INFO 02/2014

SCHWERPUNKT Das Thema Chancen grundlegender Gleichstellungspolitik Veränderungen in der FES 3

VORDENKEN Frieden ist machbar – Kriegsverhütung im 21. Jahrhundert 18

MITWIRKEN Kontroversen zum Frei- handelsabkommen mit den USA 24

TEILHABEN Zuwanderung in wirt- schaftlich schwache Kommunen 32

VERNETZEN Europas gefährdete Integration 39 2 APRIL – MAI – JUNI – JULI 2014

Inhalt TEXT­BEI­TRÄ­GE FES-INFO 2/2014 IN DIE­SER AUS­GA­BE Johanna Bade; Lukas Bauer; Matthes Buhbe; SCHWERPUNKT Anja Dargatz; Olena Davlikanova; Matthias Eisel; Jan Engels; Sabine Fandrych; Maximilian Chancen grundlegender Veränderungen – Filsinger; Philipp Fink; Alina Fuchs; Sabine Das Thema Gleichstellungspolitik in der FES ...... 3 Franze; Martin Gräfe; Constantin Grund; Wir brauchen einen Equal Time Day! – Martin Güttler; Björn Hacker; Madeleine Hankele; Stefanie Hepper; Valeska Hesse; Ilva Interview mit Jutta Allmendinger ...... 5 Ifland; Friederike Kamm; Türkan Karakurt; Ina Mutti wickelt, Vati auch! Koopmann; Maria Koval; Eszter Kováts; Das Potential der „Familienarbeitszeit“ ...... 7 Susan Javad; Matthias Jobelius; Prisca Jöst; Hajo Lanz; Yvonne Lehmann; Margarita Vordenken GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / Litvin; Henrik Maihack; Katrin Matuschek; Anja Minnaert; Stefanie Moser; Julia Müller; SOZIALE DEMOKRATIE Katja Müller; Katharina Nicolai; Kerstin Ott; Frieden ist machbar – Ein Plädoyer für Stefanie Ricken; Marcel Röthig; Ingrid Ross; Kriegsverhütung im 21. Jahrhundert ...... 18 Patrick Rüther; Jeanette Rußbült; Cäcilie Schildberg; Katrin Schömann; Markus Chinas neues Entwicklungsmodell – Chancen Schreyer; Günther Schultze; Severin Schmidt; und Herausforderungen für Asien und Europa ...... 21 Anne Seyfferth; Romy Siegert; Barbara Ein gemeinsames Afrika denken – Erstes Planspiel Szelewa; Maria Tkatschenko; Adam Traczyk; Britta Utz; Sidonie Wetzig; Dörte Wollrad; der Afrikanischen Union in Tunesien ...... 23 Harald Zintl Mitwirken WIRTSCHAFT, ARBEIT, SOZIALES Wachstumsimpulse oder Wohlstandsverluste? Kontroversen über TTIP ...... 24 Der große Wurf? – Plegereform als Herausforderung ...... 26 Ende der Energiewende von unten? – GK Verbraucherpolitik zur Kostendämpfung ...... 28 Neuer Preis zur Wirtschaftspublizistik – Jenseits des makroökonomischen Mainstreams ...... 31 IMPRESSUM He­raus­ge­ber: Teilhaben INTEGRATION, BILDUNG, KULTUR Fried­rich-Ebert-Stif­tung Es wird eng – Zuwanderung in Kom­mu­ni­ka­ti­on und Grund­satz­fra­gen wirtschaftlich schwache Kommunen ...... 32 Go­des­ber­ger Al­lee 149 D-53175 Bonn Bürokratische Hürden senken – Te­le­fon: 0228_883–0 Zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge ...... 33 In­ter­net: www.fes.de Unterschiedliche Wahrnehmungen – Rechts- E-Mail: pres­[email protected] terrorismus in Ungarn und Deutschland ...... 37 Re­dak­ti­on: Pe­ter Do­nais­ki, 25. Bautzen-Forum ...... 37 Pres­se­stel­le Ber­lin Hi­ro­shi­ma­stra­ße 17, D-10785 Ber­lin Vernetzen EUROPA UND DIE WELT Te­le­fon: 030_269 35–7038 Te­le­fax: 030_269 35–9244 Europas gefährdete Integration – Ungleiches E-Mail: pe­ter.do­nais­[email protected] Wachstum muss überwunden werden ...... 39 Europäische Erfolgsgeschichte – Das deutsch- Satz, Lay­out, Titelgestaltung polnische Verhältnis nach der Osterweiterung ...... 40 und Herstellung: Pub­lix, Harald Eschen­bach, Ber­lin Schutz der Menschenrechte – Druck: Saarländische Druckerei & Stand der EU-Türkei-Beziehungen ...... 45 Verlag GmbH, Saarwellingen

Veränderungen beginnen im Kleinen – Konzepte ISSN 0942-1351 des jüdisch-arabischen Zusammenlebens ...... 46 Vertrauensbildung und Abstimmung – FES-Büro in Bangladesch eröffnet ...... 47 Zukunft denken, Stimmen verbinden – FES-ILDIS in Ecuador feiert 40-jähriges Jubiläum ...... 50 Grenzen überschreiten – Wege zur wirtschaftlichen Entwicklung Westafrikas ...... 52

Publikationen NEUE PUBLIKATIONEN der FES...... 53

FES INFO 2/2014 SCHWERPUNKT 3

GESCHLECHTER IN BEWEGUNG

Einleitung zum CHANCEN GRUNDLEGENDER Schwerpunktthema VERÄNDERUNGEN DAS THEMA GLEICHSTELLUNGSPOLITIK IN DER FES

Die Gleichstellung der Geschlechter ist eines der notwendigen Arbeit wird überhaupt nicht als Kernanliegen der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sozi- Arbeit anerkannt – wie Sorge-, Subsistenz- und ale Demokratie ist ohne Geschlechtergerechtig- Eigenarbeit – und noch viel weniger vergütet. Zu- keit schlicht nicht vorstellbar. dem finden sich Frauen überwiegend in prekären Mittlerweile hat es sich aber auch herumge- Erwerbsverhältnissen; nur eine Minderheit ver- sprochen, dass eine moderne, progressive Wirt- fügt über eine eigenständige Existenzsicherung. schafts-, Arbeits- und Sozialpolitik ohne ein be- Die oft auf Erwerbsarbeit im formellen Sektor ba- sonderes Augenmerk auf das Thema Gender zum sierenden gesellschaftspolitischen Teilhabechan- Scheitern verurteilt ist. Zentral ist dabei das not- cen bleiben wenigen vorbehalten. Arbeitsmärkte wendige neue Austarieren von Erwerbs- und Sor- wie auch Bildungs-, Berufswahl- und Erwerbsver- gearbeit. Denn nur wenn sich hierbei eine neue läufe sind geschlechterspezifisch segregiert – mit Balance finden lässt, die Frauen und Männer in der Folge, dass Einkommen, soziale Sicherung, gleichem Maße Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Macht und Einfluss höchst ungleich verteilt aber auch Möglichkeiten für das familiäre oder bleiben. Aufgrund der großen Differenzen in der auch soziale und politische Engagement bietet, Bezahlung und den Chancen im Lebensverlauf lässt sich dieser wesentliche Aspekt sozialer De- (Gender Pay/Income/Wealth Gap) ist Altersar- mokratie umsetzen. Konsequenterweise spiegelt mut in fast allen Gesellschaften vor allem ein sich Gender als Querschnittsthema in der Arbeit weibliches Schicksal. Der demografische Wandel der FES daher in vielfältiger Form wider. in vielen Ländern – nicht nur des Globalen Nor- dens – akzentuiert bestehende Ungleichheiten Viel Arbeit – wenig Einkommen, wenig soziale im Hinblick auf bezahlte und unbezahlte Arbeit Sicherung, wenig Teilhabe: So knapp lässt sich – aber er bietet zugleich die Chance einer grund- die Situation der meisten Frauen weltweit zusam- legenden Veränderung. menfassen. Ein großer Teil der gesellschaftlich

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Wie sind Arbeit und Zeit in der Gesellschaft Ebenso werden Studien ausgewertet, Expertisen konnotiert und verteilt? Dieses seit Jahrzehnten in Auftrag gegeben und Expert_innen aus Wis- zentrale Thema der feministischen Gesellschafts- senschaft, Politik und Zivilgesellschaft versam- kritik rückt gegenwärtig wieder stärker in das melt, mit denen Handlungsempfehlungen ent- Zentrum gesellschaftspolitischer Auseinander- wickelt werden. setzungen. Auch in ihrer Auslandsarbeit unterstützt die Friedrich-Ebert-Stiftung vor allem Programme, Jede Politik beeinflusst die Geschlechterverhält- die es Frauen ermöglichen, durch gezielte Fortbil- nisse, und umgekehrt ist der geschlechtersensible dung und Vernetzung mehr Verantwortung und Blick oft der Schlüssel zu fortschrittlichen Politik- Mitsprache in ihrem gesellschaftlichen Umfeld konzepten. Darum bringt die FES ihre Expertise zu erhalten und sie für ihre Rolle im Beruf oder in die politischen Debatten ein, in denen die Zu- auch speziell für politische Führungsaufgaben fit kunftsfragen der Gesellschaft diskutiert werden. zu machen.

Infobrief GENDER MATTERS! DER GESCHLECHTERPOLITISCHE INFOBRIEF DER FES

Gender matters!, der geschlechterpolitische In- neu gewählte thematische Fokus bietet sehr viel fobrief der FES macht die Vielfalt der Arbeitsan- mehr als trockenes Berichten: Startete der erste sätze in diesem Themenbereich sichtbar. In re- Infobrief 2012 mit der Frage, welche Folgen die gelmäßigen Abständen informiert er digital – als Finanz-, Wirtschafts- und schließlich Staats- Newsletter, EPUB und PDF – sowie als Druckaus- schuldenkrise für Männer und Frauen in Europa gabe über Fortschritte und Herausforderungen mit sich bringt, legte der zweite den Finger in die in der Gender-Arbeit der FES. Wunde des Sorge- und Pflegenotstands. Der drit- Mit knapp 10.000 Leser_innen erreicht die deut- te Infobrief rückte die (Erwerbs-)Arbeitswelt und sche Ausgabe all diejenigen, die sich für das ge- ihre – zumeist wenig emanzipatorisch wirkenden schlechterpolitische Engagement der FES spe- Strukturen – ins Zentrum der Aufmerksamkeit. ziell oder auch für das Thema Gender als sol- Thematische Artikel, Interviews mit spannenden ches interessieren. Insbesondere der jedes Mal Persönlichkeiten, kürzer gefasste Einblicke in das, was die FES an konkreter geschlechterpoli- tischer Arbeit leistet, sowie Hinweise zu gender- relevanten Veranstaltungen und Publikationen machen Gender matters! zur interessanten Lek- türe für das FES-Umfeld. Schließlich bietet der Infobrief in der Rubrik „Wir machen Gender“ auch die Möglichkeit, unterschiedliche Arbeits- einheiten der Stiftung mit ihren Gender-Bezü- gen kennenzulernen. Da ist zum einen natürlich die stiftungsweite Genderkoordinierung, die im Forum Politik und Gesellschaft angesiedelt ist und den Gender-Infobrief herausgibt. Aber – das machte Geschäftsführer Dr. Roland Schmidt be- reits in der ersten Ausgabe des Gender-Infobriefs deutlich: Zur Gleichstellung der Geschlechter beizutragen ist Aufgabe aller Arbeitsbereiche der Friedrich-Ebert-Stiftung.

MEHR ZUM THEMA Gender matters! Thema der Herbstausgabe: Wahlen und Geschlecht – Grafik: Typografie/im/Kontext // Andrea Schmidt http://library.fes.de/pdf-files/dialog/09501/

FES INFO 2/2014 SCHWERPUNKT 5

WIR BRAUCHEN EINEN EQUAL TIME DAY! Interview 2007 INTERVIEWTE JUTTA ALLMENDINGER, PRÄSIDENTIN DES WISSEN- SCHAFTSZENTRUMS BERLIN (WZB) JUNGE FRAUEN ZU IHREN BERUFS- UND LEBENSWÜNSCHEN. FÜNF JAHRE SPÄTER BEFRAGTE SIE DIESELBE GRUPPE FRAUEN NOCH EINMAL. MIT ERNÜCHTERNDEM ERGEBNIS.

FES: Die jungen Frauen, die Sie für die Brigitte- Väter gesehen. Die Frauen waren zuvor so zuver- Studie über längere Zeit hinweg befragt haben, sind sichtlich und haben Instrumente wie die Frau- sehr viel karriereorientierter als ihre Mütter. 2007 enquote vehement abgelehnt. Dann haben die waren sie, wie Sie schrieben, „auf dem Sprung“, Männer einen Karriereschritt nach dem ande- wollten Karriere und Kinder. 2012 haben Sie die ren gemacht, und sie selbst traten auf der Stelle. Frauen erneut befragt: Konnten sie ihr Wunschleben Heute sagen selbst die Männer, dass Arbeitgeber führen? hier Frauen diskriminieren und dass etwas getan Allmendinger: „Nein, der Arbeitsmarkt hat das werden muss.“ nicht ermöglicht. Viele Frauen arbeiten we- sentlich kürzer, als sie wollen. Sie bekommen FES: Die Quote als Mittel der Wahl? Beruf und Familie sonst nicht unter einen Hut. Allmendinger: „Nein, die Quote allein löst das Doch ihre Wünsche haben sich nicht verändert. Problem nicht. Sie setzt bei den Symptomen an. Frauen streben weiterhin eine Karriere an, wol- Hätten wir nicht die langen Arbeitszeitunter- len finanziell unabhängig sein. Insofern wäre brechungen von Frauen, die weibliche Teilzeit es falsch, von einer „Retraditionalisierung“ zu und die ungleiche Verteilung der Familien- und sprechen, wie es manchmal getan wird.“ Hausarbeit zwischen Männern und Frauen, wäre man auf die Quote weniger angewiesen.“ FES: Aber sind die jungen Väter nicht aktiver als ihre Vorgängergeneration? Allmendinger: „Die Väter engagieren sich, aller- dings tun sie das punktuell und nicht dauerhaft. Sie haben immer noch das Erstzugsrecht. Ihre Arbeitszeiten werden gesetzt und die Frauen müssen ihre Arbeitszeiten danach ausrichten. Und das machte es den Frauen so schwer. Sie nehmen die ersten Monate Elternzeit, und da- bei fahren sich die Strukturen schon ein. Sie zu revidieren ist ganz schwierig. Das frustriert die Frauen. Es geht ihnen nicht mehr allein um die

Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die bieten Schicke) (Foto: die meisten Betriebe an, allerdings als geringe „Diese Frauen werden die Gesellschaft wachrüt- Teilzeitstelle ohne Karriereoptionen. Doch die teln“, haben Sie noch 2007 gehofft. Tun sie das? Frauen wollen sich in ihrem Beruf weiterentwi- Allmendinger: „Die eigentlichen Forderungen ckeln, ihre hervorragenden Qualifikationen um- der Frauen finden in der Politik wenig Widerhall. setzen, sich eine Karriere aufbauen. Stattdessen Wir begehen den Equal Pay Day, weil Frauen we- sehen sie, wie Frauen ohne Kinder an ihnen vor- niger verdienen als Männer. Einen Equal Time beiziehen und die Männer ebenfalls. Das macht Day haben wir nicht. Wir brauchen den Diskurs sie wütend.“ über Zeit. Das „Elterngeld plus“, bei dem beide Elternteile etwas mehr Geld bekommen, wenn FES: Über die Hälfte der Frauen, die Sie 2012 be- sie Teilzeit arbeiten, ist ein erster Schritt.“ fragt haben, meinten, mit Kindern könne man keine Karriere machen. Was haben sie erlebt? FES: Die Arbeitgeber_innen zeigen allen einen Allmendinger: „Sie haben erfahren, wie enorm Vogel, die angesichts des demografischen Wandels schwierig es ist, eine gute Kinderbetreuung für weniger arbeiten wollen. ihre kleinen Kinder zu finden. Sie haben im Be- Allmendinger: „Das ist ein großes Missverständ- ruf die ungleichen Bedingungen für Mütter und nis. Es geht nicht darum, weniger zu arbeiten.

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Vielmehr müssen bezahlte und unbezahlte Ar- Eltern zu pflegen. Ebenso Phasen, in denen man beit umverteilt werden.“ mehr Stunden arbeiten kann, beispielsweise wenn die Kinder größer sind. Die Produktivität FES: Wie genau stellen Sie sich eine solche Umver- der Männer würde mit dem neuen Zeitmodell teilung vor? zunehmen, zugleich könnten die Unternehmen Allmendinger: „Die klassische Aufteilung von auf die guten Qualifikationen der Frauen stärker Erwerbsarbeit und Hausarbeit ist an ihre Grenzen zurückgreifen. Das Wirtschaftsvolumen würde gestoßen. Männer sollen ihren Teil zur Familien- insgesamt nicht sinken, wenn man Zeit umver- arbeit beitragen, Frauen sollen sich eigenständig teilt.“ finanziell absichern. Doch mit einer 39-Stun- den-Woche für beide funktioniert das nicht. FES: Dann müssten erst einmal Männer bereit Wenn wir aber auf eine neue Normalarbeitszeit sein, unbezahlte Arbeit im Haushalt zu überneh- von 32 Stunden in der Woche gehen, würden men und nicht mehr der Hauptverdiener zu sein. Männer weniger Stunden erwerbstätig sein, wie Das beträfe also ihr ganzes Männerbild. es sich die meisten von ihnen auch wünschen. Allmendinger: „Ja. Zum Glück sehen wir bei der Frauen würden im Schnitt sogar länger arbeiten, Elternzeit, dass die jungen Männer auf einem was sie ja auch wollen. Die 32-Stunden-Woche guten Weg sind. Das macht mir Hoffnung.“ sehe ich über den ganzen Erwerbsverlauf. Es wä- ren also Phasen möglich, in denen man weniger arbeitet, um seine Kinder zu betreuen oder seine

Publikation DIE „CARE-SEITE“ DER ÖKONOMIE UNBEZAHLTE SORGEARBEIT ALS GERECHTIGKEITSPROBLEM

Care-Arbeit, also die Sorge um und für Kinder, balen Pflegeketten erkennen – den sogenannten Kranke und alte Menschen ist immer auch eine Global Care Chains. Verschiedene Faktoren wie ethische und moralische Verpflichtung. Sor- beispielsweise eine zunehmende Arbeitsmarkt- gearbeit oder Reproduktionsarbeit ist eine zen- partizipation von Frauen in reichen Ländern trale Grundlage einer jeden Gesellschaft. Das des globalen Nordens, ein gestiegener Bedarf an gilt nicht minder aus einer rein ökonomischen Pflege in alternden Gesellschaften wie auch Ten- Perspektive: Denn die Arbeitskräfte und Konsu- denzen eines staatlichen Rückzugs aus Bereichen ment_innen von morgen müssen zunächst ein- der sozialen Fürsorge lassen Lücken in der Ver- mal geboren, aufgezogen und erzogen werden. sorgung von bedürftigen Menschen entstehen. Diese im höchsten Maße marktrelevante Repro- Dies wird auch als die Care-Krise bezeichnet. duktionsarbeit wird jedoch im ökonomischen Der neu entstandene Bedarf wird dann in vielen System bislang nicht berücksichtigt. Vielmehr Fällen von Care-Arbeiter_innen (meist Frauen) basiert Letzteres stillschweigend darauf, dass die- aus weniger wohlhabenden Ländern abgedeckt, se Arbeiten geleistet werden, ohne sie in ökono- was mit einer Vielzahl an Problemen verbunden mische Bilanzen einzukalkulieren. Unbezahlte ist: Die Arbeitsbedingungen sind oftmals prekär Sorgearbeit ist schwer zu messen. bis ausbeuterisch, die Entsendeländer verlieren Doch selbst dort, wo Sorgearbeit marktförmig or- mitunter qualifizierte Arbeitskräfte, und Kinder ganisiert ist, also als eine private oder staatliche wachsen ohne ihre Eltern/Müttern auf. In die Dienstleistung entlohnt wird, rangiert sie in den dadurch entstandene Lücke im Heimatland tre- unteren Einkommensgruppen. In den USA – wie ten dann wiederum meist die Großmütter oder auch in Deutschland – gehören die Gehälter im ältere Töchter. Bereich der personennahen Dienstleistungen (wie zum Beispiel Alten- und Krankenpflege, Die weitgehende Ausblendung der „Care-Seite“ Kinderbetreuung, Hausangestellte etcetera) zu im ökonomischen System ist folglich ein Ge- den niedrigsten. rechtigkeitsproblem, das Geschlechterunge- Ein weiteres Gerechtigkeitsproblem lässt sich rechtigkeit strukturell verankert und reprodu- auch in der zunehmenden Entstehung von glo- ziert. Für die internationale Arbeit der FES stellt

FES INFO 2/2014 SCHWERPUNKT 7

die Auseinandersetzung mit der Care-Economy ist es ein wichtiges Anliegen von Frauenorganisa- einen wichtigen Hebel zur Förderung von Ge- tionen und Aktivistinnen, die Care-Economy auf schlechtergerechtigkeit dar. Dabei geht es maß- die Agenda zu bringen. geblich um die Frage, wie eine geschlechter- In einer kürzlich erschienen FES-Publikation gerechte ökonomische Ordnung, die un- und haben Ökonominnen und Aktivistinnen ein unterbezahlte Sorgearbeit als tragenden Pfeiler Konzept erarbeitet, das zentrale Grundlagen des ökonomischen Systems anerkennt, politisch und Prinzipien für geschlechtergerechtes und vorangebracht werden kann. Die Stärkung der zugleich ökologisch-nachhaltiges Wirtschaften Rechte von Care-Arbeiter_innen, die Umset- formuliert. zung der ILO-Konvention zu Hausangestellten oder sozialpolitische Reformen sind hier ebenso PUBLIKATION: Ansatzpunkte wie die Entwicklung alternativer A caring and sustainable economy: A concept note Ökonomiekonzeptionen. Gerade in den inter- from a feminist perspective – Cäcilie Schildberg (ed.) nationalen Debatten um die Nachhaltigen Ent- wicklungsziele (Sustainable Development Goals) www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=10809&ty=pdf

MUTTI WICKELT, VATI AUCH! Studie DAS POTENTIAL DER „FAMILIENARBEITSZEIT“

Eltern sind zurzeit emanzipierter, als die Poli- wie das Ehegattensplitting und das Betreuungs- tik erlaubt. Zumindest, wenn man Umfragen geld lenken junge Paare in das Modell „Mutti glaubt: 60 Prozent aller Eltern mit Kindern un- wickelt, Vati geht ins Büro“. Gemeinsam mit ter drei wollen sich Berufsleben und Kinderbe- der Hans-Böckler-Stiftung und dem Zukunfts- treuung partnerschaftlich teilen. Doch nur 14 forum Familie hat die Friedrich-Ebert-Stiftung Prozent tun es tatsächlich. Gründe für die Kluft darum einen Vorschlag ausgearbeitet, der auf zwischen Wunsch und Wirklichkeit gibt es viele. das Gegenteil abzielt: die „Familienarbeitszeit“, Althergebrachte Rollenstereotype, fehlende Kin- eine staatlich geförderte 32-Stunden-Woche derbetreuung und zahlreiche staatliche Anreize für Eltern mit kleinen Kindern. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung die Wirkungen und Kosten eines solchen Modells berechnet. Das Urteil der DIW-Wissenschaftler_innen fällt positiv aus: „Die Leistung könnte zu einer gleichmäßigeren Einbindung beider Eltern- teile in Familien- und Erwerbsarbeit führen. Die Kosten wären zumindest kurzfristig relativ ge- ring. Langfristig könnte die Förderung dazu bei- tragen, die gesellschaftlichen Normen zu ändern und eine gleichmäßigere Verteilung zwischen den Partnern wesentlich ‚normaler‘ werden zu lassen“, so die DIW-Forscher_innen. Auch Spie- gel-Online lobte den Vorschlag: „Die Familien- arbeitszeit hat (…) das Potential, die traditionelle Rollenverteilung in Familien aufzubrechen.“

DIE STUDIE „Familienarbeitszeit – Wirkungen und Kosten einer Lohnersatzleistung bei reduzierter Vollzeitbeschäftigung“

Grafik: Typografie/im/Kontext // Andrea Schmidt Andrea // Typografie/im/Kontext Grafik: http://library.fes.de/pdf-files/dialog/10335.pdf

2/2014 INFO FES 8 SCHWERPUNKT

Podiumsdiskussion WIR VERDIENEN MEHR VERANSTALTUNG IM RAHMEN DES EQUAL PAY DAY IN BONN

Der Equal Pay Day (EPD), der „Tag für gleiche Mit 71 % liegt der Anteil an erwerbstätigen Frauen Bezahlung“, fiel 2014 auf den 21. März. Der Tag in Deutschland besonders hoch, allerdings arbei- bezieht sich auf den Zeitraum, den Frauen über ten viele in Minijobs, so dass sich das Arbeitsvo- das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um auf lumen insgesamt nicht erhöht habe. „Befindet das Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen sich ein Betrieb also in einer Zwickmühle, wenn zu kommen. Der durchschnittliche Abstand zwi- einerseits Teilzeit zur besseren Vereinbarkeit von schen den Gehältern von Frauen und Männern Beruf und Familie angeboten, aber andererseits beträgt in Deutschland laut Statistischem Bun- oftmals das zu einer Teilzeitfalle von Frauen wer- desamt 22 Prozent (Gender Pay Gap). den kann?“, lautete dann die berechtigte Frage. Frauen arbeiten oftmals in schlechter bezahlten „Minijobs“ seien selten eine Brücke in den ersten Berufen und Branchen, und sie erklimmen nied- Arbeitsmarkt, sie haben oft eine „Klebewirkung“. rigere Stufen der Karriereleiter als Männer. Der Sie begünstigen zudem die Rolle der Frau als „Zu- Anteil der Frauen in Führungspositionen ist weit verdienerin“, betonte Barbara Henke. geringer als bei den Männern. Unbestritten ist Mindestlöhne würden einen Beitrag leisten, die Lohnlücke zu verklei- nern und vernichte- ten keine Arbeitsplät- Positionsbestim- ze, wie das Beispiel mung zum Thema Geschlechtergerech- Großbritannien zei- tigkeit: Engagierte ge, fügte Dr. Wein- Diskussion auf dem Podium und mit kopf hinzu. dem Publikum. Der DGB und die Ge- auch, dass Frauen häufiger familienbedingt ihre werkschaftsfrauen setzen sich dafür ein, eine Arbeit unterbrechen und dann oft in Teilzeit oder gesetzliche Regelung zur Durchsetzung der Ent- Minijob zurückkehren, eine berufliche Sackgasse. geltgleichheit einzuführen, die Unternehmen Berufliche Karriere und Familie unter einen Hut verpflichte, ihre Entgeltpraxis zu überprüfen. Zu- zu bringen scheint nach wie vor in erster Linie für dem wurde dafür plädiert, steuerliche Fehlanreize Frauen schwer zu sein. wie das Ehegattensplitting abzuschaffen und die Kinderbetreuung zu verbessern. Im Rahmen einer Veranstaltung des Landesbüros Eine gemeinsame Forderung des Podiums und NRW in Bonn tauschten am Vorabend des EPD des Publikums war es, insbesondere die sozialen Barbara Henke, Vorsitzende des ver.di Bundes- und pflegenden Berufe aufzuwerten und besser frauenrates, Judith Gövert (Jugendbildungsrefe- zu bezahlen. Auch müssten die Arbeitsbedingun- rentin DGB-Region Köln-Bonn), Brigitte Kasztan gen hier verbessert werden. (Diversity Managerin Ford-Werke GmbH) und Dr. Claudia Weinkopf (Universität Duisburg- MEHR ZUM THEMA Essen) ihre Positionen zum Thema Geschlech- Veranstaltungen und Seminare in NRW zum tergerechtigkeit aus und diskutierten mit einem Themenspektrum Gleichstellung/Gender: sehr engagierten Publikum. [email protected]

ALLES WAS WIR FRAUEN WOLLEN ... UND NICHT BEKOMMEN? Wie macht man das eigentlich – heute Frau sein? Alles Über drei Jahre hinweg hat Regisseurin Beatrice Möller scheint möglich, wenn man jetzt als Dreißigjährige ins drei Frauen um die 30 auf ihrer individuellen Suche nach Leben startet, denn die globalisierte Welt bietet mehr dem richtigen Lebensentwurf begleitet. Ihr Film „Alles Optionen denn je. Die Lebensverläufe älterer Genera- was wir wollen. Anfang 30. Mitten im Leben. Immer auf tionen bieten den Töchtern keine Orientierung mehr, Anfang“ war Ausgangspunkt für eine angeregte Debatte und die Mütter sehen halb bewundernd, halb verständ- über die Erwartungen junger Frauen und über die sozia- nislos dabei zu, wie sich die Jüngeren im Überangebot len, gesellschaftlichen und privaten Hürden, denen sie der großen Freiheit ihren eigenen Weg bahnen. auf ihrem Weg begegnen.

FES INFO 2/2014 SCHWERPUNKT 9

Politischer „ALLEIN DURCH WOHLVERHALTEN Kaffeeklatsch MACHT MAN KEINE KARRIERE“ „ROTE FRAUEN – SCHWARZER KAFFEE“ IN STUTTGART

„Berufliche Veränderungen lassen sich nicht im- Gastgeberin der Reihe ist MdB, Gene- mer genau planen. Wichtig ist, die Chancen zu ralsekretärin der SPD Baden-Württemberg und ergreifen, wenn sie sich bieten, aber auch klarzu- Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bun- machen, was man nicht will“, so Prof. Edda Mül- destagsfraktion. ler, ehrenamtliche Präsidentin von Transparen- cy International Deutschland Anfang April in Stuttgart. „Allein durch Wohlverhalten macht man keine Karriere.“ Sie habe aber immer auch klar gemacht, was sie wollte, und gezielt Ver-

handlungen darum geführt. Machte Mut zum In der Reihe „Rote Frauen – schwarzer Kaffee“, Engagement: Prof. einem politischen Kaffeeklatsch, erkundet das Edda Müller, ehren- amtliche Präsiden- Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg weibliche tin von Transpa- Wege in Führungspositionen der Politik, Gesell- rency International Deutschland schaft und Wirtschaft. Ziel des halbjährlichen (Foto: FES). Austausches ist es, Entscheiderinnen und poli- Mit Blick auf unvermeidliche Konflikte in der tisch engagierte Frauen in Baden-Württemberg Politik meint Müller, dass man Auseinanderset- über alle Ebenen hinweg zu vernetzen und ande- zungen nicht scheuen dürfe. Es ginge vielmehr ren Frauen Mut zum eigenen Engagement und darum, diese fair zu führen, mit ehrlichen Posi- zur Karriereplanung zu machen. tionen – nicht persönlichen Kleinkriegen: „Man muss nicht jeden Kampf ausfechten. Am besten PROF. DR. EDDA MÜLLER auch nicht immer sofort oder emotional reagie- Dipl. Pol., Dr. res publ., Studium an der ENA, ren“. Aber man dürfe sich eben auch nichts ge- Honorarprofessorin für Politikwissenschaft fallen lassen. Müller zeigt sich überzeugt, dass die an der Deutschen Universität für Verwal- Fähigkeit, „Dinge an sich abtropfen zu lassen“ tungswissenschaften Speyer. Seit 2010 ehren- enorm wichtig sei. Eine gewisse Gelassenheit amtliche Vorsitzende von Transparency Inter- und innere Distanz helfen einem dabei, nicht national Deutschland. Bis Juli 2007 Vorstand so verletzbar zu sein. Für – häufig männlich do- des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V. minierte – Diskussionsrunden, hat Müller einen Zuvor Vizedirektorin der Europäischen Um- besonderen Tipp: Sie empfiehlt, wichtige Dinge weltagentur, Kopenhagen, Leiterin der Ab- mehrmals sagen. Nur so würden sie tatsächlich teilung Klimapolitik des Wuppertal Instituts, auch wahrgenommen. Ministerin für Natur und Umwelt des Landes Enorm wichtig für den Erfolg sei es, ein gutes Schleswig-Holstein, Ministerialdirigentin im Team zu haben, das einen unterstützt. Müller Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz kommt zu dem Fazit: „Frauen sind nicht die bes- und Reaktorsicherheit. seren Menschen.“

Wie im Film schwanken viele junge Frauen auf der Su- Gleichzeitig sind junge Menschen immer weniger che nach Erfüllung zwischen Ankommen-Wollen und finanziell abgesichert. Prekarität und Unsicherheit sind der Sorge, sich zu früh festzulegen, zwischen Möglich- oft auch bei jungen Akademikerinnen Faktoren, die die keiten, Zweifeln und Zeitdruck. Der großen Freiheit Lebensentwürfe beeinflussen. Hier Abhilfe zu schaffen, auf der einen Seite stehen auf der anderen die letzten zum Beispiel über die Ausweitung sozialversicherter Überbleibsel der althergebrachten Rollen- und Erwerbs- Beschäftigungsverhältnisse, aber auch über den Abbau muster sowie gesellschaftliche Erwartungen an das Er- falscher Anreize, die Frauen den Weg in die Erwerbstä- reichen „klassischer Lebensziele“ (beruflicher Erfolg, tigkeit erschweren, ist Aufgabe der Politik, so Natascha Familie, Kinder) entgegen. Kohnen, MdL und Generalsekretärin der BayernSPD.

2/2014 INFO FES 10 SCHWERPUNKT

Trainingsseminare FIT FÜR DEN GEMEINDERAT ENGAGIERTE FRAUEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG UND BAYERN

Nur knapp jedes vierte Gemeinderatsmitglied in teilnehmerinnen kandidierte dann in einer der Baden-Württemberg ist weiblich. In 22 Gemein- mehr als 1100 Kommunen des Landes. den gibt es keine einzige Frau im Gemeinderat. Baden-Württemberg bleibt damit bei der Frauen- Auch in Bayern hatte das kommunalpolitische beteiligung in Kommunen bundesweit Schluss- Mandat ein überwiegend männliches Gesicht. licht. Was ist da los im Ländle? Wollen Frauen Das müsse sich bei der Kommunalwahl 2014 än- sich nicht ehrenamtlich in der Kommunalpoli- dern, so die Teilnehmerinnen zum Start der Frau- tik engagieren oder trauen sie sich diese Aufga- enKommunalAkademie Bayern im Jahr 2011. ben nicht zu? Aus den Vorsätzen entstand das Akademie-Pro- Die Antwort ist nicht einfach. In vielen vor gramm mit einer Mischung aus Kompetenzsemi- allem kleineren Gemeinden erhalten politische naren, Fachveranstaltungen und Vernetzungs- Parteien oftmals Absagen, wenn sie Frauen an- möglichkeiten, die die besonderen Bedürfnisse sprechen: „Zu wenig Zeit“, „Beruf und Familie engagierter Frauen in den Vordergrund stellen: erfordern schon ein strenges Zeitmanagement“ Vom Konflikttraining „Raus aus der Harmonie- und „Ich hab schon zig andere Ehrenämter“. Da falle!“ über Rhetorik- und Argumentationssemi- bleibt vielerorts kein Raum für zusätzliches poli- nare oder „Selbstbewusst raus auf die Bühne!“ tisches Engagement. bis hin zur Geschlechterpolitik in der Kommune Großen Zuspruch erhielten jedoch die Trai- oder dem Einsteigerangebot „Ich bin Gemein- ningsseminare des Fritz-Erler-Forums, die sich derätin!“. In regelmäßigen Abständen kamen an Frauen wandten, die kandidieren wollten be- in den letzten zweieinhalb Jahren engagierte ziehungsweise darüber nachdachten. Frauen und solche, die es werden wollten, in Mit Hilfe von Übungen konnten hier Unsicher- der FrauenKommunalAkademie zusammen und heiten beim persönlichen Auftritt ausgeräumt holten sich Anregungen für ihre Arbeit in Verei- werden. Die Teilnehmerinnen lernten das Ein- nen, Initiativen und Parlamenten vor Ort. maleins einer guten Rede und wurden im Einsatz http://www.bayernforum.de/_data/Info_Frauen- ihrer Stimme geschult. Gut die Hälfte der Kurs- KommunalAkademie_aktuell.pdf

Infotag „TYPISCH“ GIBT’S NICHT DER GIRLS-UND-BOYS-DAY BEI DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

Was kommt nach der Schule? Haben Frauen und Workshops diskutierten die Jungen und Mäd- Männer die gleichen Chancen? Familie und Be- chen über klassische Rollenbilder von Männern ruf – geht das überhaupt? Diese und viele andere und Frauen, Herausforderungen in der Berufs- Fragen beschäftigten die etwa 80 Jugendliche ab welt, aber auch über eigene Vorstellungen und 14 Jahren, die anlässlich des Girls-und-Boys-Days Wünsche für das spätere Berufsleben. Ziel war es auf Einladung des Forums Jugend und Politik in außerdem, Einblicke in „typische“ Frauen- bezie- das Haus der FES in Bonn gekommen waren. In hungsweise Männerberufe zu geben. Die Jungen probierten sich in Rollenspie- len als Arzthelfer oder Erzieher, die Mädchen bekamen Ein- blicke in den Alltag einer Elek- trotechnikerin. Dabei wurde deutlich, dass viele sich durch- Bei einem Berufsp- aus vorstellen konnten, später arcours konnten sich die Jugendlichen über in diesen vermeintlich „unty- Berufs- und Ausbil- pischen“ Berufen zu arbeiten. dungsmöglichkeiten Hauptbestandteil des Tages innerhalb der FES in- formieren. (Foto: FES) bildete ein Berufsparcours, in

FES INFO 2/2014 SCHWERPUNKT 11

welchem sich die Jugendlichen über Berufs- und Stiftung informieren. Auch die Auszubildenden Ausbildungsmöglichkeiten innerhalb der Fried- boten einen Informationsstand an und berich- rich-Ebert-Stiftung informieren konnten. Aber teten von ihrem eigenen Weg von der Schule in auch Programme zur Unterstützung im Studium das Berufsleben. Einige der Schülerinnen und oder der Vereinbarung von Familie und Beruf Schüler werden schon bald mit der Bewerbung wurden vorgestellt. An verschiedenen Stationen auf einen Ausbildungsplatz beschäftigt sein und konnten die Schülerinnen und Schüler sich bei- wissen nun – mit den Worten einer Teilneh- spielsweise über den IT-Beruf oder die Arbeit im merin – „wo ich Unterstützung und Informatio- Archiv und der Bibliothek der Friedrich-Ebert- nen finden kann“.

SCHLÜSSELFAKTOR BILDUNG Interview INTERVIEW MIT DR. JIANGHONG LI UND DR. PAULA WYNDOW, WISSEN- SCHAFTLERINNEN AM WISSENSCHAFTSZENTRUM FÜR SOZIALFORSCHUNG IN BERLIN (WZB)

Bisher galt die Annahme, dass mit zunehmendem Schulbildung und Demokratie in der Literatur Wohlstand und der Vertiefung demokratischer Pro- zur Demokratisierung entwickelter Länder fest zesse und Strukturen auch die Gleichberechtigung verankert. Implizit setzt diese Theorie voraus, zwischen Männern und Frauen zunähme. Die beiden dass die Gleichstellung der Geschlechter, eben- Wissenschaftlerinnen haben gezeigt: Es ist genau so wie die Demokratie, eine Folge der wirtschaft- umgekehrt. In ihrer Längsschnittanalyse von Da- lichen Entwicklung ist. Ein Problem bei dieser tenmaterial aus 123 Ländern, die 1980 noch nicht Annahme besteht jedoch darin, dass wirtschaft- demokratisch waren, konnten sie belegen, dass insbe- liche Entwicklung nicht automatisch zur Ver- sondere Bildung für Frauen demokratische Entwick- besserung der Stellung der Frau führt (...). lung befördert. Wir haben grenzübergreifende Längsschnitt- Dr. Cäcilie Schildberg und Susan Javad von der daten im Zeitraum von 1980 bis 2005 in 123 Friedrich-Ebert-Stiftung befragten die beiden Wis- Ländern, die im Jahr 1980 nicht demokratisch senschaftlerinnen. regiert waren, ausgewertet. Unsere Studie zeigt, dass Demokratie eher in Nationen auftritt, in Stimmt es, dass die Demokratisierung zur Gleich- denen Mädchen historisch besseren Zugang zur stellung der Geschlechter führt? Bildung haben und die über längere Erfahrung „Bislang wurde angenommen, dass Demokratie mit den sozialen und wirtschaftlichen Bedin- zu einer Verbesserung der Lebensumstände von gungen, welche aufgrund dieser Investitionen Frauen führt. Unsere Studie weist jedoch nach, zu verzeichnen sind, verfügen.“ dass der kausale Zusammenhang in die andere Richtung weist, und legt nahe, dass soziale Be- Wie und warum fördert die Teilnahme von Frauen dingungen wie zum Beispiel die Gleichstellung am Arbeitsmarkt die demokratische Entwicklung? der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der „Eine der wichtigsten Folgen von (Schul-)Bil- Frau andersherum der Demokratie zuträglich dung für Mädchen ist, dass dies die Heirat verzö- sein können. gert, da sie sich weiterbilden möchten oder die Die aktuell vorherrschende Demokratisierungs- Berufstätigkeit als Alternative zur häuslichen Tä- theorie ist eine Modernisierungstheorie, wobei tigkeit sehen. (…) Durch die Berufstätigkeit und Modernisierung üblicherweise aus Faktoren wie andere informelle Netzwerke werden Frauen be- Industrialisierung, Urbanisierung, Wohlstand fähigt, die erforderlichen kognitiven und kom- und Bildung besteht. Diese gelten als Motoren munikativen Fähigkeiten zu entwickeln und zu demokratischer Entwicklung, so dass Demokra- praktizieren, die sie in die Lage versetzen, sich tien in wohlhabenden und gebildeten Gesell- für politische Veränderungen starkzumachen. schaften als wahrscheinlicher angenommen Frauen können erst dann ihr eigenes Leben und werden. Tatsächlich sind positive Verbindungen das gesellschaftliche Leben beeinflussen, wenn zwischen Einkommen, durchschnittlicher sie Zugang zu Ressourcen sowie die Kontrolle

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über dieselben haben. Hierzu gehören unter sind überzeugt, dass ein erster Schritt in diesem anderem Bildung, Reproduktion und Beschäfti- Prozess darin besteht, die Ungleichbehandlung gung. Verändern sich alle drei Faktoren, so stellt zwischen den Geschlechtern zu reduzieren und dies eine erhebliche kulturelle Veränderung in die Rolle der Frau zu stärken. (…) Somit spielen der Rolle der Geschlechter einer ganzen Nation Nichtregierungsorganisationen eine kritische dar. Es ist wahrscheinlich, dass Frauen, die we- Rolle in der Neuverhandlung der Beziehung zwi- niger mit dem Gebären und Aufziehen von Kin- schen den Geschlechtern, indem sie für soziale dern beschäftigt sind, einen höheren Bildungs- Gerechtigkeit und Gleichstellung kämpfen; sie stand erreichen und ihnen mit Eintritt in die können als „En-Gendering“-Organisationen be- Arbeitswelt mehr und mehr bewusst wird, wel- trachtet werden. (...) che Ungleichheiten zwischen den Geschlech- Geschlechterspezifische Ungleichheiten müssen tern in der Gesellschaft bestehen. Im Laufe der auf allen Ebenen der Gesellschaft angesprochen Zeit realisieren Frauen, dass ihre Forderungen werden: In privaten Haushalten, auf lokaler und nach Gleichstellung der Geschlechter von auf nationaler Ebene. Dies beinhaltet sowohl die einem politischen Regime abhängen, das mehr sichtbaren als auch die nicht sichtbaren Zeichen auf ihre Bedürfnisse eingeht, und drängen somit ungleicher Machtverteilung. Dies umfasst auch auf mehr Gleichheit und Demokratisierung.“ Handlungen, deren sich Männer und Frauen noch nicht einmal als diskriminierend bewusst Was können wir als politische Stiftung, die sich sind, weil sie in der Kultur als selbstverständlich der Förderung sozialer Demokratien weltweit wid- oder als nützlich für die allgemeine Öffentlich- met, aus Ihrer Studie lernen? keit angesehen werden.(...)“ „Demokratie ist kein Endpunkt, sondern ein Prozess sozialer, wirtschaftlicher und poli- Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die in- tischer Veränderungen, die in einer Gesell- ternationale Entwicklungspolitik und die Vereinten schaft auftreten. Die Schaffung eines demo- Nationen sowie andere internationale Institutionen ? kratischen Regimes ohne Liberalisierung der „Seit der UN-Dekade der Frau (1975 – 1985) ha- sozialen Strukturen und Rahmenbedingungen ben internationale Strategien und Konventi- ist problematisch und nicht nachhaltig. Wir onen, wie die Millennium Entwicklungsziele und das Übereinkommen der Vereinten Natio- nen zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi- nierung der Frau (CEDAW) den Bestrebungen Kurz notiert FES IM WESTJORDANLAND nach Gleichstellung und der Stärkung der Rolle Gemeinsam mit der Partnerorganisation Health der Frau als essentieller Bestandteil der Entwick- Development Information and Policy Institute lung und der Demokratie eine deutliche Stimme (HDIP) führt die FES im Westjordanland ein verliehen. (...) Infolgedessen erkennt die inter- Projekt zur Verbesserung der Bildungschancen nationale Gemeinschaft nun Gleichstellung von Mädchen und Jungen durch. Durch gezielte und die Stärkung der Rolle der Frau als zentrale Nachhilfestunden für Schülerinnen und Schüler Voraussetzung für wirtschaftliche, soziale und mit Lernschwierigkeiten zielt das Projekt auf die politische Freiheit für alle an. (...) Verweigert Reduzierung von Schulabbrüchen. Gleichzeitig man Frauen das Recht, vollumfänglich an der bietet HDIP zahlreiche Foren für den offenen und Gesellschaft teilzuhaben, ist das nicht nur dis- respektvollen Austausch zu genderrelevanten kriminierend, sondern es wirkt sich auch auf Themen zwischen Schülerinnen und Schülern an den zukünftigen politischen Status der Nation und setzt sich für verbesserte Zugänge zu höherer aus. Bildung ein, etwa durch die Etablierung eines na- Das Übereinkommen der Vereinten Nationen tionalen Stipendienfonds. 450 Schülerinnen und zur Beseitigung jeder Form von Diskriminie- Schüler profitieren von diesem Vorhaben. rung der Frau (CEDAW) birgt das Potential, eine Im universitären Bereich unterstützt die FES mit Veränderung herbeizuführen. Damit das Über- der Partnerorganisation Institute for Women’s einkommen auch tatsächlich umgesetzt wird, Studies (IWS) an der Birzeit Universität die Ent- sind kontinuierliche und stringentere Überwa- wicklung einer gendergerechten Universitätssat- chungsmaßnahmen wie auch Fristen für Sank- zung. tionen erforderlich.“

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KEINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG Gesprächsrunde OHNE GLEICHSTELLUNG GENFER BEITRAG ZUR POST-2015-ENTWICKLUNGSAGENDA

Im September 2014 tritt die Generalversammlung Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeitsziele, der auf der Vereinten Nationen in zwischenstaatliche Stärken und Schwächen des derzeitigen Entwurfs Beratungen ein, um bis Herbst 2015 nachhaltige hinweist. Entwicklungsziele für eine Post-2015-Agenda Kritisiert wurde der fehlende Bezug auf die UN- festzulegen. Zu den eigenständigen Zielen des be- Konvention zur Beseitigung jeder Form von Dis- reits von der dazu von der „offenen Arbeitsgrup- kriminierung der Frau, für deren Überwachung pe“ der UN eingerichteten Rohentwurfs zählt die CEDAW zuständig ist. CEDAW betonte die Wich- Gleichstellung der Geschlechter und die Förde- tigkeit der Entwicklung starker Rechenschafts- rung von Frauen und Mädchen. pflichtmechanismen zur Überwachung und Gemäß dem Rio+20-Abschlussdokument von Durchsetzung der Ziele. Eine Zusammenarbeit 2012 soll die Erarbeitung transparent und offen der verschiedenen Akteure des UN-Systems welt- gestaltet werden. Vor diesem Hintergrund lud weit sowie auf regionaler und nationaler Ebene die Friedrich-Ebert-Stiftung Genf am 27. Juni als auch die Beteiligung der Zivilgesellschaft sei gemeinsam mit dem UN-Hochkommissariat für erstrebenswert. Menschenrechte Mitglieder des UN-Ausschus- Wie auch das Hochkommissariat für Menschen- ses für die Beseitigung der Diskriminierung der rechte betonte, kann die FES in Genf hier als Dia- Frau (CEDAW) sowie Frauenrechtler_innen und logförderer auftreten und durch die Begleitung NGO-Vertreter_innen zu einer Gesprächsrunde des Post-2015-Prozesses ihren Beitrag zu der Er- über den Rohentwurf ein. Die Gesprächsergeb- arbeitung einer menschenrechtsbasierten, nach- nisse fanden Eingang in einen Brief an die offene haltigen Entwicklungsagenda leisten.

DER KAMPF GEGEN HÄUSLICHE GEWALT Delegationsreise MEHR SCHUTZ FÜR TADSCHIKISTANS FRAUEN

In Tadschikistan sind Schätzungen zufolge über kussionsrunden zum Straf- und Familienrecht 80 % der Frauen und Mädchen von Gewalt in der lud die FES im Juni 2014 eine vierköpfige Delega- Familie beziehungsweise in einer Paarbeziehung tion des Bürgermeisteramtes nach Deutschland betroffen. In dieser stark patriarchal geprägten ein, um in Berlin, Hannover und Nienburg An- Gesellschaft suchen nur wenige Be- troffene Hilfe, das Angebot an Schutz und Beratung insbesondere in den ländlichen Regionen ist gering. Im Frühjahr 2013 trat ein Gesetz zur Bekämpfung häuslicher Gewalt in Kraft, ein wichtiger Meilenstein im Empfang der tadschikischen Bereich der Strafverfolgung und Prä- Delegation im vention. Erstmals soll in der Haupt- Rathaus Nienburg durch Bürgermeister stadt Duschanbe ein staatlich finan- Henning Onkes ziertes Frauenhaus entstehen, das (Foto: Bishkek) medizinische, psychologische und rechtliche sätze eines vernetzten Gewaltschutzes kennen- Beratung für die Opfer von Gewalt bietet. Um zulernen. Im Mittelpunkt des Austausches stand diese Initiative und eine effiziente Umsetzung die Zusammenarbeit von Polizei, Behörden und des neues Gesetzes zu fördern, kooperiert die FES- Ärzten sowie zivilgesellschaftlicher Initiativen. Tadschikistan mit dem staatlichen Frauenzen- Die Delegation konnte praktische Einblicke in trum, welches innerhalb des Bürgermeisteramtes zwei Frauenhäuser sowie Ansätze zum Schutz der Stadt angesiedelt ist. Neben Studien und Dis- von mitbetroffenen Kindern gewinnen.

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Konsultation EIN STEINIGER WEG DER KAMPF GEGEN SEXISMUS IN INDIEN

Indiens Parlament will Frauen besser gegen die die Herausforderungen, die jetzt vor uns liegen, Übergriffe von Vorgesetzten und Kollegen schüt- sind nicht weniger umfangreich.“ Denn bei der zen. Am 9. Dezember 2013 trat ein Gesetz gegen Umsetzung von Gesetzgebung hapert es in In- sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Kraft. dien häufig. Das neue Gesetz ist ein großer Erfolg für die Frau- Um konkrete Empfehlungen für eine wirkungs- enbewegung Indiens und auch für die FES, die volle Umsetzung des Gesetzes zu erarbeiten, mit ihren Partnerorganisationen seit vielen Jah- organisierte die FES zwei Tage vor dem Inkraft- ren gemeinsam für Frauenrechte und Gleichbe- treten der Novelle zusammen mit der SNDT rechtigung kämpft. Der Weg dorthin war steinig Women’s University, Mumbai, eine Konsulta- tion zwischen Jurist_innen, Wissen- schaftler_innen, Aktivist_innen und Regierungsvertreter_innen. Darüber hinaus widmet sich die FES auch intensiv der Sensibilisierung für Genderfragen und hat hierfür eigene Trainingsansätze für Studierende, Leh- rer_innen und Aktivist_innen entwi- ckelt. Das neue Gesetz ist ein Schritt Defizite aufgezeigt: Konsultationen über vorwärts im Kampf gegen Sexismus Gesetzesanwendung und sexuelle Gewalt. Noch wichtiger und lang. „Es hat 16 Jahre gedauert von der Ini- ist aber der gesellschaftliche Bewusstseinswan- tiative zum Gesetz“, erläutert Damyanty Sridha- del, in Indien und weltweit. ran, Genderkoordinatorin der FES-Indien, „und

Medienprojekt ERNÜCHTERUNG NACH ZWANZIG JAHREN GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT IN DEN ASIATISCH-PAZIFISCHEN MEDIEN

Die vierte UN-Weltfrauenkonferenz endete im internationales Seminar, das die Fortschritte Jahr 1995 in Peking mit der Verabschiedung eines hinsichtlich Geschlechterpolitik in Rundfunk- Forderungskataloges, der sogenannten „Beijing und Medienorganisation betrachtete: Was hat Plattform for Action“, der zur Förderung der Ge- sich in den vorangegangenen zehn Jahren seit schlechtergerechtigkeit in allen Bereichen der der Verabschiedung der Aktionsplattform ver- Gesellschaft beitragen sollte. Der Abschnitt über ändert? Das Ergebnis war ernüchternd. Stu- „Frauen und Medien“ benannte dabei explizit dien und Berichte sowie Diskussionsrunden die Forderung nach verstärkter Teilnahme und zeigten mehr als deutlich die nach wie vor un- Zugang von Frauen zu Meinungs- und Entschei- zureichende Repräsentation von Frauen in und dungsfindungsprozessen in und durch Medien durch den Mediensektor. Zusammen mit dem und neuen Technologien der Kommunikation Asia-Pacific Institute for Broadcasting Develop- sowie die Förderung einer ausgewogenen und ment (AIBD) wurde daraufhin ein mehrjäh- nichtstereotypisierten Darstellung von Frauen riges Projekt ins Leben gerufen, welches darauf in den Medien. abzielte, auf der Grundlage einer empirischen Im Rahmen des regionalen Medienprojektes Studie Genderrichtlinien für Rundfunk- und setzt sich die Friedrich-Ebert-Stiftung in Asien Fernsehanstalten zu erarbeiten. Das Ergebnis daher seit mehreren Jahren für mehr Geschlech- „Broadcasting for All – Focus on Gender“ wurde tergerechtigkeit im Mediensektor ein. im Jahr 2011 veröffentlicht: eine handliche Bro- In Kooperation mit der regionalen Medienorga- schüre mit praxisorientierten Empfehlungen, nisation Asia-Pacific Broadcasting Union (ABU) die Rundfunkanstalten in Asien-Pazifik bei der veranstaltete die FES im Jahr 2006 in Peking ein Einführung von Genderaspekten in ihrer Pro-

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grammgestaltung und Organisationsstruktur wie Rundfunk- und Medienorganisationen dazu unterstützen sollen. beitragen können, mehr Geschlechtergerechtig- Aufbauend auf diesen Genderrichtlinien fand keit in und durch Medien zu erreichen. im Oktober 2013 in Hanoi das zweite Gender Am Ende des zweitägigen Forums verabschie- Medienforum „Women with the Wave“ statt, deten die Teilnehmer_innen das „Hanoi-State- organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung, ment“, mit dem sie unter anderem eine neue der Asia-Pacific Broadcasting Union (ABU), UN- gendersensible Unternehmenskultur in den ESCO und der International Telecommunica- Rundfunkanstalten fordern. Die von der FES tion Union (ITU). In den einzelnen Sitzungen entwickelten Genderrichtlinien geben in dieser wurden Beispiele und Projekte veranschaulicht, Hinsicht eine wertvolle Orientierung.

OFT OHNE JEGLICHE ABSICHERUNG Grundlagentrainings GESCHLECHTERGERECHTE HAUSHALTSPLANUNG IN SÜDOSTASIEN

Gender Responsive Budgeting (GRB) – geschlech- Sowohl das ASEAN-Sekretariat als auch das ACW tergerechte Haushaltsplanung – was steckt da- sind zentrale Akteure in der Herstellung von Ge- hinter? Zwei Trainings für Vertreter_innen aus schlechtergerechtigkeit, die die Mitgliedsstaaten den nationalen Planungs-, Frauen- und Finanz- zur Umsetzung von geschlechtergerechter Poli- ministerien der ASEAN-Mitgliedsstaaten im No- tik auffordern und ihnen dafür Instrumente an vember 2013 und im August 2014 vermittelten die Hand geben wollen. die Grundlagen zur Einführung einer geschlech- Wie in anderen Regionen Asiens auch leiden tergerechter Haushaltsplanung und der darauf Mädchen und Frauen in den ASEAN-Mitglieds- basierenden Finanzierung von sozialen Siche- staaten weiterhin unter Diskriminierung und rungssystemen. Die Trainings in Jakarta, Indone- prekären Lebensumständen. Sie sind oft ohne sien, waren eine gemeinsame Initiative der FES, jegliche Absicherung, da sie vorrangig im in- des ASEAN-Sekretariats, des ASEAN Committee formellen Sektor arbeiten. Bei der Planung oder on the Status of Women (ACW) sowie des indo- Reform öffentlicher sozialer Sicherung und ihrer nesischen Frauenministeriums. Für die Durch- Finanzierung muss die Genderdimension also führung arbeitete die FES mit UN Women zu- mitgedacht werden. sammen, die jeweils zwei Trainerinnen abstellte.

HERAUSFORDERUNGEN ANGENOMMEN Grundlagentrainings DAS WEIBLICHE GESICHT LATEINAMERIKAS

Lateinamerika gilt in vieler Hinsicht als Vor- lien. Müttersterblichkeit, Analphabetismus, vor- zeige-Kontinent: Diktaturen hat es hinter sich zeitiger Schulabbruch bei Frauen und Mädchen gelassen; Demokratien sind populistisch, aber entwickeln sich kontinuierlich nach unten. Ein stabil; es gibt keine zwischenstaatlichen Kriege; eindeutiger Trend, der nicht aufzuhalten ist? mit Brasilien und Mexiko stellt es wichtige globale wirtschaft- liche Player; extreme Armut geht kontinuierlich zurück. Frauen nehmen an diesen Entwick- lungen aktiv teil und treiben Gender-Gap: Bessere sie vorwärts: Im kontinentalen Arbeitsbedingungen Durchschnitt sind 25 % der speziell für Frauen Volksvertreter_innen weiblich, fordert eine bolivia- nische Gewerkschaf- fünf Länder werden von Frauen terin auf der 1.Mai- regiert, darunter die aufstre- Demonstration in La Paz (Foto: Lisette bende Wirtschaftsmacht Brasi- Davalos/FES)

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Nein, die Gleichberechtigung zwischen Frauen und soziale Emanzipation die doppelte Diskrimi- und Männern kennt eine klar definierte Gren- nierung auf Grund von Geschlecht und Hautfar- ze: Die Selbstbestimmung der Frau hört da auf, be aufgehoben. Diese anhaltenden patriarcha- wo ihre Funktion als Mutter beginnt. Ein In- lischen Systeme fordern die Frauenbewegungen dikator ist die hohe Anzahl an Frauenmorden heraus. Das hohe Bildungsniveau, gepaart mit (femicidios) – Mord, den der (Ex)-Ehemann, starkem politischen (Selbst)Bewusstsein und (Ex-)Freund, oder ein männlicher Verwandter konkreter Praxiserfahrung, sind der Nährboden an einer Frau aus Eifersucht, Rachsucht oder als neuer feministischer Ansätze: Ebenbürtigkeit „Disziplinarmaßnahme“ verübt. Regelungen zur des privaten und des öffentlichen Raums; Pflege- Abtreibung widersprechen ebenfalls dem Bild wirtschaft als Vorschlag der feministischen Öko- des fortschrittlichen aufstrebenden Kontinents. nomie; das Verhältnis patriarchaler Strukturen Daran hat auch der Links-Ruck der Regierungen zur kolonialen Vergangenheit; das Ineinander- Lateinamerikas Anfang der 2000er Jahre nichts greifen sexistischer und rassistischer Muster; ein geändert: Wo Veränderungen stattfanden, wie Feminismus von unten, der Theorie und Aktion zum Beispiel in Uruguay 2012, geschah dies auf verbindet – das sind nur einige Konzepte, mit Druck von Zivilgesellschaft und einzelnen Poli- denen lateinamerikanische Denkströmungen tiker_innen, nicht als Bestandteil eines progres- nach Jahren des Gender-Mainstreamings wieder siven Regierungsprogramms. Ähnlich ist die zur Politisierung feministischen Denkens und Situation von Frauen innerhalb der indigenen Handelns beitragen. Bewegungen, die vielfach erfolgreich für An- MEHR ZUM THEMA erkennung und politische und wirtschaftliche Demokratie, Wohlstand und Gerechtigkeit für alle? Teilhabe gekämpft haben. Weder gibt es inner- Das weibliche Gesicht Lateinamerikas – Anja Dargatz halb der indigenen Bewegungen relevante femi- http://www.fesasia.org/media/publication/2011_ nistische Strömungen, noch hat die politische BroadcastingForAll_FocusOnGender_AIBD-FES.pdf

Buchpräsentation GANZ SCHÖN VIEL WUT IM BAUCH ANGRY WHITE MEN – MASKULINITÄT AM ENDE EINER ÄRA

Früher, da hatte alles noch seine Ordnung. Schu- der Veranstaltung „Angry White Men – Maskuli- le, Arbeit, ein festes Einkommen, Familiengrün- nität am Ende einer Ära“ in der FES Berlin vor. dung und mit den Jahren der berufliche und da- Parteigänger der Tea-Party, Amokläufer, un- mit auch soziale Aufstieg. Ja, das waren Zeiten. glücklich geschiedene „Väterrechtler“ und von Jedenfalls dann, wenn man ein weißer, heterose- der Überlegenheit der „weißen Rasse“ Über- xueller Mann in den USA war. zeugte eint: das Gefühl, um das betrogen wor- Heute dagegen fühlt sich gerade diese Bevölke- den zu sein, was ihnen doch eigentlich zustehe. rungsgruppe auf allen Gebieten unter Druck „Aggrieved entitlement“ nennt Kimmel dieses gesetzt: Jungs gehören zunehmend zu den Bil- Phänomen in seinem bisher nur auf Englisch er- dungsverlierern, auf dem Arbeitsmarkt konkur- schienen Buch „Angry White Men – American rieren sie mit Frauen und Menschen anderer Masculinity at the End of an Era“. ethnischer Herkunft oder auch sexueller Orien- Tragisch daran ist nur, dass diese Männer nicht tierung. Auch innerhalb der Familien wird ihre sehen können, dass ihre angebliche Benachtei- Rolle in Frage gestellt. Und zunehmend kratzen ligung lediglich der graduelle Abbau ihrer über politische und unternehmerische Bemühungen, lange Jahre geltenden Privilegien zum Nachteil mehr Diversität in die Führungsetagen der Wirt- aller anderen Bevölkerungsgruppen ist. Des ei- schaft und der Politik zu bringen, an ihrem bis nen Freud war eben doch lange des anderen Leid. dahin erwarteten Monopol auf die Topjobs. Im Zuge der Bürgerrechts- sowie der Frauen- Harte Zeiten also. Kein Wunder, dass sich bei vie- rechtsbewegung wurden diese Strukturen in len einiges an Frustration und Wut aufgestaut Frage gestellt und nach und nach aufgeweicht. hat. Diese Diagnose stellte der US-amerikanische Gezielte Fördermaßnahmen bestimmter be- Soziologe Michael Kimmel, Professor an der Sto- nachteiligter Bevölkerungsgruppen haben dabei ny Brook University in New York, am 24. Juni bei eine maßgebliche Rolle gespielt.

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Gerade Männer der weißen unteren Mittel- sowie der EAF Berlin einer der Kooperationspart- schicht, Handwerker, kleine Einzelhändler und ner dieser Veranstaltung, in seinem an Kimmel einfache Angestellte, sehen sich als Verlierer die- anschließenden Vortrag. Bei den „Väterrecht- ser Entwicklung. Die wirtschaftliche Situation lern“ sowie dem Erzählmuster des „Mannes als der letzten Jahre in den USA hat es ihnen zusätz- Opfer“ zeigte er die parallelen Argumentations- lich schwer gemacht, und mit dem sozialen Ab- muster für den US-amerikanischen und den stieg wuchs die Wut zum einen auf die „Minder- deutschen Kontext auf. heiten“ und zum anderen auf „die da oben“ – die Seine Forderung einer „männlichen Emanzipa- Eliten, denen sie den Ausverkauf ihrer Interessen tion“, die unabhängig von der feministischen vorwerfen. Ironischerweise, so Kimmel, sind die- Bewegung erfolgen und Grundlage für ein ak- se Eliten trotz aller Fortschritte in Sachen Gleich- tives Mitwirken an einer geschlechtergerechten berechtigung bis heute vor allem eines: nämlich Gesellschaft sein müsse, sorgte bei den rund 150 weiß und männlich. Gästen für reichlich Diskussionsstoff. Die Übertragbarkeit dieser Analyse auf den deut- Kimmel vertrat eine etwas andere Position: Femi- schen Kontext prüfte Martin Rosowski, Vorsitzen- nismus erlaube es Männern, freier, glücklicher, der des Bundesforum Männer, neben Dissens e.V. gesünder und sehr viel weniger wütend zu sein.

DIALOG STATT HASS Gesprächskreis REGIONALES GENDERPROJEKT ÜBER NEUES FEINDBILD

In einigen europäischen Ländern wird vor den ten – darunter Aktivist_innen von LGBTQ- und vermeintlich großen Gefahren einer „Gender- sogenannten Pro-Life-NGOs, Vertreter_innen ideologie“ gewarnt: Gender wird als „Kultur des verschiedener religiöser Gemeinschaften, Philo- Todes“ bezeichnet, welche die „Sexualisierung soph_innen und Gewerkschafter_innen. der Kinder“, die „Förderung von Homosexuali- Dabei wurde klar, dass die Polemik und die Rück- tät“ und die „Zerstörung der Familie“ zum Ziel schritte in Sachen Geschlechtergerechtigkeit habe. einem breiteren Phänomen zugeordnet werden Gegen „Genderideologie“ wurden in den letzten müssen: Eine neue politische Bewegung nutzt Monaten unter anderem in Frankreich, in Polen Gender als Feindbild und greift damit gleichzei- und in der Slowakei Massendemonstrationen tig EU-Skepsis, Homophobie und die Unzufrie- organisiert, Petitionen erstellt, Parlamentsaus- denheit mit dem liberalen europäischen Gesell- schüsse („Nein zu Gender“ in Polen) eingerichtet, beschlossene Gesetze zurückgenommen und Gender-Stu- dies-Lehrstühle in Frage gestellt. Als Initiatoren oder treibende Kräfte wir- ken Teile der katholischen Kirche, aber auch rechtsextreme Parteien. Meinungsaustausch Diese Situation veranlasste das regio- über unterschied- nale Genderprojekt der FES in Ostmit- liche Auffassun- teleuropa, im Juni in Budapest einen gen von Gender: Gesprächskreis in Gesprächskreis zu organisieren. Das Budapest (Foto: FES) Podium war breit gemischt: Eine feministische schaftsbild auf, um so für eine konservativere und Theologin, eine dominikanische Nonne sowie nationalistischere Gesellschaft zu werben. Doch Politologinnen und Feministinnen versuchten, bot die Veranstaltung auch Anlass zur Hoffnung. die Wurzeln und die Strategien der national So konnten in Ungarn, wo die Debatte über Ge- unterschiedlichen, aber transnational verbun- nder noch nicht eskaliert und die Fronten in denen Kulturkampfbewegungen zu erkunden. diesem Bereich noch nicht verhärtet sind, offen Ziel war es einen Dialog zwischen Menschen und respektvoll über die unterschiedlichen An- zu initiieren, die sehr unterschiedliche Auffas- sichten diskutiert, Argumente ausgetauscht und sungen von Gender und Genderrollen vertre- grundsätzliche Fragen erörtert werden.

2/2014 INFO FES 18 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE

GESELLSCHAFTLICHES ENGAGE- MENT / SOZIALE DEMOKRATIE VORDENKEN

Tagung FRIEDEN IST MACHBAR EIN PLÄDOYER FÜR KRIEGSVERHÜTUNG IM 21. JAHRHUNDERT

Wie kann man den Frieden schützen, ihn wie- Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und die derherstellen, ihn nachhaltig machen? Welche Stationierung der atomaren Sprengköpfe eine Friedensbemühungen vom Ersten Weltkrieg bis ungekannte Breitenwirkung erhalten. Seither heute haben gefruchtet, welche waren verge- seien ihre Leitsätze – gegen Krieg, für friedliche bens? Welche Lehren ziehen wir für das 21. Jahr- Lösungen von Konflikten – fester Bestandteil der hundert? politischen Kultur in Deutschland geworden. Das waren die Leitfragen einer Tagung mit 160 Bundestagsvizepräsidentin Teilnehmenden, die das Fritz-Erler-Forum An- stellte Kriterien für eine zukunftsfähige Frie- fang Mai in Freiburg durchführte. Der Bundes- denspolitik vor. Dazu gehöre auch, dass der zi- tagsabgeordnete und Russland-Beauftragte der vilen Konfliktprävention und –lösung mehr -fi Bundesregierung konstatierte, dass nanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Die abschließende Podiums- diskussion befasste sich unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundes- tagsfraktion, Dr. Rolf Mütze- nich, mit aktuellen Herausfor- Aktuelle Heraus- forderungen der derungen der Friedenspolitik. Friedenspolitik im Das Fazit von Gernot Erler Blick: Podiumsdis- kussion in Freiburg lautete: „Frieden ist machbar. (Foto: FES) Nicht ein für alle mal. Aber die deutsche Friedensbewegung nachhaltige immer wieder in der Konfrontation mit neuen Veränderungen in der deutschen Politik be- Herausforderungen und in auf Nachhaltigkeit wirkt habe. Sie habe mit den Protesten gegen die ausgelegten Prozessen.“

FES INFO 2/2014 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE 19

ENTLASTUNG DER KOMMUNEN MÖGLICH Reformvorschlag EINE NEUORDNUNG DER BUND-LÄNDER-FINANZBEZIEHUNGEN

Ende 2019 muss der Länderfinanzausgleich Höhe durch Bundesgesetze bestimmt wird. Ge- neu geregelt werden, doch von gleichwerti- nau hier setzt eine der drei Säulen des FES-Vor- gen Lebensverhältnissen wird auch dann keine schlags an. Um örtliche Investitionen zu steigern Rede sein können. Deshalb haben Hans Eichel, und damit Wachstum und Beschäftigung zu sti- Heinrich Tiemann und Philipp Fink vom FES- mulieren, müssen die Kommunen von der Last Arbeitskreis Nachhaltige Strukturpolitik im der Sozialausgaben befreit werden. Die Rechnung vergangenen Jahr einen Vorschlag entwickelt, des ifo-Dresden lautet: Die Kommunen können der den Bund in die Pflicht nimmt, die Sozial- von den Sozialausgaben in Höhe von insgesamt ausgaben der Kommunen zu übernehmen. Das 30,9 Milliarden Euro entlastet werden, wenn der Wirtschaftsforschungsinstitut ifo-Dresden hat Bund durch die Beibehaltung des Solidaritätszu- die Idee durchgerechnet und für umsetzbar und schlags zusätzlich zehn Milliarden Euro beisteu- nachhaltig erachtet. ert. Im Gegenzug müssten die Länder auf einen Der FES-Vorschlag sieht eine stärkere Berücksich- Teil ihrer Mehrwertsteuereinnahmen zu Guns- tigung des jeweiligen Bedarfs der einzelnen Län- ten des Bundes verzichten. Diese Lücke im Etat der im Finanzausgleichssystem vor. Bislang wird könnte durch die Einsparungen bei den Sozial- die Höhe der Transferzahlungen durch die jewei- ausgaben aber wieder aufgefangen werden. Da- ligen Einnahmen der Länder bestimmt. Nicht mit gibt es, wie die Berechnung des ifo-Dresden nur diese variieren sehr stark, sondern auch die zeigt, unterm Strich nach den jetzt gültigen Be- Ausgaben – insbesondere bei den Sozialleistun- stimmungen des Länderfinanzausgleichs keine gen. Gerade die hohen Sozialausgaben treffen Verlierer. Allerdings: Um sicherzugehen, dass das diejenigen Kommunen besonders hart, die oh- Geld auch wirklich bei denjenigen Kommunen nehin mit den Folgen von hoher Arbeitslosigkeit ankommt, die die Mittel dringend benötigen, und schwacher wirtschaftlicher Entwicklung zu müssen die kommunalen Finanzausgleichssy- kämpfen haben. Die regionale Ungleichheit zwi- steme der einzelnen Länder auf den Prüfstand. schen dem Norden und dem Süden sowie dem Osten und dem Westen setzt sich dadurch nur PUBLIKATION noch stärker fest. In der Folge stammen die Im- Joachim Ragnitz et al.: pulse für Wohlstand und Beschäftigung für das Wer bestellt, bezahlt! Für eine Reform des Finanz- gesamte Land zu einem überwiegenden Teil aus ausgleichs zur Herstellung gleichwertiger Lebensver- dem Süden. hältnisse in Deutschland, WISO Diskurs Insgesamt kann eine Kommune die Kosten für die Sozialausgaben kaum beeinflussen, da die http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10759.pdf

WOHIN MIT DEN SCHULDEN? Expertendiskussion SUCHE NACH GERECHTEREN INTERNATIONALEN FINANZBEZIEHUNGEN

Dass Staaten Schulden haben, ist eine Norma- Wirtschaftskrise der letzten fünf Jahre flammte lität. Doch was passiert, wenn die Schuldenlast die Debatte wieder auf. untragbar und ein Schuldendienst, geschweige Das Europabüro der FES brachte in Kooperation denn eine Rückzahlung, unmöglich wird? mit EURODAD und erlassjahr.de (das Europä- Schon in den 19080er Jahren wurde die Proble- ische Netzwerk und sein deutsches Mitglied, die matik erkannt, damals vor allem mit Blick auf sich Armutsbekämpfung durch gerechtere in- die am wenigsten entwickelten Länder („Least ternationale Finanzbeziehungen auf die Fahnen developed countries“, LDCs). Es kam zwar zu geschrieben haben) Expert_innen aus Europa, Schuldenerlassprogrammen, aber ein struktu- Lateinamerika und Afrika zusammen, um Vor- rierter internationaler Prozess zur effizienten Lö- schläge für einen Mechanismus des Schulden- sung staatlicher Schuldenprobleme wurde nicht managements auf internationaler Ebene zu dis- aufgezeigt. Vor dem Hintergrund der weltweiten kutieren.

2/2014 INFO FES 20 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE

Eine einheitliche Regelung – beispielsweise gierungen des Südens, Nichtregierungsorganisa- durch ein Ständigen Schiedsgerichtshof im Rah- tionen oder internationalen Kreditkooperativen. men der UN oder eine internationale Insolvenz- Bisher wurden Streitigkeiten zwischen Schuld- ordnung – erscheint vor allem deswegen ange- nern und Gläubigern individuell verhandelt. Ein bracht, weil die Geberstruktur immer komplexer transparenteres Entschuldungsverfahren durch wird. Entwicklungsländer sind nicht nur mehr ein unabhängiges Schiedsgericht würde dazu bei Regierungen „des Nordens“ oder internatio- beitragen, Streitigkeiten über Zahlungsprobleme nalen Finanzinstitutionen verschuldet, sondern zu prüfen und alle Gläubiger und die Öffentlich- auch in beträchtlichem Ausmaß bei anderen Re- keit miteinbeziehen.

Forum MEHR ÜBER ZIELE REDEN GLOBALE ALLIANZEN FÜR ALTERNATIVE ENTWICKLUNGSMODELLE Weltweit hat sich die Einkommensverteilung Progressive Politik muss nicht nur das Was, son- zu Lasten der Löhne entwickelt: Während die dern auch das Warum vermitteln können. Kapitaleinkünfte häufig zweistellig wuchsen, Mit dem Vorsitzenden des gesamtamerika- stagnierten die durchschnittlichen Reallöh- nischen Gewerkschaftsbundes TUCA, Victor ne. Insbesondere in Europa steigt die Einkom- Baez, war sie sich einig, dass es starker Gewerk- mensungleichheit. Dagegen haben in der ver- schaften und starker progressiver Parteien be- gangenen Dekade in Lateinamerika progressive darf, die im gleichberechtigten Dialog stehen. Regierungen Armut und Ungleichheit abbauen Tabaré Vázquez, ehemaliger Präsident Uruguays können. Sie schauen mit Sorge auf die Entwick- und derzeit Präsidentschaftskandidat, zeigte an lungen in den Industrieländern. konkreten Beispielen aus seinem Land auf, dass Wachstum nicht per se Entwicklung bringe, sondern umgekehrt die För- derung der Binnenkonjunktur über Lohnpolitik das Wachstum sichere. Der ehemalige WTO-Direktor Pascal Begegnung in Mon- Lamy betonte, dass sich progressive tevideo: Die SPD- Politikansätze ebenso globalisieren Generalsekretärin traf müssen, wie es die Wirtschaft tue. mit dem ehemaligen Europa und Lateinamerika müssten Präsidenten Urugu- ays Tabaré Vázquez wegen der größeren politischen und dem ehemaligen Übereinstimmungen den Anfang WTO-Direktor Pascal Lamy zusam- machen. Regional und global seien men. (Foto: FES) zudem die laufenden Freihandels- Im Rahmen einer Diskussionsrunde in Montevi- abkommen zu nutzen, um darin Arbeits- und deo traf SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi Sozialstandards zu verankern. mit Vertreter_innen progressiver Parteien und Die Diskussion fand im Rahmen des Forums Gewerkschaften aus acht lateinamerikanischen der Progressiven Parteien Lateinamerikas statt, Ländern zusammen. Sie wies darauf hin, dass einer Plattform des Austauschs und der Vernet- Gute Arbeit auch wirtschaftlich sinnvoll sei und zung, die die FES vor rund zehn Jahren ins Le- in Europa die stabilen Volkswirtschaften gleich- ben rief, als linke Parteien lokal wie regional in zeitig auch die mit den größten Sozialausgaben Regierungsverantwortung kamen und sich zu seien. alternativen Lösungsansätzen struktureller Ver- Der Staat brauche Einnahmen und eine gerechte teilungsprobleme austauschen wollten. Seit 2013 Umverteilung, um im strukturellen Ungleich- bemüht sich das Forum aktiv um die Teilnahme gewicht von Arbeit und Kapital intervenieren von Gewerkschaften. Die diesjährigen europä- zu können. Fahimi kritisierte am Beispiel der ischen Beiträge zeigten zudem die Notwendig- Steuerreform aber auch, dass zu viel über Instru- keit und Möglichkeiten globaler Allianzen auf. mente und zu wenig über Ziele geredet werde:

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CHINAS NEUES ENTWICKLUNGSMODELL Debatte CHANCEN UND HERAUSFORDERUNG FÜR ASIEN UND EUROPA

Zum dritten Mal in Folge fand im Juni 2014 das zu den Topprioritäten. Die massiven Aufgaben „Re-Thinking Asia Forum“ der Friedrich-Ebert- und Hindernisse, denen die Volksrepublik bei Stiftung in der Evangelischen Akademie Tutzing der Umsetzung der Reformen gegenübersteht, statt. „Re-Thinking Asia“, das bedeutet, Räume sind der chinesischen Führung wohl bewusst. für Debatten über asiatische Politik im 21. Jahr- Vor allem im asiatischen Kontext wird der chine- hundert zu schaffen und Antworten auf Fragen sische Reformprozess genau beobachtet. Staaten der asiatisch-europäischen Zusammenarbeit zu wie Südkorea, Indien und Japan könnte künftig entwickeln. eine Schlüsselfunktion zukommen. Kooperati- Das diesjährige Forum zum Thema „China’s onen, wie zum Beispiel zu Themen der nachhal- New Development – Common Visions for Asian- tigen Stadtentwicklung und der Unterstützung European Co-operation“ wurde gemeinsam mit sozialer Reformen könnten ein Erfolg verspre- der Chinese Association for International Un- chender Ansatzpunkt sein. derstanding (CAFIU) und der China Foundation for Peace and Development (CFPD) or- ganisiert und ist die erste inter- nationale Konferenz der CAFIU außerhalb Chinas – ein echter Vertrauensbeweis also, der be- Debatte über asia- zeichnend ist für die langjäh- tisch-europäische Zusammenarbeit: rige und gute Zusammenarbeit Unterstrichen wurde vor Ort. die Bedeutung durch die Teilnahme einer Die im November 2013 ange- hochrangigen chine- kündigten Reformen der zweit- sischen Delegation. größten Wirtschaftsmacht der Welt wurden von Nur durch eine engere und intensivere regionale vielen Seiten begrüßt, setzen sie doch auf ein Zusammenarbeit kann es gelingen, einen einsei- Umsteuern des bisher stark exportorientierten tigen Aufstieg des chinesischen Hegemons auf Wachstums. Im Fokus sollen fortan Qualität vor Kosten anderer asiatischer Staaten zu verhin- Quantität, die Steigerung des Binnenkonsums dern, mehr Stabilität in der Region zu garantie- sowie die Liberalisierung des Finanzmarkts ste- ren und für alle Seiten nicht nur wirtschaftliche, hen; ökologische Nachhaltigkeit sowie die Ver- sondern auch soziale und politische Win-Win- ringerung der sozialen Ungleichheit zählen nun Potenziale zu erschließen.

Nachwuchs- VISION, ÜBERZEUGUNG, AKTION förderung DIE AUSBILDUNG ZUKÜNFTIGER FÜHRUNGSKRÄFTE IN BENIN

Das Klatschen ist sehr weit zu hören. Die Rufe dem Übergang von einer Diktatur zur Demokra- „Vision, Conviction, Action“ sind selbst für die tie im Jahr 1990 lenkte, zieht sich absehbar aus Gäste des gegenüberliegenden Restaurants deut- ihren Ämtern und Funktionen zurück. Doch lich vernehmbar. Die jungen Nachwuchskräfte wachsen auch professionelle Kader nach, die die aus Benin werden in den kommenden Monaten politische Richtung des Landes in Zukunft be- lernen, dass auch Enthusiasmus gezügelt werden stimmen können? muss, um ans Ziel zu kommen. Der Blick auf das Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat im Juni 2014 ihr gut sichtbare Plakat verrät: „Tout Leadership se Programm „Jeunes Leaders du Bénin“ gestartet, construit“. ein Förderprogramm für Nachwuchskräfte aus Die politische Klasse des westafrikanischen politischen Parteien, Gewerkschaften und Zivil- Benins steht vor einem großen Umbruch. Jene gesellschaft. Die Vorbereitung eines Generatio- Generation, die die Geschicke des Landes seit nenwechsels, der ohne Rupturen auskommt, ist

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dabei nur ein Aspekt. Neue Netzwerke wichtiger der Zustand der staatlichen Institutionen, die Schaltstellen können absehbaren Konflikten wirtschaftliche Entwicklung Benins, der Zu- vorbeugen und leisten ihren Beitrag zum sozia- sammenhang zwischen Bildungssystem und len Frieden. Arbeitsmarkt sowie die Situation des Landes im Das Interesse an dem Programm war gewaltig: internationalen Kontext diskutiert. Neben dem Auf die öffentliche Ausschreibung der Friedrich- Austausch mit unmittelbar Beteiligten und der Ebert-Stiftung haben sich insgesamt 380 Kandi- Entwicklung politischer Optionen steht für die daten beworben. Im Rahmen eines 14-tägigen Nachwuchskräfte auch die Förderung der persön- Gesprächsmarathons wurden 55 Interviews ge- lichen Schlüsselkompetenzen im Mittelpunkt. führt und anschließend 25 Teilnehmer_innen Eine Vision für sich selbst und für die Zukunft ausgewählt. Diese Sorgfalt ist zwar anstrengend, des Landes, die Entwicklung politischer Strate- gien und ihrer kon- kreten Umsetzung oder professionelle Medienarbeit: Die Praxisnähe bietet den Teilnehmer_in- nen den größten Vor Ambitionen: die Teilnehmerinnen Mehrwert. Den und Teilnehmer des Nachwuchskräften Förderprogramms für Nachwuchs- mangelt es nicht an kräfte (Foto: FES) persönlichen Am- aber sie lohnt sich. Das Programm in Benin er- bitionen. Es wird daher darauf ankommen, der gänzt bereits bestehende Initiativen der Fried- kommenden Generation nicht nur einmalig rich-Ebert-Stiftung auf nationaler und regionaler das Rüstzeug für gutes Leadership mitzugeben, Ebene in Westafrika. sondern sie auf dem Weg zu Good Governance Die monatlich stattfindenden Module orien- weiter zu begleiten, damit Benin einen konse- tieren sich thematisch an drängenden Heraus- quenten Entwicklungspfad einschlagen kann. forderungen: Aufbauend auf einer Analyse der politischen Geschichte des Landes, werden http://fes-benin.org

VERÄNDERUNGSPROZESSE GESTALTEN MUP-TRAININGSBUCH „CHANGE/VERÄNDERUNG“ Die Steuerung von Veränderungsprozessen ist in vielen Non-Profit-Organisationen (NPOs) bereits zur Daueraufgabe und zur Kernkompetenz nicht nur von Führungskräften geworden. Das neue Trai- ningsbuch der Akademie Management und Politik der FES „Change, Veränderung – Vorgehen, Hal- tung und Organisation bei Veränderungsvorhaben in NPOs“ gibt einen Überblick über die gängigen Vorgehensweisen und Instrumente von Veränderungsmanagement, stellt aber auch alternative, „flexiblere“ ChangeManagement-Ansätze vor. Das Trainingsbuch liefert wertvolle Tipps, mit welcher Hal- tung und welchen Instrumenten und Werkzeugen sich NPO- Verantwortliche auf wandelnde Gegebenheiten einstellen, wie sie mit Widerständen umgehen und Akzeptanz für Verän- derungsprozesse erreichen können.

MEHR ZUM THEMA Das MuP-Trainingsbuch ansehen oder bestellen unter http://www.fes-mup.de

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EIN GEMEINSAMES AFRIKA DENKEN Simulation ERSTES PLANSPIEL DER AFRIKANISCHEN UNION IN TUNESIEN

Die Agenda 2063, die am 25. Mai 2013 von Tunis an dem ersten Planspiel der Afrikanischen der Afrikanischen Union 50 Jahre nach ihrer Union teil. Gründung in Addis-Abeba verabschiedet wur- Im Rahmen des Planspiels schlüpften die afri- de, beschreibt die Vision eines gemeinsamen kanischen Jungdiplomaten in die Rolle der und friedlichen Afrikas der Zukunft. Auf einem Delegierten der 54 Mitgliedsstaaten der Afrika- Kontinent, dessen Population bis 2050 rund ein nischen Union. Viertel der Weltbevölkerung ausmachen wird In Form von Resolutionen stellten die Teilneh- und der sich wie kein anderer durch eine kultu- merinnen und Teilnehmer ihre Arbeitsergeb- relle Vielfalt auszeichnet, ist der interkulturelle nisse einer Delegation der Afrikanischen Union, und innerafrikanische Dialog heute mehr denn die eigens aus Addis-Abeba angereist war, vor. je von entscheidender Bedeutung. Doch wie Beispielsweise wurde eine Resolution der Dele- soll dieser Dialog zukünftig gestaltet werden? Mit einem Anteil von rund 50 Prozent der Menschen im Alter bis zu 30 Jahren wird Afrika zukünftig im internationalen Vergleich zudem die jüngste Bevölkerung haben. Wie also kann ein Afrika der Zukunft gedacht Das erste politische Planspiel der Afrika- werden, wenn nicht die jungen Men- nischen Union: Mehr schen einbezogen werden, die den als 200 Studentin- Kontinent prägen werden? nen und Studenten waren dabei Dieser Herausforderung stellten sich (Foto: FES). die rund 20 in Tunesien Studierenden unter- gation Südafrikas zur Gründung eines afrika- schiedlicher afrikanischer Nationalitäten, als nischen Strafgerichtshofs verabschiedet. sie im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Mitbegründer der Simulation Hamza Ghedamsi Friedrich-Ebert-Stiftung mit der Planung des freute sich über das enorme Echo, welches die „Modèle Union Africaine“ in der tunesischen Simulation auslöste: „Als Vertreter des Organisa- Hauptstadt Tunis begannen. tionskomitees des Modèle Union Africaine und Nach mehreren Monaten intensiver Planung Repräsentanten der tunesischen Jugend wurden war es am Wochenende vom 23. bis 25. Mai 2014 meine Kollegin Meriem Haouami und ich von schließlich so weit: Mehr als 200 Studentinnen Staatspräsident Moncef Marzouki eingeladen, und Studenten im Alter zwischen 18 und 29 Jah- die tunesische Delegation zum Gipfeltreffen der ren aus über 28 afrikanischen Staaten nahmen in Afrikanischen Union in Gabon zu begleiten.“

FORUM EUROPE IN KRAKAU EUROPA DER REGIONEN Kurz notiert

Wie kann sich die Soziale Demokratie aufkom- Die Thesen seines Buches „Der Europäische menden europaskeptischen, rechten und antieu- Landbote“ fasste der kulturkritische Essayist ropäischen Kräften entgegen stellen? Führende Robert Menasse bei einem Vortrag im FES-Re progressive Experten aus Mittel- und Osteuropa gionalbüro Mainz zugespitzt zusammen. Der ös- kamen am 10. April im Rahmen der Veranstal- terreichische Schriftsteller hielt ein Plädoyer für tung Forum Europe in Krakau zusammen, um ein nachnationales Europa: Das europäische Pro- über die Wirtschaftskrise, die allgegenwärtige jekt müsse eine qualitativ neuartige, nach- und neoliberale Rhetorik und den Zusammenhalt transnationale Demokratie sein. So, wie die an- der EU im Ukraine-Konflikt eben diese Themen tike griechische Demokratie untergegangen und zu diskutieren. Die Veranstaltung wurde in Koo- neue Formen der Demokratie entstanden seien, peration mit dem Ferdinand Lassalle Centre for sei auch unser heutiges Demokratieverständ- Social Thought und dem Ignacy Daszyński Cen- nis weiterentwickelbar. Nach seiner Vorstellung tre for Progressive Studies organisiert. müsse ein Europa der Regionen entstehen.

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WIRTSCHAFT, ARBEIT, SOZIALES MITWIRKEN

Diskussionsrunden WACHSTUMSIMPULSE ODER WOHLSTANDSVERLUSTE? KONTROVERSEN ÜBER FREIHANDELSABKOMMEN MIT DEN USA „Die Geheimverhandlungen haben maßgeblich zu den jeweiligen Märkten. zu den Verschwörungstheorien beigetragen und Gerade für kleine und mittlere Unternehmen zu einer breiten Ablehnungshaltung in der Be- (KMU), den deutschen Mittelstand, sind die Ko- völkerung geführt“, so der stellvertretende Frak- sten für die unterschiedlichen Zulassungsver- tionsvorsitzende der SPD bei ei- fahren in Europa und den USA das Haupthin- dernis für eine weitere Expansion nach Amerika. Die Belastung durch Welche Folgen hat externe Prüfungen und die juristi- das geplante Frei- schen Feinheiten würden die Res- handelsabkommen? Podiumsdiskussion mit sourcen der KMU übersteigen und (v.l.n.r.) Karl-Ludwig sie damit am Markteintritt hindern, Kley, Präsident des VCI; Ludger Viele- so der Präsident des Verbandes der meier, NDR; Hubertus Chemischen Industrie (VCI), Karl- Heil, MdB und stv. Vorsitzender der SPD- Ludwig Kley. Die gegenseitige An- Bundestagsfraktion; erkennung von Zulassungen und Stefan Körzell, Mitglied im DGB Vorstand Vereinfachungen wären daher eine (Foto: Bollhorst) große Erleichterung für den Mittel- ner Diskussion des Managerkreises der FES über stand und würden Wachstumsimpulse erzeugen. das umstrittene Freihandelsabkommen mit den Die Auswirkungen des Abkommens auf Arbeit- USA. nehmerrechte in Europa beurteilt Stefan Körzell, Bei dem Handelsabkommen geht es längst nicht Mitglied im geschäftsführenden DGB Bundes- mehr um den reinen Abbau von Zöllen. Ein vorstand, sehr kritisch. Bei so unterschiedlichen Großteil der Verhandlungen beschäftigt sich mit Wirtschaftskulturen, insbesondere im Bereich nichttarifären Handelshemmnissen. Es geht da- der Mitbestimmung und der internationalen Ar- mit um Standards, Regularien und Zulassungen beitsnormen, kann eine Angleichung nur lang-

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fristig erfolgen. Zum Stand Juni 2014 und den Hinsichtlich der immer wieder vorgebrachten derzeit verfügbaren Informationen müsse TTIP Chancen von TTIP gelte es zu berücksichtigen, daher abgelehnt werden. Grundsätzlich aber dass die prognostizierten positiven Wachstums-, solle man Verhandlungen dieser Art konstruktiv Beschäftigungs- und Wohlstandseffekte bei ge- nutzen, um für die bewährte Sozialpartnerschaft nauerer Betrachtung recht gering ausfallen, so die zu werben. Dies mag Verhandlungsprozesse ver- Einschätzungen. Einige der Experten meldeten längern, die Beteiligung aller betroffenen Ak- Zweifel an, dass mit der weiteren Handelsliberali- teure zahle sich jedoch aus. Die Bedenken mög- sierung automatisch gewährleistet sei, dass breite licher Benachteiligter zu ignorieren führe nur zu Bevölkerungsgruppen von möglichen positiven einer Radikalisierung dieser Gruppen. Wohlstandseffekten profitierten. Hinsichtlich des im Fokus von TTIP stehenden Auch auf dem internationalen TTIP Stakeholder Abbaus von nichttarifären Handelshemmnissen Forum in der FES-Berlin erörterten am 7. Mai in- gelte es zu berücksichtigen, dass damit die Gefahr ternationale Expert_innen aus Deutschland, Eur- des Abbaus von Arbeitnehmerrechten sowie der opa und den USA die mit TTIP in Verbindung ge- Verschlechterung von Sozial-, Umwelt-, Gesund- brachten Chancen und Risiken. Im Mittelpunkt heits- und Verbraucherschutzstandards sowie der standen dabei die Wirkungen von TTIP auf die öffentlichen Daseinsvorsorge einhergehe, was Arbeitnehmerrechte, den Konsumentenschutz letztlich erhebliche Wohlstandsverluste für breite und die öffentliche Daseinsvorsorge. Bevölkerungsschichten mit sich bringen würde.

SCHLUPFLÖCHER UND OASEN Sommertagung WACHSENDE UNGLEICHVERTEILUNG VON EINKOMMEN UND VERMÖGEN

Mit der wachsenden Ungleichverteilung von Ein- zierte steuerliche Entlastung hoher Einkommen kommen und Vermögen hat sich der Kocheler und Vermögen gewesen. Diesem Auseinander- Kreis für Wirtschaftspolitik der Friedrich-Ebert- klaffen, das aktuell auch anhand des Buches des Stiftung auf seiner diesjährigen Sommertagung französischen Universitätsprofessors Thomas in Wien zusammen mit dem österreichischen Piketty „Capital in the Twenty-First Century“ in Kautsky-Kreis beschäftigt. Politik und Gesellschaft intensiv diskutiert wird, Als Referenten und Referentin nahmen Dr. Ste- müsse möglichst rasch entgegengewirkt werden, fan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschafs- nicht nur aus Gerechtigkeitsüberlegungen he- forschung (DIW) Berlin, PhD Miriam Rehm von raus, sondern auch, um die gegenwärtige Krise in der Arbeiterkammer Wien, Prof. Dr. Heinz D. der Euro-Zone möglichst rasch zu überwinden. Kurz von der Universität Graz, Prof. Dr. Jörg Fle- Tatsächlich habe es in der Vergangenheit immer cker von der Universität Wien, Dr. Carsten Sie- wieder auch Phasen gegeben, in denen die Poli- ling, MdB, Mitglied im SPD-Parteivorstand und tik maßgeblich zur Reduzierung der Ungleichheit Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD- beigetragen habe, so beispielsweise nach dem Bundestagsfraktion sowie Mag. Werner Muhm, Zweiten Weltkrieg, als es auch mittels steuerpoli- Direktor der Arbeiterkammer Wien, teil. tischer Maßnahmen gelang, eine lange Phase sta- Anhand umfangreichen empirischen Datenma- bilen Wachstums mit hoher Beschäftigung zu si- terials wurde in den Vorträgen übereinstimmend chern. Der Steuerpolitik komme auch heute eine darauf hingewiesen, dass sich die Ungleichheit wesentliche Verantwortung für die Minderung der Einkommen und Vermögen in den west- der Ungleichheit zu. Gefordert wurde beispiels- lichen Industriestaaten, insbesondere auch in weise für Deutschland ein höherer Spitzensteu- Deutschland und Österreich, in den letzten Jah- ersatz auf höhere Einkommen, eine stärkere (pro- ren und Jahrzehnten deutlich verstärkt habe. gressive) Besteuerung von Kapitaleinkommen, Ursächlich hierfür sei unter anderem die Zunah- die Wiedereinführung einer Vermögensteuer so- me prekärer und atypischer Beschäftigungsver- wie eine Reform der Erbschaftsbesteuerung, aber hältnisse mit einem wachsenden Anteil an nied- auch eine stärkere Bekämpfung der Steuerhinter- rig bezahlten Beschäftigungsverhältnissen, aber ziehung und Steuervermeidung durch Schließen auch die seit vielen Jahren immer stärker prakti- von Steuerschlupflöchern und Steueroasen.

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Bestandsaufnahme PFEILER DES SOZIALSTAATS VERHÄLTNIS VON STAAT UND KIRCHE

Die Perspektiven des Sozialstaats aus staatlicher schen dem rheinland-pfälzischen Finanzmini- und kirchlicher Sicht standen am 3. Juni im ster Dr. Carsten Kühl und dem Kirchenpräsi- Mittelpunkt einer gemeinsamen Veranstaltung denten Dr. Volker Jung (Evangelische Kirche in des FES-Regionalbüros Mainz und der Arbeitsge- Hessen und Nassau) wurde vor allem die Finan- meinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz. zierbarkeit sozialstaatlicher Leistungen hinter- Pfarrer Albrecht Bähr ging als Sprecher der Dia- fragt. Kühl und Jung waren sich einig, dass nicht konie Rheinland-Pfalz in seinen Eingangsbe- alles Wünschenswerte auch machbar sei. Beide merkungen auf das grundsätzliche Verhältnis Gesprächspartner bekräftigten, dass private An- von Staat und Kirche ein. Bildung und Pflege bieter von Sozial- und Pflegediensten durchaus definierte er dabei als zwei Aufgaben, die sowohl eine wichtige Rolle spielen können, Staat und vom Staat als auch von der Kirche wahrgenom- Kirche auf Grund ihrer spezifischen Wertebin- men werden müssten. dung aber nach wie vor eine zentrale Gesamtver- In der darauf folgenden – vom ZDF-Journalisten antwortung übernehmen müssten. Ralph Szepanski moderierten – Diskussion zwi-

Debattenbeiträge DER GROSSE WURF? PFLEGEREFORM ALS HERAUSFORDERUNG

20 Jahre Pflegeversicherung – ohne Zweifel eine und Dienstleistungen zurückgreifen können. gesellschaftliche Errungenschaft, aber in der Pra- Der saarländische Gesundheitsminister Andreas xis wirklich der große Wurf? Wo stehen wir, und Storm machte gleich mehrmals deutlich, dass was sind die zentralen zukünftigen Herausforde- das Saarland, dessen Alterung der bundesdeut- rungen bei der Pflege? Das waren die Leitfragen schen voraus sei, sich hervorragend als Modell- einer Veranstaltung, zu der das FES-Regionalbüro region für diverse Weiterentwicklungen in der Mainz und der Sozialverband VdK gemeinsam Pflege-Infrastruktur anbiete. eingeladen hatten. Rund 150 Personen waren der Die Landesgeschäftsführerin der AOK, Christia- Einladung gefolgt und in die Räumlichkeiten des ne Firk, hob in ihrem Beitrag die Erfolge der Pfle- vhs-Zentrums in Saarbrücken gekommen. geversicherung hervor, wies aber auch auf die In ihrem Eingangsstatement betonte die Staats- Notwendigkeit individuell zugeschnittener Lö- sekretärin im Bundesministerium für Familie, sungsansätze hinsichtlich der Verbindung von Senioren, Frauen und Jugend, Elke Ferner, die stationärer und ambulanter Pflege hin. Rolle der „sorgenden Gemeinschaften“ – Men- Der abschließende Redner, der Vorsitzende des schen, die sich umeinander kümmern: Ehren- Sozialverbands VdK und Bundesvorsitzende der amtliche, Nachbarn, Freunde und Familienan- Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Ge- gehörige, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu sundheitswesen, Armin Lang, forderte für die einem gelingenden Leben in der Gemeinschaft angestrebte Pflegereform 10 Mrd. Euro mehr als beitragen und auf gute professionelle Angebote von der Bundesregierung geplant.

„Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt: Aufgaben einer ver- antwortungsvollen Politik“. Rund 170 Gäste waren der Einladung des FES-Regionalbüros Mainz gefolgt, um sich im rheinland-pfälzischen Mayen über aktuelle ar- beitsmarktpolitische Themen wie den Mindestlohn und die Rentenreform zu informieren. In ihrem politischen Statement machte die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, (Foto), auf die Diskrepanz zwischen dem erwirtschafteten Wohlstand und dessen Verteilung aufmerksam.

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MITTEL ZUR MOTIVATION „Hatten Sie in der letzten Woche Spaß bei der Arbeit? Hatten Sie während der letzten 30 Tage drei oder mehr Tage, an denen der Arbeitsstress dazu geführt hat, dass Sie sich schlecht gegenüber Ih- rer Familie oder Ihren Freunden verhalten haben?“ Mit diesem Auszug aus einem Fragenkatalog des Meinungsforschungsinstituts Gallup begann am 8. Mai in Berlin eine intensive Diskussion im Mana- gerkreis über unzureichende Teamführung und mangelnde Mitarbeitermotivation. Eine professionelle Personalführung und -entwicklung müsse nah an den Bedürfnissen der einzel- nen Mitarbeiter_in und des jeweiligen Arbeitsumfeldes ausgerichtet werden. Anerkennung wird so zum zentralen Baustein eines motivierten und damit produktiven Teams. Ein einfaches „Guten Mor- gen, schön dass Sie da sind“ kann mehr bewegen als jedes Teambuilding oder manche Fortbildung, so die Gutachter von Gallup. Ein wertschätzendes Umfeld trage maßgeblich zur Motivation bei.

ANWERBEN, ANKOMMEN, ANPASSEN Fachforum MIGRATION IN DAS GESUNDHEITSWESEN

Schon heute fehlen rund 70.000 Fachkräfte im punkt eines Fachforums und einer öffentlichen Gesundheits- und Pflegesektor, und es ist nicht Veranstaltung in Berlin, zu denen die Gewerk- zu erwarten, dass dieser Bedarf allein mit inlän- schaft ver.di, terre des hommes sowie der FES- dischen Fachkräften gedeckt werden kann. In Gesprächskreis Sozialpolitik am 15. Mai in Berlin der Praxis heißt dies, dass diese Lücke bislang eingeladen hatten. Fazit: Migration allein löst mit zugewanderten Beschäftigten geschlossen die zukünftigen Probleme des Gesundheitswe- wird. Doch kann dies auf Dauer funktionieren? sens nicht. Wichtiger ist es, ein professionelles Fehlen die ausgewanderten Fachkräfte in den und serviceorientiertes Gesundheits- und Pflege- Herkunftsländern? Fragen der Migration in das system mit guten Arbeitsbedingungen auf- und deutsche Gesundheitswesen standen im Mittel- auszubauen.

ANGST VOR ARMUT Podiumsdiskussion KRANKENPFLEGE IN POLEN

„Junge Menschen wollen den Beruf der Kranken- helfen und eine besondere Fähigkeit zur Empa- schwester und des Krankenpflegers nicht ergrei- thie ausschlaggebend seien. fen, da dieser viel zu schlecht bezahlt wird und Diese Äußerung löste deutlichen Widerspruch dazu noch mit harten Arbeitsbedingungen und aus. „Jetzt arbeiten die Krankenschwestern nicht Schichtdienst verbunden ist“, fasste Halina Kalandyk, Vorsitzende des polnischen Gewerkschaftsverbands der Krankenschwestern und Hebam- men (OZZPiP), die Lage zusammen. Anlässlich des Internationalen Tages der Pflege hatten OZZPiP und FES am 5. Mai im Theater Ateneum in War- Diskussion mit Emotion: Praxis schau die Podiumsdiskussion „Kran- stößt auf Politik kenschwestern und Hebammen heu- (Foto: Plewnia) te – und morgen?“ organisiert. Besonders große mehr aus Leidenschaft. Der Beruf ist vielmehr Emotionen löste Beata Cholewka, Direktorin im durch die tägliche Angst vor Armut gekennzeich- Gesundheitsministerium, aus. Sie wandte sich nete“, gab Maria Olszak-Winiarska, die OZZPiP- gegen die zuvor geäußerte Kritik. Bei diesem Be- Vorsitzende der Region Lebus zu bedenken. Auch ruf dürfe man keinen übermäßigen Fokus auf die könne man mit „Empathie kein Brot kaufen“, Höhe des Einkommens legen, da der Wunsch zu machte eine der Teilnehmerinnen deutlich.

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Fachgespräch ENDE DER ENERGIEWENDE VON UNTEN? GESPRÄCHSKREIS VERBRAUCHERPOLITIK ZUR KOSTENDÄMPFUNG

Angesichts steigender Stromkosten und wach- Ausgangspunkt der Diskussion war ein neues sender „Energiearmut“ ist für private Verbrau- Gutachten der Reihe WISO-Diskurs, das Vor- cherinnen und Verbraucher eine kosteneffiziente schläge für eine Weiterentwicklung des EEG aus Umsetzung und gerechte Lastenverteilung bei Verbraucherperspektive beinhaltet. Eine Dämp- der Finanzierung der Energiewende sehr wichtig. fung des Anstiegs der EEG-Umlage und eine ge- Gleichzeitig erwarten Verbraucherinnen und rechtere Finanzierung könnten über eine wett- Verbraucher aber auch möglichst umfassende bewerbliche Ermittlung der Förderhöhe sowie Beteiligungsmöglichkeiten und in diesem Zu- eine verstärkte Haushaltsfinanzierung erreicht sammenhang die weitere Dezentralisierung der werden, so die Kernaussagen des Gutachtens. Energieversorgung. Wie diese Ziele miteinander Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde in Einklang zu bringen sind und was daraus für der Blick auf die Behandlung des Eigenstromver- die aktuelle Reform des Erneuerbare-Energien- brauchs gerichtet. Kaum ein anderer Punkt lässt Gesetzes (EEG) folgt, wurde im 3. Fachgespräch die Dilemmata und Zielkonflikte bei der Umset- des Gesprächskreises Verbraucherpolitik der Rei- zung der Energiewende deutlicher werden: Der he „Handlungsempfehlungen für eine verbrau- zunehmende Verbrauch selbst erzeugten Stroms chergerechte Energiepolitik“ intensiv diskutiert. lässt, wenn er von der EEG-Umlage befreit ist, die „Partizipation und Kosteneffizienz“ hießen die Finanzierungsbasis dahinschmelzen und erhöht Schlagwörter der Veranstaltung, die in Koope- die Kosten für diejenigen, die nicht die Möglich- ration mit dem Verbraucherzentrale Bundes- keit haben, selber Strom zu produzieren. Auf der verband stattfand, der durch den Energieexper- anderen Seite könnte eine Belastung des Eigen- ten Dr. Holger Krawinkel vertreten wurde. Als stromverbrauchs mit der EEG-Umlage dazu füh- Referenten traten zudem MdB , bei ren, dass sich dezentrale Stromproduktion nicht der SPD-Bundestagsfraktion federführend zu- mehr rentiert und Entwicklungen ausgebremst ständig für Energiepolitik, Anatol Itten von der werden, die man eigentlich fördern möchte. 100-Prozent-Ereuerbar-Stiftung, Dr. Patrick Grai- WISO-DISKURS chen von der Agora Energiewende, Andreas Kuh- Weiterentwicklung des EEG aus Ver- lmann vom Bundesverband der Energie- und braucherperspektive. Handlungsbedarf, Ausgestal- Wasserwirtschaft und Julius Ecke von der Ener- tungsoptionen, rechtlicher Rahmen – gieberatung Enervis energy Advisors auf. http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10628.pdf

Kurz notiert GEWERKSCHAFTEN IN BELARUS DÄNISCHE PERSPEKTIVE

Mitglieder der belarussischen Chemiegewerk- „Strategien für Gute Arbeit – Erforschung der schaft „Belkhimprof“ und der „Unabhängigen gewerkschaftlichen und politischen Konzepte Gewerkschaft Belarus“ nahmen Anfang Juni in an der deutsch-dänischen Grenze“. Diesem Ziel Berlin an einem Seminar zu gewerkschaftlicher widmete sich ein Kooperationsseminar zwischen Jugendpolitik teil. Beide Gewerkschaften sind Hans-Böckler-Stiftung, dem Deutschen Gewerk- Mitglied der europäischen Gewerkschaftsverei- schaftsbund, der SPD und der FES in der Nähe von nigung „industriALL“ und arbeiten seit vielen Flensburg. Dänische Ansichten und Modelle zur Jahren mit der IG BCE zusammen. Durch die an- „Guten Arbeit“ standen ebenso auf der Tagesord- gespannte Wirtschaftslage in Belarus wird der Be- nung wie ein Besuch der Flensburger Schiffsbau rufseinstieg für junge Menschen immer schwie- Gesellschaft. An einer Podiumsdiskussion über riger, Teilzeitbeschäftigung wie auch soziale politische und gewerkschaftliche Zukunftsstrate- Unsicherheiten kennzeichnen die Situation. Ge- gien war unter anderem auch die Sozialministe- werkschaften können immer weniger Schutz bie- rin des Landes Schleswig-Holstein, Kristin Alheit, ten, die Mitgliederzahlen sinken. Folglich kommt beteiligt. Bei einer Exkursion nach Dänemark der Mitgliederwerbung und der Jugendarbeit ein wurde insbesondere die dänische Perspektive auf besonderer Stellenwert zu. Deutschland als Billiglohnland deutlich.

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MEHR ALS EIN PLACEBO? Managerkreis HINTERGRUNDGESPRÄCH ÜBER DIE EUROPÄISCHE BANKENUNION

Nach einem langen Verhandlungsmarathon zwi- nicht endgültig geklärt. Immerhin aber, so die schen Europäischer Kommission, Europäischem einhellige Meinung der Runde, sei in den letzten Rat und dem Europäischen Parlament liegen die vier Jahren durchaus viel für eine europäische politischen Beschlüsse für eine Bankenunion Finanzmarktregulierung auf den Weg gebracht vor. Doch statt einheitlicher Regeln für die ge- worden. Nun beginne der konkrete Aufbau der samte Europäische Union gibt es unterschied- neuen Aufsichts- und Abwicklungsregeln. Eine liche Anwendungsbereiche für unterschiedliche seriöse Auswertung der getroffenen Maßnahmen Länder und Banken. Eine genuin europäische und Aufsichtsregelungen sei allerdings erst ab Lösung war ohne Vertragsänderungen nicht zu 2019 sinnvoll, wenn alle Instrumente und Gre- erzielen, die Sollbruchstellen der Bankenunion mien voll einsatzfähig sind. Und wenn vorher sind damit vorprogrammiert. bereits die nächste Krise ausbricht? Die Feuer- In einem Fachgespräch des Managerkreises dis- probe wird es zeigen. Denn jede Krise ist anders, kutierten Bankvertreter und Finanzexperten und nur eines ist gewiss: Brüsseler Verhandlungs- mit dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsit- nächte sind lang… zenden , der Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, MEHR ZUM THEMA Ingrid Arndt-Brauer, sowie den Abgeordneten Angelkort, Asmus; Noack, Harald und Manfred Zöllmer über die Ist die Bankenunion nur ein Placebo? Auswirkungen dieser Regelungen für den deut- Aus der Reihe „Positionspapiere des Managerkreises“ schen Markt. ISBN 978-3-86498-829-5 Denn der Teufel steckt im Detail, und die tech- http://library.fes.de/pdf-files/manager- nischen Umsetzungsmodalitäten sind noch kreis/10613-20140404.pdf „HACKATHON“ IN KIEW Innovationen im Bereich der Nutzung von erneuerbarer Energie sind eine der weltweit dringlichsten Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung. Diese hängt vor allem davon ab, wie schnell Projekte zur Nutzung von erneuerbarer Energie im Alltag umgesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund fand vom 21. bis 23. Juni in Kiew der landesweit erste „Hackathon“ statt, der sich – unterstützt vom Regionalbüro der FES für die Ukraine und Belarus – der Solarenergie in der Ukraine widmete. Der Terminus „Hackathon“ kommt aus dem IT-Bereich. Er bezeichnet Treffen, bei denen Hacker zusammenkommen, um neue Algorithmen zu entwickeln. Die Idee zu diesem Projekt hat- te die Gruppe junger Forscher „EnergyTorrent“, die an neuer Energietechnologie arbeiten. Die Teil- nehmer des ersten Hackathon der Sonnenenergie veröffentlichen alle Modelle und sogar Bauanlei- tungen nach dem Open-source-Prinzip. Auf diese Weise können sowohl Amateure als auch in diesem Bereich beruflich Tätige auf das während der Veranstaltung entstandene Wissen zugreifen und es für den Aufbau von Energieanlagen zum eigenen oder kommerziellen Gebrauch nutzen. MITTELSTANDSFINANZIERUNG Der AK Mittelstand diskutierte mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik Verwaltung und Verbänden über aktuelle Herausforderungen in der Mittelstandsfinanzierung. Dr. Alexander Schumann, Chefvolkswirt des DIHK, beschrieb zu Beginn die aktuell gute Finanzierungssituation, die aber recht stark in Abhängigkeit von Größe, Branche und Art und des Unternehmens variiere. Bankenvertreter erläuterten die historisch günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten, wiesen aber auch auf die neuen Zwänge hin, denen die Banken durch die schrittweise Umsetzung von Basel III seit Januar 2014 unter anderem hinsichtlich der Risikobewertung, der Eigenkapitalunterlegungen von Krediten und der Vorhaltung von Liquidität unterliegen. Gerade auf die in Deutschland traditionell besonders ausgeprägte Langfristfinanzierung von Unternehmen könnte sich das negativ auswirken.

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Ausstellung BAUSTEIN DES SOZIALEN FRIEDENS CHINESISCHER BLICK AUF DIE DEUTSCHE SOZIALGESCHICHTE

Nicht nur Chinas Wirtschaft hat sich in den systems wird als ein zentraler Baustein für den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt, sondern Erhalt des sozialen Friedens gesehen. ebenso hat die Ausgestaltung der sozialen Siche- Im Gegensatz zu Chinas vergleichsweise kurzer rungssysteme zunehmend an Fahrt gewonnen. Sozialgeschichte blickt Deutschland hingegen Das Wegbrechen familiärer Solidarstrukturen auf einen sehr langjährigen Prozess im Aufbau und der zu Zeiten von Planwirtschaft garan- der Sozialsysteme und gesellschaftlicher Aus- tierten Grundsicherung sowie die schnelle Alte- einandersetzungen zurück. Immer wieder wird rung der Gesellschaft lassen noch immer große Deutschland in China als „soziale Weltmacht“ Teile der Bevölkerung fast ungeschützt gegen- verstanden, somit werden die deutschen Erfah- über den Lebensrisiken zurück. rungen mit sehr viel Interesse gesehen. „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ ist der Titel einer Wanderausstellung des Bundesministeri- ums für Arbeit und Soziales, die, unterstützt von der Deutschen Botschaft Peking, im Rahmen der Zusammenarbeit des Chinesischen Instituts für „In die Zukunft Soziale Sicherung der Renmin Universität und gedacht“: Ausstel- lungseröffnung in der FES präsentiert wird. An der Ausstellungser- Peking mit dem öffnung Mitte April in Peking und der anschlie- stellvertretenden FES-Vorsitzenden ßenden Vortragsveranstaltung nahmen sowohl Michael Sommer. Michael Sommer, Stellvertretender Vorsitzender Ein Durchbruch im Aufbau sozialer Sicherung der FES und zu dem Zeitpunkt noch Vorsitzender durch den Staat wurde mit der Verabschiedung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, als auch des Sozialversicherungsgesetzes im Juli 2011 Jörg Asmussen, Staatssekretär im Bundesmini- erzielt. Der Aufbau eines umfassenden Sozial- sterium für Arbeit und Soziales, teil.

Publikation TARIFVERHANDLUNGEN AUF CHINESISCH DAS DEUTSCHE SYSTEM DER KOLLEKTIVEN LOHNFINDUNG ALS MUSTER

Die Anzahl von Arbeitsstreitigkeiten und Streiks Die FES hat in dem Zusammenhang einen Bei- in China wächst seit einigen Jahren stark an. Laut trag zur Darstellung der deutschen Arbeitsbezie- China Labour Bulletin wurden auf dem chine- hungen geleistet. sischen Festland zwischen Januar und Mitte Juli Der namenhafte Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolf- dieses Jahres bereits 490 Streiks verzeichnet. Der gang Däubler verfasste dazu ein Buch über die All-Chinesische Gewerkschaftsbund weist darauf deutschen Erfahrungen mit kollektiven Tarif- hin, dass sich vor allem die schätzungsweise 260 verhandlungen. Dieses wurde Ende März an der Millionen Wanderarbeiter in prekären Arbeits- China Universität für Politikwissenschaften und und Lebenssituationen befinden. Eine für den Recht vorgestellt. Neben Arbeitsrechtlern dis- sozialen Frieden wichtige Frage ist daher, wie zu- kutierten auch Vertreter des All-Chinesischen künftig auf die wachsende Unzufriedenheit der Gewerkschaftsbundes sowie des Instituts für Arbeitnehmer eingegangen werden wird. Es wird Industrielle Beziehungen. Zu den Forderungen entscheidend sein, dass auch soziale Gerechtig- der Runde zählten die Stärkung der Autonomie keit des wirtschaftlichen Wachstums hergestellt der Gewerkschaften, insbesondere die unabhän- wird. Eine Debatte hierüber ist in vollem Gange. gige Positionierung der Betriebsgewerkschaf- Das deutsche System der Arbeitsbeziehungen ten sowie die Notwendigkeit der Stärkung der hat in China einen guten Ruf und kann als Quel- rudimentär organisierten Arbeitgeberseite, um le für Anregungen zur Weiterentwicklung der überbetriebliche kollektive Lohnverhandlungen chinesischen Arbeitswelt gesehen werden. überhaupt erst möglich zu machen.

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Regionaler SCHUTZ UND RECHTE STÄRKEN Sozialdialog ERSTMALS SOZIALER DIALOG IM SULTANAT BRUNEI

Die insbesondere in Südostasien anhaltende Zu- Im Juni fand der 5. Regionale Sozialdialog der FES nahme prekärer Arbeitsverhältnisse stellt eine im aufgrund von riesigen Ölvorkommen sehr der größten Herausforderung für die Realisierung reichen Sultanat Brunei statt. Vertreter_innen guter und sicherer Arbeitsbedingungen dar. Von der Arbeitsministerien, Gewerkschaften und Ar- diesem Trend sind besonders Frauen betroffen, beitgeber aus den zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten wie eine vom Rat der Dienstleistungsgewerk- berieten über eine engere Zusammenarbeit beim schaften in ASEAN (ASETUC) und der FES in Thema Sicherheit und Gesundheitsschutz am Auftrag gegebene Studie aufzeigt. Während die Arbeitsplatz. Es handelte sich bei dieser Veran- Wirtschaft innerhalb der ASEAN-Gemeinschaft staltung um die erste tripartit besetzte Konferenz, mit Spannung die Vorzüge eines vertieften ge- die je in Brunei stattgefunden hat. Gewerkschaft- meinsamen Markts erwartet, setzt der langjäh- liche Aktivitäten sind bisher in dem Sultanat nur rige FES-Partner ASETUC darauf, den Schutz und in äußerst beschränktem Umfang möglich. die Rechte der Arbeitnehmer_innen zu stärken.

AUFRUF ZUR NOMINIERUNG: NEUER PREIS ZUR WIRTSCHAFTSPUBLIZISTIK „WIRTSCHAFT.WEITER.DENKEN“ Die Hans-und-Traute-Matthöfer-Stiftung in der ger (Wirtschaftsweiser), Dr. Brigitte Preissl (Chef- Friedrich-Ebert-Stiftung bittet um Nominie- redakteurin des Wirtschaftsdienstes und von In- rungen für den erstmalig ausgeschriebenen tereconomics) und Thomas Fricke (Chefökonom Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik der European Climate Foundation, ehemaliger „Wirtschaft.Weiter.Denken“. Er wird im Febru- Chefökonom der Financial Times Deutschland). ar 2015 in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin verliehen. Einsendeschluss ist der 31. Oktober 2014. Es gilt das Datum des Poststempels oder das Eingangs- Mit dem Preis werden Wirtschafts- und Sozi- datum der E-Mail. alwissenschaftler_innen prämiert, die jenseits Das Nominierungsformular für den Preis der volkswirtschaftlichen Standardtheorie oder finden Sie unter: www.fes.de des makroökonomischen Mainstreams wich- tige und aktuelle Beiträge zu wirtschafts- und DIE HANS-UND- gesellschaftspolitischen Debatten liefern. Diese TRAUTE-MATTHÖFER-STIFTUNG Beiträge sind bereits in Form von namentlich zu- Hans Matthöfer (1925–2009) war ein führender geordneten deutschsprachigen Blogs, Kolumnen deutscher Gewerkschafter und Sozialdemokrat. in Zeitungen, Artikeln in Fachzeitschriften oder Zwischen 1974 und 1982 war er Minister in als deutschsprachige Bücher publiziert. Sie sind mehreren Bundesregierungen, davon vier Jah- wissenschaftlich fundiert und überzeugen durch re Finanzminister unter Bundeskanzler Helmut ihre klare sowie gute Argumentationskette. Schmidt, der selbst auch dem Beirat der Stiftung Die Beiträge sollen nicht mehr als 12 Monate vor angehört. dem 31. Oktober 2014 publiziert worden sein. Die unselbständige Hans-und-Traute-Matt- Autor_innen können sich nicht persönlich um höfer-Stiftung in der Friedrich-Ebert-Stiftung den Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspubli- konzentriert sich – gemäß ihres Stiftungszieles zistik bewerben, sondern müssen nominiert wer- – auf die Förderung und Auszeichnung von Bei- den. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. trägen, die grundsätzliche Probleme der Wirt- schafts- und Sozialpolitik, der Wirtschafts- und Die Jury Sozialwissenschaften, der Technologieentwick- Aus den eingegangenen Nominierungen ermit- lung und ihre Konsequenzen auf die Humani- telt die Jury die Gewinnerin oder den Gewinner. sierung der Arbeitswelt und die Gesellschaft Die Mitglieder der Jury sind: Prof. Dr. Peter Bofin- insgesamt zum Gegenstand haben.

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INTEGRATION, BILDUNG, KULTUR TEILHABEN

Bestandsaufnahme ES WIRD ENG ZUWANDERUNG IN WIRTSCHAFTLICH SCHWACHE KOMMUNEN

Durch den Beitritt mittel- und südosteuro- nen und Bulgaren sei erwerbstätig und zu 84 % päischer Staaten in die Europäische Union seit sozialversicherungspflichtig. 2004 beziehungsweise 2007 haben sich die Zu- Er betonte jedoch auch, dass sich in einigen wanderungsprozesse aus diesen Ländern in die wirtschaftlich benachteiligten Kommunen Pro- anderen Mitgliedstaaten der EU intensiviert. Seit bleme häuften und zum Beispiel die Arbeitslo- dem 1. Januar 2014 gilt nach einer siebenjährigen senquoten der neuen Zuwanderer und Zuwande- Übergangszeit auch in Deutschland die Arbeit- rinnen sehr hoch sind. nehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen. Reinhold Spaniel, Stadtdirektor der Stadt Duis- Wie bei vorhergehenden Öffnungsprozessen der burg, schilderte einige dieser Probleme in seiner EU finden vielfältige Wanderungsbewegungen Stadt: Die Schulen müssen die Kinder der Neu- statt. In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen, einwanderer integrieren, die Kommunen tragen die vor einer Einwanderung in die Sozialsysteme vielfach Kosten für Gesundheitsleistungen, da auch durch EU-Bürger_innen warnen. die Einwanderer nicht versichert sind, und Woh- Das hat der Gesprächskreis Migration und Inte- nungseigentümer nutzen die prekäre Situation gration gemeinsam mit dem Bundesverband der der Neubürger aus und vermieten Schrottim- Arbeiterwohlfahrt zum Anlass genommen, am 8. mobilien zu horrenden Mieten. Er forderte um- Mai eine Fachkonferenz zum Thema „Neue Zu- fangreiche, auch finanzielle Unterstützung der wanderungen aus Südosteuropa“ in Duisburg zu betroffenen Kommunen durch den Bund und veranstalten. Duisburg gilt als eine der Kommu- das Land. nen, die wegen hoher Zuwanderungszahlen vor Staatssekretär Thorsten Klute vom Ministerium besonders großen Herausforderungen steht. für Arbeit, Integration und Soziales NRW, erläu- terte die vielfältigen Aktivitäten der Landesre- Prof. Dr. Herbert Brücker vom Institut für Arbeits- gierung zur Integration der neuen Zuwanderer. markt- und Berufsforschung stellte zunächst Die neue Bundesregierung hat im Januar einen aktuelle Zahlen zu den neuen Zuwanderungen Ausschuss einberufen, in dem Staatssekretäre nach Deutschland vor. Die Mehrheit der Rumä- verschiedener Ministerien rechtliche Fragen der

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Freizügigkeitsregelungen in der EU klären und tiger erster Schritt hat die neue Bundesregierung politische Handlungsoptionen für die Bundes- ihren finanziellen Beitrag zum Programm „So- ebene entwickeln. Ein Zwischenbericht dieses ziale Stadt“ erhöht, so dass in Zukunft wieder Ausschusses macht deutlich, dass die rechtlichen sozialintegrative Maßnahmen in den besonders Möglichkeiten der Einschränkung des EU-Frei- betroffenen Stadtteilen möglich sind. zügigkeitsrechtes durch nationale Regelungen MEHR ZUM THEMA begrenzt sind. Wichtiger sind Bundes- und EU- WISO direkt „Zuwanderung aus Südosteuropa“ – Programme, die den betroffenen Kommunen bei Alexander Götz – der Bewältigung der Aufgaben helfen. Als wich- http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10554.pdf

ALLE KÖNNEN GEWINNEN Expertengespräch THESEN ZUR ENTWICKLUNGSORIENTIERTEN MIGRATIONSPOLITIK

Migrations- und Entwicklungspolitik gehören Entwicklungspolitik, wie die sogenannten Mo- zusammen. Migrationsprozesse können das wirt- bilitätspartnerschaften zwischen Industrie- und schaftliche Wachstum und den sozialen Zusam- Entwicklungsländern, werden positiv beurteilt. menhalt in Entwicklungsländern fördern. Die Allerdings müsse der Fokus weniger auf sicher- derzeitige politische Diskussion in Deutschland heitspolitische als auf menschenrechtliche und und der Europäischen Union dreht sich jedoch entwicklungspolitische Ziele gelegt werden. Ar- insbesondere um die Verhinderung illegaler Ein- beitsmigration müsse ermöglicht und nicht nur reisen und die Sicherung der EU-Außengrenzen. illegale Migration bekämpft werden. Steffen Angenendt von der Stiftung Wissen- Eine Verknüpfung von Migrations- und Entwick- schaft und Politik hat ein „WISO direkt“ zum lungspolitik steckt erst in den Anfängen. Ziel Thema „Entwicklungsorientierte Migrationspolitik sind sogenannte Triple-Win-Prozesse, die Vor- – Handlungsmöglichkeiten für die deutsche Politik“ teile für die Migrant_innen, die Herkunftsländer verfasst. Seine Thesen wurden bei einem Exper- und die Aufnahmeländer bringen. tengespräch im Juni in Berlin erörtert. In einem ausführlicheren „WISO Diskurs“ hat http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10765.pdf Angenendt „Ziele und Handlungsfelder einer kohä- Migration wird zunehmend als Triebkraft für renten Migrationspolitik“ beleuchtet. und weniger als Hemmnis von Entwicklung be- http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10355.pdf trachtet. Insbesondere Überweisungen in die Nötig sei ein umfassendes Konzept der Zuwan- Heimatländer und Investitionen von Diasporas derungssteuerung, das auch Migrations- und bergen große Entwicklungspotenziale. Instru- Flüchtlingspolitik verzahnt und Integrations- mente zur Verzahnung von Migrations- und prozesse fördert.

BÜROKRATISCHE HÜRDEN SENKEN Fachkonferenz GESPRÄCHSKREIS MIGRATION UND INTEGRATION ZUR AUFNAHME SYRISCHER FLÜCHTLINGE

„Ich wollte nicht illegal und unerwünscht nach So wie ihr ergeht es vielen Bürgerkriegsflüchtlin- Deutschland zurückkommen, aber unsere Situ- gen aus Syrien, die in Deutschland oder anderen ation hat sich so sehr verschlechtert, dass wir Ländern der EU Schutz suchen. Der Gesprächs- auf dieses verdammte Boot mussten“, sagt Maya kreis Migration und Integration der Friedrich- Alkhechen. Sie floh zunächst mit ihren zwei Kin- Ebert-Stiftung hat sich deshalb gemeinsam mit dern vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Ägyp- dem Förderverein Pro Asyl e. V. auf einer Fach- ten. Die Bemühungen ihres in Deutschland le- konferenz am 21. Mai in Berlin mit der „Auf- benden Bruders, sie nach Deutschland zu holen, nahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland“ waren erfolglos. Mit einem Boot wagte sie dann beschäftigt. die gefährliche Überfahrt nach Italien. Heute ist Hans ten Feld, Vertreter des UNHCR in Deutsch- sie als Flüchtling in Deutschland anerkannt. land, verdeutlichte die Dimensionen der durch

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den syrischen Bürgerkrieg verursachten Flücht- Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO lingskrise: 2,5 Mio. Syrer sind derzeit außerhalb ASYL, wies darauf hin, dass inzwischen mehr als und weitere 6,5 Mio. innerhalb Syriens auf der 70.000 Flüchtlinge aus Syrien einen Antrag auf Flucht. Die unmittelbaren Nachbarstaaten tra- Einreise nach Deutschland gestellt haben. Er for- gen die Hauptlast der Versorgung und Unter- derte eine großzügige Regelung zur Aufnahme bringung der Flüchtlinge. UNHCR unterstützt dieser Flüchtlinge. Auch die bürokratischen Hür- sie so weit wie möglich bei dieser Aufgabe. Drin- den zur Einreise sollten gesenkt werden. Hierzu gend notwendig sind jedoch weitere sogenannte gehört unter anderem die Aussetzung der Dublin Resettlement-Programme der Industriestaaten, III Verordnung, die festlegt, welcher Staat in Eu- um diese Länder zu entlasten. ropa zuständig für die Aufnahme von Flücht- Viele seit langem in Deutschland lebende Syrer lingen ist. Auch Christoph Strässer, MdB und sind bereit, ihre Familienangehörigen aus dem Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregie- Albtraum in Syrien in das sichere Deutschland rung, sieht Deutschland in der Verantwortung, zu holen. Deutschland hat daraufhin auf Bun- weiteren syrischen Flüchtlingen Schutz zu ge- desebene zwei Aufnahmeprogramme für jeweils währen. Er zeigte sich optimistisch, dass die lau- 5000 syrische Flüchtlinge umgesetzt. Daneben fenden Gespräche zwischen Bund und Ländern gibt es auch in den Ländern, mit Ausnahme zu einem positiven Ergebnis führen würden. Bayerns, eigene Programme. Kriterien für die Seine Einschätzung hat sich bestätigt: Die Innen- Aufnahme sind vorrangig familiäre oder ande- ministerkonferenz hat im Juni 2014 beschlossen, re besondere Verbindungen nach Deutschland. weitere 10.000 Flüchtlinge aus Syrien aufzuneh- Außerdem wird häufig eine Verpflichtungserklä- men. rung verlangt, dass der Unterhalt für die Flücht- linge von den aufnehmenden Familien getragen MEHR ZUM THEMA wird. Hieran und an weiteren bürokratischen WISO direkt: „Resettlement-Programm – auch sinn- Hürden scheitert jedoch oftmals die Zustim- voll für Deutschland“ von Norbert Trosien mung der verantwortlichen Behörden. http://library.fes.de/pdf-files/wiso/08644.pdf

Kurz notiert CYBERMOBBING IN DER SCHULE RAP-WORKSHOP

Cybermobbing ist für viele Schüler_innen eine Wie sieht unsere Zukunft aus? Das fragten sich konstante Belastung, da der soziale Druck nicht Schüler_innen aus zwölf verschiedenen Nationen mehr auf den Klassenraum beschränkt ist. Das beim Rap-Workshop des Forums Jugend und Poli- Gründen von Gruppen in Whatsapp oder in so- tik am 11. und 12. Juni in Bonn. Freiheit, großes zialen Netzwerken wie Facebook führt dazu, dass Auto, viel Geld, eine Familie, kein Krieg mehr… die Smartphones der Schülerinnen und Schüler Gemeinsam mit den Rappern General Snipe und bis tief in die Nacht im Einsatz bleiben. Tha-GhostDawg schrieben sie Songtexte über Bei einem Workshop des Forums Jugend und die Kriegszustände in ihren Heimatländern, Politik in Bonn diskutierten Lehrer_innen und über ihre Ängste und Träume. Bewegend das Er- Schulsozialarbeiter_innen am 27. Juni, wie El- gebnis: zum Nachdenken und zum Tanzen. tern, Lehrkräfte und Schüler_innen sensibili- siert werden können, um Cybermobbing etwas entgegen zu setzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfuhren, woran Mobbing-Opfer zu erkennen sind und wie das Thema auch im Klassenverband thematisiert werden kann. Es wurden Beratungsstellen genannt und die Möglichkeit einer rechtlichen Vorgehensweise mittels Anzeige und gerichtlicher Verfolgung aufgezeigt.

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NICHT ZÖGERN Fachdialog DIE DIGITALE REVOLUTION ALS POLITISCHE HERAUSFORDERUNG

Nicht erst seit dem jüngsten EuGH-Urteil gegen und EU-Entscheidungsträger_innen zu ermög- Google oder den WikiLeaks-Enthüllungen sorgt lichen, lud das FES-Europabüro Mitte Juni zu das Thema Internet und Digitalisierung für kon- einem Fachdialog nach Brüssel ein. Dabei wur- troverse Debatten in Deutschland und Europa. den insbesondere Themen wie die EU-Daten- Immer drängender stellen sich Fragen nach den schutzreform, die Digitale Agenda für Europa Risiken der Digitalisierung. Wie wahren wir Verteilungs- gerechtigkeit, wenn persön- liche Daten zu Waren werden? Wie verändern technologische Errungenschaften unser täg- liches Leben – privat und in der Arbeitswelt? Was sind die Kon- Analoges Seminar: sequenzen von „Big Data“ für Welche Konse- Demokratie, Grund- und Bür- quenzen hat „Big Data“ für die gerrechte? Gesellschaft? Der im Juni verstorbene F.A.Z.-Herausgeber Frank sowie die Auswirkungen des technologischen Schirrmacher hatte in einem Artikel die SPD dazu Wandels auf Arbeitsmarkt und Arbeitnehmer- aufgefordert, in Sachen Netzpolitik und Digitali- rechte diskutiert. sierung endlich Position zu beziehen. Die Politik Das EU-Seminar „Gesellschaftliche Werte und müsse den digitalen Wandel aktiv mitgestalten die digitale Zukunft Europas nach der Europa- und die digitale Revolution endlich als wich- wahl“ machte es möglich, deutsche sozialde- tiges sozialdemokratisches Thema mit entspre- mokratische netzpolitische Forderungen in die chendem Handlungsbedarf verstehen. Brüsseler Debatte einzubringen und gemeinsam Um einen direkten Austausch zu diesen Fragen Ziele für die digitale Zukunft Europas zu formu- zwischen Netzpolitiker_innen aus Deutschland lieren.

DIE UNSICHTBARE BEDROHUNG Diskussion KRIMINALITÄT IM INTERNET

„Internet und digitale Welt dürfen keine Wild- „Cyberkriminalität“ die Bedrohungen und die nis bleiben, in der das Recht des Stärkeren gilt. damit einhergehenden Herausforderungen an Denn die Stärkeren, das sind eben oft auch die die Politik. Auf Einladung des FES-Regionalbüros technisch cleveren Kriminellen. Das Internet Mainz nahmen IT-Expert_innen aus Politik, Ver- ist für unser Leben viel zu wichtig geworden.“ waltung und Wissenschaft an der Veranstaltung in Saarbrücken teil. Auch Dr. Anke Morsch, Staatssekretärin im Mi- nisterium der Justiz des Saarlands, beschrieb in ihrer Begrüßungsansprache die Bedrohungen durch Cyberkriminalität. Prof. Dr. Michael Backes, Direktor des Kompe- tenzcenters für IT-Sicherheit an der Universität des Saarlands(CISPA) und Forschungsgruppen- leiter am Max-Planck-Institut für Softwaresys- teme, vermittelte den Forschungsstand der tech- , Bundesminister für Justiz und Ver- nischen Bekämpfung von Cyberkriminalität. braucherschutz (Bild), skizzierte im Rahmen Er machte deutlich, dass es einen vollständigen einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Schutz nicht geben könne.

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Mediendialog VIELFALT ERHALTEN ZUR ZUKUNFT DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS

Die sich verändernde Medienlandschaft wird vor Gesprächsgäste waren Kurt Beck, Ministerprä- allem durch wachsende Vielfalt geprägt: Immer sident a. D. und Vorsitzender des ZDF-Verwal- mehr Kanäle zeigen ein sich stetig verbreiterndes tungsrates, Prof. Dr.-Ing. Gabriele Schade, Vorsit- Angebot, dessen Verbreitungswege sich oben- zende des MDR-Rundfunkrates und Professorin drein verzahnen. Auf dem Smartphone können für Angewandte Informatik an der Fachhoch- in Echtzeit Eilmeldungen der Tagesschau-App schule Erfurt, sowie Staatsminister Dr. Johannes empfangen werden, und in den Online-Media- Beermann, Leiter der Staatskanzlei des Freistaates theken von ARD und ZDF können Sendungen bis Sachsen. Die Moderation lag bei Wolfgang Brink- zu sieben Tage nach ihrer Ausstrahlung „nach- schule vom MDR-Fernsehen. Zumindest in einem Punkt waren sich die Referent_innen einig: Nicht die Tech- nik eines Mediums, sondern seine In- halte sind entscheidend. Der demokra- tische Auftrag der öffentlich-rechtlichen

Klare Position Medien dürfe nicht durch den tech- zum Stellenwert nischen Wandel beeinträchtigt werden, öffentlich-rechtli- so Kurt Beck. Er betonte den Demokratie cher Medien: Der FES-Vorsitzende dienenden Kernauftrag im Sinne inhalt- Kurt Beck beim 8. licher Vielfalt und unabhängiger Be- Mitteldeutschen MedienDialog richterstattung. Er begrüße daher auch (Foto: Waldek). das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesehen“ werden – am besten auf dem internet- vom 25. März 2014, das die Staatsnähe des ZDF- fähigen Fernseher. Diese Beispiele zeigen, wie die Rundfunkrates bemängelte. Es habe für das Ver- mit Gebühren finanzierten Sendeanstalten bis- hältnis politischer Kontrolle und Distanz Klar- her auf die Fusion von Fernsehen und Internet re- heit geschaffen. Beermann bemerkte dazu, dass agiert haben. Doch wie geht es weiter? Was bietet der Politik dennoch ein Recht auf Einmischung der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Zukunft? zustehen sollte, schaffe sie doch Rahmenrichtli- Danach fragte der 8. Mitteldeutsche MedienDia- nien und Voraussetzungen für Medienanstalten. log am 9. April 2014 in Leipzig. Des Weiteren betrachte er das große Angebot digitaler Kanäle mit Skepsis, stehe doch ihre ge- ringe Akzeptanz in keinerlei Verhältnis zum fi- nanziellen Aufwand. Schade wies jedoch darauf Kurz notiert 1. GRAFFITI-KONGRESS hin, dass die Digitalisierung langfristig den Trend Berlin ist eine Stadt mit vielen Graffitis. Der Be- der Verschmelzung verschiedener Angebote un- griff „Graffiti“ wird je nach Standpunkt mit terstütze. Vor allem junge Nutzer begriffen Me- unterschiedlichen Dingen assoziiert: Schmutz, dien in anderen Kategorien als die ältere Gene- Kunst, Sachbeschädigung, Jugendkultur, Vanda- ration. Perspektivisch müssten sich deshalb auch lismus oder Kommunikationsmittel. Welche un- die öffentlich-rechtlichen Sender diesen Verän- terschiedlichen Ansätze gibt es in den Städten, derungen anpassen, so Schade. sich mit dem Thema Graffiti auseinanderzuset- Kurt Beck warnte davor, in einen Jugendwahn zu zen? Inwiefern tragen Graffiti als „Lebensgefühl“ verfallen. Auch der älteren Generation müsse ein zur Integration und zur (politischen) Selbstent- Programmangebot gemacht werden. In Zukunft faltung junger Menschen bei? Diese und andere müsse vor allem eine Diskussion über die Quali- Fragen wurden unter anderem mit Graffitikünst- tät von Medien geführt werden. Journalismus sei ler_innen, Sozialpädagog_innen, Vertreter_in- ein Handwerk, das gelehrt und angewendet wer- nen von BVG und Bahn AG und Vertreter_innen den müsse, so Beck. Daher wünsche er sich, dass der Kreativwirtschaft beim 1. Graffiti-Kongress Quellen transparenter und besser zuzuordnen der Graffiti Lobby Berlin und des Forum Politik sein würden, um die inhaltliche Vielfalt auf ho- und Gesellschaft am 10. Mai diskutiert. hem Niveau zu erhalten.

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UNTERSCHIEDLICHE WAHRNEHMUNGEN Kolloquium RECHTSTERRORISMUS IN UNGARN UND DEUTSCHLAND

Die Mordanschläge des NSU und das laufende lige Bundesjustizministerin Prof. Herta Däub- Gerichtsverfahren gegen Beate Zschäpe beschäf- ler-Gmelin sowie die ungarische Politikwissen- tigen die deutsche Öffentlichkeit. Weniger be- schaftlerin Kornélia Magyar. kannt ist, dass es auch in Ungarn zwischen 2008 und 2009 eine Reihe von Anschlägen mit rechts- Kurz notiert terroristischem Hintergrund gegeben hat. Die DER GEFAHR ENTGEGENTRETEN FES-Vertretung in Ungarn veranstaltete in Zu- Am 22. Juni 2013 störten Rechtsradikale einen sammenarbeit mit dem Projekt „Gegen Rechts- von der FES organisierten Vortrag des promi- extremismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung am nenten Wissenschaftlers Zygmunt Bauman an 20. Mai in Budapest sowohl ein Expertenkollo- der Universität Wrocław. Obwohl es in anderen quium als auch eine öffentliche Veranstaltung, Teilen Polens bereits zu ähnlichen Vorfällen ge- um diese Fälle des Rechtsterrorismus in Ungarn kommen war, erregte dieses Ereignis besondere und Deutschland und deren gesellschaftliche Aufmerksamkeit, da Breslau den Ruf einer tole- und politische Aufarbeitung zu vergleichen so- ranten und weltoffenen Stadt genießt. Als Re- wie Lehren daraus zu ziehen. Unterschiede fal- aktion auf den Vorfall entbrannte in Polen eine len sowohl in Hinblick auf öffentliche Entschul- Debatte über den Umgang mit Rechtsextremen. digungsgesten und Entschädigungszahlungen Die FES rief daher die Workshop-Reihe „Rechts- als auch auf das öffentliche Interesse an den Ge- extremismus auf lokaler Ebene“ mit dem Euro- richtsprozessen auf. päischen Institut für Demokratie ins Leben. Britta Schellenberg, Senior Researcher auf dem Der erste Workshop fand am 17. April 2014 in Gebiet „Strategien gegen Rechtsextremismus“ Wrocław statt. Wissenschaftler, Aktivisten, Lo- der LMU München, berichtete über die Erfah- kalpolitiker und Vertreter von NGOs diskutierten rungen, Auswirkungen und Empfehlungen aus über die Gründe für das Erstarken von rechtsex- dem deutschen Gerichtsprozess. Beiträge zu tremen Kräften in Europa und Polen sowie darü- dieser Diskussion lieferten einerseits die ehema- ber, was man dieser Gefahr entgegensetzen kann.

25. BAUTZEN-FORUM Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass der Protest ternhaus, in der DDR hatte. Und er warnte davor, der Menschen in der DDR zum Zusammenbruch die DDR zu verharmlosen, wie es noch immer des wirtschaftlich längst maroden SED-Staates viele täten. führte. Wie begann dieser „Aufbruch zur Freiheit“? Was bedeutet Freiheit – damals und heute? Gab es Unterschiede in den Bürgerrechtsbewegungen des kommunistischen Ostblocks? Und wie lie- ßen sich Alltag und Widerstand in der DDR ver- einbaren? Das 25. Bautzen-Forum des Landesbü- ros Sachsen hatte sich am 8. und 9. Mai genau dieser Themen angenommen Martin Dulig, Vorsitzender der SPD in Sachsen,

stellte in seinem Eröffnungsvortrag die Frage: Waldek) (Foto: „Was wäre geworden, wenn die Friedliche Revo- Wolf Biermann wurde als Dichter und Liedermacher in der lution nicht gekommen wäre?“ Er erinnerte an DDR über Jahre zensiert und verboten. Er berichtete, wie er 1976 infolge seines Auftritts im Westen zwangsausgebür- die dreisten Wahlfälschungen der SED und ih- gert und spätestens damit zum DDR-Staatsfeind Nummer 1 rer Blockparteien, an die geringen beruflichen avancierte. Am Abend gab Biermann zudem ein umjubeltes Konzert im Zellentrakt der ehemaligen Stasi-Haftanstalt Chancen, die einer wie er, aus christlichem El- Bautzen II.

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Rückblick AUFBRUCH IM UMBRUCH DEUTSCHE FRAGEN UND OSTDEUTSCHE ANTWORTEN

Man könne nicht nur meckern, sonst würde sich in den Leipziger Oppositionsgruppen engagier- nie etwas ändern, sagte Matthias Platzeck, ehe- te und heute geschäftsführendes Vorstandsmit- maliger brandenburgischer Ministerpräsident, glied der Europäischen Akademie für Frauen in beim Leipziger Podium „Zukunft braucht Her- Politik und Wirtschaft Berlin ist. Die Modera- kunft. Deutsche Fragen und ostdeutsche Ant- tion lag bei der Leipziger Bundestagsabgeord- worten“. neten . Rückblickend auf die vergangenen 25 Jahre seit der Friedlichen Re- volution lobte Platzeck den inno- vativen ostdeutschen „Aufbruch im Umbruch“. Der Osten könne Plädierte für mehr Anerkennung damit auch im Westen oft beispiel- ostdeutscher gebend für Problemlösungen sein. Problemlösungsstra- tegien: Branden- Dies sollte insgesamt mehr Aner- burgs ehemaliger kennung finden und sich in einem Ministerpräsident Matthias Platzeck positiven Selbstbewusstsein wider- (Foto: Waldek). spiegeln, so Platzeck. In den letzten 25 Jahre Friedliche Revolution waren der Fried- Jahren sei im Osten viel bewegt worden. rich-Ebert-Stiftung am 20 Mai Anlass, um über Kathrin Mahler-Walther sprach sich dafür aus, den 1989er Aufbruch der Ostdeutschen und die die strukturellen und kulturellen Unterschiede Entwicklungen seit der Wiedervereinigung zu in Ost und West in einem positiven Sinne anzu- sprechen. Weitere Podiumsgäste waren Martin erkennen. Zu oft werde sich nur auf die Defizite Dulig, Landesvorsitzender der SPD in Sachsen, konzentriert. sowie Kathrin Mahler-Walther, die sich seit 1987

Lesung SINNLICHKEIT UND ENGAGEMENT DIE POETIN GIOCONDA BELLI ZU GAST IN REGENSBURG Die in Nicaragua geborene Schriftstellerin und zeichnete Gioconda Belli für dieses Werk 1989 Lyrikerin Gioconda Belli (Bild) gilt als eine der mit dem Preis „Das politische Buch“ aus. einflussreichsten Autorinnen Lateinamerikas. Auch wenn sie sich vor einigen Jahren aus der Mit ihrem Roman „Die Bewohnte Frau“ gelang aktiven Politik zurückgezogen hat, vertritt die Schriftstellerin ihre Überzeugungen immer noch mit großer Leidenschaft. Mit ihrem aktu- ellen Programm „Die Frau lebt nicht vom Brot allein“ gastierte Gioconda Belli vor kurzem bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Regensburg. Die Lyrikerin begeisterte die 400 Zuhörer_innen mit Gedichten und Erzählungen, die ihr politisches Engagement und ihre persönliche Entwicklung faszinierend beschreiben. Das Regionalbüro veranstaltete die Lesung ge- meinsam mit dem Centro Cultural Latinoameri- ihr 1988 ein Welterfolg. Darin verarbeitete sie cano, dem Deutsch-Spanischen Verein El Puente, eigene Erlebnisse im erfolgreichen Kampf der dem Projekt CinEScultura der Uni Regensburg sandinistischen Befreiungsfront gegen die So- und der Pfarrei Evangelisch-Lutherische Dreiei- moza-Diktatur, dem sie sich mit 22 Jahren an- nigkeitskirche Regensburg, unterstützt von der geschlossen hatte. Die Friedrich-Ebert-Stiftung Buchhandlung Dombrowsky.

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EUROPA UND DIE WELT VERNETZEN

EUROPAS GEFÄHRDETE INTEGRATION Studie UNGLEICHES WACHSTUM MUSS ÜBERWUNDEN WERDEN

Angesichts der Verwerfungen durch die Eurokrise Dennoch hat die EU seit 1999 gute Konvergenz- und des wachsenden Unmuts über den Status quo erfolge aufzuweisen. Vor allem die mittel- und der Europäischen Integration beschäftigt sich die osteuropäischen neuen Mitgliedstaaten haben internationale Arbeit der FES über einen längeren aufgeholt. Allerdings war das Wachstum der Süd- Zeitraum mit der Relevanz des Aufholverspre- peripherie schwächer und ist im Zuge der Auste- chens und der Forderung nach gleichwertigen ritätspolitik so stark eingebrochen, dass nun eine Lebensverhältnissen in der EU. Den Auftakt für divergente Entwicklung zu beobachten ist. Wäh- eine Dialogserie quer über den Kontinent macht rend die EU den internationalen Vergleich zu eine Initialstudie von Dr. Michael Dauderstädt. ähnlich hoch entwickelten Ländern und ande- ren Integrationsräumen bei der wirtschaftlichen Hierin wird darauf hingewiesen, dass bereits im und sozialen Konvergenzentwicklung nicht zu Vertrag von Maastricht von der Förderung der scheuen braucht, zeigen sich am aktuellen Rand Konvergenz der Wirtschaftsleistungen und des erhebliche hausgemachte Probleme. wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts Als politische Optionen könnten weder ein Rück- die Rede ist. Um die Konvergenz von Wachstum, bau der Integration noch ein föderaler Integra- Einkommen und sozialen Lebensverhältnissen tionssprung überzeugend die sozioökonomische zu erzielen, müssen schwächere Länder schneller Konvergenz fördern. Gleichwohl könnte eine wachsen als ökonomisch erfolgreiche. Die mit Politik zur Verhinderung von Divergenz durch Binnenmarkt und Währungsunion vertiefte In- einen intelligenten Mix aus gemeinschaftlicher tegration Europas ist jedoch keine Garantie für Wirtschaftspolitik und mitgliedstaatlichen Frei- erfolgreiche Aufholprozesse ärmerer Staaten. Sie räumen das europäische Erfolgsmodell retten. erleichtert zwar die Bewegung von Arbeit und Kapital über nationale Grenzen hinweg. Doch DIE STUDIE profitieren davon teilweise die bereits prosperie- „Konvergenz in der Krise. Europas gefährdete Inte- renden Länder im Zuge der Konzentration wirt- gration“ erscheint im September in der Internationa- schaftlicher Aktivität. len Politikanalyse der FES – Michael Dauderstädt

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Konferenz EUROPÄISCHE ERFOLGSGESCHICHTE DAS DEUTSCH-POLNISCHE VERHÄLTNIS NACH DER OSTERWEITERUNG

„Deutschland und Polen haben gemeinsam viel positiv: „Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine Er- erreicht, in den bilateralen Beziehungen und für folgsgeschichte für den deutsch-polnischen Ar- Europa. In allen aktuellen europäischen Fragen beitsmarkt. Ängste gegenüber Dumpinglöhnen arbeiten Berlin und Warschau eng zusammen“, oder der Arbeitsplatzsicherheit haben sich nicht betonte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, bestätigt. Es ist eine Win-Win-Situation für beide Michael Roth, zu Beginn der Konferenz „Die Zu- Länder.“ kunft heißt Europa. 10 Jahre Polen und Deutsch- Weit weniger optimistisch bewerteten Mag- land in der EU“, die am 12. Mai in Warschau vom dalena Mazik-Gorzelańczyk, Vorsitzende der Institut für Öffentliche Angelegenheiten (ISP) FAVEO-Stiftung, und Sylwia Timm, DGB Bezirk und von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert Berlin-Brandenburg, die Situation. Die Exper- wurde. tinnen wiesen vor allem auf die Probleme pol- Von polnischer Seite bekräftigte Henryka nischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Mościcka-Dendys, Staatssekretärin im pol- in Deutschland hin. Hierzu zählen: das Einbe- nischen Außenministerium die Bedeutung der halten von Löhnen, unfaire Behandlung, Leih- EU für die deutsch-polnischen Beziehungen. arbeit sowie unklare Abmachungen zwischen „Ohne die EU wäre die Zusammenarbeit zwi- Arbeitnehmern und Arbeitgebern. „Die Polen, schen beiden Nachbarstaaten mit Sicherheit die in Deutschland tätig sind, sprechen oft kein nicht derart intensiv.“ Deutsch, weswegen sie ein einfaches Ziel für Be- Ein Konferenzpanel beschäftigte sich mit der trüger darstellen“, fasste Timm zusammen. Chancengleichheit auf dem europäischen Ar- beitsmarkt. Die deutsch-polnische Zusammen- PUBLIKATION: arbeit im Hinblick auf den europäischen Ar- Ein gemeinsames Jahrzehnt. Polen und Deutschland beitsmarkt bewertete Ulrike Geith, Referentin 10 Jahren gemeinsam in der Europäischen Union im deutschen Arbeitsministerium weitgehend http://bit.ly/ein_gemeinsames_jahrzent_PL_DE

Bilanz EVOLUTION STATT REVOLUTION 25 JAHRE TRANSFORMATION IN POLEN

2014 ist das Jahr der Jahrestage in Polen – 25 Jah- sident der Republik Polen a. D. und Gründer der re Dritte Republik, 15 Jahre NATO und 10 Jahre Stiftung Amicus Europae, die zu den wichtigsten EU-Beitritt. Seit den ersten halbfreien Wahlen Partner der FES in Polen gehört. hat das Land einen Transformationsprozess voll- Er erinnerte an die Verhandlungen am Runden zogen, der keinen Bereich des gesellschaftlichen Tisch, die den Umbruch in Mittel- und Osteuropa Zusammenlebens unberührt ließ. Im Rahmen einleiteten, und lobte, dass Polen sich damals für einer Konferenz über die Beiträge der Friedrich- eine Evolution statt für eine Revolution entschie- den habe, die von einem Dialog des Adam Krzemiński (3.v.l.), Publizist Zusammenwirkens der „Polityka“ und und nicht des Aus- einer der größten Deutschland- schließens geprägt Experten in Polen, war. In die Zukunft moderierte die Diskussionsrunde blickend, wünsch- (Bild: Plewnia) te sich Kwaśniewski Ebert-Stiftung zur erfolgreichen Transformation den Aufstieg Polens zu einem der europäischen in Polen, die am 8. Juli in der Fabryka Trzciny Führungsländer und einem neuen Antriebsmo- stattfand, erinnerte die FES-Polen deshalb an die tor der Integration. Zum Abschluss erinnerte jüngsten Ereignisse der polnischen Geschichte. der Altpräsident an die Rolle Deutschlands bei Die Keynote hielt Aleksander Kwaśniewski, Prä- der Rückkehr Polens ins Zentrum Europas – vor

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allem an die unmittelbare Unterstützung bei den Friedrich-Ebert-Stiftung waren immer offen für Integrationsprozessen mit der NATO und der alle, sie war eine Plattform der Meinungsfreiheit, EU. Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung habe da- ein Ort, an dem wir inspirierende Diskussionen bei eine wichtige Rolle gespielt. „Die Türen der geführt haben“, betonte er.

MEHR ALS EIN WIRTSCHAFTSRAUM Regionaltreffen SOZIALPOLITIK IN DER ZUKUNFTSREGION OSTSEE

Die Suche nach progressiven Ansätzen in der nalität keine Gegensätze bilden. Das beste Bei- Wirtschafts- und Sozialpolitik für den Ostsee- spiel dafür sei das nordische Wirtschaftsmodell. raum stand am 27. Juni in Danzig auf der Ta- „Dank der innovationsbasierten Wirtschaft sind gesordnung eines Treffens von Politiker_innen, die nordischen Staaten auf dem globalen Markt Gewerkschafter_innen, NGO-Vertreter_innen wettbewerbsfähig. Im Gegensatz dazu kann die und Wissenschaftler_innen aus den Ostseean- polnische Wirtschaft, die auf niedrige Lohn- rainerstaaten. Die besondere Bedeutung, die der und Arbeitskosten setzt, auf Dauer der Konkur- Bildung als Voraussetzung sozialer Gerechtigkeit renz der asiatischen Staaten nicht standhalten“, zukommt, hob eingangs Michał Syska vom Bres- betonte Sutowski. lauer Ferdinand-Lassalle-Zentrum hervor. „Das polnische Schulsystem fördert nicht Zusam- menhalt und Solidarität unter den Schülern, sondern Konkurrenz und Eigennutz“, so Syska. Elizabete Krivcova von den lettischen Sozialde- mokraten beschrieb ihr Heimatland als „eine der Gesellschaften in der EU mit den größten Ungleichheiten“. Zwar trügen die lettischen So- zialdemokraten die Regierungsverantwortung. Gleichzeitig sei es ihnen aber bislang nicht ge- lungen, der Idee der sozialen Gerechtigkeit zum (Foto: Zensen) Durchbruch zu verhelfen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD Beata Maciejewska von der polnischen Stiftung Ralf Stegner (Bild) zog abschließend ein Resü- „Räume des Dialogs“ sieht die politische Klasse mee: als größtes Hindernis auf dem Weg zu mehr po- „Wir wollen mehr sein als ein Wirtschaftsraum, litischer Partizipation. „Das bei uns aufgeführte in Europa und auch rund um die Ostsee.“ Dafür politische Theater hält die Menschen davon ab, müsse man den sozialen Zusammenhalt stärken sich politisch zu engagieren.“ Deshalb sei die und zwar über Ländergrenzen hinweg. So könne Zusammenarbeit rund um die Ostsee für Polen der Ostseeraum ein Modell für ganz Europa wer- besonders wichtig, um zu sehen, dass es auch an- den. ders geht. Paweł Świeboda, Direktor des Warschauer Think BRANDENBURGER IN POLEN Kurz notiert Tanks demosEuropa, präsentierte Ergebnisse der gemeinsam mit der FES durchgeführten eu- Eine Studienreise der Friedrich-Ebert-Stiftung ropaweiten Studie „New Sources of Cohesion“. führte Mitte April Nachwuchspolitiker_innen Demnach sähe die Mehrzahl der europäischen aus Brandenburg nach Warschau und Lublin, Bürger die Hauptverantwortung für die gegen- um ihnen dort ein tieferes Verständnis die pol- wärtige Krise bei ihren Regierungen. Weiterhin nische Politik und Gesellschaft zu vermitteln. zeigten die Umfragen, dass das Gros der Europä- So erläuterte Cezary Olejniczak, Mitglied des er ein größeres Engagement der EU im Bereich polnischen parlamentarischen Ausschusses Sozialpolitik befürwortet. Michał Sutowski vom für Energie- und Rohstoffpolitik, die polnische polnischen links-liberalen Think Tank Krytyka Energiepolitik. In einem weiteren Workshop wur- Polityczna wies darauf hin, dass eine demokra- de den Gästen aus Brandenburg die Strukturen tische Sozialpolitik und wirtschaftliche Ratio- der polnischen Selbstverwaltung vorgestellt.

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Bestandsaufnahme REFORM STATT WUNDER PERSPEKTIVEN DER UNGARISCHEN EU-MITGLIEDSCHAFT

Mit einem Feuerwerk und großen Worten wurde arbeitslosigkeit ist hoch, viele gut ausgebildete am 1. Mai 2004 Ungarns Beitritt in die Europä- Menschen wandern ins europäische Ausland ab. ische Union gefeiert. Die EU sei eine Chance für Die Zukunftsperspektiven der ungarischen EU- Ungarn, appellierte der damalige Premiermi- Mitgliedschaft Ungarns und der anderen Neu- nister Péter Medgyessy an sein Volk. Die Bürger mitglieder in der Region diskutierte daher eine Ungarns könnten daraus ein Wunder machen. zweitägige Konferenz des Budapester Büros der Doch bei vielen in Ungarn ist zehn Jahre später FES in Kooperation mit der Central European die Hoffnung auf ein Wunder in Ernüchterung University (CEU). umgeschlagen: Mindestens ein Drittel der Bevöl- Welche Kosten, welchen Nutzen hat die Mit- kerung lebt unter der Armutsgrenze, die Jugend- gliedschaft mit sich gebracht? Wie kommt es, dass heute weniger als die Hälfte der Ungarn die Kurz notiert FELIPE GONZÁLEZ IN BERLIN EU-Mitgliedschaft befürworten? Zu den Rednern der Veranstaltung zählten unter Die Krisenpolitik der EU sei falsch gewesen – be- anderem László Andor, ungarischer EU-Kommis- sessen von Defizit und Schulden wurden Wachs- sar für Beschäftigung, Soziales und Integration; tum und Beschäftigung vergessen, so der ehema- Daniel Dăianu, ehemaliger Abgeordneter des Eu- ropäischen Parlaments und früherer Finanzmi- nister Rumäniens, und Peter Friedrich, Minister für Bundesrat, Europa und Internationale Ange- legenheiten in Baden-Württemberg. Die wissen- schaftliche Perspektive steuerten Forscher aus ganz Europa bei. Fazit nach zwei Tagen: Die EU steckt in einer Identitätskrise. Die Europaskepsis in der Bevölke- rung steigt, die Zustimmung zum europäischen lige Ministerpräsident Spaniens, Felipe González Projekt nimmt ab, und populistische Kräfte näh- (Bild) am 16. Mai im voll besetzten Konferenzsaal ren sich von der Unsicherheit der Bürger. Diesem der FES in Berlin. In seiner Grundsatzrede zur Zu- Trend kann nur entgegengewirkt werden, wenn kunft Europas forderte er von der Politik, aktiv die EU bürgernäher, transparenter und sozialer gegenzusteuern, ansonsten vergebe Europa die gestaltet wird. Die EU braucht kein Wunder, son- Chancen einer ganzen Generation. dern eine Reform.

Kurz nach den Europawahlen trafen sich in London deutsche und britische Parlamentsabgeordnete sowie Vertreter_innen aus Think-Tanks und debattierten über die Konsequenzen der Ergebnisse bei den Europa- wahlen, die Einführung der Finanztransaktionssteuer, die derzeitigen Verhandlungen über das Transatlan- tische Freihandelsabkommen (TTIP), Energiepolitik und neue Formen der politischen Partizipation. Unter den Teilnehmenden waren der europapolitische Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, Norbert Spinrath, , , und .

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BEGRENZTE MÖGLICHKEITEN Sommerschule PERSPEKTIVEN FÜR DIE UKRAINE

Der europäische Sicherheitsraum hat momentan In lebendigen Diskussionen mit nationalen Ex- mit einer der größten Herausforderungen seit perten wie Ihor Burakovsky, Leiter des Instituts dem Ende des Kalten Krieges zu kämpfen. Wäh- für Wirtschaftsforschung und Politikberatung, rend der russischen Annexion der Krim stellte Mykhailo Honchar, Präsident des Zentrums für sich heraus, dass weder das globale noch das eu- Globale Studien „Strategie XXI“ sowie interna- ropäische Sicherheitssystem fähig sind, schnell tionalen Experten wie dem SPD-Bundestagsab- auf die größten Herausforderungen bezüglich geordneten Franz Thönnes, Dr. Stefan Meister, der Stabilität des Landes zu reagieren. Diese Si- Senior Policy Fellow (Wider Europe) beim Eu- tuation zeigte auch die größten Mängel der uk- ropean Council on Foreign Relations in Berlin, rainischen Möglichkeiten auf, das eigene Territorium und die Bevöl- kerung zu verteidigen. Die Eingliederung in den europä- ischen Raum stellt eine der größten Prioritäten der Ukraine dar. Dies soll zunächst durch das Unterzeich- Viele Fragen, wenig Antworten: nen des Assoziierungsabkommens Die Sommerschu- mit der EU und durch die vertiefte le in der Ukraine befasste sich Zusammenarbeit mit der OSZE und mit dem Thema NATO erfolgen. „Sicherheit“. und H. E. Wolf Dieter Heim, Außerordentlicher Für die Friedrich-Ebert-Stiftung in der Ukraine und Bevollmächtigter Botschafter der Republik stellt die Einbindung von Wissenschaft und Po- Österreich in der Ukraine, suchten ukrainische litik in den Dialog über eine stabile Außenpolitik Studenten und junge Experten Antworten auf eines der Projektziele dar. Die Sommerschule „Si- ihre Fragen: Welche Rolle spielt Europa bei der cherheit in Gefahr“ im Juni 2014 diente diesem Schaffung regionaler und globaler Sicherheit? Zweck. Dies ist bereits die zweite Sommerschule, Wie können internationale Organisationen wie die in Kooperation mit der Diplomatischen Aka- die OSZE der Ukraine helfen, Frieden wiederher- demie und dem Außenministerium der Ukraine zustellen und weitere Reformen durchzuführen? stattfand. Wie sehen die wirtschaftlichen Perspektiven der In diesem Jahr nahmen an der Sommerschule 54 Ukraine im Rahmen des Freihandelsabkommens Teilnehmer aus unterschiedlichen Regionen teil. mit der EU aus?

VORBEREITUNG ODER ERSATZ? Vor dem Hintergrund der eskalierenden Lage stehen die Politikkonzepte der „Europäischen Nachbar- schaftspolitik“ (ENP) und die „Östliche Partnerschaft“ (ÖP) auf dem Prüfstand. Wie sollte die EU auf die jüngsten Entwicklungen reagieren, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für eine künftige kohärente EU-Ostpolitik? Diesen Fragen ging ein Expertenkreis aus renommierten „Think-Tanks“ nach, den die FES-Brüssel organisierte. Nach Ansicht Dietmar Nietans (Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen und Stv. Europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion) sollten für die zukünftige ENP weiterhin und verstärkt die Prinzipien der Demokratisierung und Rechtsstaat- lichkeit im Vordergrund stehen. Die Frage nach der „Finalität“ der Europäischen Nachbarschafts- politik – Vorbereitung oder Ersatz für einen EU-Beitritt? – erwies sich als kontroverses Thema: Wäh- rend einige Experten die Beitrittsdebatte für fehl am Platz und schädlich für das gesamte ÖP-Konzept halten, sehen andere gerade hier die Lösung des Problems: Den beitrittswilligen Ländern Ukraine, Georgien und Moldau müsse nun endlich eine klare Perspektive gegeben werden. Diese ist in der bisherigen Nachbarschaftspolitik – mit Bedacht – ausgeschlossen.

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Internationaler Workshop SCHWIERIGER WEG IN DIE EU KEIN KONSENS INNERHALB DER REPUBLIK MOLDAU

Die Republik Moldau wird seit 2009 von einer va“ organisiert. Der Workshop fand am 3. Juli proeuropäischen Koalition regiert, die das Land in Berlin statt, also unmittelbar nach der Unter- schrittweise an die Europäische Union heran- zeichnung des Assoziierungsabkomnens. Dabei führen möchte. Am 27. Juni 2014 hat die Regie- kamen Vertreter aller wichtigen politischen Strö- rung der Moldau gemeinsam mit der Ukraine mungen des Landes zu einem informellen und und Georgien ein Assoziierungsabkommen mit offenen Meinungsaustausch zur aktuellen Lage der Europäischen Union (EU) unterzeichnet. zusammen. Vertreter der Regierung waren eben- Die Regierung feiert dies als Meilenstein im Pro- so anwesend wie Abgeordnete der Kommunisti- zess der EU-Annährung. Doch die autonome schen Partei; Teilnehmer aus Transnistrien und Region Gagausien im Süden und die nichtaner- Gagausien konnten mit Vertretern aus Chisinau kannte, selbsternannte Republik Transnistrien in einen offenen Dialog treten. Von deutscher im Osten lehnen das Abkommen ebenso ab wie Seite nahmen verschiedene Osteuropaexperten Moldaus oppositionelle Kommunistische Par- und Vertreter aus Ministerien und Politik teil, da- tei, die die größte Fraktion im Parlament stellt. runter auch Gernot Erler, Koordinator der Bun- Widerstände gibt es zudem in der Bevölkerung: desregierung für die zwischengesellschaftliche In Umfragen sprechen sich regelmäßig etwa die Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft. Am Ende eines eintägigen, internen Experten- workshops stand eine öffentliche Diskussions- veranstaltung bei der FES, an der auch Moldaus Parlamentspräsident Igor Corman, der stellver- tretende Außenminister der Republik Moldau, Iulian Groza, sowie Vladimir Yastrebchack, Do- zent an der Universitat von Tiraspol (Transni- strien), teilnahmen. Steht die Republik Die Diskussionen während des Tages zeigten, Moldau vor unruhi- gen Zeiten? Parla- dass die Entwicklungen rund um die Ukraine mentspräsident Igor auch das Verhältnis zwischen Moldaus Zentral- Corman skizziert die Situation in seinem regierung einerseits und den Regionen Transni- Land (Foto: Schicke). strien und Gagausien andererseits belasten. Ein Hälfte der Befragten gegen eine weitere EU-In- gesellschaftlicher oder politischer Konsens über tegration und für einen Beitritt zur Eurasischen die europapolitischen Ziele des Landes ist nicht Zollunion aus. Vor diesem Hintergrund ent- in Sicht. wickeln sich die bevorstehenden Parlaments- Viele Teilnehmer des Workshops in Berlin be- wahlen am 30. November 2014 zunehmend zur grüßten das Assoziierungsabkommen demge- Abstimmung über die künftige außenpolitische genüber ausdrücklich. Es sei ein Instrument, um Orientierung des Landes. Die Krise in der Ukra- das Land wirtschaftlich und politisch zu mo- ine und die seit Jahren anhaltenden Versuche dernisieren. Die Vorteile einer EU-Integration Moskaus, sich Einfluss auf Nachbarstaaten zu müssten bei den Bürgern besser kommuniziert sichern und eine EU-Integration weiterer ehe- werden. Inwiefern eine EU-Integration die pre- maliger Sowjetrepubliken zu verhindern, lässt kären Lebensverhältnisse im Land verbessern die Sorge aufkommen, dass auch die ohnehin soll, bliebe vielen Menschen bislang unklar. Die politisch instabile Republik Moldau unruhigen Akzeptanz des weiteren EU-Integrationspro- Zeiten entgegensieht. zesses wird auch davon abhängen, ob die pro- Vor dem Hintergrund dieser schwierigen innen- europäischen Parteien bereit und in der Lage und aussenpolitischen Lage haben die Friedrich- sind, die Korruption in den eigenen Reihen zu Ebert-Stiftung, die Südosteuropagesellschaft und bekämpfen. das deutsch-moldauische Forum den internatio- nalen Workshop „Shaping the Future of Moldo-

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SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE Dialogprogramm STAND DER EU-TÜRKEI-BEZIEHUNGEN VORGESTELLT

Neben der Ukraine und Russland liegt die Türkei Projekte des Deutsch-Französischen Fernsehsen- weit vorne in der Rangliste der Mitgliedsstaaten ders Arte in der Türkei vorgestellt. des Europarats, gegen die der Europäische Men- schenrechtsgerichtshof (EGMR) in den vergan- genen 50 Jahren Urteile ausgesprochen hat. Ins- JUGEND IN BELARUS Kurz notiert besondere Freiheitsrechte und das Recht auf ein faires Verfahren waren wiederholt Gegenstand Die Jugendpolitik in Belarus ist vom Staat mo- der Kritik internationaler Menschenrechtsorga- nopolisiert, unabhängige Jugendorganisationen nisationen. haben große Probleme, sich weiterzuentwickeln. Darum stand neben den EU-Türkei-Beziehungen Im Jahre 1995 wurde die staatstreue Jugendorga- und der Zukunft der Beitrittsverhandlungen nisation „Belarussische Republikanische Jugend- nach den Europawahlen insbesondere der Ein- union“ gegründet, die sowohl finanziell als auch fluss internationaler und europäischer Standards ideologisch vom Staat abhängig ist. Staatsunab- auf die Situation der Menschenrechte in der hängige Organisationen haben Schwierigkeiten Türkei im Zentrum der Diskussionen, die sechs auf staatliche Programme zuzugreifen und inter- türkische Journalist_innen, Anwält_innen und nationale Kooperationen aufzubauen. Menschenrechtsaktivist_innen im Rahmen eines In einem internationalen Seminar zu politischer Dialogprogramms der FES mit Abgeordneten des Bildung in Oer-Erkenschwick erörterten Vertre- Europäischen Parlaments, mit Vertreter_innen ter_innen des Young Leader Forums Belarus, wie des Europarats, des Europäischen Menschen- die Selbstverwaltung von Jugendorganisationen rechtsgerichtshof (EGMR) sowie Nichtregie- demokratisch gestaltet werden kann. Gemein- rungsorganisationen in Straßburg führten. sam mit den Teilnehmer_innen aus Deutsch- In Gesprächen mit türkischen Expert_innen am land, Israel und den palästinensischen Gebieten EMGR und im Europarat wurden unter anderem bekamen die Belarussen einen Überblick über Projekte des Europarats zur Unterstützung der Methoden, Praktiken und die unterschiedlichen Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei sowie Ansätze politischer Bildung.

SCHÜLERPLANSPIEL: TÜRKEI IN DIE EU? Eine Teilnehmerin berichtet: Marie Braun, zum Teil sehr gegensätzlicher Parteien und Bevölke- Abiturientin des Amos-Comenius- rungsgruppen. Hinzu kamen zwei internationale In- Gymnasiums in Bonn teressenvertreter, dargestellt durch Russland und den USA, sowie zwei Pressevertreter. Es folgten Debatten „Bei dem zweitägigen Planspiel des Forum Jugend und Beratungen und der Austausch der Positionen un- und Politik am 20. und 21. Mai 2014 ging es um die ter den Gruppen. In einer „Pressekonferenz“ wurde die Aufnahme eines weiteren Staates in die Europäische Roadmap schließlich vorgestellt und intern als auch Union, in diesem Fall um die der Türkei. Drei Gruppen im Plenum besprochen und kritisiert. Nach Verbes- arbeiteten in ihren nach dem Zufallsprinzip zugewie- serungsvorschlägen beider Seiten kam es zur finalen senen Rollen an der möglichst realistischen Darstel- Abstimmung, die nicht zu einem eindeutigen „Ja oder lung des politischen Arbeitens. Zum einen die Euro- Nein?“ führte, sondern die – wie im „echten“ politi- päische Kommission, deren Aufgabe darin bestand, schen Leben – nur einen Kompromiss herbeiführte. eine „Roadmap“ zu erstellen, die die Bedingungen für Ich persönlich bin ohne große Erwartungshaltung in eine mögliche Aufnahme der Türkei enthielt, dann der das Planspiel gegangen und habe mich nur darauf ge- Europäische Rat mit circa acht Ländervertretungen, freut, politisches Arbeiten näher kennenzulernen. Es welche die Position der Mitgliedsstaaten gegenüber wurde klar, wie komplex politische Entscheidungsfin- einem neuen Mitgliedsland vertreten sollten, und als dung ist und dass selbst Kompromisse lange Debatten dritte Gruppe das türkische Parlament mit Vertretern benötigen.“

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Jahreskonferenz VERÄNDERUNGEN BEGINNEN IM KLEINEN KONZEPTE DES JÜDISCH-ARABISCHEN ZUSAMMENLEBENS

“Peace will have to be made among peoples, not Ansatz auf der grundlegenden Annahme beruht, just governments”, sagte US-Präsident Barack dass gesellschaftliche Veränderungen im Kleinen Obama in Jerusalem im März 2013 in seiner Rede beginnen – und zwar an dem Ort, der den einzel- an das israelische Volk. In Anbetracht der ge- nen Menschen am nächsten ist: ihre Gemeinde. scheiterten Friedensgespräche im Frühjahr 2014 Das Programm basiert auf der Entwicklung einer ist klarer denn je, dass ein Frieden nicht erreicht strukturierten Zusammenarbeit zwischen be- werden kann, wenn die Menschen ihn nicht wol- nachbarten jüdischen und arabischen Gemein- len. In Israel und den palästinensischen Gebieten den. hatte die Mehrheit allerdings ohnehin nicht an Probleme und Herausforderungen auf dem Weg einen Erfolg der Verhandlungen geglaubt, denn zu einer Shared Society werden auf der Givat Ha- beide Völker misstrauen sich wie eh und je. viva Jahreskonferenz vor einem breiten Publi- Vor dem Hintergrund dieser wachsenden Ent- kum präsentiert und diskutiert, zuletzt am 28. fremdung setzt sich die FES für die Förderung des Mai 2014. jüdisch-arabischen Dialogs ein. Eine langjährige Ein gemeinsames Gesellschaftsmodell ließe sich Partnerschaft in diesem Bereich unterhält die nicht durch den Entscheid oder die Legitimie- FES-Israel mit dem Institut Givat Haviva, das neue rung durch einzelne Politiker realisieren, sondern Konzepte im Bereich des jüdisch-arabischen Zu- basiere vielmehr auf dem Willen zur Kooperation sammenlebens erarbeitet. Bereits seit 1963 setzte innerhalb der Zivilgesellschaft sowie zwischen Givat Haviva mit der Gründung seines Jewish- den einzelnen Bürgern, so der US-Botschafter in Arab Centers for Peace auf die Förderung des ge- Israel, Daniel B. Shapiro, in seiner Rede. Givat genseitigen Verständnisses und der Zusammen- Haviva trage mit seiner innovativen Pionierar- arbeit zwischen Juden und Arabern. beit dazu bei, einen Grundstein zu legen für die Das derzeitige Flaggschiff-Projekt des Instituts öffentliche Unterstützung einer Zweistaaten-Lö- ist das Shared Communities-Programm, dessen sung im Israelisch-Palästinensischen Konflikt.

Kurz notiert ERKLÄRUNGSVERSUCHE Der Konflikt in Syrien, sein Ausmaß und seine Ende 2012 langjähriger Studioleiter in Kairo und Komplexität sind von außenstehenden Beobach- Korrespondent der ARD für den Nahen und Mitt- tern kaum mehr zu erschließen. Ausgehend von leren Osten, und Anja Wehler-Schöck, Vertrete- einem Volk, das sich vor gut drei Jahren gegen sei- rin der FES für Jordanien und den Irak nach. nen Herrscher Baschar al-Assad erhoben hat und für mehr Demokratie auf die Straßen gegangen BESUCH IN NAHOST ist, bis hin zu der Offensive der Terrororganisati- Den Landesverband der SPD Schleswig-Holstein on IS, hat sich die Lage dramatisch verschärft. verbindet eine langjährige Partnerschaft mit der Wer sind die Akteure in diesem Konflikt und wo palästinensischen Schwesterpartei Al Mubadara. liegen ihre Interessen? Wie hängen die Konflikte Im April besuchten der SPD-Landesvorsitzende in der Region miteinander zusammen? Diesen Ralf Stegner, Landesgeschäftsführer Christian Fragen gingen Anfang Juli auf Einladung des Ba- Kröning und der Lantagsabgeordnete Serpil Mi- yernForums in München Jörg Armbruster, bis dyatli Israel und die palästinensischen Gebiete. Im Rahmen des Besuchs fanden Gespräche, un- ter anderem mit dem stellvertretenden General- direktor der Fatah für Außenbeziehungen, Dr. Husam Zumlot, statt. Im Rahmen einer politi- schen Tour mit Yehuda Shaul von Breaking the Silence in die südlichen Hebronhügel konnte sich die Delegation zudem ein Bild vom Leben der Palästinenser in den von Israel kontrollierten „C-Gebieten“ machen.

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VERGEBLICHE ZUVERSICHT

Eine Delegation von Bundestagsabgeordneten stattete Israel und den Palästinensischen Gebieten im April dieses Jahres einen Besuch ab. Die Gespräche mit israelischen und palästinensischen Vertre- tern aus Politik und Zivilgesellschaft standen im Zeichen der damaligen Verhandlungsinitiative über die Zwei-Staaten-Lösung von US Außenminister John Kerry. Mittlerweile ist klar: Die Initiative ist gescheitert. Bereits in den Gesprächen, unter anderem mit Dr. Hanan Ashrawi, Mitglied des PLO- Exekutivkomitees und Leiterin der Abteilung für Kultur und Information der PLO, wurden alternative Szena- rien und Instrumente diskutiert, wie die Palästinenser das Ziel der eigenen Staatlichkeit im Falle eines Schei- terns der Gespräche weiterverfolgen können. Die deutschen Parlamenta- rier machten dabei deutlich, dass die Zwei-Staaten-Lösung noch immer Ziel deutscher Nahostpolitik sei. Vor der Eskalation: Deutsche Parlamentarier zu Gesprächen in Nahost Die palästinensischen Gesprächspart- (v. r. n. l.: Johannes Fechner, MdB, Eva Högl, MdB, Dr. Hanan Ashrawi, PLO, , MdB, Christian Flisek, MdB, Ingrid Ross, Leiterin der FES Ost- ner der Fatah und PLO erklärten, da- Jerusalem). rauf zu setzen, dass die internationale Gemeinschaft für die Rechte der Palästinenser eintrete. Der Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof wird dabei als wichtiges Instrument gesehen, um die palästinensische Zivilgesellschaft zu schützen. Der Gazakrieg, der im Juli 2014 ausbrach und mit ei- ner hohen Zahl an Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung einherging, verlieh der Thema- tik unerwartet schnell eine noch größere Relevanz. Die möglichst rasche Unterzeichnung des Rö- mischen Vertrags, der die Grundlage des Gerichtshofs bildet, wird im Krieg vehementer denn je von der überwältigenden Mehrheit der Palästinenser_innen gefordert.

VERTRAUENSBILDUNG UND ABSTIMMUNG Büroeröffnung FES-BÜRO IN BANGLADESCH OFFIZIELL ERÖFFNET

Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften stellevertretender Vorsitzender der FES auch in steht im Mittelpunkt der Aktivitäten des neuen Gesprächen unter anderem mit Premierministe- FES-Büros in Dhaka. In seiner Festrede anläss- rin Hasina, Friedensnobelpreisträger Yunus, den lich der Eröffnung am 8. April betonte Michael führenden Gewerkschafter_innen des Landes Sommer die Bedeutung von starken Gewerkschaf- und Opfern von Rana Plaza für verbesserte Sozial- ten und einer vertrauensvollen Sozialpartner- standards in der Exportindustrie des Landes stark. schaft für Bangladesch, um Katastrophen wie den Hierzu leistet die FES bereits einen Beitrag durch Fabrikeinsturz, bei dem mehr als 1.100 Näher_in- nen ums Leben kamen, zukünftig verhindern zu können. An der Einweihung nahmen neben Ver- treter_innen des bangladeschischen Außenmini- steriums und der Zivilgesellschaft auch Gewerk- schafter_innen sowie Partnerorganisationen teil. Die FES hat derzeit als einzige deutsche politische Stiftung einen Auslandsmitarbeiter vor Ort. Während seines viertägigen Besuchs in Dhaka machte sich Michael Sommer als damaliger DGB-Bundesvorsitzender, Präsident des Inter- nationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) und als (Foto: Kamrul Hasan)

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die Einrichtung eines Gremiums, in dem Ge- durch. Die Gewerkschaften sollen so in die Lage werkschaften, Arbeitgeber und Regierung verbes- versetzt werden, ihren Organisationsgrad zu er- serte Arbeitsbedingungen in der Textilwirtschaft höhen, ihre Rechte durchzusetzen und den Dia- aushandeln. Von den oft sehr kontroversen log mit Arbeitgebern und Regierung geeint und Diskussionen konnte sich Michael Sommer bei konstruktiv zu führen. einer gemeinsamen Veranstaltung der FES und In einer weiteren Arbeitslinie setzt sich die FES des Bangladesh Institute of Labour Studies (BILS) dafür ein, Bangladesch verstärkt in regionale und selbst ein Bild machen. Die FES hat bereits 2013 globale Debatten zu entwicklungs- und sicher- begonnen, Dialogplattformen zur Vertrauens- heitspolitischen Fragestellungen einzubinden. bildung und Abstimmung zwischen den zerstrit- Ein weiteres Ziel ist es, die Demokratie durch die tenen Gewerkschaften aufzubauen. Förderung des Dialogs zwischen den stark polari- Parallel dazu führt sie Workshops für Gewerk- sierten Parteien des Landes zu stärken. schafter_innen der mittleren Führungsebene

DIE „CASA FES“ IN SAN JOSÉ Es vergeht keine Woche, in der nicht mindestens zwei Veranstaltungen der FES in Costa Rica stattfin- den: Treffen von Arbeitsgruppen zum Beispiel zur Energiepolitik, zum Klimawandel, zu den Arbeits- beziehungen oder zur Sicherheitspolitik. Oder einer der zahlreichen „mesas“ (Tische), die sich den Themen junger Gewerkschafter_innen oder Vetreter_innen der progressiven politischen Parteien wid- men. In Zeiten des politischen Umbruchs tritt die Funktion der FES als Ort des Dialogs und Austauschs aber noch in ganz anderer Weise in Erscheinung. Mit dem Sieg der jungen Partido Acción Ciudadana (PAC) wurde bei den Wahlen vom Februar und April das Ende des Zwei-Parteien-Systems besiegelt. Die Menschen im Lande wollten einen Wechsel, weg vom Etablierten, dem Eingefahrenen, dem Innovationsmüden – hin zu frischen, neuen Gesich- tern und Ideen. Aber diese wollen entwickelt sein! Und was böte sich mehr an, als dafür die Möglich- keiten einer politischen Stiftung wie der FES zu nutzen, mit der man zuvor in ganz anderen Zusam- menhängen bereits vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte. Und doch war es überraschend, als die Anfragen – gerade in den fünf Wochen zwischen der Wahl Anfang April und der Amtsübernahme Anfang Mai – gar nicht mehr abreißen wollten: Der neu gewählte PAC-Abgeordnete Henry Mora, einer der wenigen Ökonomen in der Fraktion und heutiger Parlamentspräsident, entwarf im FES-Büro im Kreise seiner engsten Vertrauten und Experten die Grundzüge einer neuen Fiskalpolitik. Die neue Vize-Parlamentspräsi- dentin und PAC-Abgeordnete Mar- cella Guerrero Campos, die sich als Teil einer FES-Arbeitsgruppe be- reits mit Fragen sozialer Gerechtig- keit beschäftigte, führte dies nun in einer samstäglichen Brainstor- ming-Runde im FES-Büro mit Ziel der Erarbeitung eines Gesetzesvor- schlags fort. Des Weiteren fand auf Anlaufpunkt für die politische Debatte in Costa Rica: Initiative und in Zusammenarbeit Die Vertretung der FES in San Jose (Foto: Lanz/FES). mit der neuen Frauenministerin Alejandra Mora sowie der neuen Vizepräsidentin Ana Elena Chacón ein Expert_innen-Treffen in den Räumlichkeiten statt: Hier standen neue Wege zur Verankerung einer „Agenda Mujeres“ (Frauenagenda) für sämtliche Regierungsbereiche zur Diskussion. Schließlich fand sich – keine zehn Tage nach Amtsübernahme – der Referent_innenstab des Präsidi- alamtes in der Stiftung ein, um zu erörtern, wie man eigentlich am geschicktesten den Dialog mit der Bevölkerung in Gang setzen könne. In politischen Umbruchsphasen wird der Nutzen jahrelanger Arbeit der FES als politische Ideenfabrik und Dialogagentur besonders offensichtlich. Expertise und Vertrauen zahlen sich aus, die Beratungsarbeit findet Eingang in reale Gestaltungsprozesse.

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Qualifizierungs- MIT JUNGEN IDEEN IN DIE REGIERUNG programm POLITISCHER WANDEL MIT DEN AGENTES DE CAMBIO DER FES

Junge Menschen, dazu noch mit ausgezeichne- aktiven Menschen zusammen, die sich bereits ten Bildungsabschlüssen, gibt es in Zentralame- durch gesellschaftliches Engagement auszeich- rika genug. Junge Frauen und Männer, die sich nen. Absolvent _innen früherer Kurse haben sich in politischen Parteien, Gewerkschaften oder in allen Ländern in Alumni-Netzwerken zusam- zivilgesellschaftlichen Gruppen engagieren, mengeschlossen. Austausch und Kooperation schon weniger. Und die Anzahl derjenigen, die der nationalen Agentes de Cambio-Netzwerke in ihren jeweiligen Organisationen die Möglich- werden auf regionaler Ebene unterstützt. keit haben, an „entscheidenden Stellen“ ihre Gerade in Costa Rica sind zahlreiche Absolvent_ spezifischen Interessen mit einzubringen, ist innen in politischen Führungspositionen anzu- verschwindend gering. Was jedoch weniger mit treffen: Im Kabinett des neuen Präsidenten Solís ihrem mangelnden Engagement als vielmehr sitzen nicht weniger als sechs Agentes de Cam- mit fehlender spezifischer Qualifizierung für Lei- bio im Alter zwischen 26 und 31 Jahren im Rang tungspositionen zusammenhängt. Aber gerade von Vizeminister_innen. Die Vizeministerin für Parteien und auch Gewerkschaften, denen das Jugend und der Vizeminister im Umweltministe- Stigma von „old school“-Organisationen anhaf- rium haben erst im letzten Jahr den Ausbildungs- tet, sind auf qualifizierte, engagierte Nachwuchs- gang absolviert, die Vizeministerin im Präsidial- kräfte angewiesen. amt und ihre Kollegin im Finanzministerium Vor diesem Hintergrund hat die FES im Jahr auch erst in den Jahren 2010 beziehungsweise 1991 in Costa Rica ein Fortbildungsprogramm 2009. Dazu kommt ein Dutzend Referats- und (Agentes de Cambio) eingeführt, das später für Abteilungsleiter_innen im Präsidialamt und die übrigen zentralamerikanischen Projekte dem Sicherheitsministerium sowie fast 30 Büro- übernommen wurde. leiter_innen und Referent_innen in sämtlichen Das Programm ist darauf ausgerichtet, die in- Ministerien, aber auch im neu gewählten Parla- haltlichen, methodischen und sozialen Fähig- ment. keiten junger potentieller Führungskräfte für Diese außerordentlich hohe Präsenz von Absol- eine aktive politische und soziale Teilhabe zu vent_innen des FES-Qualifizierungsprogramms verbessern. Seit 2007 werden die Ausbildungs- für junge Führungskräfte zeugt von der hohen inhalte sowie die Methodik regional koordiniert Qualität und Relevanz der Ausbildung, die 2014 und abgestimmt. Der Kreis der jährlich bis zu 30 den 24. Jahrgang der Agentes de Cambio in die Teilnehmer_innen je Land setzt sich aus jungen, Welt entlassen wird.

NACHSPIEL ANREGUNGEN Kurz notiert

Die Weltmeisterschaft ist vorbei, doch wie geht „Es wird Ewigkeiten dauern, bis wir so weit sind!“, es weiter in Brasilien? Was bleibt von den vielen entgegnete Sayra Ticay sichtbar verblüfft, als Niels positiven Eindrücken der brasilianischen Fan- Annen ausführte, dass der Vorsitz im Haushalts- stimmung erhalten? Was haben die laustarken ausschuss des Deutschen Bundestags nicht nur Protestbekundungen der Brasilianer_innen im traditionell der Opposition zusteht, sondern ge- Vorfeld und während der WM bewirkt? genwärtig zudem von einer Frau eingenommen Ekrem Güzeldere, Journalist und Politologe, und wird. Die junge Gewerkschafterin aus Nicaragua Mario Lopes, Leiter des festival +br14, stellten bei ist eine von 15 Aktivist_innen, die sich Mitte Juli einer Veranstaltung des BayernForums ihre Ein- mit dem außenpolitischen Sprecher der SPD- schätzungen über die Auswirkungen der Fußball- Bundestagsfraktion zum Informationsaustausch Weltmeisterschaft 2014 auf die brasilianische im FES-Büro in Managua trafen. Sie alle sind in Gesellschaft vor. Allerdings sei eine neue Art der diversen Gesprächs- und Arbeitskreisen aktiv, mit Öffentlichkeit entstanden, die erstmals mit den denen die FES die Debatte darüber anregt, was Protesten rund um die WM auf die Probleme sich im Lande ändern muss, damit qualifizierte, eines großen Teils der Bevölkerung aufmerksam junge und motivierte Menschen in ihren Organi- gemacht habe. sationen nicht außen vor bleiben.

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Jubiläum ZUKUNFT DENKEN, STIMMEN VERBINDEN FES-ILDIS IN ECUADOR FEIERT 40-JÄHRIGES JUBILÄUM

In Folge des chilenischen Militärputsches im ecuadorianischen Gewerkschaftsverbandes CSE. Jahr 1973 musste das Instituto Latinoamerica- Alberto Acosta, ehemaliger Präsidentschaftskan- no de Investigaciones Sociales (ILDIS), Ableger didat, erinnerte an die Verdienste um den Frieden der FES in Santiago de Chile, Anfang 1974 seine mit den Nachbarländern in den 1990er Jahren: Türen schließen. Mobiliar und Bücher der um- „Während der gewaltsamen Grenzkonflikte mit Zum Jubiläum durf- te eine Torte nicht fangreichen Bibliothek wurden eingepackt und Peru hat FES-ILDIS Dialoge zur Lösung initiiert fehlen: Die Landes- und mit einem Jugendaustausch die vertreterin Anja Min- Verständigung zwischen den Län- naert (rechts) schnitt sie gemeinsam mit dern gefördert.“ Generalstaatsanwalt Von 1996 bis 2006 absolvierte kein Galo Chiriboga, Bür- germeister Augusto ecuadorianischer Präsident seine Barrera, Joaquim vorgesehene Amtszeit. „Wir befan- Soriano (Stiftung Fundación Perseu den uns in einer Krise politischer Re- Abramo) und der präsentation und gleichzeitig in ei- Abgeordneten María Soledad Vela ner Wirtschaftskrise“, erzählte María (v. r. n. l.). Paula Romo, Feministin und Politi- nach Ecuador verschifft. Am 30. April 1974 unter- kerin der politischen Bewegung Ruptura. In der zeichnete Rainer Jonas, damaliger Direktor von gleichen Zeit haben sich indigene Bewegungen FES-ILDIS, mit der ecuadorianischen Regierung erhoben. FES-ILDIS hat als Plattform verschie- einen Vertrag, um in dem Land am Äquator die dene Stimmen verbunden – besonders als es nach sozialwissenschaftliche Forschung fortzuführen. der Krise darum ging, im Jahr 2008 eine neue Ver- FES-ILDIS in Ecuador begann seine Arbeit in fassung zu schreiben. Zeiten wirtschaftlicher Prosperität, aber schwie- In 2014 steht die Arbeit unter dem Motto des Ju- riger politischer Verhältnisse: Das Land unter- biläums: „40 Jahre FES-ILDIS Ecuador: Zukunft stand bis 1979 einer Militärregierung. „In den denken, Stimmen verbinden“. Anfang Mai rea- 1970ern hat sich in Ecuador vieles rasant mo- lisierte FES-ILDIS eine Veranstaltungswoche zur dernisiert. ILDIS hat in diesem Kontext zur po- Reflektion linker Ideen, Entwicklungen und Be- litischen und progressiv orientierten Bildung wegungen in Ecuador. beigetragen“, berichtet Enrique Ayala, Rektor der „FES-ILDIS hat Räume für Diskussionen, für Re- Universität Andina Simón Bolívar in Quito. flektion, für Debatten geschaffen. Das war bisher Von Beginn an hat das Büro die Verteidigung der die Hauptrolle dieser Institution, und das sollte Menschenrechte in Ecuador, die Gleichstellung sie in der Zukunft sein“, betonte Carolina Porta- von Mann und Frau sowie den Dialog mit den luppi von der Universidad Casa Grande in Guaya- Gewerkschaften vorangetrieben. „FES-ILDIS hat quil. „Wir haben 40 Jahre lang Zukunft gedacht eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Partizipa- und Stimmen verbunden. Das bleibt unser Motto tion der Zivilgesellschaft und die Organisation für die nächsten Jahre“, bestätigte FES-Landes- der ecuadorianischen Arbeiter_innen zu för- vertreterin Anja Minnaert. dern“, würdigte Jaime Arciniega, Vorsitzender des Weitere Informationen www.40-fes-ildis.ec

Diskussion LATEINAMERIKAS SICHERHEITSPROBLEME DIE PARLAMENTARISCHE KONTROLLE DES SICHERHEITSSEKTORS

Vor dem Hintergrund organisierter Kriminalität rikanischen Büros der FES gemeinsam intensiv und des Drogenhandels bleibt das Thema Sicher- zum Thema Sicherheit. Mitte Juni fand das jähr- heit von hoher Relevanz in Lateinamerika. Aus liche Expert_innentreffen in Ecuador statt. diesem Grund hat die FES bereits vor zehn Jahren In diesem Jahr stand die Rolle der Parlamente ein regionales Projekt zur Sicherheitspolitik ins bei der Ausgestaltung des Sicherheitssektors im Leben gerufen. Seither arbeiten die lateiname- Zentrum der Diskussionen. Am Treffen nahmen

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Abgeordente aus Uruguay, Honduras, Bolivien, Fernando Belaunzarán kamen zu dem Schluss, Deutschland, Ecuador, Argentinien, Costa Rica, dass die Drogenpolitik der letzten 50 Jahre er- El Salvador und Mexiko teil. Um die Diskus-si- folglos geblieben und neue Antworten gesucht onen einem breitem Publikum zugänglich ma- werden müssten. Conde sprach sich für die kon- chen zu können, fand am letzten Tagungstag trollierte Legalisierung des Konsums von Mari- eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Nati- huana aus, wie es in seinem Land vor einem Jahr onalversammlung Ecuadors statt. Auf dem Podi- beschlossen wurde. um diskutierten der Präsident der Kommission für Interna- tionale Beziehungen der Nati- onalversammlung Ecuadors, Fernando Baustamente (Ali- Jährliches Treffen: Das regionale anza País), der urguayanische Projekt zur Sicher- Abgeordnete Roberto Conde heitspolitik brachte Abgeordnete aus (Frente Amplio), Fernando Be- zahlreichen Ländern launzarán aus Mexiko (Partido Lateinamerikas in de la Revolución Democrática) Ecuadors Haupt- stadt Quito zusam- sowie , Obmann men. (Foto: FES) des deutschen Verteidigungsausschusses (SPD). Rainer Arnold betonte die breite parlamenta- Baustamente plädierte für ein breiteres Sicher- rische Partizipation bei der Ausrichtung der heitsverständnis. Er machte darauf aufmerksam, deutschen Sicherheitspolitik. Er begrüßte zudem dass „der unsicherste Ort auf der ganzen Welt die Vertiefung der deutschen Konsultationen aber noch immer die eigenen vier Wände sind“. mit lateinamerikanischen Ländern, um gemein- Häusliche Gewalt könne man jedoch nicht mit same geopolitische Interessen zu definieren. Streitkräften bekämpfen. Roberto Conde und

DAS URUGUAYISCHE ERFOLGSMODELL Debatte SOZIALE GERECHTIGKEIT UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM

Im letzten Jahrzehnt wurden auf dem lateiname- derung eines alternativen Entwicklungsmodells, rikanischen Kontinent beispiellose Fortschritte welches die Verbesserung sozialer Gerechtigkeit, in der Armutsreduzierung, der Lohnentwicklung demokratischer Partizipation und ökologischer und der Stärkung der Arbeitnehmerrechte erzielt. Nachhaltigkeit als gleichberechtigte Ziele neben Wie diese konsolidiert und in Richtung eines alter- das Wirtschaftswachstum stellt. nativen Entwicklungsmodells ausgebaut werden Wie in der Debatte deutlich wurde, belegt das können, war Thema einer Debatte zwischen der uruguayische „Erfolgsmodell“ die Vereinbarkeit gesamtamerikanischen Gewerkschaftsbewegung dieser vier Dimensionen. Seit der linken Regie- und der uruguayischen Regierung am 22. Juli 2014 in Montevideo. Die Diskussion fand im Rahmen eines von der Friedrich-Ebert-Stiftung or- ganisierten Regionalen Forums statt und war hochkarätig besetzt: Neben dem uruguayischen Präsidenten José „Pepe“ Mujica (im Bild rechts) nahmen fünf Minister, der Präsident des Gesamtamerikanischen Gewerk- schaftsbundes (TUCA), Hassan Yussuf, und TU- rungsübernahme 2005 führten staatliche Akti- CA-Generalsekretär Víctor Baéz (im Bild links) vitäten in enger Abstimmung mit den Gewerk- teil. Den roten Faden bildete die Vorstellung einer schaften zur Stärkung von Arbeitnehmerrechten, neuen Entwicklungsplattform der TUCA zur För- Umverteilung und progressiver Besteuerung.

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Publikation GENAU HINGESCHAUT DIDAKTISCHE MATERIALIEN ZUR NEUEN TUNESISCHEN VERFASSUNG

Nach dreijährigem Ringen um die politische und Passagen, deren Auslegung noch zu Spannungen gesellschaftliche Neuorientierung des postrevo- führen könnte. So bekräftigt sie den zivilen Cha- lutionären Tunesiens wurde am 26. Januar mit rakter des tunesischen Staates (Art. 2) und macht der Verabschiedung der neuen Verfassung ein den Staat im Rahmen des zwischen säkularen wichtiger Wendepunkt erreicht. Eine überwälti- und islamistischen Kräften besonders umstrit- gende Mehrheit von 200 der 217 Abgeordneten tenen Artikels 6 zum Wächter der Religion. Zum der tunesischen Verfassungsgebenden Versamm- einen ist der Staat verantwortlich für Gewissens- lung stimmte für die neue Verfassung: Ein deut- freiheit, zum anderen ist er zum Schutz des Ge- licher Beweis des kompromisshaften Charakters heiligten, gegen Verunglimpfung und zur Wah- der neuen Verfassung. rung der politischen Neutralität von Moscheen Die zentrale Konfliktlinie der Verfassungsdebatte verpflichtet. verlief zwischen dem „säkularen“ und dem „reli- Die FES-Publikation „La Constitution Tunisi- giösen“ Lager. Umso beeindruckender ist es, dass enne à la Loupe“ soll den Verfassungstext für die das Endergebnis ein klares Bekenntnis zum zi- breite Bevölkerung leichter zugänglich und ver- vilen Staat ist, der grundlegende Freiheitsrechte ständlich machen. Auf etwa 100 Seiten werden garantiert. Gerade weil sie Kind eines Kompro- die verschiedenen Kapitel der Verfassung durch misses ist, beinhaltet die neue Verfassung einige Infografiken und erklärende Texte vorgestellt.

Regionalprojekt GRENZEN ÜBERSCHREITEN WEGE ZUR WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG WESTAFRIKAS

Drängende Lösungen für wichtige wirtschafts- werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeit- und bildungspolitische Herausforderungen des nehmer neue Positionen auch professionell und westlichen Afrika standen im Zentrum des Fort- wettbewerbsfähig ausfüllen können. Die Defizi- bildungsprogramms „Get to know ECOWAS“, zu te im Bereich schulischer und universitärer Bil- dem die Friedrich-Ebert-Stiftung insgesamt sech- dung machen deutlich, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung des west- lichen Afrika Hand in Hand mit einer zukunftsgerichteten Bildungspolitik konzipiert werden muss. Die Entscheider von morgen: Die Da viele dieser Probleme im regio- Teilnehmer des nalen Zusammenhang zu sehen sind, Programms „Get to know ECOWAS“ standen im Rahmen des Programms mit dem Präsident vor allem Diskussionen zu grenzüber- des ECOWAS- Parlaments, Ike schreitenden Fragen im Mittelpunkt, Ekweremandu. etwa die Freizügigkeit und Niederlas- zehn jüngere Nachwuchskräfte aus Bénin, der El- sungsfreiheit von Arbeitnehmerinnen und Ar- fenbeinküste, Ghana, Mali, Nigeria, Senegal und beitnehmern oder die gegenseitige Anerkennung Togo im Juli nach Abuja einlud. von Bildungszertifikaten. Die ausnahmslos jungen Gesellschaften des Das Programm „Get to know ECOWAS“ wurde westlichen Afrika stehen vor der Aufgabe, kom- im Jahr 2008 auf Initiative des Regionalprojekts menden Generationen neue Lebensperspek- Westliches Afrika der Friedrich-Ebert-Stiftung ins tiven zu bieten, um das Abwandern von Hoff- Leben gerufen, um die Entscheider von morgen nungsträgern zu verhindern. Angesichts hoher mit den regionalen Institutionen vertrauter zu Arbeitslosigkeit bereitet nicht nur das Fehlen machen und einen grenzübergreifenden Aus- arbeitsintensiver und produktivitätsorientierter tausch zu wichtigen regionalen Herausforde- Wachstumsbranchen Kopfzerbrechen. Es müs- rungen zu verstärken. sen auch die Voraussetzungen dafür geschaffen Informationen unter: http://www.fes-westafrica.org

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NEUE PUBLIKATIONEN DER FES HTTP://LIBRARY.FES.DE/LIBRARY/FR-VOLL-DIGBIBNEW.HTML

INTERNATIONALE ARBEIT

Modern political party management: what can Investitionsschutz am Scheideweg: TTIP und die be learned from international practices? – Catrina Zukunft des globalen Investitionsrechts – Pia Schläger; Judith Christ (eds.) Eberhardt (auch engl.)

Anpfiff Brasilien: Was bewegt die Fußballnation A caring and sustainable economy: a concept note im WM-Jahr? – FES Brasilien (Hrsg.) from a feminist perspective – Cäcilie Schildberg (ed.) Die Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland : Organisation, Rahmenbedingungen, STUDIE Herausforderungen – Heiner Dribbusch; Peter Birke Russia’s greenhouse gas target 2020: projections, trends, and risks – Alexey Kokorin; Anna Korppoo. Social cohesion in Europe after the crisis – Knuth Dethlefsen Die DGB-Gewerkschaften seit der Krise: Entwicklungen, Herausforderungen, Strategien – Heiner Dribbusch; Peter Birke (auch engl.) INTERNATIONALE POLITIKANALYSE Alternative für Deutschland (AfD): a new actor in Trade unions in Europe: innovative responses the German party system – Marcel Lewandowsky to hard times – Magdalena Bernaciak; Rebecca Gumbrell-McCormick; Richard Hyman Der Front National (NF) – eine rechtsradikale Partei? – Jean-Yves Camus The social situation of Greece under the crisis: basic socio-economic data for Greece, 2013 – Rekrutierungswege moderner Dimitri A. Sotiropoulos. Volksparteien: vergleichende Analysen zur Mitgliederorganisation und Ergebnisse einer In search of sustainability: civil society in Ukraine – Praktikantenbefragung im Deutschen Bundestag – Mridula Ghosh Frank Decker; Volker Best; David Knorr Voraussetzungen einer globalen Katalonien: Geld oder Identität? – Michael Ehrke Energietransformation – Bärbel Kofler; Nina Netzer (eds.); Christiane Beuermann (auch engl.) Jemens politische Transition: auf dem Weg zu einem neuen Gesellschaftsvertrag? – Ariela Groß Portugal and the global crisis: the impact of austerity on the economy, the social model and Frust, Fragmentierung, Verunsicherung: der the performance of the state – Paulo Pedroso Irak vor den Parlamentswahlen 2014 – Anja Wehler-Schöck PERSPEKTIVE Austerity policy from a feminist perspective: the Parlamentswahlen in Ungarn: Viktor Orbán, ein Spanish case – Sonia Ruiz Garcia verdienter Sieger? – Jan Niklas Engels

Changing the narrative: China’s media offensive in Indien vor dem Machtwechsel: die größte Africa – Sergio Grassi Demokratie der Welt geht zur Wahl – Felix Schmidt Nordeuropäische Rechtspopulisten im Aufwind – Silke Breimaier Noch immer im Kalten Krieg: Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und den USA fernab von Die Präsidentschaftswahl in Algerien: Präsident strategischer Allianz und gleicher Augenhöhe – Bouteflika kandidiert für ein viertes Mandat – Claudia Detsch Klaus-Peter Treydte Indian views of Europe’s role as security actor: Unpacking the shale gas revolution – Dominic why the EU needs to change its approach towards Marcellino India – Florian Britsch

China as a permanent member of the United Crisis, austerity and cohesion: Europe’s stagnating Nations Security Council – Xue Lei inequality – Michael Dauderstädt, Cem Keltek.

Die Ukraine vor den Präsidentschaftswahlen: die Streik(recht) in der Internationalen Kandidatinnen und ihre Chancen – Valentin Jandt; Arbeitsorganisation: steht das System zur Stephan Meuser Überwachung internationaler Arbeits- und Sozialstandards auf der Kippe? – Claudia Hofmann Right wing populism in Europe – how do we (auch in engl.) respond? – Ernst Hillebrand

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Vietnam und China: worum geht es beim Streit Die Grenzen der Annäherung? Protestbewegung um die Ölplattform? – Erwin Schweisshelm in Taiwan setzt chinesisch-chinesische Verständigung unter Stress – Jürgen Kahl Drei zarte Pflänzchen Hoffnung: die Linken schöpfen Mut in drei Ländern Zentralamerikas – Südosteuropa im Zwiespalt: Reaktionen aus den Albrecht Koschützke; Hajo Lanz Ländern auf die Ereignisse in der Ukraine – Frank Hantke Die Präsidentschaftswahl in Algerien: Bouteflika wird wie erwartet sein viertes Mandat bestreiten – Die Eurasische Wirtschaftsunion als geopolitisches Rachid Ouaissa Instrument und Wirtschaftsraum : eine Analyse aus Kasachstan – Dossym Satpajew Geteilte Erinnerung: der Erste Weltkrieg in Mittel- und Osteuropa – Felix Hett; Reinhard Krumm (Hg.) Nach der Wahl ist vor der Wahl: die Ukraine nach dem Sieg Poroschenkos – Stephan Meuser Kolumbien entscheidet sich für den Frieden: jetzt braucht es breite Allianzen – Hans Mathieu Europa hat gewählt: kurze Analysen der Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 aus den Büros Denkzettel für die Etablierten: ein politischer der Friedrich-Ebert-Stiftung – Reinhard Krumm Neuling erringt bei den Wahlen in Slowenien und Anne Seyfferth (Hg.) einen Erdrutschsieg – Dietmar Dirmoser Ägypten hat gewählt – große Erwartungen und African approaches to maritime security: the AU wenig Illusionen: das Pendel schlägt zurück – and continental perspectives: – Jan Stockbruegger Armin Hasemann

Kein „Game-Changer“ für Europas Kosovo vor den Parlamentswahlen: was bringt die Energiesicherheit: Russlands Gas-Deal mit China dritte Legislaturperiode? – Wulf Lapins und seine Folgen – Florian Willershausen

Demokratie, Wohlstand und Gerechtigkeit für alle? Das weibliche Gesicht Lateinamerikas – Anja Dargatz

POLITISCHER DIALOG

FORUM BERLIN Maskulismus: Antifeminismus zwischen Vor Ort entscheidet: kommunale Strategien vermeintlicher Salonfähigkeit und unverhohlenem gegen Rechtsextremismus – Vera Henßle; Ulrich Frauenhass – Robert Claus Overdieck Offenlegungsbestimmungen, Spenden- und Die Identitären: vorübergehendes Phänomen oder Ausgabenbegrenzungen in der Direkten neue Bewegung? – Benno Hafeneger Demokratie: – Nadja Braun Binder; Hermann K. Heußner; Theo Schiller Demokratiediestanz politisch unzufriedener Bürger/-innen – Rainer Stocker Planspiel Kommunalpolitik: ohne Jugend ist kein Staat zu machen – Daniela Saaro; Yvonne Lehmann FORUM POLITIK UND GESELLSCHAFT Kommunalpolitik verstehen: für junges Keimzelle der Nation? Familien- und Politikverständnis – Daniela Saaro; Sabine Friedel geschlechterpolitische Positionen der AfD – eine Expertise – Andreas Kemper Geschlechtergerechtigkeit: ein Orientierungsrahmen für emanzipatorische Geschlechterpolitik – Irene Pimminger

STUDIENFÖRDERUNG

Lehrerbildung im Spannungsfeld von Individuelle Förderung als schulische Schulreformen und Inklusion – Hrsg.: Ute Erdsiek- Herausforderung – Christian Fischer Rave (Schriftenreihe des Netzwerk Bildung) (Schriftenreihe des Netzwerk Bildung)

Leitlinien des zukünftigen Wissenschaftssystems: Von Moodle bis MOOC: digitale Bildungs- Grundforderungen, Gemeinsamkeiten und revolution durch E-Learning? – Angela Borgwardt Widersprüche – Angela Borgwardt (Schriftenreihe Hochschulpolitik) (Schriftenreihe des Netzwerk Exzellenz an Deutschen Hochschulen)

FORTSCHRITTSFORUM

Was macht ein gutes Leben aus? Der Capability Approach im Fortschrittsforum

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POLITISCHE AKADEMIE

Europe and social democracy – ed.: Cäcilie Talfahrt der Tagespresse: eine Ursachensuche: Schildberg et al. (Social democracy reader) der Auflagenrückgang der Regionalzeitungen – Andreas Vogel Gesunder Staat und starke Demokratie: Infrastruktur verlässlich finanzieren – Steffen Müller (Landesbüro Hessen)

WISO DISKURS Vermeintliche und tatsächliche Wachstums- Auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen und Beschäftigungseffekte des Luftverkehrs Institutionengefüge in der Verbraucherpolitik: – Eine kritische Würdigung angewandter Anforderungen, Stand der Dinge und Berechnungsmethoden – Friedrich Thießen Handlungsoptionen – Christian Thorun

Weiterentwicklung des EEG aus Verbraucher- Wer bestellt, bezahlt! Für eine Reform des perspektive: Handlungsbedarf, Ausgestaltungs- Finanzausgleichs zur Herstellung gleichwertiger optionen, rechtlicher Rahmen – Julius Ecke Lebensverhältnisse in Deutschland; Berechnung des Vorschlags zur Neuordnung Die Eurokrise im Spiegel der des Finanzausgleichs – Hans Eichel; Phillip Fink; Potenzialschätzungen: Lehren für eine alternative Heinrich Tiemann; Joachim Ragnitz Wirtschaftspolitik? – Dirk Klär Rosige Zeiten am Arbeitsmarkt?: Strukturreformen Soziale Innovationspolitik: Positionspapier und „Beschäftigungswunder“ – Matthias Knuth im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik – Daniel Buhr Kommunikationsstrategien zur Beeinflussung von Gesetzesinitiativen: am Beispiel des Luftverkehrsteuergesetzes – Klaus Kamps WISO DIREKT

Haushaltsnahe Dienstleistungen durch Zwischen Entgelt und Geltung: zur Problematik Migrantinnen in Familien mit Pflegebedürftigkeit: von Lohnsystemen in Werkstätten für Menschen 24 Stunden verfügbar – Private Pflege in mit Behinderung – Caroline Richter; Alexander Deutschland – Andrea von der Malsburg; Michael Bendel Isfort Der neue Sachverständigenrat für Soziale Innovationspolitik für sozialen Fortschritt – Verbraucherfragen: Gestaltungsparameter für Daniel Buhr eine effektive Politikberatung – Jana Diels; Christian Thorun. Das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem und die Verantwortung des Europäischen Zur Problematik der deutschen Parlaments – Petra Bendel Leistungsbilanzüberschüsse – Heike Joebges

Wer bestellt, bezahlt!: Berechnung des Vorschlags Eine europäische Arbeitslosenversicherung als zur Neuordnung des Finanzausgleichs – Hans Stabilisator für die Euro-Zone – Sebastian Dullien Eichel; Philipp Fink; Heinrich Tiemann; Alexander Eck Anti-Krisenpolitik: die Europäische Zentralbank im Kreuzfeuer der deutschen Öffentlichkeit – Entwicklungsorientierte Migrationspolitik: Adalbert Winkler Handlungsmöglichkeiten für die deutsche Politik – Steffen Angenendt Modernisierungsoptionen für die handwerkliche Selbstverwaltung – Detlef Sack Beschäftigtentransfer: gute Qualität trotz schlechter Rahmenbedingungen – Gernot Mühge; Heinz Hinrich Schmidt

MANAGERKREIS

Fachkräftemangel oder Überakademisierung? Industriepolitik für Europa: Chancen für einen Der zukünftige Bildungsbedarf aus Sicht der neuen Wachstumspfad – Daniel Sahl Unternehmen – Eduard Heußen

ARCHIV DER SOZIALEN DEMOKRATIE

Arbeit. Gerechtigkeit. Solidarität.: Ausgewählte Reden von Michael Sommer – Klaus Beck; Klaus Mertsching (Hrsg.)

2/2014 INFO FES Friedrich-Ebert-Stiftung D-53170 Bonn Friedrich-Ebert-Stiftung Postvertriebsstück – Entgelt D-53170 bezahlt Bonn – G 42452 Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – G 42452 Genug vom Konsens? Die Debattenplattform für europäische und internationale Politik:

www.ipg-journal.de progressiv, pointiert, streitbar