: Prof. Dr. C. Gansel Prof. Dr. E.J. Korthals Altes Prof. Dr. A. Visser Dr. C.R.H. Schönfeld Die Erinnerung hat kein Zentrum, ihr Herz schlägt in allen Dingen. (Bernice Eisenstein) Dankwort Dieses Buch ist das Resultat einer Reise – im doppelten Sinne. Einerseits ist sie das Resultat einer Reise, die man vielleicht in augenzwinkender Anlehnung an die später erwähnte ‚Initiationsreise‘ als ‚Promotionsreise‘ in die akademische Welt beschreiben kann. Andererseits ist sie aber auch das Resultat einer Reise in eine noch nicht allzu ferne und doch immer ferner werdende Vergangenheit: das so genannte ‚Dritte Reich‘. Eine Vergangenheit, in der Ausgrenzung, Gewalt und Tod Deutschland und Europa im Würgegriff hielten und die den bürokratisch organisierten Mord an Millionen europäischer Juden, Sinti und Roma sowie anderer ‚Artfremder‘ und ‚Unerwünschter‘ sah. Eine Vergangenheit, in der Millionen Zivilisten militärischen An- und Übergriffen zum Opfer fielen und ihre Heimat und vielen Fällen auch ihre Identität verloren. Eine Vergangenheit, die in all ihrer menschlichen Komplexität und Grausamkeit auch mein Leben und meine Lebenswelt als Deutsche und Europäerin mal direkt, mal indirekt geprägt hat und zumindest auch in naher und mittelfristiger Zukunft prägen wird. Sich als Literatur- und Kulturwissenschaftlerin auf die Reise zu begeben und den diskursiven, erinnerungskulturellen Unterströmungen dieser Lebenswelt nachspüren zu können, der Art und Weise wie wir – als Menschen, Europäer, Deutsche – mit dieser Vergangenheit umgehen, zu hinterfragen, was und wie wir erinnern (und was wir vergessen), erwies sich dabei gleichermaßen als Privileg wie als Kraftakt. Denn anders als viele andere Promovenden musste ich feststellen, dass man im Falle einer erinnerungskulturellen Standortbestimmung einer solch komplexen und bis heute hoch sensiblen Periode wie dem Nationalsozialismus, Weltkrieg und Holocaust nicht – wie so häufig – mehr und mehr über weniger und weniger schreibt, sondern eher Gefahr läuft, weniger und weniger über mehr und mehr zu schreiben. Glücklicherweise hatte ich einige treue Begleiter, allen voran meine ‚Promotoren‘ Wara Wende, Sabine Egger und Astrid Erll, die mich nicht nur immer wieder ermutigt und angeregt, sondern auch zum Innehalten und zur ii erneuten Reflexion gezwungen haben. Mit ihren umfangreichen und kritischen Kommentaren haben sie ihre Finger ein ums andere Mal in noch offene Wunden gelegt (welche Reise übersteht man schon ohne Blessuren?) und so dafür gesorgt, dass diese sich schließen. Für ihre Bereitschaft, mir ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Erfahrung zukommen zu lassen sowie ihren oft geduldigen Zuspruch bin ich ihnen in tiefer Dankbarkeit verbunden. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich den Mitgliedern meiner ‚Leescommissie‘ für ihre Zeit und ihre Kommentare auf das abschließende Manuskript: Carsten Gansel (Gießen), Liesbeth Korthals Altes (Groningen), Christiane Schönfeld (Limerick) und Anthonya Visser (Leiden). Auf den ersten Blick mag eine Promotionsreise als eine oft einsame Angelegenheit erscheinen, zumal in den Geisteswissenschaften, doch begegnet man in Wirklichkeit zahllosen Menschen, die einen (ein Stück) auf dem Weg begleiten. Und so bin auch ich vielen Weggefährten begegnet, mit denen ich meine Gedanken immer wieder diskutieren konnte und die Teile meiner Arbeit mit wertvollen Kommentaren versehen haben. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle meiner ‚Mitstreiterin der ersten Stunde‘, Laura Fahnenbruck (Groningen), sowie Szilvia Lengl (Berlin), Anna Stiepel (Limerick) und Niall Keane (Limerick). Auch das Instituut voor Cultuurwetenschappelijk Onderzoek Groningen (ICOG), das German Department des Mary Immaculate College (MIC), das Graduiertenkolleg des Duitsland Instituut Amsterdam (DIA) und die Werkgroep Duits-Nederlandse Geschiedenis (WDNG) haben sich im Laufe der Zeit als Resonanzböden von nicht zu unterschätzenden Wert erwiesen. Nicole Colin und Krijn Thijs (DIA) gilt zudem mein Dank dafür, dass sie mich an einem grauen Märznachmittag 2009 mit offen Armen in der niederländischen Forschungsgemeinschaft aufnahmen und mich in den Folgejahren auch außerhalb meiner Groninger Welt ins akademische Geschehen integrierten. Martin Janda, Miriam Hildenbrand und Xenia Menzel haben sich schließlich beim Korrekturlesen des Manuskriptes verdient gemacht, während Mags Browne, Melissa Ratliff und Judith Brouwer mit großer Sorgfalt die englische bzw. niederländische Zusammenfassung nachgeschaut haben. Sämtliche noch vorhandenen Fehler und Unstimmigkeiten habe ich denn auch allein zu verantworten. iii Wie viele Reisen wurde auch diese erst durch die großzügige finanzielle Unterstüzung des Ubbo Emmius Fond der Rijksuniversiteit Groningen sowie eines Teaching Assistantship des Mary Immaculate College möglich. Beiden Institutionen sei auch dafür gedankt, dass sie sich mit mir auf das ‚Abenteuer‘ eines Joint Award eingelassen und mir so die bestmögliche Betreuung für mein Projekt haben zukommen lassen. Vor allem Gerry Wakker, Goffe Jensma, Jan-Wouter Zwart und Eugene Wall haben sich hierfür unermüdlich eingesetzt und auch unerwartete, bürokratische Hürden überwunden. Raingard Esser verdient meinen herzlichsten Dank für ihre Bereitschaft, in der Endphase als weitere ‚Promotorin‘ zu agieren und mir insbesondere beim offiziellen Prozedere zur Seite zu stehen. Hinter dem Großen soll dabei natürlich das (liebevolle) Kleine keinesfalls zurückstehen. Sowohl in Groningen als auch in Limerick bin ich stets auf offene Türen gestoßen. Für Marijke Wubbolts, Gorus van Oordt, Nella Scholtens, Hellen Gallagher, Jeannette Ferguson, Ger Downes, Jessica Kindler und Barbara McCarthy war kein Problem zu bedeutungslos, keine Frage zu unwichtig als dass sie sich nicht dafür Zeit genommen hätten. Wie wohl niemand sonst haben sie den beiden Institutionen ein menschliches Gesicht verliehen. Darüber hinaus ist natürlich auch all den anderen zu danken, die die Rijksuniversiteit Groningen und das Mary Immaculate College mit Leben erfüllten und meine Reise auf diese Weise nicht nur angenehmer und oftmals fröhlicher, sondern – gerade in kräftezehrenden Momenten – auch einfacher machten. Allen voran Hanneke Boode, Judith Brouwer, Roberto Dagnino, Ester Jiresch, Alessandro Grazi, Jessica Grazi, Jelena Kamilić, Frigga Kruse, Marek Neuman, Senka Neuman-Stanivuković, Melissa Ratliff, Rasmus Steinkrauss, Els Thiescheffer, Lieselotte Volckaert, Marc Wiers, Darren Barry, Vicky Brady, Anna Bredthauer, Mags Browne, Olivier Ernest, Janine Hemmerling, Aneka Meier, Conor Mardell, Alan McAuliffe, Cillian McHugh, Aoife McLoughlin, Ciara Nash, AnneMarie Ní Bhrosnacháin, Paul O‘Brien, Arne Rüffer, Franziska Schratt, Sandra Wagner, Eoin Walsh und Ciara Younge. Last, but certainly not least gilt mein ganz besonderer Dank meiner Familie. Meinen Eltern, Gerhard und Ilona Jung, sowie Jens Thomas ‚JT‘ Jung, Stephanie D. Hays und Axel Ivan Urbane Jung, die auf meiner Reise stets hinter mir standen und mich unterstützten – auch wenn ihnen mein Streben und Tun iv zuweilen als ein Buch mit sieben Siegeln erschienen. Sie haben mich nicht nur gelehrt, zu tun, was man liebt, sondern – im Falle von Gegenwind – auch zu lieben, was man tut: Per aspera ad astra. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Britta C. Jung Oktober 2015 v vi Meiner Familie vii Inhaltsverzeichnis DANKWORT II INHALTSVERZEICHNIS VIII EINLEITUNG 1 1. EINLEITENDE GEDANKEN: ZIELE, GRUNDVERSTÄNDNISSE UND DEFINITIONEN 1 2. ERINNERUNG IM POSTMEMORIALEN WANDEL: VON ‚MEMORY‘ ZU ‚POSTMEMORY‘ 18 3. FORSCHUNGSBERICHT 40 4. METHODE UND AUFBAU 52 KAPITEL 1 58 1. GENESE EINER MULTIDIREKTIONALEN GEDÄCHTNISIKONE: NATIONALSOZIALISMUS, WELTKRIEG UND HOLOCAUST 59 2. UMKÄMPFTE ERINNERUNG: DAS ‚DRITTE REICH‘ IN DER DEUTSCHEN ERINNERUNGSKULTUR 88 3. TRANSNATIONALISIERUNG DER ERINNERUNG: DIE POLITISCHEN, SOZIALEN UND KULTURELLEN RAHMEN DER POSTMEMORIALEN ERINNERUNGSGEMEINSCHAFT 116 KAPITEL 2 124 1. ZWISCHEN LITERARISCHER FREIHEIT, HISTORISCHER WAHRHEITSSUCHE UND MORALISCH-ETHISCHEM BEGEHREN: DAS ‚DRITTE REICH‘ ALS BELASTUNGSPROBE EINES AUTONOMISIERTEN LITERATURSYSTEMS 125 2. ERINNERUNG UND DIE GRENZEN DER ZUMUTBARKEIT: DAS ‚DRITTE REICH‘
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