15-32 Eiszeitalter und Gegenwart 51 Hannover 2002 13 Abb., 1 Tab.

Geomorphologische, palynologische und archäologische Bei­ träge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern)

KNUT KAISER, THOMAS SCHCJKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KJJOSS & BIJRKLIARD PREHN*)

KAISER, K., SCHOKNECHT, TH., JANKE, W., KLOSS, K. & a.s.l, today: 62 m a.s.l.). Marked traces of medieval soil PREHN, B. (2002): Geomorphologische, palynologische erosion in large wooded areas were found east of the und archäologische Beiträge zur holozänen Landschafts­ lake shore. An overview of the Holocene vegetation his­ geschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpom­ tory is given by means of 4 pollen diagrams. They reflect mern). - Eiszeitalter und Gegenwart, 5 1:15-32; Han­ in each case a development depending on natural setting nover 2002. (soil, moisture, site sedimentation) and human impact. At present 401 archaeological sites were detected by Keywords: Holocene, lake-level fluctuations, vegetati­ mapping. They belong mainly to the Neolithic, the Bron- on history, human impact ce Age and the Slavonic period. The discussion is focus­ ed both on the human impact on the lake and its sur­ Kurzfassung: Vorgestellt werden Untersuchungen zur rounding area and the quality of the records. holozänen Landschaftsentwicklung im Gebiet der Mü­ ritz, des größten Sees der Norddeutschen Tiefebene. 1 Einführung Geomorphologische Untersuchungen zeigen für das Holozän bis zum Mittelalter eine im Wesentlichen Ein komplexer landschaftsgeschichtlicher Ansatz aufwärts gerichtete Tendenz des Seespiegels (9500 BP: im Sinne einer kkalen Synthese von Landschafts­ 57 m NN, 5400 BP: 61 m NN, AD 1100: 61 m NN, und Siedlungsentwicklung wurde in Norddeutsch­ AD 1280: 62-63 m NN, nach AD 1300: 65 m NN, AD land erstmals in den 30er Jahren versucht (RLKT 1788: 63,5 m NN, heute: 62 m NN). Östlich des Sees 1937). Verschiedene Projekte unter der Federfüh­ wurden unter Wald große Flächen mit jungen anthro- pogenen Erosionsspuren nachgewiesen. Vier Pollendia­ rung der Archäologie und der Palynologie zielten gramme geben einen Uberblick zur Vegetationsentwick­ dann in den 70er und 80er Jahren in Niedersachsen, lung auf verschiedenen Standorten und hei unterschied­ Schleswig-Holstein und auf Rügen in Rchtung ei­ lich starkem menschlichen Einfluß. Die bislang im Ge­ ner interdisziplinären Erforschung der kleinräumigen biet nachgewiesenen 401 archäologischen Fundplätze Landschaftsentwicklung (z.B. KOSSACX et al. 1984; datieren überwiegend in das Neolithikum, die Bronze­ LANGE et al. 1986; MILER-WIILE et al. 1988). zeit und die Slawenzeit. Die Auswirkungen des Men­ schen auf den See und sein Umland sowie die Qualität Schließlich verstärkten sich in der zweiten Hälfte der der Befunde stehen im Mittelpunkt der Diskussion. 80er Jahre in ganz Mtteleuropa Bestrebungen für eine interdisziplinäre Untersuchung der großräumi­ [GeomorphologicaL, pafynological and archaeological gen Landschaftsgeschichte. Hier seien beispielsweise investigations on the Holocene landscape development die mit siedlungsgeschichtlichem Ansatz initiierten intheLakeMueritz area (Mecklenburg-Vorpommern, Projekte am Bodensee (SCHLDLTERLE 1990), in Süd- NE )] Schweden (BERGLUND 1991), in West-Polen (Ne- Abstract: Investigations on the Holocene landscape de­ WIAROWSKJ et al. 1995) und an der unteren Oder velopment in the Lake Mueritz area, a landscape charac­ (GRTNGMUTH-D.AlIMLR 199") genannt. Vor dem terized by the largest lake (117 km2) in the North Ger­ Hintergrund aktueller Fragen zur Islirnaentwicklung man Plain, are presented. A general rising tendency of im Quartär wurden in den 90er Jahren verschiede­ the Holocene lake-level up to the Medieval time is prov­ ne Großprojekte aufgelegt (FRINZEL 1996, ANDRES ed by geomorphological studies (9500 BP: 57 m a.s.l., 1998), wobei jeweils auch interdisziplinäre land­ 5400 BP: 61 m a.s.l, AD 1100: 61 m a.s.l, AD 1280: 62- 63 m a.s.l, after AD 1300: 65 m a.s.l, AD 1788:63,5 m schaftsgeschichtliche Teilvorhaben realisiert wurden. Beispielsweise konnte im Rahmen des DFG-Schwer- punktprogrammes „Wandel der Geo-Biosphäre

*)Anschrift der Verfasser: Dr. Knut KusiJt, Prof. Dr. Wolf- während der letzten 15.000 Jahre" ein regionales gangjANKE, Universität Greifswald, Geographisches Institut, Projekt zur spätglazialen bis frühholozänen Land­ Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 16, D-17487 Greifswald; Dr. schafts- und Besiedlungsgeschichte in Vorpommern Thomas SCHOKNT-EHT, Steinweg 19a, D-14532 Kleinmachnow; durchgeführt werden (BiLwrrz et al. 2000). Dipl.-Prähist. Burkhard PREHN, Mühlenstraße 9b, D-17039 Wulkenzin; Dr. Klaus KXBS, Seestraße 5a, D-14542 Kemnitz. 16 KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KI.OSS & BURKHARD PREHN

aktuellen Wissensstand reprä­ sentieren Arbeiten der Autoren aus den 80er und 90er Jahren.

1 1 Seen Die hier vorgelegten Untersu­ j VI Munlz-Nationalpark {Teil Müntz) chungen von der Müritz stam­ D I Dünengebiet Dei Boek men nicht aus einem übergrei­ • Poilendiagramm fenden Projekt, sondern sind 1 Pollendiagramm Stinthorst das Ergebnis von Einzelaktivi­ 2 Poilendiagramm Prelitzsee 3 Poilendiagramm Boeker Moor täten der Autoren. Die 1990 & Poilendiagramm Profi! ßoek 1 erfolgte Ausweisung des Mü- ritz-Nationalparkes und der damit entstandene Bedarf an fundierten wissenschaftlichen Kölpinsee Informationen für Parkmana­ gement und Umweltpädagogik führten zu einer Belebung ent­ sprechender Forschungsaktivi­ täten. Da nur ein geringer Teil des neuen Materials zur Land­ schaftsgeschichte bislang publi­ ziert wurde und eine notwen­ dige Zusammenschau der Er­ gebnisse aussteht, soll hier der Versuch einer regionalen Syn­ these unternommen werden.

2 Geomorphologische Untersuchungen

Seebildung Im Mittelpunkt vieler geo- wissenschaftlicher Arbeiten zur Müritz stand die Suche nach und die Interpretation von Feldbefunden zu holozä­ nen Wasserspiegelschwan­ kungen. Demgegenüber besit­ Abb. 1: Lage des Untersuchungsraumes (A) und Karte des Müritzgebietes mit zen Deutungen der See­ Untersuchungspunkten (B). beckenanlage und -Umfor­ Fig. 1: Location of the study region (A) and map of Lake Mueritz area with study mung, also der hochweichsel- sites (B). glazialen bis frühholozänen Seebildung, bislang nur speku­ In Mecklenburg-Vorpommern stand, bei einer bis­ latives Niveau. Abgeleitet vom geologischen Bau lang insgesamt unzureichenden Forschungslage, und dem subaquatischen bzw. subaerischen Reli­ neben der Ostseeküste häufiger die Mecklenburger ef entwarf GEINITZ (1886, 1913) einen „Kombi­ Seenplatte und hier vor allem das Müritzgebiet im nationssee", d.h. er verwies auf die Existenz z.B. Mittelpunkt des landschaftsgeschichtlichen Interes­ von Gletscherzungenbecken-, Rinnen-, Toteis- und ses (Abb. 1). Der mit ca. 117 km2 größte See des Evorsionsseen unter einem Wasserspiegel. Später norddeutschen Tieflandes ist seit dem Ende des 18. postulierten MARTENS (1955) einen „Sammel­ Jh. Objekt landschaftshistorischer Erörterungen stausee", DEPPE & PRILL (1958) einen rinnendurch­ (SCHUMACHER 1790). Der Beginn einer komplexen zogenen „Endmoränenstausee" und RCHBERG in geowissenschafdichen Untersuchung des Sees da­ MÜLLER (1999) einen „Toteissee" mit rinnenarti­ tiert in das beginnende 20. Jh. (GEIMTZ 1913); den gen Strukturen. Diese sich auf allgemeine geo- Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern) 17 morphologisch-geologische Kriterien stutzenden ne der Ufergestalt wie fossile Kliffs, Ter­ genetischen Seeklassifikationen besitzen keinen rassentreppen und Strandwälle sowie Besonder­ Befund-Rückhalt in Spezialkartierungen großen heiten der archäologischen Überlieferung damit Maßstabs, Profilanalysen etc. Eine notwendige erklärt werden konnten. zukünftige Aufgabenstellung betrifft daher Unter­ In KAISER (1996a, 1998) und KAISER et al. (2000) suchungen zur Beckenstratigraphie für den Zeit­ wurden neue paläohydrologische Befunde für die raum Prä-Weichsel bis Holozän zur Beantwortung Müritz vorgestellt, gemeinsam mit dem älteren Ma­ folgender Fragen: Ist das Müritz-Becken eine Bil­ terial diskutiert und ein Modell zur holozänen Sees­ dung des Weichselglazials, oder lassen sich ältere piegel- und damit Uferlinienentwicklung entwor­ Vorgängerbecken finden? Welche Gletscher- und fen (Abb. 2). Nach hohen Wasserständen von mehr Entwässerungsdynamik läßt sich für die vermut­ als 66,5 m NN im Weichselhochglazial zwischen lich prägende Phase vom Frankfurter Vorstoß bis Frankfurter und Pommerscher Phase deutet sich zum zweiten Pommerschen Vorstoß rekonstruie­ für das Spätglazial (Alleröd, Jüngere Dryas) ein ren? Welche Rolle spielte Toteis im Müritzbecken Niveau von unter 62 m NN an. Im Präboreal lag und wann taute dieses aus? Zusammen mit einer der Seespiegel um 57 m NN und erreichte im spä­ geologisch-geomorphologischen Spezialkartierung ten Atlantikum ca. 61 m NN. Sieht man von den wäre dann erst die sichere Ableitung eines geneti­ noch weitgehend unbekannten Niveaus des jüngs- schen Seetyps möglich (vgl. MARCINEK et al. 1996).

Paläohydrologische Ent­ um 9500 BP: ca. 57 m NN wicklung der Müritz = ca 74 km' (ca 63%) um 5400 BP & um 1100 AD Seen sind im regionalen (z.B. JA­ ca 61 m NN = ca 103 km' (ca 88%)

GER 1987), großregionalen (z.B. nach 1300 AD. ca. 65,0 m NN ! Yu & HARRISON 1995) und kon­ ca 188 km (ca. 161%) um 1786 AD ca 63,5 m NN tinentalen Maßstab (z.B. HAR­ ! = ca 136 km (ca 115%) RISON et al. 1996) seit einiger Gegenwart 62 m NN Zeit von besonderem Interesse = 117 km'(100%) für die Paläoklimaforschung. Denn während zur Ableitung der Paläotemperaturen eine Rei­ he von Indikatoren wie fossile Insekten, pflanzliche Reste und Sauerstoffisotopen zur Verfü­ gung stehen, gestaltet sich die Rekonstruktion der hygrischen Bedingungen weitaus kompli­ zierter. Ein geeigneter Indikator stellt dabei der Wasserstand von Seen dar, wobei die Grundhy­ pothese höhere Wasserstände mit klimatisch feuchteren Pha­ sen und niedrigere Wasserstän­ de mit klimatisch trockeneren Phasen verknüpft. Eine Reihe von „Randbedingungen" wie z.B. die orohydrographische Po­ sition, der hydrologische Seetyp (vgl. JESCHKE 1997) oder die Größe des Einzugsgebietes mo­ difiziert diese einfache Relation. Auch an der Müritz lag das bis­ herige Augenmerk der For­ schung auf der Entwicklung Abb. 2: Holozäne Seespiegel- und Uferlinienenrwicklung der Müritz. ihres Seespiegels, da Phänome- Fig. 2: Holocene lake-level and shore line development of Lake Mueritz. 18 KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KLOSS & BURKHARD PREHN ten Hochglazials und des Spätglazials ab, hat sich ein größeres Seensystem, die sogenannten „Ober­ also der See erst im Mittelholozän etwa zu den en Seen", zu viele Unwägbarkeiten bereithalten. heutigen Flächen- und Volumenverhältnissen ent­ wickelt. Nach Seespiegelschwankungen geringer Historische Bodenerosion am Ostufer der Mü­ Amplitude läßt sich im Subatlantikum etwa um ritz 1100 n.Chr. ein Niveau von 61 m NN belegen. Im Rahmen landschaftsgeschichtlicher und stand- Mit der nachfolgenden mittelalterlich-deutschen ortskundlicher Untersuchungen wurden Befunde Besiedlung sind Seespiegelanstiege auf zunächst erbracht, die Auskunft über die Folgen früherer ca. 62-63 m NN, später bis auf ca. 65 m NN ver­ Landnutzung auf Relief und Boden heute bewal­ bunden (vgl. auch RUCHHÖFT 1999). Ende 18./ deter (aufgeforsteter) Flächen östlich der Müritz Anfang 19. Jh. wurde schließlich das heutige Ni­ geben (KAISER 1996a, LFG M-V in Vorb). Auf veau von 62 m NN erreicht. Grundlage einer Bodenkartierung im Maßstab Für die vormittelalterlichen Wasserstandsverände­ 1:10.000 konnten entsprechende Bodenerosions­ rungen sind vor allem klimatische, für die mittel- muster für den gesamten Müritz-Nationalpark und nachmittelalterlichen Seespiegelveränderun- dargestellt werden (Abb. 3, vgl. DIECKMANN &

O • nahezu keine Bodenerosion

schwache Bodenerosion

j maßige bis starke Bodenerosion

stärkste Bodenerosion mit nahezu voilständiger Zerstörung der • ursprünglichen Oberfläche

jrc^j Moore und vollhydromorphe Böden

Seen

2 Pollendiagramm Preliizsee 3 Pollendiagramm Boeker Moor 4 Pollendiagramm Profil Boek 1

o

Abb. 3: Erosionsmuster im Müritz-Nationalpark, Kartierbereich Müritz.

Fig. 3: Erosion patterns in the Mucritz-Nationalpark, mapped area Mueritz.

gen anthropogene Ursachen verantwortlich. Als KAISER 1998). Die flächenhafte Verbreitung und „kontrollierbarer" Indikator für die paläohygri- die Intensität der Bodenerosion nehmen dabei all­ schen Verhältnisse erscheint die Müritz jedoch gemein von den Sanderwurzeln im Norden mit ungeeignet, da ihre Größe, ihr Zu- und Abfluß abnehmender Nährkraft der Böden in Richtung durch die Eide, ihr hydrogeologisch stark diffe­ der Sanderebenen und Beckensande im Süden zu. renziertes Einzugsgebiet und ihre Einbindung in Unmittelbar östlich der Müritz fällt ein ca. 30 km2 Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern)

großes Areal stärkster anthro- pogener Überformung des ur­ sprünglichen Boden- und Re­ liefinventars auf. Teile des San­ ders und glazilimnischer Be­ ckenablagerungen sind hier Müritz von Dünen und Flugsanddek- ken bedeckt (Abb. 4 u. 5). Auf der dem Holozän vererbten spätpleistozänen Oberfläche kamen vor dem Einsetzen der Umlagerungen großflächig Sand-Braunerden vor. Dane­ ben existierten in geringerem Umfang Altdünen aus dem Spätglazial und dünenfreie Areale mit Sand-Podsolen so­ wie Sand-Gley-Podsolen. Heu­ te sind hier als Ausdruck jun­ ger Oberflächen ausschließlich Sand-Regosole und gering ent­ wickelte Sand-Podsole, soge­ nannte Sand-Saumpodsole, verbreitet. Die dominierenden Kupsten- oder Haufendünen von durchschnittlich 2 bis 4 m, maximal 12 m Höhe, lassen bereits morphologisch eine Düne I j Gewässer PB1 Poilendiagramm Profil Boek 1 anthropogen ausgelöste Gene­ BM Pollendiagramm Boeker Moor se der Dünen und Flugsand­ Abb. 4: Dünen am Ostufer der Müritz mit den Pollenprofilen Boeker Moor und Profil decken vermuten. Anhand des Boek 1 (Dünengrundrisse nach TK 10). Grundrisses in topographi­ schen Karten zunächst als Fig. 4: Dunes at the eastcoast of Lake Mueritz and locations of the pollen diagrams Strich- oder Längsdünen abzu­ Boeker Moor and Profil Boek 1. leitende Formen (Abb. 4) er­ weisen sich häufig als gereihte Kupstendünen an Niederungs­ rändern. Die Mächtigkeit der Flugsanddecken beträgt 0,5 bis 2 m.

Die in der Regel nur schwach entwickelten Böden der rezen­ ten Oberflächen, von äolischen Sanden begrabene ehemalige Torfmoos-Wollgrasiorf Oberflächen mit stark entwick­ Braünmoostorf elten Böden, begrabene Moor- 11C: 1495 */- 135 BP Organomudde (cai AD 425-865) pjtjj äoüsctiei Sand und Seeablagerungen sowie ei­ rj^j giazifluviaier Sand nige mittels Radiokarbondaten, IIIIII Boden (Braun- bzw. Saumpodso!, 14C: 9020 +/- 90 BP in 12: begrabener Gley-Podsoi) Pollenanalysen und Artefakten (cal 3C 8087-7975) 20 m datierte Stratigraphien verwei­ sen auf ein mehrphasiges Ero- sions-Akkumulations-Gesche- Abb. 5: Querschnitt durch das Boeker Moor. hen von der eisenzeitlichen oder slawischen Besiedlung Fig. 5: Cross section of the mire Boeker Moor. 20 KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KLOSS & BURKHARD PRKHN dieses Raumes bis in das 19. Jh. Die stärksten Ein­ einen Überblick zur lokalen Moor- und Vege­ griffe sind wahrscheinlich auf das Spätmittelalter tationsentwicklung gerichtet (vgl. KLOSS in KAI­ zurückzuführen, eine Reihe von Dorfwüstungen SER 1996a). Diese drei Diagramme werden nach­ sind Zeugen dieser Nutzungsphase (vgl. Abb. 11). folgend für eine vergleichende Betrachtung der Vegetationsentwicklung im Müritzgebiet herange­ 3 Palynologische Untersuchungen zogen. Das aus einem von Dünensanden begra­ benen Boden erstellte Pollendiagramm Profil Boek Methodische Aspekte 1 wird weiter unten gesondert vorgestellt. Die für eine Vegetationsrekonstruktion zur Ver­ Die Prozentwerte beziehen sich auf die Pollen- fügung stehenden Pollendiagramme Stinthorst, summe aller terrestrischen Taxa (Gesamtdiagram­ Prelitzsee, Boeker Moor und Profil Boek 1 stam­ me). In einer ersten Darstellung wurden die Spek­ men aus unterschiedlichen Teillandschaften des tren ihrer Tiefe in cm zugeordnet (Abb. 6, 7 u. 8), Müritzgebietes (Tab. 1 u. Abb. 1) und dienten ur­ in einer zweiten wurde die Probenlage weniger sprünglich verschiedenen Zwecken. Daraus resul­ ausgewählter Taxa auf die Zeitachse interpoliert tieren Unterschiede im Probenabstand und damit (Abb. 9). Die Grenzen der Chronozonen III bis in der zeitlichen Auflösung sowie in der Pollen­ X (vgl. Tab. 1) wurden wie in SCHOKNECHT (1996), summe pro Probe. Das am intensivsten bearbei­ MANGERUD et al. (1974) folgend, auf entsprechen­ tete Diagramm Stinthorst war vordergründig sied- 14 de C-Jahre BP für die Abschnitte nach FIRBAS lungs- und vegetationsgeschichtlich orientiert (vgl. (1949) als vereinfachte Berechnungsgrundlage fest­ SCHOKNECHT 1996), das Diagramm Prelitzsee dien­ gelegt. Mit diesem einheitiichen Zeitmaßstab soll te der stratigraphischen Einbindung einer limni- eine bessere Vergleichbarkeit der Diagramme er­ schen Schichtenfolge (vgl. JANKE in KAISER 1996a, zielt werden. 1998) und das Diagramm Boeker Moor war auf

Tab. 1: Erläuterungen zu dun Pollendiagrammen (Abb. 6-10). Tab. 1: Explanations to the pollen diagrams (figs. 6-10).

Poilendiagramm Landschaftstyp Ablagerungsmilieu weitere Untersuchungen Autor und Quelle

Stinthorst Karnes und Becken Verlandungsmoor Schoknecht 1996

Prelitzsee Grundmoräne See mit Verlandungsmoor Sedimentanalyse, Janke in Kaiser 1996a, Diatomeenanalyse 1998

Boeker Moor Sander Versumpfungsmoor Makrorestanalyse, Kloss in Kaiser 1996a über Verlandungsmoor Radiokarbonanalyse (2) über Versumpfungsmoor Profil Boek 1 Übergang Sander von Flugsand Bodenanalyse Kloss in Kaiser 1996a, zu Becken begrabener Boden Radiokarbonanalyse (1) Dieckmann & Kaiser 1998

Grenze von Chronozonen und pollenanalytische Abgrenzungskriterien Abschnitte nach Firbas Jüngere Dryas / Präboreal steiler Abfall der Nichtbaumpollen, Anstieg von Pinus bzw. Belula und Pinus III ' IV Präboreal / Boreal steiler Anstieg von Corylus, Einsetzen der Kurven von Quercus und Ulmus IV /V Boreal / Atlantikum Anstieg \on Alnus, Abfall vom Corylus -Hauptgipfel, V / VI-VII letzteres z.T. erst im Atlantikum Atlantikum / Subboreal klassischer Ulmenfall, Einsetzen von Siedlungszeigern, VII / VIII Beginn der Fagus-Ausbreitung Subboreal / Subatlantikum I Anstieg der Fagus - und Carpinus -Kurven, Abfall vom letzten Corylus -Gipfel VIII • IX Subatlantikum I / Subatlantikum IIa Beginn des Anstiegs zu den Maxima von Fagus und Carpinus, völkerwande­ LX/Xa rungszeitliche Siedlungslücke, Anstieg der Siedlungszeiger in slawischer Zeit Subatlantikum IIa / Subatlantikum IIb steiler frühdeutscher Anstieg der Siedlungszeiger, Pinusanstieg, Xa/Xb Fagus - und Carpinus -Rückgang Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern) 21

Vegetationsentwicklung im Müritzgebiet kräftig zugunsten von Pinus zurück. Juniperus, Che- Die Jüngere Dryas (III) wurde mit drei Spektren an nopodiaceae und Poaceae breiteten sich aus. Ahnlich, der Stinthorst erfaßt. Sie ist hier durch Maxima von aber schwächer ausgeprägt, verlief die Entwick­ Artemisia (Beifuß), Fricaceae (Heidekrautgewächse) lung am Boeker Moor. An der Stinthorst erreicht und Cistaceae (Cistrosengewächse, hier Helianthemum, die Summe der Siedlungszeiger kaum mehr als 5 Sonnenröschen) gekennzeichnet. Die Zusammen­ %. Eine mittelneolithische Siedlungsphase wird setzung des ältesten Spektrums vom Prelitzsee mit durch Plantago lanceolata (Spitzwegerich) markiert. Salix (Weide) und Juniperus (Wacholder) spricht Erst für die Bronzezeit kann Cerealia-Pollen (Ge­ ebenfalls für die ausklingende Jüngere Dryas. treide) nachgewiesen werden. Das Präboreal (IV) ist in allen drei Diagrammen Das Subadantikum I (IX) ist die Periode, die durch belegt. Der Anteil von Pinus (Kiefer) und Betula (Bir­ den Anstieg der Kurven von Fagus und Carpinus ke) ist standörtlich verschieden. Im Boeker Moor zu ihrem Hauptmaximum gekennzeichnet ist. In wurde der Ubergang zum Boreal durch ein 14C-Da- vielen Diagrammen der weiteren Region läßt sich tum von 9020 ± 90 BP (Hv-19535) an Kiefernholz in dieser Zeit ein erstes Plateau erkennen (z.B. in Braunmoostorf erfaßt (Abb. 5). Da die Datie­ MÜLLER & KOHL 1966, KLOSS 1980). Im Untersu­ rung jedoch an einer neben dem Pollenprofil nie­ chungsgebiet ist dieser Verlauf in unterschiedli­ dergebrachten Nachbohrung erfolgte, kann keine cher Ausprägung ebenfalls zu identifizieren. An exakte Projektion des Datums in das Pollendia­ der Stinthorst finden wir in dieser Zeit hohe An­ gramm vorgenommen werden. teile von Pinus. Fagus und Carpinus spielten mit Im Boreal (V) entwickelte sich die Vegetation in den weniger als 2 % bzw. 1 % nur eine untergeordnete Gebieten an der Stinthorst und am Boeker Moor Rolle. Der Anteil von Quercus veränderte sich kaum ähnlich. Es ist ein rasanter Rückgang von Pinus bei und liegt mit 10 % etwa so hoch wie in den ande­ gleichbleibenden oder leicht ansteigenden Anteilen ren beiden Diagrammen. Auffällig ist im Dia­ von Betula zu beobachten. Im Gegensatz dazu nah­ gramm Stinthorst die Zunahme von Cyperaceen men am Prelitzsee Kiefer und Birke gleichermaßen und Poaceen (Sauer- und Süßgräser). In Verbin­ allmählich ab. Corylus (Hasel) breitete sich rasch aus dung mit dem kurz vorher erfolgten Umschlag von und war praktisch für das ganze Boreal vegetati- Mudde- zu Torfsedimentation spiegelt sich hier onsprägend. Das Einsetzen und der rasche Anstieg die lokale Gewässerverlandung wider. Siedlungs­ der Kurven von Tilia (Linde) und Alnus (Erle) kenn­ zeiger im engeren Sinne spielen kaum eine Rolle. zeichnen den Übergang zum Atlantikum. Im Zusammenhang mit den Gehölzkurven erge­ Die Vegetationsentwicklung der Eichenmischwäl­ ben sich weitere Folgerungen. Pinus als stark wind- der im Atlantikum (VI-VII) verlief recht gleichför­ blütiger Baum mit hoher Pollenproduktion ist in mig. In den Anteilen der Eichenmischwaldarten Zeiten der Waldauflichtung überrepräsentiert. Quercus (Eiche) bis Fraxinus (Esche) werden Unter­ Quercus reagiert gering auf extensiven Weideein- schiede zwischen den Untersuchungspunkten deut­ fluß, Rodungen hingegen werden von der Quer- lich. Um den Prelitzsee spielte vor allem Quercus eine cus-Kurve deutlich reflektiert. Fagus reagiert als äl­ größere Rolle als in den anderen beiden Gebieten. terer Baum bedeutend empfindlicher auf Verbiß Im Diagramm Stinthorst haben Tilia und U/mus und Schälschäden. Als junges Gehölz ist sie je­ (Ulme) im Verlauf des Subboreals (VIII) eine kurze doch sehr regenerativ. Carpinus ist auch als älteres Wiederausbreitungsphase ähnlich anderen Unter­ Gehölz noch sehr regenerationsfähig. Fagus und suchungspunkten westlich der Müritz (SCHO­ Carpinus können als Neuankömmlinge im Gebiet KNECHT 1996). In den beiden Gebieten östlich der um die Stinthorst durch hohen Verbißdruck am Müritz ist eine solche Phase nicht zu erkennen. Erreichen der Blühfähigkeit gehindert worden sein. Die Ausbreitung von Fagus (Rotbuche) erfolgte an Sie sind deshalb nur mit wenigen Prozenten im den drei Untersuchungspunkten allmählich, die Pollendiagramm vertreten. Das Gebiet um die Kurven erreichen zum Ende dieses Abschnittes Stinthorst mit seinen von Mooren und Gewässern knapp 1 %. Pollen von Carpinus (Hainbuche) tre­ umgebenen Sandkuppen wurde vermutlich vor­ ten an der Stinthorst nur vereinzelt auf, die Kurve rangig beweidet; Ackerbau in Verbindung mit Ro­ schließt sich erst im Subatlantikum. Am Boeker dung fand zu dieser Zeit nicht statt. Am Boeker Moor und am Prelitzsee hingegen ist die Kurve Moor zeigen Fagus und Carpinus einerseits und Pi­ von Carpinus schon im Subboreal geschlossen. nus andererseits gegenläufige Entwicklungen. Car­ Am Prelitzsee läßt sich etwa seit Beginn des Sub­ pinus und Fagus erreichen um bzw. über 10 %, Pi­ boreals Landnutzung erkennen, die offenbar in der nus fällt von etwa 45 % auf 10 % ab. Die Quercus- Bronzezeit ihren Höhepunkt erreichte: Quercus ging Kurve bleibt von diesem Geschehen unberührt. 22 KNUT KAISKR, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KI^US KLOSS & BURKHARD PREHN

Der Verlauf der Siedlungszeiger- und übrigen Kräuterkurven am Boeker Moor ist relativ flach und unspezifisch. Plantago lanceolata und Artemisia haben geschlosse­ IiI i ne Kurven, andere Taxa treten illlllHIIIIIII md dagegen nur mit einzelnen Pol­ lenkörnern auf. Siedlungsplätze Fl mit Ackern und Weideland dürf­ MbH ten in einigen Kilometern Ent­ • f -flu* .^"A.r fernung gelegen haben. Eine völ­ Ä 11 kerwanderungszeitliche Sied­ lungslücke zeichnet sich in allen drei Diagrammen deutlich ab. tu''. ...'iL. J - il . ••' vhl- i i Ii-, il i- ,. _t _s_ ..;... .1 r Der westliche Rand des Boeker V,V%V-L - - - — *™- Moores wird von einer in das - — 14*—• • •• - 4 — - -L Moor gewanderten Düne gebil­ det. Ein ,4C-Datum von 1495 ± 135 BP = cal AD 425-665 (Hv- 22342) an Torfmoos-Wollgras­ torf unmittelbar unter dem Dü­ nensand könnte ein völkerwan­ derungszeitliches bis frühslawi­ ^^iiiiiiiril1'¥lil^dll sches Ttrosions- bzw. Nutzungs­ A A ereignis widerspiegeln, stände dem nicht der Pollenbefund entgegen. Ein paralleles Pollen­ spektrum aus dem datierten Torf spricht nach Korrelation mit dem ..'"-•I -rTlTir j „JllMIliHaiL^^. It Pollendiagramm Boeker Moor Sil EUMMI11IL-...... _ . LL eher für eine Datierung in das Jüngere Subadantikum (Xa/Xb). Am Prelitzsee erreicht die Fagus- Kurve ein Plateau von ca. 5 %, die Carpinus-Kjdtve nur 1-2 %. Entsprechend höher bleiben mit 30 % die Pinus-Werte. In diesem Diagramm sind zwei deutliche Siedlungsphasen zu erkennen (ca. 370-340 cm): Die Summen­ SP" L •ipn R- p kurven von Kräutern und Sied­ lungszeigern laufen parallel. fit Wichtige Taxa unter den Sied­ lungszeigern sind Plantago lanceo­ lata, Artemisia und Kumex acetosel- CN CO , -IT *n tL j I i la (Kleiner Ampfer), in der jün­ geren Siedlungsphase kommen Cerealia hinzu. Offenbar haben Abb. 6: Pollendiagramm Stinthorst, Gesamtdiagramm. Ausgewählte Taxa. während der Vorrömischen Ei­ Lithostratigraphie: 1 Bruchwaldtorf, 2 Riedtorf, 3 Kalkmudde, 4 senzeit und der Römischen Kai­ Torfmudde, 5 Sandmudde. serzeit in der Nähe Siedlungen Fig. 6: Pollen diagram Stinthorst, total diagram. Selected taxa. gelegen, jedoch nicht in unmit­ Lithostratigraphy: 1 wood peat, 2 radicel peat, 3 calcareous gyttja, 4 peaty telbarer Nachbarschaft zum See. gyttja, 5 sandy gyttja. Im Vergleich mit dem Boeker Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern) 23

Moor wird deudich, daß die Ausbrei­ tung von Fagus und Carpinus am Prelitz­ see durch anthropogenen Einfluß un­ terdrückt wurde. Ein kleiner Fagus-G'vp- fel in der Zeit der Siedlungsruhe ver­ stärkt dieses Bild. Die jüngsten Spektren des Diagramms Stinthorst sind dem Beginn des Subat- lantikums II (Xa) zuzuordnen. Dafür spricht vor allem das Einsetzen der ge­ schlossenen Secale-K.urve. Die wenigen Spektren sind jedoch für das weitere vegetations- und siedlungsgeschichtli­ che Geschehen nicht auswertbar. Am Boeker Moor bleiben die relativ hohen Fagus-'Werts aus dem Subadantikum I erhalten, Carpinus erreicht ihren Maxi­ malwert und Pinus bleibt im Minimum. Mit dem Wiedereinsetzen bzw. der Zu­ nahme der Siedlungszeigerwerte und dem Beginn von Seeale fallen die Fagus- und Carpinus-Kurve von ihrem Haupt­ gipfel. Eine Intensivierung des Sied­ lungsgeschehens in spätslawischer Zeit bewirkte dann auch einen Abfall der Kurve. Spätestens mit der mittelalter­ lich-deutschen Besiedlung dieses Gebie­ tes verloren die Laubgehölze an Bedeu­ tung. Pinus wird in den Diagrammen einerseits durch die Öffnung der Land­ schaft überrepräsentiert, andererseits wurde sie durch selektive Holzentnah­ me und ihr hohes Sukzessionspotential auf Brachflächen anthropogen geför­ dert. Ein Wechsel der Siedlungszeiger bzw. kulturbegleitenden Arten wie Cal- luna (Heidekraut) und Artemisia zu Poa- ceen bei unveränderten Getreidewerten ist möglicherweise der Ausdruck für eine veränderte Wirtschaftsweise: Ex­ tensive Beweidung von Wäldern und Brachen wurde durch flächenhafte Grünlandnutzung abgelöst. Am Prelitz­ see ist die Waldentwicklung mit der Si­ tuation am Boeker Moor vergleichbar. Fagus und Carpinus erreichten Maxima, auch Quercus breitete sich noch einmal aus. Ausbreitung als auch nachfolgen­ Abb. 7: Pollendiagramm Prelitzsee, Gesamtdiagramm. Ausgewählte Taxa. der Rückgang waren wie am Boeker Lithostratigraphie: 1 Schilftorf, 2 Wasser, 3 Kalkmudde, 4 Wechsel­ lagerung von Kalkmudde und Organomudde, 5 Organomudde, 6 Moor das Ergebnis der völkerwande­ Wechsellagerung von Kalkmudde und Organomudde, 7 Schluffmudde, rungszeitlichen Siedlungslücke bzw. der 8 Sandmudde. anschließenden slawischen Besiedlung. Der Nutzungseinfluß ist am Prelitzsee Fig. 7: Pollen diagram Prelitzsee, total diagram. Selected taxa. kräftiger als am Boeker Moor ausge- Ijthostratigraphy: 1 Phragmites peat, 2 water, 3 calcareous gyttja, 4 alter­ nating calcareous gyttja and organic gyttja, 5 organic gyttja, 6 alternating calcareous gyttja and organic gyttja, 7 silty gyttja, 8 sandy gyttja. 24 KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KLOSS & BURKHARD PREHN

pogenen Einflusses in den drei Diagram­ men vermittelt Abbildung 12.

Pollendiagramm Profil Boek 1 Dieses Diagramm (Abb. 10; vgl. DIECK­ MANN & KAISER 1998) stammt aus einem von Flugsanden begrabenen Gley-Eisen- humuspodsol, der sich in Beckensanden entwickelt hat. Ziel der Pollenanalyse des in Zentimeterabständen lückenlos unter­ suchten Profils war eine Datierung des Überdeckungszeitpunktes, also des Be­ ginns äolischer Aktivität vor Ort, sowie die Rekonstruktion der lokalen Vegetati­ on vor der Überdeckung (zur Lage vgl. Abb. 4). Bodenpollenanalysen haben sich als ein wertvolles Mittel zur Rekonstruktion der lokalen Vegetationsentwicklung bis zu einer Entfernung von 20-30 m um den Untersuchungspunkt erwiesen (ANDER­ SEN 1986, 1998). Der gegenüber Moor­ oder Seeprofilen andersartige Pollennie­ derschlag und vertikale Pollentransport durch Bioturbation und Perkolation ist bei der Interpretation solcher Diagram­ me zu beachten. Ein benachbartes Dia­ gramm mit dem extralokalen bis regio­ nalen Pollenniederschlag, wie in diesem Falle das Diagramm Boeker Moor, sollte zur Verfügung stehen. Im nordostdeutschen Tiefland hat erst­ mals ENGMANN (1937) in größerem Um­ fang Bodenpollendiagramme bearbeitet. Systematische Untersuchungen von MÜL­ LER an rezenten als auch begrabenen Humusauflagen, Podsolen, Gley-Podso- CM CO ' len, Braunerden und Gleyen in Mecklen­ burg-Vorpommern und Brandenburg zeigten eine Pollenführung in begrabe­

Abb. 8: Pollendiagramm Boeker Moor, Gesamtdiagramm. Ausgewählte nen Sand-Gley-Podsolen bis in das Jün­ Taxa. Lithostratigraphie: 1 Torfmoos-Wollgrastorf, 2 Braunmoostorf, 3 gere Atlantikum (VII) (MÜLLER et al. Organomudde, 4 Feinsand. 1971, KRETSCHMER et al. 1971). An der Basis des Diagramms Profil Boek Fig. 8: Pollen diagram Boeker Moor, total diagram. Selected taxa. Iithostratigraphv: 1 Sphagnum-hriophorum peat, 2 brownmoss peat, 3 or­ 1 wird der Übergang Subboreal/Subat- ganic gyttja, 4 fine sand. lantikum (VIII/IX) widergespiegelt. Mit dem Auftreten bzw. der Zunahme von Vagus, Carpinus, Plantago lanceolata und anderen Sied­ prägt. Das gilt auch für den jüngsten Teil des Sub- lungszeigern sinken die Anteile von Tilia drastisch. adantikums II (Xb). Hier macht sich die extensive Seitdem und bis zur stärkeren Ausbreitung von Waldnutzung (Waldweide) durch die Wiederaus­ Fagus ab etwa 71 cm Tiefe hatten auch Pinus und breitung von Juniperus bemerkbar, allerdings ohne Corylus hohe Anteile an der Pollenführung. Bemer­ daß es zu einer Verheidung durch Calluna kommt. kenswert ist der konstant niedrige Wert von Quer­ Einen vergleichenden Überblick zur holozänen cus von weniger als 5 % bis zum Fö£w.r-Anstieg. Entwicklung der Waldvegetation und des anthro- Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern) 25

Die jüngsten Spektren gehören zu einer Sied­ > s 1 T • S: s ! v :i i V I VI - i lungsphase, die mit dem Nachweis von Secale- >4 aLÜflE Pollen mindestens in slawische Zeit gestellt werden kann. Auffällig sind die mit 20-40 % sehr hohen Calluna-Werte, die offenbar nicht anthropogen sind. Calluna ist in Nordost­ deutschland eine lokale Komponente in der Moorvegetation in Verbindung mit der Aus­ bildung von Gley-Podsolen (MÜLLER et al. 1971, BRANDE 1995). Hinsichtlich der grundlegenden vegetationsge­ schichtlichen Abläufe ähnelt das Diagramm Profil Boek 1 dem vom Boeker Moor. Die Unterschiede im Detail sind jedoch erheblich. Bis auf die letzten drei Spektren hat Tilia hö­ here Anteile als Ulmus und Quercus. Die starke Dominanz von Tilia in den unteren 5 cm des J3JI -1 ~ö—vTK.it-:--,, 1 .•', Fr 7r\_* I Diagramms verschiebt nahezu alle anderen Pollenwerte. Im Boeker Moor hat Quercus er­ wartungsgemäß die größeren Anteile. Auch die hohen Calluna-Werte treten im Boeker Moor nicht auf. Annähernd so hohe Werte werden hier einmalig in spätslawischer Zeit gefunden und deuten zusammen mit dem Artemisia-G'vp- fel auf ein Brachfallen von Äckern und die Ausweitung von Weideflächen. Ein 14C-Datum an Huminsäure aus dem ers­ ten Zentimeter des rGo-fAeh-Horizontes von Profil Boek 1 ergab 1370 ± 60 BP = cal AD 640-686 (Hv-19537). Dieses Datum, das in die frühslawische Siedlungsphase fällt, fügt sich zwar zwanglos in die Zeit der maximalen Fa- gus-Werte im älteren Teil des Subatlantikums II ein (Xa, vgl. Abb. 9 u. 12). Ob damit aber auch näherungsweise der Zeitpunkt der äoli- schen Sandüberdeckung widergespiegelt wird, muß mangels einer breiteren 14C-Datenbasis offen bleiben. Neben dem unmittelbar vor der Sandüberdeckung gebildeten Humus ist mit einem unbekannt hohen Anteil an mehrhun­ dertjährigem alten Humus im Boden zu rech­ it-- nen, was eine Altersüberschätzung zur Folge haben kann (GEYH 1983).

Ii"»" «^i^p^r-T— i 4 Archäologische Untersuchungen

Ur- und frühgeschichtliche Besiedlung im Umland der Müritz In den Jahren 1984/85 wurde eine Untersu­ Abb. 9: Synoptische Darstellung der Pollendiagramme Stinthorst, Boeker Moor und Prelitzsee auf einer linearen Zeitskala ("C-Jahre chung zur ur- und frühgeschichtlichen Fund­ BP). Ausgewählte Taxa. platzverteilung im Umland der Müritz durch­ geführt (PREHN 1985). Dabei war zu prüfen, Fig. 9: Synopsis of the pollen diagrams Stinthorst, Boeker Moor ob und in wieweit diese einerseits durch den and Prelitzsee on a linear time scale (14C-years BP). Selected taxa. Forschungsstand der Bodendenkmalpflege 26 KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KLOSS & BURKHARD PREHN

und andererseits durch verschiede­ ne natürliche Faktoren wie die Lage lS g zum Gewässer, das Relief und die Bodenverhältnisse beeinflußt ist. ri Im Rahmen einer interdisziplinären Bestandsaufnahme zur Entwick­ lung des Müritzgebietes im Holo- zän konnte der Datenbestand 1998 Ä i ergänzt werden. Das Arbeitsgebiet (Abb. 11) umfaßt das Umland der Müritz. in einem etwa uferparallelen Streifen von ca. 3 km im Osten und die Ufergemar­ kungen im Westen der Müritz. Die Fundplatzaufnahme erfolgte an­ hand von Gemarkungsakten; dar­ über hinaus konnten im begrenz­ ten Maße Flurbegehungen durch­ geführt werden. Zu berücksichtigen ist, daß das stark bewaldete und ver­ moorte Ostufer der Müritz auch infolge jahrzehntelanger Staatsjagd­ nutzung nahezu unzugänglich war und daher für eine Kartierung von Fundplätzen nahezu ausfiel. Das heißt, daß in einigen Gemarkungen die archäologischen Nachweise stark zufallsgeprägt sind. Aussa­ gen zur Siedlungslage und -inten- sität lassen sich daher für bestimmte ur- und frühgeschichdiche Perioden nur sehr vorsichtig treffen. Die Zahl der exakt lokalisierbaren Fundplätze ist mit 401 trotz der erwähnten z.T. eingeschränkten Tätigkeit der Bodendenkmalpflege relativ hoch. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um durch Ober­ flächenfunde und Notbergungen ermittelte Fundplätze. Systemati­ sche Ausgrabungen außerhalb der Städte erfolgten kaum (HOLLNAGEL o & SCHOKNECHT 1956, SCHOKNECHT CT 1959, BLEUE 2000). Die zeitliche Verteilung der Fund­ plätze im Arbeitsgebiet gestaltet sich wie folgt: Spätpaläolitikum 4, Mesolithikum 69, Neolithikum 174, Bronzezeit 84, Vorrömische Eisen­ Abb. 10: Pollendiagramm Profil Boek 1, Gesamtdiagramm. Bodenhorizonte des zeit 41, Römische Kaiserzeit 31, begrabenen Gley-Eisenhumuspodsols: 1 rGo-fAeh, 2 fAhe, 3 fBh, 4 ffish. Völkerwanderungszeit 1 und Fig. 10: Pollen diagram Profil Boek 1, total diagram. Soil horizons of the buried schließlich Slawenzeit 99. An unbe­ gleyic Podzol: 1 rGo-fAeh, 2 fAhe, 3 fBh, 4 fBsh. stimmbaren Fundplätzen wurden 72 ermittelt. Auf verschiedenen Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern) 27

Abb. 11: Archäologische Fundplatzverteilung im Umland der Müritz.

Fig. 11: Archaeological sites around the Lake Mueritz.

Fundplätzen sind mehrere ur- und frühgeschicht­ Nachweis der ur- und frühgeschichtlichen Perio­ liche Besiedlungsphasen feststellbar. den (vgl. SCHOKNECHT in KNAPP et al. 1999). So ist Deutlich zeigen sich gravierende Unterschiede im das Spätpaläolithikum mit nur wenigen Fundplät- KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE:, KLAUS KLOSS & BURKHARD PREHN

Chronologie Geomorphologie Palynologie Archäologie ~i r 15*

^ ?<*

Ki, SZ Ki, SZ, Xb (Bu)

Kl.(Bu) Ei, Bu, Bu, Ei 1ST Xa SZ SZ SZ

El, Ki, Bu Ei Ei, Bu, IX (Bu, SZ (SZ) SZ

El. Ki Ei Kl, Ei, (Buj VIII (Bu), (Bu), Ha, SZ Ha, Ha. Neo- (SZ) SZ litr-ikurr

VII

Ki, Ki Bi, EMW EMW EMW Meso­ lithikum Vi

Ki. Ha, Ha, Ki, Ki, Ha, Bi, Ei. Bi, Bi. Ei * (Ul) ( Ei, Ul)

Ki, Ha Ki Bl. Ki, iV (Bi, Ha) (Ha)

KH, Ki, Iii Spat­ Bl pal ao- ülhikii rrs II

= Kiefer. Bu = Rot-Buche, Ei = Eiche, MO = Moderne, NZ = Truhe Newell, MA= dt Mittelalter, = Birke, EMW= Eiehenmischwald, JSL = Jungslawisch ASi. = Altslawisch. VWZ = Vdiker- = Hasel. Ul = Ulme, 5Z = Sieölungs- wanderungszoit RKZ = Komische Karserzeri VEZ - Votrömische ger, KH - kryo-.'heliophile Sippen Esenzeit ;BZT - Jüngere Bronzezeit, äSZT - Altere Bronzezeit; Terminologie u Chronologie z.T. nach Wieihuld (1993)

Abb. 12: Übersicht zur Landschaftsentwicklung im Müritzgebiet.

Fig. 12: Schemed landscape development in the Lake Mueritz area. zen sogenannter Stielspitzen vor allem auf Inseln zeitlichen Fundplätzen ist der überwiegende Teil belegt. Im Mesolithikum wurden die unmittelba­ der jüngeren Bronzezeit zuzuordnen. Die entspre­ ren Uferlagen offener Wasserflächen bevorzugt. chenden Siedlungen wurden bevorzugt in unmit­ Besonders dicht erscheint die Besiedlung am Ei­ telbarer Ufernähe, jedoch in unterschiedlicher deausfluß aus der Müritz. Für das Neolithikum ist Höhenlage angelegt; eine relativ geschlossene Be­ die höchste Fundplatzzahl zu verzeichnen; das siedlung deutet sich am Nordufer an. Für die Vor­ Übergewicht der neolithischen Fundplätze wird römische Eisenzeit und die Römische Kaiserzeit jedoch durch die unterschiedliche Dauer der ur- zeichnet sich ein Besiedlungsrückgang ab. Die Sied­ und frühgeschichtlichen Perioden relativiert (Abb. lungen befinden sich an heutigen Niederungsrän­ 12). Zudem handelt es sich überwiegend um Ein­ dern und Meinen Gewässern, während die Ufer der zelfunde (z.B. Steinbeile), die zumeist in unmittel­ Müritz weitgehend gemieden wurden. Diese Sied­ barer Gewässernähe geborgen wurden. Die weni­ lungslage hatte möglicherweise wirtschaftliche Ur­ gen Siedlungen mit Keramikfunden sind, mit Aus­ sachen (Raseneisenerzgewinnung?). Am Beginn der nahme der Insel Stinthorst (vgl. Abb. 6), vorwie­ späten Römischen Kaiserzeit ist ein weitgehender gend in erhöhter Uferlage anzutreffen. Besied­ Siedlungsabbruch erkennbar, der wohl nur mit der lungskonzentrationen sind am Nord- und West­ Abwanderung größerer germanischer Bevölkerungs­ ufer sowie im Süden erkennbar. Von den bronze­ gruppen im Zuge der Völkerwanderung erklärt wer- Geomorphologische, palynologische und archäologische Beiträge zur holozänen Landschaftsgeschichte im Müritzgebiet (Mecklenburg-Vorpommern) 29 den kann. Eine erneute starke Besiedlung des Mü- ren und von Geschiebemergelstandorten gepräg­ ritzgebietes läßt sich erst für die slawische Periode ten Westufer mit seiner vergleichsweise höheren belegen. Die Einwanderung slawischer Stämme er­ Siedlungsgunst dürften sich landseitig in Form von folgte vermutlich im 7. Jh. n. Chr. Die zahlenmäßig Kolluvien bzw. erodierten Flächen und seeseitig in stark angewachsenen jungslawischen Siedlungsplät­ Form eines Eintrages von Feinklastika bzw. anhand ze befinden sich im Gegensatz zu den altslawischen einer lokalen Eutrophierung deutliche Nutzungs­ wieder in unmittelbarer Uferlage der Müritz. Flache spuren innerhalb verschiedener Siedlungsperioden Inseln und Halbinseln wurden als Schutzlagen oder nachweisen lassen. Refugien genutzt. Für diese Zeit zeichnen sich bei Ein in seiner Datierung und hydrographischen Aus­ Vipperow, Röbel und Waren drei Siedlungskonzen­ wirkung gut abgesicherter Befund ist der wahr­ trationen ab, die als Siedlungskammern zu interpre­ scheinlich auf Mühlenstau zurückzuführende An­ tieren sind. Erstere steht unzweifelhaft mit der für stieg der Müritz von 62-63 m NN am Ende des 13. die 2. Hälfte des 12. Jh. überlieferten Terra Veprowe Jh. auf ca. 65 m NN im 14. Jh. Die Überschwem­ in Zusammenhang, deren Zentrum die Vipperower mung großer Landflächen hat nicht nur zu einem Burgwallinsel war (SCHOKNECHT 1993). Etwa um zeitweiligen Verlust von Siedlungs- und Nutzungs­ 1200 begann die starke Einwanderung deutscher flächen geführt, sondern muß auch gravierende Siedler, die mehrfach bereits bestehende slawische Veränderungen im See selbst bewirkt haben. Im Ortschaften zur Ansiedlung nutzten, aber auch Großen Plöner See in Ostholstein, für den ein an- nahezu unbewohnte Areale z.B. am Ostufer urbar thropogener Seespiegelanstieg von mehr als 2 m aus machten. Diese überwiegend erstmals im 13. Jh. er­ dem 13. Jh. bekannt ist, ließ sich eine an die Seeflä­ wähnten Dörfer und Städte prägen das heutige Sied­ chenvergrößerung und den dadurch erhöhten Stoff­ lungsbild. Der niedere Adel erhielt die Erlaubnis, eintrag gekoppelte, später jedoch wieder abklingen­ seine Rittersitze zu befestigen, wovon einige Turm­ de Eutrophierung nachweisen (vgl. OHLE 1972, hügel Zeugnis ablegen. Bereits im 14. Jh. erfaßte eine 1973). Ein ähnlicher Prozeß dürfte auch in der erste Wüstungsphase das Müritz-Umland. Müritz stattgefunden haben. Die für eine unterschiedliche Intensität der Uferbe­ Der direkten und indirekten Wirkung des mittelal­ siedlung u. a. herangezogenen Seespiegelschwankun­ terlichen Menschen auf den See steht komplemen­ gen der Müritz (PREHN 1987) wurden inzwischen tär die Auswirkung landwirtschaftlicher Nutzung kritisch diskutiert, konnten jedoch als ursächlich nur auf störungsempfindlichen Landstandorten am teilweise bestätigt werden, beispielsweise für die jung­ Ostufer gegenüber. Die Nutzungsintensivierung in slawische Periode (KAISER 1996b, 1998). Anzuneh­ der spätslawischen und insbesondere in der deutsch­ men ist, daß durch den holozänen Wasserspiegelan­ mittelalterlichen bis neuzeitlichen Periode führte stieg bis zum Subatiantikum (Slawenzeit) von ca. 4 hier infolge von Winderosion zur Entstehung groß­ m eine Reihe mesolithischer und neolithischer See­ flächiger „badlands", die erst im 18./19. Jh. aufge­ uferstationen unter den Seespiegel geriet. Diese nur forstet wurden. taucharchäologisch nachzuweisenden Fundplätze Bei Berücksichtigung der auf einer großen Fläche bergen zusammen mit den bekannten Feuchtboden­ verteilten und mit unterschiedlicher Auflösung un­ fundplätzen z.B. der Stinthorst oder der Vippero­ tersuchten Pollendiagramme sind die Beziehungen wer Burgwallinsel ein großes siedlungsarchäologisch- zwischen Mensch und Vegetation bisher nur nähe­ landschaftsgeschichtliches Potential! rungsweise zu fassen. Die Existenz alt- und mittel­ steinzeitlicher Jäger- und Sammlergruppen läßt sich 5 Zusammenschau und Ausblick in den 3 bzw. 4 Pollendiagrammen nicht nachwei­ sen. Die Verteilung der jüngeren Fundplätze im In Abbildung 12 werden die Ergebnisse der vor­ Untersuchungsgebiet und deren Korrelation mit den liegenden Untersuchungen zueinander in Bezie­ Pollendiagrammen muß fallweise betrachtet werden: hung gesetzt. Nach dem gegenwärtigen Stand der Um Waren, Röbel und liegende Fundplatz­ geowissenschaftlichen und archäologischen Unter­ konzentrationen sind wenigstens zum Teil auch suchungen lassen sich erst wenige gesicherte Aus­ „Bearbeiterareale". Zum anderen wurde das Ost­ sagen zum Verhältnis See und Mensch treffen, da ufer der Müritz zumindest in den vergangenen 100 einerseits die meisten nach der Seespiegelentwick­ Jahren überwiegend forstlich genutzt. In den dort lung zu erwartenden subaquatischen Fundplätze auf trockenen Sandstandorten hauptsächlich sto­ noch ihrer Entdeckung harren und andererseits ckenden Kiefernforsten war das Auffinden von ar­ bislang keine längeren Bohrkerne aus der Müritz chäologischen Fundplätzen nur unmittelbar nach verfügbar sind. Insbesondere an dem reliefstärke­ dem Kahlschlag vor der Wiederaufforstung mög- 30 KNUT KAISER, THOMAS SCHOKNECHT, WOLFGANG JANKE, KLAUS KLOSS & BURKHARD PREHN lieh. Im Bereich des Boeker Moores und des Profils 6 Schriftenverzeichnis Boek 1 sind bislang keine Fundplätze bekannt, so ANDERSEN, S. T. (1986): Palaeoecological studies of daß sich die pollenanalytischen Aussagen zur Sied­ terrestrial soils. - In: BERGI.UND, B. E. [Ed.]: Hand­ lungsgeschichte archäologisch nicht überprüfen las­ book of Holocene palaeoecology and palaeohyd- sen. rology: 165-177; Chichester. Die Interpretation des Pollendiagrammes Stinthorst, ANDERSEN, S. T. (1998): Pollen analytical investigati­ insbesondere des geringen Anteils von Fagus und ons of barrows from the Funnel Beaker and Sing­ Carpinus im Subatlantikum (IX-Xa), ist mit der re­ le Grave Cultures in the Vroue area, West Jutland, Denmark. - Journal of Danish Archaeology 1994/ lativ hohen Dichte eisen- und slawenzeitlicher Fund­ 95, 12: 107-132. plätze gut vereinbar. ANDRES, W (1998): Terrestrische Sedimente als Zeu­ Am Prelitzsee wurde eine bronzezeidiche Siedlungs­ gen natürlicher und anthropogener Umwelrverän- phase mit Rodungstätigkeit diagnostiziert. Die derungen seit der letzten Eiszeit. - Verhandlungen nächstgelegenen bekannten Fundplätze liegen ca. 4 zum 51. Deutschen Geographentag, Bonn 1997: km entfernt. Ausgedehnte Feldfluren erscheinen für 118-133; Stuttgart. BERGLUND, B. E. [Ed.] (1991): The cultural landscape diese Zeit uncharakteristisch. Es sind deshalb bisher during 6000 years in southern Sweden - the Ystad noch nicht entdeckte Siedlungsplätze in der Nähe Project. - Ecological Bulletins, 41; Kopenhagen. des Sees zu vermuten. Unmittelbar in der Nähe des BILLWITZ, K., HELBIG, H, KAISER, K., DE KLERK, P., Prelitzsees befindliche eisen- und kaiserzeitliche KÜHN, P. & TERBERGER, T. (2000): Untersuchun­ Fundplätze zeugen von den Verursachern der ent­ gen zur spätpleistozänen bis frühholozänen Land­ sprechenden Siedlungszeiger-Werte im Pollendia­ schafts- und Besiedlungsgcschichte in MecHen- gramm. burg-Vorpommern. - Neubrandenburger Geolo­ gische Beiträge, 1: 24-38. Für zukünftige landschaftsgeschichtliche Untersu­ BLEILE, R. (2000): Unterwasserarchäologische Vorun­ chungen unterschiedlicher Disziplinen im Müritz­ tersuchungen an der Burgwallinsel Vipperow in der gebiet lassen sich u.a. die folgenden Forschungs­ Müritz mit dem Fund eines Einbaumes. - Archäo­ schwerpunkte bzw. Desiderata formulieren: logische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern, - Geologisch-geomorphologische Entwicklung im 7: 151-157. Pleistozän, insbesondere im Weichselhoch- und BRANDE, A. (1995): Moorgeschichtliche Untersuchun­ gen im Spandauer Forst (Berlin). - Schriftenreihe Spätglazial. für Vegetaüonskunde, 27 (Festschrift Sukopp): 249- - Auffindung und Datierung der aus verschiedenen 255. Quellen bekannten subaquatischen Terrassen der DEPPE, H.-J. & PRILL, H. (1958): Ein Beitrag zur Ge­ Müritz. schichte der Müritz. - Archiv der Freunde der Na­ - Paläoökologische Bearbeitung von Bohrkernen aus turgeschichte in Mecklenburg, 4: 116-148. der Müritz mit guter Auflösung des Holozäns. In DIECKMANN, O. & KAISER, K. (1998): Pedologische und geomorphologische Befunde zur historischen Bo­ diesem Zusammenhang Erstellung eines Standard­ denerosion im Müritz-Nationalpark, Mecklenburg- pollendiagramms für die Region. Vorpommern. - In: ASMLS, I., PORADA, H. T., & - Aussagen zur weichselspätglazialen Vegetations­ SCHLEINERT, D. [Hrsg.]: Geographische und histo­ entwicklung u.a. im Hinbück auf geomorpholo­ rische Beiträge zur Landeskunde Pommerns. - 59- gische, insbesondere äolische Prozesse. 65; Schwerin. - Nachweis und Folgen ur- und frühgeschichtlicher DUPHORN, K., KLIEWE, H, NIEDKRMF.YER, R.-O., JAN­ KE, W., & WERNER, F. 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