Krzysztof Penderecki. Musik Im Kontext

Krzysztof Penderecki. Musik Im Kontext

Krzysztof Penderecki. Musik im Kontext Krzysztof Penderecki Musik im Kontext Konferenzbericht Leipzig 2003 herausgegeben von Helmut Loos und Stefan Keym Gudrun Schr¨oder Verlag Leipzig 2006 Gedruckt mit Unterstu¨tzung des Beauftragten der Bundesregierung fu¨r Angelegenheiten der Kultur und der Medien bei der Bundeskanzlerin. c 2006 by Gudrun Schr¨oder Verlag, Leipzig Lektorat und Satz: Dr. Hildegard Mannheims Kooperation: Rhytmos Verlag, PL 61-606 Poznan,´ Grochmalickiego 35/1 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdruc¨ klicher Genehmigung des Verlags. Printed in Poland ISBN 3-9261906-46-7 Inhaltsverzeichnis Einleitung . 1 Krzysztof Penderecki: Rede anl¨asslich der Verleihung der Ehren- doktorwurde¨ der Universit¨at Leipzig am 17. Oktober 2003 . 6 Mieczys law Tomaszewski: Krzysztof Penderecki. Wandlungen und Knotenpunkte des sch¨opferischen Weges . 11 Ann Gebuhr: Near the Center of the Labyrinth: Krzysztof Pen- derecki in the New Millenium . 29 Regina Ch lopicka: Krzysztof Penderecki's St. Luke Passion, Polish Requiem and Credo in the Context of Polish History 41 Teresa Malecka: Elements of Russian Orthodox Culture in the Œuvre of Krzysztof Penderecki as Exemplified in Utrenya I and II . 64 Allmuth Behrendt: Offen fur¨ Ver¨anderung. Modifizierung einer Werkgestalt am Beispiel von Krzysztof Pendereckis Oper Die Teufel von Loudun . 82 Stefan Keym: Krzysztof Pendereckis Sacra Rappresentazione\ " Paradise Lost und das religi¨ose Musiktheater im 20. Jahr- hundert . 100 Bettina Dissinger: Das musikalische Zitat bei Krzysztof Pende- recki { Verwendung und Wirkung . 136 Alicja Jarze, bska: Krzysztof Penderecki's \Ars Contrapuncti" . 147 Daniela Philippi: Traditionelle Muster als Material. Zur Kon- zeption der 3. Symphonie Krzysztof Pendereckis . 167 Ewa Siemdaj : Types of Climaxes in Krzysztof Penderecki's Symphonic Works . 182 Ma lgorzata Janicka-S lysz: The Idea of Dramaturgy in Instru- mental Concertos of Krzysztof Penderecki . 202 VI Rainer Cadenbach: Gattungsbeitr¨age oder was? Pendereckis Kammermusik fur¨ Streicher . 217 Roman Kowal: Krzysztof Penderecki's Actions and the Polish Jazz Awakening of the 1950s and 1960s . 230 Peter Andraschke: Penderecki in Donaueschingen . 242 Stefan Weiss: Penderecki und Ligeti: Zur Rezeption der Klang- komposition in der BRD . 264 Dieter Gutknecht: Zur Urauffuhrungsgesc¨ hichte der Lukas-Pas- sion von Krzysztof Penderecki (nach den Unterlagen des Westdeutschen Rundfunks K¨oln) . 282 Helmut Loos: Krzysztof Penderecki im deutschen Spiegel\ . 294 " Ray Robinson: Recapitulation through Synthesis: Penderecki's Reception in the United States . 306 Milan Slavick´y: Auswirkungen der polnischen Schule\ auf die " tschechische Musik der 1960er-Jahre . 331 Hartmut Krones: Krzysztof Penderecki und Wien . 342 Krzysztof Droba: Penderecki nach Iwaschkin . 363 Magdalena Chrenkoff : Krzysztof Penderecki in Polish Musico- logical Writings of the Last Decade (1992{2003) . 380 Martina Homma: Sozialistischer Realismus\ und 11. Septem- " " ber\? Ub¨ er Reaktionen und Ub¨ erreaktionen auf Krzysztof Pendereckis Klavierkonzert (2002) . 390 Einleitung Krzysztof Penderecki ist eine Pers¨onlichkeit der Zeitgeschichte. W¨ah- rend sich viele Vertreter der Neuen Musik in ein esoterisches Nischen- dasein am Rande der Gesellschaft zuruc¨ kgezogen haben, werden seine Werke nicht nur h¨aufig aufgefuhrt,¨ sondern haben auch ub¨ er das rein Kunstlerisc¨ he hinaus eine große Aussagekraft und Wirkung entfal- tet { im nationalen ebenso wie im internationalen Rahmen. In Po- len hat Penderecki gegen Diktatur und Fremdbestimmung gearbeitet und damit zur Ub¨ erwindung der kommunistischen Herrschaft und der politischen Teilung Europas beigetragen; gleichzeitig war er im Ausland ein Repr¨asentant der polnischen Kultur. Penderecki verk¨or- pert einen Komponistentypus, der nicht dem Bild eines abgehobenen, ins Absolute und Transzendente entruc¨ kten Kunstlers¨ entspricht, wie es die burgerlic¨ he Musikanschauung des 19. und 20. Jahrhunderts kultivierte und wie es paradigmatisch von Max Klingers monumen- taler Beethoven-Skulptur (1902) dargestellt wird, die im Leipziger Gewandhaus (bzw. neuerdings wieder im Grassi-Museum) zu bewun- dern ist. Seine Musik zeigt vielmehr einen sehr realistischen Gegen- wartsbezug und verkundet¨ eine plastische expressive Botschaft, mit der sie viele Menschen in Ost und West mit ihren realen Sehnsuc¨ hten und emotionalen Bedurfnissen¨ erreicht hat. Die starke Resonanz, die Pendereckis vielf¨altiges, von deutlichen Wandlungen gepr¨agtes Schaffen von Anfang an hervorrief, war stets von Diskussionen und Kontroversen begleitet. 1960 verbluffte¨ er die westliche Avantgarde-Szene mit seinem vor Energie und Klang- phantasie strotzenden sonoristischen\ Instrumentalwerk Anaklasis, " das { wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung formulierte { die Re- " chenexempel der seriellen Schule hinwegfegte und an die Stelle ihrer ¨außersten Differenziertheit und Rationalit¨at eine Musik von blockhaf- ter Einfachheit und monumentaler Wirkung setzte\.1 In den 1960er- Jahren erregte er erneut Aufsehen, indem er zun¨achst mit Werken 1Sigfried Schibli, H¨aretiker der Avantgarde. Vom radikalen Neut¨oner zum Neo- klassizisten. Besuch bei dem polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.1999. 2 Helmut Loos und Stefan Keym wie der Lukas-Passion den von den meisten seiner Kollegen damals gemiedenen Bereich der Kirchenmusik ins Zentrum seines Schaffens ruc¨ kte und sich wenig sp¨ater mit den Teufeln von Loudun der viel- fach tot gesagten Gattung der Oper zuwandte. In den 1970er- und fruhen¨ 1980er-Jahren griff Penderecki Traditionen des bis dahin in der Neuen Musik tabuisierten Erbes der sp¨atromantischen Sympho- nik auf und setzte sich kreativ mit ihnen auseinander. Die Bedeutung dieser Wandlungen geht weit ub¨ er Pendereckis pers¨onliche sch¨opferi- sche Entwicklung hinaus, denn die meisten seiner Tabubruc¨ he wurden wenig sp¨ater in ¨ahnlicher Weise auch von zahlreichen anderen Kom- ponisten vollzogen. Zum deutschen Musikleben hat Penderecki eine besonders enge Be- ziehung. Seine internationale Karriere begann mit der Auffuhrung¨ von Anaklasis bei den Donaueschinger Tagen fur¨ zeitgen¨ossische Mu- sik 1960. Im Dom zu Munster/W¨ estfalen wurde 1966 die Lukas- Passion, sein bis heute beruhm¨ testes Werk, uraufgefuhrt,¨ fur¨ das er den Großen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen erhielt und das bereits damals als Zeichen der deutsch-polnischen Vers¨oh- nung aufgefasst wurde. Auch Pendereckis vier Opern sind vor allem mit deutschen Buhnen¨ verbunden; zwei von ihnen wurden hier sogar uraufgefuhrt:¨ Die Teufel von Loudun (Hamburg 1969) und Ubu Rex (Munc¨ hen 1991). Seit 1960 stand Penderecki in engem Kontakt mit dem Verleger Hermann Moeck und dem Rundfunkredakteur Heinrich Strobel. 1966-68 lehrte er an der Folkwang-Hochschule Essen, 1968- 70 auf Einladung des DAAD in Berlin. 1988 wurde er Gastdirigent des NDR-Symphonie-Orchesters. 1990 erhielt er das Große Bundes- verdienstkreuz. Bereits 1975 wurde er zum korrespondierenden Mit- glied der Akademie der Kunste¨ sowohl der Bundesrepublik Deutsch- land als auch der DDR ernannt. In der DDR begann die Rezeption seiner Musik aufgrund staatlicher Vorbehalte gegen ihre avantgar- distischen Zuge¨ einerseits und ihre christliche Botschaft andererseits etwas sp¨ater als im Westen. Gleichwohl wurde bereits 1978 die Lukas- Passion im Rahmen der Tage der polnischen Musik\ in Dresden, " 2 Leipzig und Karl-Marx-Stadt aufgefuhrt.¨ Zu Leipzig bestand bereits seit den 1960er-Jahren ein kontinuierlicher Kontakt dank zahlreicher 2Vgl. Programmheft Tage der polnischen Musik (1978). Einleitung 3 (vor allem von Fritz Hennenberg angeregter) Werkauffuhrungen¨ in Konzerten des Rundfunkorchesters, ab 1977 auch unter Leitung des Komponisten.3 Gemessen an der intensiven Pflege von Pendereckis Musik im deut- schen Raum hat sich die hiesige Musikwissenschaft mit ihr bislang nur wenig besch¨aftigt. An monographischen Originalpublikationen deut- scher Autoren liegt lediglich das einschl¨agige, an einen breiten Le- serkreis gerichtete Buch von Wolfram Schwinger vor.4 Auch die Er- gebnisse der polnischen Penderecki-Forschung sind hierzulande wenig bekannt. Angesichts dieses Defizits war eine gemeinsame Auseinan- dersetzung deutscher und polnischer Musikforscher mit Pendereckis Schaffen und seiner Rezeption seit langem ub¨ erf¨allig. Am 17. Oktober 2003 verlieh die Fakult¨at Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universit¨at Leipzig Krzysztof Penderecki als einem Repr¨asentanten polnischer Kultur im Widerstand gegen " den Kommunismus in Anerkennung seiner Verdienste um die Wei- terentwicklung der Neuen Musik seit den 1950er-Jahren sowie die deutsch-polnischen Kulturbeziehungen und die Verst¨andigung zwi- schen den beiden L¨andern\ die Ehrendoktorwurde.¨ Aus diesem Anlass fand vom 17. bis 19. Oktober 2003 am Institut fur¨ Musikwissenschaft der Leipziger Universit¨at eine internationale wissenschaftliche Konferenz statt, deren Teilnehmerkreis sich zu et- wa gleichen Anteilen aus polnischen und deutschen Musikforschern zusammensetzte (erg¨anzt durch einige Fachkollegen aus den USA, Os-¨ terreich und Tschechien). Diese Zusammensetzung wurde nicht nur durch Pendereckis besondere Verbundenheit mit den beiden L¨andern sowie das erw¨ahnte Defizit der deutschen Penderecki-Forschung nahe gelegt; sie erschien auch deshalb besonders wichtig, weil das polnische und das deutsche Musikverst¨andnis durch sehr unterschiedliche histo- rische Erfahrungen und Traditionen gepr¨agt sind,

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