Plenarprotokoll 13/225

Deutscher

Stenographischer Bericht

225. Sitzung

Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 3: sonderer Bedeutung für die Auslän- der-, Asyl- und Menschenrechts- Antrag der Fraktion der SPD: Erleich- politik terung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für Kinder auslän- - zu dem Antrag der Abgeordneten discher Eltern (Drucksache 13/9941)- . 20625 A Cem Özdemir, Kerstin Müller (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE in Verbindung mit GRÜNEN: Mindestkriterien für eine Reform des Staatsangehörigkeits- Zusatztagesordnungspunkt 10: rechts a) Zweite und dritte Beratung des vom - zu dem Antrag der Abgeordneten Bundesrat eingebrachten Entwurfs Cem Özdemir, Kerstin Müller (Köln), eines Gesetzes zur Erleichterung des weiterer Abgeordneter und der Erwerbs der deutschen Staatsangehö- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rigkeit durch Kinder ausländischer NEN: Klare Integrationssignale set- Eltern (Drucksachen 13/8157, 13/10030) 20625 A zen: Für eine sofortige Reform des Staatsangehörigkeitsrechts b) Beschlußempfehlung und Be richt des Innenausschusses (Drucksachen 13/259, 13/2833, 13/7505, - zu dem Antrag der Abgeordneten 13/7923, 13/3657, 13/7677, 13/10030) 20625B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Her- CDU/CSU 20626 A mann Bachmaier, weiterer Abgeord- Dr. F.D.P. . . 20627 B, 20631 A neter und der Fraktion der SPD: Er- leichterung der Einbürgerung unter Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD 20627 D, 20641 B Hinnahme der doppelten Staatsan- Dr. Willfried Penner SPD 20629 C gehörigkeit Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜ - zu dem Antrag der Fraktion der NEN 20629D SPD: Neuregelung des Staatsange- hörigkeitsrechts CDU/CSU 20630 A - zu dem Antrag der Fraktion der Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 20633 A SPD: Gesetzesinitiative der Bundes- Peter Conradi SPD 20634 A regierung zur Reform des Staatsan- PDS 20634 C gehörigkeitsrechts Norbert Röttgen CDU/CSU . . 20635B, 20638 A - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Zöpel, , Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 20636A, C weiterer Abgeordneter und der SPD 20637 B Fraktion der SPD: Unterrichtung des Gerhard Bökel, Staatsminister (Hessen) Deutschen Bundestages über inter- 20638 C nationale Vereinbarungen mit be Erwin Marschewski CDU/CSU . . . 20639 A II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. , Freitag, den 27. März 1998

Horst Eylmann CDU/CSU 20640 D keit wahren und kommende Genera- Dr. F.D.P. 20641 D tionen entlasten (Drucksachen 13/4671, 13/7152) 20649 C Peter Conradi SPD 20642 C Dr. F.D.P. . . . 20643 A f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . 20643 B nung zu dem Entschließungsantrag , Bundesminister BMI 20644 A der Abgeordneten Christa Nickels, Eli- sabeth Altmann (Pommelsbrunn), wei- Namentliche Abstimmung 20645 B terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Gro- Ergebnis 20646 A ßen Anfrage der Abgeordneten Christa Nickels, Elisabeth Altmann (Pommels- Zusatztagesordnungspunkt 11: brunn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU Gemeinsames Wo rt der Kirchen „Zur und F.D.P.: Zurückweisung des Ein- wirtschaftlichen und sozialen Lage in spruchs des Bundesrates gegen das Deutschland" (Drucksachen 13/3864, Gesetz zur Änderung des Straßenver- 13/5482, 13/6966, 13/7414) 20649 C kehrsgesetzes (Drucksache 13/10178) 20648 D g) Beschlußempfehlung und Bericht des Namentliche Abstimmung 20649 A Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Ergebnis 20653 D Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Tagesordnungspunkt 14: Bundes und der Steuervergünstigun- Wirtschaftspolitische Debatte gen gemäß § 12 des Gesetzes zur För- derung der Stabilität und des Wachs- a) Abgabe einer Erklärung durch die tums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 Bundesregierung: Jahreswirtschafts- für die Jahre 1995 bis 1998 (Sechzehn- bericht 1998 der Bundesregierung ter Subventionsbericht) (Drucksachen „Den Aufschwung voranbringen - Ar-- 13/8420, 13/8507 Nr. 1.22, 13/9108) . 20649 D beitsplätze schaffen" 20649 A h) Beschlußempfehlung und Bericht des b) Unterrichtung durch die Bundesre- Ausschusses für Wirtschaft zu dem An- gierung: Jahreswirtschaftsbericht 1998 trag der Abgeordneten Wolfgang Bier- „Den Aufschwung voranbringen - stedt, Eva Bulling-Schröter, weiterer Arbeitsplätze schaffen" (Drucksache Abgeordneter und der Gruppe der 13/10107) 20649 A PDS: Konsequente Ausrichtung der c) Beschlußempfehlung und Bericht des staatlichen Instrumente zur Förderung Ausschusses für Wirtschaft zu dem Ent- der wirtschaftlichen Tätigkeit auf Be- schließungsantrag der Fraktion der schäftigungswirksamkeit (Drucksachen SPD zu der Unterrichtung durch die 13/8091, 13/10181) 20649D Bundesregierung: Jahreswirtschafts- bericht 1997 der Bundesregierung Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 20650 A „Reformen der Beschäftigung" Ernst Schwanhold SPD . 20656B, 20661A, 20662 B (Drucksachen 13/6963, 13/6800, 13/ 8227) 20649 B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 20660 B d) Beschlußempfehlung und Be richt des CDU/CSU 20661 D Ausschusses für Wirtschaft zu dem Ent- schließungsantrag der Abgeordneten Hans-Peter Repnik CDU/CSU 20662 D Ernst Schwanhold, (Köln), Joachim Poß SPD 20667 B weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD zu der Großen Anfrage Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Anke DIE GRÜNEN 20668 B Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Insolvenzen Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . 20671A in der deutschen Wirtschaft (Druck- 20672 A sachen 13/1488, 13/2416, 13/7430, 13/ Paul K. Friedhoff F.D.P 8229) 20649 B Rolf Kutzmutz PDS 20674 C e) Beschlußempfehlung und Bericht des Dr. CDU/CSU 20677 A Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Fraktion Detlev von Larcher SPD 20680 C BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Öko- logisch gestalten, soziale Gerechtig Dr. Hermann Otto Sohns F.D.P...... 20682 C Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 III

Ulrich Petzold CDU/CSU 20683 D Anlage 5 Frederick Schulze (Sangerhausen) Erklärungen nach § 31 GO zur Abstim- CDU/CSU 20685 D mung über den Entwurf eines Gesetzes Siegmar Mosdorf SPD 20686 A zur Erleichterung der deutschen Staatsan- gehörigkeit durch Kinder ausländischer Sabine Kaspereit SPD 20686 D Eltern (Tagesordnungspunkt 10) CDU/CSU 20688 D Editha Limbach CDU/CSU 20698*B Siegmar Mosdorf SPD 20690 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 20698 * C Gunnar Uldall CDU/CSU 20692 B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 20699 * A

Tagesordnungspunkt 15: Anlage 6 Zweite Beratung und Beschlußempfeh- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- lung des von der Bundesregierung ein- ten , , gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu , , Ilse dem Protokoll vom 19. Juni 1997 auf Falk, , Dr. Heiner Geißler, Wilma Grund von Artikel K.3 des Vertrags Glücklich, Hermann Gröhe, Claus-Peter über die Europäische Union und von Grotz, , Andreas Kraut- Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Über- scheid, Dr. Hermann Kues, , einkommens über die Vorrechte und Dr. Friedbert Pflüger, , Immunitäten für Europol, die Mitglie- Norbert Röttgen, Dr. Christian Schwarz- der der Organe, die stellvertreten- Schilling, Dr. Rita Süssmuth zur Abstim- den Direktoren und die Bediensteten mung über den Entwurf eines Gesetzes von Europol (Europol - Immunitätenpro- zur Erleichterung des Erwerbs der deut- tokollgesetz) (Drucksachen 13/9084, schen Staatsangehörigkeit durch Kinder 13/9370, 13/10201) 20694 B ausländischer Eltern 20699 * B Hartmut Schauerte CDU/CSU 20695 A Anlage 7 Nächste Sitzung 20695 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- - ten Hans-Dirk Bierling und Wolfgang Berichtigung 20695 Engelmann (beide CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: „Zurückweisung Anlage 1 des Einspruchs des Bundesrates gegen Liste der entschuldigten Abgeordneten . 20697 *A das Gesetz zur Änderung des Straßen- verkehrsgesetzes " (Zusatztagesordnungs- punkt 11) 20699D Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Andreas Anlage 8 Schockenhoff (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zu Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- den Protokollen vom 16. Dezember 1997 ordnungspunkt 15 (Europol-Immunitäten- zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt protokollgesetz) der Republik Polen, der Tschechischen Erwin Marschewski CDU/CSU 20700*B Republik und der Republik Ungarn . . . 20697 * B Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 20701 *A Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Anlage 3 NEN 20702C Erklärung des Abgeordneten Dieter Schlo- Dr. F D P. 20703 *A ten (SPD) zur Abstimmung über den Ent- Ulla Jelpke PDS 20703 5 D wurf eines Gesetzes zu den Protokollen Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 20704*A vom 16. Dezember 1997 zum Nordatlantik vertrag über den Beitritt der Republik Polen, der Tschechischen Republik und Anlage 9 der Republik Ungarn 20697 * C Erklärungen nach § 31 GO zur Abstim- mung über den Entwurf eines Euro- pol-Immunitätengesetzes (Tagesordnungs- Anlage 4 punkt 15) Zu Protokoll gegebene Rede zum Zusatz- Dr. Burkhard Hirsch F.D.P...... 20704*D tagesordnungspunkt 9 (Antrag der Frak- tionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 20705*A DIE GRÜNEN und F.D.P.: „Lage in Kam- bodscha" Anlage 10 Dieter Schanz SPD 20697* C Amtliche Mitteilungen 20705 * C

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20625

225. Sitzung

Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und - zu dem Antrag der Fraktion der SPD Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Gesetzesinitiative der Bundesregie- rung zur Reform des Staatsangehörig- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 sowie die keitsrechts Zusatzpunkte 10a und 10b auf: - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. 3. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Christoph Zöpel, Freimut Duve, , weiterer Abgeordneter und der Erleichterung des Erwerbs der deutschen Fraktion der SPD Staatsangehörigkeit für Kinder ausländischer Unterrichtung des Deutschen Bundes- Eltern tages über internationale Vereinbarun- - Drucksache 13/9941- gen mit besonderer Bedeutung für die Ausländer-, Asyl- und Menschen- -P10 a) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- rechtspolitik desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Erleichterung des Erwerbs der - zu dem Antrag der Abgeordneten Cem deutschen Staatsangehörigkeit durch Kin- Özdemir, Kerstin Müller (Köln) und der der ausländischer Eltern Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mindestkriterien für eine Reform des - Drucksache 13/8157 - Staatsangehörigkeitsrechts (Erste Beratung 200. Sitzung) - zu dem Antrag der Abgeordneten Cem Beschlußempfehlung und Be richt des In- Özdemir, Kerstin Müller (Köln), Amke nenausschusses (4. Ausschuß) Dietert-Scheuer, Christa Nickels und - Drucksache 13/10 030 - der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN Berichterstattung: Klare Integrationssignale setzen: Für Abgeordnete - eine sofortige Reform des Staatsange- Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast hörigkeitsrechts Cem Özdemir - Drucksachen 13/259, 13/2833, 13/ Cornelia Schmalz-Jacobsen 7505, 13/7923, 13/3657, 13/7677, 13/ Ulla Jelpke 10030 - b) Beratung der Beschlußempfehlung und Berichterstattung: des Berichts des Innenausschusses (4. Aus- Abgeordnete Meinrad Be lle schuß) Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Cem Özdemir - zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Hermann Ulla Jelpke Bachmaier, Herta Däubler-Gmelin, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache der SPD über den Gesetzentwurf nament lich abstimmen wer- den. Erleichterung der Einbürgerung unter Außerdem wird nach diesem Tagesordnungspunkt Hinnahme der doppelten Staatsange- über einen Antrag auf Zurückweisung des Ein- hörigkeit spruchs des Bundesrates zum Straßenverkehrsgesetz - zu dem Antrag der Fraktion der SPD ebenfalls namentlich abgestimmt werden. Neuregelung des Staatsangehörig- Für diese Abstimmungen benötigen Sie neben Ih- keitsrechts rer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der 20626 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Farbe Gelb. Den Stimmausweis können Sie nachher Aber wir haben auch beschlossen: Wer als Auslän- Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. der diese Rechte erheblich mißbraucht, wer Verbre- chen begeht oder sich schwerer Vergehen schuldig Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für macht - das gilt etwa für den Drogenhandel -, der die Aussprache zum Staatsangehörigkeitsrecht eine muß ausgewiesen werden. Stunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Wider- spruch. Wir verfahren so. (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Darum geht es Ich eröffne die Aussprache. Als erster spricht zu doch heute morgen gar nicht! Das ist heute diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Marschew- morgen doch gar nicht das Thema!) ski. Dazu haben Sie im Bundestag nein gesagt, deswe- gen ärgert Sie das. Die Grünen haben selbst im Ver- Erwin Marschewski (CDU/CSU): Frau Präsidentin! mittlungsausschuß zu diesem Vorschlag nein gesagt. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den Dies war ein Vorschlag dieser in Fragen des Auslän- vorliegenden Anträgen wollen SPD und Grüne, in derrechts so bewährten Koalition von CDU/CSU und welcher Form auch immer, die generelle doppelte F.D.P. Staatsbürgerschaft in Deutschland einführen. Sie tun dies mit der Behauptung, die Integration aller hier Ich komme jetzt zu Ihren Anträgen: Ihre jetzigen geborenen Ausländerkinder sei bereits vollzogen; Anträge, meine Damen und Herren, haben doch nur dies gelte auch für Jugendliche, die nur fünf Jahre in ein Ziel, nämlich Abgeordnete der Koalition dazu zu ausländischen Familien in Deutschland lebten. Ihr bringen, von dem im Koalitionsvertrag gegebenen Vorschlag, meine Damen und Herren der SPD, ist Versprechen Abstand zu nehmen. Herr Scharping staatspolitisch falsch und integrationshindernd. Sein hat dies so formuliert: Sie wollten die Koalition te- Beurteilungsmaßstab widersp richt der Wirklichkeit. sten. Sie wollen keine Probleme lösen, Sie wollen das sensible Ausländerrecht zur Verfolgung von rein tak- (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wie tischen, parteipolitischen Zielen mißbrauchen. kann man so etwas so falsch wiedergeben! Das ist ja unglaublich!) (Beifall bei der CDU/CSU) - Frau Kollegin, ich zitiere gleich Ihren Antrag. Das ist verwerflich. Deswegen wird der Versuch von SPD und Grünen erfolglos sein. Wir werden diese Sie sagen in Ihrem Antrag, es sei unabdingbar, parteitaktischen Mißbräuche verhindern. Die Koaliti- Ausländer in Deutschland nicht länger als Fremde zu onspartner werden das dem jeweils anderen gege- stigmatisieren. Ich muß Ihnen sagen, daß ich über bene Wort halten, auch weil wir wie die Mehrheit der diesen Wortlaut sehr entsetzt bin. Stigmatisieren Bürger unseres Landes die generelle doppelte Staats- heißt, jemanden zu brandmarken, in diskriminieren- bürgerschaft ablehnen. der Weise zu kennzeichnen. Ist das die Wirklichkeit des Lebens von Ausländern in Deutschland, meine Was wir vielmehr wollen, ist eine wirkliche Inte- Damen und Herren? gration. Deswegen wollen wir die Einbürgerungsfri- sten verkürzen. Wir wollen mehr Anspruchsein- (Zuruf von der PDS: Ja, genau!) bürgerungen schaffen. Voraussetzung der Einbürge- rung sind aber insbesondere ausreichende Sprach- Das doch wohl nicht. Haben Sie einmal bedacht, wel- kenntnisse, damit wir uns verstehen. Wir wollen, daß che Wirkungen das im Ausland haben könnte? Dabei . 3 des Grundgesetzes akzeptieren: wissen Sie doch, das deutsche Ausländerrecht gibt die Ausländer Art den Ausländern mit Ausnahme des Wahlrechtes alle Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Wir wol- im Grundgesetz verankerten Rechte, die Deutsche len den arglistigen Erwerb der deutschen Staatsbür- gerschaft ausschließen. Wer zum Erwerb der deut- genießen, bis hin zur f riedlichen politischen Betäti- schen Staatsbürgerschaft zunächst zum Schein auf gung. Nein, Ihr Wort von der Stigmatisierung führt in die ausländische Staatsbürgerschaft verzichtet und die Irre. dann später die ausländische Staatsbürgerschaft wie- (Beifall bei der CDU/CSU) der annimmt, der soll kraft Gesetzes die deutsche Genau das Gegenteil ist richtig. Wir haben das libe- Staatsbürgerschaft wieder verlieren. Auch das wol- ralste, das ausländerfreundlichste Ausländerrecht, len wir. das es überhaupt gibt. In Ihren Anträgen steht davon überhaupt nichts. Das gilt für junge Menschen, für Frauen und für äl- Ihre Rumpfanträge sind unzulänglich, sachfremd tere Ausländer. Deren Lebenssituation haben wir im- und politisch nicht akzeptierbar. Darüber hinaus ist mer wieder, zuletzt vor einem Jahr, mit dem Ziel der es zumutbar, auf die eigene Staatsbürgerschaft zu Integration verbessert. Das hat die Koalition aus verzichten, wenn man eine andere erwerben möchte. CDU/CSU und F.D.P. geleistet. Das gilt insbesondere für die türkischen Mitbürger. Damals stand das Dorfgesetz im Wege. Danach gab An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei es leider die Möglichkeit, Grundstücke wegzuneh- Frau Schmalz-Jacobsen für ihre Leistungen, vor allen men oder über das Erbrecht das Erbe zu schmälern. Dingen für ihre Kompromißbereitschaft bedanken. Diese Möglichkeit haben wir in gemeinsamen Ver- Wir waren nicht immer einer Meinung, Frau Kolle- handlungen mit der Türkei ausgeräumt. Es ist da- gin; das liegt in der Natur der Sache. Dennoch herz- nach durchaus zumutbar, beispielsweise auf die tür- lichen Dank! kische Staatsbürgerschaft zu verzichten. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20627

Erwin Marschewski Dies bedeutet: Mehr als 60 Prozent der ausländi- wir haben dies durch mehrfache Änderungen des schen Mitbürger könnten sich ohne Nachteile ein- Ausländerrechts verfolgt - die Integration der hier le- bürgern lassen, wenn sie dies nur wollten, wenn sie benden Ausländer. auf Doppelsicherheit, sprich: auf die doppelte Staats- Ein zweites Ziel - beide Ziele gehören zusammen - bürgerschaft verzichteten. Hierin liegt der Unter- ist eine wirksame und dauerhafte schied zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite Zuzugsbeschrän- durch konsequente Anwendung des Auslän- und der CDU/CSU auf der anderen Seite. kung derrechts und durch konsequente Anwendung des Wir setzen ein gewisses Maß an Integration vor- Abschiebungsrechts auf straffällige Ausländer und aus. Mehrstaatlichkeit ist für uns auf Dauer nicht er- abgelehnte Asylbewerber. Genau das wird in Nord- strebenswert, weil es dann schwieriger ist, uneinge- rhein-Westfalen und in Niedersachsen bei Herrn schränkt loyal zu sein. Schröder nicht gemacht. Der Kollege Hirsch hat gestern in der „Welt" ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sagt, daß 2 Millionen Deutsche die doppelte Staats- Beides gehört zusammen: Zuzugsbegrenzung und bürgerschaft besäßen. Integration. Deswegen sagen wir zu Ihren Anträgen (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Sehr nein, weil sie einfach nicht der Integration dienen richtig!) und auch nicht dienen sollen. Wir sagen deswegen nein zur generellen doppelten Staatsbürgerschaft, Herr Kollege Hirsch, diese Zahl ist falsch. Da Sie ein wie auch die ganz große Mehrheit des deutschen Ziel verfolgen, ist das ein fahrlässiger Umgang mit Volkes. Aus diesem Grunde werden und dürfen Ihre der Wahrheit, Herr Kollege Hirsch. In Deutschland Anträge keine Mehrheit finden. leben 538 000 ausländische Mitbürger mit doppelter Staatsbürgerschaft. Der größte Teil davon sind Aus- Herzlichen Dank. siedler. Diese Menschen würden gern auf die usbe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - kische, auf die kasachische Staatsbürgerschaft ver- Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Wozu zichten, wenn es nicht die hohen Gebühren gäbe, die haben Sie jetzt gesprochen?) diese Menschen drangsalie rten. Ihre Zahl ist falsch, Herr Kollege Hirsch. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat als (Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.] meldet nächste die Kollegin Frau Sonntag-Wolgast. sich zu einer Zwischenfrage) - - Sie haben sich zur Zwischenfrage gemeldet, bitte Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Frau Präsi- schön. dentin! Meine Damen und Herren! Zu Ihnen, Herr Marschewski, kann ich nur sagen: Erstens. Ich habe selten erlebt, daß jemand so bewußt wider besseres Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege Hirsch. Wissen Anträge mißgedeutet hat, wie Sie es mit un- seren eben getan haben.

Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Kollege Mar- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne schewski, würden Sie dem Haus bitte sagen, woher ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Sie diese Zahlen haben, nachdem bisher die Aus- der F.D.P. und der PDS) künfte des Innenministeriums dahin gehen, daß es Zweitens. Wenn Sie von negativen Wirkungen keine Statistik über die doppelte Staatsangehörigkeit deutscher Politik auf das Ausland sprechen, dann gibt? Dies ist ein merkwürdiger Vorgang; denn wenn kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Eine negative es ein Problem wäre, müßte man sie ja zählen. Viel- Wirkung auf das Ausland hat das äußerst restriktive leicht können Sie dem Haus offenbaren, ob es doch Verhalten der Bunderegierung in Fragen der Einbür- eine Statistik gibt, damit sie allen zugänglich wird. gerung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne PDS) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.) Erwin Marschewski (CDU/CSU): Herr Kollege Lang ist es her, seit die SPD-Bundestagsfraktion in Hirsch, ich bin ein wenig verwundert, daß Sie nicht dieser Legislaturpe riode ihren ersten Antrag zu die- einmal diese Grundregeln - Sie sind ja lange Innen- sem Thema mit dem Titel „Erleichterung der Einbär- politiker gewesen - beherrschen: Wir haben einen gerung unter Hinnahme der doppelten Staatsange- Mikrozensus, der besagt, daß in Deutschland 538 000 hörigkeit" präsentierte. Das war im Januar 1995. Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Schon damals war die Reform überfällig. Schon da- Ich will Ihnen diese Zahlen sehr gern zur Verfügung mals führten wir Gespräche mit reformwilligen Kräf- stellen. ten aus der Koalition, um Möglichkeiten von einver- Wichtigster Punkt unserer Politik ist natürlich, daß nehmlichen Lösungen auszuloten. sich die Menschen, die Deutsche werden wollen, auf (Zuruf von der SPD: Gibt es so was?) Dauer zu Deutschland bekennen müssen, daß sie sich zu Deutschland hinwenden, daß sie diese Ge- - Doch, das gab es da. - In den folgenden Monaten meinschaft akzeptieren, daß sie umfassend mitwir- und Jahren nutzten wir aus der Opposition heraus ken und mitgestalten. Deswegen bleibt unser Ziel - alle Instrumente, um das Thema in den Ausschüssen 20628 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast und im Plenum überhaupt zur Sprache zu bringen, gerung. Dem Besitz einer weiteren Staatsangehörig- weil Sie sich pausenlos weige rten, das zu tun. keit wird nicht widersprochen. Nicht mehr und nicht weniger sagen wir. Es ist eine wahrhaft moderate Auch nicht in meinen unerfreulichsten Träumen Forderung. Für viele unserer europäischen Nachbarn hätte ich mir damals vorstellen können, daß wir jetzt, ist eine solche Praxis längst selbstverständlich. auf der Zielgeraden der Legislaturpe riode, noch auf dem gleichen Stand wie Anno dazumal sein könnten. Wir sagen auch nicht, daß es eine Zauberwaffe ge- gen Ausländerfeindlichkeit - das wahrhaftig nicht - (Beifall bei der SPD - Hans Büttner [Ingol oder eine revolutionäre Handlung ist, sondern wir stadt] [SPD]: Das zeigt die Reformunfähig betrachten es als ein Plädoyer für Normalität und keit dieser Koalition!) Gelassenheit in dieser Frage. Deswegen komme ich leider zu dem Ergebnis, daß (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne die Geschichte dieses Vorhabens eine einzige klägli- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN che Dokumentation der Unfähigkeit dieses Regie- und der Abg. Dr. rungsbündnisses ist, ein lange vorher gegebenes [PDS]) Versprechen in die Tat umzusetzen. Wir wollen schlicht und einfach einen Beitrag leisten, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des um den zunehmenden Entfremdungsprozeß gerade BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) bei jungen Ausländern einzudämmen. Wir setzen ein Ich erinnere: Schon in der vorausgegangenen Le- Zeichen der Bereitschaft zum pa rtnerschaftlichen gislaturperiode haben Sie aus den Koalitionsfraktio- Miteinander. Wir verschicken gewissermaßen eine nen heraus die Neuregelung des Staatsangehörig- Einladungskarte zur Integration. Das ist wahrhaftig keitsrechts angekündigt. Der Kanzler höchstpersön- dringend erforderlich. lich bezeichnete sie 1993 im Rahmen einer Regie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne rungserklärung als dringlich. Herausgekommen ist ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN aber absolut nichts. Ein Anliegen, das dieser Gesell- und der Abg. Cornelia Schmalz-Jacobsen schaft gutgetan hätte, wurde verschleppt, zerredet, [F.D.P.]) zerrieben im Dauerkrach zwischen konservativen Ideologen und publicitiyfreudigen Erneuerern, die in Ich möchte noch einen weiteren Irrtum ausräumen. Interviews in Aussicht stellten, was sie parlamenta- Wir von der SPD wollen nicht möglichst viele Doppel- risch nicht zu leisten vermochten. staatler heranzüchten; aber die Mehrstaatlichkeit soll - hingenommen werden. Das betrifft mehr als 2 Millio- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des nen Bürger - oder auch nicht. Die Zahlen sind inter- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) essant. Ich stütze mich immer auf die Aussagen der Heute morgen haben Sie in dieser Wahlperiode Ausländerbeauftragten und meine, daß sie, wenn sie wahrscheinlich die allerletzte Chance, wenigstens ei- von 2 Millionen spricht, dafür gesicherte Daten hat. nen Schritt vorwärts zu machen; denn eine umfas- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne sende Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts ten der F.D.P.) werden Sie bis zur Bundestagswahl sowieso nicht mehr zustande bringen. Deshalb beschränken wir Ob es nun 1 oder 2 Millionen sind: Es sind erkleckli- uns - das auch als Erklärung, Herr Marschewski - che Zahlen. Diese Menschen haben mehr als einen mit unseren jüngsten Initiativen auf einen wichtigen Paß. Unser Staatsgebilde wankt immer noch nicht. Teilbereich. Es muß doch in diesem Hause möglich sein, wenigstens ein positives Signal an die Adresse Der Kollege Eylmann von der CDU nannte kürzlich die deutsche Auffassung, daß die Einbürgerung im der Migrantenfamilien auszusenden, die hier in Deutschland längst heimisch geworden sind. Regelfalle den Verzicht auf die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes beinhaltet, eine „antiquierte (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Doktrin" . Recht hat der Mann. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, gäbe es eine offene Ab- Wir betreiben hier kein taktisches Spielchen, um die stimmung ohne Fraktionszwänge, würde eine Allianz Koalition auseinanderzutreiben, obwohl uns auch der Vernunft dem Gesetzentwurf des Bundesrates das ganz recht wäre. Es geht uns vordringlich um ein und einigen unserer SPD-Anträge wahrhaftig zu wichtiges integrationspolitisches Ziel. einer Mehrheit verhelfen. Noch einmal zur Klarstellung: Die SPD-Bundes- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tagsfraktion verlangt im Einvernehmen mit dem Bun- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der desrat die Ergänzung des Abstammungsprinzips PDS) durch das Territorialprinzip. Das heißt, Kinder aus- Aber wir hören nun in den letzten Tagen Ankündi- ländischer Eltern, von denen mindestens ein Pa rtner schon hier geboren ist und hier lebt, sollen automa- gungen in finsterem Trotz, nach denen die Reihen der Koalition fest geschlossen seien. Das wundert tisch mit der Geburt Deutsche werden. Gegen diese mich überhaupt nicht. Es war uns klar, daß neun Möglichkeit kann im ersten Jahr nach der Geburt F.D.P.-Abgeordnete kürzlich bei der Abstimmung des Kindes Einspruch erhoben werden. über das Vermittlungsergebnis zum großen Lausch- Das bedeutet für die zweite Ausländergeneration: angriff sozusagen nur einen Tagesausflug zurück in Die Eltern müssen hier mindestens fünf Jahre leben. Zeiten gemacht haben, in denen der F.D.P. das Ein- Für solche Fälle gibt es den Anspruch auf die Einbür- treten für Bürgerrechte noch etwas we rt war. Mehr Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20629 Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast war es nicht. Wenn Sie sich heute einem kleinen Jetzt bitte ich um Geduld; die Angelegenheit ist für Fortschritt in Sachen Staatsangehörigkeit geschlos- heute leider ausgestanden, so leid es mir tut. Es ist sen verweigern, dann beweisen Sie insgesamt nur ei- gescheitert an Ihrem Starrsinn. nes: Der Zwang zum Zusammenhalt des brüchigen Bündnisses ist Ihnen wichtiger als Ihre inhaltlichen Danke schön. Überzeugungen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD - Ing rid Matthäus DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Maier [SPD]: Leider wahr!) PDS)

Geschlossenheit mit dem Ziel, jede Bewegung zu Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer verhindern, ist eine durch und durch peinliche Dar- Kurzintervention hat der Kollege Penner. bietung. Sie sollten sich schämen!

Nun sagt der Kollege Gerhardt, diesmal sei für die Dr. Willfried Penner (SPD): Die Kollegin Frau F.D.P. alles ganz anders als bei der Abstimmung über Schmalz-Jacobsen ist Ausländerbeauftragte der Bun- den Lauschangriff. Da gebe es eine Koalitionsverein- desregierung und zugleich Mitglied des Innenaus- barung. Diese werde man einhalten. Ich frage mich schusses. Bei den Beratungen des Innenausschusses nur: Welche meint denn der Kollege Gerhardt? Meint hat sie bei Gelegenheit immer wieder ohne Wider- er etwa das Projekt dieser merkwürdigen Kinder- spruch der anwesenden Vertreter der Bundesregie- staatszugehörigkeit, an die sich alle nur noch, wenn rung, besonders des Bundesinnenministers, betont, überhaupt, mit Kopfschütteln oder Grausen erin- daß die Zahl derer, die bei uns die doppelte Staats- nern? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein. bürgerschaft besitzen, 1,8 Millionen beträgt. Ich habe keinen Zweifel daran, daß die diesbezüglichen Für diese Legislaturpe riode war dem Wähler eine Ausführungen der Kollegin Frau Schmalz-Jacobsen umfassende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts auf sorgfältiger Prüfung beruhen. Ich bitte allerdings, versprochen worden. An der sind Sie kläglich den Widerspruch innerhalb der Bundesregierung gescheitert. Insofern ist eigentlich auch die viel- aufzuklären, soweit er besteht. beschworene Vereinbarung als Grundlage für Koali- tionstreue dahin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber wir sollten nicht nur in Richtung -F.D.P. eine Verlustanzeige in Sachen Glaubwürdigkeit aufge- ben. Ein ebenso wichtiger Adressat wären diejenigen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Marschewski, Reformfreunde in der Union, die sich einmal kühn wollen Sie dazu Stellung nehmen? - Nein. die „jungen Wilden" nannten, aber schon längst (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Ich bin keine medienwirksamen Tänze in dieser Sache mehr nicht die Bundesregierung! - Zurufe von aufführen, sondern brav und stumm sozusagen auf der SPD: Frau Schmalz-Jacobsen!) dem Aschehäufchen ihres vermeintlichen Feuereifers von einst herumhocken: nicht mehr wild, auch nicht - Die Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen wird mehr mild, sondern nur noch einfach still geworden. gleich ihren Redebeitrag leisten. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Bettvorleger! Jetzt ist zunächst der Kollege Özdemir an der - Dieter Wiefelspütz [SPD]: Stubenhocker! Reihe. Zahnlose Kätzchen!) (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Der Meine Damen und Herren, sollten Sie alle gegen NATO-Verweigerer!) Ihre eigenen Überzeugungen stimmen, Sie, die Sie für eine Reform sind, und unsere Anträge einschließ- Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau lich des Gesetzentwurfes des Bundesrates ablehnen, Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir dann verspreche ich Ihnen im Namen der SPD-Bun- werden heute voraussichtlich wieder Zeuge eines destagsfraktion in die Hand: Das Thema werden Sie Schauspieles werden, wie es dieses Haus bereits nicht los. mehrfach erlebt hat. Wir werden die gleichen Argu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne mente austauschen mit den immer gleichen Resulta- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ten: Die Koalition wird der Notwendigkeit einer Re- form des Staatsangehörigkeitsrechtes zwar prinzipi- Denn nach dem 27. September werden wir unver- ell zustimmen, aber nachher nicht so abstimmen, wie züglich wieder ans Werk gehen. sie es in ihren Reden ankündigt. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Als Oppo Wir werden wahrscheinlich auch wieder von Herrn sition Anträge stellen!) Kanther anschließend das Argument hören: Die Ein- bürgerung steht am Ende des Integrationsprozesses; Dann brauchen wir auch keine Kompromisse und vorher kann es sie nicht geben. Nicht nur ich, son- keine Abweichler mehr, dann werden wir mit neuen dern auch Millionen von Nichtdeutschen dieser Re- Mehrheiten eine zeitgemäße Reform des Staatsange- publik werden sich fragen: Wie sieht eigentlich je- hörigkeitsrechts schaffen, die diesen Namen ver- mand am Ende des Integrationsprozesses aus? Was dient. Das werden wir sehr schnell tun. Sie werden ist mit ihm geschehen? Wie ist er germanisiert wor- sehen, was dabei herauskommt: eine gute Sache. den? Was ist mit diesem Menschen erfolgt? Ich 20630 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Cem Özdemir glaube nicht, daß man dadurch das Problem lösen weiß nur, daß es irgendwann einmal 100 000 DM wa- wird. ren. Viel mehr wird es gegenwärtig nicht sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Cornelia Schmalz-Jacobsen [F.D.P.]: Es ist sowie bei Abgeordneten der SPD und der genau das gleiche!) Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]) - Sie stimmen mir zu. - Wenn man 100 000 DM für Vielleicht noch einen Satz dazu: Herr Kanther die Öffentlichkeitsarbeit der Ausländerbeauftragten spricht richtigerweise immer davon, daß die Staats- einstellt, dann kann diese Ausländerbeauftragte viel- bürgerschaft auch mit Pflichten verbunden ist. Dem leicht eine Broschüre zum Thema Einbürgerung stimme ich völlig zu. Nur, man sollte nicht vergessen: drucken. Verschicken kann sie sie damit aber nicht Die Pflichten stehen bereits am Beginn des Integrati- mehr; dann muß sie sie schon selber austeilen. Die onsprozesses; die Rechte sollen Ihrer Ansicht nach Regierung dokumentiert damit, daß sie kein Inter- am Ende stehen. Wo da die tiefere Logik ist, das ver- esse daran hat, daß die Einbürgerungen zunehmen. stehe ich ehrlich gesagt nicht. Ich finde, beides ge- Ich wünsche mir eine Regierung, die sagt: Mehr Ein- hört zusammen. Wer in dieser Republik lebt und bürgerungen sind ein Ziel unserer Politik. Wir wer- Steuern bezahlt, der muß Rechte wie Pflichten glei- ben für Einbürgerung. Wir kommen euch entgegen. chermaßen haben, wie dies auch bei einem deut- - Das wäre ehrliche Politik. schen Staatsbürger der Fall ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Dagmar SPD, der F.D.P. und der Abg. Ulla Jelpke Enkelmann [PDS] - Abg. Jochen Feilcke [PDS]) [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischen Ich wünsche mir einen Kanzler, der in einer Neu- frage) jahrsansprache sagt: Wir haben soundso viel Men- - Es gibt, glaube ich, eine Zwischenfrage. schen nichtdeutscher Herkunft bei uns in der Gesell- schaft. Wir freuen uns darüber, daß das so ist. Wir wollen nicht sagen, daß das keine Probleme macht. Herr Feilcke. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir wollen hier nichts beschönigen. Aber es ist eine Realität, und ich wünsche mir, daß sie sich einbür- Jochen Feilcke (CDU/CSU): Herr Kollege Özde- gern lassen. Wir kommen ihnen entgegen. Deshalb mir, Sie sagten gerade: Wer hier lebt und- arbeitet, machen wir ein neues Staatsangehörigkeitsrecht, das der muß auch Rechte haben. Nun hat der Kollege sich in der Mitte trifft. - Das wäre ein modernes Si- Marschewski ausgeführt, daß derjenige, der hier lebt gnal; leider werden wir darauf wahrscheinlich noch und arbeitet, alle Rechte bis auf das Wahlrecht hat. lange warten müssen. Ich bin Abgeordneter des Bundestagswahlkreises (Beifall bei Abgeordneten des Berlin-Kreuzberg und -Schöneberg mit 82 000 Aus- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der ländern und zusätzlich mehr als 10 000 Eingebürger- SPD sowie des Abg. Gerhard Jüttemann ten. So werden Sie vielleicht verstehen, daß ich mit [PDS]) diesem Thema täglich zu tun habe. Zum zweiten Teil der Frage; Herr Kollege, ich habe Nun frage ich Sie folgendes: Nimmt jemand mit Sie lange genug stehen lassen. Sie haben gefragt, der Annahme einer Staatsbürgerschaft nicht das wie es sich mit Loyalität verhält. Ich will Ihnen das neue Land mit seiner Gegenwart, mit seiner Zukunft ganz offen sagen. Ich habe die ersten 18 Jahre mei- und auch mit seiner Vergangenheit an? Wenn Sie das nes Lebens als türkischer Staatsbürger in dieser Ge- bejahen: Halten Sie es für möglich, daß man sich mit sellschaft gelebt. Ich bin nicht der Meinung, daß ich mehreren Staaten so total identifizieren kann? in den ersten 18 Jahren meines Lebens weniger loyal war, als ich es seither bin. Ich bin in dieser Gese ll -schaft geboren. Ich glaube, ich hätte mich nicht Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, ich danke Ihnen für diese Frage. schlechter entwickelt, wenn ich mit der Geburt den deutschen Paß bekommen hätte. Ich glaube, ich Zum ersten Teil dessen, was Sie gesagt haben. Sie wäre im Gegenteil auch dann ein loyaler Bürger ge- haben davon gesprochen, wie viele Einbürgerungen worden. es in Ihrem Wahlkreis gibt. Ich finde das begrüßens- wert. Auf diesem Weg sollten wir gemeinsam voran- Ich will Ihnen folgendes erzählen. Ich war mit mei- gehen. Ich will hier, um klarzumachen, daß es nicht ner Fraktion vor einigen Jahren in Israel. Wir haben um Parteienstreit geht, auch sagen: Beispielsweise dort ein Gespräch mit dem israelischen Schriftsteller- Frau John, die Ausländerbeauftragte von Berlin mit verband geführt. Als wir uns do rt mit meinen Kolle- CDU-Parteibuch, engagiert sich sehr stark, was die gen geäußert haben, hat ein Kollege vom israelischen Einbürgerung angeht. Ich finde, das ist eine sehr Schriftstellerverband den Raum verlassen und ge- gute und begrüßenswerte Sache. sagt: Ich kann mich nicht mit Deutschen über Politik, über Gegenwart unterhalten, so als ob in der Ge- Aber eines muß man dazu sagen, Herr Kollege: schichte nichts geschehen wäre. In dem Moment war Diese Bundesregierung hat für die Öffentlichkeitsar- ich versucht zu fragen: Was habe ich denn damit zu beit der Ausländerbeauftragten der Bundesregie- tun? Meine Eltern kommen nicht aus Deutschland. rung nur einen geringen Betrag vorgesehen. Ich Ich kann nichts für Auschwitz, meine Eltern auch kenne die exakte Summe gegenwärtig nicht; ich nicht. Trotzdem bin ich der Meinung: Ich darf das Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20631 Cem Özdemir nicht sagen. Denn ich bin Bürger dieser Gesellschaft, daß wir mit dieser Politik kein Staatsangehörigkeits- und wenn ich Bürger dieser Gesellschaft bin, dann recht auf europäischer Ebene hinbekommen. muß ich mich zu allen Teilen ihrer Geschichte beken- nen, und ich mache das. Danke sehr, Herr Kollege. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ich will noch einen Satz zu dem anbringen, was bei der SPD und der PDS sowie bei Abge Kollege Feilcke gesagt hat, nämlich dazu, welche ordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Vorteile es hat, was es bringt. Ich weiß nicht, ob es Ih- nen bekannt ist. Es geht ja nicht nur um das Wahl- Das gilt aber nicht nur für mich, das gilt auch für an- recht, das immer im Mittelpunkt der öffentlichen Dis- dere, die in dieser Gesellschaft leben. Ich will hier kussion steht. Es geht auch um ganz andere Dinge. nichts beschönigen; aber ich glaube, das gilt für die Es geht darum, daß man als Nichtdeutscher nicht Mehrheit der Nichtdeutschen in dieser Gesellschaft. niedergelassener Arzt werden kann; es geht darum, Danke sehr. daß man nicht Beamter werden kann; es geht darum, daß man als Nichtdeutscher, auch wenn man hier ( [CDU/CSU]: Keine Ant geboren ist und besser Deutsch als Türkisch spricht, wort auf die Frage!) dann, wenn man straffällig wird, unter Umständen abgeschoben werden kann. Man wird hier straffällig und soll anschließend in der Türkei oder wo auch Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Özdemir, ge- immer resozialisiert werden. statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirsch? Wo, bitte schön, liegt da die Logik? Ich weiß auch nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß man bei uns als Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne. Nichtdeutscher nach der - halten Sie sich fest - Ver- ordnung über das Schornsteinfegerwesen nicht Schornsteinfeger werden darf. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Kollege Özde- mir, wenn man den Argumenten der Kollegen Mar- (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist schewski und Feilcke folgen würde, glauben Sie, daß Quatsch!) es dann jemals eine gemeinsame europäische Staats- - Ich kann es Ihnen gerne zeigen, Herr Kollege Mar- angehörigkeit geben könnte? - schewski. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das des Abg. Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]) widerspricht dem Beamtenrecht! Das kön Ist es nicht so, daß die Integration nicht nur von dem nen Sie nicht!) Ausländer, der sich einbürgern lassen will, verlangt werden muß, sondern daß es auf beiden Seiten Inte- Ich kann mir nicht vorstellen, welche tiefen Geheim- grationsanstrengungen geben muß, indem beide Sei- nisse deutsche Schornsteine bergen, so daß sie davor ten aufeinander zugehen? geschützt werden müssen, daß Nichtdeutsche darin Einblick nehmen könnten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich Ich als jemand, der sich zu dieser Gesellschaft be- glaube, Herr Kollege Hirsch, daß Sie recht haben. kennt, sage Ihnen: Damit kann man sich wirklich nir- Denn eines ist doch klar: Wir brauchen natürlich, gendwo sehen lassen. Wir sollten das so schnell wie langfristig oder mittelfristig gesehen, eine europäi- möglich - und zwar zusammen mit dem Reichs- und sche Regelung für die Staatsbürgerschaft. Wir müs- Staatsangehörigkeitsrecht, das jetzt 85 Jahre auf dem sen beispielsweise das Problem der Drittstaatenaus- Buckel hat - auf dem Schrottplatz der Geschichte länder, über das wir uns noch kaum unterhalten ha- umweltschonend entsorgen - Abteilung Völkisches. ben, dringend mit anpacken. Es kann doch nicht sinnvoll sein, daß die drei Viertel der Nichtdeut- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schen, die bei uns leben und die aus Nicht-EU-Län- sowie bei Abgeordneten der SPD und der dern kommen, nicht einmal die Rechte eines Unions- PDS) bürgers besitzen. Die Schere geht immer weiter aus- Heute werden wir wahrscheinlich auch wieder das einander. Ich behaupte, das ist ein Problem für un- Schauspiel erleben - ich habe vorhin die Kollegen sere Gesellschaft. Das ist nicht ein Problem für die von der Union angesprochen -, daß die Kollegen von Nichtdeutschen; das ist ein Problem für die Mehr- der F.D.P., voran Herr Westerwelle, als Conclusio ih- heitsgesellschaft. rer Ausführungen den Satz bringen werden, daß (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN man es dieses Mal nicht geschafft hat, es letztes Mal sowie bei Abgeordneten der SPD) auch schon nicht geschafft hat, aber es beim näch- sten Mal garantiert schaffen wird. Ich sage Ihnen Wenn wir nicht begreifen, daß ein Problem für die nur: So kommen wir nicht weiter, Herr Kollege We- Mehrheitsgesellschaft existiert, dann werden wir uns sterwelle. Ich glaube nicht, daß man mit einem Verta- noch lange darüber unterhalten und nicht weiter- gen der Problemlösung diese Probleme in den Griff kommen. Deshalb stimme ich Ihnen zu: Ich glaube, bekommen wird - einmal ganz davon abgesehen, 20632 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Cem Özdemir wie realistisch die Perspektive ist, daß Sie in der fion ist, die Fraktion, die immer noch nicht verstan- nächsten Legislaturperiode - bei gleicher Konstella- den hat, tion - an einem Koalitionstisch sitzen werden. Aber darüber hat der Wähler zu entscheiden und nicht (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das müs ich. sen gerade Sie sagen! Blockade, ja! Lausch angriff, Steuerreform, Gesundheitsreform, (Guido Westerwelle [F.D.P.]: Da stimme ich Rentenreform! Das müssen gerade Sie Ihnen zu!) sagen! Außenpolitik! Nein-Sager! Blockade -fraktion!) - Das glaube ich. daß diese Gesellschaft mit ihren sieben Millionen Nichtdeutschen es sich nicht länger leisten kann, ein Ich will Ihnen zur Exegese des Reichs- und Staats- weiteres Jahr verstreichen zu lassen, in dem über angehörigkeitsrechts - man sollte sich vielleicht ge- 100 000 Kinder auf die Welt kommen, die nur deshalb rade in diesem Jahr daran erinnern - aus den Bera- Ausländer sind, weil ihre Eltern Ausländer sind. tungen des Reichstages aus dem Jahre 1912 zitieren. Wenn wir heute beobachten können - Sie alle ken- Der Abgeordnete Herzog von der Wi rtschaftlichen nen ja die Berichte; ich muß Ihnen das nicht zitieren Vereinigung - er ist nicht mit unserem Bundespräsi- -, daß sich ein Teil dieser Jugendlichen in Richtung denten zu verwechseln - hat gesagt, daß zu hoffen auf einen religiösen Fanatismus oder Nationalismus sei, daß dieses Gesetz, entwickelt, beklagen wir alle das. Nur, wenn dem so ist, dann dürfen wir doch nicht länger abwarten, auf der einen Seite verhindern wird, daß weiter- dann müssen wir schnell handeln; dann müssen wir hin wertvolle deutsche Volkselemente dem Rei- diesen Menschen unsere Hand entgegenstrecken che und seiner Stellung in der Welt verloren ge- und ihnen sagen: Hier ist eure Heimat; hier ist eure hen, daß das Gesetz auf der anderen Seite aber Gesellschaft; der Bundestag ist auch euer Parlament; ebenso sicher verhüten möge, daß die deutsche hier wird auch für euch Politik gemacht, nicht in An- Reichs- und Staatsangehörigkeit gewissermaßen kara, nicht in Athen, nicht irgendwo anders. ein Asyl wird für alle möglichen unerwünschten Elemente, die unser Volkstum gefährden und die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keineswegs geeignet sind, den deutschen Namen sowie bei Abgeordneten der SPD und der und deutsches Wesen in der Welt zu Ehren zu PDS und des Abg. Dr. Burkhard Hirsch bringen. - [F.D.P.])

Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir das wollen, dann müssen wir gemeinsam Mit einer solchen Auffassung sollten wir Europa handeln, und dann darf nicht die eine Hälfte die an- nicht aufbauen. Mit diesem Gesetz sollten wir so dere Hälfte blockieren. schnell wie möglich Schluß machen. Lassen Sie uns Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, über unseren Schatten springen und endlich ein mo- zum Schluß noch an folgendes erinnern. Wenn Sie dernes europäisches, republikanisches Staatsange- nachher zur Abstimmung gehen, dann lassen Sie hörigkeitsrecht schaffen, so daß wir solche Dinge zu- vielleicht für einen kurzen Augenblick Revue passie- künftig in Museen finden können, aber nicht in ei- ren, mit wem Ihre Kinder zusammen in der Schule nem modernen Deutschland. sitzen. Dann werden Sie sicherlich - egal, welche Schulart ihre Kinder besuchen - feststellen, daß in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Schulklassen mittlerweile auch Nichtdeutsche sowie bei Abgeordneten der SPD) sitzen. Wenn Sie einkaufen gehen, werden Sie si- cherlich so wie auch ich und viele andere gerne bei Ich will gar nicht in die gewohnte Routine zurück- türkischen oder anderen Gemüsehändlern einkau- fallen, wonach die Opposition die Regierung kritisiert fen. Wenn Sie Ihren Anzug zum Ändern bringen und die Regierung sagt: Alles, was die Opposition müssen, werden beispielsweise meine Mutter und macht, ist falsch. Ich habe großen Respekt - ich sage viele andere ihn zu Ihrer vollsten Zufriedenheit än- das mit vollem Ernst - vor denen in diesem Hause, dern. die sich in den letzten drei Jahren in glaubwürdiger Weise um eine Reform bemüht haben. Ich weiß, daß Das sind alles Menschen, die dieser Gesellschaft das in den jeweiligen Fraktionen nicht immer einfach gegenüber loyal sind und - wie beispielsweise meine war. Ich will das bei der Gelegenheit auch anerken- Mutter - Gewerbesteuer zahlen, aber über die Ver- nen, auch wenn ich einräumen muß - das hat die Kol- wendung der Gewerbesteuer nicht mitentscheiden legin Cornelie Sonntag-Wolgast bereits angespro- dürfen. Ich sage Ihnen: Das hat mit Demokratie chen -, daß diejenigen Kolleginnen und Kollegen nichts zu tun. Wir sollten uns das nicht länger leisten. vielleicht durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, sich stärker durchzusetzen, sich in dieser Frage stär- Ich danke Ihnen. ker von ihrer Fraktion zu lösen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abge Ich will hier nicht päpstlicher sein als der Papst. Ich ordneten der F.D.P.) will Ihnen nur folgendes mit auf den Weg geben. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß die stärkste Frak- tion dieses Hauses nicht die CDU/CSU-Fraktion ist, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste Redne- sondern daß die stärkste Fraktion die Blockadefrak rin die Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20633

Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Frau Präsi- gen, die unser geltendes Recht deutlich verbessert dentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Ge- und einer modernen weltoffenen Demokratie gerecht genstück zum Begriff Ausländer ist nicht Deutscher; wird. Wir haben - das ist bekannt - dafür Bereitschaft das Gegenstück zum Begriff Ausländer ist Inländer. weder beim Partner noch beim Innenminister gefun- Genau um diese geht es bei den Anträgen, die wir den. Wir haben keine Mehrheit in der Koalition ge- heute vor uns liegen haben. funden, obwohl wir Stunden um Stunden darüber gesessen haben. Ich will hier gar nichts verkleistern, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne denn die Bürger sollen wissen, woran sie sind. ten der SPD) Es geht um Kinder, deren Eltern hier schon lange Monatelang haben dann einige Fraktionsmitglie- und rechtmäßig leben, die hier geboren wurden, die der mit mir gemeinsam versucht, in diesem Hause hier geboren werden, die hier aufwachsen und die zu eine fraktionsübergreifende Initiative zustande zu uns gehören. Wir sollten ihnen dieses Zeichen geben: bringen. Nachdem aber nun die Kollegen Geißler, Sie sollten wissen, daß sie zu uns gehören. Altmaier und andere nicht bereit waren, ihre Unter- schrift unter einen entsprechenden Gesetzentwurf zu (Beifall bei der F.D.P.) setzen - dafür hatten sie sicherlich auch gute Gründe -, war die Lage klar. Wer hier koalitionserfahren ist - Es geht nicht um eine doppelte Staatsbürgerschaft, das sind fast alle -, der weiß, daß das dann so ist, wie sondern es geht um eine erleichterte Einbürgerung. es ist. Das war so bei , das war so bei Nach unserer Vorstellung erhält man für einen be- , und das ist nicht anders bei Helmut grenzten Zeitraum zwei Staatsbürgerschaften, ohne Kohl. Als Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, in die geht es nämlich nicht, und danach sollen sich die der sozialliberalen Koalition Verantwortung hatten, jungen Leute entscheiden. Das sieht der vorliegende hat Herbert Wehner Briefe geschrieben, die einen Gesetzentwurf allerdings nicht vor. Komment einforderten, der alles andere in den Ich möchte eine Bemerkung zu den ärgerlichen Schatten stellte. Zahlen um die doppelte Staatsbürgerschaft machen. Innerhalb der Bundesregierung ist mir niemals wi- (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Erwin dersprochen worden bei meinen Schätzungen. Der Marschewski [CDU/CSU]) Mikrozensus, Herr Kollege Marschewski, deckt ei- nen bestimmten Teil ab. Das ist richtig. Aber er deckt Zu meinem eigenen Stimmverhalten möchte ich eben längst nicht alles ab. hier folgendes deutlich machen: Ich werde nicht mit - der Koalition stimmen. Ich habe versprochen, daß ich (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist nicht gegen meine Überzeugung stimmen werde. nicht wahr! Sie haben unrecht! Darüber Das werde ich auch nicht tun. Ich stimme nicht gegen können wir streiten!) Vorschläge, die den meinen näherkommen als das geltende Recht. Allerdings entsprechen sie in einem - Herr Marschewski, ich habe viele Mitglieder in ganz wesentlichen Punkt nicht dem, was meine Frak- meiner Familie, die zwei Staatsbürgerschaften ha- tion und auch viele Kolleginnen und Kollegen aus ben; sie haben sozusagen eine halbe deutsche der CDU/CSU-Fraktion wollen, nämlich eine Opti- Staatsbürgerschaft. onspflicht für eine Staatsbürgerschaft nach Erreichen (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist der Volljährigkeit. Deswegen werde ich mit Enthal- klar! Die gibt es ja auch!) tung stimmen. Ich weiß, daß es meinen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion schwerfällt, hier anders Sie werden in der Statistik nicht aufgeführt, weil sie zu stimmen und die Mehrheit der Koalition sicherzu- nur als Deutsche gezählt werden. stellen. Aber das kommt vor. Meine Damen und Her- (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Aber ren, ihnen zu unterstellen, daß sie nicht nach ihrem Mikrozenzus bei der Befragung!) Gewissen entscheiden, das halte ich nun schlichtweg für pharisäerhaft. Denn auch sie haben natürlich ab- - Glauben Sie es mir jetzt einfach einmal. - Es gibt gewogen, und sie treffen ihre Entscheidung. andere Möglichkeiten, um zwei Staatsbürgerschaf- ten zu erlangen, die nicht vom Mikrozensus erfaßt Zum Schluß lassen Sie mich sagen: Ich bin sicher, werden. Ich glaube aber, dieser Streit führt uns nicht daß spätestens in einem Jahr in diesem Haus ein weiter. Ich stelle hier nur fest: Mir ist nie widerspro- neues Staatsbürgerschaftsrecht verabschiedet wird, chen worden. (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei mußte man leider den Eindruck gewinnen, daß die Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS) Kinder, um die es hier geht, aus dem Blickfeld gera- ten sind. Es ist in der Berichterstattung und auch in das dem entspricht, was wir uns vorstellen. Es wird der öffentlichen Diskussion immer weniger um die mit allen Stimmen der Freien Demokraten beschlos- Kinder und um die rechnerische Mehrheit in diesem sen werden. Das ist übrigens ein gutes Geschenk für Haus gegangen, die für eine sinnvolle Einbürge- den Umzug nach Berlin. Leider werde ich dann nicht rungsregelung ist. Die Berichterstattung und die Dis- mehr mitstimmen. kussion haben sich in den letzten Wochen nur noch um die Frage gedreht, ob die Koalition eine rechneri- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne sche Mehrheit hat oder nicht. Wir haben uns jahre- ten der CDU/CSU, der SPD und des lang bemüht, eine Novellierung auf den Weg zu b rin- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 20634 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer Wir fahren in der Debatte fo rt. Als nächste hat das Kurzintervention hat der Kollege Conradi. Wort Ulla Jelpke.

Peter Conradi (SPD): Frau Abgeordnete, es ist un- Ulla Jelpke (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen strittig, daß in einem parlamentarischen System und Herren! Es ist in der Tat sage und schreibe das Fraktionen notwendig sind, die Meinungen bündeln achte Mal, daß wir in dieser Legislaturpe riode dar- und Mehrheiten schaffen, und daß die Regierungsfä- über diskutieren, das Staatsangehörigkeitsrecht zu higkeit einer Koalition auch davon abhängt, daß man modernisieren. Es wird auch das achte Mal sein, daß sich aufeinander verlassen kann. Darüber besteht wir wieder nicht zu einer Änderung, zu einem Fo rt hier kein Streit. Es ist auch unstrittig, daß die große -schritt für die Betroffenen kommen. Mehrzahl der Gesetze, die wir hier in strittigen Ab- Das gleiche hatten wir bereits in der letzten Legis- stimmungen verabschieden, nicht Überzeugungsfra- laturperiode. Ich erzähle hier nichts Neues, wenn ich gen sind und nicht an das Gewissen rühren, sondern sage: Die Opposition arbeitet Anträge zur Moderni- Fragen der Zweckmäßigkeit, angesichts derer man sierung des Staatsbürgerschaftsrechtes aus, die einem Gesetz auch einmal zustimmt, obwohl man ei- F.D.P. erklärt, sie sei dafür, und stimmt dagegen. Be- gentlich gerne etwas anderes hätte, man aber seine reits 1994 hat die Presse - ich zitiere zum Beispiel aus Fraktion bzw. Koalition beieinanderhalten wi ll. Das der „taz" - geschrieben: haben Sie hier richtig dargestellt. Die FDP folgte der Koalitionsräson und stimmte Es gibt aber Fragen, bei denen es an die Überzeu- gestern gegen die Gesetzentwürfe, die sie inhalt- gung eines Abgeordneten geht, angesichts derer lich trägt und begrüßt hat. man sich fragen muß: Kann ich das verantworten? Kann ich dazu stehen? Ist mir das so wichtig, daß ich Es war nur ein gutes halbes Jahr später, daß die mich hier in den normalen Fraktionsdruck einbinden F.D.P. und die CDU/CSU im Koalitionsvertrag ankün- lasse? Das machen die Fraktionsvorsitzenden und die digten, daß sie die sogenannte Kinderstaatsangehö- Parlamentarischen Geschäftsführer mit der Drohung: rigkeit durchsetzen wollten. Wir alle wissen, daß das Wenn du anders abstimmst, ist die Koalition am eine rechtliche Seifenblase war, eine sogenannte Ende. Schnupperstaatsangehörigkeit. Herr Westerwelle hat jenen Koalitionsvertrag in diesen Tagen als einen (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Siehe schlechten Koalitionsvertrag bezeichnet. Ich bin ge- Lauschangriff!) spannt - er wird heute hier noch einiges dazu sagen - Ich habe hier mehr als einmal anders abgestimmt -, wie er erklärt, daß er heute wieder gegen den Ge- als meine Fraktion. Meine Fraktion meint: zu häufig. setzentwurf stimmen wird, obwohl er eigentlich dafür Sie hat mich das auch spüren lassen. Es ist aber auch ist. eine Frage der Selbstachtung, wie man vor sich Ich frage mich - ich glaube, nicht nur ich, sondern selbst dasteht, wenn man sich nach einer solchen Ab- auch die Wähler und Wählerinnen, die betroffenen stimmung sagen muß: Ich habe das, was mir wichtig Bürger und Bürgerinnen fragen sich -: Für wie naiv war, was meine Grundüberzeugung war, verraten, wollen Sie sie eigentlich erklären? Wie lange soll die- um eine Koalition zu erhalten, die in Wirk lichkeit ses Spiel noch weitergehen? Wir haben hier gerade nach dieser Abstimmung, wie immer sie ausgeht, von Frau Schmalz-Jacobsen gehört, ganz bestimmt weiterbestehen würde. in der nächsten Legislaturpe riode werde die Reform (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: des Staatsangehörigkeitsrechts durchgesetzt wer- Ganz schön edel!) den. Ich weiß nicht, ob die Menschen das noch glau- ben dürfen. Wir werden dann wahrscheinlich neue Das war auch bei Herbe rt Wehner so. Wir wußten Bedingungen hier im Bundestag haben. Aber ich doch: Die Koalition wird auch nach einer strittigen denke, es ist eine Farce. Abstimmung weiterbestehen, selbst wenn sie in ei- ner bestimmten Frage keine Mehrheit mehr hatte. Ich möchte, ähnlich wie das der Kollege Conradi und andere hier bereits deutlich gemacht haben, sa- Meine Frage an Sie und Ihre Kollegen - auch an gen: Sie hatten alle Möglichkeiten, dieses Staatsan- die Abgeordneten der Union, die bei dieser Entschei- gehörigkeitsrecht mit zu verändern. Ich meine, daß dung mit sich ringen - ist: Fürchten Sie nicht , daß auch der Hinweis auf den sogenannten großen das Ansehen des Hauses, der Abgeordneten, das in Lauschangriff, den Sie in diesen Tagen gebracht ha- den letzten Jahren Schaden genommen hat, weiter ben, weil Sie dabei die Fraktionsräson einmal nicht beschädigt wird, wenn der Eindruck entsteht, wir eingehalten haben, stimmten in solchen Fragen nicht nach unserer Über- zeugung ab, sondern nach einer Koalitionsräson, das (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Aber heißt nach Gründen, die nicht mit unserer tiefen Sie! - Joachim Hörster [CDU/CSU]: Aber Überzeugung zusammenhängen? Sie haben sie eingehalten!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne sehr schlecht ist. Wir alle wissen, daß Sie von der ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) F.D.P. zugestimmt haben, daß das Grundgesetz ver- ändert wird. Lediglich beim Vermittlungsergebnis, bei dem es nur um kosmetische Veränderungen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Möchten Sie ant- ging, haben Sie tatsächlich einmal die Koalition ver- worten? - Nein. lassen und anders gestimmt. Ich meine, daß gerade Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20635

Ulla Jelpke in der Frage der Staatsangehörigkeit, bei der es um Dies gilt allemal für die Kinder dieser Eltern, die in Millionen von Menschen geht, denen gleiche Rechte die deutsche Gesellschaft hineinwachsen und deren und Erleichterungen in unserer Gesellschaft hin- Integrationsprozeß wir begleiten und unterstützen sichtlich ihres Lebens und ihrer Arbeit verschafft müssen. werden sollen, für die Betroffenen etwas herausge- kommen wäre. Darum haben schon im Herbst 1995 rund 30 Abge- ordnete der Unionsfraktion den Vorschlag der Ein- (Beifall bei der PDS) führung einer Kinderstaatsangehörigkeit gemacht. Wir haben vorgeschlagen, daß die Kinder der dauer- Die PDS hat sehr viel weitergehende Forderungen haft und rechtmäßig in unserem Land lebenden El- als die, die heute zur Abstimmung stehen. Die PDS tern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit will, daß die Einbürgerung nicht erst in der dritten erhalten, daß sie sich aber dann, wenn sie Erwach- Generation stattfindet, sondern: Wer hier geboren ist, sene sind, zwischen der deutschen Staatsangehörig- soll Deutsche bzw. Deutscher sein. Das muß ganz keit und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern ent- klar sein. Wir haben oft deutlich gemacht, daß Men- scheiden müssen. Wir sind der Auffassung, daß die- schen ausländischer Herkunft dieselben Rechte ha- ser Vorschlag eine größere psychologische Wirkung ben wie Deutsche müssen, wenn sie ihren Lebens- gehabt hätte als eine rechtliche Veränderung. Das ist mittelpunkt hier sehen. Ich möchte mich nicht auf der entscheidende Punkt. das Zahlenspiel von Herrn Marschewski einlassen. Ich stimme Frau Schmalz-Jacobsen voll zu: Etwa (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU 2 Millionen Menschen haben die doppelte Staatsan- und der F.D.P. - Erwin Marschewski [CDU/ gehörigkeit, und ich weiß überhaupt nicht, warum CSU]: Sehr wahr!) Sie hier einen solchen Aufstand machen. Herr Mar- Die Umsetzung dieses Vorschlags wäre die Mittei- schewski hat sehr deutlich gezeigt: Ihm geht es hier lung an die Kinder: Ihr seid willkommen und ein Teil reinweg um Ideologie und nicht um die Sache sel- unserer Gesellschaft. Wir wollen, daß ihr dazugehört. ber. Aber wir erwarten von euch, daß ihr euch dann, Wir werden - trotz Unzuf riedenheit mit dem An- wenn ihr erwachsen seid, entscheidet, ob ihr die trag diesem heute zustimmen, auch deshalb, weil deutsche Staatsangehörigkeit oder die eurer Eltern sich einige F.D.P. ler vielleicht noch überlegen, den annehmt. Weg mitzugehen. Ich bin in der Tat der Meinung, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU daß ein Zeichen gesetzt werden muß. und der F.D.P.) Ich habe schon gestern abend in der Debatte über Wir haben in der Union über dieses Thema einen das Europäische Jahr gegen Rassismus 1997 gesagt: intensiven Diskussionsprozeß initiiert und organi- Die ausländischen Mitbürger wollen Signale, daß sie siert. Wir haben in der Union eine offene Arbeits- zu uns und in diese Gesellschaft gehören und daß sie gruppe dazu gehabt; wir haben das Thema breit in dieselben Rechte haben. Das sollten wir in diesem der Fraktion diskutiert. Ich finde, es zeichnet die Haus endlich umsetzen. Union aus Danke. (Abg. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD] (Beifall bei der PDS) meldet sich zu einer Zwischenfrage) - ich führe das gerade zu Ende, und dann beantworte Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich rufe jetzt den ich Ihre Frage -, daß wir darüber offen diskutiert ha- Kollegen Norbert Röttgen auf. ben; denn die Probleme, die auch wir mit diesem Thema haben, sind doch die Probleme der Gesell- schaft. Wir müssen das Forum sein, wo diese Debat- Norbert Röttgen (CDU/CSU): Frau Präsidentin! ten stattfinden können. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wich- tigste Ziel der notwendigen Reform des geltenden Ich finde es ein bißchen merkwürdig, daß bei der Staatsangehörigkeitsrechts besteht in der Integration SPD diese Diskussion offensichtlich nicht stattfindet. der rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland leben- Anscheinend herrscht bei Ihnen Friedhofsruhe - die den Ausländer. Es ist schon gesagt worden, und es Probleme der Gesellschaft werden bei Ihnen nicht stimmt: Es geht nicht um die Ausländer, sondern es diskutiert -, und es ist eine falsche Behauptung, daß geht um eine ganz bestimmte Gruppe unter den Aus- die SPD für diese Themen offen sei. ländern, nämlich um diejenigen, die hier leben, de- ren Vorfahren zum Teil schon hier geboren sind und (Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch deren Zukunft in unserem Land liegt. bei der SPD) Sie trauen sich doch in Wahrheit gar nicht, diese Dis- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU kussion durchzuführen. Das ist auch ein Punkt, der sowie der Abg. Cornelia Schmalz-Jacobsen eine offene parlamentarische Debatte beeinträchtigt. [F.D.P.]) (Otto Schily [SPD]: Wo ist Friedhofsruhe?) Weil diese Menschen Teil unserer Gesellschaft sind, ist Integration ohne vernünftige Alte rnative. - In Ihrer Partei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, (Otto Schily [SPD]: Nein, auch nicht in der der F.D.P. und der SPD) Partei!) 20636 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Kollegin aber bei Ihrem Wahlkampf machen wir nicht mit. Sonntag-Wolgast. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Herr Kollege Röttgen, ich kann Sie in dieser Hinsicht beruhigen: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gestatten Sie noch Wir haben sehr intensiv und immer wieder über alle eine zweite Zwischenfrage? Modalitäten von Anträgen diskutiert, auch um dieses Plenum zur Behandlung dieses Themas zu zwingen. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Ja, bitte. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Gar nicht wahr!) Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Darf ich Ich habe eben sehr aufmerksam beobachtet, wer meine Frage wiederholen? Sie haben sie offenkundig bei Ihren Ausführungen zur Option einer doppelten nicht verstanden. Ist Ihnen klar, daß der Antrag, der Staatsangehörigkeit bis zum 18. oder 23. Lebensjahr jetzt eingebracht wurde, die einzige Möglichkeit applaudiert hat. Es fiel mir auf, daß breite Teile Ihrer war, Ihre Blockadepolitik zu durchbrechen? Sie hät- Fraktion applaudiert haben. Wenn Sie sagen, daß Sie ten nämlich die Chance gehabt, die Bundesratsinitia- sich immer sehr bemüht haben, aber nicht zum Zuge tive bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag im Plenum zu gekommen seien, dann muß ich Sie fragen: Warum verschieben. haben Sie es in den letzten Tagen, in denen sich die Auseinandersetzung noch einmal zuspitzte und in Die Frage, die ich daran anschließen möchte, lau- denen offensichtlich ein breiter Konsens zu existieren tet: Ist Ihnen nicht klar, daß ich mit dem Änderungs- schien, nicht noch einmal mit einem Änderungsan- antrag aus Ihren Reihen genau das Optionsmodell meinte, für das Sie soeben so lebhaft eingetreten trag versucht? sind? Es stellt den letzten parlamentarischen Versuch einer übergreifenden Einigung mit dem Ziel dar, so Norbert Röttgen (CDU/CSU): Ich will gerne darauf etwas wie eine Optionslösung in einen Antrag hin- eingehen. Es ist eine Minderheit, aber eine beachtli- einzuschreiben. Er hat nichts mit dem Ursprungsan- che Minderheit, die den Vorschlag für richtig hält, trag zu tun, sondern er wäre die erste originäre parla- daß sich die erwachsenen Jugendlichen entscheiden mentarische Initiative aus Ihren Reihen in dieser Le- müssen. Das ist übrigens nicht der Inhalt des Bundes- gislaturperiode gewesen. Es ist doch nichts gekom- ratsgesetzentwurfs. men. - (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wahr!) Sie sehen eine unbefristete, generelle doppelte Norbert Röttgen (CDU/CSU): Frau Kollegin Sonn- Staatsangehörigkeit vor, die weitervererbt wird. Das tag-Wolgast, ich will es Ihnen noch einmal deutlich wollen wir nicht. sagen: Wir sind nicht so naiv, daß wir Ihnen die hier vorgetragene scheinbare moralische Empörung ab- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - nehmen. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wo ist Ihr Antrag?) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Darin liegt der inhaltliche Unterschied. Unsere Auf- fassungen sind nicht identisch. Wir haben in der Union einen intensiven Diskussi- onsprozeß erlebt. Ich sage Ihnen noch eines: Das Nun komme ich zu der Debatte und der Abstim- Thema der Integration können Sie nicht ,, durchset- mung heute hier im Parlament. Ich wi ll Ihnen ganz zen"; Sie brauchen dafür einen gesellschaftlichen offen sagen, wie ich das sehe, meine Damen und Konsens, Sie brauchen dafür die Akzeptanz in der Herren. Sie haben jetzt einen neuen läppischen An- Gesellschaft. Wir machen es nicht so wie Sie: Sie trag eingebracht. Es gibt zu Ihrem läppischen Antrag stimmen in der einen Sitzungswoche dem Kompro- nur eine politische Bewertung: Ihnen geht es jetzt im miß zum großen Lauschangriff zu, und wenn es in beginnenden Wahlkampf nicht um das Sachanliegen der nächsten Sitzungswoche eine andere taktische der Integration. Das ist doch ein vorgeschobenes An- Situation gibt, ist Ihre inhaltliche Position eine an- liegen. dere. Wir machen die inhaltliche Beliebigkeit der So- zialdemokraten nicht mit, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Wahrheit ist, daß Sie dieses schwierige, auch sondern arbeiten an einem Thema. konfliktträchtige Thema der Integration der Auslän- der instrumentalisieren und für Wahlkampftaktik, Ich finde es deshalb gut, daß diese Diskussionen Wahlkampfanliegen und machtpolitische Zwecke bei uns stattfinden, weil - um es noch einmal zu sa- mißbrauchen. Sie instrumentalisieren dieses Thema, gen - das Thema der Integration ein schwieriges ist. und damit dokumentieren Sie auch, was es Ihnen ei- Es ist ein Thema, ein Anliegen, das man weder ver- gentlich wert ist. Sie wollen Wahlkampf machen, ordnen noch durchsetzen kann. Wir müssen statt dessen werben. Wir müssen für die Notwendigkeit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU der Integration mit dem Argument, daß es zu ihr und der F.D.P.) keine Alternative gibt, argumentieren. 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Norbert Röttgen Meine Damen und Herren von der SPD, ich will es daß wir heute in der Sache debattieren können. Das noch einmal betonen: Bei dieser Abstimmung und wissen Sie doch ebenso gut wie ich. Debatte, die Sie heute bewußt in die Wahlkampfzeit gelegt haben, geht es Ihnen nicht um das Sachanlie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gen. Nein, es ist die reine Heuchelei, und gerade bei ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN diesem Thema sollten Sie nicht heucheln. und der PDS) Präsentieren Sie dem Deutschen Bundestag doch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nicht solche Unwahrheiten! Aber wie Sie Ihren Wahlkampf organisieren, müs- Wenn Sie anderer Meinung sind - was Ihr gutes sen Sie rechtfertigen. Sie müssen wissen, ob dieses Recht ist! -, wichtige, konfliktträchtige Thema zum Wahlkampf taugt. Ich will Ihnen nur eines sagen: Wer das Thema (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Danke!) der Integration, wer das Thema der Ausländerpolitik dann muß ich Sie fragen: Wo, bitte schön, ist Ihr An- zum polarisierenden und emotionalisierenden Wahl- trag? kampfthema macht, der muß wissen, daß es unter den demokratischen Parteien keine Gewinner geben (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne wird. Die Extremen werden durch die Polarisierung ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gewinnen. und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Immer nur Versprechungen! Der Bundeskanzler per- Diejenigen, die das tun, müssen wissen, daß sie in sönlich hat seit Jahren aus Anlaß schmerzlicher, trau- Wahrheit dem Sachanliegen der Integration einen riger und schrecklicher Ereignisse eine Reform des Bärendienst erweisen. Dafür wollen wir nicht die Ver- Staatsangehörigkeitsrechtes versprochen. Wo ist die antwortung übernehmen. Wir bleiben der Sache Einlösung dieses Versprechens, Herr Kollege Rött- treu, wir treten weiter für sie ein, allerdings nicht so gen? wie Sie. Wir machen mit ihr keinen Wahlkampf, bei (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne dem alle Demokraten verlieren werden. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann Herzlichen Dank. [PDS]) - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Man kann sich durch viele Interviews das Etikett „die jungen Wilden" aneignen wollen,

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer (Lachen bei der SPD) Kurzintervention hat der Kollege Schily. aber ich spüre von dieser „Wildheit" nichts, Herr Kol- lege Röttgen. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr gut!) (Zustimmung bei der SPD)

Otto Schily (SPD): Herr Kollege Röttgen, Sie haben Wenn man diesen Anspruch erheben will, dann muß hier die Behauptung aufgestellt, wir debattierten in man auch heute zu seinen Überzeugungen mit einem Wahlkampfzeiten sehr absichtsvoll über diese Antrag stehen und darf nicht nur irgendwelche Wo rt schwierige Frage, von der viele junge Menschen be- -girlanden präsentieren. troffen sind und um deren Schicksal es in dieser De- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne batte geht. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sagen [PDS]) Sie einmal Ihre Position zum Lauschangriff!) Nun noch ein Wort zur Frage der akustischen Das war Ihre Behauptung. Nur, Herr Kollege Rött- Überwachung. gen, wissen Sie eigentlich, daß Sie es sind, daß die Koalition es ist, die die abschließende Beratung die- (Zurufe von der CDU/CSU) ser Gesetzesvorhaben im Innenausschuß über Jahre - Ich sage Ihnen dazu nur einen Satz. - Wir haben verschleppt hat? mühsam einen Kompromiß erreicht. Sie wissen aber, daß sich in den Verhandlungen unterschiedliche (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Auffassungen gegenüberstanden. DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]) (Zuruf von der CDU/CSU: Peinlich ist das!) Wir hätten schon längst über diese Fragen entschei- Bekanntlich gibt es in Bundestag und Bundesrat nun den können. einmal unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse. Daran haben Sie sich bis heute leider nicht gewöh- Nun frage ich Sie: Wer verweigert sich denn? Wir nen können. Deshalb gibt es einen Vermittlungsaus- haben einen Antrag nach dem anderen vorgelegt. schuß. Es ist das gute Recht des Bundestages - er hat Den formalen Antrag, den Sie heute kritisiert haben, davon Gebrauch gemacht; ich danke den Kollegen mußten wir doch nur einbringen, um Sie zu zwingen, von der F.D.P., daß es zustande gekommen ist -, die 20638 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Otto Schily Annahme des Vermittlungsausschußergebnisses zu Staatsminister Gerhard Bökel (Hessen): Frau Präsi- ermöglichen. Also: Sie müssen einmal die Verfassung dentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir studieren. Es gibt solche Möglichkeiten, und es ist zwei Vorbemerkungen. Ich hätte ja, Herr Kollege politisch völlig legitim, sie zu nutzen. Marschewski - nachdem wir uns schon etwas länger kennen -, wetten können, daß Sie diese Einbürge- Vielen Dank. rungsdebatte genau mit der Behauptung beginnen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne sozialdemokratische Innenminister hätten nichts an- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) deres im Kopf, als ausländische Straftäter hierzulas- sen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege Rött- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gen. Meine Damen und Herren, das ist so billig!

Norbert Röttgen (CDU/CSU): Herr Kollege Schily, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne bevor ich zur Sache komme, möchte ich einen Satz ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) auf Ihre Person verwenden. Noch ist dies alles Bundesrecht. Sie können kriti- (Zuruf von der SPD: Röttgen, der Wilde!) sieren, daß man bei der Gesetzgebung unterschiedli- che Auffassungen hat; aber bei der Anwendung der Die Geschwindigkeit, mit der Sie innerhalb weniger Gesetze lassen wir uns von Ihnen weder in Hannover Wochen Ihre inhaltliche Position und Ihr Abstim- noch in Wiesbaden etwas zum rechtsstaatlichen Han- mungsverhalten zum Thema des sogenannten gro- deln erzählen. ßen Lauschangriffs gewechselt haben, war beacht- lich. Das werde ich nicht in einer ganzen Legislatur- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) periode zustande bringen, Herr Kollege Schily. Das ist falsch; das ist zynisch. Wer es so öffentlich im- (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU - Bei mer wieder behauptet, handelt auch fremdenfeind- fall bei der F.D.P. - Otto Schily [SPD]: lich, weil er etwas schürt, was in diese Gesellschaft Stimmt nicht! Das ist eine glatte Unwahr nicht hineingehört. heit!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Sie sind geradezu der personifizie rte Ausdruck der ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - neuen Beliebigkeit der SPD. Sie sind der- Ausdruck Zuruf von der SPD: Mit Marschewski würde einer opportunistischen Haltung. ich mich gar nicht befassen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Zweite Vorbemerkung. Herr Kollege Röttgen, es mag ja sein, daß Sie es so empfinden, daß hier auch Ihre Person macht es besser deutlich als viele Argu- Wahlkampf gemacht wird. Ich weiß, der findet bei Ih- mente, die man hier vortragen kann. nen gar nicht statt. Es hat ja auch keinen Sinn mehr! (Otto Schily [SPD]: Sie sagen die Unwahr (Beifall bei der SPD - Wolfgang Zöller heit!) [CDU/CSU]: Hochmut kommt vor dem Fall!) - Auch Ihre Empörung kann nicht darüber hinweg- Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß das Ver- täuschen, daß das der wahre Sachverhalt ist. Das Ge- fassungsorgan Bundesrat dem Bundestag schon vor schrei, das Sie erheben, paßt genau zu dem, was ich drei Jahren eine Entschließung vorgelegt hat mit der gesagt habe. Bitte, endlich etwas auf den Weg zu bringen. Es ge- Zur Sache: Es geht Ihnen mit der Plazierung dieses schah nichts. Themas um Wahlkampf. Sie wollen das zum Wahl- (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: So ist kampfthema machen. Der Beweis ist dieser läppi- es!) sche, oberflächliche Antrag. In ihm ist nicht von den Problemen und der wirklichen Thematik die Rede. Dann habe ich im Bundesrat für das Land Hessen ei- Das ist ein läppisches Ding, das einfach mal so hinge- nen Gesetzentwurf eingebracht. Er hat die Mehrheit schrieben worden ist und das der Sache nicht ange- des Bundesrates bekommen. Dann hat der Bundes- messen ist. Es ist kein ehrenhaftes Verfahren, was kanzler diesen Entwurf dem Verfassungsorgan Bun- Sie hier an den Tag legen. Sie mißbrauchen dieses destag zur Entscheidung vorgelegt. Ich war im In- wichtige Anliegen. Wir nehmen diese Sache ernst. nenausschuß des Bundestages, wurde aber wegge- Wir tun uns auch schwer damit. schickt. Herr Marschewski und andere haben damals gesagt: Das wird Anfang 1998 erledigt. - Wir haben (Lachen bei der SPD) Anfang 1998, und nichts geschieht. Das ist auch richtig, weil die Sache eine schwierige ist. Wir lassen uns von Ihnen nicht zu diesem billigen Herr Minister, ge- Wahlkampf verleiten. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: statten Sie eine Zwischenfrage? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P. - Zurufe von der SPD) Staatsminister Gerhard Bökel (Hessen): Sofort. - Dann zu sagen, das sei Wahlkampf, ist eine Unver- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der schämtheit gegenüber dem anderen Verfassungsor- Staatsminister Gerhard Bökel aus Hessen. gan; denn Sie sind nicht bereit, im Bundestag eine Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20639

Staatsminister Gerhard Bökel (Hessen) Antwort auf das zu geben, was der Bundesrat Ihnen neter Belle, CDU, hat im Oktober gesagt: Wir sind vorgelegt hat. noch immer in der Lage, dieses Problem in der lau- fenden Legislaturperiode zu lösen. - Herr Röttgen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne wir erwarten eine Antwort. Hierbei handelt es sich ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nicht um Wahlkampf, sondern um eine Anforderung und der PDS) dessen, was Sie in den Raum gestellt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Jetzt die Zwischen- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN frage des Kollegen Marschewski. und des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]) Beschränken wir uns doch einmal auf das, was der Erwin Marschewski (CDU/CSU): Herr Staatsmi- nister, ich habe vorhin ausgeführt, daß in Nordrhein Bundesrat vorgelegt hat! Wir haben doch nichts vor- Westfalen und in Niedersachsen abgelehnte Asyl- gelegt oder beschlossen, was in irgendeiner Weise bewerber und straffällige Ausländer zu wenig abge- dem widerspricht, was Herr Röttgen und andere und schoben würden. Ist Ihnen bekannt, wie viele straf- auch die F.D.P. bisher von sich gegeben haben. Die fällige Ausländer in Niedersachsen im letzten Jahr zu Realität ist: Der Anteil der Ausländer an der Wohn- verzeichnen waren - nämlich 200 000 - und wie viele bevölkerung beträgt 9 Prozent. Es ist doch keine rot- Herr Schröder davon abgeschoben hat? Ganze vier, grüne Erfindung - alle Voraussagen laufen darauf Herr Staatsminister. Das ist die Wahrheit. hinaus -, daß er, wenn wir im rechtlichen Bereich nichts ändern, im Jahre 2040 30 Prozent betragen (Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch wird. Und das ist gar nicht mehr lange hin. bei der SPD) Kein Staat der Welt kann es auf Dauer hinnehmen, daß ein zahlenmäßig bedeutender Teil der Bevölke- Staatsminister Gerhard Bökel (Hessen): Herr Ab- rung über Generationen hinweg außerhalb der staat- geordneter Marschewski, ich habe Ihnen schon ein- lichen Gemeinschaft und außerhalb der Loyalitäts- mal in einer Debatte des Bundestages gesagt: Ich bin pflichten ihm gegenüber steht. bereit, jeden einzelnen Fall in Hessen und in anderen Ländern durchzugehen. Dann werden wir sehen, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem was machbar und auch rechtlich umsetzbar ist. Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich freue mich, daß die SPD und auch die Grünen (Dr. Willfried Penner [SPD]: Was- hat das eigentlich mit der doppelten Staatsangehö dem Beifall zollen. Das hätten Sie ebenso tun sollen, rigkeit zu tun?) meine Damen und Herren; denn das war ein Zitat aus einer Antwort der Regierung Kohl/Genscher auf Sie wissen, daß wir Verwaltungsgerichte haben, die eine Anfrage im Deutschen Bundestag aus dem genau dies verhindern. Jahre 1984. Meine Damen und Herren, die Zeit läuft weg. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Lachen bei der CDU/CSU) Wo ist denn die Antwort auf diese Feststellung der - Herr Seiters, Sie als ehemaliger Innenminister wis- Regierung seit dem Jahre 1984? Haben Sie denn sen doch sehr gut, daß es selbst dann, wenn eine Ver- nicht zur Kenntnis genommen, was uns das Bundes- waltungsbehörde entschieden hat, in diesem Rechts- verfassungsgericht auferlegt hat, nämlich daß wir die staat noch Mechanismen gibt, die nicht alles das Wohn- und Staatsbevölkerung zusammenführen möglich machen, was man sich wünscht. müssen und die Schere sich nicht immer weiter öff- (Beifall bei der SPD) nen darf? Am 2. März meldet die Deutsche Presse-Agentur: (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]) Die Bundesregierung hat bestätigt, daß die Re- form des Staatsangehörigkeitsrechts nicht mehr Es kann uns nicht gleichgültig sein, ob hier 2 Millio- verwirklicht werden kann. nen oder 3 Millionen Menschen auf Dauer wohnen, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, oder ob es (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Eine 7 Millionen, 8 Millionen oder 10 Millionen sind. Ge- Affäre nach der anderen!) nau das provozieren Sie doch, meine Damen und Herren. Meine Damen und Herren, das ist eine zeitlose Mel- dung von dpa. Sie ist vom Jahre 1994. Das hätte auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne am 2. März 1998 gemeldet werden können - weil ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hier nichts geschieht. Es ist von der Opposition schon und der Abgeordneten Dr. Burkhard Hirsch darauf hingewiesen worden, daß es schon in der Ko- [F.D.P.] und Dr. [PDS]) alitionsvereinbarung von 1990 steht. Nun zur Integration. Meine Damen und Herren, War es nicht so, meine Damen und Herren, daß wer hat denn etwas gegen Integration? Natürlich ist noch im Oktober letzten Jahres von der CDU zu die- das ein wichtiger Eckpfeiler für die Einbürgerung, sem Thema gesagt wurde: „Keine Hektik! Wir sollten also dafür, deutscher Staatsbürger zu werden. Hier in Ruhe beraten. Wir werden das aber noch in dieser arbeiten, hier Steuern zahlen, hier Kinder bekommen Legislaturpe riode hinbekommen. "? - Herr Abgeord und in Vereinen mitarbeiten - das ist Integration. Es 20640 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Staatsminister Gerhard Bökel (Hessen) geht nicht um die Frage, ob man in diesem Land vor- Stellen Sie sich eine Entbindungsstation vor, auf übergehend eine zweite Staatsangehörigkeit hat. der ein Kind von deutschen Eltern geboren wird, auf der ein Kind von einer jungen Türkin oder einer jun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gen Spanierin geboren wird und ein Kind von einer ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Frau geboren wird, die bisher in Kasachstan oder Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist Rußland gelebt hat und die doppelte Staatsangehö- wahr! - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt rigkeit hat. Warum sollen diese Kinder denn unter- haben Sie sich aber selber widersprochen! schiedlich behandelt werden? Wollen Sie Integra- Das haben Sie gar nicht gemerkt!) tionsanforderungen schon an Kinder stellen, die noch gar nicht auf der Welt sind? Das ist der falsche Weg. - Es ist doch völlig klar: Eine vorübergehende dop- pelte Staatsangehörigkeit kann nicht zum Maßstab (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne unseres Handelns gemacht werden. Was Sie da auf- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) bauen, das versteht kein Mensch. Zum Abschluß möchte ich noch einmal auf Herrn Großbritannien: Wer dort geboren wird, ist Englän- Röttgen kommen. Herr Röttgen, ich glaube, wir kön- der. Frankreich: Es gibt keine Bedingung; wird man nen uns, ohne daß ich hier jetzt für die SPD-Bundes- da geboren, ist man Franzose. In den Niederlanden, tagsfraktion oder die Opposition sprechen darf, sehr in Belgien, in Italien und Spanien ist es auch so. Und schnell verständigen. Sie haben gegen den Gesetz- da sagen Sie: Der Staat bricht zusammen, wenn wir entwurf, den der Bundesrat eingebracht hat, im das in Deutschland genauso regeln. Grunde genommen keine Bedenken, sowohl was die Einbürgerung als auch was die automatische Staats- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- angehörigkeit für diejenigen bet rifft, von denen ein ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Elternteil hier geboren ist. Sie sagen nur, mit der und der Abgeordneten Dr. Burkhard Hirsch Volljährigkeit müsse die Verpflichtung verbunden [F.D.P.] und Manfred Müller [Berlin] [PDS]) sein, sich zwischen der einen und der anderen Ich gebe ja zu - Herr Altmaier und Herr Röttgen Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Bringen Sie die- hatten im November darauf hingewiesen -, daß es sen Änderungsantrag ein, und ich bin sicher, Sie be- andere Länder gibt, in denen dies so geregelt ist wie kommen im Bundestag und im Bundesrat dafür eine in der Bundesrepublik: in Andorra und Liechtenstein. Mehrheit. Aber, meine Damen und Herren, das sind doch nicht (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die Maßstäbe für die Bundesrepublik Deutschland.- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Eylmann. Ich bitte Sie deshalb: Nehmen Sie die Chance an, die der Bundesrat mit einem Gesetzentwurf anbietet, Horst Eylmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Ver- (Zuruf von der CDU/CSU: Nein!) ehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben mich an- gesprochen, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast. Ich denen, die hier integriert sind, die Möglichkeit einer möchte dazu in aller Ruhe drei Bemerkungen ma- vorübergehenden doppelten Staatsangehörigkeit, chen. die Möglichkeit, Deutscher zu sein, zu geben! Erstens. Daß die Opposition in der gegenwärtigen Der entscheidende Punkt des Gesetzentwurfes, Situation versucht, die Regierungsfraktionen ausein- den ich im Bundesrat eingebracht habe und der hier anderzudividieren, ist legitim. Wir würden das in der heute zur Abstimmung steht, ist, daß Kinder, die hier anderen Situation genauso machen. Aber genauso - geboren sind und von denen ein Elternteil auch jetzt seien Sie bitte mit sich ehrlich - würden Sie in schon hier geboren ist - das ist die dritte Generation -, dieser Situation die Reihen schließen. Daß Sie das be- automatisch Deutsche werden. Wer kann denn ge- streiten und von Glaubwürdigkeit reden, auch das gen diese Aussage etwas haben? will ich Ihnen noch zugestehen. Aber, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, im Gegensatz zum Kollegen Özde- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne mir haben Sie übertrieben. Ich sage Ihnen sehr deut- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN lich: Ich werde gegen Ihren Antrag stimmen und und des Abg. Manfred Müller [Berlin] schäme mich deshalb nicht. Ich glaube auch, daß ich [PDS]) von Ihnen keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Und da redet Herr Marschewski von dem Mißbrauch, Glaubwürdigkeit und Gewissensentscheidung benö- der damit betrieben werden kann! Herr Marschew- tige. ski, wenn ein Kind hier geboren wird, dessen Mutter (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) oder Vater, ohne deutsche Staatsangehörige sein zu müssen, schon immer hier leben, dann kann man Das zweite ist eine Bemerkung an die Koalition doch diesem Kind - das wäre doch weit weniger als und an meine eigene Fraktion. Ich bedauere außeror- das, was alle anderen Länder tun - die deutsche dentlich, daß es nicht möglich gewesen ist, unsere Staatsangehörigkeit geben. Das ist übrigens auch ein Vereinbarung in der Koalition durchzusetzen, das sehr unbürokratisches Verfahren. Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren. Bei gutem Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20641

Horst Eylmann Willen allerseits wäre ein Kompromiß möglich gewe- der Bundesregierung in der Regel durchgeführte sen. Praxis bezieht, von einem Eingebürgerten die Auf- (Zurufe von der SPD: Sehr richtig! - So ist gabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit zu ver- es!) langen. Ich bin auch der Meinung - das will ich ausdrück- Ich sage noch einmal, daß wir das Thema gern frü- lich unterstreichen -, daß wir eine zeitlich be- her, entschiedener und konstruktiver behandelt hät- schränkte doppelte Staatsangehörigkeit für einen be- ten, wenn Sie aus der Koalition die Weichen dafür stimmten Personenkreis in der nächsten Wahlperiode gestellt hätten. bekommen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, (Beifall bei der SPD) wie die Wahl ausgeht. Wir haben über Jahre hinweg Anträge einge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU bracht. Wir haben im Innenausschuß des Bundesta- und der F.D.P.) ges darauf dringen müssen, daß die parlamentari- schen Rechte der Opposition überhaupt gewahrt Es gibt eine breite Strömung in diese Richtung. blieben. Bedauerlicherweise ist durch Ihr Verschul- Wenn eine sehr angesehene konservative Tageszei- den - nicht durch Ihr persönliches, aber durch das Ih- tung schreibt „Wir brauchen eine Einbürgerungsof- rer Fraktion - erst im Januar dieses Jahres über uralte fensive", dann spricht das für sich. Anträge, die zum Teil drei Jahre alt waren, über- Meine dritte Bemerkung ist eine Bitte an alle, die haupt abgestimmt worden. - Soviel zum späten Zeit- es angeht: Seien wir vorsichtig mit diesem Thema im punkt, Herr Eylmann. Das hat gar nichts mit dem Wahlkampf! Wahlkampf zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Den letzten Antrag haben wir Mitte Februar einge- der F.D.P. und der SPD) bracht. Das war der Versuch, auf diesem Wege hier eine Debatte zu erzwingen, verbunden auch mit der Wir betreten vermintes Gelände, meine Damen und Hoffnung, daß die Bundesratsinitiative zum Kern der Herren. Wir betreten ein Gebiet, in dem viele Emotio- heutigen Auseinandersetzung würde. nen lauern, die wir nicht wecken sollten. Themen im Wahlkampf, Herr Eylmann, werden (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) von den Menschen erfragt. Wir haben keinen Einfluß darauf - und sollten ihn auch nicht haben -, wenn Die Ideologie des Nationalismus, die -in den letzten beiden Jahrhunderten zu einer Unzahl von Kriegen ein Thema „gepusht" oder niedergedrückt wird, weil geführt hat und Millionen von Opfern mit sich es sich angeblich nicht eignet. Es kommt darauf an, brachte, wie fair und sachlich wir mit dieser sensiblen und emotionalen Problematik umgehen. Ich wünsche uns (Zuruf von der SPD: So ist es!) eine sachliche, offensive und faire Auseinanderset- ist nicht tot. Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich an zung zu jeder Zeit, nicht nur im Wahlkampf. Vor al- manche Briefe denke, die ich erhalte. Wir sollten al- lem wünsche ich mir, daß wir in der nächsten Legis- les daransetzen, diese schlafenden Hunde nicht zu laturperiode mit einem guten Konzept endlich zu ei- wecken. ner brauchbaren Regelung kommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne der F.D.P., der SPD und des BÜNDNIS ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) SES 90/DIE GRÜNEN) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir fahren in der Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Eylmann, Debatte fort. Das Wo rt hat der Kollege Dr. Guido We- kommen Sie zum Schluß. sterwelle. (Zuruf von der SPD: Auch ein Wilder!) Horst Eylmann (CDU/CSU): Es ist bereits gesagt worden, daß die Integration ein gesellschaftlicher Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Frau Präsidentin! Prozeß ist, den wir nicht kommandieren sollten. Wir Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kol- sollten klug handeln und versuchen, in der nächsten leginnen und Kollegen! Ich möchte gegen Schluß der Legislaturperiode zu einem Konsens zu kommen. Debatte nur wenige kurze Bemerkungen zur Sache Vielen Dank. selbst machen: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Erstens. Frau Kollegin, natürlich wird das Thema der F.D.P., der SPD und des BÜNDNIS im Wahlkampf eine Rolle spielen. Aber wir sollten SES 90/DIE GRÜNEN) alle ein Interesse daran haben, daß dieses Wahl- kampfthema nicht polarisiert wird. Ich meine, Herr Kollege Eylmann hat völlig recht: Wenn man sich in Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Sonntag-Wol- einer bestimmten Zeit für dieses Thema engagiert - gast. ich engagiere mich in diesem Bereich, seit ich poli- tisch aktiv bin, und auch als Anwalt -, stellt man ei- Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Herr Kollege nes fest: Die vielen unflätigen B riefe sind früher ano- Eylmann, ich habe einzig und allein Sie mit dem Be- nym gekommen; heute aber schämen sich die Leute griff „antiquierte Doktrin" zitiert, der sich auf die von nicht einmal, diese übelsten braunen Parolen mit vol- 20642 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Dr. Guido Westerwelle ler Namensnennung abzusenden. Das ist eine sehr um eine Gewissensfrage. Aber für mich gehört auch gefährliche Entwicklung. Dieser Verantwortung soll- die Vertragstreue zu meinem Gewissen. ten wir uns hier bewußt sein. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne der CDU/CSU - Erwin Marschewski [CDU/ ten der CDU/CSU) CSU]: Sehr gut!) Deshalb möchte ich zweitens eines zur Debatte sa- Man könnte sich von jedem Vertrag abmelden, gen, gerichtet an den Innenminister des Landes Hes- wenn man sich nur dann an Verträge erinnert, wenn sen und an den Kollegen Marschewski: Bei dem, was sie einem persönlich gefallen. Deswegen möchte ich wir heute beraten, geht es nicht darum, ob und mit folgendes hinzufügen - das ist im P rivaten nicht an- welcher Entschiedenheit ausländische Straftäter ab- ders als in der Politik auch -: Wenn man sich nur geschoben werden müssen. dann an Verträge erinnert, wenn sie einem gefallen, dann meldet man sich als ernstzunehmender Ver- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und tragspartner ab. Wir verhalten uns wie ehrbare Kauf- der SPD) leute und wenden uns nicht einfach von Verträgen ab, nur weil sie uns heute nicht mehr sinnvoll er- Natürlich müssen ausländische Straftäter abgescho- scheinen. ben werden. Sie müssen auch entsprechend bestraft werden. Aber eines geht an der Sache vorbei, näm- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. - lich zu meinen, in dieser Debatte ginge es um die Ab- Widerspruch bei der SPD - Otto Schily schiebung von Ausländern. In dieser Debatte geht es [SPD]: Aber vielleicht ist die Geschäfts nicht um kriminelle Ausländer, sondern hier geht es grundlage für den Vertrag entfallen!) um die Integration der hier geborenen Kinder von Ausländern. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Eine Zwischen- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei frage des Kollegen Conradi. Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Peter Conradi (SPD): Herr Abgeordneter Wester- welle, sind Sie tatsächlich der Auffassung, daß A rt. 38 Wir sagen als Freie Demokraten: des Grundgesetzes durch Verträge zwischen Kauf- leuten abgedungen werden kann? (Zuruf von der SPD: Sagen Sie es -einmal Herrn Marschewski!) (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Wir wollen, daß die Kinder, die hier geboren werden, mit einem inländischen Bewußtsein groß werden, in- Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Bei allem Respekt tegriert groß werden. Das ist viel besser, als wenn sie möchte ich Ihnen folgendes sagen: Ich kenne Art. 38 mit einer ausländischen Identität aufwachsen. Wir des Grundgesetzes bestimmt nicht weniger gut als vergeuden Talente, wir verschenken Begabungen. Sie. Ich muß für meine Gewissensentscheidung aber Wir werden diesen Kindern nicht gerecht. Wer als auch andere Gesichtspunkte mit einbeziehen. Konservativer die Gettoisierung in den Städten be- klagt, muß vorher die Gettoisierung in den Köpfen (Widerspruch bei der SPD) verhindern. Für mich zählt auch, daß eine Koalitionsregierung re- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei gierungsfähig ist und - vor allen Dingen - daß das Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Land weiß: Wenn im Deutschen Bundestag vertre- GRÜNEN) tene Parteien Koalitionsverträge eingehen, dann hal- ten sie sich auch daran. Wechselnde Mehrheiten gibt Wir glauben - das will ich als dritte und letzte Be- es mit der Freien Demokratischen Partei nicht. Grüne merkung sagen -, daß die Union hier falsch liegt. und SPD würden sich bei anderen Mehrheitsverhält- nissen kein bißchen anders verhalten. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD) In meinen Augen ist es wirklich eine peinliche Be- merkung, die Sie hier gemacht haben, weil Sie damit Wir glauben, daß sie hier mehrheitlich einen falschen zeigen, daß Sie hier in Wahrheit sehr wohl ein takti- Weg geht, weil sie nicht bereit ist, eine Modernisie- sches Spielchen spielen. Es geht Ihnen darum, der rung des Staatsangehörigkeitsrechts zugunsten der Koalition die Koalitionsfrage zu stellen. Wer der Ko- Kinder zuzulassen. Wir sind auch der Meinung, daß alition die Koalitionsfrage stellt, der bekommt sie von Sie, Herr Kanther, mit Ihrer Positionierung in dieser der Koalition auch beantwortet. Frage falsch liegen. Ihre Position, meine Damen und Herren Kollegen von der Union, ist mehrheitlich (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nicht die Position der Freien Demokraten. Wir sind aber zu Beginn der Legislaturpe riode mit Ihnen ei- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Westerwelle, nen Vertrag eingegangen, und an diesen Vertrag gestatten Sie eine Frage aus Ihrer eigenen Fraktion werden wir uns selbstverständlich halten. von Graf Lambsdorff? Es ist die Frage gestellt worden, ob es sich hierbei um eine Gewissensfrage handelt. Ja, es handelt sich Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Ja. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20643

Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Herr Kollege We- Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, wenn man in sei- sterwelle, darf ich Sie - Sie gehören ja noch nicht so ner Rede Ausdrücke wie „Grauen" und „schämen" sehr lange dem Deutschen Bundestag an - einmal im Zusammenhang mit dieser Thematik verwendet, darum bitten, sich bei Kollegen aus der sozialdemo- Herr Kollege Özdemir, wenn Sie hier so reden, als kratischen Fraktion, die schon länger hier sind, zu in- strecke derjenige, der jetzt einem solchen Gesetzes- formieren, wie oft sie den Koalitionspartner F.D.P. vor antrag nicht zustimmt, seine Hände nicht aus, dann 1982 aufgefordert haben, gegen Anträge der CDU/ halte ich dies für Diskussionsbeiträge, die unter dem CSU-Opposition, die uns gefallen haben, zu stim- sachlich notwendigen Niveau liegen und deshalb men, damit die Koalition erhalten blieb? nicht gerechtfertigt sind. Würden Sie sich bitte auch einmal bei Herrn Con- Ich will auf einige wesentliche Kernpunkte einge- radi erkundigen, ob er nicht miterlebt hat, wie oft An- hen: die Einführung des Erwerbs der Staatsangehö- träge der CDU/CSU zum Thema „Leitende Ange- rigkeit mit der Geburt. Es kann nicht richtig sein, stellte" gestellt wurden, denen ich liebend gerne zu- daß ich unabhängig vom Elternwillen Kindern aus- gestimmt hätte, denen ich aber aus Gründen der Ko- ländischer Eltern eine deutsche Staatsangehörigkeit alitionsdisziplin mit Rücksicht auf die Bitten der So- - unter Umständen auch gegen ihren Willen - gesetz- zialdemokraten dann doch nicht zugestimmt habe? lich nachtrage; alle anderen Möglichkeiten möge man diskutieren. Ich glaube, daß zu einem Eintritt in (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und eine andere Staatsangehörigkeit entweder die be- der CDU/CSU) wußte Entscheidung dessen, der in eine andere Staatsangehörigkeit eintritt, oder zumindest die be- Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Zunächst einmal, wußte Entscheidung der Eltern gehören muß. Graf Lambsdorff, haben Sie in einem Punkt unbe- Ich halte es auch für problematisch, Eltern von streitbar recht: Sie gehören dem Deutschen Bundes- Staats wegen zuzumuten, daß ihre Kinder eine an- tag länger an als ich - bis jetzt. dere Staatsangehörigkeit als sie selbst haben; denn (Heiterkeit im ganzen Hause) es gibt Probleme in dem Bereich, wie Sie an 2 Millio- nen zurückgekehrten Türken sehen. Was ist, wenn Herr Conradi, was soll denn das alles? Wir als Freie eine Rückkehr in das Heimatland stattfindet? Demokraten wollten auch nicht, daß die Union Steu- ererhöhungen mit den Sozialdemokraten gegen den Herr Zeitlmann, Willen der F.D.P. beschließt. In Koalitionen gilt „pacta Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: - gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen sunt servanda". An Verträge hält man sich, sonst kann man nie wieder als Koalitionspartner ernst ge- Hirsch? nommen werden. Für mich gehört das zu meiner Ge- wissensabwägung dazu. Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Nein. Denn es hat so viel Gelegenheit zur Diskussion gegeben, daß Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, und wir es jetzt, unmittelbar vor der Abstimmung, unkollegial sagen Ihnen: Wer aus dem bürgerlichen Bereich der wäre, die Debatte noch zu verlängern. Meinung ist, die F.D.P. sollte die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in den nächsten Koaliti- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) onsverhandlungen durchsetzen, der kann uns stärker Ich glaube auch, daß wir der Sache nicht gerecht machen; dann können wir auch mehr durchsetzen. werden, wenn wir generell so tun, als spiele die Zahl (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne der vorhandenen Doppelstaatler - ich verwende ein- ten der CDU/CSU) mal diesen Begriff - eine Rolle. Ich denke jetzt nicht an den Fall, daß jemand eine ausländische Mutter oder einen ausländischen Vater hat und kraft dieser Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und Tatsache womöglich eine Brückenfunktion zwischen Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zwei Ländern darstellen kann. Aber das Problem ha- noch zwei Redner. Ich bitte Sie, diese beiden Redner ben wir dort, wo wir, insbesondere im Bereich der noch in Ruhe anzuhören. Anschließend kommen wir türkischen Mitbewohner, Menschen haben, die gar dann zur Abstimmung. keinen Integrationswillen haben. Ich rufe als ersten den Kollegen Wolfgang Zeitl- (Zurufe von der SPD) mann auf. - Ob Sie dies wollen oder nicht: Es gibt Menschen, die leben seit ein oder zwei Generationen hier und Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Frau Präsiden- haben nicht den Willen, sich zu integ rieren. Einen tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir solchen Menschen werden Sie auch durch die Verlei- diskutieren zum wiederholten Mal ein Thema, das, hung eines deutschen Passes nicht integ rieren. Ich so meine ich, diese Emotionalität, wie ich sie bei sage deshalb: Die Paßverleihung hat für mich nicht manchen Redebeiträgen erlebt habe, nicht verdient. automatisch eine Integrationswirkung. Sie steht nach Die Gespräche über eine Reform des Staatsangehö- meinem Dafürhalten am Ende des Integrationspro- rigkeitsrechts sind breit angelegt gewesen. Wir ha- zesses. Dies sollte man in aller Ruhe diskutieren. ben eine ganze Reihe von Bereichen des Staatsange- hörigkeitsrechts einvernehmlich abgehakt. Ich Meine Damen und Herren, meine Zeit ist abgelau- glaube, daß die hier stattfindende Diskussion diesem fen. Gesamtthema nicht gerecht wird. (Lachen und Beifall bei der SPD) 20644 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Wolfgang Zeitlmann - Da können Sie ruhig klatschen. 1990 hatten wir 20 000 Einbürgerungen in Deutsch- land und 1996 89 000. Das ist mehr als viermal soviel. Eines habe ich in dieser Diskussion vermißt: daß So schlecht kann also das geltende Recht nicht sein, auch nur ein einziger Kollege einmal gesagt hätte, wenn es in dieser Zeit eine Vervierfachung der Zahl daß es in der Frage der Staatsangehörigkeit auch der Einbürgerungen erlaubt hat. 1990 hatten wir darauf ankomme, die Akzeptanz der deutschen Be- 2000 Einbürgerungen von Türken - der größten Be- völkerung zu beachten. Das spielt eine entschei- völkerungsgruppe - und 1996 46 000. Das ist das dende Rolle. 23fache - unter der Geltung des von Ihnen so laut- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stark befehdeten Staatsangehörigkeitsrechts. Dazu hat viel beigetragen, daß diese Bundesregierung sich Jedenfalls kann man mit dieser Thematik nicht so bei ihren türkischen Freunden und Partnern für die umgehen, wie das hier in diesem Parlament aus Veränderung des türkischen Rechts eingesetzt hat, Wahlkampfgründen heute passiert. das die Lösung dieser Fragen in der Türkei erleich- tert hat. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister, ge- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich bitte um Ver- statten Sie eine Zwischenfrage? ständnis - es sind viele Kurzinterventionen zugelas- sen worden -, daß ich aus Zeitgründen keine weite- ren mehr zulassen kann. Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. Wir sind ordneten der SPD) jetzt am Ende einer Debatte, in der alle Argumente Als letzter in dieser Debatte hat Bundesminister vorgetragen worden sind, auch in Zwischenfragen. Kanther das Wo rt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Etwas völlig anderes ist die doppelte Staatsange- Herren! Hier sind doch ein paar Dinge von- seiten der hörigkeit, die die Loyalitäten teilt und die deutlich Opposition sehr schräg macht, daß man sich noch nicht entscheiden will, was ja völlig in Ordnung ist. Es muß sich niemand für (Dr. Willfried Penner [SPD]: Schief!) Einbürgerung in Deutschland entscheiden. Was die Rechte angeht, die Ausländern zugesprochen wer- dargestellt worden. Die muß ich richtigstellen. den, haben wir ein Ausländerrecht, das in der gan- Erstens. Es gibt keinen vernünftigen Menschen in zen Welt seinesgleichen sucht. Es bestehen gar keine unserem Lande, der sich nicht für die Integration Bedenken, daß sich ein Ausländer für die Fortfüh- von Ausländern einsetzt, wenn diese rechtmäßig rung dieses Status entscheidet. Aber Staatsbürger- und lange hier leben und auch weiterhin hier leben schaft in Deutschland ist mehr als ein Wohnsitzattri- wollen. Dieser Punkt ist völlig unbestritten. but. Darauf gilt es auch hinzuweisen. Zweitens. Natürlich kann Einbürgerung ein Zei- chen für Integration sein und ein Abschlußpunkt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wenn alles andere stimmt: Schule, Familie, Leben in Vereinen, Leben mit Gleichaltrigen, Ausbildung, Be- Das ist ein vorbehaltloses, eindeutiges Bekenntnis ruf, Sprachvermögen. Das alles sind wichtige Inte- zum zukünftigen Leben in diesem Volk und Staat. grationsfaktoren, nicht aber die Das ist Staatsbürgerschaft. (Zuruf von der SPD: Das haben wir doch!) Dann ist darauf hinzuweisen, daß es in Deutsch- juristische Frage nach einem weiteren Paß. Wenn sol- land beim Erwerb der doppelten Staatsangehörig- che Integrationsfaktoren vorliegen, kann in einem keit viele Ausnahmetatbestände gibt und auch ge- Land, in dem über 7 Millionen Ausländer lange leben ben soll. Es gibt Unrechtssysteme, die ihre Bürger - wogegen niemand etwas einzuwenden hat -, Ein- nicht aus ihrer Staatsangehörigkeit entlassen, auch bürgerung ein Mittel sein, diese Integration zu be- wenn man es von ihnen verlangen müßte und kunden, sie gleichsam zu besiegeln. Die Zahl der könnte. Es gibt Rechtsordnungen, die das nicht Einbürgerungen hat zugenommen, wogegen nie- vorsehen. Infolgedessen gibt es in Deutschland die mand etwas hat. Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeit in Aus- nahmefällen, wovon reichlich Gebrauch gemacht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wird. Ein Viertel der Einbürgerungen in Deutsch- Aber diejenigen, die doppelte Staatsbürgerschaft mit land erfolgt unter Inkaufnahme von doppelter Staats- Einbürgerung vermischen, leisten dem Thema einen angehörigkeit, weil es der Einzelfall gerecht erschei- Bärendienst; denn darum geht es nicht. nen läßt. Damit fahren wir gut. Ihnen geht es um eine doppelte Staatsangehörigkeit für Kinder, die von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ausländern in Deutschland geboren werden, ohne Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20645

Bundesminister Manfred Kanther daß die beschriebenen Integrationsattribute auch nur Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- vermutet werden könnten. führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Ab- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stimmung werde ich Ihnen später bekanntgeben. Deshalb ist Ihr gedanklicher Ansatz falsch. Wir fahren jetzt mit den Abstimmungen fo rt. Ich (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr möchte Sie zunächst auffordern, Platz zu nehmen, wahr!) weil wir sonst die Abstimmungen nicht durchführen können. Wir können erst dann weitermachen, wenn Obendrein - aber dazu ist genügend gesagt, und ich überblicken kann, wie die Stimmverteilung ist. das belegen auch die Lautstärke und die Heftigkeit Bitte nehmen Sie Platz. der Sprache, die Sie gewählt haben, jedenfalls viele Redner von Ihrer Seite - kann ich mir nicht erklären, Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Nach wie jemand einen integrativen Ansatz wählen wi ll, diesen nicht-namentlichen Abstimmungen folgt eine wenn er in einer Debatte so laut und unerfreulich weitere namentliche Abstimmung. brüllt. Wir fahren mit den Abstimmungen fort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Das war der Stil Ihrer Debatte, und das ist der Stil sol- Antrag der Fraktion der SPD „Erleichterung der Ein- cher, die glauben, daß sie eine Koalition, die zugege- bürgerung unter Hinnahme der doppelten Staatsan- benermaßen in diesem Punkt Schwierigkeiten mit- gehörigkeit" ; das ist Drucksache 13/10030, Nr. 2. Der einander hat, Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Blut und 259 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußemp- Boden!) fehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der öffentlich mit diesen Schwierigkeiten vorführen CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von könnten. Deshalb brauchen Sie diese Lautstärke. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenom- (Dr. Wilfried Penner [SPD]: Nein!) men. Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu Das wird keinen Erfolg haben. dem Antrag der Fraktion der SPD zur Neuregelung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) des Staatsangehörigkeitsrechts auf Drucksache 13/ 10030 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt auch hier, den Antrag auf Drucksache 13/2833 abzulehnen. Wer Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- Herren, ich schließe die Aussprache. men? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich mit, ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. ge- daß die Kollegin Editha Limbach, der Kollege gen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen Dr. Burkhard Hirsch, die Kollegin Sabine Leutheus- und PDS bei 2 Enthaltungen angenommen. ser-Schnarrenberger sowie die Kollegen Peter Alt- Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu maier, Franz Peter Basten, Norbe rt Röttgen und eine dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer Gesetzes- Reihe weiterer CDU-Kollegen schriftliche Erklärun- initiative der Bundesregierung zur Reform des gen zur Abstimmung gemäß § 31 unserer Geschäfts- Staatsangehörigkeitsrechtes auf Drucksache 13/ ordnung vorgelegt haben.*) 10030 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Wir kommen nun zur Abstimmung über den vom Drucksache 13/7505 abzulehnen. Wer stimmt für Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Erleich- diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- terung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörig- haltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist mit keit durch Kinder ausländischer Eltern auf Drucksa- demselben Stimmenverhältnis bei 1 Enthaltung aus che 13/8157. Der Innenausschuß empfiehlt auf der F.D.P. angenommen. Drucksache 13/10030 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu abzulehnen. dem Antrag der Fraktion der SPD zur Unterrichtung Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates des Deutschen Bundestages über internationale Ver- auf Drucksache 13/8157 abstimmen. Die Fraktion der einbarungen mit besonderer Bedeutung für die Aus- SPD verlangt namentliche Abstimmung. Für diese länder-, Asyl- und Menschenrechtspolitik auf Druck- namentliche Abstimmung benötigen Sie Ihren sache 13/10030 Nr. 5. Der Ausschuß empfiehlt, den Stimmausweis noch nicht. Ich bitte die Schriftführe- Antrag auf Drucksache 13/7923 abzulehnen. Wer rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Da das men? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit demselben Stimmenverhältnis angenommen, wo- der Fall ist, eröffne ich die Abstimmung. - bei Herr Kollege Hirsch diesmal gegen die Beschluß- Haben alle ihre Stimme abgegeben? Befindet sich empfehlung gestimmt hat. noch jemand im Saal, der seine Stimme noch nicht Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu abgegeben hat? - dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu *) Anlage 5 und 6 Mindestkriterien für eine Reform des Staatsangehö- 20646 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth rigkeitsrechts auf Drucksache 13/10030 Nr. 6. Der Christel Hanewinckel Dr. Rolf Niese Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ Alfred Hartenbach Doris Odendahl 3657 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Dr. Liesel Hartenstein Günter Oesinghaus empfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Klaus Hasenfratz Leyla Onur Dr. Ingomar Hauchler Manfred Opel Diese Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Dieter Heistermann Adolf Ostertag CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von Reinhold Hemker Kurt Palis SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimment- Rolf Hempelmann Albrecht Papenroth haltungen aus der SPD und 1 Stimmenthaltung aus Dr. Barbara Hendricks Dr. Wilfried Penner der F.D.P. angenommen. Monika Heubaum Dr. Uwe Hiksch Georg Pfannenstein Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu Reinhold Hiller (Lübeck) Dr. Eckhart Pick dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Stephan Hilsberg Joachim Poß dem Titel „Klare Integrationssignale setzen: Für eine Gerd Höfer Rudolf Purps Jelena Hoffmann (Chemnitz) Karin Rehbock-Zureich sofortige Reform des Staatsangehörigkeitsrechts" auf Frank Hofmann (Volkach) Margot von Renesse Drucksache 13/10030 Nr. 7. Der Ausschuß empfiehlt, Ingrid Holzhüter Renate Rennebach den Antrag auf Drucksache 13/7677 abzulehnen. Erwin Horn Otto Reschke Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Eike Hovermann Bernd Reuter stimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- Lothar Ibrügger Dr. Edelbert Richter lung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der Wolfgang ilte Günter Rixe F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü- Barbara Imhof Reinhold Robbe Brunhilde Irber Gerhard Rübenkönig nen und PDS bei Enthaltung der SPD und 1 Enthal- Gabriele Iwersen Dr. Hansjörg Schäfer tung aus der F.D.P. angenommen. Renate Jäger Gudrun Schaich-Walch Jann-Peter Janssen Dieter Schanz Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und Ilse Janz Bernd Scheelen Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Dr. Uwe Jens Dr. Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen: 658; Volker Jung (Düsseldorf) Siegfried Scheffler mit Ja haben gestimmt: 317; mit Nein haben ge- Sabine Kaspereit Horst Schild stimmt: 338; Enthaltungen: 3. Der Gesetzentwurf ist Susanne Kastner Otto Schily in zweiter Beratung abgelehnt. Hans-Peter Kemper Dieter Schloten Klaus Kirschner Günter Schluckebier (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Marianne Klappert Horst Schmidbauer Siegrun Klemmer (Nürnberg) Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Es ist ja Hans-Ulrich Klose (Aachen) peinlich, daß Sie da klatschen!) Dr. Hans-Hinrich Knaape (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Fritz Rudolf Körper Endgültiges Ergebnis Wolf-Michael Catenhusen Regina Schmidt-Zadel Nicolette Kressl Heinz Schmi Peter Conradi tt (Berg) Volker Kröning Dr. Emil Schnell Abgegebene Stimmen: 657; Dr. Herta Däubler-Gmelin Thomas Krüger Walter Schöler davon: Christel Deichmann Horst Kubatschka ja: 316 Eckart Kuhlwein Gisela Schröter Dr. Marliese Dobberthien nein: 338 Helga Kühn-Mengel Dr. Mathias Schubert Peter Dreßen Dr. Uwe Küster Richard Schuhmann enthalten: 3 Rudolf Dreßler Werner Labsch (Delitzsch) Freimut Duve Brigitte Lange Brigitte Schulte (Hameln) Ludwig Eich Ja Detlev von Larcher Reinhard Schultz Peter Enders Waltraud Lehn (Everswinkel) Robert Leidinger Volkmar Schultz (Köln) Petra Ernstberger Klaus Lennartz Ilse Schumann SPD Annette Faße Dr. Elke Leonhard Dr. R. Werner Schuster Elke Ferner Klaus Lohmann (Witten) Dietmar Schütz (Oldenburg) Lothar Fischer (Homburg) Christa Lörcher Dr. Angelica Schwall-Düren Erika Lotz Ernst Schwanhold Hermann Bachmaier Iris Follak Dr. Eva Folta Dieter Maaß (Herne) Bodo Seidenthal Winfried Mante Lisa Seuster Anke Fuchs (Köln) Ulrike Mascher Horst Sielaff Ingrid Becker-Inglau Katrin Fuchs (Verl) Erika Simm Wolfgang Behrendt Arne Fuhrmann Ingrid Matthäus-Maier Johannes Singer Hans Berger Monika Ganseforth Heide Mattischeck Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Hans-Werner Bertl Konrad Gilges Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Friedhelm Julius Beucher Iris Gleicke Ulrike Mehl Wieland Sorge Rudolf Bindig Günter Gloser Herbert Meißner Wolfgang Spanier Lilo Blunck Uwe Göllner Dr. Dietrich Sperling Anni Brandt-Elsweier Günter Graf (Friesoythe) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Jörg-Otto Spiller Tilo Braune Angelika Graf (Rosenheim) Ursula Mogg Antje-Marie Steen Dr. Dieter Grasedieck Siegmar Mosdorf Achim Großmann Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Peter Struck Ursula Burchardt Karl Hermann Haack Jutta Müller (Völklingen) Joachim Tappe Dr. Michael Bürsch (Extertal) Christian Müller (Zittau) Jörg Tauss Hans Martin Bury Hans-Joachim Hacker Volker Neumann (Bramsche) Dr. Bodo Teichmann Hans Büttner (Ingolstadt) Klaus Hagemann Gerhard Neumann (Gotha) Margitta Terborg Marion Caspers-Merk Manfred Hampel Dr. Edith Niehuis Jella Teuchner Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20647

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Dr. Gerald Thalheim Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Bosbach Susanne Jaffke Wolfgang Schmitt Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky Franz Thönnes (Langenfeld) Klaus Brähmig Helmut Jawurek Uta Titze-Stecher Ursula Schönberger Rudolf Braun (Auerbach) Dr. Dionys Jobst Adelheid Tröscher Waltraud Schoppe Dr.-Ing. Rainer Jork Hans-Eberhard Urbaniak (Berlin) Michael Jung (Limburg) Siegfried Vergin Marina Steindor Günter Verheugen Christian Sterzing Klaus Bühler (Bruchsal) Dr. Egon Jüttner (Pforzheim) Manfred Such Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl Karsten D. Voigt (Frankfurt) Dr. (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Josef Vosen Ludger Volmer Steffen Kampeter Hans Georg Wagner Helmut Wilhelm (Amberg) (Emstek) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Hans Wallow Margareta Wolf (Frankfurt) Manfred Kanther Wolfgang Weiermann (Nordstrand) Irmgard Karwatzki Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit PDS Peter Keller Gunter Weißgerber Eckart von Klaeden (Wiesloch) Wolfgang Bierstedt Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Jochen Welt Petra Bläss Ulrich Klinkert Hildegard Wester Eva Bulling-Schröter Dr. Lydia Westrich Heinrich Graf von Einsiedel Werner Dörflinger Hans-Ulrich Köhler Inge Wettig-Danielmeier Dr. Ludwig Elm Hansjürgen Doss (Hainspitz) Dr. Norbert Wieczorek Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Manfred Kolbe Helmut Wieczorek Dr. Maria Eichhorn Norbert Königshofen (Duisburg) Andrea Gysi Eva-Maria Kors Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Rainer Eppelmann Hartmut Koschyk Dieter Wiefelspütz Hanns-Peter Hartmann Heinz Dieter Eßmann Manfred Koslowski Berthold Wittich Dr. Uwe-Jens Heuer Horst Eylmann Thomas Kossendey Dr. Dr. Barbara Höll Annegret Kramp- Verena Wohlleben Dr. Willibald Jacob Karrenbauer Hanna Wolf (München) Ulla Jelpke Jochen Feilcke Rudolf Kraus Heidi Wright Gerhard Jüttemann Ulf Fink Wolfgang Krause (Dessau) Dr. Heidi Knake-Werner Dirk Fischer (Hamburg) Andreas Krautscheid Dr. Christoph Zöpel Rolf Kutzmutz (Unna) Arnulf Kriedner Peter Zumkley Dr. Christa Luft (Hamburg) Heinz-Jürgen Kronberg Heidemarie Lüth Dr.-Ing. Paul Krüger Dr. Günther Maleuda Dr. Gerhard Friedrich Reiner Krziskewitz BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Manfred Müller (Berlin) Erich G. Fritz Dr. Hermann Kues Rosel Neuhäuser Hans-Joachim Fuchtel Gila Altmann (Aurich) Dr. Uwe-Jens Rössel Michaela Geiger Dr. Karl A. Lamers Elisabeth Altmann Klaus-Jürgen Warnick (Heidelberg) (Pommelsbrunn) Dr. Winfried Wolf Dr. Heiner Geißler (Bremen) Dr. (Köln) Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Armin Laschet Fraktionslose Peter Götz Herbert Lattmann Annelie Buntenbach Dr. Wolfgang Götzer Dr. Paul Laufs Amke Dietert-Scheuer Kurt Neumann (Berlin) Joachim Gres Karl Josef Laumann Franziska Eichstädt-Bohlig Kurt-Dieter Grill Dr. Uschi Eid Wolfgang Gröbl Werner Lensing (Berlin) Nein Hermann Gröhe Joseph Fischer (Frankfurt) Claus-Peter Grotz Peter Letzgus Rita Grießhaber Editha Limbach Gerald Häfner CDU/CSU Horst Günther (Duisburg) Walter Link (Diepholz) Antje Hermenau Carl-Detlev Freiherr von Eduard Lintner Kristin Heyne Hammerstein Dr. Klaus W. Lippold Ulrike Höfken Peter Altmaier (Offenbach) Michaele Hustedt (Großhennersdorf) Dr. Manfred Lischewski Dr. Manuel Kiper Jürgen Augustinowitz Wolfgang Lohmann Monika Knoche Otto Hauser (Esslingen) (Lüdenscheid) Dr. Angelika Köster-Loßack Heinz-Günter Bargfrede Hansgeorg Hauser Julius Louven Franz Peter Basten (Rednitzhembach) Sigrun Löwisch Dr. Helmut Lippelt Dr. Klaus-Jürgen Hedrich Oswald Metzger Dr. Michael Luther Kerstin Müller (Köln) Meinrad Belle Manfred Heise Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Sabine Bergmann-Pohl Detlef Helling Dr. Dietrich Mahlo Christa Nickels Hans-Dirk Bierling Dr. Renate Hellwig Erwin Marschewski Egbert Nitsch (Rendsburg) Dr. Joseph-Theodor Blank Ernst Hinsken Günter Marten Cern Özdemir Dr. Martin Mayer Gerd Poppe Dr. Josef Hollerith (Siegertsbrunn) Simone Probst Elke Holzapfel Wolfgang Meckelburg Dr. Jürgen Rochlitz Dr. Norbert Blüm Dr. Karl-Heinz Hornhues Rudolf Meinl Halo Saibold Siegfried Hornung Dr. Christine Scheel Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Dr. Irmingard Schewe-Gerigk Hubert Hüppe Rezzo Schlauch Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Peter Jacoby Rudolf Meyer (Winsen) 20648 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Hans Michelbach Michael von Schmude Gisela Frick Günther Friedrich Nolting Meinolf Michels Birgit Schnieber-Jastram Paul K. Friedhoff Dr. Dr. Gerd Müller Dr. Lisa Peters Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Dr. Günter Rexrodt Engelbert Nelle Reinhard Freiherr von Hans-Dietrich Genscher Dr. Klaus Röhl (Bremen) Schorlemer Dr. Helmut Schäfer (Mainz) Johannes Nitsch Dr. Erika Schuchardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Dr. Dr. Rolf Olderog Dr. Dr. Dr. Friedhelm Ost (Schwäbisch Gmünd) Ulrich Heinrich Dr. Max Stadler Gerhard Schulz (Leipzig) Walter Hirche Carl-Ludwig Thiele Norbert Otto (Erfurt) Frederick Schulze Birgit Homburger Dr. Dieter Thomae Dr. Gerhard Päselt (Sangerhausen) Dr. Jürgen Türk Dr. Peter Paziorek Diethard Schütze (Berlin) Ulrich Irmer Dr. Wolfgang Weng Hans-Wilhelm Pesch Clemens Schwalbe Dr. (Gerlingen) Ulrich Petzold Dr. Christian Schwarz- Detlef Kleinert (Hannover) Dr. Guido Westerwelle Schilling Roland Kohn Angelika Pfeiffer Wilhelm Josef Sebastian Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Gero Pfennig Jürgen Koppelin Enthalten Dr. Friedbert Pflüger Marion Seib Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Burkhard Hirsch Wilfried Seibel Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine Leutheusser Dr. Winfried Pinger Heinz-Georg Seiffert Uwe Lühr Schnarrenberger Jürgen W. Möllemann Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Bernd Siebert Marlies Pretzlaff Jürgen Sikora Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Dr. Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Dr. Bernd Protzner Bärbel Sothmann Versammlung der WEU Dieter Pützhofen Margarete Späte Abgeordneter Carl-Dieter Spranger Hans Raidel Wolfgang Steiger Antretter, Robe rt, SPD Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Dr. Wolfgang Freiherr von Helmut Rauber Stetten Peter Rauen Dr. Otto Regenspurger Andreas Storm- Kann ich davon ausgehen, daß sich durch die Christa Reichard (Dresden) Ablehnung des Gesetzentwurfs des Bundesrates Klaus Dieter Reichardt Matthäus Strebl eine Abstimmung über den Antrag der Fraktion (Mannheim) Michael Stübgen der SPD zur Erleichterung des Erwerbs der deut- Dr. Bertold Reinartz Egon Susset schen Staatsangehörigkeit für Kinder ausländischer Erika Reinhardt Dr. Rita Süssmuth Hans-Peter Repnik Michael Teiser Eltern auf Drucksache 13/9941 erübrigt? - Das ist Roland Richter Dr. Susanne Tiemann der Fall. Dr. Norbert Rieder Gottfried Tröger Dr. (München) Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Klaus Riegert Gunnar Uldall Ich rufe den Zusatzpunkt 11 auf: Dr. Wolfgang Vogt (Duren) Beratung des Antrags der Fraktionen der Franz Romer Dr. Horst Waffenschmidt Hannelore Rönsch Dr. Theodor Waigel CDU/CSU und F.D.P. (Wiesbaden) Alois Graf von Waldburg-Zeil Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Jürgen Warnke Zurückweisung des Einspruches des Bundes- Dr. Klaus Rose Kersten Wetzel rates gegen das Gesetz zur Änderung des Kurt J. Rossmanith Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Straßenverkehrsgesetzes Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Bernd Wilz - Drucksache 13/10178 - Dr. Christian Ruck Willy Wimmer (Neuss) Volker Rühe Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Dr. Jürgen Rüttgers Dr. Roland Sauer (Stuttga rt) Dagmar Wöhrl Nach Art . 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für Ortrun Schätzle Michael Wonneberger die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates Dr. Wolfgang Schäuble Elke Wülfing die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bun- Hartmut Schauerte Peter Kurt Würzbach destages erforderlich. Das sind mindestens Heinz Schemken 337 Stimmen. Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zeitlmann Gerhard Scheu Benno Zierer Wer den Einspruch zurückweisen will, muß mit Ja Norbert Schindler Wolfgang Zöller Dietmar Schlee stimmen. Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ulrich Schmalz Ihren Stimmausweis in der Farbe Gelb. Sofern Sie F.D.P. ihn noch nicht geholt haben, ist er dem Stimmkarten Christian Schmidt (Fürth) fach zu entnehmen. Bitte achten Sie darauf, daß Dr.-Ing. Joachim Schmidt Stimmkarte und Stimmausweis Ihren Namen tragen. (Halsbrücke) Hildebrecht Braun Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, über- Andreas Schmidt (Mülheim) (Augsburg) geben Sie bitte den Stimmausweis einem der Schrift- Hans-Otto Schmiedeberg Günther Bredehorn Hans Peter Schmitz Jörg van Essen führer an der Urne. Ich bitte die Schriftführer, auf (Baesweiler) Dr. dieses Verfahren zu achten. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20649

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Anke Fuchs (Köln), Hans Berger, weiterer Abgeord- Ich eröffne die Abstimmung. - neter und der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, (V o r s i t z: Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) Anke Fuchs (Köln), Robe rt Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Haben alle an- Insolvenzen in der deutschen Wirtschaft wesenden Mitglieder des Hauses ihre Stimme abge- - Drucksachen 13/1488, 13/2416, 13/7430, 13/ geben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Ab- 8229 - stimmung und bitte die Schriftführer, mit der Aus- Berichterstattung: zählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.' ) Abgeordneter Hansjörgen Doss e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Nach Ende der Abstimmung teile ich dem Hause Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- mit, daß es zu diesem Punkt, über den wir gerade ab- zialordnung (11. Ausschuß) zu dem Antrag der gestimmt haben, eine Erklärung nach § 31 unserer Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geschäftsordnung der Kollegen Bierling und Engel- mann gibt, die zu Protokoll geht. ** ) Ökologisch gestalten, soziale Gerechtigkeit wahren und kommende Generationen entla- sten Wir setzen jetzt die Beratungen fo rt . Ich rufe die Drucksachen 13/4671, 13/7152 - Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 h auf: - Berichterstattung: Wirtschaftspolitische Debatte Abgeordneter Peter Dreßen a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesre- f) Beratung der Beschlußempfehlung und des gierung Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- zialordnung (11. Ausschuß) zu dem Entschlie- Jahreswirtschaftsbericht 1998 der Bundesre- ßungsantrag der Abgeordneten Christa Nik- gierung kels, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Ma- „Den Aufschwung voranbringen - Arbeits- rieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter plätze schaffen" und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- Christa Nickels, Elisabeth Altmann (Pommels- regierung brunn), Gerald Häfner, weiterer Abgeordneter Jahreswirtschaftsbericht 1998 und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Den Aufschwung voranbringen - Arbeits- Gemeinsames Wort der Kirchen „Zur wirt- plätze schaffen" schaftlichen und sozialen Lage in Deutsch- land" - Drucksache 13/10107 - - Drucksachen 13/3864, 13/5482, 13/6966, 13/ Überweisungsvorschlag : 7414 — Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Berichterstattung: Finanzausschuß Abgeordneter Konrad Gilges Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- Haushaltsausschuß schuß) zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Bericht der Bundesregierung über die Ent- Berichts des Ausschusses für Wi rtschaft wicklung der Finanzhilfen des Bundes und (9. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des durch die Bundesregierung Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni Jahreswirtschaftsbericht 1997 der Bundes- 1967 für die Jahre 1995 bis 1998 (Sechzehnter regierung Subventionsbericht) „Reformen der Beschäftigung" - Drucksachen 13/8420, 13/8507 Nr. 1.22, 13/ 9108 — - Drucksachen 13/6963, 13/6800, 13/8227 — Berichterstattung: Berichterstattung: Abgeordnete Adolf Roth (Gießen) Abgeordneter Paul K. Friedhoff Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Karl Diller d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Kristin Heyne Berichts des Ausschusses für Wi rtschaft h) Beratung der Beschlußempfehlung und des (9. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag Berichts des Ausschusses für Wi rtschaft *) Seite 20653 D (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abge- **) Anlage 7 ordneten Wolfgang Bierstedt, Eva Bulling- 20650 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Schröter, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeord- sagen gespalten und widersprüchlich. Darauf werde neter und der Gruppe der PDS ich noch eingehen. Konsequente Ausrichtung der staatlichen In- Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und strumente zur Förderung der wirtschaftlichen der Koalition zielt darauf ab, dieses Land für Tätigkeit auf Beschäftigungswirksamkeit arbeits- platzschaffende Investitionen attraktiv zu machen. - Drucksachen 13/8091, 13/10181- Arbeit gibt es in Deutschland genug - überall: in den Berichterstattung: alten und in den neuen Bundesländern. Es kommt Abgeordneter Manfred Koslowski aber darauf an, daß diese Arbeit aufgegriffen wird. Dabei muß sich Deutschland im internationalen Ver- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind gleich messen lassen und dem globalen Wettbewerb für die Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen. stellen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlos- sen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Unruhe) Dieser Wettbewerb ist härter geworden. Wir haben dabei gewichtige Vorteile. Deutschland ist ein guter - Darf ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen Standort. Wir haben in diesem Wettbewerb aber bitten, Platz zu nehmen oder das Plenum zu verlas- auch aufzuholen. Dies ist nur möglich, wenn wir sen. mehr Freiraum für marktwirtschaftliche Erneuerung Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung und für Reformen in Wirtschaft und Politik bekom- hat der Bundesminister für Wirtschaft Dr. Günter men. Es kann nicht oft genug nachdrücklich gesagt Rexrodt. werden: Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist nicht das Ergebnis von zuviel Sozialer Marktwirtschaft, sondern von zuwenig Sozialer Marktwirtschaft. Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Tagen haben das Europäische Währungsinstitut und die Europäische Kommission ihre Konvergenzbe- Die Bundesregierung braucht in ihrer Politik einen richte vorgelegt. Heute nimmt die Bundesbank dazu langen Atem. Die Zwischenbilanz, die wir im Jahres- Stellung. Am Nachmittag wird sich das Kabinett mit bericht ziehen, weist Erfolge aus. Aber sie weist auch den Berichten befassen. Sie zeigen, daß wir auf gu- die Herausforderungen auf, die noch vor uns liegen. tem Weg sind, die Europäische Wirtschafts-- und Daß wir auf dem richtigen Weg sind, weisen gerade Währungsunion zu begründen. Der Euro kommt. Er die Erfolge der Länder aus, die die marktwirtschaftli- kommt pünktlich. Er führt zu mehr Wettbewerb, und che Erneuerung konsequent vorangetrieben haben. er stellt Weichen für zusätzliche Arbeitsplätze. Der europäische Binnenmarkt erhält eine neue Qualität. Auf der Habenseite unserer Bilanz, mit der ich be- ginnen möchte, stehen: Der Aufschwung in Deutsch- Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung land gewinnt an Fahrt. Die Wirtschaft wächst 1998 nimmt die Wirtschafts- und Währungsunion einen um 2,5 bis 3 Prozent. Die Weltmarktanteile der deut- prominenten Platz ein. Do rt wird auch gesagt, was schen Exporteure nehmen zu. Die Inlandsnachfrage vereinbart wurde, um den Euro zu einem nachhalti- stützt zunehmend die Konjunktur. Der p rivate Ver- gen Erfolg zu machen. Wirtschafts- und finanzpoliti- brauch zieht an. Im Osten Deutschlands hat das ver- sche Konvergenz müssen auf Dauer angelegt sein. arbeitende Gewerbe Tritt gefaßt. Das Haushaltsdefi- Eine unabhängige Zentralbank und jeweils ent- zit geht zurück. Es wird 1998 bei etwa 2,5 Prozent schlossene nationale Politik werden auf Stabilität des Inlandproduktes liegen. Die Ausrüstungsinvesti- hinwirken. Der Gefahr von Stabilitätsverlusten wird tionen steigen um 6 Prozent. Die Staatsquote fällt auf durch die Androhung von Sanktionen vorgebeugt. 48 Prozent. Wir haben Preisstabilität. Wir erreichen Über eine so ausgelegte Politik besteht Konsens in eine Wende am Arbeitsmarkt. Europa und bei allen politisch relevanten Kräften in (Lachen der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD]) Deutschland. Die populistischen Eskapaden des Spit- zenkandidaten der SPD ordne ich bewußt nur in die Ich spreche von einer Wende am Arbeitsmarkt und Tagespolitik ein. Alles in allem sind das gute Voraus- nicht von einem Durchbruch bei der Bekämpfung setzungen dafür, daß dieses so wichtige europäische der Arbeitslosigkeit. Am Ende des Jahres 1998 wird Vorhaben gelingen kann. es bei vorsichtiger Betrachtung etwa 200 000 Arbeits- Dagegen gibt es unterschiedliche Vorstellungen lose weniger als Ende 1997 geben. und Konzepte in unserem Lande, wenn es um die Be- (Lachen der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD]: kämpfung der Arbeitslosigkeit geht. Ich begrüße es Schönfärberei!) ausdrücklich, daß auch der Parteivorsitzende der SPD, , in seiner letzten Bundestags- Es gibt auch eine Sollseite - ich will sie nicht ver- rede anerkannt hat, daß sich Koalition und Regierung schweigen -: Deutschland ist im internationalen Ver- um die Lösung dieses alles dominierenden Problems gleich der Steuersätze nicht attraktiv. Unser Bil- bemühen. Dieses Ringen um ein Konzept gegen die dungssystem weist Schwächen auf. Arbeitslosigkeit anerkenne ich ausdrücklich auch für die Opposition. Aber die Unterschiede in der Sache (Wolfgang Weiermann [SPD]: Das sieht bleiben gravierend. Die Opposition ist in ihren Aus man!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20651

Bundesminister Dr. Gunter Rexrodt Die Arbeitslosigkeit hat mit einem Jahresdurch- vorn bewegt, und es ist ein gut Teil Ergebnis unserer schnitt von 4,4 Millionen Arbeitslosen eine unerträg- Politik, daß wir diese Erfolge verzeichnen. liche Höhe. Das sind die Minuspunkte. Eine große Reform steht aus. Die Steuerreform ist Aber Erfolge und Mißerfolge haben ihre Ursachen. uns über die SPD-Mehrheit im Bundesrat vorerst aus Diese Ursachen müssen Maßstab für eine verantwor- der Hand geschlagen worden, eine Reform, die den tungsvolle Politik auch in der Zukunft sein. Daß der Bürgern und den Unternehmen 30 Milliarden DM an Turn-around geschafft wurde, ist nicht zuletzt das Er- zusätzlicher Kaufkraft gelassen hätte, gebnis tarifpolitischer Vernunft auf beiden Seiten des (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie wollten Sie Verhandlungstisches. Moderate Lohnabschlüsse ha- das denn finanzieren?) ben dabei einen entscheidenden Anteil. In unseren Arbeitsmarkt ist Bewegung gekommen. Auf tarifver- wie wir meinen, gerecht verteilt auf untere und obere traglicher und betrieblicher Ebene gibt es mehr und Einkommensklassen, auf Arbeitnehmer, auf Mittel- mehr Vereinbarungen, mit denen die Arbeitszeit ver- ständler und auf Körperschaften. Diese Reform wäre nünftig genutzt wird. Beschäftigung entsteht da- weithin als ein Signal für zusätzliche Investitionen durch, daß wir atmende Betriebe haben, nicht in Re- und Arbeitsplätze verstanden worden. Sie ist an par- gelwerken festgezurrte. Viele Bet riebe haben ihre teitaktischen Überlegungen der SPD gescheitert. Organisation gestrafft, sie haben in Forschung und Innovation investiert, und sie haben enorme Expo rt (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - -anstrengungen unternommen. Zuruf von der SPD: Der F.D.P.!) Aber auch und gerade das wirtschaftspolitisch ver- Erst die Partei und dann das Land war Ihre Devise änderte Rahmenwerk der Bundesregierung hat diese und nicht umgekehrt, wie Sie es propagiert hatten. erforderlichen, diese neuen Freiräume geschaffen. Umgekehrt hatten Sie es propagiert, und anders ha- Die Reformpolitik von Koalition und Bundesregie- ben Sie gehandelt. rung beginnt zu greifen, stetig, Schritt für Schritt, (Detlev von Larcher [SPD]: Sie von der weil wir nicht nachgelassen haben, das Richtige zu F.D.P. müssen das gerade sagen! - Anke tun. Fuchs [Köln] [SPD]: Pfeifen im Keller nenne Meine Damen und Herren, wir haben die Vermö- ich das!) gensteuer und die Gewerbekapitalsteuer beseitigt. Niemand will vergessen machen, daß es neben Das war wichtig, weil Substanzsteuern Investitionen - den Steuern auch andere Bereiche gibt, in denen Re- verhindern. Der Solidarzuschlag wurde gesenkt, Pla- formen erforderlich sind: In der Bildungspolitik, bei nungs- und Genehmigungsverfahren sind einfacher den Gesetzen und Regelwerken und in der Privatisie- und schneller geworden. Es ist aber noch manches rung steht der Beitrag vieler Länder und vieler Kom- zu tun. Es ist jedoch schon ein Unterschied, ob man munen noch aus. Niemand kann aber übersehen - heute eine gewerbliche Baugenehmigung nach ei- das sage ich mit großer Ruhe und großem Nach- nem halben Jahr bekommt oder, wie in der Vergan- druck -, daß Bundesregierung und Koalition auf allen genheit, nach zwei Jahren oder einem noch länger Gebieten, auf denen sie nicht behindert wurden, Ver- dauernden Zeitraum. änderungen und Reformen, die vor wenigen Jahren Neue Technologien, beispielsweise die Biotechno- noch undenkbar erschienen, vorangebracht haben. logie, haben jetzt einen verläßlichen rechtlichen Rah- (Wolfgang Weiermann [SPD]: Wo denn?) men. Für neue Arbeitsplätze war es wichtig, daß der Kündigungsschutz gelockert wurde, daß das Vermitt- - Ich habe das eben vorgetragen, sehr ausführlich lungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit abge- und gegen Ihren Protest. Soll ich das noch einmal schafft und die Arbeitsförderung reformiert wurden. tun? Hören Sie zu! Die Liste unserer Reformen ist un- Die Veränderungen bei der Lohnfortzahlung im geheuer lang. Wir haben überall da, wo wir von Ih- Krankheitsfall haben unstrittig zu ganz enormen Ent- nen nicht behindert worden sind, etwas angestoßen. lastungen in der Wirtschaft geführt. Die Beiträge zur (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Rentenversicherung und zur Krankenversicherung ten der CDU/CSU) konnten stabilisiert werden. Gibt es denn Alternativen zu unserer Politik, zu un- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Steigende seren Reformen? Arbeitslosenzahlen!) (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Nein!) Die Bedingungen für Wagniskapital sind verbes- sert worden. Die Vermögensbildung in Arbeitneh- Gibt es wirklich neue Vorschläge zur Sache? - Lassen merhand ist gestärkt worden, und der Wettbewerb Sie mich darauf einmal eingehen: Herr Lafontaine bei Post und Telekommunikation hat teilweise explo- und Herr Schröder setzen prinzipiell auf Stärkung sionsartig Initiativen für neue Dienstleistungen ent- der Kaufkraft und, wie wir hören, auf „weltweit ver- stehen lassen. gleichbare Standards in der Steuer-, Sozial- und Umweltpolitik" - als ob die Stärkung der Kaufkraft (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nicht auch Bestandteil unserer Politik sei! Wir wollen die Massenkaufkraft stärken durch weniger Abga- Der Energiesektor wird folgen. ben und weniger Steuern. Das bringt mehr Investitio- Meine Damen und Herren, dies ist ein Land mitten nen und mehr Arbeitsplätze, zusätzliches Einkom- in der Bewegung, ein Land, in dem sich etwas nach men und dann auch wieder zusätzliche Kaufkraft. 20652 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt Das ist eine klare, konzeptionell in sich stimmige dern werden gesunde Unternehmen wie beispiels- Politik. weise die Preussag Stahl reverstaatlicht.

(Zuruf von der SPD: Das ist Blödsinn!) (Lachen bei der SPD - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr erfolgreich, Herr Kollege!) Sie alle wissen, daß Rezepte, die an Stelle einer sol- Sie wollen ein modernes Bildungssystem und lassen chen Politik auf staatliche Kreditfinanzierung oder die Hochschulreform an der Frage der Studienge- zusätzliche Belastung der Arbeitskosten hinauslau- bühren auflaufen. - Das sind die Fakten. fen, von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Wir haben das in den 70er Jahren gesehen und sehen Sie müssen sich auch fragen lassen, wie Sie die es in diesen Tagen und Wochen in Japan, wo ein versprochene Erhöhung des Bundeszuschusses zur Konjunkturprogramm das andere jagt, aber im Rentenversicherung von 45 Milliarden DM finanzie- Grunde nichts bewegt wird, das Land in Stagnation ren wollen - und die Erhöhung des Kindergeldes um verharrt. Mit Konjunkturprogrammen, klassisch kre- 5,6 Milliarden DM und das Studentengehalt und die ditfinanziert, können Sie nichts ausrichten. Das ist zusätzlichen Ausgaben für Wissenschaft und For- der erste Punkt. schung.

Der zweite Punkt. Wie naiv ist eigentlich Ihre Vor- (Zuruf von der SPD: Das lassen Sie einmal stellung, daß irgendein Schwellenland sein Sozialsy- unsere Sorge sein!) stem, seine Umweltvorschriften, seine Steuersätze Meine Damen und Herren, die Bundesregierung nur deshalb den unseren anpaßt, damit wir weiterhin wird sich von ihrem klaren, stimmigen Konzept der wettbewerbsfähig bleiben! Man mag das beklagen, marktwirtschaftlichen Erneuerung nicht abbringen aber das Gegenteil ist der Fall. lassen. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie sollten nicht (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Darauf setzen von etwas reden, von dem Sie nichts verste wir auch!) hen! Das ist Unsinn, was Sie erzählen! Wir wollen das doch gar nicht!) Im Jahreswirtschaftsbericht erläutern wir unsere Re- formpolitik. - Ihr Spitzenkandidat hat das doch gerade gestern Darüber hinaus setzen wir einen weiteren Schwer- gesagt, daß er darauf setzt. Lesen Sie das einmal punkt bei der Erschließung neuer Beschäftigungsfel- nach! Das ist Ihre Partei: Keiner weiß, was der andere - der. Diese liegen ganz überwiegend im Dienstlei- sagt; jeder sagt das, was er gerade für notwendig stungssektor. Wir haben im Dienstleistungssektor in oder richtig hält. den letzten Jahren ein kleines Beschäftigungswun- der erlebt. Dennoch gibt es gerade bei Dienstleistun- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - gen bei uns in Deutschland erheblichen Nachholbe- Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie sollten einmal darf. denken! Denken, bevor Sie reden! So ein Unsinn!) In der Informationstechnologie haben wir mit der Aktion „Schulen ans Netz", mit unseren liberalisier- Das ist Opportunismus, das ist Beliebigkeit! ten Rahmengesetzen, mit der Förderung des „elec- tronic commerce" wichtige Akzente gesetzt. Was steht in Ihrem Parteiprogramm wirklich Deutschland nimmt hier wieder einen führenden Neues? Sie sprechen von moderner Wirtschaftspoli- Platz ein. Wer in den letzten Tagen auf der CeBIT tik, von gerechter und zukunftsorientierter Politik. war, wird das bestätigt sehen. Was heißt das eigentlich? Das ist alles und nichts zu- gleich. Jeder, der den Anspruch moderner Wi rt Dienstleistungsbetriebe entstehen im Telebanking, -schaftspolitik erhebt, muß sich auch fragen lassen, bei Online-Bibliotheken, bei Verkehrsleitsystemen. wie das Folgende zusammenpaßt: Mehr Investitionen Telearbeit wird mehr und mehr Alltag. Neue Dienst- auf der einen Seite und Verweigerung bei der Steuer- leistungsarbeitsplätze gibt es in Logistikzentren, in reform auf der anderen; mehr Ausbildungsplätze hier Transportunternehmen, im Bereich der Sicherheit, im und eine Ausbildungsplatzabgabe dort. Sie fordern Pflege- und Gesundheitsbereich, im Tourismus, in niedrige Lohnzusatzkosten, aber Sie wollen die Ren- der Finanzberatung, bei freien Berufen und in neuen tenreform mit Ihren entlastenden Wirkungen ruck- Betrieben des Handels und Handwerks. gängig machen. Wie das im einzelnen aussieht, entscheidet der (Zuruf von der SPD: Blödsinn!) Markt. Dieser Markt kann sich aber nur dann entf al- ten, wenn er den richtigen Rahmen erhält: durch mo- Sie fordern mehr Arbeitsplätze und wollen die Re- derne Berufsbilder, liberale Zugangsbedingungen form beim Kündigungsschutz, die auf mehr Einstel- und grenzüberschreitende Regelwerke. lungen zielt, rückgängig machen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wo sind denn die neuen Arbeitsplätze?) Die Bundesregierung hat hier mehr - wenn man fair ist, muß man das feststellen - als nur ihre Schul- Da lesen wir etwas von „marktwirtschaftlichem Lei arbeiten gemacht - auch in der Existenzgründungs- stungswettbewerb", und in von Ihnen regierten Län und Förderpolitik. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20653

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt Neue Beschäftigungsfelder in Deutschland können In Ostdeutschland gibt es mittlerweile 510 000 nur erschlossen werden, wenn unsere Volkswirt- selbständige Existenzen, Freiberufler und Unterneh- schaft in ein offenes Weltwirtschaftssystem und in mer - quasi aus dem Nichts entstanden. Meine Da- freie Märkte eingebettet bleibt. Die Bundesregierung men und Herren, es gibt aber auch Pleiten und Liqui- setzt sich in ihrer Außenwirtschaftspolitik - auch in dationen. Wer wollte das verschweigen? Aber noch ihrer Förderpolitik - entschieden dafür ein, daß das wichtiger ist, daß der Saldo aus Betriebsgründungen bestehende Handelssystem durch ein Abkommen er- und Betriebsschließungen in den neuen Ländern gänzt wird, das weltweit Investitionsfreiheit ge- nach wie vor positiv ist. Vom ostdeutschen Mittel- währt. Unsere Außenwirtschaftspolitik öffnet deut- stand, einem neuen Mittelstand, sind weiterhin schen Unternehmen Türen für die Teilhabe am Wachstumsimpulse zu erwarten. Wachstum auf den nach wie vor expandierenden Märkten in Asien, in Lateinamerika und in anderen Die Bundesregierung hat die Förderung der ost- Teilen der Welt. Wir haben dabei große Erfolge auch deutschen Länder im Jahre 1997 neu geordnet. Die und gerade in Mittel- und Osteuropa. Landesregierungen haben daran, im übrigen unab- hängig von ihrer politischen Couleur, sehr konstruk- Meine Damen und Herren, kleine und mittlere Un- tiv mitgewirkt. Die Förderung der neuen Länder wird ternehmen erhalten bei der Teilnahme an Auslands- auf hohem Niveau fortgesetzt. Wer sich in den neuen messen umfangreiche Förderung durch Garantien Ländern fair und unvoreingenommen umschaut, der und Beratungen. Das System der Auslandshandels- wird erfassen, daß sich dieser Teil unseres Landes kammern wird ausgebaut. Deutsche Häuser sind auf einem guten Weg befindet. sichtbares Zeichen dafür, daß auch der Mittelstand (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bei Export und Investitionen unterstützt wird. Meine Damen und Herren, der Jahreswirtschafts- In Zukunft kommt es darauf an, den Export von bericht zeichnet ein nüchternes Bild der wirtschaftli- Dienstleistungen mehr zu fördern. Die Bundesregie- chen Entwicklung. Er zeigt unsere Erfolge. Er zeigt rung drängt deshalb darauf, das umfassende Betrei- die Widerstände, die es zu überwinden gilt. Er zeigt, ber-Know-how von Stromerzeugern, Flughäfen, Hä- daß diese Regierung einem Konzept folgt, zu dem es fen und Gesundheitseinrichtungen im Ausland bes- keine überzeugende Alternative gibt. Er zeigt, daß ser einzusetzen und zu vermarkten. Andere machen dieses Land dabei ist, seine Strukturen zu verändern, damit Milliardenumsätze. Wir haben Nachholbedarf. um im weltweiten Wettbewerb vorne zu bleiben. Die- sen Weg werden wir auch in Zukunft gehen. Meine Damen und Herren, wer Offenheit- erwartet, muß aber auch Offenheit bieten. Protektionismus Ich bedanke mich. kommt für uns nicht in Frage, auch nicht unter dem Vorwand von gleichen Standards in der Steuer-, So- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) zial- und Umweltpolitik. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bevor ich die Lassen Sie mich zum Abschluß - last, but not least Aussprache eröffne, gebe ich das von den Schriftfüh- - noch einige Ausführungen zu den neuen Bundes- rerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der ländern machen. Das gesamtwirtschaftliche Wachs- namentlichen Abstimmung zur Zurückweisung des tum ist 1997 erstmals hinter dem im Westen zurück- Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur geblieben. Möglicherweise bleibt das auch 1998 so. Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, Drucksache Dies ist unbefriedigend und soll in keiner Weise be- 13/10178, bekannt. schönigt werden. Wer aber meint, der Anpassungs- prozeß im Osten sei zum Stillstand gekommen, der Abgegebene Stimmausweise: 650. Abgegebene sieht die Dinge falsch. Diese Wachstumsdelle, Stimmen: 652. Mit Ja haben gestimmt: 342, mit Nein: 266. Enthaltungen: 44. (Ernst Schwanhold [SPD): Die hatten wir schon mal, die Wachstumsdelle! - Anke (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Fuchs [Köln] [SPD]: Der Dellenminister!) Endgültiges Ergebnis Franz Peter Basten die sich auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt - Dr. Wolf Bauer leider! -, hat ihre Ursachen wesentlich im Baube- Abgegebene Stimmen: 651; Brigitte Baumeister reich. Dessen Anteil an der gesamtwirtschaftlichen davon: Meinrad Belle Wertschöpfung ist im Osten dreieinhalbmal so hoch ja: 342 Dr. Sabine Bergmann-Pohl wie im Westen. nein: 265 Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Diesem Einbruch im Baubereich steht eine fast un- enthalten: 44 Renate Blank erwartet günstige Entwicklung im verarbeitenden Dr. Heribert Blens Peter Bleser Gewerbe gegenüber. Do rt gibt es Wachstumsraten Ja bei Produktion und Aufträgen um 10 Prozent. Der Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Export wächst um 20 Prozent. Hier und im künftig CDU/CSU wieder wachsenden Dienstleistungsbereich liegen Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert die Potentiale für die Zukunft in den neuen Bundes- Ulrich Adam Peter Altmaier Wolfgang Börnsen (Bönstrup) ländern. Anneliese Augustin Wolfgang Bosbach Jürgen Augustinowitz Dr. Wolfgang Bötsch (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Dietrich Austermann Klaus Brähmig ten der CDU/CSU) Heinz-Günter Bargfrede Rudolf Braun (Auerbach) 20654 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Paul Breuer Dr.-Ing. Rainer Jork Engelbert Nelle Reinhard Freiherr von Monika Brudlewsky Michael Jung (Limburg) Bernd Neumann (Bremen) Schorlemer Georg Brunnhuber Ulrich Junghanns Johannes Nitsch Dr. Erika Schuchardt Klaus Bühler (Bruchsal) Dr. Egon Jüttner Claudia Nolte Wolfgang Schulhoff Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl Dr. Rolf Olderog Dr. Dieter Schulte (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Friedhelm Ost (Schwäbisch Gmünd) Dankward Buwitt Steffen Kampeter Eduard Oswald Gerhard Schulz (Leipzig) Manfred Carstens (Emstek) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Norbert Otto (Erfurt) Frederick Schulze Peter Harry Carstensen Manfred Kanther Dr. Gerhard Päselt (Sangerhausen) (Nordstrand) Irmgard Karwatzki Dr. Peter Paziorek Diethard Schütze (Berlin) Wolfgang Dehnel Volker Kauder Hans-Wilhelm Pesch Clemens Schwalbe Hubert Deittert Peter Keller Ulrich Petzold Dr. Christian Schwarz- Gertrud Dempwolf Eckart von Klaeden Anton Pfeifer Schilling Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Angelika Pfeiffer Wilhelm Josef Sebastian Renate Diemers Ulrich Klinkert Dr. Gero Pfennig Horst Seehofer Wilhelm Dietzel Dr. Helmut Kohl Dr. Friedbert Pflüger Marion Seib Werner Dörflinger Hans-Ulrich Köhler Beatrix Philipp Wilfried Seibel Hansjürgen Doss (Hainspitz) Dr. Winfried Pinger Heinz-Georg Seiffert Dr. Alfred Dregger Manfred Kolbe Ronald Pofalla Rudolf Seiters Maria Eichhorn Norbert Königshofen Dr. Hermann Pohler Johannes Selle Wolfgang Engelmann Eva-Maria Kors Ruprecht Polenz Bernd Siebert Rainer Eppelmann Hartmut Koschyk Marlies Pretzlaff Jürgen Sikora Heinz Dieter Eßmann Manfred Koslowski Dr. Albert Probst Johannes Singhammer Horst Eylmann Thomas Kossendey Dr. Bernd Protzner Bärbel Sothmann Anke Eymer Annegret Kramp- Dieter Pützhofen Margarete Späte Ilse Falk Karrenbauer Thomas Rachel Carl-Dieter Spranger Jochen Feilcke Rudolf Kraus Hans Raidel Wolfgang Steiger Ulf Fink Wolfgang Krause (Dessau) Dr. Peter Ramsauer Erika Steinbach Dirk Fischer (Hamburg) Andreas Krautscheid Rolf Rau Dr. Wolfgang Freiherr von Leni Fischer (Unna) Arnulf Kriedner Helmut Rauber Stetten Klaus Francke (Hamburg) Heinz-Jürgen Kronberg Peter Rauen Dr. Gerhard Stoltenberg Herbert Frankenhauser Dr.-Ing. Paul Krüger Otto Regenspurger Andreas Storm Dr. Gerhard Friedrich Reiner Krziskewitz Christa Reichard (Dresden) Max Straubinger Erich G. Fritz Dr. Hermann Kues Klaus Dieter Reichardt Matthäus Strebl Hans-Joachim Fuchtel Werner Kuhn (Mannheim) Michael Stübgen Michaela Geiger Dr. Karl A. Lamers Dr. Bertold Reinartz Egon Susset Norbert Geis (Heidelberg) Erika Reinhardt Dr. Rita Süssmuth Dr. Heiner Geißler Karl Lamers Hans-Peter Repnik Michael Teiser Michael Glos Dr. Norbert Lammert Roland Richter Dr. Susanne Tiemann Wilma Glücklich Helmut Lamp Dr. Norbert Rieder Gottfried Tröger Dr. Reinhard Göhner Armin Laschet Dr. Erich Riedl (München) Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Peter Götz Herbert Lattmann Klaus Riegert Gunnar Uldall Dr. Wolfgang Götzer Dr. Paul Laufs Dr. Heinz Riesenhuber Wolfgang Vogt (Duren) Joachim Gres Karl-Josef Laumann Franz Romer Dr. Horst Waffenschmidt Kurt-Dieter Gri ll Vera Lengsfeld Hannelore Rönsch Dr. Theodor Waigel Wolfgang Gröbl Werner Lensing (Wiesbaden) Alois Graf von Waldburg-Zeil Hermann Gröhe Christian Lenzer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Jürgen Warnke Claus-Peter Grotz Peter Letzgus Dr. Klaus Rose Kersten Wetzel Manfred Grund Editha Limbach Kurt J. Rossmanith Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Horst Günther (Duisburg) Walter Link (Diepholz) Adolf Roth (Gießen) Gert Willner Carl-Detlev Freiherr von Eduard Lintner Norbert Röttgen Bernd Wilz Hammerstein Dr. Klaus W. Lippold Dr. Christian Ruck Willy Wimmer (Neuss) Gottfried Haschke (Offenbach) Volker Rühe Matthias Wissmann (Großhennersdorf) Dr. Manfred Lischewski Dr. Jürgen Rüttgers Dr. Fritz Wittmann Gerda Hasselfeldt Wolfgang Lohmann Roland Sauer (Stuttga rt) Dagmar Wöhrl Otto Hauser (Esslingen) (Lüdenscheid) Ortrun Schätzle Michael Wonneberger Hansgeorg Hauser Julius Louven Dr. Wolfgang Schäuble Elke Wülfing (Rednitzhembach) Sigrun Löwisch Hartmut Schauerte Peter Kurt Würzbach Klaus-Jürgen Hedrich Heinrich Lummer Heinz Schemken Cornelia Yzer Helmut Heiderich Dr. Michael Luther Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zeitlmann Manfred Heise Erich Maaß (Wilhelmshaven) Gerhard Scheu Benno Zierer Detlef Helling Dr. Dietrich Mahlo Norbert Schindler Wolfgang Zöller Dr. Renate Hellwig Erwin Marschewski Dietmar Schlee Ernst Hinsken Günter Marten Ulrich Schmalz Peter Hintze Dr. Martin Mayer Bernd Schmidbauer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Josef Hollerith (Siegertsbrunn) Christian Schmidt (Fürth) Elke Holzapfel Wolfgang Meckelburg Dr.-Ing. Joachim Schmidt Antje Hermenau Dr. Karl-Heinz Hornhues Rudolf Meinl (Halsbrücke) Siegfried Hornung Dr. Michael Meister Andreas Schmidt (Mülheim) Joachim Hörster Dr. Angela Merkel Hans-Otto Schmiedeberg F.D.P. Hubert Hüppe Friedrich Merz Hans Peter Schmitz Peter Jacoby Rudolf Meyer (Winsen) (Baesweiler) Ina Albowitz Susanne Jaffke Hans Michelbach Michael von Schmude Hildebrecht Braun Georg Janovsky Meinolf Michels Birgit Schnieber-Jastram (Augsburg) Helmut Jawurek Dr. Gerd Müller Dr. Andreas Schockenhoff Günther Bredehorn Dr. Dionys Jobst Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Rupert Scholz Jörg van Essen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20655

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Dr. Olaf Feldmann Karl Diller Werner Labsch Brigitte Schulte (Hameln) Gisela Frick Dr. Marliese Dobberthien Brigitte Lange Reinhard Schultz Paul K. Friedhoff Peter Dreßen Detlev von Larcher (Everswinkel) Horst Friedrich Rudolf Dreßler Waltraud Lehn Volkmar Schultz (Köln) Rainer Funke Freimut Duve Robert Leidinger Ilse Schumann Hans-Dietrich Genscher Ludwig Eich Klaus Lennartz Dr. R. Werner Schuster Dr. Wolfgang Gerhardt Peter Enders Dr. Elke Leonhard Dietmar Schütz (Oldenburg) Joachim Günther (Plauen) Gernot Erler Klaus Lohmann (Witten) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Karlheinz Guttmacher Petra Emstberger Christa Lörcher Ernst Schwanhold Dr. Helmut Haussmann Annette Faße Erika Lotz Rolf Schwanitz Ulrich Heinrich Elke Ferner Dr. Christine Lucyga Bodo Seidenthal Walter Hirche Lothar Fischer (Homburg) Dieter Maaß (Herne) Lisa Seuster Dr. Burkhard Hirsch Gabriele Fograscher Winfried Mante Horst Sielaff Birgit Homburger Iris Follak Ulrike Mascher Erika Simm Dr. Werner Hoyer Eva Folta Christoph Matschie Johannes Singer Ulrich Irmer Dagmar Freitag Ingrid Matthäus-Maier Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Klaus Kinkel Anke Fuchs (Köln) Heide Mattischeck Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Detlef Kleinert (Hannover) Katrin Fuchs (Verl) Markus Meckel Wieland Sorge Roland Kohn Arne Fuhrmann Ulrike Mehl Wolfgang Spanier Dr. Heinrich L. Kolb Monika Ganseforth Herbert Meißner Dr. Dietrich Sperling Jürgen Koppelin Konrad Gilges Angelika Mertens Jörg-Otto Spiller Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Iris Gleicke Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Antje-Marie Steen Dr. Otto Graf Lambsdorff Günter Gloser Ursula Mogg Ludwig Stiegler Sabine Leutheusser Uwe Göllner Siegmar Mosdorf Dr. Peter Struck Schnarrenberger Günter Graf (Friesoythe) Michael Müller (Düsseldorf) Joachim Tappe Uwe Lühr Angelika Graf (Rosenheim) Jutta Müller (Völklingen) Jörg Tauss Jürgen W. Möllemann Dieter Grasedieck Christian Müller (Zittau) Dr. Bodo Teichmann Günther Friedrich Nolting Achim Großmann Volker Neumann (Bramsche) Margitta Terborg Dr. Rainer Ortleb Karl Hermann Haack Gerhard Neumann (Gotha) Jella Teuchner Lisa Peters (Extertal) Dr. Edith Niehuis Dr. Gerald Thalheim Dr. Günter Rexrodt Hans-Joachim Hacker Dr. Rolf Niese Wolfgang Thierse Dr. Klaus Röhl Klaus Hagemann Doris Odendahl Franz Thönnes Helmut Schäfer (Mainz) Manfred Hampel Günter Oesinghaus Uta Titze-Stecher Cornelia Schmalz-Jacobsen Christel Hanewinckel Leyla Onur Adelheid Tröscher Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Alfred Hartenbach- Manfred Opel Hans-Eberhard Urbaniak Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Liesel Hartenstein Adolf Ostertag Siegfried Vergin Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Ingomar Hauchler Kurt Palis Günter Verheugen Dr. Max Stadler Dieter Heistermann Albrecht Papenroth Ute Vogt (Pforzheim) Carl-Ludwig Thiele Reinhold Hemker Dr. Wilfried Penner Karsten D. Voigt (Frankfurt) Dr. Dieter Thomae Roll Hempelmann Dr. Martin Pfaff Josef Vosen Jürgen Türk Dr. Barbara Hendricks Georg Pfannenstein Hans Georg Wagner Dr. Wolfgang Weng Monika Heubaum Dr. Eckhart Pick Hans Wallow (Gerlingen) Uwe Hiksch Joachim Poß Wolfgang Weiermann Dr. Guido Westerwelle Reinhold Hiller (Lübeck) Rudolf Purps Reinhard Weis (Stendal) Stephan Hilsberg Karin Rehbock-Zureich Matthias Weisheit Gerd Höfer Margot von Renesse Gunter Weißgerber Nein Jelena Hoffmann (Chemnitz) Renate Rennebach Gert Weisskirchen (Wiesloch) Frank Hofmann (Volkach) Otto Reschke Jochen Welt SPD Ingrid Holzhüter Bernd Reuter Hildegard Wester Erwin Horn Dr. Edelbert Richter Lydia Westrich Brigitte Adler Eike Hovermann Günter Rixe Inge Wettig-Danielmeier Gerd Andres Wolfgang Ilte Reinhold Robbe Dr. Norbert Wieczorek Hermann Bachmaier Barbara Imhof Gerhard Rübenkönig Heidemarie Wieczorek-Zeul Ernst Bahr Brunhilde Irber Dr. Hansjörg Schäfer Dieter Wiefelspütz Doris Barnett Gabriele Iwersen Gudrun Schaich-Walch Berthold Wittich Klaus Barthel Renate Jäger Dieter Schanz Dr. Wolfgang Wodarg Ingrid Becker-Inglau Jann-Peter Janssen Bernd Scheelen Verena Wohlleben Wolfgang Behrendt Ilse Janz Siegfried Scheffler Hanna Wolf (München) Hans Berger Dr. Uwe Jens Horst Schild Heidi Wright Hans-Werner Bertl Volker Jung (Düsseldorf) Otto Schily Uta Zapf Friedhelm Julius Beucher Sabine Kaspereit Dieter Schloten Dr. Christoph Zöpel Rudolf Bindig Susanne Kastner Günter Schluckebier Peter Zumkley Lilo Blunck Klaus Kirschner Horst Schmidbauer Anni Brandt-Elsweier Marianne Klappert (Nürnberg) Tilo Braune Siegrun Klemmer Ulla Schmidt (Aachen) BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr. Eberhard Brecht Hans-Ulrich Klose Dagmar Schmidt (Meschede) Edelgard Bulmahn Dr. Hans-Hinrich Knaape Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Rezzo Schlauch Ursula Burchardt Walter Kolbow Regina Schmidt-Zadel Albert Schmidt (Hitzhofen) Dr. Michael Bürsch Fritz Rudolf Körper Heinz Schmitt (Berg) Hans Martin Bury Nicolette Kressl Dr. Emil Schnell Hans Büttner (Ingolstadt) Volker Kröning Walter Schöler PDS Marion Caspers-Merk Thomas Krüger Ottmar Schreiner Wolf-Michael Catenhusen Horst Kubatschka Gisela Schröter Wolfgang Bierstedt Peter Conradi Eckart Kuhlwein Dr. Mathias Schubert Petra Bläss Dr. Herta Däubler-Gmelin Helga Kühn-Mengel Schuhmann Richard Eva Bulling-Schröter Christel Deichmann Dr. Uwe Küster (Delitzsch) Heinrich Graf von Einsiedel 20656 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Dr. Ludwig Elm Matthias Berninger von Jahr zu Jahr dürftiger wird? Wir haben eine Dr. Dagmar Enkelmann Annelie Buntenbach steigende Arbeitslosigkeit. Das ist der Maßstab, an Dr. Ruth Fuchs Amke Dietert-Scheuer dem Sie sich messen lassen müssen, Herr Andrea Gysi Franziska Eichstädt-Bohlig Wirtschaftsminister. Dr. Gregor Gysi Dr. Uschi Eid Hanns-Peter Hartmann Andrea Fischer (Berlin) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Dr. Uwe-Jens Heuer Joseph Fischer (Frankfurt) GRÜNEN und der PDS) Dr. Barbara Höll Gerald Häfner Dr. Willibald Jacob Kristin Heyne In jeder Debatte sagen Sie uns, was zu tun, was zu Ulla Jelpke Ulrike Höfken verbessern ist. Das Ergebnis Ihrer Politik ist, daß Sie Gerhard Jüttemann Michaele Hustedt in den letzten acht Jahren in keinem Jahr erreicht ha- Dr. Heidi Knake-Werner Dr. Manuel Kiper ben, daß es nur einen zusätzlichen Arbeitsplatz und Rolf Kutzmutz Monika Knoche Dr. Christa Luft Dr. Angelika Köster-Loßack damit einen Arbeitslosen weniger gibt. Das ist das Er- Heidemarie Lüth Steffi Lemke gebnis Ihrer Politik. Dr. Günther Maleuda Dr. Helmut Lippelt (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Manfred Müller (Berlin) Oswald Metzger Rosel Neuhäuser Kerstin Müller (Köln) Dabei ist manches eingeleitet worden; das wollen Dr. Uwe-Jens Rössel Winfried Nachtwei wir nicht verkennen. Darunter sind Schritte, die wir Christa Nickels Klaus-Jürgen Warnick gemeinsam gehen können und gehen müssen. Ihr Dr. Winfried Wolf Egbert Nitsch (Rendsburg) Gerhard Zwerenz Cern Özdemir entscheidender Fehler aber war, die gutwilligen Gerd Poppe Kräfte der Gewerkschaft zu verprellen und ihnen zu Simone Probst sagen: Ihr werdet für diesen Umbauprozeß nicht ge- Fraktionslose Dr. Jürgen Rochlitz braucht; wir verzichten auf eure Dienstleistung. Sie Halo Saibold haben mutwillig das „Bündnis für Arbeit" zerstört. Kurt Neumann (Berlin) Christine Scheel Wir hätten ein gutes Stückchen weiter sein können, Irmingard Schewe-Gerigk als wir es heute sind. Wolfgang Schmitt Enthalten (Langenfeld) (Beifall bei der SPD) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Ich möchte gerne mit dem Zitat eines geschätzten BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Werner Schulz (Berlin) Kollegen aus diesem Haus beginnen. Er stellte fest: Marina Steindor Gila Altmann (Aurich) Christian Sterzing Wir haben in ... Deutschland Massenarbeitslosig- Elisabeth Altmann Manfred Such keit ... Wir haben 600 000 Kurzarbeiter. Es gibt ... (Pommelsbrunn) Dr. Antje Vollmer 700 000 Bürger, die arbeiten wollen, sich aber Marieluise Beck (Bremen) Ludger Volmer gar nicht mehr registrieren lassen, weil sie keine Volker Beck (Köln) Helmut Wilhelm (Amberg) Aussicht mehr sehen, ... eine Arbeit ... zu bekom- Angelika Beer Margareta Wolf (Frankfurt) men ... Diese Arbeitslosigkeit ist doch nicht über Nacht über uns gekommen, sondern sie ist das Ergebnis einer lang angelegten Wachstumskrise, Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Strukturkrise, Innovationskrise. Versammlung der WEU Der Kollege fährt fo rt : Abgeordneter Diese Regierung ist aus eigener Schuld, auf Antretter, Robe rt, SPD Grund eigener Versäumnisse zu einer Regierung der Arbeitslosigkeit geworden. Danach heißt es: Es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß es zwischen Ich möchte einmal die Frage stellen: Was ist denn der Zahl der abgegebenen Stimmausweise und der das für eine Gesellschaft, in der sich diejenigen Zahl der abgegebenen Stimmen eine Differenz gibt. am besten durchsetzen können, die die stärksten Sie ist aber für das Ergebnis unerheblich. Der Antrag Ellenbogen haben, die Großindustrie gegen den ist angenommen. Mittelstand, die Arbeitsfähigen gegen die alten (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Leute und diejenigen, die einen Arbeitsplatz ha- ben, gegen die Arbeitslosen? Das ist keine Ge- Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wo rt hat der sellschaft, die mit den Grundwerten unserer Ver- Kollege Ernst Schwanhold, SPD. fassung übereinstimmt. Recht hat der Redner. Es war Heiner Geißler im Jahre Ernst Schwanhold (SPD): Herr Präsident! Meine 1982 zur Bundesregierung Schmidt. sehr verehrten Damen und Herren! Wer wollte leug- (Gunnar Ulldall [CDU/CSU]: Da hat er auch nen, daß sich die Regierung bemüht, den Wi rt recht gehabt! Wo er recht hat, hat er recht!) -schaftsstandort zu verbessern und die Arbeitslosig- keit zu bekämpfen? Wer wollte leugnen, daß der Zum heutigen Zeitpunkt mit fast 5 Millionen Ar- Bundeswirtschaftsminister diesen Satz in jeder De- beitslosen und weitaus mehr Menschen, die resi- batte zum Jahreswirtschaftsbericht gleichermaßen gniert haben, mit weitaus weniger Innovationen, mit erwähnt? Und wer wollte leugnen, daß das Ergebnis weitaus weniger Investitionen, mit weitaus weniger seiner Politik zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit Fortschritt innerhalb des Strukturwandels stellen Sie Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20657

Ernst Schwanhold sich hierher und versuchen, das schönzureden, was punkt, dem sich der Bundesforschungsminister wid- Sie als Ergebnis Ihrer Politik zu verantworten haben. men müßte. Dieses Ergebnis ist in hohem Maße unglaubwürdig und entspricht nicht dem, was Sie selbst sich vorge- nommen haben. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Schwanhold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Kollegen Rüttgers? 90/DIE GRÜNEN)

Zu dem Zeitpunkt, als diese Rede gehalten wurde, Ernst Schwanhold (SPD): Nein, ich möchte im Zu- betrug die Arbeitslosigkeit weit unter 2 Millionen. Es sammenhang vortragen. Vielleicht zu einem etwas war die Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht 1982. späteren Zeitpunkt, wenn dieser Gedanke zu Ende Ich bin außerordentlich froh, daß Sie heute den letz- ist. ten Jahreswirtschaftsbericht Ihrer Amtszeit abgege- ben haben, Herr Minister. Diese Regierung hat zugesehen, wie das For- schungspersonal in der Wirtschaft in nur fünf Jahren (Beifall bei der SPD) von 1991 an von 322 000 auf 274 000 zurückgegangen ist. Viele Forscher sind in die USA abgewandert und Ich frage die CDU/CSU und Herrn Geißler, wel- mit ihrer guten Hochschulausbildung dem Standort chen Befund sie heute bei 5 Millionen Menschen Deutschland untreu geworden, weil es Ihnen nicht ohne Arbeit formulieren würden. Was ist mit den gelungen ist, ihnen auch die materiellen Vorausset- Grundwerten der Verfassung, wie werden sie durch- zungen zu geben, um aus ihren guten Forschungser- gesetzt? Wie wollen Sie die hohe Massenarbeitslosig- gebnissen Arbeitsplätze zu schaffen. Wo ist Ihre Initi- keit, die hohen Konkurswellen Arbeitnehmern und ative für Chancenkapital? Sie reden davon; aber Arbeitslosen sowie dem Mittelstand erklären? Wie noch immer müssen Wissenschaftler abwandern, wollen Sie in Ostdeutschland angesichts der Krise weil die Finanzierungsbedingungen schlecht sind. der Bauwirtschaft und angesichts der Konkurse in diesem Bereich die Vernichtung von Kapital erklä- (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der ren, das vorher mit öffentlicher Förderung aufgebaut CDU/CSU) worden ist? Diese Regierung hat zugesehen, wie selbst beim (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nichts hat er Staat und in Forschungseinrichtungen das For- dazu gesagt!) schungs- und Entwicklungspersonal in fünf Jahren von 91 000 auf 75 000 abgebaut worden ist. Wenn Sie von der Koalition im Jahre 1982 von ei- ner Innovationskrise gesprochen haben - einem Jahr, Nach 16 Jahren kommen Sie nun das erste Mal auf in dem Deutschland noch eine führende Rolle bei den Gedanken, den Jahreswirtschaftsbericht mit neuen Märkten und neuen Technologien spielte -, Überschriften zu versehen, mit denen diese Regie- wovon reden Sie heute, nachdem wir in den letzten rung nun auf innovativ macht. Sie wollen plötzlich so Jahren den Anschluß in solchen Bereichen verloren tun, als seien Sie nach 16 Jahren der Versäumnisse, haben? nach 16 Jahren des Aussitzens die Innovatoren in un- (Beifall bei der SPD) serem Land? „Was hat diese Regierung in den 16 Jahren getan?", Wir Sozialdemokraten haben uns stets für eine müßte man Herrn Geißler fragen. Daß er sich dieser breite Forschungspolitik, für neue Technologien, Frage nicht stellt, ist ja auch bezeichnend. neue Kommunikationstechniken, neue Werkstoffe, neue Umwelttechnologien und neue Energietechni- Zu Beginn der 80er Jahre war Deutschland mit den ken eingesetzt. Im Jahreswirtschaftsbericht schrei- USA das Land mit den höchsten Ausgaben für For- ben Sie, die Investitionen in Deutschland stärken zu schung und Entwicklung, gemessen an der Wirt wollen. Das ist lobenswert und findet unsere Unter- -schaftsleistung. Heute liegt Deutschland auf Platz stützung. Nur frage ich Sie: Warum haben Sie dann neun hinter der Schweiz, Südkorea und Israel. Diese diesen Standort über Jahre hinweg schlechtgeredet, Regierung hat die Forschungsansätze in den vergan- obwohl er gut war und vorzügliche Bedingungen genen Jahren systematisch zurückgedreht und hat hatte? erst auf unseren massiven Druck hin wieder etwas daraufgelegt. Aber wer Forschung reduziert, redu- (Beifall bei der SPD - Gunnar Uldall (CDU/ ziert Zukunftschancen, Chancen für Innovationen, CSU): Sie waren das doch!) Investitionen und neue Arbeitsplätze. - Ich kann Ihnen die Zitatstellen dafür vorlegen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Warum haben Sie in den letzten Jahren zugesehen, wie Deutschland in eine tiefe Innovationsschwäche Die Schwerpunkte in der Forschungs- und Ent- geraten ist und der Standort schlechtgeredet wurde - wicklungspolitik, in der wir zurückgefallen sind, sind und das in einer Zeit, in der die Massenarbeitslosig- nicht erkennbar, sondern nach wie vor diffus. Sie ge- keit von Negativrekord zu Negativrekord gestiegen hen mit Schulen ans Netz. Wo ist die Universität, die ist? ebenfalls am Netz ist? Wo ist das Angebot, Vorlesun- gen von international renommierten Wissenschaft- (Abg. Hans Michelbach (CDU/CSU) meldet lern im Internet zu haben? Dies wäre ein Schwer- sich zu einer Zwischenfrage) 20658 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege den letzten Jahren hat sich niemand getraut, sich Schwanhold, sind Sie im Augenblick generell gegen selbständig zu machen. Auch das beruht auf man- Zwischenfragen? Dann brauche ich Sie nicht dau- gelndem Vertrauen in die Politik dieser Regierung. ernd zu unterbrechen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht!) Ernst Schwanhold (SPD): Ich lasse im Moment keine Zwischenfragen zu. - Auch wenn Sie sagen, es stimme nicht: Die Zahlen sind so, wie ich sie nenne. Sie können sich hier hin- Die Zahlen sprechen eine entlarvende Sprache: stellen und versuchen, das Gegenteil zu beweisen. Seit dem Wiedervereinigungsboom sind die realen Das werden Sie nicht schaffen. Ausrüstungsinvestitionen gemessen am Bruttoin- landsprodukt von 10,8 Prozent auf 8,6 Prozent in In Deutschland machen sich immer mehr Men- schen aus dem Staube, die eine gute Hochschulaus- 1997 abgesackt. In 1997 haben die industriellen Inve- stitionen erneut fast stagniert. Unsere europäischen bildung haben und sich gern hier selbständig ma- Partnerländer haben 1997 bei den Industrieinvestitio- chen würden. Das Wegbrechen der Konjunktur, die nen zum Teil zweistellige Zuwachsraten zu verzeich- hohe Pleitenrate und Konkurswelle in Ostdeutsch- nen. land sind ein Beleg dafür. 1997 sind durch Konkurse 250000 Arbeitsplätze mehr abgebaut worden, als wir Die Anlageinvestitionen in Deutschland haben seit durch Neugründungen haben aufbauen können. 1994 real nur um 5 Prozent zugenommen, aber nicht Auch dies hat etwas mit Politik zu tun und ist kein etwa pro Jahr - was normal gewesen wäre -, sondern normaler wirtschaftlicher Prozeß, zumal diese Pleiten um 5 Prozent in fünf Jahren. Das ist viel zuwenig für in besonderem Maße in Ostdeutschland, in der Bau- einen Beschäftigungsaufschwung. Im internationa- wirtschaft und bei Unternehmen eingetreten sind, len Vergleich von 19 Nationen liegt Deutschland auf die wir schon einmal gefördert haben. Hier wird Ka- dem letzten Platz. Auch das ist das Ergebnis Ihrer pitalvernichtung betrieben. Das ist ein falscher An- Politik, Herr Minister Rexrodt, und dieses Kabinetts satz. insgesamt. (Beifall bei der SPD und der PDS) Deutsche Großunternehmen melden Rekordge- Der Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen hat winne, der Dax klettert in unerreichbare Höhen. Ka- Ihnen dies auch mehrfach ins Stammbuch geschrie- pital ist also in ausreichendem Maße vorhanden. Was ben. Er hat Ihnen gesagt: Wir brauchen Verläßlich- tun Sie, damit Gewinne und Anlagekapital in reale keit in der Finanzpolitik, wir brauchen Verläßlichkeit Investitionen fließen? Was tut diese Bundesregie- in der Steuerpolitik, wir brauchen niedrige Steuer- rung, damit nicht verspekuliert wird, sondern auf sätze. Aber was wir zuallererst brauchen, ist eine breiter Front in junge Technologieunternehmen inve- Korrektur der falschen Politik der Umwälzung der stiert wird? Lasten der deutschen Einheit auf die Lohnnebenko- sten, die den Faktor Arbeit so teuer gemacht haben. Die SPD hat schon vor drei Jahren im Deutschen Dies geht zu Lasten der Klein- und Mittelbetriebe, Bundestag konkrete Konzepte vorgelegt, wie Chan- die eigentlich mehr Spielräume und mehr Erträge cenkapital zu mobilisieren ist. Die Koalition hat die- bräuchten. Da stimmen wir überein. sen Antrag verschleppt. Das und nicht Ihr dauerndes Lippenbekenntnis, etwas für mehr Chancenkapital Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregie- tun zu wollen, ist die Wahrheit. Sie verhindern seit rung? Hier ein paar Mark mehr für ABM, do rt ein drei Jahren die Beratung dieses Antrags. Zinsverbilligungsprogramm, was wir für richtig hal- ten. Das allein sind doch wirkungslos verpuffende (Beifall bei der SPD) Tropfen auf den heißen Stein. Das Heer der Arbeitslosen wächst auf 5 Millionen. Sie versuchen - was schlimmer ist -, mit zwei Pro- Die abhängig Beschäftigten verzeichnen sogenannte grammen erneut eine Wählertäuschung vorzuberei- negative Realeinkommenszuwächse. Arbeitszeitre- ten. Sie machen ein kurzfristiges ABM-Programm gelungen, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und mit dem Zielwert von einem halben Jahr. Sie ziehen Kündigungsschutz sind zu Lasten sozial Schwächerer ein paar privat finanzierte Investitionen vor, die hin- verändert worden. Der soziale Friede wird an der ei- terher teuer bezahlt werden müssen, nur damit Sie nen oder anderen Stelle brüchig. Dabei wissen Sie, zum Wahltag die Zahl der Arbeitslosen um 100 000 daß sozialer Friede neben guter Ausbildung, neben oder 200 000 Menschen senken können. vorzüglichen Hochschulen und neben einer guten In- frastruktur ein wirklich wichtiger Standortfaktor ist. Dieses Vorgehen ist keine auf Nachhaltigkeit an- Die Angebotspolitik, die Sie seit zwei Jahren betrei- gelegte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik; viel- ben, kommt nicht wirklich der Beschäftigung oder mehr schielt sie nur darauf, bis zum Wahltag über die der Selbständigkeit zugute. Runden zu kommen. Es handelt sich um den zweiten oder sogar dritten Versuch des Wählerbetrugs. Die Zahl der Selbständigen - das ist auch ein Er- (Beifall bei der SPD) gebnis Ihrer Politik - ist heute deutlich niedriger als vor 10 oder 15 Jahren, als zu Zeiten der soziallibera- Wir brauchen eine neue Politik, einen neuen stra- len Koalition. Im internationalen Vergleich liegen wir tegischen Ansatz einer modernen Wirtschaftspolitik außerordentlich schlecht. Wir haben 9 Prozent Selb- aus einer sinnvollen Kombination von Angebots- und ständige. Im internationalen Vergleich betrachtet Nachfrageseite. Dazu gehört auch die Erschließung müßten wir 15 bis 16 Prozent Selbständige haben. In neuer Märkte im Bereich der Dienstleistungen, der Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20659

Ernst Schwanhold Kommunikationsdienstleistungen, der Haushalts- Die Abwärtsspirale aus Massenarbeitslosigkeit, dienstleistungen und der sozialen Dienstleistungen. Steuerausfällen, Nachfrageschwäche, Konkursen Dazu gehört ein gezieltes Bündel für Ostdeutschland: und weiterem Arbeitsplatzabbau muß umgekehrt industrielle Investitionen mit mehr Zielgenauigkeit werden. Dazu brauchen wir einen anderen Politikan- fördern, den Absatz ostdeutscher Produkte eben satz der Angebots- und Nachfragepolitik. Ein solchen nicht nur auf Messen möglich zu machen, sondern Ansatz werden wir nach dem Regierungswechsel auch einem After-sale-service über einen längeren verfolgen. Zeitraum eine Hilfe zu geben, die ostdeutsche Bauin- Das starre Festhalten der Regierung an der Ange- dustrie im Bereich der Stadtbausanierung und der botspolitik im Bereich der Wi rtschaft gefährdet den Altbausanierung zu fördern und die Forschungsland- sozialen Frieden. Einen Wettlauf mit den Billiglohn- schaft in Ostdeutschland zu retten und wiederaufzu- ländern auf Kosten der deutschen Arbeitnehmer kön- bauen. nen wir nur verlieren; wir werden ihn nicht gewin- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nen. Ein hoher Expo rt allein reicht nicht zur Stärkung Das wären die Hauptfelder einer aktiven Wirtschafts- der Inlandsnachfrage. Woher soll diese denn kom- politik für die neuen Bundesländer, um das Abkop- men? Für mehr Beschäftigung ist die Stärkung der peln, das die Bundesregierung ja offenkundig so hin- Inlandsnachfrage wichtig. Wenn die Bonner Regie- nimmt, zu beenden. rung dies weiterhin nicht berücksichtigt, dann wer- den Zeiträume verstreichen, die wir dringend benöti- Lösungsansätze dieser Regierung? Keine. Man gen. wartet ab. Es wird auf Mittelfristigkeit der getroffe- nen Maßnahmen verwiesen - eine Mittelfristigkeit, Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die jetzt schon 16 Jahre andauert. Deutschland kann Gewerkschaften haben mit moderaten Tariflohnab- nicht mehr warten, und Millionen Arbeitslose wollen schlüssen seit langer Zeit die entsprechenden Vor- dies auch nicht. aussetzungen geschaffen. Es ist daher nicht verwun- derlich, wenn deren Geduld am Ende ist. Arbeitsplätze schaffen muß erste Priorität in einer Die Regierung zerstört das soziale Gleichgewicht. neuen Wirtschaftspolitik sein. Dazu gehört das, was der Sachverständigenrat angemahnt hat: Verläßlich- Doch gerade diese soziale Stabilität bildet die Basis chen Aufschwung. keit in der Finanzpolitik, nachhaltige Stärkung der für einen nachhaltigen wi rtschaftli Investitionen der Unternehmen und Erhöhung der Die SPD wird ein Bündnis für Arbeit, Innovation Flexibilität der Märkte. und Gerechtigkeit schmieden. Die Jugendarbeitslosigkeit, einhergehend mit ei- Zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingun- nem Mangel an Ausbildungsplätzen, spricht für sich. gen in Deutschl and gehört aber auch, Bildung und Deutschland braucht eine Politik, in der ausbildende Ausbildung zu verbessern, Technologie und Innova- Unternehmen aktiv gefördert werden und in der die- tionen voranzutreiben, den Mittelstand in Handwerk, jenigen, die sich nicht an der Ausbildung beteiligen, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen zu stärken. dafür wenigstens einen Beitrag in Form von Zahlun- Das sind die wichtigsten Handlungsfelder einer mo- dernen Angebotspolitik. Insoweit macht die Bundes- gen leisten. (Beifall bei der SPD) regierung noch nicht einmal eine schlüssige Ange- botspolitik. Würden Sie diese betreiben, dann müß- Dabei ist auch die Verantwortung der Unterneh- ten Sie nämlich mehr für Forschung, Bildung und men einzufordern; lieber wäre es uns, wir müßten den Mittelstand tun. diese nicht einfordern. Vorbildlich ist hier das deut- sche Handwerk zu nennen, dessen Ausbildungslei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie stung ausdrücklich gelobt werden muß. Aber wo ist der Abg. Margareta Wolf [Frankfu rt] denn die Initiative des Bundeswirtschaftsministers, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) vergleichbar mit der Ini tiative von Herrn Clement Ein nachhaltiger Abbau der Massenarbeitslosig- oder von Herrn Schröder, in den jeweiligen Ländern keit kann nur durch die Teilnahme aller Akteure an dafür zu werben, daß zusätzlich ausgebildet wird? einem runden Tisch erreicht werden. Das Zusam- (Beifall bei der SPD) menwirken von Geld-, Finanz-, Wirtschafts- und Ta- rifpolitik kann den Teufelskreis von Wachstums- Sie reden nur darüber. An Initiativen mit intensiven schwäche und Massenarbeitslosigkeit durchbrechen. Bemühungen ist nichts festzustellen. Deswegen brauchen wir einen Beschäftigungspakt (Detlev von Larcher [SPD]: Rexrodt kann von Regierung, Wirtschaft, Tarifpartnern und Bun- doch nur Sonntagsreden halten!) desbank. Diesen einzuleiten wird unsere erste Maß- nahme nach dem 27. September sein. Wohin wird uns diese Bonner Regierung führen? Betrachten wir einmal die sogenannten Perspekti- (Beifall bei der SPD) ven. Sie sprechen vom Aufschwung 1998. Es soll eine Wir brauchen eine europäische Beschäftigungsin- Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt geben. Dabei itiative und die Bund-Länder-Absprachen zur Schlie- wird eine gleichbleibend hohe Anzahl von 4,4 Millio- ßung von Steuerschlupflöchern, die legal genutzt nen Menschen nicht in Lohn und Brot stehen. In Ost- werden; denn ohne finanzielle H andlungsfähigkeit deutschland wird die Arbeitslosenquote die 20-Pro- des Staates gibt es keine Steuererleichterungen für zent-Marke erreichen. Das Wo rt „Aufschwung" Investitionen, keine neuen Mittel für Bildung, For- scheint von seiten Ihrer Regierung neu definie rt wor- schung, Infrastruktur und für Existenzgründungen. den zu sein. 20660 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Ernst Schwanhold Sie sprechen von günstigen Rahmenbedingungen, geschlossen und nicht dem amerikanischen Netz. Sie einer weiteren dynamischen Konjunktur unserer hätten sich informieren sollen, bevor Sie darüber re- Handelspartner. Aber was ist, wenn die Konjunktur den. gerade in den USA abflacht und wenn die Risiken aus Fernost auch zu uns überschwappen? Dafür ist (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) keine Vorsorge getroffen. Sie verkennen die Asien Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Schwanhold, daß die Krise. Welche Auswirkungen die Aufwertung der D- Infrastruktur in Sachen Multimedia in Deutschland Mark auf Export und Import hat, wird unter den Tep- die beste ist, die es weltweit gibt? Ist Ihnen nicht be- pich gekehrt. Sie verkennen die möglichen negati- kannt, daß wir die modernsten Rahmenbedingungen ven Auswirkungen der schwachen deutschen Bau- in Sachen Multimedia haben? Ist Ihnen nicht be- wirtschaft, welche sich bekanntermaßen noch in der kannt, daß die Zahl der Anschlüsse an das Inte rnet Konsolidierungsphase befindet. Sie vergessen die im vergangenen Jahr um 72 Prozent gestiegen ist? Ist möglichen Zinsharmonisierungen im Zusammen- Ihnen nicht bekannt, daß wir im letzten Jahr erstmals hang mit dem Euro. Das all es schlägt sich in einer mehr Computer als Autos in diesem Land verkauft moderaten Entwickung des BIP nieder, welches Sie haben? Wer die deutsche Seele kennt, weiß, was das wie im letzten Jahr wiederum mit 3 Prozent progno- heißt. stizieren. Gelandet sind Sie im letzten Jahr bei 2,2 Prozent. Sie haben einen zweiten Punkt genannt. Sie haben Ein Rettungsanker soll die erhöhte p rivate Nach- davon gesprochen, daß es in diesem Land keine Initi- frage sein. Warum soll ausgerechnet in diesem Jahr ativen für Chancenkapital gibt. Ist Ihnen nicht be- die Vorjahressituation übertroffen werden? Sie wis- kannt, Herr Schwanhold, daß der Seed-Capital- sen es selbst nicht, wo es herkommen soll. Wie gut Markt in Deutschland inzwischen der führende in oder wie schlecht Sie die wirtschaftliche Entwicklung Europa ist? Ist Ihnen nicht bekannt, daß das mobili- einschätzen können, zeigt sich an Ihren Vorjahres- sierte Beteiligungskapital im BTU-Programm in den prognosen. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich vergangenen drei Jahren um 400 Prozent gestiegen schlechter, als von Ihnen erwartet. Die Investitionen ist? entwickelten sich deutlich schlechter. Zu guter Letzt (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ überschätzen Sie die Entwicklung der Bruttoeinkom- DIE GRÜNEN]: Von welcher Ausgangsba men aus unselbständiger Arbeit. sis?) Dies alles wird nicht dazu beitragen, mit den Pro- Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Anzahl der Bio- blemen fertigzuwerden. Herr Minister, es- ist gut für Tech-Firmen in Deutschland sich von 1995 auf 1996 dieses Land, daß es Ihre letzte Rede zum Jahreswirt- verdoppelt, von 1996 auf 1997 noch einmal verdop- schaftsbericht war. pelt hat und sich von 1997 auf 1998 wahrscheinlich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne noch einmal verdoppeln wird? ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Noch Sie zeichnen ein Bild von diesem Land, das Sie na- besser ist es, daß Sie fertig sind!) türlich zu völlig falschen Schlüssen führen muß. Des- halb haben Sie auch keine Konzeptionen. Deshalb ist der Kern dessen, was Sie hier vorgetragen haben, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort zu ei- wie immer: big government - der Glaube daran, daß ner Kurzintervention hat der Kollege Dr. Rüttgers. der Staat alles richten könne, anstatt darauf zu ver- trauen, daß die Menschen in diesem Land selbst ak- Dr. Jürgen Rüttgers (CDU/CSU): Herr Kollege tiv werden, daß sie versuchen, High-Tech umzuset- Schwanhold, ich habe die ganze Zeit versucht, in zen, daß sie neue Arbeitsplätze schaffen, daß sie die Ihren etwas wirren Ausführungen eine Konstante Strukturreform anpacken. Deshalb weiß man im Aus- zu finden, um zu erkennen, worauf Sie eigentlich land inzwischen auch, daß es keinen besseren Bio- hinauswollen. Weil mir das nicht gelungen ist, wi ll Tech-Standort in Europa gibt als Deutschland. Des- ich wenigstens zu drei Punkten Stellung nehmen, halb kommen Forscher und Unternehmer wieder zu- bei denen ich Ihnen vorwerfen muß, daß Sie sich, rück nach Deutschland. Die Wahrheit ist eben an- bevor Sie hier geredet haben, hätten informieren ders, als Sie sie dargestellt haben. sollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Sie haben im Zusammenhang mit meinem Projekt Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Deswegen steigt „Schulen ans Netz" gefragt: Wo bleibt denn die Initi- die Zahl der Arbeitslosen!) ative für die Universitäten? Verehrter Herr Schwan- hold, ist Ihnen nicht bekannt, daß es in Deutschland ein Deutsches Forschungsnetz gibt, mit 5000 km Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Dr. Backbone-Leitung, inzwischen auf 155 Megabit, ge- Rüttgers, Sie haben sich auf die Abgeordnetenbank rade in Arbeit zur Hochrüstung auf 622 Megabit, mit als Abgeordneter begeben. Infolgedessen haben Sie ersten Teilnetzen für 1,1 Gigabit, in wenigen Wochen drei Minuten Redezeit. Die sind überschritten. das nächste Teilnetz für 2,6 Gigabit? Das ist das mo- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Setzen!) dernste Intranet für Hochschulen, das es auf der Welt gibt, weit vor den USA und vor allen Ländern Euro- pas. Interessanterweise haben sich Rußland, China Dr. Jürgen Rüttgers (CDU/CSU): Okay. Dann wi ll und die westeuropäischen Länder unserem Netz an- ich nur noch darauf hinweisen - Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20661

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Noch einen Satz. Es gehen deshalb viele Menschen aus diesem Land in die USA, weil die Bedingungen in den ersten fünf bis zehn Jahren do rt Dr. Jürgen Rüttgers (CDU/CSU): Das ist der letzte besser sind. Wir könnten Punkt. - Ich will noch darauf hinweisen, daß sich die hier weitaus besser sein angesichts sehr guter Ergeb- Selbständigenquote, sehr verehrter Herr Kollege nisse in den Hochschulen, was die Umsetzung der Schwanhold, inzwischen von 8,8 auf 10 Prozent er- Forschungsergebnisse in die Praxis angeht. Auch höht hat, was zeigt, daß der richtige Weg eingeschla- dies ist ein Versäumnis, welches ich Ihnen und dem gen worden ist und die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt Wirtschaftsminister gleichermaßen vorwerfe. in diesem Jahr kommen. Ich bin sicher: 500 000 neue Die dritte Bemerkung. Ich danke Ihnen ausdrück- Arbeitsplätze bis zur Sommerpause. Sie werden es lich für die Bestätigung der 9 Prozent oder meinetwe- erleben. gen auch 9,5 oder 9,8 Prozent. Sie haben sie nach (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) oben schöngerechnet, ich habe sie aus meiner Sicht nach unten „verfälscht" - dies gebe ich zu -, mit 0,5 Prozent. Die entscheidende Aussage ist: Im ver- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege gleichbaren europäischen Ausland haben wir eine Schwanhold, bitte. Selbständigenquote von 14 oder 15 Prozent. Wir ha- ben in Deutschland deutlich unter 10 Prozent. (SPD): Herr Kollege Rüttgers, Ernst Schwanhold Diese Entwicklung müßten wir durch mehr Exi- zu den drei Punkten, die Sie angesprochen haben, stenzgründungen, durch bessere Bedingungen für möchte ich folgende Bemerkungen machen. Existenzgründungen umkehren. Davon rücken wir Erstens. Es gibt in den USA 36 Internet-Universitä- auch nicht ab. Die größten Erfolge hat das Land ten; davon habe ich gesprochen. Bei uns gibt es ein Nordrhein-Westfalen, übrigens mit der Meisterprä- erstes ganz dürftiges Modellprojekt. Sie reden hier mie zum Selbständigmachen von Handwerkern. Do rt von Einrichtungen, für die Sie die Vorbereitungen können Sie sich anschauen, was aktive Wirtschafts- getroffen haben. Das Ergebnis ist: Es gibt noch kei- politik ausmacht - im Unterschied zum Reden über nen Forschungsminister in der Geschichte der Bun- aktive Wirtschaftspoliltik. desrepublik Deutschland, der auf so viel Geld ver- zichtet hat, dem so viel Geld gestrichen worden ist (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und der so dürftige Erfolge im internationalen- Wett- bewerb vorzuweisen hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort für ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) eine weitere Kurzintervention hat der Kollege Mi- chelbach. 36 Internet-Universitäten in den USA, keine einzige komplette in der Bundesrepublik Deutschland. Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Kollege (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: 326!) Schwanhold, Sie haben mich vorhin zu keiner Frage- Ein zweiter Punkt, auf den Sie mich angesprochen stellung kommen lassen. Da wollte ich eigentlich die haben, ist der Bereich der Biotechnologien. Ja, es Frage stellen: Was ist Ihr Ansatz für mich als mittel- gibt erste Bewegungen der Biotechnologieunterneh- ständischen Unternehmer, um mehr Wachstum und men, zu uns zurückzukommen. Beschäftigung in meinem Betrieb zu erreichen? Ich muß Ihnen attestieren: Worthülsen, Worthülsen, (Zuruf von der CDU/CSU) Worthülsen. - Das ist nicht wahr. Dafür hat es einen Rahmen ge- Warum machen Sie eigentlich bei einer solchen geben, über den zu diskutieren war. Es war gut, die- wichtigen Rede zum Jahreswirtschaftsbericht den sen Rahmen zu diskutieren, in dem bei uns Bio- und Standort Deutschland nur schlecht, Gentechnologien betrieben werden können, weil dieses - wenn man den Rahmen vorher festlegt - am (Lachen bei der SPD - Otto Schily [SPD]: Ende dann auch Planungssicherheit bedeutet. Das haben Sie jahrelang praktiziert!) Es ist aber noch immer eine Schwäche dieses mit Negativbeispielen, die Sie hier immer wieder Standortes, daß es nicht ausreichend Kapital für die- nennen? Dabei haben Sie insbesondere vergessen, jenigen gibt, die aus den Hochschulen heraus sich die Negativbeispiele aus Ihren rotgrün regierten selbständig machen wollen. Es gibt eine Anfangsfi- Bundesländern darzustellen. Denn letzten Endes lie- nanzierung; aber schauen Sie sich die Ergebnisse der gen viele Dinge, die Sie moniert haben, genau in die- Studie, die McKinsey in dem Pilotprojekt in München ser Zuständigkeit. Sie müssen doch einsehen, daß und Hamburg vorgelegt hat, an. Es gehen hinterher zur Wirtschaftspolitik auch eine aktive Strukturpoli- wieder viel zu viele Unternehmen in Konkurs, und tik der Länder gehört, um die Arbeitslosigkeit abzu- zwar deshalb, weil es keine ausreichende Begleitung bauen. Hier haben alle rotgrünen Länder - das ist der durch Venture-Kapitalisten gibt, die nicht nur ein In- klare Beweis - deutlich verloren, deutlich versagt. teresse an Chancenkapital haben, sondern auch Das ist die Situation. Schauen Sie sich die Arbeitslo- daran, daß aus diesen Unternehmen ein Erfolg wird. sigkeit im Vergleich an! Schauen Sie sich die Selb- Gerade dort haben wir große Einbrüche von Unter- ständigenquote im Vergleich an! Schauen Sie sich nehmen, die am Markt bleiben könnten. die Bildungsausgaben im Vergleich an! Überall da 20662 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Hans Michelbach gibt es große Unterschiede zu den CDU/CSU-regier- können und andere dafür Aufwendungen tätigen, ten Ländern. um die Infrastruktur zu finanzieren. Dies geht zu La- sten des Mittelstandes. Wir werden den Steuersatz (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Gibt es doch gar für die mittelständische Wi rtschaft deutlich senken. nicht mehr!) Drittens. Wir werden die Nachfragesituation durch Das ist die Situation, die wirklich besteht. eine Senkung der Steuersätze im kompletten Tarif- Ich kann Ihnen nur sagen: Es müssen bei den mit- verlauf deutlich verbessern, damit die Menschen in telständischen Unternehmern alle Alarmglocken läu- diesem Land durch ihre Nachfrage dafür sorgen, daß ten, die mittelständische Wirtschaft und der Handel Zu- (Lachen bei Abgeordneten der SPD) wachsraten haben und zu mehr Beschäftigung kom- men. wenn Sie immer wieder mit Staatsinterventionismus, mit Staatswirtschaft, mit Staatssubventionen an die (Norbert Königshofen [CDU/CSU]: Und wie Macht kommen wollen. Das ist die Situation, die man finanzieren wir das?) deutlich machen muß: Sie wollen ein Steuererhö- Viertens. Wir werden die Finanzierung von Exi- hungsprogramm und werden damit natürlich weni- stenzgründungen, übrigens auch die Wachstumsfi- ger Investitionen und mehr Arbeitslose ernten. Sie nanzierung und die Finanzierung des Zuganges zu sind das Standorthemmnis, das wir haben. den Märkten - das ist die entscheidende Frage für (Lachen bei Abgeordneten der SPD) viele Mittelständler im globalisierten Wettbewerb - durch eine Exportoffensive für die mittelständische In meinem Betrieb und im Bereich der mittelständi- Wirtschaft deutlich verbessern. Hier gibt es Schwä- schen Unternehmer muß ich deutlich machen, daß chen, insbesondere in Ostdeutschland, wo man nicht Sie die Mindeststeuer als Strafsteuer für Investoren schlechte Produkte produziert, sondern keinen Zu- einführen wollen und daß wir als Mittelstand dies gang zu den Märkten gefunden hat. Dies hat nichts nicht gebrauchen können. Das wird für uns in der mit Staatsinterventionismus zu tun, sondern dabei Zukunft zur Existenzfrage. Wir brauchen weniger handelt es sich um eine abgestimmte Angebots- und Staat, mehr Eigenverantwortung, neue Ideen und In- Nachfragepolitik. novationen sowie neue Märkte. Das brauchen wir und nicht Ihre staatswirtschaftlichen, staatsinterven- Eine letzte Bemerkung. Es gibt keinen Sozialdemo- tionistischen Ansätze. Deswegen ist dieser Ihr Ansatz kraten, der nicht in den vergangenen Jahren, als Sie ein Irrweg. Das kann ich Ihnen aus praxisnaher- Er- sich hier hingestellt und gesagt haben, daß in fahrung verdeutlichen. Deutschland die Menschen zuviel krankfeiern, daß in Deutschland die Löhne zu hoch sind, daß in (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Deutschland die Lohnnebenkosten zu hoch sind, daß Paul K. Friedhoff [F.D.P.]) in Deutschland die Ausbildung schlecht ist, daß in Deutschland zuwenig gearbeitet wird - das sind Ihre Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Reden gewesen -, betont hätte: In Deutschland ist Schwanhold. die Infrastruktur gut, in Deutschland gibt es die am besten ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmer, es gibt sozialen Frieden, es gibt Verläß- (SPD): Herr Präsident, ich will Ernst Schwanhold lichkeit, wir haben gute Produkte; laßt uns die die Antwort recht kurz machen und auf den Teil, in Schwächen des Standortes ausmerzen und die Stär- dem vorgefertigte Vorwürfe wiederholt worden sind, ken betonen. Als Sie noch diesen Standort kaputtge- nicht eingehen. redet haben, haben wir Sie davor gewarnt und haben (Zuruf von der CDU/CSU: Ach! Das ist aber versucht, den Menschen in diesem Land Hoffnung billig!) angesichts einer Regierung zu machen, die ihnen ge- sagt hat, sie seien die eigentliche Ursache für die Ar Die Frage, was wir für den Standort und für den beitslosigkeit. Mittelstand in diesem Land tun wollen, will ich Ihnen mit fünf Bemerkungen beantworten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Erstens. Wir werden die Lohnnebenkosten für den und der PDS) beschäftigungsintensiven Mittelstand sofort senken und ihn von jenem Anteil befreien, den Sie durch die falsche Finanzierung der deutschen Einheit darauf Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der gepackt haben. Dies war eine Verschlechterung der Kollege Hans-Peter Repnik, CDU/CSU. Bedingungen für den Mittelstand. (Beifall bei der SPD) Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Zweitens. Wir werden die Ungleichgewichte, die Herr Kollege Schwanhold, ich habe selten eine Rede in Ihrem Steuersystem entstanden sind, nämlich daß hier im Plenum gehört, die so von Ignoranz geprägt die mittelständische Wirtschaft im Durchschnitt ei- war wie Ihre Rede. nen deutlich höheren Steuersatz zu zahlen hat als die Großindustrie, sofort durch Veränderung der Ab- (Beifall bei der CDU/CSU - Anke Fuchs schreibungsbedingungen korrigieren, die dazu füh- [Köln] [SPD]: Da haben Sie nicht zugehört! ren, daß einige sich von ihrer Steuerlast befreien Sie sollten zuhören!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20663 Hans-Peter Repnik Ich möchte deshalb ganz kurz auf Sie eingehen. Ich finde, unser Minister Rüttgers hat überzeugend das Gegenteil belegt. An diesen Fakten kommen Sie (Ernst Schwanhold [SPD]: Ja, klar!) nicht vorbei. Wer sich mit dem Jahreswirtschaftsbericht ausein- Aber ich will eine weitere Zahl nennen. Es ist ja ein andergesetzt hat, wer die Rede unseres Bundeswirt- offenes Geheimnis, daß in unserem föderativen Staat schaftsministers gehört hat, Wissenschaft und Forschung in erster Linie bei den (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Der kann nur Ländern in den Universitäten angesiedelt sind. Wenn verzweifeln!) ich mir jetzt die statistischen Angaben über Ausga- ben für Wissenschaft und Forschung vor Augen wer die Kurzintervention des Bundeswissenschafts- halte, ministers Rüttgers gehört hat, der kann sich schlech- terdings nicht hier hinstellen und Behauptungen auf- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Liegt Bayern stellen, die nicht der Realität entsprechen. Aber dies vorn?) genau entspricht sozialdemokratischer Politik: Man dann stelle ich fest: Auf Platz 9 liegt das Land, das zimmert sich ein Bild zurecht; man orientiert sich von Ihrem Parteivorsitzenden regiert wird, das Saar- nicht an der Realität, und entsprechend sind dann land; auf Platz 10 liegt das Land, das von Ihrem Kanz- auch Ihre Ergebnisse. lerkandidaten regiert wird, Niedersachsen; auf (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Platz 11 liegt das Land, das von Ihrem zukünftigen Hoffnungsträger Clement demnächst regiert werden ordneten der F.D.P. - Detlev von Larcher wird, Nordrhein-Westfalen; danach kommen Rhein- [SPD]: Wie in Niedersachsen!) land-Pfalz und Brandenburg. Die ganze Phalanx so- Ich orientiere mich in solchen Fällen immer an ei- zialdemokratischer Länder findet sich am Ende. Die nem sehr guten und schlüssigen biblischen Grund- Länder, denen man ausweislich der Zahlen Versagen satz. Wenn eine Behauptung aufgestellt wird, dann attestieren kann, werden von Sozialdemokraten re- wird sie nachgeprüft nach dem Motto: An ihren giert. Das ist die Wahrheit und nichts anderes. Früchten werden wir sie erkennen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Ernst Schwanhold [SPD]: Das machen wir Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie schrecklich! gerne!) Sie müssen zugeben, daß Sie wieder Unsinn erzählt haben!) Ich will mich nur auf zwei Behauptungen- von Ihnen beziehen. - Verehrte Frau Kollegin Fuchs, Ihre Zwischenrufe sind von derselben Ignoranz geprägt wie der Rede- Erstens haben Sie das Hohelied auf die Existenz- beitrag des Kollegen Schwanhold. gründer in Nordrhein-Westfalen gesungen. Ich kann dazu nur sagen: In Bayern beträgt der Anteil der Exi- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Danke schön!) stenzgründer - bezogen auf die gesamte Bevölke- Wo Heiner Geißler recht hat, hat er recht. Deshalb rung, nicht auf die Erwerbstätigen - 4,7 Prozent, in möchte ich das Zitat aus dem Jahr 1982, das er ge- Nordrhein-Westfalen sind es 3,3 Prozent. Damit liegt bracht hat, noch einmal unterstreichen. es am Ende der Skala. Ich kann dazu noch eine an- dere Zahl anführen. Wenn in den letzten Jahren in Herr Kollege Schwanhold, Sie haben natürlich Nordrhein-Westfalen eine ähnlich konsequente Exi- auch unterschlagen, was sich zwischen 1982 und stenzgründungspolitik bet rieben worden wäre wie in 1989 getan hat. Bayern, dann hätten wir in Nordrhein-Westfalen 177 000 zusätzliche selbständige Bet riebe. Das ist (Zuruf von der CDU/CSU: Das paßt nicht nicht eingetreten. Folglich stimmt Ihre Zahl nicht. rein!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Unter dieser Koalition, unter diesem Kanzler Helmut ordneten der F.D.P. - Peter Hintze [CDU/ Kohl wurden in diesen Jahren netto über 3 Millionen CSU]: Das ist der Zusammenhang! - Ernst neue zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dies ist Schwanhold [SPD] meldet sich zu einer doch die Wahrheit; sie kann doch nicht geleugnet Zwischenfrage!) werden. - Jetzt bin ich dran. Sie haben soviel Unsinn geredet (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und an der Wahrheit vorbeigeredet, daß jetzt einmal Sie mißbrauchen die Gelegenheit, hier an diesem ein paar Fakten auf den Tisch gelegt werden müs- Pult zu reden, um die Öffentlichkeit mit Ihren Daten sen. hinters Licht zu führen. Dies werden wir nicht zulas- sen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Selbstän- dige sagen. Es ist doch ganz spannend, da einmal ein Zweitens. Sie haben der Bundesregierung vorge- paar andere Grunddaten anzusprechen. halten, im Bereich von Wissenschaft und Forschung nicht genügend getan zu haben. (Zuruf von der SPD) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist wohl - Hören Sie mir bitte zu, damit Sie das nächste Mal wahr! Das stimmt doch wohl!) hier nicht denselben Unsinn reden. 20664 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Hans-Peter Repnik Erstens. Sie haben gesagt, wir hätten das Umfeld zuerst eine Bestandsaufnahme gemacht werden und die Möglichkeiten für Selbständige in den letz- mußte, auf der entsprechende Reformen aufgebaut ten Jahren verschlechtert. Fragen Sie doch einmal werden konnten. den Kollegen Scherhag! Er ist Präsident einer Hand- werkskammer; er weiß, daß die Zugänge größer als (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: So die Abgänge sind. machen wir das auch ab Oktober!) Jetzt müssen wir feststellen, daß es in einer ganzen (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Pleitenrekord!) Reihe von Fragen einen nachhaltigen Reformbedarf Zweitens. Ich darf darauf hinweisen, daß wir im gibt, vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Erb- (Detlev von Larcher [SPD]: Nach 16 Jahren!) schaftsteuer eine ganz schwierige Diskussion geführt haben. Wir wissen ganz genau, daß in vielen Fällen im Bereich der Tarifpartner genauso wie im Bereich der Übergang von der Elterngeneration auf die des Staates. Diesen Reformbedarf haben wir analy- Nachfolger deshalb schwierig ist, weil die Finanzie- siert, festgestellt und mit dem 50-Punkte-Programm rung nicht gesichert ist. Wir fanden Sie nicht an un- Stück für Stück in Gesetze umgesetzt. serer Seite, als es darum ging, ein für Betriebsüber- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Steigende gaben freundliches Erbschaftsteuerrecht zu machen. Arbeitslosigkeit!) Wir haben es dann schlußendlich durchgesetzt, aber nicht mit Ihren, sondern gegen Ihre Stimmen. Jetzt befinden wir uns in der Situation, um die Früchte zu ernten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Zum Thema Gewerbesteuer: Was belastet, Herr und der F.D.P.) Schwanhold, unseren mittelständischen Handwerks- betrieb mehr als die Gewerbesteuer? 3 Prozent Wirtschaftswachstum und damit die höchste Wachstumsrate innerhalb der OECD-Staaten (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die Lohnneben ist doch ein positives Datum. Das ist doch dieser Re- kosten! - Ernst Schwanhold [SPD]: Wir, gierung und dieser Politik zuzuschreiben. Wir haben haben die Gewerbekapitalsteuer abge einen hohen Auslastungsgrad im verarbeitenden Ge- schafft!) werbe.

Sie haben sich geweigert, eine mittelstandsfreund-- (Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD]) liche Senkung der Gewerbesteuer mit uns durchzu- - Herr von Larcher, da gibt es doch überhaupt nichts führen. Hier haben Sie sich uns verweigert. zu lachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Detlev von Larcher [SPD]: Sie reden über das Wirtschaftswachstum, aber nicht über Gewerbekapitalsteuer: Wie lange hat es gedauert, Arbeitslosigkeit! Deshalb lache ich!) bis wir die Gewerbekapitalsteuer vom Tisch hatten? Das kann doch überhaupt nicht bestritten werden. Wir sollten uns vielmehr freuen, daß wir zunehmend Erfolg haben. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir hier keinen Nachholbedarf und schon gar Das Übergreifen der guten Exportkonjunktur auf keine Nachhilfe von Ihnen nötig. Nein, wir sind - die Binnennachfrage ist ein gutes Zeichen, wie auch dies zeigt dieser Jahreswirtschaftsbericht - auf dem die stabile Preisentwicklung und das historisch nied- richtigen Weg. Dies ist doch die entscheidende Bot- rige Zinsniveau. schaft. Die Politik dieser Koalition unter dem Bundes- (Ernst Schwanhold [SPD]: Die Realzinsen kanzler Helmut Kohl hat zur Stärkung der Investiti- sind sehr hoch!) onskraft und der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beigetragen, und sie beginnt Früchte zu Ich möchte ein anderes Datum nennen, das wichtig tragen. für die Zukunft ist: In den Patentstatistiken rangiert Deutschland wieder an erster Stelle vor Japan und Ich darf jetzt noch auf einen Punkt hinweisen, bei den Vereinigten Staaten. Dies sagt doch etwas über dem Sie, wie ich finde, nicht fair mit den Gefühlen unsere Forschungspolitik aus. von Menschen umgehen. Sie haben gesagt, wir sol- len den Standort nicht zerreden. Nein, wir haben Ein anderes wichtiges Datum ist die Biotechnolo- den Standort nicht zerredet. gie: Deutschland hat wieder den Anschluß an die Weltspitze hergestellt. Es trifft eben nicht das zu, was (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Doch, und wie! Sie gesagt haben. Wir haben zum erstenmal auch Sie waren es doch!) hier eine Trendwende. Das heißt ganz konkret: Die Unternehmen verlagern ihre Forschungs- und Pro- - Verehrte Frau Kollegin Fuchs, die Politik sozialde- duktionsstätten und damit ihre Arbeitsplätze wieder mokratischer Regierungen hat doch über Jahre hin- zurück nach Deutschland. Das ist doch ein gutes Da weg dazu geführt, daß ab dem Oktober 1982 tum. Dies müssen wir der Bevölkerung vermitteln. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: 16 Jahre sind Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge an der Regierung!) ordneten der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20665

Hans-Peter Repnik Sie kommen doch an einer anderen Zahl nicht vor- Verehrte Frau Kollegin Fuchs, die Wahrheit tut bei: Rund 400 000 offene Stellen belegen doch, daß weh. Das ist wohl wahr. es aufwärtsgeht. Ich finde es nicht korrekt, wenn Sie hier mit den Gefühlen der Menschen spielen. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie wollten doch eine Steuerreform auf Pump machen!) (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es! Skrupellos!) Deshalb will ich Ihr geschätztes Parteimitglied, unse- Sie wissen ganz genau, daß viele, zu viele Menschen ren früheren Kollegen - er war immerhin in der Bundesrepublik Deutschland nach Arbeit einmal Finanzminister -, zitieren, nachsuchen und hoffen, in Arbeit zu kommen. Die- sen Menschen müssen wir doch mit diesen Zahlen (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Zitieren Sie doch Mut machen mich einmal! Das wäre schöner!) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wo denn? - der in diesem Zusammenhang im „Handelsblatt" ge- Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Jawohl, sagt hat: durch die neue Regierung!) Es darf nicht sein, daß der Bundesrat seine Mehr- und die Lage nicht miesmachen. Das ist doch die Pa- heit nutzt, um sachkundige Lösungen zu blockie- role, um die es heute geht. ren. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Ich will Sie an einem anderen Punkt stellen; denn Peter Hintze [CDU/CSU]: Der Mann hat es ist mir wichtig, dies in diesem Zusammenhang zu recht! - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie woll nennen. Wenn es um Arbeitsplätze geht, dann wis- ten ja keine sachkundige Lösung!) sen wir doch - das sagen uns alle Experten; das sagt uns die internationale Finanzwelt: Das Thema Steu- Daß den Akteuren der SPD - deshalb auch Ihre erreform spielt hier eine ganz entscheidende Rolle. Nervosität am heutigen Vormittag - angesichts der einhelligen Kritik in dieser Frage zunehmend weni- (Ernst Schwanhold [SPD]: Steuern und ger wohl ist, zeigen Äußerungen, die gleichzeitig die Abgaben!) Konzeptionslosigkeit in einer für den Arbeitsmarkt Die Steuerreform ist ein Baustein für Wachstum, für zentralen - den haben Sie zu Recht in den Mittel- Investitionen, für Konsum und damit für- Arbeits- punkt Ihrer Ausführungen gestellt - innenpolitischen plätze. Sie haben diese Steuerreform ausschließlich Frage deutlich machen. Was sagt die SPD zu diesem aus wahltaktischen Gründen vereitelt. Eiskaltes Kal- zentralen Feld? Im Wahlprogramm der SPD wird ein kül und blanker Zynismus haben auf dem Rücken Spitzensteuersatz von 49 Prozent gefordert. Schar- von Millionen von Arbeitslosen Regie geführt. ping, Ihr Fraktionsvorsitzender, konnte sich auch schon 40 Prozent vorstellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Widerspruch bei der SPD) (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Jeden Tag ein - Sie sollten sich darüber gar nicht aufregen. Das ist anderer Wert!) nicht nur meine Meinung. Sie wird von anderen ge- Lafontaine sieht wenig Spielraum und stellt auch die- teilt. sen noch unter einen Finanzierungsvorbehalt. Vielleicht darf ich hier einen Zeugen in den Zeu- genstand rufen, der nicht im Verdacht steht, in seiner (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!) Kritik mit dieser Koalition zimperlich umzugehen. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Clement forde rt 43 bis 45 Prozent und wird sofort, Heinz Däke, hat zum Thema Steuerreform und Blok- kaum hat er dies gefordert - denn er weiß, daß dies kade folgendes gesagt - ich darf ihn hier zitieren -: im Hinblick auf eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wichtig ist -, wieder in das Korsett der Das liegt an der Blockade der SPD. Parteidisziplin gepreßt. Dies ist Ihre Politik. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja, klar! 45 Mil liarden DM Deckungslücke bei Ihrer Steu Was sagt der Kanzlerkandidat Schröder zu dieser erreform!) Frage? - Das sind die Worte von Herrn Däke, nicht meine. (Zurufe von der CDU/CSU: Alles!) Ich zitiere den Präsidenten des Bundes der Steuer- zahler. Ich will die Antwort gar nicht geben. Die Antwort hierzu, was Schröder insgesamt zur Politik sagt, hat Offenbar ist die Steuerreform so gut gewesen, Erhard Eppler im „Spiegel" gegeben. daß die SPD sie einfach ablehnen mußte, weil die Koalition auf Grund der Steuerentlastung sonst (Ernst Schwanhold [SPD]: Und die Wähler die nächste Wahl gewonnen hätte. Die SPD trägt in Niedersachsen!) die Verantwortung für das Scheitern der Reform. Erhard Eppler hat gesagt: „Schröder, das ist reine So Herr Däke. Ich will ihm nicht widersprechen. Lotterie." Ich kann nur sagen: Der Standort Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) land darf nicht zu einem Glücksspiel verkommen. 20666 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Hans-Peter Repnik Deshalb dürfen wir ihm in dieser Frage auch nichts Ich kann nur sagen, meine sehr verehrten Damen anvertrauen. und Herren von der SPD: Ich habe viele positive (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Kommentare zu der Rede in Erinnerung, die unser Ernst Schwanhold [SPD]: Da fragen Sie ein Bundespräsident Roman Herzog in Berlin gehalten mal Herrn Wulff, wie er das nach der Nie hat, wo er davon sprach: „Ein Ruck muß durch dersachsenwahl sieht!) Deutschland gehen. " Die SPD ist doch nicht ohne Not dabei, Ihre Blok- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ist er doch kadespuren auf diesem wichtigen innenpolitischen schon! Er geht doch schon, der Ruck!) Feld zunehmend zu verwischen und zu vertuschen. - Ich widerspreche ihm ja nicht; dieser Ruck geht, Die Diskussion der letzten Monate hat gezeigt: Alle und das ist gut so. - 49 von 50 Punkten unseres Pro- Sachverständigen, die Wi rtschaft, der Steuerzahler- gramms für mehr Wachstum und Beschäftigung ha- bund und die ausländischen Experten fordern eine ben wir bereits umgesetzt. Aber wenn der letzte, zen- Steuerreform. trale Ruck in dieser Frage erfolgen soll, dann schaf- Nachdem offensichtlich wieder Bewegung in die fen wir das nur gemeinsam. sozialdemokratische Diskussion kommt, frage ich Sie Deshalb mein Angebot und meine Bitte fernab jeg- ganz förmlich, und offiziell, licher Parteipolemik und des Wahlkampfs: Lassen (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Da gucke ich Sie Sie uns dieses Papier noch einmal in die Hand neh- jetzt einmal richtig an!) men und schauen, was der Bundesrepublik Deutsch- land, der Bevölkerung, dem Arbeitsmarkt und nicht ob es nicht angesichts der Zahl der Arbeitslosen zuletzt den Arbeitslosen guttut. denkbar ist, Frau Kollegin Fuchs, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: 4,4 Millionen! 180 Milliarden DM!) Ich möchte noch zwei, drei Daten nennen und zum Schluß ein Zitat bringen; das sei mir gestattet. Sie ha- daß wir uns noch einmal zusammensetzen, daß wir ben gefragt: Was ist alles schon gelaufen? Ich will uns Gedanken machen, ob wir nicht vielleicht doch noch ein paar Erfolge in den Vordergrund rücken: noch eine Reform zustande bringen, die ein ganz we- Die Staatsquote ist in den letzten zwei Jahren nach- sentliches Signal und einen Impuls für Investitionen haltig gesunken. Sie wird Ende des Jahres bei 48 Pro- und für den Konsum geben würde und die damit am zent sein - ein Erfolg dieser Regierung. Die Lohnzu- Arbeitsmarkt fruchten würde. - satzkosten sind zum erstenmal gesunken, weiter fal- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Machen Sie mal lende Tendenz. Die gesamtwirtschaftliche Arbeits- einen Vorschlag! - Ernst Schwanhold [SPD]: produktivität ist 1997 um 3,7 Prozent gestiegen. Die Herr Kohl hat doch gesagt, es gehe nichts Lohnstückkosten sind zurückgegangen, im Gegen- mehr! Der Bundeskanzler hat es untersagt!) satz zum Trend in allen unseren Konkurrenzstaaten. Der Weltmarktanteil der deutschen Exporte ist wie- Ich habe bewußt unseren Gesetzentwurf mitge- der gestiegen. Mit 11 Prozent ist der Expo rt real stär- bracht. Wir haben ihn diskutiert, und wir haben ihn ker gewachsen als der Welthandel. in diesem Hohen Haus verabschiedet. Das heißt konkret: Den Unternehmen ist es gelun- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Ach nein!) gen, Weltmarktanteile zurückzuerobern. Das hat et- was mit dieser Politik zu tun, und es führt ganz kon- Jeder Sachverständige sagt, wenn der Gesetzentwurf kret zu neuen Arbeitsplätzen und sichert vorhandene nicht im Bundesrat blockiert worden wäre, wären wir Arbeitsplätze. beim Abbau der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepu- blik Deutschland einen gewaltigen Schritt weiter. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Was würde geschehen, wenn Ihr Programm und Ich weiß sehr wohl, daß ich Ihnen jetzt etwas zu- Ihre Politik umgesetzt würden? Ich möchte zum mute. Heute in einem halben Jahr ist Bundestags- Schluß einen Herrn zitieren, der in dieser Woche wahl. Ich sage Ihnen trotzdem: Wenn es Ihnen mit häufig von Ihnen zitiert wurde der Verbesserung der Standortbedingungen, mit der Verbesserung der Investitionsbedingungen, mit dem (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Jeder zitiert Abbau der Arbeitslosigkeit und der Schaffung von irgend etwas!) Arbeitsplätzen so ernst ist, wie Sie heute früh hier und der ebenfalls unverdächtig ist, dieser Regierung den Eindruck vermittelt haben, dann lassen Sie uns in den letzten Monaten viel Freude bereitet zu ha- über diesen Steuerreformentwurf reden. Er ist doch ben; das ist der Präsident des Bundesverbandes der da, und wir haben ihn über ein Jahr diskutiert. Wir Deutschen Industrie, Herr Henkel. Herr Henkel hat - sind bereit, mit Ihnen auch über ein Inkrafttreten ich habe ihn gehört - am Mittwoch früh im Deutsch- zum 1. Januar 2000 zu reden. Wir sind bereit, mit Ih- landfunk folgendes zu Ihrer Politik gesagt: nen noch einmal über ein stufenweises Herantasten in dieser Frage zu reden. Aber wir müssen den Men- Ich muß mal daran erinnern, daß die SPD ja im schen deutlich machen, daß wir, und zwar im Sinne Augenblick vorhat, die Vermögensteuer wieder der Lösung des zentralen Problems in dieser Repu- einzuführen. Wissen die, was das bedeutet für die blik, des Abbaus der Arbeitslosigkeit, über Partei- Kapitalflüsse? Man überlegt sich, eine Lehrling- grenzen hinweg eine sinnvolle Reform durchführen. steuer einzuführen. Haben die wirklich einen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20667

Hans-Peter Repnik Überblick über die Kostenstrukturen des Mittel- - übrigens steht Ihnen diese Aggressivität nicht - standes und was das für den bedeutet? den unzutreffenden Vorwurf der Blockade der SPD wiederholt. Sie begeben sich damit in die Gefahr ei- (Zuruf von der CDU/CSU: Noch nie ge ner zweiten großen Steuerlüge, habt!) (Anke Fuchs [Köln) [SPD]: Sehr richtig! - Was bedeutet es, wenn man die Rentenreform zu- Widerspruch bei der CDU/CSU - Ul rich rückdreht? Was für Folgen auf die Lohnnebenko- Heinrich [F.D.P.]: Ha! Ha!) sten, die die SPD ja auch senken will, hat es ei- gentlich, wenn man die Lohnfortzahlung im weil all die Segnungen, die mit Ihrer Steuerreform Krankheitsfall wieder auf 100 Prozent stellt? angeblich verbunden sind, jedenfalls von den Aussa- gen der Sachverständigen nicht gedeckt werden. Zu Der deutsche Mittelstand ist um zirka 10 bis diesem Ergebnis kommt man, wenn man sich die 15 Milliarden DM entlastet worden dadurch. Protokolle der Anhörungen des Finanzausschusses Henkel weiter: anschaut. Sie blockieren sich in der Tat selbst. Wenn das Programm à la Lafontaine in der SPD Mit Ihrer Bitte, doch erneut ins Gespräch zu kom- jetzt in die Tat umgesetzt wird, dann wird eine men, haben Sie die Kakophonie in Ihren Reihen aller- Richtung, und zwar eine falsche, eingeschlagen. dings komplett gemacht. Bis vor wenigen Tagen hat Wenn Sie dann noch das Programm der Grünen der F.D.P.-Vorsitzende Gerhardt gefordert, die ge- nehmen, dann stehen wir in der Tat vor einem scheiterte Steuerreform in dieser Legislaturpe riode großen Problem. noch einmal einzubringen. Das ist wohl wahr. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wollen Sie, oder wollen Sie nicht?) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Da sehen Sie, wie der Henkel mal so, mal so redet! Der Herr Schäuble hat gestern in einem Inte rview der Henkel redet so, wie es ihm paßt, Herr Kol „Wirtschaftswoche" dazu kategorisch nein gesagt. lege!) (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: So ist es!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Koalition - das sagt der Jahreswirtschaftsbericht aus Bundeskanzler Kohl hält dagegen an den gescheiter- - hat in den vergangenen vier Jahren ihre- Hausauf- ten Petersberger Beschlüssen der Koalition fest und gaben gemacht. Es liegt jetzt an uns - ich möchte warnt davor, eine Steuerreform zu planen, die hinter auch Sie dazu einladen -, den Bürgern in dem jetzt diesen Beschlüssen zurückbleibt. So sagte er auf der beginnenden Wahlkampf deutlich zu machen, daß Jahresveranstaltung der gewerblichen Wirtschaft am nur eine ehrliche Bilanz und die daraus abgeleiteten 25. März. Maßnahmen zum Ziel führen. Die F.D.P. wiederum hat längst den Boden der Pe- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Die ehrli tersberger Beschlüsse verlassen und angekündigt, che Bilanz haben wir heute von Ihnen noch sie wolle auf ihrem Parteitag am 19. Ap ril ihr altes nicht gehört! Kein Wort zu den 4,8 Millionen Steuerstufenmodell beschließen und damit in den Arbeitslosen!) Bundestagswahlkampf ziehen. Der F.D.P.-Stufentarif führt nach Angaben der Bundesregierung zu jährli- Was wir den Bürgern zumuten - das ist wohl wahr chen Steuerausfällen von über 80 Milliarden DM. -, ist nicht bequem, sondern anstrengend. Aber die Aber auch deutlich geringere Steuerausfälle sind für Bürger spüren, daß es einen Reformbedarf gibt. den Fraktionsvorsitzenden Schäuble schon viel zu viel. Selbst eine weitere Senkung des Solidaritätszu- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Richtig! schlags „geht schon deshalb nicht, weil wir die Neu- Deshalb wählen sie uns!) verschuldung bis an die Grenze des A rtikels 115 Wir müssen ihnen diese Anstrengungen zumuten, Grundgesetz gefahren haben". Angesichts dieser um den Standort Deutschland auch für die Zukunft Sachlage, Herr Repnik, dürfte der Öffentlichkeit wettbewerbsfähig zu machen, um Arbeitslosigkeit wohl klargeworden sein, wie seriös ihr Gesprächsan- zurückzuführen und um der jungen Generation Zu- gebot heute morgen war. kunftschancen zu geben. Dies ist unser Ziel. Auf die- sem Weg werden wir voranschreiten. (Beifall bei der SPD) (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU - Zweitens. Die Abschaffung der Gewerbekapital- Beifall bei der F.D.P.) steuer war für uns nie das Thema. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was?)

- Das Wort zu Vizepräsident Hans Ulrich Klose: Für uns war das Thema, den Kommunen auf Dauer einer Kurzintervention hat der Kollege Joachim Poß. eine eigenständige Finanzierungsquelle zu sichern, was wir erreicht haben. Für uns war das Thema, den Joachim Poß (SPD): Herr Kollege Repnik, Sie Gemeinden einen finanziellen Ausgleich zu sichern. haben hier mit der Aggressivität eines angeschlage- Das haben wir auch im Interesse und mit Unterstüt- nen Boxers zung der CDU-geführten Kommunen erreicht. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) (Beifall bei der SPD) 20668 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Joachim Poß Sie werden es uns angesichts ihrer schwierigen Fi- ben eine Gerechtigkeitslücke in diesem Land produ- nanzsituation danken. ziert, die atemberaubend ist. Drittens. Nach Ihrer wirtschaftspolitischen Philoso- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, phie müßte doch die Zahl der Arbeitsplätze in Ost- bei der SPD und der PDS) deutschland anwachsen, denn do rt gab es nie die Gewerbekapitalsteuer und die Vermögensteuer. In Herr Rexrodt, Sie haben heute davon gesprochen, diesem Jahr wird die Vermögensteuer auch im We- man müsse auf langen Atem setzen; Sie seien optimi- sten nicht mehr erhoben, und die Gewerbekapital- stisch. Auf langen Atem setzt die F.D.P. als Regie- steuer ist abgeschafft. Aber wo ist denn der Arbeits- rungspartei schon seit 29 Jahren. In der Debatte um platzzuwachs? Sie haben doch in den Debatten des den letzten Jahreswirtschaftsbericht haben Sie sich Deutschen Bundestags im letzten Jahr den Eindruck siegesgewiß gegeben. Ich möchte an einen Ihrer erweckt, die Gewerbekapitalsteuer sei der Arbeits- Sätze erinnern, mit dem Sie uns 1997 konfrontiert ha- platzkiller Nummer eins. Nehmen Sie doch einmal ben: die Fakten zur Kenntnis, Herr Repnik, und schieben Ich bleibe aus guten Gründen bei unserer Pro- Sie dieses ideologische Gewäsch beiseite. Das führt gnose. Am Endes des Jahres 1997 wird es weni- uns nicht weiter. Das nützt dem Standort wirklich ger Arbeitslose und mehr Beschäftigte als am nicht. Ende des Jahres 1996 geben. Es ist inzwischen tatsächlich nicht mehr zu zählen, in Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Die drei Minuten wie vielen Jahreswirtschaftsberichten in Folge Sie, sind vorbei, Herr Kollege Poß. Einen Satz noch. Herr Minister, die Trendwende am Arbeitsmarkt be- schworen haben. Was ist geschehen? Nichts ist ge- Joachim Poß (SPD): Im gemeinsamen Interesse schehen. sind wir wirklich bereit, alles zu tun, um Arbeits- Tatsache ist, daß Sie es in den letzten Jahren nicht plätze zu schaffen. Daß wir jedoch unseren Staat sy- geschafft haben - darauf hat der Kollege Schwanhold stematisch ruinieren, indem wir abenteuerliche Pläne hingewiesen -, netto auch nur einen Arbeitslosen verfolgen, können Sie von uns Sozialdemokraten mehr in Lohn und Brot zu bringen. 1997 hat es mehr nicht verlangen. Arbeitslose und weniger Beschäftigte - fast eine (Beifall bei der SPD) halbe Million - gegeben als 1996. Ebenso hat es 1996 400 000 mehr Arbeitslose gegenüber 1995 gegeben. Hier von einer positiven Trendwende am Arbeits- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege markt zu reden, halte ich für relativ unverfroren. Repnik, möchten Sie erwidern? (Beifall der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD]) (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein!) Vor diesem Hintergrund, Herr Minister, ist es doch - Das ist nicht der Fall. ausschließlich ein Zeichen von Hilflosigkeit, wenn Dann hat jetzt die Kollegin Margareta Wolf, Sie in Zweckoptimismus schwelgen und wie ein arti- Bündnis 90/Die Grünen, das Wort . ger Schüler all das aufzählen, was Sie getan haben. Ihre Parole des schlichten „Weiter so", die Sie ausge- ben, greift nicht mehr. Auch wenn Sie ständig wie- Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE derholen, Sie seien auf einem guten Weg - das haben GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- Sie im vorletzten Jahr gesagt und im letzten Jahr und men und Herren! Herr Kollege Repnik, Sie haben so- heute wiederholt -, kann ich Ihnen nur sagen: Sie eben gesagt, an Ihren Früchten sollen wir Sie mes- stehen seit Jahren am Ende einer Einbahnstraße, und sen. Das tun wir. Wir haben den historischen Höchst- das Fatale ist, daß Sie es überhaupt noch nicht ge- stand von 5 Millionen Arbeitslosen, und im „Han- merkt haben. delsblatt" der letzten Woche - ich bitte Sie jetzt zuzu- hören, was die Früchte anbelangt - war nachzulesen: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die gesamtwirtschaftlichen Daten und die Steu- erstatistik zeigen zwischen 1992 und 1997 fol- Herr Bundeskanzler, ich fand das Happening ge- gende Entwicklung: Beim Anstieg des Bruttoin- radezu grotesk und zynisch, das Sie und die Herren landprodukts um 16,9 Prozent erhöhten sich die Verbandsvertreter uns am Rande der Handwerks- Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Ver- messe in München vorgeführt haben. mögen netto um 46,8 Prozent, die Lohn- und Ge- (Ernst Schwanhold [SPD]: Sie haben es haltssummen netto um 3,1 Prozent. Die Zahl der zwei Tage später revidiert!) Beschäftigten ging um 2,1 Millionen zurück, und trotzdem lag das Aufkommen aus veranlagter - Nicht alle. - Um Sie, Herr Kanzler, herumdrapiert Einkommen-, Körperschaft-, Kapital- und Vermö- verkünden Herr Hundt, Herr Henkel, Herr Stihl und gensteuer mit einem Minus von 6,9 Prozent unter Herr Philipp, es werde bis September Manna regnen. dem Niveau von 1992. Das Lohnsteueraufkom- Auch Herr Repnik hat gesagt: Im Sommer wird es men lag hingegen bei einem Plus von 20 Prozent über diesem Land Manna regnen. Ich kann nur sa- gegenüber 1992. gen: Lassen Sie diese Geschichten! Meine Damen und Herren, das sind die Früchte, Der eine, Herr Hundt, sieht 500 000 neue Arbeits- die Sie jetzt zu ernten haben. Das bedeutet, Sie ha- plätze auf Grund der Konjunkturentwicklung entste- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20669

Margareta Wolf (Frankfurt) hen, und Herr Philipp - ich habe gedacht, ich höre - Bestätigen Sie sich nur ständig selbst. Ihre Partei re- nicht richtig - sieht 500 000 neue Arbeitsplätze ent- giert seit 29 Jahren. Eine solch hohe Arbeitslosen- stehen, wenn nur jeder seine Handwerkerrechnung quote hatten wir noch nie. von der Steuer absetzen könnte. Das forde rt ein Ver- (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Sie wer bandspräsident bei einer Gesamtverschuldung des den in Deutschland nie regieren!) Staates - Bund, Länder und Kommunen - in Höhe von 2,2 Billionen DM. Ich glaube, ich habe sie nicht Noch nie haben so wenige Ausländer in Deutschland mehr alle. investiert wie in dieser Zeit. Schauen Sie sich Hessen an, ein rotgrün regiertes Land - von do rt komme ich -: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dort gibt es den Aufschwung. sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Sie sind PDS) ein Mühlstein am Hals der SPD!)

Wir haben einen Höchststand an Arbeitslosigkeit - Sie können gleich noch reden, Herr Solms. Sie in diesem Land, wir haben einen Höchststand an brauchen sich jetzt nicht auf meine Kosten warmzu- Pleiten, einen Höchststand an Staatsverschuldung reden. (Heiterkeit bei der SPD) und einen Höchststand an Abgaben, und dann ver- künden diese Herren in dieser dramatischen Situa- Wir brauchen einen Politikwechsel in diesem tion, in der unser Gemeinwesen zur Disposition steht, Land, wir brauchen eine Verantwortungsdemokratie, solche Geschichten. Als wären wir beim Karneval im und wir brauchen einen Generationenwechsel in den Rheinland. Verbänden und der Politik. Die Tarifparteien haben ihre Hausaufgaben ge- (Wolfgang Weiermann [SPD]: Das ist ein macht. Sie haben Lohnzurückhaltung geübt. Das hat dicker Hund!) ihnen auch der Sachverständigenrat bescheinigt - übrigens die einzige positive Bescheinigung des Durch diesen von Ihnen evozie rten Parteilobbyismus Sachverständigenrates in diesem Jahresgutachten. zerstören wir die Grundlagen unseres Verbändestaa- tes. Wir brauchen in dieser Situation starke Ver- Angesichts des Problemstaus, den Sie, meine Da- bände, nicht aber Parteilobbyisten. men und Herren von der Koalition, zu verantworten haben, verwundert es nicht, daß die Trendwende am (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeitsmarkt bislang ausgeblieben ist. Beschwörun- sowie des Abg. Ernst Schwanhold- [SPD]) gen alleine nutzen da überhaupt nichts. Sie haben es versäumt, verläßliche Voraussetzungen für Investitio- Noch eine Bemerkung zu dem angesprochenen nen zu schaffen, die notwendig sind, damit zukunfts- Herrn Henkel, verehrter Herr Kollege Repnik: Der fähige Arbeitsplätze in einem Umfang entstehen Herr Minister hat vorhin gesagt, wir sollten endlich können, daß von einer Trendwende am Arbeitsmarkt aufhören, den Standort schlechtzureden. Wer redet tatsächlich gesprochen werden kann. denn in diesem Land seit Jahren den Standort Es ist bedauerlich - ich glaube, Helmut Schmidt schlecht? Wer fährt denn mit dem Minister durch die ärgert sich noch heute darüber -: Der Jahreswirt- ganze Welt und beklagt, wir hätten in Deutschland schaftsbericht ist zum Ritual degene riert. Er enthält ein Kostenproblem, ein Infrastrukturproblem, ein Bil- vor allen Dingen warme Worte zur Beschönigung der dungsproblem? Wer sagt denn seit 1989 jedes Jahr Lage. Das ist aus unserer Sicht völlig unangemessen. Weihnachten im Fernsehen, Herr Blüm sei ein ver- Deutlich wird dies auch, wenn man einen Blick auf träumter Weihnachtsengel, ein Standortrisiko für die Zahlen wirft, die immer ganz am Ende des Wi rt Deutschland, wir bräuchten die Aufgabe des Flä- -schaftsberichts versteckt sind. Vergleichen wir die chentarifvertrages? - Dieser Mann, den ich für eines Prognose für 1997 mit den realen Zahlen, so wird der Standortrisiken überhaupt halte - obwohl er ei- deutlich: Alle Werte haben sich schlechter entwik- gentlich Strahlkraft für ausländische Investitionen in kelt, als der Herr Minister und sein Bundeswirt- Deutschland ausüben sollte -, sagt heute: Wenn es schaftsministerium das vorhergesagt haben: weniger am 27. September 1998 einen Politikwechsel gebe, Konsumnachfrage, die Investitionen haben praktisch werde endlich der Morgenthauplan realisie rt, ziehe stagniert, mehr Arbeitslose, weniger Wachstum. Was das eine Deindustrialisierung nach sich. sich positiver entwickelt hat, sind lediglich die Ge- winne und der Außenhandel. (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Wer for Mir scheint es notwendig, an dieser Stelle noch dert das denn?) einmal auf das Jahresgutachten der Sachverständi- gen hinzuweisen, das ja alles andere als eine Lobes- Dieser Mann ist das Standortrisiko par excellence. hymne für Sie, Herr Minister, war; das werden Sie Daß Sie sich mit dem zusammen im Fernsehen zei- wohl zugeben. Da schrieben die fünf Weisen der gen und sich hier auf ihn beziehen, wird Ihnen noch Bundesregierung ins Stammbuch - Zitat -: schwer auf die Füße fallen. Orientierungslos in der Durchführung gab sie im (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Jahre 1997 nicht mehr nur Rätsel auf wie im vor- bei der SPD und der PDS - Dr. Hermann angegangenen Jahr, sondern hat ... die Kraft ver- Otto Sohns [F.D.P.]: Wer forde rt denn die loren, die notwendigen Strukturreformen auf der Deindustrialisierung? Das sind doch die Ausgabenseite und der Einnahmenseite der öf- Grünen!) fentlichen Haushalte einzuleiten. 20670 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Margareta Wolf (Frankfurt) Kein Wort dazu in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht, Wenn auch die Bundesregierung diese Probleme Herr Minister, obwohl er den Auftrag hat, das Jahres- erkannt hat, warum sind Sie dann, so frage ich Sie -, gutachten der Sachverständigen angemessen zu nicht bereit, endlich zur Kenntnis zu nehmen, daß würdigen - nichts! wir nur mit einer ökologisch-sozialen Steuerreform die Energiekosten verteuern und die Arbeitskosten Einen Durchbruch am Arbeitsmarkt wird es nur verbilligen können? Herr Kollege Schwanhold, das geben, wenn die zentralen Reformprojekte endlich frage ich auch Sie. Ich bin sehr dankbar, daß Frau realisiert werden. Eine Reform der Einkommensteuer Kollegin Fuchs nachher noch redet. muß klare Rahmenbedingungen für Investitionen in Deutschland schaffen. Insofern finde ich das Angebot (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wir haben einen von Herrn Repnik zwar überaus attraktiv. Aber wie Gesetzentwurf eingebracht, Frau Kollegin!) er angesichts der Haushaltslage eine Nettoentla- stung von 30 Milliarden DM erreichen wi ll, ist mir ein - Ja, aber Sie haben einen Kanzlerkandidaten, der völliges Rätsel. Eine ökologisch-soziale Steuerreform dazu nie etwas sagt. muß endlich Anreize für arbeitsplatzschaffende Inve- Aus dem Dilemma von gleichzeitig steigender Ar- stitionen und Neueinstellungen in diesem Land set- beitslosigkeit und steigendem Ressourcenverbrauch zen. kommen Sie nur durch eine ökologische Steuerre- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) form heraus. Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, (Ernst Schwanhold [SPD]: Sie sollten sich möchte ich nunmehr gerne einen Ausschnitt aus ei- von den 5 DM distanzieren! Das wäre doch nem sehr spannenden Text vortragen, den ich dieser gut!) Tage gelesen habe. Ich bitte um Aufmerksamkeit. Statt diese Einsicht umzusetzen, statt endlich den Nachhaltigkeit steht für die Suche nach zukunfts- Einstieg in diese Ökosteuerreform zu wagen, lassen fähigen Lösungen unter Berücksichtigung der Sie Ihren Generalsekretär Hintze los. Meine Damen wechselseitigen Einflüsse von Ökonomie, Ökolo- und Herren, ich weiß, daß Herr Hintze traurig ist, daß gie und Sozialem. ... Die Bewahrung der natürli- eine Rote-Socken-Kampagne in diesem Wahlkampf chen Lebensgrundlagen ist Voraussetzung und nicht mehr greift. Ich weiß auch, daß er traurig ist, Basis für die wirtschaftliche Entwicklung einer daß der Spruch „Freiheit statt Sozialismus" nicht Volkswirtschaft. Nur durch eine nachhaltige Ent- mehr in diesen Wahlkampf paßt. wicklung kann auf Dauer der Wirtschaftsstando- rt Statt dessen macht er jetzt eine Tankstellenkampa- Deutschland erhalten werden. ... Aus umwelt- gne. Respekt, Herr Kollege Hintze! Aber Sie verges- politischer Sicht ist dafür Sorge zu tragen, daß die sen, daß die Menschen in diesem Land nicht blöde mit dem Wirtschaften verbundene Nutzung von sind. Die Menschen wissen, Herr Kollege Hintze - Umweltgütern und Ressourcen künftig nicht zu Sie sind mit dieser Initiative ja auch relativ rasch auf Knappheiten führt, die einer nachhaltigen Ent- den Bauch gefallen -, daß die Zukunft nicht im 25-Li- wicklung entgegenstehen und zukünftige Gene- ter-Straßenkreuzer liegt. Das ist kein Reputationspro- rationen schlechterstellen. Ressourcenverbrauch jekt. Das war es vielleicht einmal in den Sixties. We- und Umweltbelastung müssen langfristig deut- der die Mineralölindustrie noch die Automobilindu- lich weiter von der wirtschaftlichen Entwicklung strie war so blöde, sich an Ihre Kampagne dranzu- entkoppelt werden. hängen. Ganz im Gegenteil: Diese Kampagne hat für Das ist kein Zitat aus dem inkriminie rten grünen Sie ein Negativimage bedeutet. Bundestagswahlprogramm - mitnichten! Das ist ein (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Weiter so hetzen, Ausschnitt aus dem Jahreswirtschaftsbericht, der uns kann ich nur sagen!) hier heute vorliegt. Was folgt daraus? Nichts folgt bei Ihnen daraus. Sie beziehen sich überhaupt nicht auf Genausowenig sind Ihnen der Kollege Geißler und diesen von Ihnen dort so schön dargestellten Tatbe- die Kollegin Merkel gefolgt. Der Sachverständigen- stand. rat für Umweltfragen sagt - ich nehme die Antwort gleich voraus -: Wir brauchen 5 DM für den Liter Im Endeffekt heißt das, was Sie do rt haben auf- Benzin, und zwar jetzt. Wir sagen: Das brauchen wir schreiben lassen, doch nichts anderes, als daß der in zehn Jahren. Frau Merkel sagt: Wir brauchen Faktor Umwelt zu billig und der Faktor Arbeit zu 3,80 DM für das Benzin jetzt. Wir sagen: 5 DM als teuer ist. Das haben Sie in Ihrem Jahreswirtschafts- Zielgröße in zehn Jahren. bericht wunderschön aufgeschrieben. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: So vor (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das sagt auch sichtig sind Sie geworden!) Herr Repnik! - Ernst Schwanhold [SPD]: Der Kanzler hat aber gesagt, er soll das Das Umweltbundesamt sagt: 4,80 DM jetzt. Aus nicht mehr sagen!) wahlkampftaktischen Gründen machen Sie diese Mätzchen, weil Ihnen einfach nichts anderes einfällt - Das sagt auch Herr Repnik. Aber wir befinden uns und Sie am Ende sind. derzeit im Wahlkampf, jetzt sagt auch Herr Repnik das nicht mehr. - Das ist der Grund, warum wir es auf der einen Seite mit 5 Millionen Arbeitslosen zu tun Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin haben und auf der anderen Seite mit einem nahen- Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen den Klimakollaps. Schauerte? Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20671

Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE Ich muß noch einmal an Sie appellieren, auch an I GRÜNEN): Gerne. die SPD, vor allen Dingen an Herrn Schröder. Wenn Sie sagen: Lohnnebenkosten senken!, dann müssen Sie auch erklären, wie Sie das machen wollen. Wenn Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Frau Kollegin, Sie die Mehrwertsteuer in den Vordergrund dieser man kann Kampagnen ja ganz unterschiedlich be- Finanzierung rücken und nicht eine höhere Bela- werten; das ist möglich und hin und wieder auch ge- stung des Energieverbrauchs, dann führen Sie das boten. Aber wenn ich die Zahlen richtig im Kopf fort, was die anderen seit Jahren tun, meine lieben habe, war es so, daß am Ende dieser Kampagne in Freundinnen und Freunde von der SPD: In die eine Schleswig-Holstein gewählt worden ist. Tasche wird es ihnen gegeben, und aus der anderen Tasche wird es ihnen wieder genommen. Frage! Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: In Dänemark, in den Niederlanden und in Skandi- navien können Sie sehen, was ein Einstieg in eine Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Wenn ich auch die konsequente Einkommensteuerreform und in eine Zahl richtig im Kopf habe, muß ich Sie fragen, ob es Ökosteuerreform bringt. In diesen Ländern gibt es stimmt, daß die Zahl Ihrer Wähler von 142 000 auf quasi Vollbeschäftigung und einen hohen gesell- 91000, also um fast 50 Prozent, gesunken ist. Offen- schaftlichen Konsens. sichtlich war die Kampagne doch wirkungsvoll. Wir müssen uns einmal fragen - diese Frage richtet (Ernst Schwanhold [SPD]: Es gab auch eine sich jetzt wieder an die Koalition -: Warum beurteilen sehr viel geringere Wahlbeteiligung!) die Euro-Chambers, die europäische Variante des DIHT, alle europäischen Länder besser als die Bun- desrepublik Deutschland? Die Euro-Chambers ha- Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE ben vor etwa vier Wochen - ich habe das „Handels- GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Schauerte, ich möchte blatt" leider nicht dabei - gesagt: Es wird in allen weder das Ergebnis in Schleswig-Holstein beschöni- europäischen Ländern einen Beschäftigungszuwachs gen, noch möchte ich beschönigen, daß wir die Leute geben, nur in der Bundesrepublik Deutschland nicht. verschreckt haben. Wir korrigieren das. Aber ich Da nützt es auch nichts, nur weil Wahlkampf ist, sich möchte Sie auch an Ihre Umfragen erinnern. hier hinzusetzen und zu sagen: Alles ist wunderbar, (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne kein Problem. ten der SPD) - Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen. Ich habe gerade auf die Tankstellenaktion von Wenn man viel durch die Lande reist, stellt man fest, Herrn Hintze repliziert. Sie müssen mir doch bitte daß es einen unglaublichen Politikverdruß gerade konzedieren, daß sie am Montag vorgestellt und am bei den Facharbeitern gibt, von denen man früher Mittwoch schon beerdigt worden ist, weil Sie offen- immer gesagt hat und es auch heute noch sagen sichtlich wirklich in den Sechzigern leben und noch sollte: Sie finanzieren die soziale Marktwirtschaft, sie nicht in den Neunzigern angekommen sind. sind die Stabilisatoren der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Leistungsträger!) Ich möchte noch ein paar Dinge zur Steuerreform Diese Menschen in den mittleren Einkommens- sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ver- schichten haben in den letzten Jahren einen Netto- ehrter Herr Repnik. Ich erinnere mich noch sehr gut, verlust von 9 Prozent hinnehmen müssen. Deren Ab- daß wir im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zur gabenniveau hat sich um 20 Prozent erhöht. Steuerreform sehr pragmatische und praktikable Vorschläge für den Einstieg in eine Ökologisierung Angesichts eines Nettolohnrückgangs von nahezu unseres Steuersystems unterstützt haben. Um eine 10 Prozent in ihren Po rtemonnaies müssen Sie, so Absenkung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslo- glaube ich, den Menschen einmal erklären, wie es senversicherung um jeweils einen Prozentpunkt zu kommt, daß Sie dem Daimler-Benz-Konzern, der im finanzieren, haben wir die Idee Ihres Fraktionsvorsit- vergangenen Jahr glänzend verdient hat - das konn- zenden Schäuble aufgegriffen, die Mineralölsteuer ten wir überall lesen -, auf Grund Ihrer noch immer um 15 Pfennig zu erhöhen. Wir waren bereit, eine Er- so skurrilen Steuergesetzgebung eine Differenz von höhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt 2,9 Milliarden DM zurückzahlen müssen. Das müs- in Kauf zu nehmen. sen wir der Bevölkerung erklären. Dafür gibt es keine Akzeptanz mehr in diesem Land. Woran ist denn dieser Vorschlag gescheitert? Herr Repnik, seien Sie doch ehrlich! Das Vermittlungsver- Sie hätten Ihre Petersberger Beschlüsse nicht so fahren ist an Ihnen gescheitert und nicht an den Län- halbherzig machen sollen. Sie hätten frühzeitig auf dern. Ich kann es nicht mehr hören, wenn Sie ständig den DIHT hören sollen, der gesagt hat: Eine Entla- gebetsmühlenartig wiederholen, daß es an den Län- stung in Höhe von 30 Milliarden DM können wir an- dern gescheitert ist. Es ist an der Partei gescheitert, gesichts der Haushaltslage nicht unterstützen. Dann die letztes Jahr noch von der Gefälligkeitsdemokratie hätten wir inzwischen eine Einkommensteuerreform, geredet hat. unterstützt von der SPD und auch von uns, vorge- nommen. Sie haben immer auf Unternehmensentla- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stungen in einer Größenordnung von 30 Milliarden und bei der SPD) DM gesetzt. Diese ist Ihnen auf die Füße gefallen. 20672 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Margareta Wolf (Frankfurt) Was haben wir jetzt? Wir haben eine Gerechtigkeits- kommunikation geöffnet und den Finanzplatz lücke. Ich halte das für ausgesprochen bedauerlich, Deutschland gestärkt. Die Privatisierung des Beteili- meine Damen und Herren. gungsbesitzes des Bundes ist eine eindrucksvolle Er- folgsstory. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Insbesondere die Börsenplazierung der Deutschen Kollege , F.D.P. Telekom ist in breiten Bevölkerungsschichten auf großes Interesse gestoßen und hat der Aktienkultur in Deutschland einen enormen Auftrieb verschafft. Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren Auch die schwierige Privatisierung in Ostdeutsch- heute darüber, mit welcher Wirtschaftspolitik wir die land ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Da- Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze in Deutsch- bei konnten private Investitionszusagen von mehr als land schaffen wollen. Diese Frage kann man sicher- 207 Milliarden DM sowie Beschäftigungszusagen für lich nicht mit Effekthascherei oder auch mit dem Ver- 1,5 Millionen Arbeitnehmer erreicht werden. So stei- wischen von ökonomischen Realitäten beantworten, nig dieser Weg auch war, Arbeitsplätze sind eben auf sondern hier muß man klar Farbe bekennen. Es geht Dauer nur sicher, wenn sie wettbewerbsfähig sind um viel: Es geht um Arbeitsplätze, um den Wohlstand und nicht am Subventionstropf hängen. dieses Landes, um die Sicherheit der Renten und um die Zukunftschancen der nächsten Generationen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das sind konkrete Erfolge unseres Reformpro- gramms für mehr Arbeitsplätze. Vieles könnte man Wer sich dieser Verantwortung nicht gewachsen noch hinzufügen, und vieles muß auch noch Schritt zeigt, dem darf man die Geschicke der Wirtschafts- für Schritt in beharrlicher, seriöser Arbeit geleistet politik auch nicht anvertrauen. werden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Opposition hingegen propagiert einen grund- Das, was sich in den letzten Wochen als Politik ei- legenden Politikwechsel hin zu rotgrüner Wi rt -schaftspolitik. Rotgrün, meine Damen und Herren, nes möglichen rot-grünen Bündnisses -abzeichnet, ist ein Katastrophenszenario für die Bundesrepublik wäre der Super-GAU für die deutsche Wi rtschaft, für Deutschland. Davor kann man die Menschen nur die Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserem eindringlich warnen. Land. Die Wirtschaftspolitik der Koalition - der Bundes- (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: wirtschaftsminister hat das eben noch einmal deut- Gräßliche Vorstellung!) lich, sachlich und klar vorgetragen - basiert auf einer Wer die Automobilindustrie in unserem Land erstik- ganz eindeutigen Konzeption. Das, was wir als ange- ken und die Transportwege zerhacken will, den kann botsorientierte Politik bezeichnen, läßt sich im Kern man doch wohl nur als Sicherheitsrisiko für die Ar- auf einfache und zwingende Grundelemente zurück- beitsplätze in unserem Land betrachten. führen: Für Arbeitsplätze braucht man Unterneh- men, die Aufträge bekommen. Aufträge bekommt (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) man nur, wenn man konkurrenzfähig ist. Dafür müs- sen eben die Rahmenbedingungen stimmen. Mit an- Alle Zahlen belegen daß die Reformpolitik der Ko- deren Worten: Es gibt nur einen Weg, um Investitio- alition immer besser greift. Unsere Unternehmen be- nen und Jobs in unser Land zu holen: den Standort finden sich in einer guten Verfassung. Das Bruttoin- Deutschland wettbewerbsfähiger machen. landsprodukt wird 1998 kräftig wachsen. Die deut- sche Wirtschaft hält die Prognose des Bundeswirt- Deutschland steht vor der Entscheidung, ob das schaftsministers von 2,5 bis 3 Prozent Wachstum eher Land seine Spitzenposition behaupten kann oder in für zu vorsichtig. Auch die meisten Institute sehen die zweite Liga absteigt. Deshalb werden die näch- das Wirtschaftswachstum trotz der Asienkrise in sten Jahre auch so entscheidend sein. Deshalb gibt Richtung der 3-Prozent-Marke. es zur Reformpolitik der Koalition keine Alte rnative. Deshalb müssen wir den Wirtschaftsstando rt Der Aufschwung in Deutschland gewinnt an Breite Deutschland durch eine Verbesserung der Rahmen- und an Dynamik. Neben dem Export werden in die- bedingungen stärken. sem Jahr auch die Investitionen zum Wachstumsmo- tor. In diesem Zusammenhang ist es besonders auf- Wir sind mit unserem Reformprogramm für mehr schlußreich, sich einmal die Entwicklung bei den Arbeitsplätze - auch das ist hier bereits gesagt wor- Ausrüstungsinvestitionen anzuschauen. Sie sind ei- den - schon ein gutes Stück vorangekommen. Die ner der aussagekräftigsten Indikatoren für die wirt- Vermögensteuer wird nicht mehr erhoben, die Erb- schaftliche Lage. Die Ausrüstungsinvestitionen sind schaft- und die Schenkungsteuer wurden mittel- 1997 real um 3,9 Prozent gewachsen, doppelt so stark standsfreundlich reformiert, die Gewerbekapital- wie 1996. In seinem jüngsten Konjunkturbericht steuer abgeschafft und der Solidaritätszuschlag um rechnet das Kieler Institut für Weltwirtschaft für 1998 2 Prozentpunkte gesenkt. Wir haben das Arbeitsrecht mit einem Wachstum von 6,5 Prozent bei den Ausrü- reformiert, die Wachstumsmärkte von Post und Tele- stungsinvestitionen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20673

Paul K. Friedhoff Diese Zahlen werden durch die traditionelle Früh- Auch deshalb haben wir die Rentenreform verab- jahrsumfrage des DIHT bei mehr als 25 000 Unter- schiedet. Beitragssatzstabilität ist auch für die Rent- nehmen eindrucksvoll bestätigt. Anders als im ver- ner das absolut vorrangige Ziel: denn ihre Renten gangenen Herbst stocken jetzt nicht nur exportorien- sind langfristig nur dann sicher, wenn es genügend tierte Betriebe ihre Investitionen auf, sondern auch Beitragszahler in Lohn und Brot gibt. Zulieferer, Dienstleistungsunternehmen, der Groß- handel und das Verkehrsgewerbe wollen ihre Inve- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne stitionsbudgets deutlich ausbauen. Es geht also auf- ten der CDU/CSU) wärts mit der deutschen Wirtschaft. Das wird sich Die SPD hat gegen die Rentenreform gestimmt und auch am Arbeitsmarkt mehr und mehr bemerkbar angekündigt, sie rückgängig zu machen. machen. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!) Im Januar und Februar lag die Arbeitslosenzahl im Westen bereits unter dem Vorjahresniveau. Wir wä- Arbeit ist in Deutschland zu teuer. Deshalb haben ren bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schon wir die gesetzliche Lohnfortzahlung reformiert. Dar- weiter, wenn die SPD im Bundesrat nicht alles blok- aus resultiert eine geschätzte Kostenentlastung für kiert hätte, was es hier zu blockieren gab. die deutschen Betriebe von bisher etwa 15 bis 20 Mil- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - liarden DM. Detlev von Larcher [SPD]: Ach, Herr Fried (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Steigende hoff, diese alte Mär, die kann ich nicht glau Arbeitslosigkeit!) ben!) Die SPD will auch diese Reform rückgängig machen. Mit unserer Steuersenkungsreform wären Bürger und Unternehmen um jährlich 30 Milliarden DM ent- Arbeit ist in Deutschland zu teuer und kann nicht lastet worden. Wir wollen die Binnennachfrage stär- flexibel genug eingesetzt werden. Deshalb haben ken, aber eben nicht durch zusätzliche Staatsausga- wir das Kündigungsschutzgesetz reformiert und da- ben und neue Schulden. mit vor allem kleineren Bet rieben geholfen. Allein der ZDH spricht von zusätzlichen 20 000 Arbeitsplät- 30 Milliarden DM Nettoentlastung für alle Bürger. zen seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. - Findet man eine entsprechende Aussage im SPD- Wahlprogramm? Fehlanzeige! Wir wollen den - (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die Arbeitslosig Höchststeuersatz für gewerbliche Einkünfte von keit ist seitdem gestiegen!) 47 Prozent auf 35 Prozent senken, den bei der Kör- perschaftsteuer für einbehaltene Gewinne von Die SPD will auch diese Reform mit dem Hinweis 45 Prozent auf ebenfalls 35 Prozent. Nennt die SPD in rückgängig machen, sie bringe den kleinen Betrie- ihrem Wahlprogramm dazu irgendeine Zahl? Fehlan- ben ohnehin nichts. zeige! Wir wollen den Eingangssteuersatz für Nied- Unser Konzept lautet also: Arbeitsplätze durch rigverdiener von heute 25,9 Prozent auf 15 Prozent wettbewerbsfähige Unternehmen und durch eine senken. Kostenentlastung der Arbeit in Deutschland. Das ist Wir sollten den Menschen in unserem Land klipp die Linie unserer Politik. Das ist der Weg, der interna- und klar sagen: Wenn die SPD - auch wenn Ihnen, tional überall dort, wo er eingeschlagen worden ist, Herr Larcher, das nicht gefällt - die Steuersenkungs- zu mehr Arbeitsplätzen geführt hat. Diese Politik reform nicht blockiert hätte, dann hätten gerade die zeigt Wirkung. Die Arbeitslosigkeit wird sinken. kleinen Leute schon längst erheblich mehr in ihrer Tasche. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das sagen Sie jedes Jahr, und nie ist es eingetreten!) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU - Detlev von Larcher Der Präsident des Arbeitgeberverbandes schätzt den [SPD]: Es ist ja nicht zu glauben!) Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen in den nächsten Monaten auf 500 000. Der DIHT hat angekündigt, Arbeitsplätze werden durch wettbewerbsfähige daß Industrie und Handel die Zahl der neuen Lehr- Unternehmen geschaffen. Das ist das erste Element verträge in diesem Jahr noch einmal deutlich stei- unserer Politik für mehr Arbeitsplätze. gern werden. (Detlev von Larcher [SPD]: Er sagt die Wie lautet denn das wirtschaftspolitische Konzept Unwahrheit, ohne rot zu werden!) der SPD? Ich kann keines, zumindest kein eindeuti- Das zweite Element heißt: Wir müssen vor allem an ges, erkennen. die Kosten für den Faktor Arbeit heran. Arbeit ist in (Gunnar Uldall [CDU/CSU]: Auch kein Deutschland zu teuer und kann nicht flexibel genug zweideutiges!) eingesetzt werden. Deshalb wollen wir Freien Demo- kraten die Flächentarifverträge modernisieren. Ar- - Doch, sehr zweideutig, Herr Uldall. Dazu gibt es beit ist in Deutschland vor allem wegen der hohen sehr unterschiedliche Aussagen. Lohnzusatzkosten zu teuer. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie sollten es vor (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die F.D.P. geht allem lesen! - Gunnar Uldall [CDU/CSU]: das gar nichts an! Das machen die Tarifver Das hat man schnell durch, da steht doch tragsparteien!) nichts drin!) 20674 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Paul K. Friedhoff Statt dessen unterhält der Kanzlerkandidat die Öf- wäre eine rotgrüne Geisterfahrt ohne Sicherheits- fentlichkeit mit einem grotesken Populismus: Vor gurt. Vor dieser Wahl werden die Bürgerinnen und drei Tagen hat er der deutschen Wi rtschaft einen Bürger am 27. September 1998 stehen. Ich bin mir zweijährigen Entlassungsverzicht vorgeschlagen. ziemlich sicher, daß sie sich so entscheiden werden, Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deut- daß sie eine Geisterfahrt nicht zulassen. schen Handwerks hat das mit dem Hinweis kommen- Ich danke Ihnen. tiert, der Vorschlag Schröders wäre nur realistisch, wenn er den 800 000 Handwerksbetrieben die nöti- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gen Aufträge garantieren könnte. Hier gibt es einen Zusammenhang, der durch diese Form von Populis- Das Wort hat der mus einfach übersehen wird und auf den man immer Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Kollege Roll Kutzmutz, PDS. wieder hinweisen muß.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und Rolf Kutzmutz (PDS): Herr Präsident! Meine Da- der CDU/CSU) men und Herren! Bei der Rede von Herrn Rexrodt fiel An Herrn Schröder gerichtet sage ich: Sachkompe- mir das Sprichwort ein: Der Ruhm vieler Propheten tenz ist halt doch etwas anderes als Medienpräsenz. beruht auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer. Das wird den Bürgern in unserem Land schon noch (Beifall bei der PDS) auffallen; darauf können Sie sich verlassen. Schon aus diesem Grund lohnt es sich, einen Blick Bei den Grünen weiß man ja nun endlich, woran in Ihren vor über einem Jahr vorgelegten Be richt zu man ist. werfen. Die Prognose der Bundesregierung für 1997 (Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist anders als wich praktisch in allen bedeutenden Posi tionen er- bei Ihnen! Da weiß man nie, woran man heblich, und zwar negativ, von den tatsächlichen ist!) Entwicklungen ab. Ich erwähne die Zahl der Be- schäftigten, die Lohnentwicklung bei den abhängig Es bedarf keiner besonderen Vorstellungskraft, um Beschäftigten, die Verwendung des Bruttoinlandpro- sich auszumalen, was mit unserem Land passieren dukts und insbesondere die Einnahmen und Ausga- würde, falls die wirtschaftspolitischen Geisterfahrer ben des Staatssektors, jenen Bereich, den die Regie- von Bündnis 90/Die Grünen in die Regierungsverant- rungskoalition mit ihren Beschlüssen maßgeblich be- wortung kämen. Der Präsident des BDI hat mit Blick einflußt, also nicht irgendeine von ihr nicht beein- auf das Wirtschaftsprogramm der Grünen von einer flußbare Konjunktur oder Globalisierung. Neuauflage des Morgenthauplans gesprochen, von der drohenden Deindustrialisierung unseres Landes. Nur ein Bereich wurde von der Bundesregierung - zum wiederholten Male - erheblich unterschätzt: die (Ernst Schwanhold [SPD]: Nehmen Sie ihn Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermö- wirklich noch ernst, Herr Friedhoff?) gen. Statt avisierter 7 gab es do rt sogar 8,9 Prozent Zuwachs. Da kann ich nur - auch das zum wiederhol- - Sie nehmen ihn doch ernst, Herr Schwanhold. Im- ten Male - fragen: Wo bleiben denn nun die verspro- mer wenn er etwas sagt, was Ihnen paßt, dann ist er chenen Arbeitsplätze, wenn die von Ihrer Partei, doch voll auf Ihrer Seite. Wenn er etwas anderes Herr Rexrodt, ernannten Leistungsträger nur ordent- sagt, dann nehmen Sie ihn nicht ernst. lich mehr verdienen? Erstmals in der Geschichte der Ein rotgrünes Bündnis in Bonn würde den Wirt neuen Bundesrepublik schrumpfen sogar die Netto- -schaftsstandort Deutschland ruinieren und den Wohl- einkommen der Masse der Bevölkerung, in den alten stand unseres Landes gefährden. Daran kann nach Ländern um 1,6 Prozent, in den neuen sogar um den letzten Wochen endgültig kein Zweifel mehr be- 3,2 Prozent. stehen. Für die massive Umverteilung von unten nach Eines ist klar: Herr Schröder will dieses Bündnis; oben trägt die Bundesregierung die Hauptverantwor- dazu hat er sich ausnahmsweise eindeutig geäußert. tung: durch ihre politischen Entscheidungen und Er hat öffentlich erklärt, er wolle ein rotgrünes Bünd- durch ihr massives ideologisches Trommelfeuer auf nis nach der Bundestagswahl, selbst wenn eine sol- eine der beiden Tarifparteien; denn dieses Trommel- che Regierung nur eine Stimme Mehrheit haben feuer ist Ideologie. würde. (Vorsitz : Vizepräsidentin Michaela Gei- (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ ger) DIE GRÜNEN]: Hat er Ihnen nicht auch Wie wollen Sie erklären, daß es bekanntlich auch schon ein Angebot gemacht? Wie war das 1995 einen deutschen Rekordaußenhandelsüber- denn?) schuß gab, obwohl in jenem Jahr - anders als heuer - Daß die Grünen auf dem Weg dahin selbstverständ- die Mark deutlich teurer geworden ist und die Löhne lich noch viel an der Garderobe abzugeben hätten, gestiegen sind? Steigende Löhne richten diesen hat er ebenfalls erklärt. Ich bin einmal gespannt, wie Standort gewiß nicht zugrunde, sehr wohl aber Ihre nackt sie dann hier ankommen. Politik, die an den Reallöhnen und damit an der pri- vaten Kaufkraft, der tragenden Säule der Binnen- Das Konzept der Koalition lautet: Arbeitsplätze nachfrage, sägt. durch Wettbewerbsfähigkeit. Die Alternative zur Fortsetzung des Reformkurses für mehr Arbeitsplätze (Beifall bei der PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20675

Rolf Kutzmutz Herr Minister, Sie begeistern sich im Jahreswirt- Was aber erwerben sie dafür? - Eine Währung schaftsbericht an einer Wende bei den Ausrüstungs- ohne Flankierung durch homogene Steuern, Um- investitionen. Sicherlich ist das gut. Aber was nutzen welt- und Sozialstandards, die deshalb einen gna- neue Maschinen, was nutzen selbst neue Produkte, denlosen Wettlauf um niedrigste Kosten provoziert wenn nicht genügend Menschen sie kaufen können? und ihren Arbeitsplatz einer noch größeren Unsicher- heit aussetzt. Klingt es nicht wie eine Drohung, wenn Zudem attackieren Sie die Binnennachfrage gleich ein Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für noch von einer zweiten Seite. Schließlich wurden im Wirtschaftsforschung feststellt: Maastricht-Wahn auch noch die öffentlichen Investi- tionen um 9,4 Prozent gekürzt. Dabei könnte gerade Mit der Abschaffung der Wechselkurse zwischen ein öffentlich finanziertes Investitionsprogramm auf den EU-Ländern wird den Lohnabschlüssen eine der einen Seite einen Beschäftigungseffekt und auf viel größere Bedeutung zukommen. der anderen Seite einen strukturellen und ökologi- schen Lenkungseffekt bewirken. Und im übrigen: Eine Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ostdeutschland an den Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Standard der alten Länder dürfte dann endgültig Sie über den Standort Deutschland fabulieren, dann passé sein - aber vielleicht ist der umgekehrte Weg schauen Sie nicht dauernd in die weite Welt hinaus. ja auch von den vehementen „EURO - jetzt"-Ver- Nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis, daß nach fechtern beabsichtigt. wie vor knapp zwei Drittel des Bruttosozialproduktes Vermutlich jede Kollegin und jeder Kollege dürfte ohne jede außenwirtschaftliche Verflechtung zu- am Dienstag das Buch „Perspektiven der Europäi- stande kommen. Nehmen Sie endlich von einer Poli- schen Wirtschafts- und Währungsunion" von Profes- tik Abschied, die allein eine Minderheit der wirt- sor Reimut Jochimsen erhalten haben. Ihnen ist also schaftlichen Tätigkeit im Visier hat. auch der Begleitbrief des Präsidenten der Landes- (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Mit zwei Dritteln zentralbank NRW und Mitglieds des Zentralbankra- kann man nicht leben!) tes der Bundesbank bekannt. Orientieren Sie sich nicht länger an Aktienkursen, (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das hat er nur an die sondern an Menschenschicksalen, Herr Hein rich. Opposition geschickt!) (Beifall bei der PDS) - Wenn er es nur an die Opposition geschickt hat, war es ein Fehler. Deshalb zitiere ich um so lieber: Das betrifft auch und im besonderen Maße den Umgang mit dem Euro. In diese Kritik muß ich leider Die so sehr notwendige Konvergenz im Wollen, auch die beiden anderen Oppositionsparteien ein- Denken und Handeln unter den Mitgliedslän- schließen. Wir hören gebetsmühlenartig: Der Euro dern der EU ist noch immer nicht erreicht. Auch kommt. Durch ihn werde der Binnenmarkt vollendet, die im Maastrichter Vertrag angelegten Qualifi- durch ihn würden Arbeitsplätze gesichert, weil west- kationsnormen können allenfalls durch den Griff europaweit Geldwertstabilität erreicht, Währungs- in die Trickkiste erfüllt werden. 1998 darf nicht spekulationen erschwert und Transaktionskosten zum Jahr des „Augen zu und durch" werden, das wegfallen würden. viele Menschen frustriert und resignierend be fürchten. Mehr denn je verdient die Einführung Was sind denn die volkswirtschaftlichen Tatsa- dieser unkündbaren Solidargemeinschaft eine chen, ganz egal, wie die sogenannten Konvergenz- kritische Begleitung. kriterien erfüllt wurden? Die Geldwertstabilität steht in den Sternen; denn sie hängt nicht von der bisheri- (Beifall bei der PDS - Ina Albowitz [F.D.P.]: gen, sondern von der künftigen Finanzpolitik der Seit wann macht er Politik? Ich dachte, er Mitgliedstaaten und der Geldpolitik der Europäi- wäre Banker!) schen Zentralbank ab. Allen gegenteiligen Bekun- Ich kann uns alle nur davor warnen, diese Beglei- dungen zum Trotz haben dazu die heutigen Voraus- tung zu verweigern. Der europäischen Idee und da- sagen den Wert von Lotterietips. mit allen betroffenen Volkswirtschaften droht anson- Wer außer Großbanken und multinational agieren- sten ein Schaden, der ungleich größer sein wird als den Unternehmen profitiert massiv von wegfallenden bei jeder noch so langen Verschiebung des Euro. Währungstransaktionskosten? Profitieren Kleinun- Die Tatsachen des Jahres 1997 und die Entwick- ternehmer, Handwerker, Selbständige oder Existenz- lung in den ersten Monaten dieses Jahres sagen gründer, die überwiegend rein regional tätig sind, schon viel über die wahrlich miserablen Vorausset- hierzulande aber fast zwei Drittel aller Arbeiter und zungen bei der Binnenkonjunktur, auf denen eine Angestellten und 80 Prozent aller Auszubildenden wirtschaftliche Entwicklung 1998 aufbauen muß. Vor beschäftigen? Profitieren die kleinen Leute, von de- diesem Hintergrund sind die Prognosen dieses Jah- nen bisher höchstens die Hälfte und auch dann nur reswirtschaftsberichts schon erstaunlich und laufen einmal im Jahr ins künftige Euro-Land verreisen? Gefahr, daß sie dasselbe Schicksal wie die vorjähri- Wer bezahlt die Kosten für die Umstellung auf den gen ereilt. Euro, von der Brüsseler Kommission inte rn vorsichtig auf umgerechnet mindestens 300 Milliarden DM be- Mit seiner „stabilen" Arbeitslosenprognose hatte ziffert? - Letztlich allein diese kleinen Leute, sei es der Bundeswirtschaftsminister wenigstens die Cou- über Preise für Waren und Dienstleistungen, sei es rage, dem wildgewordenen Kohl-Wahlkämpfer über Abgaben und Steuern. Hundt in die Parade zu fahren. Jemand, der sich Ar- 20676 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Rolf Kutzmutz beitgeberpräsident nennt, aber höchstens die Ver- Wir hingegen wollen die unzähligen Kredit- und antwortung für den Arbeitsplatz seiner Sekretärin Zuschußprogramme sowie Steuervorteile in vier In- übernehmen kann und dennoch 500 000 neue Jobs strumenten zusammenfassen. Mit ihnen könnten binnen Monatsfrist verspricht, ist reif für den Ruhe- dennoch die vielen unterschiedlichsten Herausforde- stand. rungen im Wirtschaftsleben gemeistert werden, die öffentliche Unterstützung rechtfertigen; und dies bei Die Probleme sind viel zu groß und zu ernst, als weniger Bürokratie und ohne Verstaatlichung, son- daß man damit so leichtfertig umgehen kann. Dabei dern durch Entscheidungen vor Ort durch die Betrof- - das weiß jeder - gibt es keinen Königsweg, und es fenen in den regionalen Verflechtungsräumen und werden keine Wunder, auch keine Wahlwunder ge- Unternehmen selbst. schehen. Deshalb müssen alle Vorschläge kritisch nach ihren Inhalten und nicht, wie es so oft ge- Herr Schäuble und Herr Uldall präsentierten am schieht, zuerst nach ihrem Absender geprüft werden. Montag beispielsweise AMD Dresden als leuchten- des Standortbeispiel. Pikanterweise haben wir schon Wir haben vor einem halben Jahr erneut einen An- im November letzten Jahres im Mate rial zu unserem trag mit einem Wirtschaftsförderungskonzept einge- Antrag ausgerechnet an dieser auch von uns sehr be- bracht. Er wurde - anders als vergleichbare PDS-In- grüßten Neuansiedlung den Vorschlag einer soge- rt itiativen - Anfang März im federführenden Wi nannten stillen Beteiligung der öffentlichen Hand il- -schaftsausschuß von den übrigen Oppositionspar- lustriert. Auch nach unserem Modell hätten die Ame- teien nicht einfach abgelehnt. Ich bin gespannt, rikaner 0,8 oder sogar 1,8 Milliarden DM vom Staat meine Damen und Herren von der SPD und den bekommen, cash und zur freien Verfügung, ohne Bündnisgrünen, ob Sie das auch heute so sehen kön- Möglichkeit der Rückforderung des Geldes oder der nen. Ich gehe - damit Sie mich nicht mißverstehen - Einflußnahme auf das Geschäft. nicht davon aus, daß Sie zustimmen. Im Interesse des Arbeits- und Lebensstandorts wäre es schon toll, Daß die Amerikaner diese atypische stille Beteili- wenn Sie auch nur Teile davon aufnehmen und dem- gung baldmöglichst aufgeben würden, wäre den- nächst in Regierungspolitik umsetzen würden. noch sicher; denn solange auch nur eine Mark Steu- ergeld im Betrieb steckt, müßte AMD nicht nur einen Am Montag beispielsweise veranstaltete die CDU/ Betriebsrat zulassen; Bet riebsräte und Gewerk- CSU-Fraktion eine hochinteressante Konferenz: schaftsvertreter würden solange auch mindestens die „Deutschland, ein guter Wirtschaftsstandort" . Nicht Hälfte der Sitze im Aufsichtsgremium der Firma - nur diesen Tenor, auch die ihn begründenden Argu- hier die Gesellschafterversammlung der GmbH - in- mente der dort aufgebotenen Manager hätten nehaben. Sie würden auch allein über die Ernen- von der Koalition schon im Oktober in unserer Ana- nung des für Personal- und Beschäftigungsfragen zu- lyse nachlesen können: die Bundesrepublik Deutsch- ständigen Mitglieds der Geschäftsleitung entschei- land als relativ großer Binnenmarkt, der im Zentrum den. eines der wichtigsten Wirtschaftsräume der Welt liegt, der sich durch eine hervorragende materielle Eine solche Wirtschaftsförderung ist vor den be- und soziokulturelle Infrastruktur, eine sehr gute Qua- rüchtigten Mitnahmeeffekten gefeit, denn auf sie lifikation der Beschäftigten und soziale Stabilität aus- greifen Unternehmer gewiß nur zurück, wenn sie das zeichnet. In den Konsequenzen aus dieser mittler- nötige Kapital nicht anderswo beschaffen können. weile übereinstimmenden Analyse unterscheiden Ihr Mechanismus ist keineswegs utopisch, weil er der wir uns natürlich von der Koalition. Wir teilen aber geltenden Montan-Mitbestimmung entlehnt ist und auch nicht alle Positionen der anderen Oppositions- bis hinunter in Kleinunternehmen praktizierbar parteien. wäre. Anders als heute würde Minister Rexrodts Lieblingsmotto „Wirtschaft findet in der Wirtschaft Eben weil der ökologische Umbau von allen Men- statt" dann tatsächlich zutreffen, aber mit wirklich al- schen bewältigt werden muß und nicht nur von ei- len Beteiligten. nem neuen Mittelstand, muß an seinem Anfang eine massive Steuerentlastung der sozial Schwachen ste- Unser Konzept, das wir vorlegen, meine Damen hen, nicht 5 DM für den Liter Benzin. Im übrigen und Herren, ist gesamtdeutsch. Es wuchs aus den würde das von uns favorisierte Konzept der Mengen- ostdeutschen Erfahrungen und knüpfte an diese an. regulierung nicht erneuerbarerer Rohstoffe tatsäch- Deshalb muß ich zum Schluß noch auf Minister Rex- lich die Umweltentlastung garantieren. Durch seine rodts Bemerkung zurückkommen, dank der Politik wesentlich stärkere marktwirtschaftliche Ausrich- der Bundesregierung befänden sich die neuen Län- tung dürfte es dennoch weniger soziale Härten als der auf gutem Weg. eine Ökosteuer hervorrufen. Es ist auch praktikabel und durchsetzbar; schließlich funktionieren das deut- Die Eckzahlen des Jahreswirtschaftsberichts spre- sche Branntweinmonopol und diverse Quotenrege- chen eine andere Sprache, und dies, obwohl die An- gebotspolitik in Ostdeutschland nahezu ideale Be- lungen im Agrarsektor auch. dingungen erhalten hat: geringe Tarifbindung, nied- Noch etwas: Ich meine, daß es darauf ankommt, rige Regulierungsdichte, hohe Förderintensität der das Programm-Dickicht bei der Förderung auszulich- Investitionen, Steuervorteile und günstige Abschrei- ten, nicht wie Sie, Kollegen und Kolleginnen von der bungsbedingungen. Der dennoch wachsende Rück- SPD, durch zusätzliche Institutionen besser verwal- stand der neuen gegenüber den alten Ländern be- ten zu wollen, denn dann marschieren wir unseres weist das Scheitern Ihrer Konzeption. Wer solche Erachtens bei der Wirtschaftsförderung in die fal- Empfehlungen weiter propagiert, der verfestigt für sche Richtung. den Osten nur die Perspektive als Rückstandsregion Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20677

Rolf Kutzmutz Deutschlands und der EU, die künftig nicht nur ter ri Die Kapitalmarktzinsen sind so dauerhaft niedrig wie -torial am Rande des Eurolandes liegen bleiben wird. nie zuvor. Gerade aus ostdeutscher Sicht ist kein bloßer (Ernst Schwanhold [SPD]: Die sind real sehr Macht-, sondern ein tatsächlicher Politikwechsel nö- hoch!) tig. Wenn das für Herrn Rexrodt, wie er vorhin von der Regierungsbank bemerkte, eine gräßliche Vor- Deutschland erfüllt mit einem Defizit von 2,7 Prozent stellung ist, dann sollten alle dies als Ansporn sehen, ein ganz wesentliches Kriterium für die Schaffung die diesen Regierungs- und Politikwechsel tatsäch- der einheitlichen europäischen Währung. Die Ex- lich wollen. porte der deutschen Wirtschaft wachsen mit zwei- stelligen Raten. (Beifall bei der PDS) Die deutschen Unternehmen haben ihre Position bei Spitzentechnologien ausgebaut; in Dresden ent- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der steht ein deutsches Silicon Valley in Form eines füh- Abgeordnete Dr. Peter Ramsauer, CDU/CSU-Frak- renden Kompetenzzentrums für Mikroelektronik. Die tion. Automobilindustrie wird 1998 ihren bisherigen Höchststand bei der Fahrzeugproduktion aus dem Jahre 1992 brechen. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich aber noch eine Weile beim Thema Was die Opposition heute bislang zum Jahreswirt- Arbeitslosigkeit bleiben, weil es auch von Ihnen in schaftsbericht vorgetragen hat, das kann man auf fol- der Opposition in dieser Debatte vorgetragen worden genden einfachen Nenner reduzieren: Man schürt ist. Ich glaube, auch hier ist die Wende da, zumindest aus wahltaktischen Überlegungen die Ängste der in Westdeutschland. Im Februar lag die Zahl der Ar- Menschen in unserem Land; man beklagt die hohe beitslosen zum zweitenmal hintereinander bei der Arbeitslosigkeit, ohne die Mitverantwortung der SPD monatlichen Berichterstattung unter dem jeweiligen oder der Opposition insgesamt in Form von Blocka- Vorjahresstand. Die Zahl der offenen Stellen lag zu- depolitik und Verweigerungskurs zu nennen; man letzt um gut 50 000 höher als vor einem Jahr. Das sind verschweigt, daß vieles von der Koalition auf einen ganz wichtige Frühindikatoren für einen sich positiv guten Weg gebracht worden ist und es wi rtschaftlich entwickelnden Arbeitsmarkt. Seit Monaten kommen aufwärts geht. Ich glaube, das sind die drei ganz we- vermehrt Meldungen aus Unternehmen und Han- sentlichen Punkte, die man aus all diesen Aussagen delskammern, wonach wieder zusätzliche Arbeits- der Opposition herauskristallisieren kann. plätze geschaffen werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Ernst Schwanhold [SPD]: Das Ifo redet von einer schlechten Wi rtschaftsentwicklung! Sosehr uns allen die hohe Arbeitslosigkeit in Haben Sie den letzten Ifo-Bericht gelesen?) Deutschland Sorge bereitet, sowenig besteht heute Grund zum Pessimismus. Die deutschen Unterneh- Am 19. Februar schrieb die „Wirtschaftswoche": men haben schmerzhafte Anpassungsprozesse Fast jedes fünfte Unternehmen stockt zur Zeit Perso- durchlaufen; das kann man nicht leugnen. Diese An- nal auf. passungsprozesse haben aber ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit in erheblichem Maße verbes- In der deutschen Computer- und Telekommunika- sert. Die Tarifpartner sind 1996 und 1997 auf den tionsbranche sollen in den nächsten beiden Jahren Weg der Mäßigung und Flexibilität eingeschwenkt; 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. etwas, was noch in den 80er Jahren fast ausgeschlos- (Ernst Schwanhold [SPD]: Das würde uns sen war, wird jetzt im Tarifgeschehen Gott sei Dank übrigens sehr freuen!) mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit. In der Umwelttechnik werden bis zum Jahr 2000 Die Bundesregierung hegt mit den wirtschaftspoli- 150 000 Arbeitsplätze geschaffen. In der Bio- und tischen Annahmen ihres Jahreswirtschaftsberichts Gentechnik gibt es ein Potential von 70000 neuen aber auch keinesfalls übertriebene Erwartungen. Wir Jobs. Die Automobilbranche stellt wieder ein. sind Realisten. Der DIHT geht für dieses Jahr sogar von einem Wirtschaftswachstum von gut 3 Prozent Das vor drei Jahren eingeführte Meister-BAföG ist aus. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wi rt ein absoluter Renner. rt für 1999 so--schaftsforschung in Essen prognostizie gar 3,5 Prozent. Falls dies jemand vergessen haben (Ernst Schwanhold [SPD]: Nachdem ihr es sollte: Dies sind die höchsten Wachstumsraten seit erst abgeschafft habt!) der Wiedervereinigung und dem Wiedervereini- Jährlich werden sich etwa 20 000 der Meister-BAföG- gungsboom im Jahre 1991. Empfänger selbständig machen. Dadurch werden Noch einige Glanzlichter — ich nenne sie bewußt etwa 60 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Glanzlichter, weil sie Dinge sind, von denen eigenar- (Ernst Schwanhold [SPD]: Warum habt ihr tigerweise nicht mehr gesprochen wird, obwohl sie 'es denn abgeschafft?) großartige Verdienste sind —: Man nimmt es als selbstverständlich hin, daß die Preise in Deutschland Dies alles kann uns noch nicht zufriedenstellen, stabil sind; es herrscht Preisstabilität: Seit 1995 ha- aber es zeigt, daß die Richtung stimmt: Es geht auf- ben wir bei der Inflationsrate eine 1 vor dem Komma. wärts auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen gilt es jetzt, 20678 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Dr. Peter Ramsauer Kurs zu halten und die wichtigen Reformen voranzu- Jetzt sagt der Unternehmer: bringen. Als wir unsere Anforderungen geschildert hatten, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) verließ etwa die Hälfte der Bewerber den Raum ... Ich bleibe weiter beim Thema Arbeitsmarkt. Ich So schilderte der Unternehmer die Suche. schaue mir immer die wi rtschaftliche Praxis draußen Nach Einzelgesprächen mit dem Rest der Teil- im Lande an; ich mache Unternehmensbesuche, nehmer seien zehn Kandidaten verblieben. Die spreche mit Unternehmern und bin in Arbeitsämtern. Hälfte davon sei nicht zur Arbeit erschienen, und (Detlev von Larcher [SPD]: Die sagen dann: von den übrigen fünf sei heute noch ein Mann, der aus Österreich stamme, da. Einer befreunde- Jetzt muß sich endlich etwas ändern!) ten Firma sei es in München ähnlich ergangen. - Herr von Larcher, bevor sich etwas ändern kann - (Zuruf von der SPD: Was sagt uns das?) und es wird sich etwas ändern -, tut man gut daran, Gespräche mit den Beteiligten vor Ort zu führen, - Hören Sie sich das einmal an; das ist die Realität auf dem Arbeitsmarkt. Und das ausgerechnet in der (Detlev von Larcher [SPD]: Die habe ich Baubranche! zitiert!) Weiter heißt es in dem Bericht: mit den Praktikern in den Arbeitsämtern - was ich re- gelmäßig tue -, mit Unternehmern, mit Gewerkschaf- (Zuruf von der SPD: Sie müssen einmal in tern - mit Gewerkschaftern allerdings am besten un- unser Arbeitsamt kommen!) ter vier Augen, weil sie dann viel offener über die Von 120 Kandidaten blieben einige Wochen spä- wirtschaftlichen Realitäten und die Realitäten des Ar- ter noch zwei neue Mitarbeiter. beitsmarktes sprechen, Jetzt wieder Zitat: (Detlev von Larcher [SPD]: Das stimmt! Sehr richtig! Das ist wahr! - Wolf-Michael Was uns öffentlich aus Bonn und Nürnberg be- Catenhusen [SPD]: Das ist auch unsere richtet wird, gehört in das Reich von Grimms Mär- Erfahrung!) chen. So kommentiert der Unternehmer seine Erfahrung als wenn man sie in einem größeren Kreis anspricht, mit den Arbeitsämtern. weil der Meinungs-Herdentrieb beispielsweise Ge- werkschafter daran hinde rt, die Wahrheit zu sagen. (Ernst Schwanhold [SPD]: Die Bayern sind zu faul zum Arbeiten!) Die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, daß die Unternehmen und Betriebe oft die Fachar- Meine Damen und Herren, das ist ein Teil der Rea- beiter überhaupt nicht bekommen, die sie dringend lität auf dem Arbeitsmarkt. Ich gehe so weit, zu sa- brauchen. gen, daß man dann, wenn man sich diese Erfahrun- gen anschaut, festhalten muß, daß ein großer Teil der (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr! - arbeitslos Gemeldeten in Wirklichkeit dem Arbeits- Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Das ist doch der markt nicht zur Verfügung steht. Höhepunkt! Sie wollen wohl sagen: Die wollen nicht arbeiten!) (Ernst Schwanhold [SPD]: Na, na!) Dauernd werden Klagen, beispielsweise aus der Bau- Man muß hier vorsichtig formulieren, weil Sie einem branche, dahin gehend geäußert, daß Arbeitskräfte ja das Wort im Munde umdrehen: Sie stehen in Wirk- nicht zu bekommen sind, obwohl man sie händerin- lichkeit nicht zur Verfügung. Das Beispiel, das ich gend sucht. Jeder von uns hört solche Klagen. Ich eben geschildert habe, belegt, wie es in der Praxis habe mir einmal einen diesbezüglichen Be richt aus aussieht. dem „Münchner Merkur" der letzten Woche ausge- In dem Regierungsprogramm der SPD - es ist ja ein schnitten. Ich würde diesen Bericht, Herr Kollege Entwurf - schreiben Sie dazu - ich zitiere -: Schwanhold, hier nicht anführen, wenn ich diesen Sachverhalt nicht noch einmal ganz genau recher- Sollten angebotene Arbeitsplätze ohne wichtigen chiert hätte. Es geht darum, daß eine große bayeri- Grund nicht angenommen werden, so müssen die sche Baufirma für den Ausbau von Gleisanlagen in bestehenden gesetzlichen Vorschriften zur Kür- Südbayern zusätzliche Arbeitskräfte benötigte. zung der Sozialhilfe angewandt werden. Jetzt zitiere ich aus dem Bericht: Offensichtlich kommt es Ihnen sehr entgegen, daß wir in diesem Bereich Reformen beschlossen haben, Trotz spürbarer Arbeitslosigkeit konnten die um- und zwar nicht nur im Bereich des Arbeitsförde- liegenden Arbeitsämter keinen einzigen Mann rungsrechts, wo wir die Grenze der Zumutbarkeit für vermitteln. die Annahme von Arbeit verschärft haben, sondern auch bei der Sozialhilfe. So schreibt der Unternehmer. Sie reden jetzt von der Rücknahme von Reformen. Mit dem Arbeitsamt in München habe das Bau- Hier schreiben Sie aber, daß dann, wenn von Arbeits- unternehmen unter 50 Arbeitslosen versucht, ge- losen Arbeitsplatzangebote nicht angenommen wer- eignete Baufachleute zu finden. den, die gesetzlichen Vorschriften zur Kürzung von Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20679

Dr. Peter Ramsauer Lohnersatzleistungen usw. Anwendung finden müs- beitslosenzahlen in der Größenordnung von unter sen. Daran werden wir Sie erinnern. Welche Refor 2 Millionen aus den 80er Jahren auf - - men wollen Sie denn zurücknehmen? Diese Refor- men waren außerordentlich wichtig, notwendig und (Ernst Schwanhold [SPD]: Das war die Dik richtig, aber noch lange nicht hinreichend. Wir wä- tion der Rede!) ren, wenn Sie uns bei diesem ursprünglich zustim- - Na ja, es war für die Öffentlichkeit bewußt mißver- mungspflichtigen Gesetz zur Reform des Arbeitsför- ständlich formuliert. - Wenn ich mich auf West- derungsrechts nur gelassen hätten, in Wirklichkeit deutschland beziehen würde, dann könnte ich auch noch viel weiter gegangen, um ein noch moderneres sagen, wie es aussehen würde, wenn wir keinen Ar- Arbeitsförderungsgesetz zu schaffen. Wir wollten die beitskräftezuzug aus dem Ausland und vor allen Din- Strukturen im Bereich der Arbeitsverwaltung wirk- gen aus den nichteuropäischen Ländern gehabt hät- lich zukunftsträchtig gestalten. Sie haben uns leider ten. Wir haben das innerhalb der CSU-Landesgruppe daran gehindert. Das tut einem leid. ganz genau durchgerechnet. Durch Zuwanderung haben wir von 1988 bis Mitte 1996 - - (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ernst Schwanhold [SPD]: Sagen Sie einmal, (Ernst Schwanhold [SPD]: Sagen Sie mal, was Sie gemacht hätten und wieweit Sie wie es denn weitergeht! Was wollen Sie gegangen wären!) denn machen?)

Herr Schröder hat weiter einen zweijährigen Ent- - Hören Sie sich die Zahlen einmal an, Herr Kollege lassungsstopp vorgeschlagen. Darüber, meine Da- Schwanhold. men und Herren, lacht nun wirklich jeder Wirt (Ernst Schwanhold [SPD]: Wie geht es denn -schaftsfachmann. Ich kann mich gut an den Beginn weiter?) meines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums an der Universität München erinnern. Dort lernt jeder angehende Diplom-Kaufmann oder Diplom-Volks- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Darf der Herr wirt im Grundstudium, was man in der Wi rtschaft mit Abgeordnete vielleicht einen Satz sprechen, ohne Preisstopp oder Entlassungsstopp oder ähnlichen In- daß Sie dazwischenrufen? strumenten anrichtet. Man muß sich die Folgen über- legen: Ein Entlassungsstopp hat unweiger lich auch Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Ich gebe die Ant- einen Anwerbestopp an anderer Stelle zur Folge - - wort, Frau Präsidentin. Ich weiß, daß er ruhig sein das ist doch vollkommen klar -, wenn ich die Wirt kann, um mich reden zu lassen. So gut kennen wir -schaft sozusagen in eine Zwangsjacke stecke oder uns. unter Zwangsverwaltung stelle. Damit sperren Sie auch an anderer Stelle des Arbeitsmarktes Men- Durch die Zuwanderung von außerhalb der Euro- schen, die in den Arbeitsmarkt hinein wollen, vom päischen Union von 1988 bis Mitte 1996 hat sich die Arbeitsmarkt aus. Das ist eine Form der Aussperrung Zahl des möglichen Erwerbspersonenpotentials in vom Arbeitsmarkt und ein Stück Ellenbogengesell- Deutschland um 1,2 Millionen Menschen erhöht; das schaft auf dem Arbeitsmarkt, Herr Kollege Schwan- sind jährlich 200 000 bis 250 000 zusätzliche Personen hold. Sie haben uns vorhin vorgehalten, wir würden von außerhalb der Europäischen Union, die nicht nur mit Ellenbogen arbeiten. zuwandern, sondern auch den Arbeitsmarkt bela- sten. Das heißt im Umkehrschluß: Wenn wir diese (Ernst Schwanhold [SPD]: Ich habe Ihnen Zuwanderung von Arbeitskräften vor allen Dingen vorgehalten, was Heiner Geißler gesagt aus osteuropäischen Ländern, Türkei usw., nicht ge- hat!) habt hätten, lägen heute in Westdeutschland die Ar- beitslosenzahlen auch unter 2 Millionen. Ich stelle Nein, es ist Ellenbogengesellschaft, wenn man mit ei- diesen Zusammenhang einmal ganz bewußt her, da- nem Entlassungsstopp auf der einen Seite bewirkt, mit nicht so getan wird, als fänden in Deutschland daß auf der anderen Seite Leute nicht mehr einge- nur Entlassungen statt und würden keine neuen Ar- stellt werden. beitsplätze geschaffen. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Wenn einer wie Schröder das vorschlägt, dem nach- gesagt wird, er verstehe etwas von Wirtschaft, dann Wo kommen wir denn hin? Wir rennen auf Grund der muß ich entgegnen: Es stimmt irgend etwas nicht. Zuwanderung aus dem Ausland auf den deutschen Ar- beitsmarkt, die Sie mit Ihrer Politik ja noch befürwor- (Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU]) ten, der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt dauernd hinterher. Wir können in Deutschland nicht nur neue Ich habe die von Ihnen genannten Zahlen, Herr Arbeitsplätze für diejenigen schaffen, die aus dem Aus- Schwanhold, vorhin ganz genau verfolgt. Sie haben land zuwandern. Wir müssen, bevor wir diese Zuwan- uns Vergleichszahlen zu den heutigen Arbeitsmarkt- derung zulassen, erst einmal diejenigen in Lohn und zahlen vorgehalten, die sich auf Westdeutschland be- Brot bringen, die in Deutschland arbeitslos sind. Das zogen haben. Sie müssen natürlich Gleiches mit Glei- sind nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer, die chem vergleichen. Da Sie vorhin westdeutsche Zah- schon in zweiter oder dritter Generation hier sind. Bei len genannt haben, ohne sie als solche zu kennzeich- Ausländern besteht eine Arbeitslosenquote, die in etwa nen, und so getan haben, als bezögen sich die Ar doppelt so hoch ist wie die von Deutschen. 20680 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Dr. Peter Ramsauer Ich wollte dies ergänzen, weil es außerordentlich Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der wichtig ist, auch einmal auf diesen Zusammenhang Abgeordnete Detlev von Larcher, SPD-Fraktion. hinzuweisen. Meine Redezeit läuft leider Gottes davon. Ich Detlev von Larcher (SPD): Frau Präsidentin! Meine möchte noch auf einige weitere Unstimmigkeiten Ih- Damen und Herren! Herr Poß, Sie hatten schon recht res Wahlprogrammes hinweisen, liebe Kolleginnen damit, daß Sie die Aggressivität von Herrn Repnik und Kollegen von der SPD. Sie schreiben in Ihrem und Herrn Rüttgers wahrgenommen haben. Diese Entwurf, der übrigens schwer überarbeitungsbedürf- Aggressivität darf einen nicht wundern. Denn wir tig ist: sprechen heute über den letzten Jahreswirtschafts- bericht der Regierung Kohl. Wir bauen auf die echten Unternehmer. Wir wer- den unternehmerischen Geist und unternehmeri- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sehr rich sche Tatkraft überall und bei jedem in Deutsch- tig! Den allerletzten!) land ermutigen und fördern. Es ist kein Wunder, daß die Leute aggressiv reagie- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sehr rich ren. -tig!) (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Das ist schon gesagt worden! Bitte etwas Neues!) So weit, so gut. Man reibt sich erstaunt die Augen. - Sie können das nicht oft genug hören. Dann kommt ein Stück weiter die Forderung nach „Ausbau der Mitbestimmung am Arbeitsplatz und im Herr Repnik, Sie haben ja Herrn Henkel zitiert. Ich Betrieb, Sicherung der Mitbestimmung in den Unter- gebe Ihnen den guten Rat, sich doch einmal in der nehmen und Ausbau der Mitbestimmungsrechte in Koalition zu einigen, ob man nun Herrn Henkel und Europa". Dazu muß ich sagen: Das ist ein ideales Herrn Hundt ernst nehmen kann oder nicht. Denn Lockmittel für ausländische Investoren! Wo wollen mir liegen Zeitungsmeldungen vor, in denen Herr Sie denn eigentlich noch hin angesichts des Mitbe- Glück über Herrn Henkel sagt, daß er ein Manager stimmungsstandards, den wir in Deutschland haben? des Typs sei, der nirgendwo zu Hause ist außer beim Es ist ja recht so. Aber wir verschrecken ja schon Profit. Er wirft ihm atemberaubenden Opportunismus heute ausländische Investoren. vor. Herr Hundt bekommt von Herrn Glück gesagt: Diese Herren sollten sich gründlich überlegen, was (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]:- Ist schon sie sagen. in Ordnung, daß Sie mit Mitbestimmung nichts anfangen können!) Das geschah nur, weil sie die Bemerkung gemacht haben - die in einer Demokratie selbstverständlich Weiterhin ist in Ihrem Wahlprogramm die Forde- ist -, daß die Arbeitgeberverbände natürlich mit je- rung nach Einführung einer Verbandsklage zu lesen. der Regierung, gleichgültig, welche Partei sie stellt, Die können Sie einführen; aber dann erreichen Sie zusammenarbeiten können. Bei Herrn Glück ist die nur eines, nämlich daß Sie notorischen Querulanten, Aufregung dann gleich sehr groß. die schon heute viele Investitionen verhindern, noch stärker den Weg ebnen und Investitionen sowie neue Zu Herrn Repnik möchte ich noch sagen: Sie haben Arbeitsplätze torpedieren, statt sie zu befördern. uns immerzu Unwahrhaftigkeit vorgeworfen. Neh- men Sie doch bitte zur Kenntnis, daß wir der Ausdeh- (Beifall bei der CDU/CSU) nung des Erbenkreises im Rahmen der Vergünsti- gungen bei der Vererbung von Betriebsvermögen Meine Damen und Herren, ich wiederhole für den, immer zugestimmt haben. Das haben wir nicht abge- der es noch nicht begriffen hat: Wenn Rotgrün ans lehnt. Bevor Sie hierherkommen, sollten Sie sich erst Ruder kommt, bekommen wir eine Regierung, die al- einmal schlau machen. les andere als wirtschaftsfreundlich ist. Sie handelt nach dem Motto: Staatsknete für alle statt Leistung, (Gunnar Uldall [CDU/CSU]: Nur im Kom Straßendemos statt Arbeit, Drogenfreigabe statt promißwege habt ihr da zugestimmt!) Fleiß, Fahrradfahren statt Autofahren. Wir sprechen heute also über den letzten Jahres- wirtschaftsbericht der Regierung Kohl. Er ist ein ein- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- drucksvolles Dokument. Ich finde diese Dokumenta- ter, die Redezeit ist zu Ende. tion der wirtschafts- und finanzpolitischen Unfähig- keit dieser Bundesregierung sehr eindrucksvoll. Es handelt sich hier um eine Ansammlung von Glau- Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Liebe Kollegin- bensbekenntnissen, unwahren Behauptungen und nen und Kollegen von den Grünen, Schwulenehen Wahlkampfrhetorik. Keine Spur von einer ernsthaf- statt Familie, Transvestit statt Transrapid - das wer- ten Auseinandersetzung mit den Ursachen der kata- den die Realitäten in Deutschland sein, wenn Sie die strophalen Massenarbeitslosigkeit! Auch in den Re- Wahl gewönnen. Aber haben Sie keine Sorge, das den kommt sie eigentlich kaum vor. Herr Ramsauer, werden wir mit einer vernünftigen Politik zu verhin- wenn Sie hier zitieren und Ihre Beispiele bringen, wi- dern suchen. derspreche ich diesen Beispielen nicht. Aber ich Vielen Dank. könnte Ihnen antworten und mit Namen und Adres- sen Leute nennen, die sich zehnmal, zwanzigmal, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) dreißigmal beworben haben und keine Chance ha- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20681 Detlev von Larcher ben. Auch das ist doch die Wahrheit in unserem sich außer durch leere Versprechungen. Ich bin si- Land. cher, die Wählerinnen und Wähler werden nicht dar- (Beifall bei der SPD) auf hereinfallen. Soll ich denn Ihren Ausführungen entnehmen, daß Wir haben ein Konzept für eine Steuer- und Abga- 5 Millionen Arbeitslose faul und unqualifiziert sind? benreform vorgelegt, das realistisch ist und das wir (Zuruf von der SPD: Ja, das hat er gesagt!) deshalb nach der Bundestagswahl umgehend umset- zen wollen. Oder was sollten Ihre Beispiele hier beweisen? (Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] (Ernst Schwanhold [SPD]: Daß es die Aus [CDU/CSU]: Mit welchen Steuersätzen länder sind!) denn?) - Oder daß es die Ausländer sind? - Sie können mir eine Zwischenfrage stellen, Herr Also noch einmal: keine Spur von einer ernsthaften Staatssekretär, dann kann ich Ihnen außerhalb der Auseinandersetzung mit den Ursachen der katastro- Redezeit antworten. phalen Massenarbeitslosigkeit. Wir versprechen keine unfinanzierbaren Tarifsen- Zur Lösung der anstehenden Probleme fällt Ihnen, kungen, aber wir können durchschnittlich verdie- meine Damen und Herren des Kabinetts, nichts an- nenden Arbeitnehmern eine Entlastung um 2500 DM deres ein, als genau die Politik fortzusetzen, die uns im Jahr versprechen. die Probleme beschert hat, wahrlich eine Meisterlei- (Zuruf von der SPD: Jawohl!) stung an Einfallslosigkeit und an Hilflosigkeit. Sie wollen unbeirrt mit Ihrer unsozialen, finanzpolitisch Wir werden die Steuersätze in allen Tarifbereichen unsoliden und wirtschaftspolitisch unvernünftigen maßvoll senken. Wir werden das steuerfreie Exi- Politik der Umverteilung von unten nach oben wei- stenzminimum anheben. Wir werden die Beiträge termachen, einer Politik, die darauf setzt, daß Steuer- zur Renten- und Arbeitslosenversicherung senken. geschenke an Spitzenverdiener Investitionen an- schieben und Arbeitsplätze schaffen werden. Mit Sie haben einen dramatischen Rückgang der diesem Irrglauben erreichen Sie nun seit Jahren im- realen Nettoarbeitseinkommen zu verantworten. mer neue Rekordmarken bei der Arbeitslosigkeit, Darum sind unsere Maßnahmen dringend geboten. eine immer höhere Steuer- und Abgabenbelastung- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und im- ten der PDS) mer neue Rekorde bei der öffentlichen Verschul- dung. Dies ist notwendig, um die Kaufkraft der Arbeitneh- Diese Politik ist gescheitert, und Sie wissen das. mer und der Familien zu erhöhen und damit endlich Weil Sie es wissen, haben Sie uns im letzten Jahr mit auch die Binnenkonjunktur wieder in Gang zu brin- gen. den Petersberger Beschlüssen eine sogenannte Steu- erreform aufgetischt, von der Sie selbst nie wollten, Um es klar zu sagen: Eine solche Steuerreform ist daß sie in Kraft tritt. nur ein Baustein unserer Politik für mehr Beschäfti- (Beifall bei der SPD - Ina Albowitz (F.D.P.): gung, mit einer durchaus begrenzten Wirkung auf Herr Wirtschaftsminister Clement findet die dem Arbeitsmarkt. Ihre aber - so lautete beispiels- doch gut!) weise das Urteil von Professor Walter in der Anhö- rung - war nicht einmal das, sondern eine beschäfti- Ich habe Ihnen das damals schon in der zweiten und gungspolitische Mogelpackung. dritten Lesung gesagt. Sie haben ein Konzept mit ei- nem 50-Milliarden-DM-Loch vorgelegt, das die Län- (Beifall bei der SPD - Wolf-Michael Caten der aus staatspolitischer Verantwortung ablehnen husen [SPD]: Recht hat er!) mußten. Ihr einziges Ziel war es, Ihren Blockadevor- wurf aufzubauen. Um so unverfrorener ziehen Sie jetzt durch die Lande und versuchen, uns Ihr völliges Versagen bei der Be- Es ist schon ein starkes Stück, daß Sie diesen Blok- kämpfung der Arbeitslosigkeit in die Schuhe zu kadevorwurf jetzt auch - in etwas gesetzteren Wor- schieben. Sie tun auch noch so, als könnten Sie zau- ten - im Jahreswirtschaftsbericht erheben, um ihm bern: Ihre Steuerreform sollte in den wesentlichen einen amtlichen Stempel aufzudrücken. Ebenso Teilen bekanntlich erst 1999 in Kraft treten, aber dreist war schon Ihr Einlegeblatt in die Informations- selbstverständlich - so wollen Sie die Menschen schrift des Bundesfinanzministeriums „Einkommen- glauben machen - hätte der Arbeitsmarkt dadurch und Lohnsteuer". Ich möchte einmal wissen, was schon heute in Ordnung gebracht werden können. CDU-Wahlpropaganda in einer amtlichen Schrift des Gerade haben wir es wieder von Herrn Friedhoff ge- Bundesministeriums zu suchen hat. hört. Täuschen und Tricksen war schon immer Ihre Hauptbeschäftigung. Aber selbst Ihre Tricks werden Aber mit welchen Mitteln Sie es auch immer versu- immer schlechter. chen: Der Blockadevorwurf fällt auf Sie selbst zurück. Das merken Sie ja selber an den Reaktionen in der Um diese neue Steuerlüge verbreiten zu können, Bevölkerung. Sie haben Ihre Steuerreform selbst konnten Sie natürlich nichts mit einer gelungenen blockiert. Ihre Politik hat unser Land immer tiefer in Steuerreform anfangen. Deshalb haben Sie von vorn- die Krise geführt. Sie sehen keine Chance mehr für herein ein finanzpolitisches Harakiri-Konzept vorge- 20682 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Detlev von Larcher legt. Deshalb haben Sie auf jedes Kompromißange- gut, daß das der letzte Jahreswirtschaftsbericht der bot unsererseits mit neuen Forderungen reagie rt. Regierung Kohl ist. Zuletzt haben Sie sich zu der Forderung verstie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gen, das Verhältnis zwischen direkten und indirek- ten der PDS - Zuruf von der CDU/CSU: Oh! ten Steuern müsse korrigiert werden, und der Anteil - Zuruf von der F.D.P.: Ach Gott!) der indirekten Steuern müsse steigen. Tatsächlich ist dieser Anteil ausweislich des Finanzberichts 1998 Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat seit 1991 um vier Prozentpunkte gestiegen. 1995 lag jetzt der Abgeordnete Dr. Hermann Otto Solms, Vor- der Anteil der indirekten Steuern schon bei 53,4 Pro- sitzender der F.D.P.-Fraktion. zent. Er ist noch weiter gestiegen. Denn Sie haben schon in der Vergangenheit systematisch Verbrauch- steuern erhöht, um die Steuerausfälle zu kompensie- Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Frau Präsidentin! ren, die Sie mit Ihren Steuergeschenken an Spitzen- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die fortge- verdiener verursacht haben. schrittene Debatte nicht über Gebühr verlängern und deswegen nur ganz wenige Bemerkungen ma- Die Menschen haben verstanden, daß es diese Ko- chen. alition selbst ist, die einer Steuerreform im Wege steht. Deswegen versuchen Sie jetzt auf Neben- Wichtig ist, daß der Jahreswirtschaftsbericht eine kriegsschauplätze auszuweichen. Da brüsten Sie sich ausgesprochen positive Perspektive bietet. Das ist beispielsweise auch in Ihrem Jahreswirtschaftsbe- entscheidend. Das Bruttoinlandsprodukt wird um 2,5 richt mit dem heldenhaften Kampf gegen das Steuer- bis 3 Prozent steigen. Die Binnennachfrage steigt. dumping in Europa. Wenn ich daran denke, wie Die Investitionen in bezug auf Investitionsgüter ge- lange wir Ihnen im Finanzausschuß zugeredet ha- hen hoch. Der Export ist weiter stabil, und das ange- ben, daß man Absprachen treffen müsse, und wie sichts der schwierigen Situation in Asien. Die Trend- lange Sie uns ausgelacht haben, bis Sie endlich be- wende auf dem Arbeitsmarkt ist sichtbar; ich wi ll zu- griffen haben, daß es gemacht werden muß, dann geben: im Westen stärker als im Osten. finde ich es wirklich unverfroren, daß Sie sich damit (Ernst Schwanhold [SPD]: Überhaupt nicht! rühmen. Dort steigt die Arbeitslosigkeit!) (Beifall bei der SPD - Ernst Schwanhold Im Osten ist die Lage, insbesondere die Lage in der [SPD]: So ist es!) - Bauwirtschaft, noch sehr schwierig. Aber die Preis- Ein weiteres Manöver, um vom Scheitern Ihrer stabilität ist gesichert. Der Preisanstieg ist von 1,9 Pro- Steuerpolitik abzulenken, ist die Forderung der Her- zent auf 1,5 Prozent gesunken. ren Stoiber und Teufel nach einer Korrektur des Soli- (Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist relativ darpakts durch eine Änderung des Länderfinanzaus- wenig wert!) gleichs. Dies ist ein Angriff auf die Finanzen der neuen Bundesländer. Wir sind insgesamt auf einem guten Weg. Das zei- gen auch die hervorragenden Zahlen, die beim Erfül- Ich will noch eine Bemerkung zu den Arbeitslosen len der Bedingungen für das Erreichen der Europäi- machen. Wenn hier behauptet wird, wir werden eine schen Währungsunion erzielt worden sind. Das be- sinkende Zahl von Arbeitslosen und eine steigende stätigt den Kurs, den die Koalition eingeschlagen hat. Zahl von Arbeitsplätzen bekommen, kann ich nur sa- gen: Schauen Sie sich einmal die Situation in den Es geht darum, zwei Dinge zu erreichen: Einerseits neuen Ländern an! Ich glaube, Herr Ramsauer, wenn müssen die Kosten für Arbeitsplätze gesenkt wer- wir dort ein ausreichendes Arbeitsplatzangebot von den, und andererseits müssen gleichzeitig die Netto- Baufirmen hätten, dann würde man auch genug einkommen der Arbeitnehmer steigen. Die Frage ist: Menschen für diese Arbeit finden. Wie ist das zu erreichen? Das geht eben nur dadurch, daß auf der einen Seite die Steuerbelastung für Un- (Ernst Schwanhold [SPD]: Ramsauer guckt ternehmen und Arbeitnehmer gesenkt wird, damit über den bayerischen Ho rizont nicht hin netto mehr in der Tasche bleibt, aus!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Diskussion über den Länderfinanzausgleich, damit das verfügbare Einkommen steigt und so mehr die es verdient, sozusagen auseinandergenommen zu werden - dazu reicht mir aber die Zeit nicht -, ist Nachfrage entstehen kann. ein pures Ablenkungsmanöver. Im Kern handelt es (Ernst Schwanhold [SPD]: Das hätten Sie sich um die Aufkündigung der Solidarität mit den mit uns haben können!) neuen Bundesländern. Auf der anderen Seite müssen die Lohnzusatzkosten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gesenkt werden, damit die Arbeitskosten begrenzt ten der PDS) werden. Dadurch hätten die Arbeitnehmer ein hö- heres Nettoeinkommen. Die Arbeitskosten könnten Wenn wir uns Ihren Jahreswirtschaftsbericht an- also ohne eine Senkung der Lohnkosten reduziert schauen, dann kann man abschließend feststellen: werden. Sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch in der Ar- beitsmarktpolitik, in der Sozialpolitik und in der Das geht eben nur durch Reformen in den sozialen Steuerpolitik ist eine negative Bilanz zu ziehen. Wie Sicherungssystemen, denn diese lösen durch ihre Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20683 Dr. Hermann Otto Sohns Beitragssätze die hohen Lohnzusatzkosten aus. Sie keit in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahre 2000 hal- kommen um die Strukturreformen nicht herum, so bieren zu können. Das ist das gleiche wie das, was unbequem das auch ist und so gern man sich um die der Bundeskanzler für die Bundesrepublik gesagt eine oder andere Sache herumdrücken möchte. Das hat. Um das zu erreichen, brauchen wir die Steuerre- geht uns genauso wie Ihnen. form. Das sagt er auch. Also, dann machen wir sie doch. Deswegen lautet die Botschaft: „mehr netto für alle" durch eine angebotsorientierte Politik, die die (Ina Albowitz [F.D.P.]: Morgen!) Arbeit günstiger, weniger kostenintensiv macht, da- durch Investitionen in Arbeitsplätze auslöst und den Dafür stehen wir zur Verfügung. Wir brauchen dann Arbeitnehmern gleichzeitig ein höheres Nettoein- aber die verbindliche Erklärung, daß Sie das, was Sie kommen verschafft. Das ist genau der Weg, den wir dem Land und den Bürgern verkünden, auch einhal- gehen. Ihn müssen wir konsequent weitergehen. ten. Dann sind wir dazu bereit. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - ten der CDU/CSU) Detlev von Larcher [SPD]: Ich habe Ihnen doch gesagt, welche Steuerreform wir Man kann die alten Vorwürfe, zum Beispiel den machen wollen!) der Steuersenkung für Spitzenverdiener, den auch Herr von Larcher gemacht hat, eigentlich nicht mehr Das war der Kern dessen, was ich zum Ausdruck hören. Es ist ja lächerlich. Er muß sich doch nur anhö- bringen wollte. Wir sind auf einem guten Weg. Wir ren, was seine Wirtschaftshoffnung als Ministerpräsi- gehen diesen Weg konsequent weiter. Die Arbeitslo- dent in Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, gerade sigkeit wird in diesem Jahr deutlich sinken. Herr geäußert hat. Er hat gesagt: 35 Prozent für die Ge- Hundt hat keine mutige Erklärung abgegeben, denn werbebetriebe - das ist das gleiche, was in den Pe- wir werden die Zahl von 500 000 mehr Beschäftigten tersberger Beschlüssen steht - und 43 bis 45 Prozent im Sommer dieses Jahres erreichen. für die übrigen Einkünfte. Auch damit ist er nicht sehr weit von uns entfernt. Die Spitzenverdiener will (Zuruf von der SPD: Da sind wir aber doch auch er entlasten. gespannt!)

Beim Eingangssteuersatz haben Sie unseren Vor- Dann werden wir vor diesem Hintergrund den Wahl- schlag abgeschrieben. Sie waren vorher bei 22 Pro- tag erleben, und der Wähler soll entscheiden. zent, und jetzt haben Sie in Ihren neuen- Programm- entwurf 15 Prozent hineingeschrieben. Das finde ich Ich sage Ihnen allerdings voraus: Selbst wenn Sie in Ordnung. Man kann voneinander lernen, insbe- an die Regierung kämen und eine einigermaßen ver- sondere Sie von uns. Wenn Sie das tun, muß man das nünftige Politik machen wollten, so sind Sie dennoch auch loben. mit dem Mühlstein der Grünen an Ihrem Hals zum Untergang verurteilt. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU - Wolf-Michael Catenhu (Ina Albowitz [F.D.P.]: Es ist eh kein Grüner sen [SPD]: Endlich ein Wettlauf mit der mehr da! - Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: F.D.P. für die Kleinverdiener! Das ist etwas Sie meinen, das geht uns wie Ihnen mit der Neues!) CDU? Nein, nein!) Diese Steuerreform - ich greife das auf, was der Kollege Repnik gesagt hat - ist durchberaten und hat - Sie sind hier gar nicht mehr präsent. Frau Wolf tele- foniert die Mehrheit im Deutschen Bundestag gefunden. , ich weiß nicht, mit wem. Sie ist die einzige Grüne, die hier noch präsent ist. Vor dem Hinter- Wir können sie unverändert einbringen und an ei- nem Tag in erster, zweiter und dritter Lesung wieder grund der Beschlüsse von Magdeburg sollte man verabschieden. Wir wollen nur eine Zusicherung: sich auch vor der Öffentlichkeit verstecken. nämlich daß Sie das, was Herr Clement und Herr Ich sage Ihnen: Ihre Option ist die Option rotgrün, Schröder landauf, landab erklären und in Aussicht und Sie müssen sich die Argumente gegen das Mag- stellen, mit Ihren Bundesländern im Bundesrat dann deburger Programm der Grünen vorwerfen lassen. auch bestätigen. Sonst macht es keinen Sinn. Ich weiß, daß Sie einiges davon nicht umsetzen wer- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) den. Aber ich weiß auch, daß das ein schwieriges Ex- periment werden würde. Wenn natürlich Herr Lafontaine diese Aussagen am nächsten Tag spontan einsammelt und sagt, unter Vielen Dank, meine Damen und Herren. 49 Prozent können wir nicht gehen, ist diese Diskus- sion müßig. Das ist nun einmal so. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Jetzt stellt sich die Frage: Für wen sind Herr Cle- ment und Herr Schröder verantwortlich? Gegenwär- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat tig sind sie für ihre Bundesländer und für die Interes- jetzt der Abgeordnete Ul rich Petzold, CDU/CSU. sen der Arbeitnehmer und Unternehmen in ihren Bundesländern verantwortlich. Nun erkennen sie selbst, daß eine solche Steuerreform mit einer so Ulrich Petzold (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Prä- deutlichen Steuersenkung notwendig ist. Herr Cle- sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ment hat gesagt, er braucht sie, um die Arbeitslosig- Ich kann ja verstehen, daß diese heutige Debatte für 20684 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Ulrich Petzold die SPD ein Dilemma darstellt. Auf der einen Seite gislaturperiode unter der CDU-F.D.P.-Koalition Spit- möchte sie die Bundesregierung angreifen, zenpositionen beim Wachstum des Bruttoinlandspro- duktes einnahm. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Und alles blüht! Blühende Landschaften!) An einer Stelle kann sich die so verantwortungs- lose Regierung Höppner nicht aus der Verantwor- weil die den angeblich herun- Standort Deutschland tung stehlen: Mit den Landeshaushalten der letzten terwirtschaftet. Jahre verspielt sie die Zukunft des Landes zwischen (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist ja auch Stendal und Naumburg. gelungen!) (Dr. Ruth Furch [PDS]: Reden wir heute Auf der anderen Seite möchte sie die Koalition be- über Sachsen-Anhalt?) schimpfen, weil die den Standort Deutschland an- Die Investitionsquote sank von mehr als 30 Prozent geblich nur herunterredet. auf 23 Prozent; gleichzeitig erreichte die Pro-Kopf- (Detlev von Larcher [SPD]: Es klingt doch Verschuldung mit 1 487 DM Spitzenwerte. noch in den Ohren!) (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Was ist denn nun wahr, meine sehr geehrten Damen Im Vergleich dazu handelt der Freistaat Sachsen und Herren? mit einer um zwei Drittel geringeren Pro-Kopf-Ver- Vielleicht hilft Ihnen das folgende: „Der Wi rt schuldung eindeutig zukunftsorientiert. -schaftsstandort ist gut. " (Sabine Kaspereit [SPD]: Wollen Sie in den (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Aha!) Landtag, oder wie?) Wenn das die wirtschaftspolitische Spreche rin der Jeder Bürger Sachsens, vom Säugling bis zum Greis, SPD-Landtagsfraktion des Bundeslandes mit den hat eine um 1 000 DM geringere Verschuldung zu schlechtesten Konjunkturdaten aller neuen Bundes- tragen, und das bei einer um 50 Prozent höheren In- länder von ihrem Land, nämlich Sachsen-Anhalt, vor vestitionsquote. 14 Tagen behauptet hat, dann ist das wohl kaum mehr als ein Pfeifen im Walde. (Detlev von Larcher [SPD]: Macht der hier Landtagswahlkampf? Das hilft ihm doch So kurz vor ihrer Landtagswahl sollte- die rot-rot- nichts!) grüne Regierungskoalition in Magdeburg endlich mit dem Schönreden aufhören und die Karten auf Investitionen von heute sind Arbeitsplätze von mor- den Tisch legen. gen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ernst Schwanhold [SPD]: Wieviel Prozent Nicht allein die Inanspruchnahme von Wirtschaftsför- haben Sie eigentlich laut Umfragen in Sach dermitteln, sondern auch der Umfang der damit an- sen-Anhalt?) geregten Investitionen sind entscheidend für die Qualität der Wirtschaftspolitik eines Landes. Im Landtagswahlkampf 1994 hatte Herr Höppner, der auch dieses Mal wieder als Vorkämpfer der lin- Schon allein die Ausreichung von Fördermitteln ken Koalition antritt, versprochen, die Arbeitslosig- macht dem rot-rot-grünen Musterländle Probleme. In keit in Sachsen-Anhalt um 5 Prozent zu senken. Aus den Jahren 1994 bis 1997 wurden 1,9 Milliarden DM dieser Senkung wurde nichts. Sie stieg um das Dop- an Fördermitteln aus dem Landeshaushalt nicht aus- pelte. Diesen Spitzenplatz bei der Arbeitslosigkeit gegeben. hat sich die Regierung Höppner nicht nehmen las- (Frederick Schulze [Sangerhausen] [CDU/ sen; vielmehr hat sie ihn deutlich ausgebaut. CSU]: Hört! Hört!) (Sabine Kaspereit [SPD]: Durch die Politik Bei einem durchschnittlichen Fördersatz hätten da- der Bundesregierung, Herr Petzold!) mit ein Investitionsvolumen von etwa 8 Milliarden - Vorwürfe in Richtung Bonn kann ich nur mit dem DM angeschoben und etwa 100 000 Arbeitsplätze ge- Hinweis auf andere neue Bundesländer beantworten, rettet bzw. neu geschaffen werden können. Aber für die denselben wirtschaftlichen Rahmen hatten. Ein diese Landesregierung war es schon immer leichter - Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent bzw. 0,0 Pro- auch wenn man selbst Sozialaufgaben kürzt -, nach zent im zweiten Jahr hintereinander ist ein dramati- dem zweiten Arbeitsmarkt und nach Bonn zu sches Alarmsignal. Sachsen-Anhalt ist das Land, das schreien. mit seinen miserablen Ergebnissen das durchschnitt- (Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Er hat noch nicht ein liche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in den Wort zum Thema gesagt!) neuen Bundesländern ganz wesentlich drückt. Dabei gäbe es in Sachsen-Anhalt sehr viel zu tun. (Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Wir reden über den Wirtschaftsplan des Bundes!) (Sabine Kaspereit [SPD]: Sie sind nicht im Fernsehen, Herr Petzold! Die haben schon Auch dieses Problem wird leichthin als Altlast ab- abgeschaltet!) getan, und man versucht, es der CDU/CSU in die Schuhe zu schieben. Ganz und gar verdrängt wird In allen neuen Bundesländern hat es in den vergan dabei, daß das Land Sachsen-Anhalt in der ersten Le genen Jahren einen enormen Anstieg der Konkurse Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20685

Ulrich Petzold gegeben. Aber in Sachsen-Anhalt kommen auf Bevor die Magdeburger Landesregierung mit den 100 Firmenneugründungen 89 Gewerbeabmeldun- höchsten Auslandsinvestitionen der neuen Bundes- gen, 10 Prozent mehr als in Sachsen. länder prahlt, sollte sie die von der Bundesregierung und die von der CDU-Landesregierung angestoße- (Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Nicht ein Wo rt vom nen Investitionen abziehen, und das Bild würde sich Bundeshaushaltsplan!) wesentlich ernüchternder darstellen. Großspurig im Haushalt einen Konsolidierungsfonds Sich mit fremden Federn zu schmücken scheint der für Unternehmen zu verankern, ihn dann aber nicht Landesregierung Höppner und Co. auf Grund feh- mit einer einzigen Mark zu versehen - das kann man lender eigener Leistungen sehr wichtig zu sein. kaum anders als Potemkinsche Dörfer, Trugbilder Wenn Bundesverkehrswegebau vom Wirtschafts- nennen. ministerium des Landes als eigene Infrastrukturmaß- (Ernst Schwanhold [SPD]: Beraten wir den nahme gefeiert wird, ist das schon stark. Wenn das Jahreswirtschaftsbericht von Sachsen Bau- und Verkehrsministerium dieses Landes in Anhalt?) einer Zeit, in der es den eigenen Verkehrswegebau drastisch beschneidet, mit einer Eigenbeteiligung Der klammheimliche, unheimliche Magdeburger Ko- von 63 Millionen DM innerhalb von fünf Jahren, die alitionspartner PDS stellt dazu selbst fest, daß die Un- Behauptung aufstellt, den Bundesverkehrswegebau terstützung der in der Umstrukturierung befindlichen in Sachsen-Anhalt dramatisch vorangebracht zu ha- Unternehmen durch die Höppner-Regierung halb- ben, so ist das eine deutliche Unverfrorenheit. 63 Mil- herzig und völlig unzureichend ist. lionen DM gegenüber 4,3 Milliarden DM Bundes- mittel - das sind gerade einmal 1,5 Prozent der (Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Ich wußte gar nicht, Summe, die das Bundesverkehrsministerium in der daß Herr Höppner schon Bundeskanzler gleichen Zeit in die Verkehrsinfrastruktur Sachsen- ist!) Anhalts investiert hat. Dafür wird in sogenannte weiche Standorte inve- In ähnlicher Weise lassen sich fremde Federn im stiert. Magdeburger Sozialministerium zum Beispiel jetzt (Ernst Schwanhold [SPD]: In welche Stand wieder neu bei der Förderung junger Menschen orte?) ohne Berufsabschluß und auch in weiteren Landes- programmen finden. - In sogenannte weiche Standortfaktoren.- Konsum- live Ausgaben, wie für die Einführung eines 13. Schuljahres oder das Bildungsfreistellungsgesetz, Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- bestimmen das Bild. Gibt es denn in Sachsen Anhalt, ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- gibt es in den neuen Bundesländer keine dringende- neten Schulze? ren Probleme?

Dabei bleibt die Planung der Landesentwickung Ulrich Petzold (CDU/CSU): Aber immer. im tiefen Dunkel. Vor vier Jahren wurde von der da- maligen CDU-Regierung noch ein Landesentwick- (Sangerhausen) (CDU/CSU): lungsprogramm auf den Weg gebracht. Frederick Schulze Herr Kollege, können Sie mir zustimmen, daß für das (Ernst Schwanhold [SPD]: Das stimmt! Land Sachsen-Anhalt im Bundeshaushalt für das Unter dessen Folgen leiden wir heute Jahr 1998 rund 660 Millionen DM vorgesehen sind, noch!) daß das Land im Bereich der Infrastruktur die abso- lute Spitzenposition bei der Förderung durch den Herumgewerkelt wurde an diesem Entwurf viel. Was Bund einnimmt und daß die Landesregierung im dabei herauskam, ist nach vier Jahren zwar noch im- gleichen Zeitraum, nämlich bis zum Jahre 2004, trotz mer kein Gesetz; aber es kann sich toll sehen lassen: anderer großartiger Ankündigungen für Unterstüt- Die Fläche, auf der das größte Chemiewerk meines zung und Vorfinanzierung nur 63 Millionen DM aus- Wahlkreises seit über 85 Jahren steht, ist als Vorrang- gibt - Sie sprachen die Zahl selber an -, was 1,5 Pro- gebiet „Landwirtschaft" ausgewiesen. Ein Industrie- zent der gesamten Investitionen des Bundesver- gebiet, auf dem zur Zeit 3 000 Menschen arbeiten, kehrsministeriums in die Verkehrsinfrastruktur Sach- wurde so einfach aus Versehen zur landwirtschaftli- sen-Anhalts ausmacht? Stimmen Sie mir zu, daß das chen Nutzfläche. Milliardeninvestitionen der Treu- die wahren Zahlen sind und daß man sich gerne mit handanstalt und des Investors wurden an dieser fremden Federn schmückt? Stelle kurz übersehen. Nur wer Milliardeninvestitio- nen in das Chemiedreieck Sachsen-Anhalts so ein- (Sabine Kaspereit [SPD]: Das sind Verpflich fach übersehen kann, kann mangels eines überzeu- tungen des Bundes!) genden Wahlprogramms in den dümmlichen Ruf „Kohl muß weg" einstimmen. Der Bundeskanzler war es, der mit höchstem persönlichen Einsatz große Ulrich Petzold (CDU/CSU): Ich stimme Ihnen voll Investoren nach Buna, Leuna und Bitterfeld geholt und ganz zu. hat und sie unter widrigen Umständen bei der (Beifall bei der CDU/CSU) Stange gehalten hat. Viele Medienvertreter erinnern sich daran nur, wenn es gilt - wie im Fall Elf Aqui- Es ist tatsächlich so, daß sich das Land Sachsen-An taine -, mit Schmutz zu werfen. halt immer wieder mit diesen fremden Federn 20686 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Ulrich Petzold schmückt. Das ist, glaube ich, das Ärgerliche an der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt wirk lich einmal her- ganzen Sache. überzubringen. (Zuruf von der PDS: Wenn Sie so weiterma (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - chen, brauchen Sie Einreisepapiere, wenn Zurufe von der SPD und der PDS) Sie nach Hause kommen!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist Deswegen ist es, glaube ich, auch ganz wichtig, daß zu tun, um die positiven Wachstumssignale, die ge- wir das hier einmal ganz deutlich und klar herüber- rade in den neuen Bundesländern aus der Industrie- bringen. produktion und dem Expo rt kommen, noch zu ver- stärken? Wir brauchen do rt erstens eine produktivi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - tätsorientierte Tarifpolitik, die die individuelle Lei- Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Weil stungsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigt, Ihnen das in Magdeburg nicht gelingt!) zweitens eine wachstumsorientierte Prioritätenset- zung in den Finanzhaushalten, drittens eine wachs- tumsorientierte rechtliche Rahmensetzung und vier- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- tens eine zukunftsorientierte Bildungs- und Wissen- ter, es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwi- schaftspolitik und kein 13. Schuljahr - insgesamt also schenfrage, diesmal vom Kollegen Mosdorf. den Rahmen, wie er von dem vorliegenden Jahres- wirtschaftsbericht der Bundesregierung vorgegeben Ulrich Petzold (CDU/CSU): Aber gerne. Bitte, Herr wird. Mosdorf. In enger Zusammenarbeit mit den Bundestagsab- geordneten der Koalition aus den neuen Bundeslän- dern hat die Bundesregierung im Frühjahr 1997 für Siegmar Mosdorf (SPD): Ich wollte den lieben Kol- legen nur fragen, worauf er nach diesem fulminanten die neuen Bundesländer ein mittelfristiges Förder- Engagement des Bundes für Sachsen-Anhalt die konzept bis zum Jahr 2004 verabschiedet. Dieses schlechten Prognosen für die Landtagswahl zurück- Förderkonzept bietet den Landesregierungen der führt. neuen Bundesländer, unabhängig von den unge- deckten Schecks im SPD-Wahlprogramm, eine si- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Für seine chere Perspektive auf hohem Förderniveau: eine Partei!) - gute Perspektive für die neuen Bundesländer, aber auch eine gute Perspektive für Sachsen-Anhalt. Ich höre von 24 und 22 Prozent für Ihre Partei; es wird immer ein bißchen weniger. Ich danke Ihnen. (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Abgerech (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) net wird am Schluß!) Das ist ungefähr die Hälfte von dem, was Herr Rep- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat die nik in Konstanz hat. Worauf führen Sie es denn zu- Abgeordnete Sabine Kaspereit, SPD-Fraktion. rück, daß Sie bei diesem fulminanten Programm so fürchterlich abstürzen? Sabine Kaspereit (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Petzold, nur zwei Bemerkungen: Erstens, Thema verfehlt. Zweitens, Ulrich Petzold (CDU/CSU): Die Landesregierung Sachsen-Anhalt unsachliche und - ich muß das so sagen - falsche Darstellung. (Ernst Schwanhold [SPD]: Die ist gut!) Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen: Die verkauft alles mögliche in ihrem Namen; das habe Höhe der Investitionsquote beträgt zum Beispiel in ich gerade gesagt. Mecklenburg-Vorpommern 26,1 Prozent, in Sachsen Anhalt 28,3 Prozent (Ernst Schwanhold [SPD]: Halten Sie Ihre Landsleute für so blöd, daß sie das nicht (Frederick Schulze [Sangerhausen] [CDU/ merken?) CSU]: Die Zahl stimmt doch nicht!) Denken Sie zum Beispiel an die A 38! Die A 38 ist und in Sachsen 31 Prozent. Sachsen-Anhalt steht hin- von der rot-grünen Seite des Landes Sachsen-Anhalt, sichtlich der Investitionsquote in den neuen Ländern die heute die Landesregierung stellt, unwahrschein- an der zweiten Stelle - dies aber nur nebenbei. lich bekämpft worden. Jetzt aber stellt sich genau Hoffentlich haben Sie gemerkt, Herr Petzold, daß diese Landesregierung bei Eröffnung dieser Straße Sie mit Ihrer Rede, mit Ihren Diffamierungen Ihrem neben Bundesminister Wissmann und erläutert der Heimatland keinen guten Dienst geleistet haben. Bevölkerung, was alles Schönes sie geleistet hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Gerade weil dies von der Landesregierung immer PDS) auf so unmögliche Weise verkauft wird, ist es wich- tig, in diesem Punkt einmal die Wahrheit zu sagen. Ich erinnere nur an die Standortdebatte. Das muß, Für mich ist es unwahrscheinlich wichtig, das bei der glaube ich, einmal gesagt werden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20687 Sabine Kaspereit Politik muß sich am gesamtgesellschaftlichen Inter- schen brauchen eine Regierung, die es damit ernst esse orientieren und nicht an den Interessen einzel- meint, sie wieder am wirtschaftlichen und gesell- ner Gruppen, so berechtigt diese mitunter auch sein schaftlichen Leben teilhaben zu lassen, und keine mögen. Politik hat allen Menschen zu dienen. Sie soll Regierung, die ihnen unterstellt, sie wollten gar nicht allen Menschen die Chance auf die Teilhabe am wirt- arbeiten, wie Herr Ramsauer es hier sagte. schaftlichen und gesellschaftlichen Leben eröffnen. Das ist der Grundgedanke der sozialen Marktwirt- (Beifall bei der SPD) schaft. Doch Ihre eingeleiteten „Reaktionsprogramme" tra- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE gen nicht weit, nur eben bis zur Bundestagswahl. GRÜNEN und der PDS) Übrigens sind die Arbeitsämter auch nicht gerade Mit Blick auf den Jahreswirtschaftsbericht 1998 glücklich mit dem überraschenden Geldsegen. Sie nützt es daher nichts, sich rechtfertigend ausschließ- müssen sich nämlich nun auf die Schnelle um Pro- lich hinter die Doktrin der reinen Angebotspolitik zu jekte bemühen, die erst vor einem knappen Dreivier- flüchten oder sich bei Ausgabenkürzungen im So- teljahr durch das AFRG von der Bundesregierung zialbereich mutig hinter den Äußerungen eines Sach- zerschlagen worden sind. Was die Menschen wirk- verständigenrates zu verstecken. Es nützt auch lich brauchen, sind wettbewerbsfähige, langfristig nichts, den ausgestreckten Zeigefinger gegen die gesicherte Arbeitsplätze und nicht Kosmetik an der Länder zu richten, wenn man selbst die Chancen ei- Arbeitsmarktstatistik. ner modernen Wirtschaftspolitik versäumt hat. Der (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Jahreswirtschaftsbericht 1998 zeigt, daß die Bundes- regierung versucht, positive Konjunkturdaten als Er- Übrigens, diese Arbeitsplätze braucht auch unsere folgsstory ihrer Politik zu verkaufen. Sie surfen ledig- Volkswirtschaft per saldo sehr nötig. lich auf Konjunkturwellen, meine Damen und Her- Es geht auch ohne Kosmetik. Daß in Sachsen-An- ren. halt 1997 jedem Ausbildungsplatzbewerber ein Aus- (Vorsitz : Präsidentin Dr. Rita Süssmuth) bildungsplatz zur Verfügung gestellt werden konnte, Rund 20 Prozent der deutschen Bevölkerung kom- verdanken wir nicht der Bundesregierung, men aus den neuen Bundesländern. Diese Tatsache (Frederick Schulze [Sangerhausen] [CDU/ spiegelt sich aber nicht im Jahreswirtschaftsbericht CSU]: Wem denn sonst?) wider. Vielmehr hat man in weiten Teilen des Be- richts den Eindruck, als machte sich betretenes sondern einer Landesregierung, die Bündnisse ein- Schweigen breit, weil der selbsttragende Auf- hält und ernst nimmt. schwung noch immer ausgeblieben ist. Wenn im Be- (Frederick Schulze [Sangerhausen] [CDU/ richt auf konkrete Zahlen verwiesen wird, beziehen CSU]: Das ist doch lachhaft!) sie sich in den meisten Fällen auf die alten Länder. An manchen Stellen des Berichtes lese ich Sätze wie Die gemeinsame Initiative für mehr Ausbildungs- diesen: „Ermutigende Signale zeigen sich vor allem plätze in Sachsen-Anhalt ist ein Beispiel dafür. Im in Westdeutschland. " Das hören wir alle zweifellos Gegensatz zu dem von Ihnen im Jahreswirtschaftsbe- gern. Aber interessant ist natürlich, was do rt nicht richt so sehr gepriesenen Bündnis für Arbeit Ost zeigt steht, weil, wenn es dort stünde, es oft nicht so er- sie, daß es geht, wenn wirklich alle ihren Verpflich- freulich wäre. tungen nachkommen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Auf Bundesebene vermisse ich diesen Willen zur GRÜNEN und der PDS) Zusammenarbeit. Jedenfalls ist die Indust rie ihren vollmundigen Versprechungen in puncto Ausbil- So steht dort zum Beispiel nicht, daß zahlreiche Be- dungs- und Arbeitsplätze nicht nachgekommen, je- schäftigungsinitiativen in den ostdeutschen Kommu- denfalls noch nicht. Vielleicht hat sie ja noch ein klei- nen durch die arbeitsmarktpolitische Berg- und Tal- nes Wahlgeschenk für die Koalition in der Tasche fahrt dieser Bundesregierung zerstört worden sind. Die Betroffenen merken das doch, genauso wie sie es (Ernst Schwanhold [SPD]: Das war die letzte merken, wenn die Bundesregierung aus wahltakti- Umarmung! Da kommt nichts mehr!) schen Überlegungen mal eben ein kurzfristiges Akti- onsprogramm auflegt, um die Arbeitsmarktstatistik und hat nur ein bißchen gewartet, weil ja nach Mei- nung mancher Politiker das Gedächtnis des Wählers bis zum Wahltag zu schönen. Solche Aktionspro- gramme - vielleicht sollte ich besser „Reaktionspro- ziemlich kurz ist. Aber täuschen Sie sich nicht! gramme" sagen - sind doch nicht Ausdruck einer Die Baukonjunktur sieht alles andere als gut aus. verläßlichen Politik; sie sind vielmehr Ausdruck des- Insbesondere in Ostdeutschland verzehrt die Lage sen, daß Ihre Politik versagt hat und nun schnell der am Bau die zaghaften Erfolgsansätze anderer Bran- Schaden begrenzt werden muß, den die Regierung chen. Daß es so weit gekommen ist und kommen selbst angerichtet hat. mußte, müssen Sie doch gewußt haben. So wies Ihr (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rolf Fraktionskollege Kolbe bereits 1995 darauf hin, daß Kutzmutz [PDS]) das Wachstum in Ostdeutschland mit 45 Prozent deutlich überproportional auf die Bauwirtschaft zu- Meine Damen und Herren, in einer ganzen Reihe rückgeht, die üblicherweise nur mit 15 Prozent zum ostdeutscher Kommunen beträgt die Arbeitslosen- Wachstum beiträgt. Nun frage ich Sie, was Sie seit- quote mehr als 30 Prozent. Die betroffenen Men- dem unternommen haben, um der jetzigen Lage in 20688 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Sabine Kaspereit Ostdeutschland vorzubeugen, welche Schlüsse Sie Nachdem die Bundesregierung den Standort gezogen und welche wirtschaftspolitischen Präven- Deutschland jahrelang zerredet hat, kommt die Posi- tivmaßnahmen Sie umgesetzt haben. tivdarstellung im vorliegenden Jahreswirtschaftsbe- richt einfach zu spät. Damit setzt sich die Bundesre- Statt konkrete Antworten zu geben, zucken Sie die gierung auch dem Verdacht aus, daß der Be richt ge- Schultern, weisen auf die Überkapazitäten und die schönt ist. Strukturanpassungen hin und bezeichnen das als ei- nen unvermeidlichen Schrumpfungsprozeß oder als Noch ein Wort zu Forschung und Technologie. Im eine Wachstumsdelle, wie Herr Rexrodt es so schön Jahreswirtschaftsbericht sprechen Sie zu Recht vom nennt. Daß Sie, Herr Minister, die positive Rolle der hohen Ausbildungsstand und von der Technologie- Länder erwähnen, freut mich natürlich. Aber was kompetenz Deutschlands und davon, daß Deutsch- bleibt den Ländern auch anderes übrig? land damit einen komparativen Vorteil im internatio- In Sachsen-Anhalt wurde gehandelt und durch nalen Wettbewerb hat. Sie haben recht. Aber um so eine Investitionspauschale ein beachtliches Infra- weniger verständlich ist es, daß und wie Wissen- strukturprogramm aufgelegt. Daher ist es Sachsen- schaft und Forschung in den neuen Bundesländern Anhalt als einzigem ostdeutschen Land gelungen, abgewickelt wurden. für eine Zunahme des Umsatzes am öffentlichen Bau zu sorgen. Dies sage ich in Richtung des Herrn Mi- Daß hier trotz des unermeßlichen Schadens, der in chelbach. der Forschungslandschaft ange richtet wurde, noch immer bzw. wieder ein großes Potential vorhanden Daß wir in Ostdeutschland eine so miserable Bau- ist, zeigen ermutigende Beispiele auch in Sachsen- konjunktur haben, liegt wohl kaum daran, daß es Anhalt, Herr Petzold, so zum Beispiel die Biotechno- nichts mehr zu tun gäbe. Die ostdeutsche Bauwirt- logie-Region Halle-Leipzig. Dies ist sicher kein Ver- schaft hätte eigentlich noch auf Jahre hinaus - auch dienst der Bundesregierung, sondern vor allem ein mit höheren Kapazitäten - genügend Arbeit. Auch Erfolg der Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt. fehlt es nicht an Kreditmöglichkeiten für Infrastruk- turinvestitionen. Nein, es fehlt an Ko-Finanzierungs- (Beifall bei der SPD) möglichkeiten der öffentlichen Hand, sprich: der Kommunen, denen die fiskalisch ausgerichtete Bun- Es gäbe im Hinblick auf die neuen Bundesländer despolitik immer mehr soziale Finanzlasten aufge- noch eine erkleckliche Anzahl weiterer diskussions- bürdet hat. Unter diesem Druck können die Kommu- würdiger Punkte des Jahreswirtschaftsberichts. An- nen einfach keine größeren Bauinvestitionen mehr gesichts der vielen Probleme wäre es wohl richtig ge- anschieben. Die staatliche Nachfrage auf kommuna- wesen, den Aufbau Ost zur Chefsache zu machen. ler Ebene ist nicht zuletzt durch den Bund faktisch er- Das ist nicht passiert. Statt dessen beschränkte sich drosselt worden. die Regierungskoalition auf Versprechungen und auf Nicht nur die staatliche Nachfrage, auch die Nach- das Aussitzen. Das werden wir ändern. Wir werden frage der Privathaushalte trägt immer weniger zur den Aufbau Ost nach der Regierungsübernahme Stärkung der Binnenkonjunktur bei. Seit 1991 sind durch das Einsetzen eines Koordinators mit Kabi- die Löhne und Gehälter netto real um 8 vom Hundert nettssitz zur Chefsache machen. Darauf können Sie gesunken. Daher spüren sowohl die Privathaushalte sich verlassen. als auch der Einzelhandel sehr deutlich die Last die- ser Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das, meine Damen und Herren, steht natürlich nicht im Jahreswirtschaftsbericht. Genausowenig Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich erteile dem steht dort etwas über die von der Bundesregierung Kollegen Gunnar Uldall das Wort. ohne Not losgetretene Standortdebatte, die Deutsch- land weltweit ein Negativimage eingebracht hat. Zum Beispiel muß der für die Anwerbung ausländi- Gunnar Uldall (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe scher Investoren tätige Indust rial Investment Council Kolleginnen und Kollegen! Da die Debatte nun seit enorm viel Kraft aufwenden, dieses Negativimage vier Stunden läuft, wollen wir uns jetzt auf das We- aufzubessern und ausländische Investoren für den sentliche konzentrieren. Standort Deutschland und vor allen Dingen für die neuen Bundesländer zu interessieren. Übrigens ste- (Beifall bei der CDU/CSU) hen bei den Investitionsentscheidungen der auslän- dischen Investoren nicht so sehr die Höhe der Steu- Das Wesentliche ist, daß der Kollege Schwanhold ern im Vordergrund, sondern die bürokratischen heute angekündigt hat: Ab sofort treten wir in einen Hürden. Wettstreit darüber ein, wer am besten über den Daß auf diesem Feld eine Menge getan werden Standort Deutschland redet. Herr Kollege Schwan- kann, solche Hemmnisse abzubauen, zeigen die Ge- hold, dieser Wettkampf ist eröffnet. Ich möchte jetzt nehmigungszeiten in Sachsen-Anhalt, wo mit Bünde- einen ersten Beitrag dazu leisten, Gutes und Richti- lung, Parallelbearbeitung und Projektbegleitung die ges über den Standort Deutschland zu sagen, damit kürzesten Genehmigungsverfahren in Deutschland Sie das mit nach Hause nehmen können, um am Wo- erreicht wurden. chenende in Ihrem Wahlkreis Loblieder über die Re- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20689 Gunnar Uldall gierung, über ihre Wirtschaftspolitik und über den unter dem Aspekt erläutern, was wir bereits gemacht Standort Deutschland zu singen. haben und was noch alles notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU - E rnst Schwan- (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Mach's hold [SPD]: Herr Uldall, gestatten Sie eine doch, bitte! Mach's doch! - Hartmut Schau Bemerkung? - Gegenruf des Abg. Hans- erte [CDU/CSU]: B ring es Ihnen bei!) Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein, zuhören!) - Nein, liebe Freunde, ich lasse mich jetzt nicht dar- Meine Damen und Herren, ich wende mich dem auf ein. Wer voller Ungeduld danach fiebert, der schwierigsten Punkt innerhalb der Standortdiskus- möge in mein Büro kommen; do rt bekommt er das sion zu, nämlich den Arbeitskosten. Wir wissen, daß Manuskript meiner Rede. wir - ungeachtet all der Punkte, in denen wir unseren Nachbarländern und Wettbewerbern überlegen wa- Der fortgeschrittenen Zeit angemessen werde ich ren - ihnen gegenüber hinsichtlich der Arbeitskosten nun zu einigen Punkten konzentriert Stellung neh- einen großen Nachteil hatten. Nun sehen wir uns men. Hinsichtlich der Arbeitskosten müssen wir auf einmal an, wie sich dies in der letzten Zeit entwickelt folgendes achten: Wir stellen immer wieder fest, daß hat. Die Höhe der Arbeitskosten ist wichtig. Aber die Jobzahl in den USA deutlicher als in Deutschland noch wichtiger ist, was man in einer Stunde produ- steigt. Daher müssen wir uns fragen: Was ist eigent- ziert, für die man Arbeitskosten aufzuwenden hat. In- lich in der Hinsicht der Kernunterschied zwischen sofern ist es wichtiger, daß man die Lohnstückkosten diesen beiden Ländern? - Ich möchte die Antwort miteinander vergleicht. darauf auf den Punkt bringen: Egal, in welcher Situa- tion man sich in den USA befindet, egal, ob man Ar- Hier habe ich eine hochinteressante Entwicklung beitsloser, Kranker, Vorruheständler oder Sozialhilfe- aufzuzeigen. Die Lohnstückkosten haben sich in empfänger ist, man verdient in den USA in einer sol- Deutschland zunächst von Jahr zu Jahr kräftig nach chen Lage immer weniger, als wenn man arbeiten oben entwickelt: 1992 waren es plus 5,8 Prozent, würde. In Deutschland ist dies nicht immer der Fall. 1993 plus 3,4 Prozent. Dann kommt ein Knick: 1994: minus 0,1 Prozent; 1995: noch etwas über 1 Prozent; Wenn wir in Deutschland zu einer echten Bekämp- 1996: minus 0,3 Prozent; 1997: minus 1,9 Prozent; fung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt kommen 1998: minus 1,0 Prozent. wollen, dann muß es so sein, daß derjenige, der ar- beitet, immer mehr Einkommen zur Verfügung hat Wir erkennen, daß der Aufwärtstrend hinsichtlich als derjenige, der nicht arbeitet; sonst sind unsere Be- der Lohnstückkosten bei uns in Deutschland- einen mühungen vergeblich. Knick hat, daß die Kosten sinken und daß wir hiermit an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Das zeigt: Der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Turn-around für den Standort Deutschland ist er- Zur Steuerreform ist viel gesagt worden. Ich reicht worden. möchte an die Kollegen von der SPD appellieren, mit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) uns eine Reform zu machen, die beide Seiten entla- stet: Arbeitnehmer und Unternehmer. Es wäre ein Fehler, Defizite zu beschönigen. Aber noch falscher wäre es, den Standort Deutschland (Detlev von Larcher [SPD]: Wir werden die schlechter darzustellen, als er tatsächlich ist. Wer die richtigen Reformen machen!) Entwicklung der vergangenen zwei Jahre betrachtet Wenn wir die Ausnahmeregelungen für die Unter- hat, der kann feststellen, daß die Maßnahmen, die nehmen streichen, dann müssen die Steuersätze so wir eingeleitet haben, jetzt anfangen, zu greifen. abgesenkt werden, daß am Ende keine höhere Steu- Darauf sollten wir stolz sein. Wir sollten daraus die erbelastung für die Unternehmen herauskommt. Ge- Schlußfolgerung ziehen, diesen Weg konsequenter nau diese Sorge hat mich aber beim Studium der fortzuführen. SPD-Vorschläge befallen. Wer so agiert wie Sie, der erhöht faktisch die Steuerlast für die Bet (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) riebe und treibt die Bet riebe mitsamt ihren Arbeitsplätzen ins Deswegen müssen wir in einer solchen Debatte - Ausland. Das können wir nicht machen! auch wenn wir uns zeitlich beschränken müssen - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) den Blick nach vorn richten. Ich sehe vier Punkte, hinsichtlich deren wir in der Wirtschaftspolitik unsere In der Diskussion und im Streit „Neidgefühle gegen Bemühungen und unsere Anstrengungen intensivie- Arbeitsplätze" setzen wir ganz eindeutig auf Arbeits- ren müssen. plätze. Erstens. Die Kosten je Arbeitsstunde müssen wei- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ter verringert werden. Zweitens. Eine Steuerreform muß die Differenz zwischen brutto und netto verrin- Schließlich möchte ich noch einen weiteren Satz gern; sie muß Arbeitnehmer und Unternehmer deut- zur Steuerreform sagen. Die Steuerreform darf nicht lich entlasten. Drittens. Die Flexibilität bei Arbeits- dazu verkommen, daß aus der Überlegung über bes- recht und Arbeitszeiten muß erweitert werden. Vier- sere Gestaltungsmöglichkeiten am Ende nur ein tens. Deregulierung und Privatisierung müssen kon- Bündel neuer Steuern entsteht: eine neue Ökosteuer, sequent weitergeführt werden. eine neue Vermögensteuer, eine neue Lehrling- steuer. Wenn Sie neue Steuern einführen - selbst Wenn es jetzt nicht zwölf Minuten nach zwei Uhr wenn Sie vorher verkünden, daß die Einnahmen aus wäre, dann würde ich diese vier Punkte ausführlich dieser oder jener neuen Steuer benutzt werden sol- 20690 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Gunnar Uldall len, um andere Steuern zu senken -, dann bedeutet dann wird die Bilanz, die er ziehen wird, folgender- das immer eine höhere steuerliche Belastung. Es maßen ausfallen: Wir haben 300 000 bis 500 000 neue wäre das erste Mal in der Finanzgeschichte, daß Stellen mehr als vor einem Jahr, neue Steuern zu einer niedrigeren Steuerbelastung (Detlev von Larcher [SPD]: Aber keinen führen. Deswegen dürfen diese Pläne auf keinen Fall Ministerposten!) verwirklicht werden. die Rentenversicherungsbeiträge sinken, die Kran- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) kenversicherungsbeiträge sinken, die Arbeitslosen- Hinsichtlich der guten Punkte, die im jetzt begin- versicherungsbeiträge können abgesenkt werden. nenden Wettstreit über das Positivreden über den Das wird die Bilanz sein, die man dann für das Jahr Standort Deutschland bitte zu verbreiten sind, müs- 1998 insgesamt ziehen wird. sen wir immer mehr hervorheben, was uns in den Das zeigt: Wir sind mit unserer Wirtschaftspolitik letzten Jahren bei der Arbeitszeitflexibilisierung ge- auf einem guten Weg. Es wäre fatal, wenn man die- lungen ist. Wir haben vor zwei oder drei Jahren hier sen Kurs ändern würde. Deswegen müssen unsere im Parlament - ich will nicht sagen, gegen wessen politischen Vorstellungen weiter konsequent umge- Widerstand - entsprechende Gesetzesvorhaben be- setzt werden. schlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Benenne die Widerständler! Sie müssen benannt wer den!) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege Mos- dorf, Sie haben jetzt das Wort. - Nein, wir wollen nicht, daß es für sie jetzt zu pein- lich wird. Siegmar Mosdorf (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates eines Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal muß großen internationalen Konzerns hat mir kürzlich ge- man uns loben, daß wir hier solange aushalten; denn sagt: „Was wir in den letzten zwei Jahren bei der Ar- die Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht ist beitszeitregelung erreicht haben, entspricht einer eine wichtige Debatte. Kulturrevolution. " (Zurufe von der CDU/CSU) (Detlev von Larcher [SPD]: Der Revoluzzer Uldall!) - - Ich weiß. Deshalb mache ich es ganz kurz. Genau das müssen wir immer wieder darstellen. Wir Lassen Sie mich am Anfang sagen: Ich finde, wir haben auf der Fachkonferenz vom vergangenen sollten nicht in Vergessenheit geraten lassen, was Montag, die von verschiedenen Kollegen schon er- heute morgen gelungen ist. Es ist auch im Interesse wähnt wurde, von verschiedenen Investoren gehört, des Landes, daß die beiden Schlichter ein gutes Er- wie positiv sich die Arbeitszeitregelungen entwickelt gebnis für den Bereich des öffentlichen Dienstes er- haben. BMW hat eine Vielzahl von Möglichkeiten zielt haben. Ich glaube, man kann ihnen nur Beifall zur variablen Verteilung der Arbeitszeit geschaffen. zollen: und Herrn Wagner. Das ist Insgesamt gibt es bei BMW rund 200 verschiedene eine wichtige Entscheidung. Arbeitszeitmodelle. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die Zeiten in Deutschland sind vorbei, als die Ar- DIE GRÜNEN) beitszeit feststand und sich der Arbeitsanfall nach Ich hoffe sehr, daß sich die Tarifvertragsparteien der Arbeitszeit zu richten hatte. Bei uns ist es jetzt auf dieses Ergebnis einigen, weil es den staatlichen auch so wie in unseren Konkurrenzländern, daß sich Bereich nicht so belastet, wie es wäre, wenn man rich- die Arbeitszeitregelung nach dem Arbeitsanfall sich dort nicht geeinigt hätte, wenn es möglicher- tet und nicht umgekehrt. Ich will Ihnen ein Beispiel weise Arbeitskampfmaßnahmen oder ähnliche Dinge bringen: Die zehn größten amerikanischen Unter- mehr gegeben hätte. Ich begrüße den Schlichter- nehmen in der Bundesrepublik haben durch das kon- spruch ausdrücklich. Wir reden hier auch über die sequente Anwenden dieser Regelung in den letzten staatliche Wirtschaftspolitik. Dazu gehört auch Mo- zwei Jahren 45 000 Arbeitsplätze neu geschaffen und dernisierung des Staates. Da muß ein solcher Punkt gesichert. Das zeigt: Gesetzliche Maßnahmen, die auch einmal positiv hervorgehoben werden. von der Opposition als Maßnahmen gegen die Ar- beitnehmer verteufelt wurden, sind in Wirklichkeit Herr Rexrodt, Sie haben einen Jahreswirtschafts- Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer. bericht vorgelegt, der zeigt, daß wir durchaus eine gespaltene wirtschaftliche Entwicklung haben: nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nur was Ost-West angeht - darauf ist schon von Frau Der Jahreswirtschaftsbericht kann nur eine Zwi- Kaspereit hingewiesen worden -, sondern auch, was schenbilanz sein. Die Zwischenbilanz zeigt, daß wir die Zielvorgaben des Stabilitätsgesetzes selber be- auf dem richtigen Wege sind. Wenn sich der Wirt- trifft. Sie wissen genausogut wie ich, daß wir natür- schaftsminister am Jahresende hier im Parlament lich mit der Inflationsrate, also mit der Preisstabilität, hinstellt und erneut einen Rückblick über das gibt, zufrieden sind. was im Jahre 1998 wirtschaftspolitisch geschehen ist, Wir sind auch mit der Außenwirtschaftsentwick- (Detlev von Larcher [SPD]: Er wird dazu lung zufrieden, wobei wir nüchtern sehen müssen, keine Gelegenheit mehr haben!) daß da viele Währungsfaktoren eine große Rolle spie- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20691

Siegmar Mosdorf len. Das hat sich in den letzten Jahren verändert. Das passiert eigentlich mit der Wertschöpfung? Hier dür- ist nicht eine Sache, die wir wirtschaftspolitisch an- fen wir nicht nur konjunkturpolitisch diskutieren, geschoben haben. Vielmehr haben sich da die Rela- sondern müssen auch strukturpolitisch diskutieren. tionen verändert. Wenn man sich über die Wertschöpfungsfrage un- (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sowohl - terhält, dann kommt man zu einer ganzen Reihe als auch!) wichtiger Ergebnisse. Wir sind zum Beispiel zu dem Ergebnis gekommen - das sollte man nicht vergessen - Sowohl - als auch, aber der Punkt mit der Währung -, daß auch wir der Auffassung sind, daß eine Sub- war schon kniffliger, in der Zwischenphase der 90er stanzbesteuerung nicht sinnvoll ist. Deshalb waren Jahre. Das hat uns alle massiv betroffen, sowohl mit wir für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer. europäischen als auch mit anderen Währungen. Der dritte Punkt ist: Wir sind, hoffe ich - das habe (Zuruf von der CDU/CSU: Lange hat es ich der Debatte entnommen -, nicht zufrieden mit gedauert!) der Arbeitsmarktentwicklung. Ich will das jetzt nicht Deshalb waren wir für die Abschaffung der Vermö- polemisch auf Ihre Person zuspitzen, Herr Rexrodt, gensteuer. aber Sie müssen sehen: Während Ihrer Amtszeit, von 1992 bis jetzt, haben sich die Arbeitslosenzahlen ver- Ich will das noch einmal sagen, weil sich Herr doppelt. Ich sage nicht, daß das Ihre Schuld ist. Aber Schäuble in der heutigen Ausgabe der „Wirtschafts- es ist natürlich ein gravierender Punkt, der uns alle woche" geäußert hat. Das ist ein sehr bemerkenswer- belastet; denn es ist ja so, daß wir schauen müssen, tes Interview, das müssen Sie einmal lesen; so keß daß 5 Millionen Menschen wieder in Arbeit kommen. habe ich die „Wirtschaftswoche" noch nicht erfah- ren. Auf verschiedene Bemerkungen antworteten die Ich darf einmal Ludwig Erhard zitieren. Er hat ge- Fragesteller mit flotten Sprüchen: Allein werden Sie sagt: die Wahl wohl nicht gewinnen. Was haben Sie denn Das ist der soziale Sinn der Marktwirtschaft, daß substantiell zu bieten? - Schäuble geht auf die Frage jeder wirtschaftliche Erfolg, wo immer er entsteht, der Vermögensteuer ein und sagt: Das ist natürlich daß jeder Vorteil aus der Rationalisierung, jede Gift, wenn man die wieder einführt. Das geht nicht, Verbesserung der Arbeitsleistung dem Wohle des ohne gleichzeitig investiertes Kapital einer Substanz- ganzen Volkes nutzbar gemacht wird. besteuerung zu unterwerfen. Damit würde die SPD dringend notwendiges Kapital und Arbeitsplätze aus Es sollen also alle etwas davon haben, weil wir uns Deutschland verjagen. auf Dauer 5 Millionen Arbeitslose wirklich nicht lei- sten können. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, Sie wissen genausogut wie wir, genausogut wie den wir hervorheben sollten. ich, daß wir natürlich keine erneute Substanzbe- steuerung vornehmen wollen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn das sonst? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Es gibt natürlich eine Reihe von Fragen, die kri- tisch sind, die wir ansprechen müssen und die uns - Das ist völlig eindeutig. Da sollte man nichts verwir- insgesamt beschäftigen. Politisch ist es so, daß wir im ren. Da hat auch keiner etwas gesagt. Kein einziger Moment eine interessante Beobachtung machen ist dafür, daß wir die Vermögensteuer auf das Kapital können. In der CDU gibt es eine intensive Diskussion wieder einführen. darüber - Herr Repnik, Herr Uldall, liebe Kollegen -, ob sie nicht die Wirtschaftskompetenz verloren hat. (Zuruf des Abg. Gunnar Uldall [CDU/CSU]) Ich will einmal daran erinnern: Wir hatten eine - Nein, da kann ich Sie beruhigen. ähnlich schwierige Situation in der SPD. 1976 fing eine neue CDU-Führung an, und eine neue soziale Jetzt lassen Sie mich noch einen Satz zu den Lohn- Frage wurde thematisiert - das waren Biedenkopf stückkosten sagen, die Herr Uldall eben schon ange- und Geißler - mit dem klaren Ziel, die CDU über das sprochen hat. Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt. Wirtschaftsspektrum hinaus auch sozialpolitisch zu Es ist klar: Wenn man die Weltwirtschaft so verän- profilieren, sie als eine mode rne Volkspartei breiter dert, daß 3 Milliarden Menschen in die Marktwirt- anzulegen. Das war damals die Absicht. Die ist übri- schaft einbezogen werden, dann entstehen völlig gens gelungen. Sie sind mehrheitsfähig geworden. neue Wettbewerbsbedingungen. Da spielen Kosten- fragen natürlich eine Rolle. Aber, lieber Gunnar Ul- Diese enormen Anstrengungen, die Sie damals un- dall, es gab eine Fixierung auf die Kostenfrage. Ich ternommen haben, um mehrheitsfähig zu werden, halte den Grundsatz „Wer zu spät an die Kosten unternehmen wir - das beobachten Sie ja auch mit denkt, ruiniert ein Unternehmen, und wer zu früh an Interesse - jetzt im wi rtschaftspolitischen Feld. Wir die Kosten denkt, der tötet Kreativität", diesen Balan- hatten, nachdem die wichtigen Kapitäne der Wi rt cesatz für wichtig. Man muß schon die Kosten im -schaftspolitik der 70er und 80er Jahre wie Helmut Auge behalten; man mußte auch deutlich korrigie- Schmidt, Alex Möller oder auch Karl Schiller - alles ren. Das hat die Wi rtschaft auch getan. Was Sie von Leute, die wirtschaftspolitisch was zu bieten hatten - BMW erzählt haben, was Sie von Mercedes oder an- von Bord gegangen waren, eine Debatte, die sich deren Unternehmen erzählt haben, waren Wi rt stark auf die Verteilung konzentrierte. Jetzt wollen -schaftsaktivitäten, die die Unternehmen gemeinsam wir uns sehr stark auf die Frage konzentrieren: Was mit den Betriebsräten eingeleitet haben. 20692 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Siegmar Mosdorf Aber was mir bei Ihnen fehlt, ist der innovative Gunnar Uldall (CDU/CSU): Herr Kollege, darf ich Teil. Wir werden diese Wirtschaftskrise nicht bewälti- fragen: Sind wir einer Meinung: Die SPD bleibt bei gen, wenn wir nicht neben der Kostenfrage auch die einer Substanzbesteuerung - - Innovationsfrage im Zusammenhang mit der Ent- wicklung vor allem im Bereich der neuen Produkte, der neuen Technologien und der Dienstleistungen, Siegmar Mosdorf (SPD): Nein. Die SPD wird eine die darum herum entwickelt werden, berücksichti- betriebliche Vermögensteuer nicht wieder einführen. gen. Das ist übrigens auch ein Geheimnis des Erfolgs der USA. Wir wissen beide, Gunnar Uldall, daß in Gunnar Uldall (CDU/CSU): Nein! Nein! Amerika die Kostenfrage zwar ein Punkt ist, daß aber vor allem entscheidend ist, daß in Amerika Jobs ent- standen sind, die es vorher gar nicht gab, die wir teil- Siegmar Mosdorf (SPD): Die haben wir selber ab- weise noch gar nicht kennen. Insofern müssen wir geschafft. eine Doppelstrategie verfolgen. Meine Kritik ist, daß Sie den Teilbereich Innovation vernachlässigen, ver- Gunnar Uldall (CDU/CSU): Dann sind wir uns ei- gessen. nig, daß die SPD eine Substanzbesteuerung der pri- (Abg. Gunnar Uldall [CDU/CSU] meldet vaten Vermögen einführen will? sich zu einer Zwischenfrage) - Wenn ich das noch sagen darf: Ich merke eine deut- Siegmar Mosdorf (SPD): Wir sind uns nicht einig, liche Differenz zwischen den Akzenten, die zum Bei- wenn Sie unterstellen, lieber Kollege, daß wir die be- spiel Herr Wissmann setzt - er ist ja jetzt zum Wi rt triebliche Vermögensteuer wieder einführen wollen. -schaftsexperten ernannt worden, nachdem man ei- (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. - nen Rettungsanker brauchte; Matthias Wissmann ist Detlev von Larcher [SPD]: Das ist Wortklau ein sehr guter Jurist und ein guter Golfspieler; ich berei, was ihr macht!) bin nicht sicher, daß er das gleiche Handicap wie im Golfspielen auch in der Wirtschaftspolitik erreicht -, Wir werden folgendes machen - damit das klar ist; und den Akzenten, die Herr Rüttgers setzt, was die das ist ganz simpel; das kann man jedem erklären -: Innovationspolitik angeht. Der eine argumentiert und zwar als erste Maßnahme nach dem 27. Septem- eher klassisch, konjunkturpolitisch - das habe ich ber, wenn wir regieren - - auch bei Gunnar Uldall ein bißchen herausgehört- -, der andere kümmert sich um die Frage: Wie sehen ei- (Zurufe von der CDU/CSU - Detlev von Lar gentlich die neuen Tätigkeitsfelder aus? Wie sehen cher [SPD]: Das ist Wortklauberei, was ihr die neuen Technologien aus? Wie sehen die neuen macht!) Arbeitsplätze von morgen aus? Diese Differenz ist - Das ist wirklich Wortklauberei. Aber ich wi ll das evident. Ich glaube, wir müssen auf beide Sektoren jetzt höflich beantworten. setzen. Aber jetzt will ich nicht länger reden. Gunnar Ul- Wenn wir regieren, werden wir eine große Steuer- dall muß sonst zu lange stehen. reform machen. Ich sage Ihnen, welche Akzente die hat.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Uldall. Erstens sagen wir: Wir müssen beim Eingangssteu- ersatz deutlich runter, weil wir wollen, daß die Ar- beitnehmer nicht in die Schwarzarbeit flüchten, und Gunnar Uldall (CDU/CSU): Herr Kollege, kann ich aus der Formulierung, die Sie eben gebraucht haben weil wir Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen - Sie alle seien gegen eine Substanzbesteuerung und wollen. gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer -, Zweitens sagen wir: Wir wollen die Progression schließen, daß Sie sich alle gegen Ihr Parteipro- möglichst entschärfen. Die armen Leute zahlen im gramm stellen, Moment fast keine Steuern. Die reichen haben meist (Zuruf von der SPD: Aber nein!) einen guten Steuerberater. Die Hauptabgaben- und -steuerlast liegt bei den Facharbeitern, bei den Mei- gegen „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit"? stern, bei den Technikern: beim Arbeitnehmer im Mittelstand; den wollen wir entlasten. (SPD): Das ist jetzt unter Niveau. Siegmar Mosdorf (Beifall bei der SPD und der PDS)

Gunnar Uldall (CDU/CSU): Nein. Ich zitiere - - Wir senken auch die Spitzensteuersätze; das ist völlig klar. Dabei weiß jeder, daß ich für eine Stufen- lösung bin, Siegmar Mosdorf (SPD): Ich habe gesagt: Die p ri -vate Vermögensteuer können wir sehr wohl einfüh- (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Jawohl!) ren. Aber die betriebliche Vermögensteuer, die wir immer abschaffen wollten, die wir mit euch gemein- und zwar für ein Konzept, das auch finanzpolitisch sam abgeschafft haben, die werden wir nicht wieder nachhaltig wirkt. einführen - damit das klar ist. (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Wir hätten (Beifall bei der SPD) uns einigen können!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20693

Siegmar Mosdorf - Ja. Aber Sie wissen: Da gab es noch ein paar an- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. dere, die - - (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Ihren Par DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller [CDU/ -teivorsitzenden!) CSU]: Wir hoffen, daß das Verhältnis im September so ist, wie es sich bei den Abge - Nein! Nein! Herr Repnik, Sie haben - - ordneten hier jetzt widerspiegelt!)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gestatten Sie eine Aussprache. Zwischenfrage des Abgeordneten Hauser? Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/10107 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sind Sie Siegmar Mosdorf (SPD): Nein, lieber Herr Hauser. damit einverstanden? - Das ist der Fa ll. Dann ist die Lieber Herr Repnik, Sie wissen genau so gut wie Überweisung so beschlossen. ich, daß Sie ein paar spezielle Freunde haben, die Tagesordnungspunkt 14 c: Wir kommen zur Ab- Ihre speziellen Vorschläge zur Steuerreform verhin- stimmung über die Beschlußempfehlung des Aus- dert haben. schusses für Wirtschaft zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Jahreswirtschaftsbericht Lassen Sie mich zum Schluß zwei Bemerkungen 1997, Drucksache 13/8227. Der Ausschuß empfiehlt, machen, weil ich das nicht endlos fortsetzen wi ll. Ich den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/6963 habe in der Zeitung ein wörtliches Zitat von Herrn abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- Michelbach gelesen - ist er noch da? -, der über lung? - Hans-Olaf Henkel folgendes gesagt hat: Seine Äuße- rung, daß er unser Wirtschaftsprogramm für interes- (Detlev von Larcher [SPD]: Unmöglich seid sant hält, sei unmöglich. Dann hat Herr Michelbach ihr!) wörtlich gesagt: Dieser Mann ist für das politische Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Be- Geschäft völlig ungeeignet, weil er politisch keine Richtung hat. - Ich habe die herzliche Bitte, daß Sie schlußempfehlung mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der SPD und der ihm vielleicht einmal sagen, daß wir immer noch da- PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen an- von ausgehen, daß sich die Wirtschaftsverbände in - genommen. Deutschland neutral verhalten sollen. Das gilt für den DIHT, für den BDI. Tagesordnungspunkt 14 d; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Entschlie- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wie die ßungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen An- Gewerkschaften!) frage zu Insolvenzen in der deutschen Wi rtschaft, Drucksache 13/8229. Auch hier empfiehlt der Aus- - Oh, ist das kleinkariert. schuß, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 7430 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was ist denn empfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die daran kleinkariert?) Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/ Ich habe die herzliche Bitte, daß man Herrn Michel- CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS an- bach einmal sagt, daß man auch mit den Spitzenver- genommen. tretern der Verbände so nicht umgehen kann, son- dern daß man ordentlich mit ihnen umgehen sollte Tagesordnungspunkt 14 e; Beschlußempfehlung und sie nicht in gewisse politische Ecken hineinma- des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu növriert. Herr Michelbach kann nicht davon ausge- dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit hen - und Sie auch nicht -, daß der BDI sozusagen dem Titel „Ökologisch gestalten, soziale Gerechtig- automatisch für die CDU marschiert. keit wahren und kommende Generationen entla- sten", Drucksache 13/7152. Der Ausschuß empfiehlt, Ich komme zum Schluß. - Herr Rexrodt mußte den Antrag auf Drucksache 13/4671 abzulehnen. schon gehen; es ist Kabinettssitzung. Das ist völlig Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Ge- klar. - Ich wollte nur sagen: Das wird der letzte Wi rt genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- -schaftsbericht gewesen sein, den Herr Rexrodt vor- lung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der stellen konnte. F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü- nen und bei Enthaltung der SPD und der PDS ange- (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Das haben nommen. wir heute schon einmal hier gehört!) Tagesordnungspunkt 14 f; Beschlußempfehlung Ich möchte ihm - das macht man schon allein aus des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu Gründen der Kollegialität - herzlichen Dank sagen, dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ auch für die Bemühungen, die er unternommen hat. Die Grünen zu der Großen Anfrage zum Gemeinsa- Er hat sich wirklich bemüht. Aber wir brauchen ein men Wort der Kirchen „Zur wi rtschaftlichen und so- bißchen mehr als nur Bemühungen. Wir werden das zialen Lage in Deutschland", Drucksache 13/7414. dann im September angehen. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag 20694 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth auf Drucksache 13/6966 abzulehnen. Wer stimmt für Ich schließe die Aussprache. diese Beschlußempfehlung? - Dagegen? - Enthaltun- gen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Wir kommen zur Abstimmung über den von der Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Bundesregierung eingebrachten Entwurf des Euro- Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei pol-Immunitätenprotokollgesetzes auf den Enthaltung der PDS angenommen. Drucksachen 13/9084 und 13/9370. Der Innenaus- schuß empfiehlt auf Drucksache 13/10 201 Tagesordnungspunkt 14 g; Beschlußempfehlung Buchstabe a, den Gesetzentwurf unverände rt anzu- des Haushaltsausschusses zu dem 16. Subventionsbe- nehmen. Bevor ich die Abstimmung vornehme, teile richt der Bundesregierung auf Drucksache 13/9108. ich mit, daß die Kollegin Sabine Leutheusser-Schnar- Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Be- renberger und der Kollege Dr. Burkhard Hirsch zu ih- schlußempfehlung ist mit Zustimmung aller Fraktio- rem Abstimmungsverhalten eine Erklärung nach • 31 nen und der Gruppe der PDS angenommen. der Geschäftsordnung abgegeben haben* ) Tagesordnungspunkt 14 h; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der (Zuruf von der CDU/CSU: Immer die glei Gruppe der PDS zur konsequenten Ausrichtung der chen!) staatlichen Instrumente zur Förderung der wirtschaft- lichen Tätigkeit auf Beschäftigungswirksamkeit, Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu- Drucksache 13/10181. Der Ausschuß empfiehlt, den stimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dage- Antrag auf Drucksache 13/8091 abzulehnen. Wer gen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen von men? - Enthaltungen? - Wie haben Sie gestimmt? Bündnis 90/Die Grünen und PDS und Enthaltung der SPD angenommen. (Detlev von Larcher [SPD]: Ich habe auch zugestimmt! - Heiterkeit!) Der Innenausschuß empfiehlt unter Buchstabe b Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen aller seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS angenom- 10201 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt men. für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe? - Enthaltungen kann es dann nicht mehr geben. Die Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koali- tion gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/ Zweite Beratung und Schlußabstimmung- des Die Grünen angenommen. von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- 19. Juni 1997 auf Grund von Artikel K.3 des Ver- ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der trags über die Europäische Union und von F.D.P. auf Drucksache 13/10202. Wer stimmt für die- Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkom- sen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthal- mens über die Vorrechte und Immunitäten für tungen dann keine mehr. Der Entschließungsantrag Europol, die Mitglieder der Organe, die stellver- ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen tretenden Direktoren und die Bediensteten von von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenom- Europol (Europol-Immunitätenprotokollgesetz) men. - Drucksachen 13/9084, 13/9370 - Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- (Erste Beratung 207. Sitzung) ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Beschlußempfehlung und Be richt des Innen- 13/10203. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- ausschusses (4. Ausschuß) trag? - Drucksache 13/10201 - (Zurufe von der CDU/CSU: Einstimmig!) Berichterstattung: Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Ent- Abgeordnete Erwin Marschewski schließungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU Hans-Peter Kemper und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD bei Enthal- Manfred Such tung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abge- Dr. Max Stadler lehnt. Ulla Jelpke Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktionen (Abg. Hartmut Schauerte [CDU/CSU] mel der CDU/CSU und F.D.P. sowie der Fraktion der SPD det sich zu Wort) vor. - Betrifft das jetzt noch die Abstimmungen? Die sind Die Redner Erwin Marschewski, CDU/CSU, nämlich beendet. Dr. Jürgen Meyer, SPD, Manfred Such, Bündnis 90/ Die Grünen, Dr. Max Stadler, F.D.P., und Ulla Jelpke, (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ich möchte PDS, sowie der Parlamentarische Staatssekretär eine Bemerkung zu Protokoll geben!) Eduard Lintner von seiten der Bundesregierung ha- ben ihre Redebeiträge zu Protokoll gegeben*). Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zu Protokoll?

') Anlage 8 *) Anlage 9 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20695

Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Ich möchte zu Pro- stern behandelt worden. Tagesordnungspunkt 17 ist tokoll geben, daß bei der Abstimmung über den Jah- abgesetzt worden. Damit sind wir am Schluß unserer reswirtschaftsbericht und den folgenden Abstim- Tagesordnung. mungen nur ein abstimmungsberechtigter Sozialde- mokrat im Raum war. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- destages auf Mittwoch, den 1. April 1998, 13 Uhr ein. (Zuruf von der CDU/CSU: Aber der ist ja Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg und ein wenigstens namentli ch erwähnt! - Heiter anregendes Wochenende. heit bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Sitzung ist geschlossen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich halte fest: Der Tagesordnungspunkt 16- Milchmarktpolitik - ist ge (Schluß der Sitzung: 14.41 Uhr)

Berichtigung 224. Sitzung, Seite 20 561 A, Redetext des Staatsmi- nisters Dr. Hans-Joachim Meyer (Sachsen): Der fünfte Absatz ist wie folgt zu lesen: Was die Schiffahrt mit zwei oder drei „f" anbetrifft, wäre es vielleicht ganz nützlich gewesen, Sie hätten das einem Abgeordneten Ihrer Fraktion rechtzeitig gesagt; denn der hat unter anderem den Sturm auf die Neuregelung der Rechtschreibung auf den Weg gebracht, weil er der Meinung war, jetzt dürfte er Schiffahrt nicht mehr mit drei ,,f" schreiben.

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Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20697*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 3

Liste der entschuldigten Abgeordneten Erklärung des Abgeordneten Dieter Schloten (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich zu den Protokollen vom 16. Dezember 1997 zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt

Antretter, Robert SPD 27. 3. 98 * der Republik Polen, der Tschechischen Republik und der Republik Ungarn Dr. Babel, Gisela F.D.P. 27. 3. 98 (224. Sitzung, Seite 20459 A) Böttcher, Maritta PDS 27. 3. 98 Im Protokoll der 224. Sitzung des Deutschen Bun- Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 27. 3. 98 destages am gestrigen Donnerstag ist mein Votum Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 27. 3. 98 nicht in der Abstimmungsliste der namentlichen Ab- stimmung zu o. g. Gesetzentwurf enthalten. Formanski, Norbert SPD 27. 3. 98 Ich erkläre hiermit, daß mein Votum „Ja" lautete. Kastning, Ernst SPD 27. 3. 98 Köhne Rolf PDS 27. 3. 98

Kunick, Konrad SPD 27. 3. 98 Anlage 4

Kurzhals, Christine SPD 27. 3. 98 Zu Protokoll gegebene Rede Marx, Dorle SPD 27. 3. 98 zum Zusatztagesordnungspunkt 9 (Antrag der Fraktionen Rupprecht, Marlene SPD 27. 3. 98 CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Scharping, Rudolf SPD 27. 3. 98 und F.D.P. „Lage in Kambodscha") in der 224. Sitzung, Seiten 20595 und 20619 Schenk, Christina PDS 27.- 3. 98 Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 27. 3. 98 Dieter Schanz (SPD): Ich begrüße es ausdrück Schumann, Ilse SPD 27. 3. 98 lich, daß die von uns, der SPD-Fraktion, auf den Weg gebrachte Initiative zur Lage in Kambodscha Tippach, Steffen PDS 27. 3. 98 nun interfraktionell eingebracht wird. Wenn in der Debatte von heute morgen beim Thema Osterweite- Dr. Wegner, Konstanze SPD 27. 3. 98 rung der NATO von geschichtlicher Verantwortung Weißgerber, Gunter SPD 27. 3. 98 und moralischer Qualität zu hören war, gilt dies Dr. Wieczorek, Norbe rt SPD 27. 3. 98 auch für ein kleines Land in Südostasien, nämlich Kambodscha. Auch dieses Land ist uns nahe, denn mit uns gemeinsam hat es do rt einen Genozid gege- * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ben, der mindestens 2 Millionen Menschen das Le- ben gekostet hat. Polpot und seine Schergen haben bis heute unübersehbare Spuren hinterlassen. Auch weil wir vor diesem Hintergrund als Bundes- Anlage 2 republik Deutschland beinahe erstmalig international Verantwortung übernommen hatten - schließlich ge- hören wir zu den Signatarstaaten der Pariser Konfe- Erklärung des Abgeordneten renz -, müssen wir uns weiterhin der Verantwortung Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) vor den Wahlen am 26. Juli 1998 stellen. Es darf nicht zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes umsonst gewesen sein, daß wir - wie allen bekannt - zu den Protokollen vom 16. Dezember 1997 erstmalig mit deutschen Soldaten außerhalb der Bun- zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt desrepublik, wenn auch als Sanitätseinheit, für an- der Republik Polen, der Tschechischen Republik dere Menschen Verantwortung übernommen hatten und der Republik Ungarn und hilfsbereit einem kleinen Land die Hand gereicht (224. Sitzung, Seite 20459 A) hatten. In Erinnerung geblieben ist mir der Ausspruch der Menschen von Phnom Penh, „die deutschen Sol- In der Abstimmungsliste der namentlichen Abstim- daten sind Engel in unserer Stadt" . Dieser Einsatz war mung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu auch Voraussetzung dafür, daß nach langen Jahren den Protokollen vom 16. Dezember 1997 zum Nordat- des Krieges und Bürgerkrieges 1993 Wahlen stattfan- lantikvertrag über den Beitritt der Republik Polen, den, die frei und geheim waren und ein Ergebnis hat- der Tschechischen Republik und der Republik Un- ten, was nunmehr nicht mehr respektiert werden soll. garn, Drucksache 13/9815 und 13/10063 (neu), er- scheint mein Votum nicht. Die Morde, zu verantworten vom zweiten Minister- präsidenten Hun Sen und seiner CPP vor dem Staats- Ich erkläre, daß mein Votum „Ja" lautet. streich am 2. Juli 1997, und die Morde an politischen 20698* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Gegnern danach zwingen uns „Farbe zu bekennen". vertrete, daß in Deutschland geborene Kinder von Dabei geht es nicht um den Prinzen Ranariddh, er ist dauerhaft und rechtmäßig hier lebenden Auslän- nur das Symbol für eine Prinzipienfrage. Die Bundes- dern die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Ge- republik Deutschland und die EU dürfen nicht durch burt erwerben und sich erst nach Erreichen der Wahlfinanzierung und stillschweigendes Zuschauen Volljährigkeit zwischen der deutschen und der einem Mörder, wie ich es vor kurzem in Phnom Penh Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden sollten. gehört habe, die Gelegenheit geben, den Staats- streich zu legitimieren. Von freien und fairen Wahlen Ich stimme heute dennoch nicht zu, weil die Opposi- kann nicht die Rede sein, wenn die Oppositionspar- tion diese Abstimmung zu einem Votum über die teien einschließlich der KNP - das heißt Khmer Nation Mehrheitsfähigkeit von Koalition und der von dieser Party - von Sam Rainsy und insbesondere die FUN- getragenen Regierung im Deutschen Bundestag ma- CINPEC weder frei operieren können noch Zugang zu chen will. Solch einem parteipolitischen und wahl- den Medien haben. Was die neugegründeten Parteien kampfbestimmten Spielchen gebe ich meine Stimme anbelangt, haben sie eh keine Chance, die Wahlen er- nicht, zumal die Instrumentalisierung dieser wichti- folgreich zu bestehen. gen Sachfrage zu ganz anderen Zwecken dem Anlie- gen nicht gerecht wird und ihm schadet. Als ich vor nun genau 14 Tagen vor Ort war, habe ich von all meinen Gesprächspartnern, insbesondere Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Die heutige Behand- aber von Peter Schier, Konrad-Adenauer-Stiftung, lung und Entscheidung der vorliegenden Anträge und Ms. Rosmary McCreery, Direktorin des kambo- zur Ausländerpolitik und zum Staatsangehörigkeits- dschanischen Büros des Hochkommissars für Men- recht ist in Opposition und Koalition überwiegend schenrechte der Vereinten Nationen in Kambodscha, gehört, daß die Wahlen zur Farce verkommen, wenn motiviert von taktischen Überlegungen und der Ranariddh, der ehemalige Ministerpräsident Nr. 1 Hoffnung, jeweils der anderen politischen Seite nicht zurück darf oder als Verurteilter geächtet bleibt. eine „Schlappe" zufügen zu können. Das eigentli- Weil der 2. Ministerpräsident Hun Sen dies weiß, hat che politische Problem wird zum Mittel einer takti- er alles unternommen, um Ranariddh bei der Rück- schen Auseinandersetzung um politische Vorteile kehr zu behindern. und mit dem Ziel einer überflüssigen „koalitions- politischen" Demonstration. Ich bin nicht bereit, das Wenn nun überraschenderweise der König seinen mitzumachen, weil es um das Schicksal von vielen Sohn amnestiert hat und zudem Hun Sen und Ung hunderttausend Menschen geht. Huot dem König sogar garantieren müssen,- daß die Si- cherheit Ranariddhs gewährleistet ist, kann man von Die Integration der in Deutschland lebenden über einer dramatischen und positiven Wende sprechen. 7 Millionen Ausländer stagniert. Sie wird zunehmend Dieses ist auf die unerbittlich klare Haltung Japans, der durch die schwierige Lage am Arbeitsmarkt belastet. Vereinigten Staaten, aber auch erstmalig der ASEAN- Um so berechtigter und dringender werden die Fra- Staaten zurückzuführen. Letzere haben sich erstmalig gen der in Deutschland geborenen und hier aufge- in ihrer Geschichte durch direkte Einmischung dazu wachsenen Kinder nach ihren eigenen Zukunftsaus- bekannt und Signale gesetzt. Ich begrüße dies als Mit- sichten und danach, von welchen unveränderbaren glied der ASEAN-Parlamentariergruppe ausdrücklich. Gegebenheiten sie für ihre eigene Lebensplanung Weniger deutlich war die Position der EU und auch der ausgehen können. Sie wachsen in unserer Gesell- Bundesrepublik Deutschland. Hier gilt es nachzuarbei- schaft auf und sind ein bleibender Teil dieser Gesell- ten. Ich fordere die Bundesregierung auf, mit dem Ver- schaft. steckspiel aufzuhören. Es geht nicht an, daß wir Euro- Die F.D.P. forde rt deshalb seit langem als Partei und päer mit 12 Millionen Do llar die „Wahlen" finanzieren im Bundestag als Fraktion, den in Deutschland gebo- sollen, die ausschließlich einen Sieger haben können, renen Kindern ausländischer Eltern die deutsche nämlich den, der für den jetzigen Zustand verantwort- Staatsangehörigkeit bis zu einer Option nach Erlan- lich ist und Nutzen daraus ziehen will. gung der Volljährigkeit zu geben, wenn schon ein El- ternteil in Deutschland geboren wurde und die Eltern Ich bin schon sehr dankbar und auch etwas stolz, hier ein festes Aufenthaltsrecht haben. Eine solche Lö- daß wir als Parlament hier und heute deutlich ge- sung liegt auch im ureigensten Interesse unseres Vol- macht haben, daß wir nicht hinnehmen, daß so in ei- kes. Ohne eigene Integrationsbemühungen werden nem Land verfahren werden darf, in dem wir auch wir immer schneller wachsenden, immer größeren Verantwortung tragen. und immer schwerer zu lösenden Problemen gegen- überstehen. Die Hinnahme der Mehrstaatigkeit in diesen Fällen Anlage 5 entspricht dem Staatsangehörigkeitsrecht fast aller anderen westeuropäischen Staaten. Sie entspricht Erklärungen nach § 31 GO auch dem Europäischen Abkommen über die Vermei- zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes dung von Mehrstaatigkeit. Sie ist eine konsequente zur Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staats Folge der Tatsache, daß vor Jahren mit Zustimmung angehörigkeit durch Kinder ausländischer Eltern aller Fraktionen des Hauses ausländische Arbeits- (Tagesordnungspunkt 10) kräfte für die Bundesrepublik angeworben wurden. Es hat sich herausgestellt, daß die in der Koalitions- Editha Limbach (CDU/CSU)): Ich werde in der vereinbarung verabredete „ Kinderstaatszugehörig- heutigen Abstimmung zum Staatsangehörigkeits- keit " nicht in vernünftiger Weise verwirklicht werden recht mit Nein stimmen, obwohl ich die Auffassung kann. In dieser Koalitionsvereinbarung ist die gemein- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20699* same Zielsetzung vereinbart worden, daß diese Kin- Norbert Röttgen, Dr. Christian Schwarz-Schilling, der in jeder Beziehung rechtlich wie deutsche Staats- Dr. Rita Süssmuth angehörige behandelt werden sollen und daß ihnen zur Abstimmung über den Entwurf eine abschließende Option nach Erreichung der Voll- eines Gesetzes zur Erleichterung des Erwerbs jährigkeit ermöglicht und abverlangt werden soll. der deutschen Staatsangehörigkeit Wenn man diese Vereinbarung verwirklichen wi ll, durch Kinder ausländischer Eltern dann entspricht es dem Sinn und dem Geist der Koali- tionsvereinbarung, eine zeitlich bef ristete Mehrstaa- Wir sind der Auffassung, daß der Geburtserwerb tigkeit im Sinne der Optionslösung einzuführen. der deutschen Staatsangehörigkeit für die Kinder von dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben- den Ausländern der beste Weg für ihre Integration Ich möchte eine weitere Verschleppung dieser not- wendigen Lösung politisch nicht verantworten, son- und damit für die langfristige Sicherung des sozialen dern mit meiner Stimmabgabe dazu beitragen, daß Friedens ist. Erst nach Erreichen der Volljährigkeit das verwirklicht wird, was die Koalitionspartner in- müssen sie sich nach unserer Vorstellung zwischen haltlich verabredet hatten. Daher stimme ich für eine der deutschen Staatsangehörigkeit und der Staatsan- Optionslösung, wenn sie beantragt wird, und werde gehörigkeit ihrer Eltern entscheiden. Zu diesem Kon- mich, wenn dafür keine Mehrheit zustande kommt, im zept sehen wir keine vernünftige Alternative. übrigen der Stimme enthalten. Bei der heutigen Abstimmung geht es in Wirklich- keit aber nicht mehr um das Anliegen der Integration und damit nicht um eine Abstimmung in der Sache Wir bedauern, daß die Abstimmung statt dessen zu ei- Sabine Leutheusse-Schnarrenberger (F.D.P.): Als nem Votum über die Mehrheitsfähigkeit der Koalition wesentliches Element zur besseren Integration der gemacht wird. Das wichtige Thema der Reform des in Deutschland lebenden Menschen ausländischer Staatsangehörigkeitsrechts wird dadurch für partei- Herkunft ist eine umfassende Reform des am und machtpolitische Zwecke instrumentalisiert. Wir „Blutsrecht" orientierten deutschen Staatsangehö- wollen angesichts dieser Situation nicht an einer par- rigkeitsrechts von 1913 überfällig. Da der zu Ab- lamentarischen Niederlage der Koalition aus CDU/ stimmung stehende Gesetzentwurf des Bundesrats CSU und F.D.P. mitwirken. Deshalb lehnen wir die In- den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit mit itiativen der Opposition ab. Geburt vorsieht und damit im wesentlichen den Vorstellungen der F.D.P. entspricht, werde- ich den Schließlich ist der Zeitpunkt der heutigen Abstim- Gesetzentwurf nicht ablehnen, sondern mich der mung - im beginnenden Bundestagswahlkampf - Stimme enthalten. falsch und der Sache abträglich. Es schadet dem Anlie- gen der Integration und den demokratischen Parteien, die Ausländerpolitik zum Gegenstand einer polarisie- Mit meinem Abstimmungsverhalten will ich zum renden Wahlkampfauseinandersetzung zu machen. Ausdruck bringen, daß ich nicht bereit bin, mich auf Dafür wollen wir nicht die Verantwortung tragen. ein bloßes Instrument parteitaktischer Erwägungen reduzieren zu lassen. Wir hoffen, daß es in der nächsten Legislaturpe riode zu der von uns vorgeschlagenen Lösung kommt und Wie schon bei der Änderung des Grundgesetzes zur diese von einem breiten demokratischen Konsens ge- Einführung des großen Lauschangriffs das opportuni- tragen wird. stische Taktieren von SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen im Vermittlungsausschuß deutlich gemacht hat, geht es auch hier der Opposition nicht vorrangig um die Sache, sondern um parteitaktische Vorteile. Anlage 7

Ich bin aber auch nicht bereit, mich dem gleicher- Erklärung nach § 31 GO maßen nur parteitaktisch motivierten Ritual der Unter- der Abgeordneten Hans-Dirk Bierling würfigkeit unter eine in ihrer Mehrheit offensichtlich und Wolfgang Engelmann (beide CDU/CSU) reformunfähige CDU/CSU zu beugen. zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. „Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes" (Zusatztagesordnungspunkt 11) Anlage 6 Wir sind gegen das Gesetz zur Änderung des Stra- Erklärung nach § 31 GO ßenverkehrsgesetzes hinsichtlich seiner Neuregelun- der Abgeordneten Peter Altmaier, gen zur Promille-Grenze bei Teilnahme am Straßen- Franz Peter Basten, Rainer Eppelmann, verkehr. Nach unserer Auffassung genügt die nur ge- Horst Eylmann, Ilse Falk, Ulf Fink, ringfügig strafbewehrte Absenkung der Promille Dr. Heiner Geißler, Wilma Glücklich, Grenze von derzeit 0,8 auf 0,5 Promi lle nicht den An- Hermann Gröhe, Claus-Peter Grotz, forderungen für die dringend nötige Erhöhung der Eckart von Klaeden, Andreas Krautscheid, Sicherheit im Straßenverkehr. Täglich werden er- Dr. Hermann Kues, Armin Laschet, hebliche Überschreitungen der derzeit gültigen Pro- Dr. Friedbert Pflüger, Ruprecht Polenz, mille-Grenze gemeldet, in viel zu vielen Fällen mit 20700* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

Unfallfolgen schrecklichen Ausmaßes, zu oft werden Jedermann weiß: Nationale Lösungsansätze zur Be- Unschuldige das Opfer der Zügellosigkeit beim kämpfung internationaler Kriminalität sind naturge- Alkoholgenuß von Verkehrsteilnehmern. Allein am mäß nicht ausreichend. Geboten ist: inte rnationale letzten Wochenende wurden aus Sachsen-Anhalt Zusammenarbeit. Deshalb brauchen wir Europol. Eu- neun Jugendliche bei Verkehrsunfällen getötet. ropol ist neben der Zusammenarbeit im Rahmen von Schengen der wichtigste Baustein der inneren Sicher- Wir wären daher für ein konsequentes Alkoholver- heit in Europa. Es ist die polizeiliche Zentralstelle in bot für Straßenverkehrsteilnehmer, also eine Promille Europa für den Informationsaustausch. Es betreibt Grenze Null! Leider ist dafür auch im Deutschen Bun- Verbrechensanalyse. Es unterstützt die nationalen Po- destag keine Mehrheit zu mobilisieren. Ich frage: Wie lizeibehörden in ihrer Arbeit. viele Tote müssen nach unmäßigem Alkoholgenuß im Straßenverkehr noch gemeldet werden, wie viele un- Daher gilt, nach Ratifizierung der Europol-Konven- schuldige Opfer wollen wir noch hinnehmen, wieviele tion und nach Annahme des Auslegungsprotokolls die Jugendliche müssen noch in der vor der Blüte ihres letzte gesetzliche Grundlage für die Arbeitsaufnahme Lebens sterben, bis wir Alkohol im Straßenverkehr von Europol zu verabschieden. Und das ist die Immu- ebenso konsequent verbieten wie Drogen?! nitätenregelung. Sie muß vor Arbeitsaufnahme von Europol zwingend geschaffen sein; sie ist bereits in Wir wissen wohl, daß eine Null-Promille-Grenze die der vom Bundestag ratifizierten Europol-Konvention Zügellosigkeit nicht total beseitigen kann, daß es vorgesehen. Unsere europäischen Pa rtner verlangen auch in der früheren DDR mit ihrer Null-Promille- sie. Namentlich auch die für ihre Liberalität gerühm- .Grenze Übertretungen des Alkoholverbotes und alko- ten Partnerländer Schweden und die Niederlande ha- holbedingte schwerste Verkehrsunfälle gab. Aber: ben dem Immunitätenprotokoll bereits zugestimmt. Eine Null-Promille-Grenze senkt die Hemmschwelle, jeder Verkehrsteilnehmer weiß um die Deutlichkeit Angesichts dessen haben wir keine Alte rnative. Wir dieser Grenze, die „Na, dieses eine Glas mehr wird müssen dem Protokoll zustimmen. Alles andere wäre schon noch verkraftet" -Mentalität wird reduziert. schließlich widersprüchlich: Wenn auch die Immuni- Übrigens: In der DDR-Zeit fühlten wir uns durch so tätenregelung eine Forderung unserer europäischen manches Gesetz und manche Repression unterdrückt! Partner darstellt, die Einrichtung von Europol beruht - Die Null-Promille-Grenze zählten wir nicht dazu! auf deutscher Initiative. Da wir aber wissen, daß für eine Null-Promille- Wenn wir auch gern mehr gehabt hätten - ein euro- Grenze eine Mehrheit bisher nicht zu finden- ist, wer- päisches FBI -, wollen wir doch keine Regelungen, die den wir den Einspruch des Bundesrates zur 0,5-Pro- sachwidrig und verfassungswidrig sind. Aber das Eu- mille-Grenze ablehnen, um wenigstens diesen klei- ropol-Immunitätenprotokoll verstößt nicht gegen un- nen Schritt in die richtige Richtung zu ermöglichen. sere Verfassung. Es ist auch - zumindest zur Zeit - nicht sachwidrig. Die Anhörung zum Immunitäten- Wie oft in der Politik, ist auch auf diesem Feld das protokoll im Innenausschuß hat eine seltene Klarheit Wünschenswerte nicht auch das Machbare, deshalb gebracht. Nicht ein Sachverständiger hat durchgrei- besser eine schwache 0,5-Grenze als weiter 0,8. - Des- fende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das halb lehnen wir den Bundesrats-Einspruch ab. Protokoll selbst vorgetragen. Der Europol-Koordinator Jürgen Storbeck hat die Notwendigkeit der Regelung deutlich gemacht: So- lange in Europa kein einheitliches Straf- und Strafpro- zeßrecht besteht, muß der Europol-Mitarbeiter vor Anlage 8 Verfolgung geschützt sein. Außerdem: Europol besitzt keine exekutiven Befugnisse, und Europol beschränkt Zu Protokoll gegebene Reden sich auf die Informationsverarbeitung. Darüber hin- Zu Tagesordnungspunkt 15 aus wird Immunität nur mit bedeutenden Einschrän- (Europol-Immunitätenprotokollgesetz) kungen gewährt, gilt sie nicht für die Erweiterung von Europol-Befugnissen und auch nicht bei Verletzung von Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflich- Erwin Marschewski (CDU/CSU): Wir leben jetzt ten. in der Gemeinschaft der Europäer, der Europäi- schen Union. Wir können durch Frankreich und Damit zeigt sich, daß Immunität nur mit den gebote- Spanien nach Portugal fahren. Wir werden an kei- nen Einschränkungen gewährt wird: im praktisch be- ner Grenze kontrolliert. Das ist gut so. Das wollen deutsamen Anwendungsfall der Verletzung von Ge- wir. heimhaltungspflichten. Es gibt die Möglichkeit auch der strafrechtlichen Verfolgung von Europol-Bedien- Leider aber profitieren von den offenen Grenzen in steten. Europa auch Kriminelle, namentlich die organisiert Kriminellen. Es profitiert: die grenzüberschreitende, Dennoch seien kritische Anmerkungen gestattet. internationale, gewerbsmäßige Kriminalität von Ban- Erstens. Ist eine herkömmliche Immunitätenregelung den: Rauschgift, Nuklearmaterial, Frauenhandel. Kri- angesichts der fortgeschrittenen Integration Europas minalität macht erfahrungsgemäß an Staatsgrenzen noch zeitgemäß? Zweitens. Wiegen die Gründe für nicht halt. Deshalb müssen wir gegensteuern. Denn Immunitätsregelungen, wie sie in der Vergangenheit wir wollen ein „Europa der Bürger" , ein Europa, in bei supranationalen Organisationen geschaffen wur- dem sich der Bürger frei bewegen kann, aber auch si- den, noch wie früher? Sicher nicht! Um so mehr war es cher leben kann. richtig, daß es auf deutsche Initiative zu den darge- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20701* stellten Einschränkungen bei der Immunitätenrege- Am 20. Januar 1998 hat der federführende Innen- lung gekommen ist. ausschuß eine Sachverständigenanhörung durchge- führt. Der rechtsstaatsfeindlicher Umtriebe schwer- Nach alledem: Fragen um die Immunitätenrege- lich zu verdächtigende Generalbundesanwalt Kay lung dürfen nicht dazu mißbraucht werden. Die Ar- Nehm hat in dem von ihm vorgetragenen Gutachten beitsaufnahme von Europol in Frage zu stellen. Das zutreffend festgestellt: nützte nicht den Bürgern, sondern nur den Gangstern. Denn wir wollen ein Europa ohne Grenzen. Wir brau- „In einem zusammenwachsenden Europa bedeu- chen dann aber auch eine Polizei, die nicht an den na- tet strafrechtliche Immunität für eine Exekutivbe- tionalen Grenzen haltmachen muß. Geboten ist inter- hörde, auf der Ebene polizeilicher Tagesarbeit, ei- nationaler Datenaustausch. Geboten ist die gemein- nen Anachronismus. Deren vielfältige Begrün- same europäische Analyse der Bedrohungslage. dung überzeugt mich wenig. Die Gefährdung der Diese Arbeit wird Europol verrichten. Deshalb brau- Funktionsfähigkeit z. B. müßte auch für na tionale chen wir das Europol-Immunitätenprotokoll. Denn wir Strafverfolgungsbehörden in gleicher Weise gel- müssen bei der Bekämpfung schwerster Formen der ten. Tatsächlich war aber z. B. die Bundesanwalt- Kriminalität alle Mittel einsetzen, die der Rechtsstaat schaft nie der Gefahr ausgesetzt, durch Strafan- uns bietet, besser: gebietet. zeigen in ihrer Arbeit behindert zu werden. " Europol muß schnellstens mit der Arbeit beginnen. Der bislang ebenfalls nicht als Revolutionär in Er- Daher stimmt die CDU/CSU dem Immunitätenproto- scheinung getretene Direktor des Heidelberger Max- koll zu. Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Herr Professor Frowein, hat in dem Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Die SPD-Bundes von ihm vorgelegten schriftlichen Gutachten den unzu- tagsfraktion engagiert sich seit vielen Jahren für reichenden Rechtsschutz gegen eventuelle Rechtsver- Europol. Sie hat in dieser Woche im Rahmen der stöße von Europol-Bediensteten als gravierendes Pro- Ausschußberatungen einer Reihe von Bestimmun- blem herausgearbeitet. Zusammenfassend hat er fest- gen zugestimmt, die von der Kommission der Euro- gestellt: päischen Union erarbeitet worden sind und die „Es ist bereits zweifelhaft, ob das Rechtsschutzsy- künftige Arbeit von Europol regeln sollen. Dabei stem angesichts der Bedenken hinsichtlich der handelt es sich beispielsweise um Bestimmungen Gemeinsamen Kontrollinstanz und der ein- über die externen Beziehungen von Europol zu EU- geschränkten Effektivität der Durchsetzung des Stellen oder um Regelungen über die- Entgegen- Auskunftsanspruchs die grundsätzlichen Anfor- nahme der von Drittstaaten und Drittstellen gelie- derungen der Europäischen Menschenrechts- ferten Informationen durch Europol. Wir haben konvention an den Ersatzrechtsschutz durch zwi- durch unser Abstimmungsverhalten deutlich ge- schenstaatliche Organisation erfüllt. " macht, daß wir Europol nach wie vor für notwendig erachten, nicht zuletzt deshalb, weil die grenzüber- Trotz dieser und anderer Bedenken haben uns alle schreitend operierende Organisierte Kriminalität nur Sachverständigen mit nur einer Ausnahme nahegelegt, durch eine grenzüberschreitende Vernetzung poli- die Immunitätenregelung vorübergehend hinzuneh- men, um die nach Artikel 45 Absatz 4 des Europol-Über- zeilicher Erkenntnisse und eine Verbesserung der einkommens festgelegte Voraussetzung für die Tätig- grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wirkungs- keitsaufnahme des Amtes herbeizuführen. Das bedeu- voll bekämpft werden kann. tet aber auch, daß die Kritik an der Immunitätenrege- Eine ganz andere Frage ist es aber, ob Europol-Be- lung keineswegs als erledigt betrachtet werden kann. amte die ihnen im Immunitätenprotokoll zugesicherte Die SPD-Bundestagsfraktion hat ihre Auffassung in „Immunität von jeglicher Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen in Ausübung ihres Amtes vorgenomme- dem vorgelegten Entschließungsantrag noch einmal ausführlich begründet. Ich beziehe mich darauf und nen mündlichen und schriftlichen Äußerungen sowie stelle fest, daß wir in einem Punkt durchaus mit dem Handlungen" erhalten sollten, und das auch noch von der Mehrheitskoalition vorgelegten Entschlie- nach Beendigung ihrer Tätigkeit. Bei der ersten Le- ßungsantrag übereinstimmen. Ich meine die Auffor- sung des Protokolls am 27. November 1997 hat mein Kollege Hans-Peter Kemper zutreffend ausgeführt: derung an die Bundesregierung, die Frage der Ge- währung von Immunitäten nicht nur bei Europol, son- „Polizeibeamte sollten keine Immunität genie- dern auch bei anderen europäischen Einrichtungen ßen. Polizeiliches Handeln muß überprüfbar und zu überprüfen und Immunität nur noch zu gewähren, transparent sein. Immunität, und sei sie auch soweit dies angesichts der fortschreitenden Integra- noch so eingeschränkt, schürt Mißtrauen in poli- tion der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union zeiliche Maßnahmen und schadet so auch den zwingend erforderlich ist. handelnden Polizeibeamten und der Ins titution Europol. " Diese Forderung ist um so berechtigter, als die Im- munität auch in anderen Bereichen der Europäischen Deshalb haben wir die Bundesregierung mehrfach Union inzwischen kritisiert wird. Ich will an dieser und frühzeitig aufgefordert, sich um Nachverhand- Stelle nur auf die Zeitungsberichte verweisen, wo- lungen des Protokolls zu bemühen. Trotz entspre- nach die von uns gemeinsam für notwendig gehaltene chender Aufforderungen des federführenden Aus- Bekämpfung von Subventionsbetrügereien anschei- schusses blieb Innenminister Kanther untätig, angeb- nend dadurch wesentlich erschwert wird, daß an die- lich wegen fehlender Erfolgschancen. Untätigkeit sen Straftaten möglicherweise beteiligte EU-Bedien- wird zum Merkmal der Bundesregierung. In diesem stete Immunität genießen. Was nützt es eigentlich, Fall kommt eine Mißachtung des Parlaments hinzu. daß wir der Kommission in Brüssel eine eigene Ermitt- 20702* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 lungskompetenz zum Schutz der finanziellen Interes- Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor sen der Gemeinschaft und damit letztlich der Interes- fünf Monaten hat die Mehrheit dieses Hauses mit sen der Steuerzahler in allen Mitgliedsländern zuge- der Ratifizierung der Europol-Konvention grünes standen haben, wenn die notwendigen Ermittlungen Licht für ein europäisches Kriminalamt gegeben. durch Immunitätsregelung erschwert werden. Dabei Unberücksichtigt blieb dabei die breite Kritik von macht es gar keinen Unterschied, ob der Schaden Wissenschaft und Praxis an dem Übereinkommen. durch rechtswidrig gewährte und erlangte Subventio- Die geplante Polizeibehörde untersteht ausdrücklich nen und vergleichbare Straftaten in jedem Jahr zwei „keinerlei Weisung", steht nicht unter üblicher Milliarden oder sogar, wie gelegentlich behauptet Sachherrschaft der Staatsanwaltschaft und ist nicht wird, mehr als zehn Milliarden Ecu beträgt. Die Auf- in reguläre EU-Strukturen eingebunden. klärung und Bekämpfung derartiger Straftaten darf durch Immunitätsregelungen nicht behindert oder Gleichwohl will die Koalition diesem Amt und sei- auch nur verzögert werden. nen Bediensteten nun auch noch „Immunität von jeg- licher Gerichtsbarkeit" zuerkennen. „Kritiklos und Was die Immunität für Polizeibeamte angeht, ist es blindlings" - Hirsch - wurden für Europol Vorrechte schwer verständlich, daß dieselben Beamten, die für übernommen, wie sie für Diplomaten und Bedienstete die Beachtung und Durchsetzung der in Europa gel- internationaler Organisationen gelten. Anders aber tenden Strafgesetze zuständig sein sollen, selbst über als für Diplomaten müssen Regelungen für hoheitlich diesen Gesetzen stehen sollen, wenn auch mit gewis- handelnde Polizisten den aktuellen nationalen Stan- sen Ausnahmen. Nach unserem Verständnis ist auch dards angepaßt sein. Es gibt in den europäischen De- die Polizei, wie es in Artikel 20 Absatz 3 unseres mokratien keine von strafrechtlicher Verantwortung Grundgesetzes vorgeschrieben ist, an Recht und Ge- freigestellte Polizei. Das muß Standard auch für Euro- setz gebunden. Zwischen dem Entschließungsantrag pol sein. der Regierungskoalition und dem von uns vorgeleg- Wie wollen Sie, meine Damen und Herren von der ten Entschließungsantrag gibt es einen wesentlichen Koalition, einem Bürger erklären, daß er Rechtsschutz Unterschied, der sich auch in unserem Abstimmungs- zwar gegen eine Straftat nationaler Polizeibeamte er- verhalten ausdrücken wird. langen kann, nicht aber gegen das gleiche Delikt ei- nes Europolizisten? Die kritische Debatte im schwedi- Die Koalition begnügt sich mit der Forderung, daß schen Reichstag und in anderen Staaten über die Im- künftige Änderungen des Protokolls keineswegs dazu munität widerlegt die Behauptung der Bundesregie- führen dürfen, daß Europol-Bedienstete in Zukunft rung, bei den Bedenken gegen die Immunität handele - bei exekutiven, den Eingriffsbefugnissen der nationa- es sich um eine singuläre deutsche Aufgeregtheit. Die len Behörden der Mitgliedstaaten vergleichbaren Bundesregierung versucht mit der Behauptung zu be- Handlungen strafgerichtlich Immunität in Anspruch schwichtigen, wenn Europol in fünf Jahren exekutive nehmen. Die SPD-Bundestagsfraktion forde rt darüber Befugnisse erhalte, werde auch die Immunität einge- hinaus, daß es Ziel künftiger Verhandlungen sein schränkt. Mit derlei Schönfärberei soll den Menschen muß, auch die bisherigen Regelungen zurück- offenbar Sand in die Augen gestreut werden. zuführen. Wir halten es für eine I llusion, die Erstrek- kung einer einmal eingeführten Immunitätsregelung Denn: Erstens handelt es sich bei der geplanten auf künftige operative Befugnisse verhindern zu kön- Verarbeitung sensibler Daten, etwa über politische nen, wenn die Kritik an der jetzt vorgesehenen Rege- oder sexuelle Präferenzen, auch gänzlich unverdäch- lung nicht ernst genommen oder nur halbherzig vor- tiger Menschen, weder um harmlose noch um nur getragen wird. operative Befugnisse. Vielmehr übt Europol von An- fang an damit sogar exekutive Grundrechtseingriffe Nach unserer Auffassung muß es Ziel der Revisions- aus. Folglich müßte die Bundesregierung, wenn bemühungen sein, künftig keinen Unterschied zwi- sie ihre eigene Formel „Je mehr Befugnisse - desto schen den nationalen Polizeien und Europol zu ma- weniger Immunität" ernstnähme, wie meine Fraktion chen, soweit es um die Rechtsstellung der Bedienste- bereits heute gegen die umfassende Immunität stim- ten geht. Wir halten eine Revision auch deswegen für men. unverzichtbar, weil zum einen dem von polizeilichen Zweitens könnten laut dem designierten Europol Maßnahmen betroffenen Bürger die unmittelbare An- Leiter Storbeck insbesondere amtliche Datenüber- rufung des Europäischen Gerichtshofs versperrt mittlungen an unbefugte Personen straflos bleiben. bleibt. Zum anderen fehlt auch eine parlamentarische Ja, dies sei sogar entscheidender Zweck der Immuni- Kontrolle auf europäischer Ebene. Das Europäische tät. Das ist um so mehr Anlaß, die Immunität heute Parlament kann zwar zu Vorgängen im Zusammen- nicht, wie vorgeschlagen, zu billigen. hang mit Europol Position beziehen. Mitent- scheidungsrechte hat es aber nicht. Drittens. Auch nach der Übertragung operativer Be- fugnisse binnen fünf Jahren wird die Immunität nicht Wir wollen, daß dies geändert wird. Deshalb wer- etwa automatisch reduziert, sondern soll lediglich den wir dem Immunitätenprotokoll nicht zustimmen. „überprüft" werden. Das Ergebnis dieser Überprü- Andererseits wollen wir die Tätigkeitsaufnahme von fung ist allerdings völlig offen. Selbst wenn am Ende Europol nicht verhindern. Deshalb können wir unsere dieses absehbar kurzen Zeitraums die Vorrechte ver- Kritik am Immunitätenprotokoll nur durch Stimment- ringert werden sollten, spräche erst recht nichts dafür, haltung zum Ausdruck bringen. Wir wollen so, trotz diese Privilegien heute in viel weiterem Umfang zuzu- unserer grundsätzlichen Unterstützung des Projekts billigen. Einmal erteilte Befreiungen später wieder zu Europol, die Ernsthaftigkeit unserer Kritik an der reduzieren, ist ungleich schwerer, als sie gar nicht erst Immmunitätenregelung unterstreichen. einzuräumen. Zur Warnung mag dienen, daß Herr Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20703*

Storbeck heute schon über eine Erstreckung der Im- Dies mag richtig sein. Gleichwohl wäre uns die Zu munität auf nationale Polizeien laut nachdenkt. Stimmung zum Immunitätenprotokollgesetz leichter gefallen, wenn die Bundesregierung den in erster Le- Bündnis 90/Die Grünen werden heute gegen die sung von vielen Rednern geäußerten Wunsch auf vorgeschlagene Immunität und auch gegen die be- Nachverhandlungen respektiert hätte. gleitenden Entschließungen stimmen. Das Problem wird nämlich nur in die Zukunft verschoben. Heute Somit bleibt nur ein einziges Argument, das es uns müssen die notwendigen Nachverhandlungen mit ermöglicht, heute doch zuzustimmen. Der Bundesin- den EU-Staaten fortgesetzt werden. Wer behauptet, nenminister hat mit Schreiben vom 13. Februar 1998 hierfür sei keine Zeit, weil Europol zum 1. Juli aktiv ausdrücklich zugesichert, daß die Bundesregierung werden müsse, sei daran erinnert, daß die Behörde un- bei Übertragung exekutiver Befugnisse einer neuen ter anderem Namen ohnehin bereits seit drei Jahren Europol-Immunitätenregelung nicht mehr zustimmen tätig ist, dies auch während einer Prüfung der Immu- wird. Ohne diese Zustimmung kann es aber wegen nität bliebe und sogar auch noch laufend expandie rt. der erforderlichen Einstimmigkeit keine neue Immu- Wer durch Immunität rechtsfreien Raum schafft, fügt nitätenregelung geben. Die jetzige Regelung betrifft der notwendigen Akzeptanz für Bürgerinnen und nur die Tätigkeit von Europol aufgrund der bisher ein- Bürger schweren Schaden zu. Darum können wir ei- geräumten Befugnisse. Diese Befugnisse sind noch so ner Immunität für Polizeibeamte nicht zustimmen. eingeschränkt, daß eine große praktische Relevanz der Immunitätenregelung nicht zu erwarten ist. Wir können daher trotz unserer Bedenken für die Über- Dr. Max Stadler (F.D.P.): Wir wollen Europol, da gangszeit mit der derzeitigen Lösung auskommen. mit die internationale grenzüberschreitende Krimi- nalität besser bekämpft werden kann. Wir wollen, Entscheidend bleibt für uns, daß die Bundesregie- daß Europol alsbald seine Tätigkeit aufgrund des rung in aller Klarheit wissen muß: Wir vertrauen auf Europol-Übereinkommens aufnehmen kann. Dies ist die Aussage des Bundesinnenministers, daß bei Über- nur möglich, wenn auch das Immunitätenprotokoll tragung exekutiver Befugnisse keine strafrechtliche von allen Vertragspartnern gebilligt wird. Deshalb Immunitätenregelung die Zustimmung Deutschlands sieht sich die F.D.P.-Bundestagsfraktion verpflichtet, finden wird. Aus der heutigen Debatte kann die Bun- dem Europol-Immunitätenprotokollgesetz zuzustim- desregierung die Gewißheit in etwaige spätere Ver- men. handlungen mit den Partnerstaaten mitnehmen, daß der Deutsche Bundestag zwar diesmal die praktisch Dies bedeutet nicht, daß wir uns mit dem Inhalt die- noch nicht sehr bedeutsame Regelung passieren läßt, - ses Gesetzes vollständig identifizieren. Im Gegenteil: ein weiteres Mal aber einer strafrechtlichen Immuni- Immunitäten sind ein traditioneller Bestandteil des tätenregelung für Europol-Bedienstete nicht mehr zu- Schutzes von internationalen Organisationen vor Ein- stimmen wird. griffen durch einzelne fremde Staaten. An diesem Vorbild hat man sich bei der Europol-Immunitätenre- Im Gegenteil: Wir fordern die Bundesregierung auf, gelung orientiert. die Frage der Gewährung von Immunitäten sowie die Frage von Ausnahmen der nationalen Besteuerung Je weiter der Integrationsprozeß der Europäischen nicht nur bei Europol, sondern auch bei anderen euro- Union voranschreitet, um so weniger ist aber eine sol- päischen Einrichtungen einer kritischen Überprüfung che Immunitätenregelung, die ja gewissermaßen zuzuführen. Schutz vor den eigenen Mitgliedstaaten der Konven- tion bieten soll, gerechtfertigt. Ulla Jelpke (PDS): Den heutigen Tag kann man Zudem ist die Gewährung von strafrechtlicher Im- bestimmt nicht als Tag der Bürgerinnen- und Bür- munität für Polizeibeamte der deutschen Rechtstradi- gerrechte bezeichnen. Erst verweigert die angebli- tion völlig fremd. Niemand käme auf die Idee, bayeri- che Bürgerrechtspartei F.D.P. der Reform des Staats- schen Polizeibeamten Immunität gegenüber den angehörigkeitsrechts die Zustimmung. Jetzt hilft sie Strafverfolgungsorganen des Bundes einzuräumen. Europol auf die Beine und sagt damit dem Grund- Niemand käme auf die Idee, Polizeikräften des Bun- recht auf informationelle Selbstbestimmung zumin- des strafgerichtliche Immunität zuzubilligen. dest in Teilen adé. Die Ratifizierung des Immunitä- tenprotokolls ist Voraussetzung dafür, daß Europol Unserer Rechtstradition entspricht es vielmehr, daß seine Arbeit im Sommer aufnehmen kann. Für die auch Polizeibeamte ganz selbstverständlich für et- F.D.P. ist dies Grund genug, all ihre Kritik an die- waige im Dienst begangene Straftaten ohne weiteres sem Protokoll hintan zu stellen und Koalitionsräson verfolgt werden können. Dieselbe Rechtslage ist für zu demonstrieren. die europäische Ebene anzustreben. Auch die SPD hat ihre Gegnerschaft aufgegeben, Deswegen war es der Wunsch fast aller Redner, die man will in Wahlkampfzeiten schließlich nicht zum in erster Lesung in diesem Gesetz gesprochen haben, europapolitischen Blockadepunkt werden. daß die Bundesregierung die Streichung der straf- rechtlichen Immunität zum Gegenstand von Nachver- Gäbe es auch nur einen Hauch demokratischer Ver- handlungen mit den Partnerstaaten machen sollte. fahrensweise in der europäischen Innenpolitik, wären sowohl das Europäische als auch die nationalen Parla- Dies ist nicht geschehen. Die Bundesregierung hat mente frühzeitig mit Europol und seinen Zusatzproto- auf die Aussichtslosigkeit von Nachverhandlungen kollen befaßt worden. Ein Polizeiamt wäre in dieser verwiesen, da in den Partnerstaaten die Immunitäten- Form mit Sicherheit nicht zustande gekommen. Euro- problematik anders gesehen wird als bei uns. pol ist ein beredtes Beispiel für mangelnde demokrati- 20704* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 sche Strukturen in dieser Europäischen Union, na- Für eine Verletzung von Verschwiegenheits- und mentlich ihrer dritten Säule. Geheimhaltungspflichten beim Umgang mit Bürger- Daten sind Europol-Bedienstete uneingeschränkt Wenig Glauben vermag ich Ihrer Beteuerung verantwortlich. Da die Tätigkeit von Europol auf die schenken, Herr Minister Kanther, für die Bundesre- Informationsverarbeitung beschränkt bleibt, deckt gierung komme - ich zitiere aus Ihrem B rief an den diese Ausnahme alle strafrechtlich relevanten Fälle Kollegen Stadler vom 12. Februar 1998 - „ die Gewäh- ab. Soweit die Europol-Mitarbeiter als Privatperso- rung von strafgerichtlicher Immunität für die Europol nen handeln, unterliegen sie ohnehin ohne jede Ein- Bediensteten bei Übertragung exekutiver Befugnisse schränkung der nationalen Gerichtsbarkeit. nicht in Betracht" . Die im Amsterdamer Vertrag fest- geschriebenen operativen Befugnisse haben Sie da- Immunität bedeutet nicht Straffreiheit. Die Immuni- mit offenkundig nicht gemeint, sonst würde sich die tät ist aufzuheben, wenn sie verhindern würde, daß Ratifizierung des Protokolls nicht mehr lohnen. der Gerechtigkeit Genüge geschieht und eine Schädi- gung der Interessen von Europol nicht zu erwarten ist. Was verstehen Sie denn unter exekutiven Befugnis- Der Europol-Direktor oder der Europol-Verwaltungs- sen? Europol wird eine gigantische Sammelstelle per- rat haben hier nicht das letzte Wo rt. Vielmehr ent- sonenbezogener Daten, auch zu sensibelsten Fragen scheidet bei Streitigkeiten über eine verweigerte Auf- wie der persönlichen Weltanschauung oder sexuellen hebung der Rat. Die Bundesregierung wird sich im Rat Vorlieben. Damit greift Europol tief in das informatio- ausdrücklich dafür einsetzen, daß die Verweigerung nelle Selbstbestimmungsrecht der einzelnen ein. Eu- der Immunitätsaufhebung auf Ausnahmefälle be- ropol hat längst exekutive Befugnisse, und Ihre Be- schränkt bleibt. teuerungen, Herr Minister, sind das Papier nicht we rt, auf dem sie geschrieben sind. In den Ausschußberatungen des Bundesrates wurde bereits zu Recht darauf hingewiesen, daß - Wir lehnen das Europol-Immunitätenprotokoll ab. zum Teil mit der ausdrücklichen Zustimmung des Deutschen Bundestages - auch andere Angehörige Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes von europäischen wie internationalen Einrichtungen minister des Innern: Das Europol-Immunitätenproto- Immunitäten erhalten haben. koll ist bereits mehrfach im Parlament erörtert wor- Der Bundesrat hat nach sorgfältiger Prüfung der den. Während der Beratungen des Europol-Geset- Materie im ersten Durchgang keinerlei Einwände er- zes, das inzwischen in Kraft ist, konzentrierten sich hoben. die Beratungen auf die an sich gar- nicht gegen- ständlichen Immunitäten. Das Protokoll entspricht internationalem Standard, weswegen die teilweise aufgeregte Debatte in Es sind eine Reihe von Bedenken gegen das Proto- Deutschland in anderen Staaten keinen Widerhall ge- koll geäußert worden. Der Innenausschuß hat schließ- funden hat. lich im Januar eine öffentliche Anhörung durchge- führt. Die Experten haben weitgehend übereinstim- So hat der Vorsitzende des Innenausschusses, Herr mend keine Bedenken gegen Immunitäten für Euro- Dr. Penner, nach einem Gespräch mit der Kommission pol in seiner gegenwärtigen Konzeption als Daten- in Brüssel von europaweitem Unverständnis über die sammelstelle vorgetragen. Lediglich für den Fall von derzeit in Deutschland geführte Debatte berichtet und erweiterten Befugnissen für Europol haben die Sach- darauf hingewiesen, daß das Immunitätenprotokoll verständigen die Immunitäten abgelehnt. bereits in den Niederlanden und Schweden - auch Finnland hat das Protokoll bereits umgesetzt - ohne In diesem Zusammenhang stelle ich noch einmal jedwede Beanstandung ratifiziert wurde. Die Ergeb- klar: Das Immunitätenprotokoll gilt nur für die derzei- nisse einer Informationsreise des Innenausschusses tigen Aufgaben von Europol als Datensammelstelle. durch mehrere europäische Staaten im September Im Falle einer veränderten Aufgabenstellung von Eu- 1997 bestätigen dieses Bild. ropol muß die Immunitätsfrage neu verhandelt wer- den. Ohne eine vorherige Änderung des Immunitä- Das Protokoll sollte deshalb vom Bundestag jetzt tenprotokolls, die einstimmig erfolgen muß, werden rasch verabschiedet werden, um den Weg für eine die jetzt eingeräumten persönlichen Immunitäten für schnelle Tätigkeitsaufnahme von Europol freizuma- die neuen Kompetenzen also nicht automatisch wei- chen. tergelten. Und es ist sichergestellt, daß so verfahren wird! Deshalb kein Raum für das früher geäußerte Mißtrauen.

Der Bundesregierung ist es auch gelungen, im Pro- Anlage 9 tokoll wesentliche Einschränkungen insbesondere der strafgerichtlichen Immunitäten durchzusetzen, Erklärungen nach § 31 GO die die Anwendbarkeit des Protokolls in der Praxis auf zur Abstimmung über den Entwurf wenige Ausnahmefälle beschränken werden. Ledig- eines Europol-Immunitätenprotokollgesetzes lich für in Ausübung des Amtes vorgenommene (Tagesordnungspunkt 15) Handlungen wird Immunität gewährt. Die tägliche Amtstätigkeit einer solchen Datensammelstelle wird sich dabei am Schreibtisch abspielen. Europol wird Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P.): Ich deshalb nicht in unmittelbaren Kontakt mit einzelnen lehne den Gesetzentwurf ab, der Europol-Beamten Bürgern treten oder gar als staatliches Vollzugsorgan strafrechtliche Immunität hinsichtlich der von ihnen handeln. in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Äuße- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20705* rungen und Handlungen im Rahmen der Europol Anlage 10 Konvention gewährt. Immunität für Polizeibeamte in Europa verstößt gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Amtliche Mitteilungen So selbstverständlich polizeiliche Tätigkeit auf natio- naler Ebene nicht der gerichtlichen Überprüfung ent- Der Bundesrat hat in seiner 722. Sitzung am 6. März zogen wird, so selbstverständlich muß dies auch für 1998 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zu- die Europol-Beamten gelten. zustimmen bzw. einen Antrag gemäß A rtikel 77 Ab- satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: Das Vertrauen der Menschen in die Polizei geht ver- - Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psycho- loren, wenn ihre Tätigkeit nicht überprüfbar und therapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsycho- transparent ist. Die überhaupt nur unter sehr engen therapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozial- Voraussetzungen mögliche Aufhebung der Immunität gesetzbuch und anderer Gesetze durch den Direktor von Europol, der dabei die Interes- - Neuntes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialge- sen von Europol entscheidend zu berücksichtigen hat, setzbuch (Neuntes SGB V-Änderungsgesetz -9. SGB V- ist letztlich gerichtlich nicht überprüfbar. Damit wird ÄndG) die gesamte Institution Europol weitestgehend der ge- - Fünftes Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes richtlichen Kontrolle entzogen. Gilt die Immunitäten- (5. SGG-ÄndG) regelung erst einmal für die schon jetzt umfangrei- - Gesetz zur Änderung des Raumfahrtaufgabenübertragungs- chen Kompetenzen von Europol zur Sammlung und gesetzes Verabeitung auch höchstpersönlicher Daten sowie - Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktien- der entsprechenden Zusammenarbeit mit nationalen gesetz - StückAG) Polizeien, so ist davon auszugehen, daß die Immunität - Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem internationalen erst recht bei operativen Befugnissen von Europol ein- Strafgerichtshof für Ruanda (Ruanda-Strafgerichtshof-Ge- gefordert wird, die nach dem Vertrag von Amsterdam setz) Europol in den nächsten Jahren übertragen werden. - Zweites Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und Jetzt wird mit der Immunitätenregelung eine falsche anderer handwerksrechtlicher Vorschriften Weichenstellung vorgenommen, die kaum änderbar - Gesetz über die Statistik der Bautätigkeit im Hochbau und sein wird. Dem kann ich nicht zustimmen. Auch ohne die Fortschreibung des Wohnungsbestandes (Hochbaustati- die Ratifizierung des Immunitätenprotokolls kann Eu- stikgesetz - HBauStatG) ropol weiterarbeiten. - Gesetz zu dem Abkommen vom 31. Oktober 1996 zur Ände- rung des Abkommens vom 8. Ap ril 1960 zwischen der Bun- - desrepublik Deutschland und dem Königreich der Nieder- Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Ich stimme dem Ge lande über niederländische Kriegsgräber in der Bundesrepu- setzentwurf nicht zu, weil ich das Immunitätenpro- blik Deutschland (Kriegsgräberabkommen) tokoll für einen schweren Verstoß gegen die rechts- - Gesetz zu dem Vertrag vom 5. Juni 1996 zwischen der Bun- staatlichen Grundsätze unserer Verfassung halte. desrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Altenheim und Eschau Das Protokoll räumt den Europol-Beamten Immuni- tät selbst für vorsätzliche strafbare Handlungen ein, - Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Februar 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Re- die sie im Zusammenhang mit ihrer Amtstätigkeit be- gierung der Republik Kuba über die Seeschiffahrt gehen. Diese Immunität gilt auch nach Beendigung ihrer dienstlichen Tätigkeit weiter. Sie kann zwar vom - Gesetz zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusam- menarbeit vom 23. Januar 1995 zwischen den Europäischen Direktor von Europol aufgehoben werden; er hat aber Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und dafür einen äußerst weiten Ermessensrahmen, und der Republik Kasachstan andererseits seine Entscheidung kann nur mit einer einstimmigen - Gesetz zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusam- Entscheidung des Rates, also eines politischen Gremi- menarbeit vom 22. April 1996 zwischen den Europäischen ums, geändert werden. Eine gerichtliche Überprü- Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und fung durch den Europäischen Gerichtshof oder ir- der Republik Aserbaidschan andererseits gendein anderes Gericht ist nicht möglich. - Gesetz zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusam- menarbeit zur Gründung einer Partnerschaft vom 21. Juni Diese Regelung kann auch nicht mit der Begrün- 1996 zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren dung hingenommen werden, daß den Beamten noch Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan an keine „exekutiven" Möglichkeiten zuständen. Die -dererseits Beamten können zusammen mit nationalen Polizeibe- - Gesetz zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusam- amten zur „Beratung bei den Ermittlungen" auftreten menarbeit vom 28. November 1994 zwischen den Europäi- und sie können in individuelle Rechte durch weitest- schen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits gehende Verdatungen eingreifen, die sich auch auf und der Republik Moldau andererseits den engsten Intimbereich beziehen. - Gesetz zu dem Vertrag vom 22. Dezember 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschl and und der Aserbaidschani- schen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Der Innenausschuß des Bundestages hat zutreffend Schutz von Kapitalanlagen festgestellt, daß die Bundesregierung den Willen des Parlamentes mißachtet hat, indem sie trotz ausdrückli- - Gesetz zu dem Vertrag vom 25. Juni 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschl and und der Republik Georgien cher Aufforderung nicht versucht hat, durch Nachver- über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- handlung die vorliegende Regelung zu verbessern. talanlagen Ich hoffe, daß das Bundesverfassungsgericht als- - Gesetz zu dem Vertrag vom 3. Mai 1996 zwischen der Bundesrepublik Deutschl and und der Republik Kenia über bald Gelegenheit bekommen wird, die Verfassungs- die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- widrigkeit dieser gesetzlichen Regelung festzustellen. lagen 20706* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998

- Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Oktober 1996 zwischen gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Deutschland bei. Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Neueinteilung der Wahlkreise für die Wahl zum Deut- - Gesetz zu dem Vertrag vom 21. September 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Repu- schen Bundestag (Wahlkreisneueinteilungsgesetz - blik Brasilien über die Förderung und den gegenseitigen WKNeuG): Schutz von Kapitalanlagen Der Bundestag hat mit seinem Beschluß über die Wahlkreis- - Gesetz zu dem Vertrag vom 21. März 1996 zwischen der neueinteilung bedauerlicherweise wesentliche Änderungen in Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ecuador der Wahlkreiseinteilung gegenüber den einvernehmlichen über die Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen Empfehlungen der Reformkommission zur Größe des Deut- schen Bundestages (vgl. BT-Drucksachen 13/7950, 13/8270), - Gesetz zu dem Abkommen vom 10. Juli 1995 zwischen der die die Grundlage für eine konsensuale Einigung über die Neu- Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien über einteilung der Wahlkreise bilden sollten, vorgenommen. Dies die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- betrifft insbesondere die Wahlkreiseinteilung in einer Reihe lagen von Ländern, für die sachlich begründete, vom Gesetzentwurf abweichende Vorschläge keine Berücksichtigung gefunden ha- - Gesetz zu dem Abkommen vom 14. Juni 1996 zwischen der ben. Der damit vorgenommene Neuzuschnitt der Bundestags- Bundesrepublik Deutschl and und dem Staat Katar über die wahlkreise orientiert sich damit offensichtlich in etlichen Fällen Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanla- nicht an regionalen und örtlichen Gegebenheiten. gen Der Bundesrat bedauert daher nachdrücklich, daß über die - Gesetz zu dem Vertrag vom 30. April 1996 zwischen der Wahlkreisneueinteilung unter den Fraktionen des Deutschen Bundesrepublik Deutschl and und der Republik Kuba über Bundestages keine Einigung erzielt werden konnte. die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- lagen Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur wei- - Gesetz zu dem Vertrag vom 6. Mai 1996 zwischen der Bun- teren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutsch- desrepublik Deutschland und der Republik Nicaragua über land (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- lagen Der Bundesrat begrüßt die vom Deutschen Bundestag verab- schiedete Regelung des § 7 a Börsengesetz, die unter anderem - Gesetz zu dem Vertrag vom 25. Juni 1996 zwischen der Bun- vorsieht, daß der Inhaber des Nutzungs- und Verwertungs- desrepublik Deutschland und Rumänien über die Förderung rechts eines an einer Wertpapierbörse durch die Börsenord- und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen nung geregelten elektronischen Handelssystems jeder anderen Wertpapierbörse auf deren Verlangen die Einführung des Sy- - Gesetz zu dem Vertrag vom 14. Mai 1996 zwischen der Bun- stems zu angemessenen Bedingungen zu gestatten hat. desrepublik Deutschland und der Republik Venezuela über die Förderung und den gegenseitigen Schutz- von Kapitalan- Der Bundesrat geht davon aus, daß bei der Bestimmung der lagen Angemessenheit der Bedingungen insbesondere folgende Ge- sichtspunkte Berücksichtigung finden: - Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und der Bun- desgebührenordnung für Rechtsanwälte (Gesetz zum Schutz - Faires Verhältnis zwischen dem Preis für die Integration und von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur den möglichen Ertragsaussichten für die jeweilige Wertpa- Verbesserung des Opferschutzes; Zeugenschutzgesetz - pierbörse, ZSchG) - Orientierung an nachvollziehbaren Maßstäben, die auch die - Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisier- Zukunftsentwicklung berücksichtigen, ten Kriminalität - Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und Aus- - Gesetz zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen schluß von Diskriminierung. Krankenversicherung in den neuen Ländern (GKV-Finanz- Dies gilt auch für Verhandlungen über den Zugang zu an- stärkungsgesetz - GKVFG) deren Handels-, Informations- und Abwicklungssystemen und - Gesetz zur Neueinteilung der Wahlkreise für die Wahl zum sonstigen börsenbezogenen Dienstleistungseinrichtungen im Deutschen Bundestag (Wahlkreisneueinteilungsgesetz - Sinne des § 2 a Abs. 1 Börsengesetz. WKNeuG) Der Bundesrat erwartet, daß jeweilige Verhandlungen ohne - Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Verzögerungen zum Abschluß gebracht werden. Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bun- mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 desrat die folgenden Entschließungen gefaßt: der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Auswärtiger Ausschuß Krankenversicherung in den neuen Ländern (GKV-Fi- - Unterrichtung durch die Bundesregierung nanzstärkungsgesetz - GKVFG): Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der West- europäischen Union für die Zeit vom 1. Juli bis 31. De- Der- Bundesrat nimmt zur Kenntnis, daß in A rtikel 7 des GKV zember 1996 Finanzstärkungsgesetzes der Auftrag an den Sachverständi- genrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen formu- - Drucksachen 13/8479, 13/8752 Nr. 1.1 liert ist, in einem Gutachten auch eine Regionalisierung des Ri- -Finanzausschuß sikostrukturausgleichs und der Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung zu untersuchen. - Unterrichtung durch die Bundesregierung Zwischenbericht des Arbeitsstabes Europäische Wirtschafts- Der Bundesrat sieht keine Veranlassung für eine Regionali- und Währungsunion beim Bundesministerium der Finanzen sierung des Risikostrukturausgleichs. Nur mit Hilfe eines über- über die Einführung des Euro in Gesetzgebung und öffent- regionalen Risikostrukturausgleichs können die Beitragssatz licher Verwaltung vom 28. April 1997 unterschiede in der gesetzlichen Krankenversicherung in ei- nem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Für die gleiche - Drucksachen 13/7727, 13/7855 Nr. 1.2 Leistung der Krankenkasse muß bei gleichem Einkommen auch ein vergleichbarer Beitrag erhoben werden. Der überre- - Haushaltsausschuß gionale Risikostrukturausgleich trägt auch zur Herstellung - Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20707*

Ober- und außerplanmäßige Ausgaben im ersten Vierteljahr Finanzausschuß des Haushaltsjahres 1994 Drucksache 13/9086 Nr. 2.63 - Drucksachen 12/7534, 12/7654 Nr. 1.11, 13/725 Nr. 80- Drucksache 13/9668 Nr. 2.10 Drucksache 13/9668 Nr. 2.25 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/9668 Nr. 2.7 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweiten Viertel- Drucksache 13/9668 Nr. 2.35 jahr des Haushaltsjahres 1994 Drucksache 13/9668 Nr. 2.38 - Drucksachen 12/8391, 12/8467 Nr. 1.20, 13/725 Nr. 81- Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/9477 Nr. 2.13 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im dritten Viertel- Drucksache 13/9477 Nr. 2.14 jahr des Haushaltsjahres 1994 Drucksache 13/9477 Nr. 2.16 Drucksache 13/9477 Nr. 2.18 - Drucksachen 13/105, 13/265 Nr. 1.28- Drucksache 13/9477 Nr. 2.19 Drucksache 13/9477 Nr. 2.26 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/9477 Nr. 2.29 Ober- und außerplanmäßige Ausgaben im vierten Viertel- Drucksache 13/9477 Nr. 2.31 jahr des Haushaltsjahres 1994 Drucksache 13/9477 Nr. 2.32 - Drucksachen 13/843, 13/1233 Nr. 1.2 Drucksache 13/9477 Nr. 2.34 Drucksache 13/9668 Nr. 2.2 -Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/9668 Nr. 2.3 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/9668 Nr. 2.5 Drucksache 13/9668 Nr. 2.6 Bericht der Bundesregierung Drucksache 13/9668 Nr. 2.8 Info 2000- Deutschlands Weg Drucksache 13/9668 Nr. 2.11 in die Informationsgesellschaft Drucksache 13/9668 Nr. 2.12 Fortschrittsbericht der Bundesregierung Drucksache 13/9668 Nr. 2.16 - Drucksache 13/8859 - Drucksache 13/9668 Nr. 2.23 Drucksache 13/9668 Nr. 2.24 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/9668 Nr. 2.26 Drucksache 13/9668 Nr. 2.28 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/9668 Nr. 2.30 Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Renten- Drucksache 13/9668 Nr. 2.31 versicherung, insbesondere über die Entwicklung der Ein- Drucksache 13/9668 Nr. 2.32 nahmen und Ausgaben, der Schwankungsreserven sowie Drucksache 13/9668 Nr. 2.34 des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen Drucksache 13/9668 Nr. 2.37 15 Kalenderjahren gemäß § 154 SGB VI Drucksache 13/9668 Nr. 2.41 (Rentenversicherungsbericht 1997) Drucksache 13/9668 Nr. 2.42 Drucksache 13/9668 Nr. 2.43 Gutachten des Sozialbeirats zu den mittel- und langfristigen Voraussetzungen des Rentenversicherungsberichts 1997 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - Drucksache 13/8300 - Drucksache 13/9312 Nr. 1.5 Drucksache 13/9477 Nr. 2.30 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/9668 Nr. 1.1 Lagebericht der Bundesregierung fiber die Alterssicherung Drucksache 13/9668 Nr. 2.21 der Landwirte 1997 Ausschuß für Verkehr - Drucksachen 13/8919, 13/9304 Nr. 5 Drucksache 13/7959 Nr. 2.2 -Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/8615 Nr. 2.31 Drucksache 13/8615 Nr. 2.43 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/8615 Nr. 2.48 Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Seeschiff- Drucksache 13/8615 Nr. 2.84 fahrt in Deutschland - Konzept zur Behandlung der Unter- Drucksache 13/9086 Nr. 1.16 nehmen der deutschen Seeschiffahrt und der Seeleute auf Drucksache 13/9086 Nr. 2.56 Schiffen unter deutscher Flagge Drucksache 13/9477 Nr. 2.21 Drucksache 13/9477 Nr. 2.27 - Drucksachen 13/8298, 13/8507 Nr. 1.13 - Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/6861 Nr. 2.9 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/7706 Nr. 2.15 Umweltgutachten 1996 Drucksache 13/8615 Nr. 2.105 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen Drucksache 13/9086 Nr. 2.48 Zur Umsetzung einer dauerhaft-umweltgerechten Entwick- Drucksache 13/9477 Nr. 2.9 lung Drucksache 13/9668 Nr. 2.22 Drucksache 13/9819 Nr. 2.59 - Drucksache 13/4108- Drucksache 13/9935 Nr. 1.4 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unter- und Technikfolgenabschätzung richtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis ge- nommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Drucksache 13/6129 Nr. 1.22 Drucksache 13/9668 Nr. 2.1 Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/9668 Nr. 2.19 Drucksache 13/8615 Nr. 1.10 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Innenausschuß Drucksache 13/8106 Nr. 1.3 Drucksache 13/8615 Nr. 1.5 Drucksache 13/9086 Nr. 2.51 Drucksache 13/8615 Nr. 1.6 Drucksache 13/8615 Nr. 2.70, 13/9086 Nr. 4 Drucksache 13/9477 Nr. 1.6 Drucksache 13/8615 Nr. 1.11 Drucksache 13/9668 Nr. 2.15 Drucksache 13/9477 Nr. 2.15 Drucksache 13/9477 Nr. 2.22 Rechtsausschuß Drucksache 13/9477 Nr. 2.23 Drucksache 13/725 Nr. 33 Drucksache 13/9477 Nr. 2.28