LEOPOLD-FRANZENS-UNIVERSITÄT INNSBRUCK Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

Der Machtmissbrauch am Tier.

Eine wissenschaftliche und geschichtsdidaktische Aufarbeitung des historischen Kriegseinsatzes von Pferden im Sinne der Human-Animal Studies

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philoso- phie an der Philosophisch-Historischen Fakultät

eingereicht von: Johanna Maier

bei: ao.Univ.-Prof. Dr. Heinz Noflatscher

erstbetreut durch: A. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gabriela Kompatscher-Gufler

Innsbruck, im März 2018

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 3 2. Die Human-Animal Studies (HAS) ...... 4 2.1 Die Entstehung und Ziele der HAS ...... 4 2.2 Die HAS in den Geschichtswissenschaften ...... 9 2.2.1 Erklärungsversuche für das bisherige Fehlen der Tiere im wissenschaftlichen Diskurs ...... 9 2.2.2 Die Entwicklung der historischen HAS im deutschsprachigen Raum ...... 12 2.2.3 Ziele und Methoden der historischen HAS ...... 13 3. Die Sonderstellung des Menschen und ihre Auswirkungen auf die Tiere – ein historischer Überblick ...... 19 4. Pferd und Mensch – eine geschichtsträchtige Verbindung ...... 33 4.1 Domestikation und erste Anfänge des Reitens ...... 34 4.2 Das Pferd im Kriegsdienst des Menschen ...... 38 4.2.1 Altertum ...... 38 4.2.2 Mittelalter ...... 40 4.2.3 Neuzeit bis 1914 ...... 43 4.2.4 Der Erste Weltkrieg als Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd ...... 47 4.2.4.1 Die Vorbereitungen auf den Krieg ...... 47 4.2.4.2 Der Erste Weltkrieg als erster „totaler Krieg“ ...... 49 4.2.4.3 Der Kriegsalltag der Pferde ...... 54 4.2.4.4 Das Pferd im Ersten Weltkrieg – Kamerad oder Ressource? ...... 60 4.2.4.5 Gefallene Pferde im Ersten Weltkrieg und das Erinnern an sie ...... 64 4.2.5 Der Zweite Weltkrieg als weiterer Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd? ...... 74 4.2.6 Exkurs: Tierrechte im Krieg ...... 78 5. Fachdidaktischer Teil ...... 81 5.1 Kompetenzorientierter Unterricht: Kennzeichen, Kompetenzmodelle und Lernen mit Konzepten ...... 81 5.1.1 Bezugnahme auf den aktuellen Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS sowie der AHS Oberstufe ...... 90 5.1.2 Umsetzungsvorschläge für den Unterricht ...... 95 6. Schluss ...... 117 7. Anhang ...... 118 8. Allgemeines Literaturverzeichnis ...... 149 9. Literaturverzeichnis Anhang ...... 155

2

1. Einleitung „Schon seit frühester Zeit ist der Mensch bestrebt, sich das Tier untertan zu machen.“1

Anhand dieses eindrucksvollen Zitats von Holger Müller wird deutlich, welche Grundhaltung wir Menschen gegenüber Tieren haben. Der Mensch weist eine beachtliche Evolutionsge- schichte auf, doch ohne die tierische Hilfe wäre dieser Weg wohl nicht zu bestreiten gewesen. Diese Tatsache wird dabei allerdings nur allzu oft vergessen. Der Mensch profitierte in vieler- lei Hinsicht von den Fähigkeiten der Tiere und nutzte diese deshalb teilweise rücksichtslos für seine Zwecke aus, sei es im technischen, medizinischen oder wirtschaftlichen Bereich. Das Hauptanliegen dieser Arbeit ist es, diesen Machtmissbrauch am Tier durch den historischen Kriegseinsatz von Pferden deutlich zu machen und dabei aufzuzeigen, welche menschlichen Leistungen durch diese Tiere möglich waren. Dabei wird konsequenterweise versucht, die Geschichte aus der Sicht der Tiere zu schildern und somit also einen Perspektivenwechsel im Sinne der Human-Animal Studies (HAS) vorzunehmen. Bezüglich des Forschungsstandes soll angemerkt werden, dass es zwar viele Arbeiten über Menschen und Pferde gibt, dass die meisten allerdings aus einem anthropozentrischen Blickwinkel geschrieben werden und somit die tierische Sicht von Vornherein ausklammern.2 In diesem Punkt unterscheidet sich diese Arbeit grundlegend. Um ein besseres Verständnis für die Hauptanliegen dieser Arbeit zu bekommen, wird im ers- ten Kapitel der Versuch unternommen, ein Profil der HAS zu erstellen. Dabei wird neben einer allgemeinen Einführung in die HAS im Besonderen auf die historischen HAS eingegan- gen. Als Nächstes wird im dritten Kapitel die Sonderstellung des Menschen gegenüber den Tieren und die damit einhergehenden Konsequenzen für Letztere näher beleuchtet. Dieses Kapitel ist insofern wichtig, um verstehen zu können, wie sich die Mensch-Tier-Beziehung im Laufe der Zeit gewandelt hat und was dies für die Tiere, wie in diesen Fall die Pferde, bedeu- tet. Mit diesem Wissen und Verständnis soll dann im Hauptteil dieser Arbeit auf die ge- schichtsträchtige Verbindung zwischen Menschen und Pferden eingegangen werden. Dabei wird versucht, aus der Sicht dieser Tiere die gemeinsame Geschichte nachzuzeichnen, die mit der Domestikation dieses Lebewesens beginnt. Anhand dieser Darstellung soll klargemacht werden, dass die gemeinsame Beziehungsgeschichte durch viele Brüche und leidvolle Erfah-

1 Holger Müller, Tiere als Kostenfaktor in antiken Kriegen, in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 15–33, hier S. 15. 2 Siehe hierzu zum Beispiel Christine Kellner, Das Pferd bewegt die Menschheit. Von der Nutzung des Pferdes von der Domestizierung bis heute, Diplomarbeit, Innsbruck 2012; siehe auch Nadine Breuss, PFERDEstärken. Zum Verhältnis von Pferd und Mensch in pädagogischer Absicht, Diplomarbeit, Innsbruck 2007. 3

rungen für die Pferde geprägt ist und dass deren Kriegseinsatz – insbesondere im Ersten Weltkrieg – den Höhepunkt des menschlichen Machtmissbrauches darstellt. Anschließend daran soll im fachdidaktischen Teil nach einer theoretischen Einleitung und in Bezugnahme auf den aktuellen Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS sowie der AHS Oberstufe ver- sucht werden, die grundlegenden Ansichten dieser Arbeit mit Methoden der historischen HAS im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung unterzubringen und Mög- lichkeiten aufzuzeigen, wo eine Inklusion der Tiere im Unterricht sinnvoll und gewinnbrin- gend für die Schüler/innen ist.

2. Die Human-Animal Studies (HAS) 2.1 Die Entstehung und Ziele der HAS Die HAS sind ein relativ junges Forschungsfeld, das erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Notwendigkeiten heraus entstanden ist. Mehrere Veränderungen, sei es in technischer, ökologischer oder gesellschaftlicher Hinsicht, waren der Grund für den Einzug der Auseinandersetzung des Mensch-Tier-Verhältnisses in die Wissenschaft.3 Dazu zählt zum Beispiel das heutige Umweltbewusstsein, das sich infolge der verändernden Tierhaltungsfor- men herausgebildet hat, weil nachweislich gezeigt werden konnte, welche negativen Folgen beispielweise die Massentierhaltung für unsere Umwelt hat. Auch gesellschaftliche Verände- rungen, wie ein gesteigertes Bewusstsein für die Ungerechtigkeit gegenüber Tieren, sind hier zu nennen; dies schlug sich u.a. in der Tierrechtsbewegung nieder, dessen/deren Vertre- ter/innen sich dafür einsetzten, dass man sich der Situation der Tiere annimmt und alles dafür tut, dass sich daran etwas verbessert. Außerdem können auch verschiedene Paradigmenwech- sel als Grund für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Tier gelten. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts verspürte man nämlich ein verstärktes Interesse, sich wissenschaftlich mit Themen auseinanderzusetzen, die noch ein paar Jahrzehnte zuvor nicht mehr als ein Schattendasein in Bezug auf gängige, wissenschaftlich anerkannte Themen führten. Breitete sich dieses Interesse zunächst auf menschliche Randgruppen aus, schenkte man bald auch den Tieren, die ebenfalls bis dato eine unbeachtete Gruppe in der Wissenschaft waren, verstärkte

3 Gabriela Kompatscher/Reingard Spannring/Karin Schachinger, Human-Animal Studies. Eine Einführung für Studierende und Lehrende. Mit Beiträgen von Reinhard Heuberger und Reinhard Margreiter (utb Kulturwissen- schaften), Münster–New York 2017, S. 17; siehe auch Mieke Roscher, Human-Animal Studies. Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.01.2012, S. 1–15, hier S. 4, [http://docupedia.de/zg/Human-Animal_Studies], eingesehen 16.11.2017. 4

Aufmerksamkeit.4 In diesem Zusammenhang entstand in den 1960er Jahren die Umweltge- schichte. Innerhalb dieser Wissenschaftsdisziplin schenkte man auch den Tieren zum ersten Mal eine erhöhte Aufmerksamkeit aufgrund ihrer engen und wechselseitigen Beziehung mit der Natur, was sich auch auf das Leben der Menschen auswirkte.5 Auch wenn es also zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Tiergeschichtsschreibung gab, erkannte man die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit den Tieren, welche lange genug nicht mehr als eine natürliche Ressource für den Menschen waren. Diese veränderte Sichtwei- se in Bezug auf die Tiere wird als animal turn bezeichnet, worauf später noch genauer einge- gangen werden soll. Weiters können die Science and Technology Studies als Beispiel für eine verstärkte Erforschung der Mensch-Tier-Verhältnisse gelten, da sich diese mit der Wechsel- wirkung von Menschen, Tieren, Technik, Natur, etc. beschäftigen. Dadurch findet eine Ab- kehr vom Menschen als zentraler und einziger Forschungsgegenstand statt. Große Umbrüche in der Biologie trugen ebenfalls dazu bei, dass Tiere nicht mehr als isolierte Forschungsge- genstände gesehen wurden. Dank der Verhaltensforschung wird immer deutlicher, dass Tiere Individuen mit einer ganz eigenen Persönlichkeit sind und sie dem Menschen in vielerlei Hin- sicht ähnlicher sind, als lange angenommen.6 Diese Tatsache trug ebenfalls dazu bei, dass Tiere als würdig erachtet wurden, um in der Wissenschaft eine Auseinandersetzung zu erfah- ren. Auch die zunehmende Entwicklung unserer westlichen Gesellschaft hin zu einer Wohl- standsgesellschaft war mit ein Grund für die notwendige Auseinandersetzung mit dem Tier. Massentierhaltungen, Tiertransporte, das rücksichtslose Ausrotten ganzer Tierarten für Tier- erzeugnisse sind nur einige wenige der negativen Folgen des Kapitalismus für die Tiere. Des- halb wurden in den letzten Jahrzenten auch die Stimmen derer immer lauter, die sich für eine Veränderung der Situation der Tiere einsetzten.7 All jene Veränderungen führten dazu, dass die HAS entstanden und somit ordnen diese sich „in die Tradition jener wissenschaftlichen

4 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 18–19; siehe auch Aline Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede« (Elias Canetti) − Die Geschichtswissenschaft und ihre Auseinandersetzung mit den Tieren, in: Carola Otterstedt/Michael Rosenberger (Hrsg.), Gefährten − Konkurren- ten − Verwandte. Die Mensch-Tier-Beziehung im wissenschaftlichen Diskurs, Göttingen 2009, S. 264–287, hier S. 271–272; siehe auch Mieke Roscher, Geschichtswissenschaft. Von einer Geschichte mit Tieren zu einer Tier- geschichte, in: Reingard Spannring u.a. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen, Bielefeld 2015, S. 75–101, hier S. 77–78. 5 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 272; siehe auch Roscher, Ge- schichtswissenschaft, S. 78. 6 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 19. 7 Ebd., S. 17. 5

Felder ein, die sich parallel zu progressiven sozialen Bewegungen wie der Bürgerrechts-, Frauen- und Umweltschutzbewegung entwickelten“.8

Seit den 1990er Jahren wurden dann verschiedene Fachzeitschriften, Institutionen oder andere Zusammenschlüsse gegründet bzw. ins Leben gerufen und alle trugen dazu bei, dass die HAS mehr und mehr in verschiedenen Disziplinen der Wissenschaft Fuß fassten.9 Bald darauf fan- den auch erste Lehrveranstaltungen zu den HAS in den Universitäten statt.10 Der Ursprung dieser Entwicklungen lässt sich auf den anglophonen Raum (Nordamerika, England, Australi- en, aber auch Neuseeland) zurückführen. Die Auseinandersetzung mit den HAS im deutsch- sprachigen Raum konnte sich erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts durchsetzen.11 Hier waren es zunächst einzelne Personen, die sich für eine Etablierung der HAS einsetzten. Nach und nach wurden auch hier Zusammenschlüsse gebildet, Lehrgänge an den Universitäten einge- richtet sowie Forschungsinstitute geründet. An der Universität Innsbruck gibt es zum Beispiel die Human-Animal-Studies-Forschungsgruppe, welche regelmäßig Lehrveranstaltungen dazu anbietet und auch laufend Publikationen in Form von Beiträgen oder Büchern veröffentlicht, um auf das Thema aufmerksam zu machen und es an eine breitere Bevölkerungsschicht her- anzutragen. Mittlerweile gibt es in verschiedenen Ländern Europas Initiativen zu den HAS, wie beispielsweise in Finnland oder Italien.12 Der stetige Zuwachs an neuen Publikationen, Gründungen, Vereinen, etc. zeigt die Aktualität und auch die Wichtigkeit der HAS im gesell- schaftlichen wie wissenschaftlichen Bereich, auch wenn bis dato erst einzelne Aspekte des Mensch-Tier-Verhältnisses empirisch aufgearbeitet wurden.13

Was die Ziele der HAS anbelangt, so sind diese sehr vielfältig. Wie man bereits aus dem Na- men schließen kann, geht es in erster Linie um die Erforschung der Beziehung zwischen Men- schen und Tieren.14 „Es ist ein beschreibendes, kritischanalytisches, darüber hinaus aber auch ein ethisch motiviertes und handlungsnormatives wissenschaftliches Unternehmen“,15 wie es

8 Reingard Spannring u.a., Einleitung. Disziplinierte Tiere?, in: Reingard Spannring u.a. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen, Bielefeld 2015, S. 13– 29, hier S. 16. 9 Roscher, Human-Animal Studies, S. 2; siehe auch Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Stu- dies, S. 19–20. 10 Ebd., S. 20. 11 Spannring u.a., Einleitung, S. 15. 12 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 20–22. 13 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 270. 14 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 16; siehe auch Roscher, Human-Animal Studies, S. 2. 15 Spannring u.a., Einleitung, S. 15. 6

Spannring/Schachinger/Kompatscher/Boucabeille sehr gut zusammenfassen. Dabei begreifen sie sich laut Mieke Roscher „bewusst als interdisziplinär. Ihr erklärtes Ziel ist das Beschreiten neuer Wege, um Tiere wissenschaftlich zu repräsentieren […]. Dabei schwingen hier einerseits politi- sche Ziele mit, etwa die Anerkennung des Tieres als zu beachtendes Subjekt, anderer- seits erhofft man sich Zugriffe auf menschliche Geschichte“.16

Durch den interdisziplinären Ansatz der HAS werden „alle Aspekte und Dimensionen der Mensch-Tier-Beziehung miteinbezogen: die gesellschaftlichen, sozialen, historischen, politi- schen, kulturellen, biologischen und wirtschaftlichen“.17 Tiere begleiten den Menschen schon seit Jahrtausenden und spielten in der menschlichen Vergangenheit oftmals eine herausragen- de Rolle. Ohne ihren Einsatz würde unser gegenwärtiges Leben völlig anders aussehen. Die HAS wollen diesem Umstand Rechnung tragen. Sie wollen die Rolle der Tiere untersuchen und dabei analysieren, wie sich ihr Leben durch den menschlichen Einfluss gestaltet hat bzw. wie auch das Leben von uns Menschen durch die Tiere beeinflusst wurde.18 Es geht also auch um das „Erforschen und kritische Hinterfragen unserer Beziehungen mit anderen Tieren, des Zusammenspiels und der Wechselwirkung von Menschen und anderen Tieren“.19 Dabei wer- den Tiere als Individuen bzw. Akteure/innen gesehen, die einen intrinsischen Wert haben, d.h. die subjektive Bedürfnisse und eigene Wünsche haben, die auch uns Menschen beeinflussen, wenn sie mit uns interagieren,20 und nicht als notwendige Behelfsmittel, anhand welcher die menschliche Geschichte nachgezeichnet werden kann:21 „Tiere sollen nicht mehr länger nur Statisten einer anthropozentrischen Geschichtsschreibung sein.“22 Im Sinne der HAS werden sie also als „aktiv Mitgestaltende“ und nicht als „passiv Erduldende“23 gesehen, wie es Fenske erklärt. Bei den HAS stehen Tiere also dem Menschen gleichwertig gegenüber. Diese neue, veränderte Sicht auf bestehende und teilweise bisher nicht hinterfragte Ordnungen wird als

16 Roscher, Human-Animal Studies, S. 1. 17 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 26; siehe auch Chimaira Arbeitskreis, Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse und Human-Animal Studies, in: Chimaira − Arbeits- kreis für Human Animal Studies (Hrsg.), Human-Animal Studies. Über die gesellschaftliche Natur von Mensch- Tier-Verhältnissen (Sozialtheorie), Bielefeld 2011, S. 7–43, hier S. 20. 18 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 16; siehe auch Michaela Fenske, Wenn aus Tieren Personen werden: Ein Einblick in die deutschsprachigen „Human Animal Studies“, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde = Archives suisses des traditions populaires (2013), Nr. 2, S. 115–133, hier S. 121, [https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=sav-001:2013:109#138], eingesehen 03.12.17. 19 Spannring u.a., Einleitung, S. 17. 20 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 25; siehe auch Éric Baratay, Le Point de vue animal. Une autre version de l'histoire (L'univers historique), Paris 2012, S. 44. 21 Mieke Roscher, Where is the animal in this text? Chancen und Grenzen einer Tiergeschichtsschreibung, in: Chimaira − Arbeitskreis für Human Animal Studies (Hrsg.), Human-Animal Studies. Über die gesellschaftli- che Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen (Sozialtheorie), Bielefeld 2011, S. 121–151, hier S. 125. 22 Roscher, Human-Animal Studies, S. 2. 23 Fenske, Wenn aus Tieren Personen werden, S. 121. 7

animal turn bezeichnet und hat ihren Ursprung in der Tierethik bzw. dem Tierschutz.24 Die HAS versuchen „das Tier in die Wissenschaft hineinzudenken und zu integrieren […] und grundsätzlich den Platz zu reflektieren, der dem Tier bis dato in der weiteren Wissenschafts- landschaft zugedacht worden ist“.25 Dabei werden keine neuen Forschungsfelder geschaffen, sondern bereits bestehende, wie das Mensch-Tier-Verhältnis, aus einer völlig neuen Sichtwei- se beleuchtet und somit neues Wissen generiert.26

Laut Kompatscher/Spannring/Schachinger ist es eine weitere Zielsetzung der HAS „kulturel- le, philosophische und gesellschaftliche Glaubenssätze und Konstruktionen – z. B. die Mensch-Tier-Grenze oder die Kategorisierungen von Tieren – kritisch zu durchleuchten und bei Bedarf zu dekonstruieren“.27 Damit zielen sie laut Fenske „auf ein Überdenken der aus der Moderne übernommenen menschlichen Selbstkonzepte, Ordnungssysteme und Praktiken“28 ab.

Beschäftigt man sich näher mit den HAS und dem animal turn, so stößt man häufig auf unter- schiedliche Bezeichnungen. Neben den HAS gibt es vor allem im englischsprachigen Raum noch zahlreiche andere Bezeichnungen für die Forschung am Mensch-Tier-Verhältnis, wie die „ (CAS), Animals and Society Studies, Humanimalia, Zooanthropology oder Anthro(po)zoology“29 bzw. auch die Archäozoologie und den Posthumanism.30 Dabei haben alle eine mehr oder weniger differenzierte Ansichtsweise, was das Mensch-Tier- Verhältnis anbelangt. Vor allem im deutschsprachigen Raum haben sich aber die Begriffe CAS, HAS und Animal Studies mit einer Tendenz zu den HAS durchgesetzt.31 Während das primäre Ziel der CAS darin liegt, durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung eine gene- relle Verbesserung für die Tiere zu erzielen, möchten die HAS auf neutralerer Basis forschen können, d.h. sie wollen auch mit Forschungsgegenständen arbeiten können, die die CAS von Grund her ablehnen würden, wie zum Bespiel Statistiken zu Massentierhaltungen. Natürlich soll durch die Arbeit der HAS auch eine Verbesserung der Tiere erwirkt werden, allerdings möchten Vertreter/innen dieser Forschungsrichtung nicht von Vornherein bestimmte Quellen oder Herangehensweisen ablehnen, die für eine genaue Analyse eines bestimmten Aspektes

24 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 23 und 27. 25 Roscher, Human-Animal Studies, S. 2. 26 Ebd.; siehe auch Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 22; siehe auch Chimaira Arbeitskreis, Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse und Human-Animal Studies, S. 27. 27 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 47. 28 Fenske, Wenn aus Tieren Personen werden, S. 118. 29 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 27. 30 Roscher, Human-Animal Studies, S. 3. 31 Spannring u.a., Einleitung, S. 17. 8

der vielschichtigen und komplexen Beziehung zwischen Menschen und Tieren essentiell und wertvoll sind. Im Gegensatz zu den CAS schließen die Animal Studies, ebenso wie HAS, grundsätzlich keine Quellen oder Analysen aus, allerdings liegt bei ihnen der Fokus verstärkt auf den Tieren, wie auch schon der Name vermuten lässt. Wenngleich also gewisse Parallelen zwischen den Animal Studies und den HAS bestehen, so schließen die HAS den menschli- chen Einfluss stärker in ihren Forschungen ein, um damit allgemeinere und für beide Seiten – die menschliche und die nichtmenschliche – relevante Ergebnisse offenlegen zu können.32 In den Animal Studies spielt die Beziehung zwischen Menschen und Tieren keine besonders große Rolle.33 Aus diesem Grund versteht sich diese Arbeit als eine im Sinne der HAS. Den- noch soll durch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Verhältnisses zwischen Mensch und Pferd eine Überdenkung des Umgangs mit diesen und allen anderen Tieren angestrebt wer- den.

2.2 Die HAS in den Geschichtswissenschaften 2.2.1 Erklärungsversuche für das bisherige Fehlen der Tiere im wissen- schaftlichen Diskurs Obwohl die Geschichtswissenschaft mehr als wohl jede andere wissenschaftliche Disziplin den enormen Einfluss der Tiere auf die Menschheitsgeschichte offenlegen könnte, wurde die- ser Aspekt lange Zeit völlig in der deutschen Geschichtsforschung außen vor gelassen und historisch nicht aufgearbeitet.34 Deshalb stellt sich die Frage, warum diese historische Aufar- beitung lange Zeit völlig ignoriert wurde und erst jetzt nach und nach vermehrt in den For- schungsfokus der Historiker/innen aufgenommen wurde. Die Gründe sind dabei sehr vielfältig. Zum einen ist hier sicherlich der Anthropozentrismus zu nennen, der den Menschen ins alleinige Zentrum der Untersuchung stellt.35 Somit gilt es in erster Linie, eine Geschichte von Menschen für Menschen zu schreiben.36 „L’histoire, celle bâtie par les sociétés humaines, est toujours racontée comme une aventure qui ne concerne

32 Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 91–92; siehe auch Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 27; siehe auch Roscher, Human-Animal Studies, S. 3; siehe auch Spannring u.a., Einleitung, S. 18– 19. 33 Roscher, Human-Animal Studies, S. 3 34 Paul Münch, Tiere und Menschen. Ein Thema der historischen Grundlagenforschung, in: Paul Münch/Rainer Walz (Hrsg.), Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, Paderborn u.a. 19992, S. 9–37, hier S. 14; siehe auch Chimaira Arbeitskreis, Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier- Verhältnisse und Human-Animal Studies, S. 22. 35 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 121; siehe auch Baratay, Le Point de vue animal, S. 24. 36 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 264. 9

que l’homme“,37 findet der französische Historiker Éric Baratay klare Worte. Tiere finden dabei nur beiläufig eine Erwähnung, wenn sie in direktem Kontakt mit dem Menschen stan- den oder er auf sie angewiesen war: „In der Regel stand der Mensch in seinen Bezügen zum Tier im Mittelpunkt. Tiere wurden damit häufig eher als Objekte, Artefakte, Projektionsflä- chen oder gar Staffagen menschlichen Handelns betrachtet.“38 Auch Aline Steinbrecher ist der Meinung, dass die „im 19. Jahrhundert aufstrebende historische Forschung […] sich zunächst auf die Analyse politischer und religiöser Machtverhältnisse [konzentrierte]“.39 Sie unter- streicht damit die Hypothese, dass die historische Geschichtsschreibung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts vorwiegend aus einem anthropozentrischen Blickwinkel geschrieben wurde. Es ging also primär darum, aus menschheitsgeschichtlicher Sicht besonders wertvolle Themen, Personen, Prozesse, Ereignisse usw. aufzuarbeiten, um die eigene Geschichte so transparent wie möglich zu machen. Durch diesen verstärkten Fokus war es nur logisch, dass Tieren dabei keine Beachtung geschenkt wurde. Zum zweiten bildet die fehlende Möglichkeit bzw. Fähigkeit der Tiere, schriftliche Quellen zu produzieren, auch einen Hauptgrund für die fehlende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Tier. Dies ist insofern problematisch, weil schriftliche Quellen besonders geeignet sind bzw. gern in der historischen Forschung verwendet werden, weil sie vermeintlich aussa- gekräftigte Rückschlüsse auf die Geschichte geben.40 „Mit der poststrukturalistischen Leseart des linguistic turns auf die Geschichtswissenschaften und den Verlagerungen auf den Text gab es durchaus Schwierigkeiten, Akteure ohne Sprache zum Sprechen zu bringen“,41 stellt Mieke Roscher fest und ortet diesbezüglich gar eine fehlende Bereitschaft in der deutschen Geschichtswissenschaft, die wissenschaftliche Perspektive generell zu ändern: „Eine Wissenschaft, die allein den Text als legitime Basis historiografischer Ausei- nandersetzung anerkennt bzw. bereits die vorsprachlichen Strukturen der (menschli- chen) Diskurse als wegweisend versteht […] wird Tieren wegen ihrer scheinbaren Nonverbalität ihre Geschichte versagen.“42

Für die HAS ist aber gerade die nonverbale Kommunikation zwischen Menschen und Tieren enorm wichtig und gilt deshalb sehr wohl als wichtiger Forschungsgegenstand.43 Dennoch

37 Baratay, Le Point de vue animal, S. 11: „Die von menschlichen Gesellschaften konstruierte Geschichte wird immer als großes Abenteuer geschildert, das einzig und allein den Menschen betrifft“. 38 Fenske, Wenn aus Tieren Personen werden, S. 121. 39 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 271. 40 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 122. 41 Mieke Roscher, Zwischen Wirkungsmacht und Handlungsmacht. Sozialgeschichtliche Perspektiven auf tierli- che Agency, in: Sven Wirth u.a. (Hrsg.), Das Handeln der Tiere. Tierliche Agency im Fokus der Human-Animal Studies (Human-Animal Studies 9), Bielefeld 2016, S. 43–67, hier S. 48. 42 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 122. 43 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 215. 10

wird oft damit argumentiert, dass Tiere durch fehlende schriftliche Zeugnisse, welche sie selbst produziert haben, über kein historisches Bewusstsein verfügten. Nach dieser Ansichts- weise hätten aber auch menschliche Zivilisationen, die auch heute noch ihre Geschichte mündlich weitergeben und keine schriftliche Quellen für die Nachwelt hinterlassen, so wie man sie sehr oft außerhalb Europas findet, ebenfalls kein historisches Bewusstsein.44 Zudem hinterließen frühere Randgruppen, wie beispielsweise Sklaven/innen, Kinder, etc., auch oft keine schriftlichen Quellen und dennoch konnten sie dank der Sozialgeschichte erfolgreich historisch aufgearbeitet und ihr Leben dadurch nachgezeichnet werden.45 Warum sollte dies also bei den Tieren nicht auch möglich sein? Die heutige Anerkennung der Frauengeschichte hat wohl mehr als deutlich gemacht, dass die bis dato mehrheitlich von Männern geschriebene und tradierte Geschichte nicht als allgemeingültige und lückenlose Geschichtsdarstellung gel- ten darf.46 War diese ebenfalls lange sehr umstritten und galt als nicht erforschenswert, so zeigt dieses Beispiel deutlich, dass auch Tieren eines Tages der Platz in der Wissenschaft zu- gestanden werden könnte, der ihnen gebührt. Steinbrecher benennt mit dem Fehlen der Tiere im alltäglichen Leben noch einen weiteren Grund für die nicht vorhandene bzw. erst sehr spät eingesetzte wissenschaftliche Auseinan- dersetzung mit dem Tier.47 Durch die voranschreitende Technologisierung fehlen die einst- mals omnipräsenten Tiere völlig und finden sich heute vorwiegend in den Heimen der Men- schen wieder. Hinzu kommt die Auffassung, gerade was die deutsche Geschichtswissenschaft anbelangt, dass durch eine wissenschaftliche Aufarbeitung mit dem Tier als Zentrum die Ge- schichtswissenschaften infantilisiert würden. Eine Auseinandersetzung mit dem Tier wäre also nicht geschichtswürdig.48 „Das Tier bleibt etwas Lächerliches, etwas sprichwörtlich Para- sitäres, das nicht in die Bastion menschlicher Geschichte einzudringen, geschweige denn ei- nen eigenständigen historischen Platz, der parallel zur menschlichen Geschichte existiert, ein- zunehmen habe.“49 Roscher führt diese Aussage sogar noch weiter aus: „Würde dem Tier ein ebenso zentraler Platz in der Historiografie eingeräumt, wäre der Weg zur absoluten Gleich- macherei nicht mehr weit. Dies gilt es aus rein anthropozentrischen Gründen zu verhindern.“50 Durch eine Gleichstellung wäre es für den Menschen demnach nicht mehr so leicht, Tiere für seine Zwecke zu missbrauchen.51 Somit wird schnell klar, warum es Vorbehalte gegenüber

44 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 123. 45 Ebd., S. 127–128; siehe auch Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 277. 46 Ebd. 47 Ebd., S. 271. 48 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 125. 49 Ebd., S. 126. 50 Ebd.; siehe auch Baratay, Le Point de vue animal, S. 25. 51 Ebd., S. 49–50. 11

einer Tiergeschichtsschreibung gibt. Eine solche würde nämlich wahrscheinlich auch für wei- tere Umbrüche in der Mensch-Tier-Beziehung führen. Nichtsdestotrotz spielten Tiere eine unleugbare, herausragende Rolle in der bisherigen Evolutionsgeschichte des Menschen. Al- lein schon deshalb wäre es nicht nur gerecht, sondern auch logisch, ihnen ihren rechtmäßigen Platz in der Wissenschaft zuzugestehen, wenn man eine umfassende, neutrale und nachvoll- ziehbare Geschichte schreiben und erzählen möchte. Dieser Meinung ist auch Éric Baratay: „Il faut donc arracher l’histoire à une vision anthropocentrée, regarder ces comparses de l’homme, ces autres vivants que sont les bêtes, passer de leur côté, regarder de leur point de vue en retournant les interrogations, en cherchant des documents plus prolixes ou en lisant les autres autrement, en décentrant le récit.“52

2.2.2 Die Entwicklung der historischen HAS im deutschsprachigen Raum Zahlreiche und fortlaufende Publikationen aus dem angloamerikanischen Raum, welche durch den animal turn angestoßen wurden, führten dazu, dass die Tiere auch in der deutschsprachi- gen Geschichtsschreibung nun mehr und mehr Berücksichtigung finden und die anfängliche Zurückhaltung in Bezug auf dieses wichtige Desiderat schwindet.53 Die historische Auseinandersetzung mit dem Tier begann dabei allerdings nicht in den Ge- schichtswissenschaften, sondern zunächst mit den Sozialwissenschaften im englischsprachi- gen Raum.54 Laut Roscher könnte es auch im deutschsprachigen Raum sinnvoll sein, sich zunächst der Sozialgeschichte des Mensch-Tier-Verhältnisses zu widmen.55 „Diese würde den Blick auf den Menschen und auf seine enge Verbindung mit dem Tier werfen, um so über einen Umweg an das historische Tier zu gelangen.“56 Der große Vorteil, den die Geistes- und Sozialwissenschaften mit sich bringen, ist die Beschäftigung mit Menschen, aber auch mit Kulturen und den damit einhergehenden Entwicklungen. Dabei sind Tiere natürlich unleugbar involviert. Somit gilt es nach Spannring/Schachinger/Kompatscher/Boucabeille „den Raum, den nichtmenschliche Tiere in menschlicher Kultur und Gesellschaft ein- nehmen, zu erforschen und zu betrachten, wie sich die Interaktionen zwischen Mensch und Tier gestalten, wie sich die Lebensformen von Tieren und Menschen miteinander verflechten und so Gesellschaft immer wieder neu hervorbringen“.57

52 Ebd., S. 12: „Man muss also die Geschichte von ihrer anthropozentrischen Vision losreißen, die Komparsen des Menschen, jene anderen Lebewesen – die Tiere – näher betrachten und einen Perspektivenwechsel vorneh- men. Man muss von ihrem Standpunkt ausgehend auf Fragen zurückkommen, weitschweifigere Dokumente suchen oder bestehende anders lesen, sprich das Schriftliche dezentralisieren“. 53 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 126. 54 Spannring u.a., Einleitung, S. 16. 55 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 144. 56 Ebd. 57 Spannring u.a., Einleitung, S. 17. 12

So wird klar, warum diese Herangehensweise sehr sinnvoll sein kann und warum sich Histo- riker/innen, die das Tier in die Geschichtswissenschaften integrieren wollen, an die Sozialwis- senschaften anlehnen.58 „In diesem Sinne bereichern Studien zum Tier-Mensch-Verhältnis nicht nur die geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen selbst, sondern können auch zu Bewusstwerdungs- und Transformationsprozessen in der Gesellschaft beitragen.“59 So kann zum Beispiel eine Untersuchung veterinärmedizinischer Aufzeichnungen zu einem be- stimmten Zeitpunkt Aussagen über das Verhältnis der Menschen zu den Tieren zulassen und gleichzeitig kann analysiert werden, was dies für die Tiere der damaligen Zeit bedeutete. Da- bei wird oft eine tierethische Position eingenommen, d.h. es wird versucht, durch diese Erfor- schung den Tieren eine Stimme zu geben, auf ihre Lage aufmerksam zu machen und diese nachhaltig auf eine für sie positive Weise zu beeinflussen.60 Durch diese ganzheitlichere Be- trachtungsweise ermöglichen sich viele interessante Perspektiven, die durch eine reine Tierge- schichte so nicht nachgezeichnet werden könnten: „So kann die kritische Infragestellung einer reinen Tiergeschichte einen Hinweis da- rauf geben, dass es sowohl methodisch als auch inhaltlich gewinnbringender sein kann, den Fokus auf Beziehungen zwischen Menschen und anderen Tieren zu legen, statt sich ausschließlich nichtmenschlicher Tiere zu widmen.“61

2.2.3 Ziele und Methoden der historischen HAS Der Wunsch, das Tier von seinem Objektstatus in der Wissenschaft zu befreien, wird in den historischen HAS als eines der zentralen Ziele gesehen, wie es Mieke Roscher in dem folgen- den Zitat erklärt: „In den historisch orientierten Human-Animal Studies geht es darum, mit historischem Blick das dynamische, ja interaktive Verhältnis von Mensch und Tier zu beleuchten und die materiellen Folgen des Zusammenlebens für die Tiere selbst einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Dabei sollen Tiere nicht weiter als amorphe Masse, sondern als mit Individualität ausgestattete Subjekt-Darstellungen finden.“62

Dieser Perspektivenwechsel ist laut Roscher notwendig, um eine Inkludierung der Tiere in die Geschichte vorzunehmen.63 Tiere haben die Menschen in ihrer Geschichte immer schon be- gleitet, weshalb es laut Krüger/Steinbrecher/Wischermann nun auch an der Zeit ist, sie als

58 Aline Steinbrecher/Gesine Krüger, Editorial: Tierische (Ge)Fährten, in: Historische Anthropologie 19 (2011), Nr. 2, S. 169–171, hier S. 170; siehe auch Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 83. 59 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 200. 60 Ebd., S. 201. 61 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 144. 62 Roscher, Human-Animal Studies, S. 2–3. 63 Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 84. 13

handelnde Wesen in einen historischen Kontext zu stellen.64 Um dieses Ziel auch umsetzen zu können, bedarf es einer geeigneten Methodik. Aufgrund des fächerübergreifenden Anspruchs der HAS und ihres erst jungen Bestehens gibt es zwar einen gemeinsamen Konsens, was die HAS an sich anbelangt, jedoch bis dato keine allgemeine und einheitliche Forschungsmetho- dik, lediglich in einzelnen Bereichen.65 Dies muss aber nicht unbedingt ein Hinderungsgrund für eine wissenschaftliche Aufarbeitung sein, sondern kann auch als Chance gesehen werden, weil die jeweiligen Methoden aus den verschiedenen Bereichen wiederum Anstoß für neue Methoden und Herangehensweisen in anderen Forschungsfeldern sein können.66

Was geeignete Methoden in den historischen HAS anbelangt, so lohnt es sich, sich zunächst mit Quellen auseinanderzusetzen, die bereits jetzt zur Verfügung stehen. Die Problematik von fehlenden schriftlichen Quellen, die tierischen Ursprungs sind, wurde ja bereits geklärt. Den- noch können schriftliche Quellen eine hervorragende Basis darstellen, die eine Analyse der Situation der Tiere zulässt. Der Schlüssel liegt hierbei in der Art und Weise, wie diese Quel- len gelesen werden, man muss sie nämlich gegen den Strich lesen. Das heißt die Histori- ker/innen versuchen, zwischen den Zeilen von menschlichen schriftlichen Quellen zu lesen, um etwas über die Tiere zu erfahren.67 Dabei muss laut Aline Steinbrecher so gelesen werden, dass „nicht die Sicht der menschlichen Verfasser verdoppelt, sondern die zwischen den Teilen verborgene Wirkungsmacht der Tiere herausgefiltert [wird]“.68 Roscher schlägt hierzu einige geeignete Quellen vor, wie etwa „Zuchtbücher, Frachtpapiere, Stadtrechte und Marktordnungen, Tagesprotokolle von zoologischen Gärten, Beobachtungsprotokolle von Ornitholog_innen und Naturfor- scher_innen, die Vermerke von Tierheimen, Gerichtsakten, in denen Tiere thematisiert sind, Akten aus Tierkliniken, normative Regelwerke wie Gesetzessammlungen oder Steuerordnungen usw.“.69

64 Gesine Krüger/Aline Steinbrecher/Clemens Wischermann, ANIMATE HISTORY. Zugänge und Konzepte einer Geschichte zwischen Menschen und Tieren, in: Gesine Krüger/Aline Steinbrecher/Clemens Wischermann (Hrsg.), Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History (Geschichte; Band 1), Stuttgart 2014, S. 9–35, hier S. 9. 65 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 26 und 200; siehe auch Spannring u.a., Ein- leitung, S. 17. 66 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 201. 67 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 128; siehe auch Baratay, Le Point de vue animal, S. 53; siehe auch Aline Steinbrecher/Gesine Krüger, Tiere, in: Europäische Geschichte online (EGO), Mainz 29.10.2015, S. 1−16, hier S. 5, [http://ieg-ego.eu/de/threads/hintergruende/natur-und-umwelt/aline-steinbrecher-gesine-krueger- tiere/view/dc_export#citation], eingesehen 04.12.2017. 68 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 277; siehe auch Steinbre- cher/Krüger, Tiere, S. 5. 69 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 128. 14

Laut Baratay können auch Romane dazu dienen, etwas über die Tiere der Vergangenheit zu erfahren, weil sich Schriftsteller/innen oftmals an zeitgenössischen Themen orientierten, sozusagen eine Sozialgeschichte ihrer Zeit schrieben, in welcher auch Tiere vorkommen.70 Hier zeigt sich also die enorme schriftliche Vielfalt, die Historiker/innen theoretisch zur Ver- fügung steht, um sich dem Tier wissenschaftlich zu nähern, und dass das Fehlen tierischer schriftlicher Quellen eigentlich kein Hinderungsgrund für eine Auseinandersetzung mit ihm ist. Mithilfe dieser Methode näherte man sich auch schon anderen Randgruppen, wie etwa Sklaven/innen. So konnte etwa die britische und amerikanische Sklaverei dank dieser Metho- de heute relativ gut nachgezeichnet werden.71 Es kommt demnach nicht darauf an, wie viele Quellen zur Verfügung stehen, sondern wie damit umgegangen wird und wie intensiv man nach bisher unbeachteten Dingen oder Aspek- ten in alten Quellen sucht.72 Schließlich konnten auch Menschen historisch aufgearbeitet wer- den, die nicht unbedingt präsent in den hinterlassenen Quellen sind, wie zum Beispiel Bauern, die durch Aufzeichnungen von Adligen beschrieben werden konnten, wie Baratay veran- schaulicht.73 Krüger/Steinbrecher/Wischermann sind dergleichen Meinung. Sie sind der An- sicht, dass „das Fehlen der Tiere in den Geschichtsbüchern nicht im mangelnden Quellenma- terial begründet liegt, sondern als eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung zu verste- hen ist, Tiere in ihrer historischen Bedeutung zu ignorieren“.74 Ein Beispiel hierzu liefert Éric Baratay: Das Quellenmaterial in Bezug auf den Ersten Weltkrieg ist sehr umfangreich, jedoch fällt bei näherer Betrachtung auf, dass gewisse Aspekte des Kriegsalltages völlig fehlen. So werden Pferde in Berichten von Artilleristen oft wenig bis gar nicht erwähnt, sodass man fast schon den Eindruck gewinnen könnte, die menschlichen Soldaten hätten aus eigener Kraft Kanonen oder andere schwere Geschütze von einem zum anderen Ort befördert. Weil die Existenz und der Einsatz von Zugpferden im Ersten Weltkrieg aber unumstritten belegt ist, schließt Baratay daraus, dass es sich hierbei um eine bewusste und absichtliche Ausklamme- rung der Pferde in überlieferten Berichten handelt.75 Dies hat insofern Auswirkungen auf die Geschichte, weil dadurch zu Lasten der Tiere ein verzerrtes Bild der Realität geschaffen wird.

70 Baratay, Le Point de vue animal, S. 53. 71 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 128. 72 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 277. 73 Baratay, Le Point de vue animal, S. 52. 74 Krüger/Steinbrecher/Wischermann, ANIMATE HISTORY, S. 25; siehe auch Mieke Roscher, Darf's ein biss- chen mehr sein? Ein Forschungsbericht zu den historischen Human-Animal Studies, in: H-Soz-Kult, 16.12.2016, S. 1–46, hier S. 7, [https://www.hsozkult.de/hsk/forum/2016-12-001], eingesehen 04.12.2017. 75 Baratay, Le Point de vue animal, S. 53–54. 15

Eine Methode, die ebenfalls eine Beschäftigung mit schriftlichen Quellen erlaubt, ist jene, sich in die Subjekte der Quellen hineinzuversetzen. Dabei nimmt man eine subjective per- spective ein. Roscher greift hierbei den Ansatz von – einer britischen Sozialhisto- rikerin – auf. Wenn man sich mithilfe dieser Methode historisch dem Tier nähert, ist es natür- lich sehr wichtig, sich dabei seiner Position immer bewusst zu sein, um keine menschlichen Gefühle in tierische Subjekte hineinzuinterpretieren. Diese Methode wird von Sozialhistori- kern/innen schon seit Längerem verwendet und könnte auch für die Tiere interessante Ergeb- nisse zu Tage bringen.76 Baratay ist ebenfalls von dieser Methode überzeugt. Durch Empathie wird es möglich, sich durch die zur Verfügung stehenden Quellen in die Tiere hineinzuverset- zen und Dinge über ihr Leben herauszufinden.77 Eine weitere Möglichkeit wäre, die Tiere biographisch zu erfassen, so wie es bei der mensch- lichen Geschichtsschreibung auch gängig ist.78 Damit würde dem Anspruch der HAS, den Tieren einen Subjektstatus zuzugestehen, ebenfalls Folge geleistet werden. Schließlich ist eine individualisierte Geschichte auch leichter fassbar und somit nachvollziehbarer.79 Hier müsste man ebenfalls wieder eine subjective perspective einnehmen, dennoch sollten gerade Berichte über eine enge Bindung zwischen Menschen und Tieren großes Potenzial für diese historische Methodik aufweisen. Einen besonderen Wert hätten hierbei Anekdoten: „Das Schreiben anthropomorpher Anekdoten ist eine Methode, um nichtmenschliche Tiere zu verstehen und sie als Subjekte und Akteure sichtbar zu machen. Anekdoten ergeben sich aus dem gemeinsamen Leben und den Interaktionen mit nichtmenschli- chen Tieren. Zuneigung zu ihnen erhöht die Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse, Vorlieben, Ängste und Kommunikation in einem sozialen Umfeld.“80

Somit könnten gerade solche Anekdoten als aussagekräftige Beweisstücke die Biographie eines Tieres unterstreichen bzw. ergänzen, vorausgesetzt die Forscher/innen nehmen keine anthropomorphe Grundhaltung ein. Auch Bilder, Skulpturen, Fotografien können als potenzielle Quellen gelten. Auch hier ist es wieder wichtig, sie aus einem anderen Blickwinken zu betrachten, welcher den Menschen als Zentrum ausschließt.81 Materielle Überreste von Tieren können auch für eine wissenschaftli- che Analyse herangezogen werden. Menschliche Überreste dienen auch häufig dazu, um nachzeichnen zu können, wie Menschen gelebt haben und wie sich Umwelteinflüsse oder

76 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 134–135. 77 Baratay, Le Point de vue animal, S. 61. 78 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 135; siehe auch Roscher, Human-Animal Studies, S. 13. 79 Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 82. 80 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 208. 81 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 129. 16

Ähnliches auf sie und ihre Lebensweise ausgewirkt haben. Die gleiche Herangehensweise könnte verwendet werden, um Tiere historisch aufzuarbeiten.82

Ein weiteres Schlüsselwort in Bezug auf die Methodik, anhand welcher Tiere wissenschaft- lich aufgearbeitet werden können, ist die animal agency. Damit gemeint ist die Wirkungs- bzw. Handlungsmacht, welche Tiere in Bezug auf uns Menschen haben,83 sei dies nun wil- lentlich oder auch unbewusst. So zählen die historischen HAS zum Beispiel aktive Arbeits- verweigerung genauso zur animal agency, wie tierische Reaktionen auf Menschen oder nicht- intentionelles Handeln von Tieren, denn beide Formen können die menschliche Geschichte verändern.84 Laut Roscher bedeutet agency „die Fähigkeit, Veränderungen anzustoßen, ohne dabei über Selbstbewusstsein, Sprache, Moral oder Kultur verfügen zu müssen“.85 Durch das Zugeständnis einer agency, könnten Tiere vom Objekt- in den Subjektstatus erhoben werden. So kann beispielsweise die Verweigerung eines Befehls eines Menschen an einen Hund ge- nauso dessen Leben beeinflussen, wie die Tatsache, dass die menschliche Geschichte durch die bloße Existenz mancher Tiere verändert wurde. Dieses nicht-intentionelle Handeln lässt sich gut am Beispiel von Pferden aufzeigen, denn der Mensch konnte im Laufe der Geschich- te in vielerlei Hinsicht von den Fähigkeiten des Pferdes profitieren. Die Entwicklungen in der Landwirtschaft, der Kriegsführung, des gesellschaftlichen Zusammenlebens waren stark von der Arbeitskraft der Pferde abhängig und diese bildete oft sogar erst die Voraussetzung dafür. „Das macht Tiere zu historischen Akteuren, deren Geschichte erzählt werden kann“,86 wie Roscher ausführt. Dies gelingt natürlich leichter, wenn die agency der Tiere ersichtlicher ist, zum Beispiel in Form von direktem Kontakt mit dem Menschen. Enger und täglicher Kontakt zu Tieren macht es für Historiker/innen leichter, ihre agency zu erfassen, als es zum Beispiel mit Wildtieren der Fall wäre.87 Durch eine bewusste Recherche nach Quellen, in welchen er- sichtlich wird, wie Tiere Menschen oder andere Tieren bewusst oder unbewusst dazu gebracht haben, etwas zu tun, kann man Rückschlüsse auf die Tiere und ihr Handeln gewinnen.88

82 Ebd.; siehe auch Roscher, Human-Animal Studies, S 10; siehe auch Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 81. 83 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 183; siehe auch Roscher, Geschichtswissen- schaft, S. 85; siehe auch Fenske, Wenn aus Tieren Personen werden, S. 117. 84 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 123.; siehe auch Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 273; siehe auch Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 87. 85 Ebd., S. 86. 86 Roscher, Where is the animal in this text?, S. 124. 87 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 188; siehe auch Roscher, Geschichtswissen- schaft, S. 86. 88 Ebd. 17

Grundlage solcher geschichtswissenschaftlichen Aufarbeitungen sind dabei reale Tiere. Eine Auseinandersetzung mit fiktiven Tieren würde in diesem Zusammenhang nämlich dem Sub- jektstatus, den die HAS den Tieren zugestehen wollen, nicht gerecht werden.89

Anhand dieser angeführten möglichen Herangehensweisen an das historische Tier wird deut- lich, dass es sehr wohl möglich ist, sich an eine Tiergeschichtsschreibung heranzutasten. Auch bei Steinbrecher findet man Argumente für eine Tiergeschichtsschreibung, von der nicht nur die Tiere, sondern auch wir Menschen profitieren würden: „Eine Tiergeschichte der Zukunft ist also nicht als eine neue Bindestrich-Geschichte zu verstehen, sondern wäre mit vielen Feldern der Geschichtswissenschaften, wie bei- spielsweise der Alltagsgeschichte, der Geschichte des privaten Lebens, der Geschichte der Emotionen inhaltlich und methodisch verbunden.“90

Bei Krüger/Steinbrecher/Wischermann findet sich ebenfalls dieses Argument: „Eine Geschichtsschreibung, welche Tiere als aktiv Mitgestaltende auffasst, erschließt nicht nur neue Themen und Forschungsfelder, sondern stößt auch neue theoretische Orientierungen an und kann damit Bewegung in die Forschungslandschaft der Ge- schichtswissenschaften bringen.“91

Demnach würde eine Tiergeschichte auch dazu beitragen, dass eine ganzheitlichere Mensch- heitsgeschichte geschrieben werden könnte, da, wie ja bereits festgestellt wurde, Tiere in der Geschichte omnipräsent waren. Durch eine Auseinandersetzung mit dem Tier könnte somit auch die Geschichte der Menschen noch erweitert und ergänzt werden.92 Die Arbeit der Histo- riker/innen, die sich um eine Tiergeschichtsschreibung bemühen, kann demnach wohl nicht hoch genug geschätzt werden und trägt wesentlich dazu bei, dass sich der animal turn hoffent- lich irgendwann in eine animal history umwandelt! Dies würde sich auch Baratay wünschen: „Il est temps de dissocier le discours d’étude des animaux du discours de domination sur les animaux, où l’important n’est pas l’animal tel qu’il peut être mais tel qu’on veut qu’il soit pour en faire ce que l’on veut.“93

89 Ebd., S. 88; siehe auch Aline Steinbrecher/Gesine Krüger, Editorial: Tierische (Ge)Fährten, hier S. 169. 90 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 283. 91 Krüger/Steinbrecher/Wischermann, ANIMATE HISTORY, S. 10. 92 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 283–284; siehe auch Roscher, Geschichtswissenschaft, S. 81; siehe auch Baratay, Le Point de vue animal, S. 43. 93 Ebd., S. 63: „Es ist Zeit, den wissenschaftlichen Diskurs über die Tiere getrennt von jenem ihrer Beherrschung zu betrachten, wo nicht das Tier an sich von Wichtigkeit ist, sondern die Vorstellung darüber, wie man es gerne haben möchte, um mit ihm tun zu können, was immer man auch möchte“. 18

3. Die Sonderstellung des Menschen und ihre Auswirkungen auf die Tiere – ein historischer Überblick Der Versuch des Menschen, sich begrifflich über die Jahrhunderte von den Tieren abzugren- zen, war überaus erfolgreich, wenn man unseren heutigen Umgang mit ihnen betrachtet. Un- ser Machtmissbrauch scheint grenzenlos zu sein, wir zwingen Tiere für uns in den Krieg zu ziehen, wir erproben Waffen und medizinische Produkte, die uns das Leben erleichtern sollen, an ihnen und das, ohne scheinbar auch nur das geringste Gefühl des Skrupels oder Mitleides zu empfinden. Wie kam es dazu? Wodurch glaubt der Mensch, sich von anderen Lebewesen zu unterscheiden und wie versucht er, seine vermeintliche Vormachtstellung zu rechtfertigen? Wie konnte die heute existierende scheinbar unüberbrückbare und als völlig normal angese- hene Kluft zwischen Mensch und Tier entstehen? In ersten Teil dieses Kapitels sollen genau diese Fragen geklärt werden, um zu verstehen, wie weit der Machtmissbrauch reicht und wa- rum der Mensch am Ende gegen niemand anderen als sich selbst kämpft.94

Vor hunderten von Jahren lebte der Mensch im Einklang mit der Natur und den darin befind- lichen Lebewesen, nahm sich also als ein Tier unter vielen anderen wahr.95 Der Mensch beo- bachtete die Tiere und nahm sie in vielerlei Hinsicht als Vorbild, beispielsweise in Bezug auf Jagdtechniken.96 Wenn Menschen Tiere töteten, so taten sie dies vorwiegend, um zu überle- ben und nahmen auch nur so viel, wie sie glaubten, der Natur zumuten zu können. Dabei gibt es zahlreiche Belege von Riten und Bräuche, die die Menschen nach oder während der Tötung eines Tieres abhielten, um sich von ihrer Sünde zu befreien und bei dem Tier zu entschuldi- gen.97 Prinzipiell bildete der Mensch hier also noch eine Gemeinschaft mit den Tieren. Von dieser ursprünglichen und im Einklang mit der Natur lebenden Form ist bis heute wenig übrig geblieben.

94 An dieser Stelle muss zunächst festgehalten werden, dass all die nachfolgenden Überlegungen und Beschrei- bungen nur aus einem einseitigen Blickwinkel erfolgen können, nämlich aus der Sicht des Menschen. Wenn also nachfolgend von Tieren oder tierlichen Eigenschaften gesprochen wird, muss man sich vor Augen halten, dass es sich hierbei um Konzepte handelt, welche von Menschen verwendet werden, um aus ihrer Sicht die Tiere zu beschreiben. Deshalb muss von Vornherein ein sehr kritischer Blick eingenommen werden, um zu verhindern, dass man dieses Thema unter einem ausschließlich anthropologischen Gesichtspunkt versteht und untersucht. 95 Paul Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte. Menschen und andere Tiere in der Vormoderne, in: Sophie Ruppel/Aline Steinbrecher (Hrsg.) – „Die Natur ist überall bey uns“. Mensch und Natur in der Frühen Neuzeit, Zürich 2009, S. 19–41, hier S. 30; siehe auch Münch, Tiere und Menschen. Ein Thema der historischen Grundlagenforschung, hier S. 10. 96 Günther Lorenz, Tiere im Leben der alten Kulturen. Schriftlose Kulturen, Alter Orient, Ägypten, Griechenland und Rom, Innsbruck 20132, S. 27–28. 97 Ebd., S. 248 und 254. 19

Heute versteht sich der Mensch als höchstes Lebewesen überhaupt, obwohl in vielen Bereich belegt wurde, dass sich die vermeintliche Andersartigkeit und Höherstellung der Menschen gegenüber den Tieren nicht vertreten lässt: „Genetik, Evolutionsbiologie und Verhaltensforschung gehen gegenwärtig davon aus, dass Tiere und Menschen eng miteinander verwandt sind, obgleich sie verschiedenen Arten angehören. Der Mensch gilt als Tier, aber es bleibt nach wie wir umstritten, wie man beide Existenzformen in der Rangordnung des Lebendigen platzieren soll.“98

Biologisch gesehen ist der Mensch also nichts Anderes als ein Tier unter vielen anderen, das sich jedoch durch bestimmte Charakteristiken von anderen unterscheidet. Diese Andersartig- keit nutzte der Mensch, um damit seine Stellung als höchst entwickeltes bzw. höchstes Lebe- wesen überhaupt in der Kette des Lebens zu rechtfertigen. Betrachtet man den biologischen Namen für den Menschen Homo sapiens (Homo bezeichnet die Gattung, sapiens die Art)99, den er sich selber gegeben hat, näher, erkennt man bereits, wie sich der Mensch gerne sehen möchte und was dies in Bezug auf alle anderen Lebewesen auslöst. Homo sapiens bezeichnet einen weisen Menschen, der aufgrund seiner genetischen Anlagen dazu fähig war, sich ir- gendwann klar von den anderen Spezies abzutrennen und sich im Laufe der Evolution zu ei- ner immer intelligenteren Lebensform zu wandeln.100 Laut Münch hält sich der Homo sapiens „für ein Lebewesen mit besonderen Fähigkeiten, gleichgültig ob er seine Exklusivität als sprechendes, lachendes, vernünftiges, politisches, religiöses, werkzeugmachendes, kochendes oder Privatbesitz akkumulierendes Tier hervor- hebt“.101 Man könnte annehmen, dass sich diese allgemeine Beschreibung erst in jüngerer Zeit durchgesetzt hat, allerdings muss diese Zuschreibung besonderer Eigenschaften und die damit einhergehende Sonderstellung des Menschen viel früher datiert werden, nämlich mit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Seit dieser Zeit gehen griechische Philosophen von einer den anderen Tie- ren übergeordneten Stellung des Menschen aus, da sie sich in vielen Bereichen, wie oben im Zitat genannt, wesentlich unterscheiden. Demnach gelangte man zur allgemeinen Auffassung, dass die Tiere für den Menschen da wären und er sich nur ihrer bedienen müsste, weil sie

98 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 19; siehe auch Rainer Pöpping- hege, Einleitung, in Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 7–15, hier S. 8. 99 Volker Sommer/Karl Ammann, Die großen Menschenaffen. Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse, Bonobo; die neue Sicht der Verhaltensforschung, München 1998, S. 8–9. 100 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 19. 101 Ebd. 20

grundsätzlich gesehen eben unter ihm stehen würden. Es lässt sich also sagen, dass die Wur- zeln des Anthropozentrismus bereits in dieser Zeit begründet liegen.102

Aristoteles (384–322 v. Chr.), Begründer der Zoologie103 und einer der größten griechischen Philosophen seiner Zeit, führte in diesem Zusammenhang ein Modell ein. Dabei kategorisierte er Pflanzen, Tiere und Menschen – die Pflanzen belegen die unterste Stufe, die Tiere positio- niert er in der Mitte und den Menschen auf der höchsten Stufe. Um diese Unterteilung zu rechtfertigen, schrieb er jeder Kategorie bestimmte Kriterien zu. Alle drei Kategorien besitzen dabei interessanterweise eine Seele, deren Komplexität je nach Stufe unterschiedlich ist. So verfügen Pflanzen seiner Ansicht nach lediglich über an einen Ort gebundene Fähigkeiten, die ihnen das Leben und Überleben ermöglichen. Tieren und Menschen schreibt er noch die Emp- findungsfähigkeit mit der Möglichkeit der Ortsbewegung zu104 und dem Menschen dabei al- lein die Fähigkeit zur Vernunft105 bzw. zu „rationalem Denken, theoretischer Abstraktion, kreativer Zukunftsplanung und ethisch reflektierter, sozialer Vergesellschaftung“,106 wie es Paul Münch auf den Punkt bringt. „Je mehr Vermögen eine Lebensseele aufweist, umso voll- kommener ist sie und der von ihr zielgerichtet bewegte Organismus nimmt in der hierarchisch gestuften Seelenordnung einen umso höheren Rang ein.“107 Das Problem liegt hier bei diesem Modell auf der Hand. Stufen markieren eine eindeutige Distanz zwischen den einzelnen Ebe- nen.108 Das verschärft die Trennlinie untereinander und verhindert mögliche Mischformen. In diesem Modell werden beispielsweise Pflanzen, die sich sehr wohl von einem zum anderen Ort bewegen und Tiere, die entgegen dem Kriterium der Nicht-Sesshaftigkeit an nur einem Ort in ihrem ganzen Leben verweilen, völlig außen vor gelassen. Das Kriterium der Vernunft und demnach vernünftiges Handeln spielten in dieser Hierarchie zudem eine wesentliche Rolle109 und daran sollte sich bis zum 19. Jahrhundert auch nichts

102 Paul Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 21–22; siehe auch Hans Werner Ingensiep/Heike Baranzke, Das Tier (Reclam-Taschenbuch Grundwissen Philosophie 20320), Stuttgart 2008, S. 12. 103 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 15; siehe auch Ingen- siep/Baranzke, Das Tier, S. 18. 104 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 22–23; siehe auch Ingen- siep/Baranzke, Das Tier, S. 14 und 18. 105 Ebd. 106 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 23. 107 Ingensiep/Baranzke, Das Tier, S. 15; siehe auch Martin Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, in: Rupert Riedl/Ernst Gehmacher/Wolfgang Hingst (Hrsg.), Regieren gegen den Bürger?, Frankfurt am Main 2006, S. 101–143, hier S. 108; siehe auch Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 33. 108 Andreas Brenner, Das Tier und Wir. Plessners Begründung und Verabschiedung der Anthropologie, in: Jessi- ca Ullrich/Friedrich Weltzien/Heike Fuhlbrügge (Hrsg.), Ich, das Tier. Tiere als Persönlichkeiten in der Kultur- geschichte, Berlin 2008, S. 17–27, hier S. 24. 109 Martin Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein. Das naturwissenschaftliche Argument für Tierrechte, Wien–Mühlheim an der Ruhr 2005, S. 118. 21

ändern. Folglich sind Tiere „Mittel zum Zweck für die Menschen, während der Mensch Zweck an sich ist, und niemals nur als Mittel zum Zweck für andere benutzt werden darf“.110 Damit wird klar, welche Position die Menschen der damaligen Zeit den Tieren zuschrieb. „Nach dieser Philosophie sind die weißen, nichtbehinderten, männlichen griechischen Bürger die perfektesten aller irdischen Wesen“,111 führt Martin Balluch aus. Dies mag nicht sehr ver- wunderlich sein, ging Aristoteles bezüglich seines Modells doch von einer bereits bestehen- den Ordnung aus. Durch diese Hierarchie gab es unter Lebewesen der gleichen Stufe eine Art Gerechtigkeit, allerdings war die Differenz zu den anderen dafür umso größer und somit auch der Unterschied zwischen Mensch und Tier, wobei Letzteres daraus die Konsequenzen zog. So war es ganz natürlich, dass die dem Menschen unterstehenden Lebewesen – also die Tiere und Pflanzen – für ihn und seine Zwecke sowie sein tägliches Leben da waren.112

Eine wesentliche Rolle in der Festigung dieser Ordnung spielte auch das Christentum, für welches es nur einen Schöpfer gibt, der die Welt, die Natur und die Tiere erschuf, allein den Menschen aber nach seinem Ebenbild formte.113 „Warum also soll der Mensch als Abbild Gottes nicht tun dürfen, was Gott selbst seiner Schöpfung bewußt in die Wiege gelegt hat?“114 Man griff also den in der Antike aufkeimenden Anthropozentrismus und alles, wofür er steht, wieder auf.115 Gemäß Münch rückten die Kirchenväter „den Menschen als ein mit einer un- sterblichen Seele ausgestattetes Wesen in eine fast engelgleiche Position zwischen Gott und Tier“.116 Diese Weltanschauung schaffte also eine enorme Distanz zwischen Mensch und Tier, denn als Gott nachempfundenes Lebewesen steht natürlich außer Frage, wer hier über wen steht, und aus dieser Perspektive heraus kommt auch niemand auf den Gedanken, diese Kluft auch nur ansatzweise zu hinterfragen.

Die Sichtweise einer Sonderstellung des Menschen hielt sich in dieser Form bis ins 16. Jahr- hundert, in welchem zwei Aspekte hinzugefügt wurden, was die Situation der Tiere allerdings

110 Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, S. 110. 111 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 119, 129 und 145. 112 Ingensiep/Baranzke, Das Tier, S. 15. 113 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 33. 114 Norbert Hoerster, Haben Tiere eine Würde? Grundfragen der Tierethik (Beck'sche Reihe 1583), München 2004, S. 13 und 15; siehe auch Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 19; siehe auch Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 145; siehe auch Andrea Förster, Tiere als Therapie − Mythos oder Wahrheit? Zur Phänomenologie einer heilenden Beziehung mit dem Schwerpunkt Mensch und Pferd, Zugl.: Dipl.-Arb. (Dialogisches Lernen 4), Stuttgart 2005, S. 21; siehe auch , Animal Libera- tion. Die Befreiung der Tiere, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 303. 115 Paul Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 22; siehe auch Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 120–121. 116 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 24. 22

nicht verbesserte. Hinzu kam nämlich die Auffassung, dass der Mensch für sein eigenes Schicksal verantwortlich sei und von seinem Wesen her fähig, in der aristotelischen Stufenbe- schreibung auf- und abzusteigen, sofern er dies wolle. Pflanzen und Tieren gestand man ledig- lich den ihnen bereits in der Antike zugewiesenen Platz zu, was somit ihr Handlungsfeld ein- schränkte und dem Menschen eine noch größere Freiheit einräumte. Außerdem bildete das ebenfalls seit der Antike geltende Bild des Tieres als ein Lebewesen ohne Fähigkeit zur Ver- nunft die Grundlage dafür, dass ihm jeglicher Anspruch auf Recht verweigert wurde. Dies hatte zur Folge, dass die Menschen der Ansicht waren, dass sie frei und ohne auch nur ir- gendwelche moralische Bedenken über ein Tier verfügen konnten und dies auch taten, weil Tiere demnach reine Sachen waren.117

Eine weitere Vergrößerung der Distanz zwischen Mensch und Tier vollzog sich durch die neue Anschauung von René Descartes (1596–1650), einem bekannten und einflussreichen französischen Philosophen, Naturwissenschaftler und Mathematiker. Descartes bediente sich dabei wieder des antiken Kriteriums der Vernunft, indem er davon ausging, dass Menschen Vernunft besäßen und Tieren diese völlig fehle.118 Sie seien lediglich „materielle Wesen“119 bzw. „kunstvolle, aber seelenlose Maschinen“.120 Somit wurde ihnen der Besitz einer Seele völlig abgesprochen, was dazu führte, dass sie ausschließlich auf ihr biologisches Verhalten reduziert wurden; dies bedeutete wiederum, dass man davon ausging, dass sie lediglich auf einen äußeren Reiz, wie etwa das Schreien bei körperlicher Gewalt oder die Flucht bei akuter Gefahr, reagieren würden. Diese Reaktionen waren demnach nicht als Emotionen, wie etwa Schmerz oder Angst zu verstehen, sondern vielmehr als reine automatisierte Handlungen, die durch bestimmte Impulse ausgelöst werden, frei nach dem Maschinenprinzip – betätigt man einen Knopf, folgt die sofortige Reaktion. Emotionen und Gefühle wurden ausschließlich hö- heren Lebewesen mit einer Seele – also nur dem Menschen – zugeschrieben: „Der Mensch hat einen Körper, und dieser Körper ist eine Maschine. Aber die Gefühle hat nicht der Körper, sondern die Person, die aus der Vereinigung von Körper und

117 Ebd., S. 23–24. 118 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 121 und 124; siehe auch Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 25. 119 Ebd. 120 Ebd.; siehe auch Ingensiep/Baranzke, Das Tier, S. 25–26; siehe auch Rainer Hagencord/Jane Goodall, Die Würde der Tiere. Eine religiöse Wertschätzung, Gütersloh 2011, S. 26; siehe auch Rolf Schäfer/Wolfgang Wei- mer, Schlachthof Schlachtfeld. Tiere im Menschenkrieg (Tierrechte − Menschenpflichten 15), Erlangen 2010, S. 51; siehe auch Friedrich Kittler, Die Tiere des Krieges. Ein historisches Bestarium, in: Johannes Bil- stein/Matthias Winzen (Hrsg.), Das Tier in mir. Die animalischen Ebenbilder des Menschen; [anläßlich der Aus- stellung „Das Tier in Mir − die Animalischen Ebenbilder des Menschen“ vom 26. Januar − 01. April 2002 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden], S. 153–175, hier S. 154; siehe auch Singer, , S. 321. 23

Geist besteht. Nichtmenschliche Tiere haben aber nur einen Körper, sind daher nur Maschinen und können also keine Bedürfnisse, Gefühle und Empfindungen haben.“121

Falls ein Mensch so etwas wie Mitleid für ein gequältes Tier empfand, war man der Ansicht, dass dieser lediglich menschliche Eigenschaften auf das Tier projizierte.

Laut Ingensiep/Baranzke können „Tiere […] wegen der fehlenden Vernunft nicht verpflichtet werden, weshalb auch keine direkten Pflichten des Menschen gegen Tiere existieren […]“.122 Diese Ansichtsweise öffnete dem Missbrauch am Tier jede Tür und senkte die Hemmschwel- le, was den Umgang mit ihnen betraf. Die Theologie war an der Propagierung dieses Bildes maßgeblich beteiligt, was auch nicht verwundert, wenn der Mensch doch grundsätzlich davon ausgehen soll, dass es nur einen Schöpfer gibt und er nach seinem Ebenbild geschaffen wurde und ihm somit am nächsten steht. In diesem Zusammenhang wäre es also von Nachteil, wenn man Tieren menschliche Charakteristika zuschreiben würde, also mussten irgendwo grundle- gende Unterschiede ausgemacht werden.123

Die Aufklärung im 18. Jahrhundert war aus menschheitsgeschichtlicher Sicht ein Meilenstein, dennoch geschah sie auf Kosten der Tiere. Nach der Französischen Revolution 1789 wurden erstmals Menschenrechte, die für alle gültig waren, unter dem Banner Freiheit-Gleichheit- Brüderlichkeit verkündet. Dies sprach zum ersten Mal auch jenen Menschen gewisse Grund- rechte zu, die zu früherer Zeit keine besaßen und als Eigentum angesehen wurden.124 Somit repräsentieren die Menschenrechte einen enormen Bruch in der Mensch-Tier-Beziehung und stellen den endgültigen Schritt in eine schier unüberwindbare Kluft zwischen Mensch und Tier dar. Da nun alle Menschen sozusagen auf die gleiche Stufe erhoben wurden, blieben die Tiere dabei auf der Strecke. Erst durch diese Abgrenzung wurde der Schritt zur Gleichheit aller Menschen zu einem hohen Preis für die Tiere vollzogen.125

Auch der im 19. Jahrhundert vom britischen Naturwissenschaftler Charles Darwin (1809– 1882) entwickelte Stammbaum in Bezug auf seine Evolutionstheorie spiegelt die aristoteli-

121 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 123; siehe auch Ingensiep/Baranzke, Das Tier, S. 29; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 51. 122 Ingensiep/Baranzke, Das Tier, S. 28. 123 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 25–26; siehe auch Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 122. 124 Grundsätzlich gab es natürlich, wie bereits zu Zeiten von Aristoteles, auch unter den Menschen eine Hierar- chie, wenngleich jedoch zu jeder Zeit klar war, dass selbst das sich auf der untersten Stufe der Menschen befind- liche Individuum noch weit über dem ersten der Tiere stand. 125 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 14, 125 und 143; siehe auch Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, S. 110 und 113. 24

sche Hierarchie noch wider, wenngleich dieser mehr Dynamik aufweist, weil mit der Zeit die Grenzen zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen durch neue Entdeckungen und For- schungsergebnisse immer fließender wurden und somit die strikte Unterteilung, wie sie Aris- toteles noch vollzog, nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Darwin versuchte anhand der bild- lichen Darstellung, mit dem Menschen an der Spitze, aufzuzeigen, wie sich dieser im Laufe der Evolution herausgebildet hat.126 Erstmals wurde also von einer gemeinsamen Stammesge- schichte von Mensch und Tier ausgegangen, was für die damalige Zeit revolutionär war und nicht immer auf Zustimmung stieß.127 Dennoch wurde der Mensch in dieser Evolutionstheorie als Endprodukt gesehen, demgemäß sind Tiere laut Martin Balluch „nur primitive Vorstufen des Menschen, notwendige Übergangsformen der Evolution, deren gesamte Existenz also nur darin begründet liegt, die menschliche Existenz zu ermöglichen“.128 Die Konsequenz daraus war eine falsche Interpretation der Tatsachen, denn „die natürliche Auslese wurde als Selekti- on des Besseren, Höheren interpretiert. Und das Beste und Höchste aller irdischen Geschöpfe, die Krone der Evolution, war man wieder selbst: der Mensch“.129 Somit wirkte hier die Hie- rarchie von Aristoteles doch wieder nach. Ende des 19. Jahrhunderts entstand so auch die Eugenik. Ihre Anhänger/innen waren der Mei- nung, dass die unterschiedlichen Arten untereinander in einem ständigen Kampf um die Vor- machtstellung stünden und da der Mensch ohne Zweifel das höchste aller Lebewesen sei, ver- trat man die Ansicht, dass diese Position auch verteidigt werden müsse. Dies hatte natürlich für die Tiere weitreichende Folgen. Aus heutiger Sicht weiß man, dass Darwins Theorie eines Stammbaumes mit dem Menschen in der Krone so nicht richtig ist, sondern dass die Evoluti- on vielmehr ein kontinuierlicher Prozess war und ist, in welchem manche Arten im Laufe der Zeit aussterben, manche hinzukommen und wieder andere sich wandeln. Dabei gibt es einfa- che und komplexere Lebensformen, welche aufgrund dieser Tatsache aber nicht automatisch als höhergestellt gelten bzw. eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sie sich in der Evolution durchzusetzen. Die menschliche Ansicht im Sinne der Eugenik, die Evolution künstlich zu beeinflussen, um sicherzustellen, dass nur die höchsten und intelligentesten Le- bewesen – demnach also in erster Linie der Mensch – überleben, ist falsch und von der Natur her nicht vorgesehen.130 Wissenschaftlich gesehen, gibt es also spätestens seit der darwin-

126 Sommer/Ammann, Die großen Menschenaffen, S. 10; siehe auch Hoerster, Haben Tiere eine Würde?, S. 17. 127 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 40; siehe auch Sommer/Ammann, Die großen Menschenaffen, S. 10. 128 Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, S. 132. 129 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 145; siehe auch Pöppinghege, Einleitung, S. 7; siehe auch Sommer/Ammann, Die großen Menschenaffen, S. 10. 130 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 27–28 und 146–147. 25

schen Lehre keinen haltbaren Beweis mehr für eine evolutionäre Unterscheidung von Mensch und Tier.

Ein wesentlicher ebenfalls mit dem Menschenbegriff in Verbindung stehender Aspekt für die Abgrenzung zum Tier, ist das eigens geschaffene Vokabular für die Tiere. So sagen wir etwa, fressen statt essen, Instinkt statt Liebe, verenden statt sterben usw., obwohl wir genau den gleichen Zustand oder Vorgang beim Tier, wie es ihn auch beim Menschen gibt, benennen wollen. Diese sprachliche Abgrenzung war und ist ein einfaches und sehr gefährliches Mittel, um im Alltag auf die vermeintlich großen Unterschiede zwischen Mensch und Tier aufmerk- sam zu machen. Als gefährlich ist diese Tatsache deshalb zu bezeichnen, weil wir die menschliche Sprache zu einem Zeitpunkt und in einem Stadium erlernen, wo wir noch nicht fähig sind, kritisch darüber nachzudenken, ob das Erlernte auch wirklich den natürlichen Ge- gebenheiten entspricht und welche Konsequenzen für die Tiere und unseren Umgang mit ihnen dadurch entstehen. Sprache beschreibt und kreiert also Realität. Diesem Faktum trägt die sogenannte Ökolinguistik Rechnung, indem innerhalb dieses Forschungsfeldes untersucht wird, inwieweit sich Sprache und Umwelt gegenseitig beeinflussen. Betrachtet man unter die- sem Gesichtspunkt die menschliche Sprache in Bezug auf die Tiere, so stellt man fest, dass diese wieder unter einem anthropozentrischen Ansatz festgelegt wurde. Damit soll bei den Menschen die sprachliche Illusion einer Abgrenzung zum Anderem – dem Tier – erzeugt und forciert werden. Dies ist insofern problematisch, weil dadurch die vermeintliche natürliche Ordnung sprachlich untermauert wird.131 Ein Beispiel: Ein Kind sagt zu seiner Mutter: „Schau mal Mama, die Kuh ist schwanger.“ Die Mutter antwortet: „Das heißt trächtig, die Kuh ist trächtig und nicht schwanger.“ Das Kind versteht: Beim Tier benennt man den gleichen Zu- stand anders und schließt daraus: Beim Tier ist dies etwas Anderes. Und in weiterer Folge: Das Tier ist etwas Anderes. Durch sprachliche Mittel wurde dem Kind also beigebracht, dass es gravierende Unterschiede zwischen Tier und Mensch gibt und dass man diese sprachlich kennzeichnen muss, damit es beim Gegenüber zu keinen Verwirrungen kommt. Dadurch wird den Tieren der Subjektstatus geraubt, was es für uns leichter macht, sie ohne schlechtes Ge- wissen für uns zu nutzen.132 Anhand dieses einfachen Beispiels lässt sich erkennen, wie die

131 Reinhard Heuberger, Sprachgebrauch: Das Mensch-Tier-Verhältnis aus linguistischer Sicht, in: Gabriela Kompatscher/Reingard Spannring/Karin Schachinger (Hrsg.), Human-Animal Studies. Eine Einführung für Studierende und Lehrende. Mit Beiträgen von Reinhard Heuberger und Reinhard Margreiter (utb Kulturwissen- schaften), Münster–New York 2017, S. 48–55, hier S. 48–49; siehe auch Reinhard Heuberger, Linguistik. Das Tier in der Sprache, in: Reingard Spannring u.a. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen (Human-Animal Studies 4), Bielefeld 2015, S. 123–137, hier S. 123–124. 132 Heuberger, Sprachgebrauch: Das Mensch-Tier-Verhältnis aus linguistischer Sicht, S. 50. 26

Sozialisation funktioniert und warum sie letztendlich immer zum Nachteil der Tiere erfolgt. Wenn wir diese sprachlichen Muster nicht durchbrechen, wird sich wohl auch im Umgang mit den Tieren nicht so schnell etwas ändern.

Mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten erweiterte sich auch das Anwendungsgebiet von Tieren für die Zwecke der Menschen. So wurden und werden Tiere beispielsweise auch für die Kriegsforschung missbraucht, was generell im kollektiven Bewusstsein eher weniger verankert ist, da die ausführenden Institutionen es geschickt verstehen, diese hinter verschlos- senen Türen durchzuführen und kaum etwas an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Das Fatale dabei ist, dass die für Kriegsforschung missbrauchten Tiere keine Menschen hinter sich stehen haben, die sich für sie stark machen und ihnen eine Stimme geben:133 „Der Unterschied eines Einsatzes an der Front zu dem in den Forschungslabors besteht nur darin, dass Tiere dort eher aktiv handelnd an kriegerischen Aktionen teilnehmen, hier aber meist nur passive Objekte sind, also von einem mittätigen Wesen zu einer bloßen Sache herabgestuft werden. Kriegsgeräte und Waffen aller Art werden an ihnen getestet, vom Schnellfeuergewehr bis zum Nervengas, von Sprengkörpern bis zur Atombombe.“134

Wieder ist es also der Mensch, der sich anderer Lebewesen für seine Zwecke bedient und da- bei entscheidet, wer wofür missbraucht wird. Paradoxerweise haben diese ganzen Experimen- te das Ziel, anderen Menschen zu schaden. Um die ethische Grenze einer Erprobung an Men- schen aber zu umgehen, benutzt man Tiere, um anschließend die volle Wirkung am Gegner erproben zu können. Mit der Rechtfertigung, die eigenen Artgenossen dadurch zu schützen, nimmt man die tierischen Opfer dafür nur zu gern in Kauf.135 Was die eingesetzten Tierarten betrifft, so wurden und werden Schweine, Ratten, Mäuse sowie Hunde, Affen und Ziegen für die Kriegsforschung herangezogen, genauso wie Delfine, Seehunde, Belugawale, Katzen, Kaninchen, Schafe und Kühe.136 Die dafür Zuständigen testen mit akustischer Folter,137 aber auch mit „Schusswaffen, Bomben, explosiven Materialien, arbeiten mit Verbrennungen, Verät- zungen, Sprengungen, Elektroschocks, setzen Bestrahlungen, Vergiftungen, Infektio- nen ein, erzeugen Erkrankungen und Verletzungen durch Dekompression, Schwerelo- sigkeit, Drogen und Alkohol, durch Inhalation von Rauch oder reinem Sauerstoff“.138

133 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 68. 134 Ebd. 135 Ebd., S. 68 und 74. 136 Ebd., S. 69–72. 137 Ebd., S. 70. 138 Ebd., S. 72. 27

In diesem Zusammenhang ist es sehr schwer, konkrete Zahlen zu nennen, weil dieser Bereich der Kriegsführung gerne geheim gehalten wird. Durch neue Technologien wurden immer neuere Mittel für den Krieg an Tieren und durch sie getestet. „Der Test von Kriegsgeräten und -mitteln aller Art hat sich ausgedehnt zu einem geradezu industriellen Komplex, der militäri- sche Zielsetzungen mit wissenschaftlichen (biologischen, chemischen, medizinischen) Me- thoden verbindet“,139 so Schäfer/Weimar. Die dabei beteiligten Länder befinden sich auf der ganzen Erdkugel verstreut. So gibt es beispielsweise nachgewiesene Experimente in Norwe- gen und Schweden, Deutschland, in den USA und der Sowjetunion.140 Dieser kurze Exkurs soll zum einen verdeutlichen, wie weitreichend die Konsequenzen der Betrachtungsweise von Tieren und der damit einhergehende Umgang sind, und zum anderen als konkretes Beispiel dieser Arbeit verstanden werden, in welcher der Schwerpunkt auf dem Kriegseinsatz von Tie- ren – im Speziellen von Pferden – liegt.

Natürlich gab es zu jeder Zeit auch Skeptiker/innen und Andersdenkende, die die zu ihrer Zeit gängigen Betrachtungsweise von Mensch und Tier kritisch hinterfragten und sich für die Va- lorisierung der Tiere einsetzten. Bereits in der Antike sind hier große Namen, wie Pythagoras, Platon und Plutarch zu nennen. So gestand ihnen beispielsweise Plutarch sehr wohl Vernunft zu, weshalb man sie seiner Ansicht nach auch nicht essen dürfe.141 Auch viele Heiliggespro- chene bekundeten eine große Nähe und Verwandtschaft zu den Tieren, wie etwa Franz von Assisi, der wohl überhaupt der Bekannteste unter ihnen ist.142 Auch die heute nicht vorstellba- ren Tierprozesse im Mittelalter können als Überbrückung der vermeintlichen Distanz zwi- schen Mensch und Tier gelten, da dadurch zumindest belegt ist, dass man ihnen gewisse Rechte zusprach und sie generell als rechtsfähig ansah,143 wenngleich ein Prozess gegen ein Schwein oder eine Maus aus heutiger Sicht nur mit äußerst viel Fantasie vorstellbar ist. Auch der französische Humanist, Politiker und Philosoph Michel de Montaigne (1533–1592) sprach sich bereits gegen die Sonderstellung des Menschen und für eine Aufwertung des Tieres aus. Nach Münch war Montaignes Anliegen, „den Menschen im Einklang mit den antiken tier-

139 Ebd., S. 73. 140 Ebd., S. 69–71. 141 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 31. 142 Ebd., S. 32; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 50; siehe auch Singer, Animal Liberati- on, S. 317–318. 143 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 33; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 50; siehe dazu generell Peter Dinzelbacher, Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess, Essen 2006. 28

freundlichen Stimmen nicht als privilegiertes Sonderwesen, sondern als Teil der Natur zu be- greifen […]“.144 Die im 17. Jahrhundert aufkommende Anatomie bestätigte erneut die großen Gemeinsamkei- ten von Mensch und Tier, als zum ersten Mal ein Affe seziert wurde und dabei mehr Gemein- samkeiten als Unterschiede gefunden werden konnten.145 Durch diese Erkenntnisse bröckelte die propagierte und scheinbar unbestreitbare theologische Weltsicht des Menschen als Spitze allen Lebens zusehends, wenngleich dies nicht bedeutete, dass dabei ein breiter Umschwung im Denken und Umgang mit den Tieren erfolgte. So war beispielsweise auch Immanuel Kant (1724–1804), ein einflussreicher deutscher Philosoph, auch der Ansicht, dass man Tiere nicht quälen darf. Dabei ging es ihm aber in erster Linie nicht um die Tiere selbst, sondern um den Menschen, da dieser durch Tierquälerei verrohen kann, was zur Folge haben könnte, dass er sein grausames Verhalten auch auf den Menschen überträgt.146 Der sich im 19. Jahrhundert etablierende und bereits im 18. Jahrhundert langsam aufkeimende Tierschutzgedanke brachte dann aber definitiv eine Verschiebung der Kriterien, die zwischen Menschen und Tieren un- terscheiden, mit sich. Vorrangig sollte von nun an nicht mehr die Vernunft stehen, wie sie bei Aristoteles noch vorherrschend war, sondern die Leidensfähigkeit. Jedes Tier, das also fähig war, Schmerz zu empfinden, galt als schützenswert und somit wandte man sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend von Descartes Vorstellung des Tieres als reine Maschine ab.147 Wenngleich durch diese Beispiele deutlich wird, dass es immer schon Menschen gab, die sich für die Tiere einsetzten, blieben sie leider die Ausnahme als die Regel.

Auch heute versucht man, sich durch verschiedene – wohlgemerkt vom menschlichen Bei- spiel ausgehend – Kriterien von den Tieren zu unterscheiden und abzugrenzen. Als erstes Kri- terium wird oft die Intelligenz und Rationalität genannt, denn kein anderes Lebewesen kann sich in diesen beiden Bereichen mit dem Menschen messen – so die übliche Ansichtsweise der meisten Menschen.148 Außerdem würden in diesem Zusammenhang auch nur Menschen

144 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 34; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 51. 145 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 34–35. 146 Hoerster, Haben Tiere eine Würde?, S. 18; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 73; siehe auch Johann S. Ach, Warum man Lassie nicht quälen darf. Tierversuche und moralischer Individualismus, Zugl.: Münster, Univ., Diss., 1997 (Tierrechte − Menschenpflichten 2), Erlangen 1999, S. 119. 147 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 37–38; siehe auch Marc Be- koff/Jane Goodall/Janine Goss, Das unnötige Leiden der Tiere. Tierrechte − was jeder Einzelne tun kann (Her- der-Spektrum Bd. 5196), Freiburg im Breisgau 2001, S. 41; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlacht- feld, S. 54; siehe auch Singer, Animal Liberation, S. 36–37. 148 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 21; siehe auch , You can save the animals. 251 simple ways to stop thoughtless cruelty, Rocklin Calif 1999, S. 6. 29

über die Moralfähigkeit verfügen.149 Des Weiteren würden sich die Tiere von uns unterschei- den, weil sie die Fähigkeit, an so etwas wie Religion zu glauben, nicht besäßen. Auch über die menschliche Sprache verfügten sie nicht, und falls sie ihnen durch den Menschen beigebracht werde, seien sie trotzdem nicht im Stande, sie zu verstehen und nachzuvollziehen, wie wir es täten. Auch die Kunst unterscheide die Tiere maßgeblich von uns, weil sie es nicht vermöch- ten, Kunst zu erschaffen, die unseren Kriterien entspräche.150 Weiters besäßen sie keine Schriftkultur151 und auch die technischen Innovationen im 20. und 21. Jahrhundert werden herangezogen, um das Tier vom Menschen abzugrenzen, weil wohl niemand sonst als wir selbst zu solch fantastischen Entwicklungen je hätte gelangen können.152 Nicht zuletzt bilden der Werkzeuggebrauch, der Humor oder das Inzesttabu auch wichtige menschliche Kriterien, um Tiere von uns zu unterscheiden.153 Was also hier objektiv betrachtet hervorkommt, ist die Tatsache, dass wir auch heute noch unter einem anthropozentrischen Gesichtspunkt diese Kriterien festlegen. Um aber rational nachvollziehen zu können, wodurch und wo genau sich die Tiere von uns unterscheiden, be- darf es objektiver und belegbarer Kriterien und eben nicht solcher, die wir erschaffen, um dann anschließend nach unseren Maßstäben zu urteilen und einzuteilen. Natürlich kann ein Tier keine Religion ins Leben rufen, nach welcher es im Leben handelt und natürlich kann es auch nicht unsere Sprache erlernen, wenn es nicht einmal über die dafür notwendigen biologi- schen Voraussetzungen verfügt. Aber wir Menschen können uns auch in vielen Bereichen nicht einmal annährend mit den Tieren messen, trotzdem zählt diese Tatsache bei der Beurtei- lung nicht. Außerdem konnte auch nachgewiesen werden, dass manche Tierarten sehr wohl über gewisse obengenannten Kriterien verfügt, allerdings nicht in dem Ausmaß bzw. in der Form, die wir Menschen als gültig ansehen würden.154 „Dass die Tiere uns nahe sind, was Intelligenz, Gefühl und Kultur betrifft, wird immer klarer. Der kleine Gang durch die Verhal- tensbiologie hat das deutlich gemacht“,155 so die Meinung von Hagencord/Goodall. Wie also hier deutlich wird, gibt es keinen wissenschaftlich haltbaren Grund, dass eine einsei- tige Kategorisierung, aus welcher der Mensch eine scheinbar natürliche Ordnung ableitet, schlicht und einfach nicht möglich ist und der Mensch letzten Endes ein Tier unter vielen an-

149 Ach, Warum man Lassie nicht quälen darf, S. 122. 150 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 22–23 und 25; siehe auch Newkirk, You can save the animals, S. 10; siehe auch Ach, Warum man Lassie nicht quälen darf, S. 128. 151 Pöppinghege, Einleitung, S. 7. 152 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 115. 153 Ebd., S. 117. 154 Ebd.; siehe auch Newkirk, You can save the animals, S. 10. 155 Hagencord/Goodall, Die Würde der Tiere, S. 49. 30

deren ist, dessen Fähigkeiten in manchen Bereichen jenen der Tiere überlegen sind und in manchen eben nicht.

Der Versuch, auch heute noch trotz wissenschaftlicher Ergebnisse aus der Tierpsychologie, Verhaltensforschung oder biologisch nachgewiesener Ähnlichkeiten eine klare Trennlinie zwischen Mensch und Tier zu ziehen, kann laut der Meinung einiger Forscher gar als ein Be- leg für die innere Zerrissenheit des Menschen gesehen werden. „Der Mensch ist ein Tier und der Mensch wirft Fragen auf, die ihn über das, was er ist, hin- auszubringen versucht, damit er nicht länger sein muss, was er doch ist“,156 so Andreas Bren- ner dazu. Die bewusste Suche nach Unterscheidungsmerkmalen, die uns Menschen wirklich eindeutig von den Tieren unterscheiden, löst beim Menschen also eine innere Zerrissenheit aus, da diese, wie weiter oben bereits ausführlich und beispielhaft ausgeführt wurde, nicht in dem Maße existiert, wie es sich der Mensch vielleicht wünschen würde. Auf der einen Seite kann er, auch wenn er es nicht möchte, nicht leugnen, dass seine Geschichte genauso eng mit der Tiergeschichte verbunden ist, wie umgekehrt, auf der anderen Seite möchte er sich aber klar davon abgrenzen und versucht dies in vielerlei Hinsichten. „Je mehr es dem Homo sapi- ens gelingt, sich seiner animalischen Triebe zu entledigen oder sie wenigstens zu zähmen, umso lauter kann er seine Rolle als Kulturwesen definieren.“157 Dieses Zitat von Paul Münch zeigt also eindrucksvoll, warum der Mensch das über die Jahrhunderte künstliche Konstrukt des Anderen – das Tier – erschuf, nämlich, um sich seiner Position als höchst entwickeltes Lebewesen vergewissern zu können. Betrachtet man jedoch die Fakten, kann er diese Rolle nicht erfüllen, weil die Voraussetzungen dafür nicht existieren. Krü- ger/Steinbrecher/Wischermann verdeutlichen dies in dem nachfolgenden Zitat eindrucksvoll: „Tiere sind insofern nicht am Menschen gemessene ,Defizitwesen‘, die den Menschen in einer Entwicklungshierarchie von den Mikroben bis zu den Primaten näher oder ferner stehen, sondern jeweils komplexe Wesen, die sich in unterschiedlicher Weise in Beziehungen zu Menschen setzen (können).“158

Biologisch gesehen ist der Mensch ein Tier, das sich zusammen mit allen Tierarten auf einem gemeinsamen Ast befindet, welcher wiederum Teil eines noch viel größeren Netzwerkes, be- stehend aus mehreren Ästen, ist. Dies ist aus heutiger wissenschaftlicher Sicht das einzig nachvollziehbare Modell, um die Evolutionsgeschichte darzustellen.159 Betrachtet man diesen

156 Brenner, Das Tier und Wir, S. 17. 157 Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 39; siehe auch Éric Baratay, Bêtes des tranchées. Des vécus oubliés (Biblis 176), Paris 2017, S. 21. 158 Krüger/Steinbrecher/Wischermann, ANIMATE HISTORY, S. 11. 159 Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, S. 132. 31

Ast, auf welchem sich der Mensch befindet, näher, wird klar, dass der Mensch zur Familie der Großen Menschenaffen, genauer gesagt zur Unterfamilie der Afrikanischen Großen Men- schenaffen, zusammen mit dem Schimpansen, dem Gorilla und dem Bonobo gehört.160 Man weiß heute, dass der Mensch eine genetische Übereinstimmung von 98.4 % mit dem Schim- pansen und dem Bonobo aufweist,161 somit ist er diesen beiden Affenarten also näher ver- wandt, als diese mit dem Gorilla, der trotzdem aber zur gleichen Unterfamilie gehört.162 „Die Nähe der Verwandtschaft zwischen Menschen und Schimpansen ist mit der zwischen Pferden und Eseln, oder zwischen afrikanischen und indischen Elefanten, oder zwischen Tigern und Löwen vergleichbar“,163 veranschaulicht Martin Balluch. Allein durch diese wissenschaftli- chen Erkenntnisse kann der Mensch seine Abstammung nicht leugnen, welche ihn zweifels- ohne als Tier kategorisieren. Ein weiteres Beispiel, das Martin Balluch anführt,164 und welches verdeutlicht, dass die Un- terscheidung in Mensch und Tier in der Realität nach objektiven Kriterien nicht aufrecht zu erhalten ist, ist der Neandertaler, der bis vor 37.000 bis 27.000 Jahren in Europa gelebt hat. Der Neandertaler gilt nicht als direkter Vorfahre des heutigen kultivierten Menschen, trotz- dem wird er eindeutig zur Art Homo sapiens gezählt. Dabei wurde belegt, dass der Neanderta- ler weder über eine gemeinsame Sprache verfügt hat, noch ein ausgeprägtes Kulturverhalten hatte, auch dass er kein Werkzeug herstellte oder gar an eine Religion glaubte. All diese Kri- terien haben wir Menschen allerdings festgelegt, um anscheinend eindeutig zwischen Men- schen und Tieren unterscheiden zu können, wie weiter oben in Bezug auf noch heute gültige Unterscheidungsmerkmale erklärt wurde. Wenn wir also diese Kriterien, die wir selbst festge- legt haben, heranziehen würden, um objektiv zu entscheiden, ob der Neandertaler als Mensch oder Tier zu kategorisieren wäre, müsste eindeutig herauskommen, dass er zu Letzteren ge- zählt werden müsste, was er de facto aber nicht tut. Anhand dieses einfachen Beispiels wird also deutlich, wie willkürlich und vor allem nicht nachvollziehbar diese potenzielle Unter- scheidung ist. Somit kann am Schluss nur eine Erkenntnis stehen: Der Mensch ist ein Tier, wie jedes andere auf dieser Welt, er hat es allerdings geschafft, diese Tatsache gekonnt zu verleugnen und so darzustellen, als gäbe es eine scheinbar unüberwindbare Kluft zwischen Menschen und Tieren. Hinter den Begriffen „Mensch“ und „Tier“ liegende Konzepte sind nichts Anderes als menschliche künstliche Konstrukte und die Bezeichnung „Mensch“ wird

160 Sommer/Ammann, Die großen Menschenaffen, S. 13; siehe auch Kompatscher/Spannring/Schachinger, Hu- man-Animal Studies, S. 41. 161 Bekoff/Goodall/Goss, Das unnötige Leiden der Tiere, S. 40; siehe auch Newkirk, You can save the animals, S. 6. 162 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 41–42. 163 Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, S. 132. 164 Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 157–158. 32

aus diesem Grund völlig willkürlich von den Menschen selbst nach ihren Maßstäben vergeben und kann somit in keinster Weise einer objektiven und wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.

Ein konkretes Beispiel, welches für diese Arbeit essentiell ist und gleichzeitig als Überleitung zum nächsten Kapitel dienen soll, ist die gemeinsame biologische Vergangenheit von Mensch und Pferd. Evolutionär sind wir Menschen vom Pferd nämlich gar nicht so weit entfernt, wie man vielleicht annehmen könnte. Nach Erhard Oeser haben sich „[erst] vor 100 Millionen Jahren […] die zu Menschen und Pferden führenden Entwicklungslinien getrennt. Aber noch viele anatomische Merkmale, wie Skelett und vor allem auch das Gehirn sind ähnlich geblie- ben“.165 Forscher gehen also davon aus, dass diese gemeinsame Abstammung mit ein Grund war, warum die Beziehungsgeschichte zwischen Pferd und Mensch über eine so außerge- wöhnlich lange Zeit währt und auch heute noch fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist:166 „Über einen langen Zeitraum war das Pferd als wirtschaftlicher und militärischer Fak- tor von eminenter Bedeutung. Es half Völkergruppen Macht zu erlangen und bildete eine Voraussetzung für industrielle wie auch landwirtschaftliche Entwicklung. Das Pferd half als Reit-, Last- und Zugtier große Entfernungen zu überwinden und somit Grenzen hinauszuschieben oder Kriege zu führen.“167

Was damit allerdings auch klar wird, ist die Tatsache, dass der Mensch durch sein Verhalten gegen niemand anderen als sich selbst kämpft, was zu Beginn dieses Kapitels schon provo- kant deklariert wurde. Wenn der Mensch nämlich ein Tier unter vielen ist und dennoch seine Artgenossen in den Krieg für ihn ziehen lässt, ihn für seine Zwecke quält und ausbeutet, kann diese Aussage nur bestätigt werden und sollte eigentlich ein Anstoß für eine Überdenkung unseres Umgangs mit den Tieren sein. Im nächsten Kapitel soll auf den Machtmissbrauch am Pferd näher eingegangen werden, weil sich wohl kaum ein anderes Lebewesen besser dafür eignen würde, um die jahrtausendelange Ausbeutung durch den Menschen mit all seinen schrecklichen Ausartungen darzustellen.

4. Pferd und Mensch – eine geschichtsträchtige Verbindung „Weiträumige kulturelle Verbindungen, die Entstehung von Großreichen, grundlegen- de Veränderungen in der Lebensweise bis hin zu Erziehung und Organisation der Ge- sellschaft, Kriegsführung und Produktionsweise haben sich im Zusammenleben von

165 Erhard Oeser, Pferd und Mensch. Die Geschichte einer Beziehung, Darmstadt 2007, S. 44. 166 Ebd. 167 Förster, Tiere als Therapie − Mythos oder Wahrheit?, S 59. 33

Mensch und Pferd herausgebildet und im Laufe der Zeit grundlegend verändert. Die menschliche Gesellschaft und das Pferd haben sich gegenseitig tiefgreifend beein- flusst.“168

Anhand dieses Zitates von Michael Tellenbach wird deutlich, welche positiven Folgen aus dem Zusammenleben von Pferd und Mensch für Letzteren resultierten. Wenngleich der Mensch dem Pferd Schutz und Nahrung bot, so darf trotzdem nicht vergessen werden, dass er es war, der zuerst den Willen eines einst wilden und freilebenden Tieres brechen musste, um es für seine Zwecke zu nutzen. Bedenkt man, wie viel Leid und Grausamkeit das Pferd im Laufe der Geschichte durch den Menschen erfahren musste, so muss hier wohl eher von einer Leidensgeschichte gesprochen werden, als von einer Beziehungsgeschichte. Diese Leidensge- schichte nimmt ihren Anfang mit der Domestikation durch den Menschen.

4.1 Domestikation und erste Anfänge des Reitens Bezüglich des genauen Zeitpunktes der Domestikation von Pferden, damit gemeint ist die „aktive Veränderung von Wildtieren hin zu Haustieren“,169 gibt es viele unterschiedliche An- sichten. Aufgrund fehlender schriftlicher Quellen und aussagekräftiger archäologischer Fun- de, ist es aus heutiger Sicht sehr schwierig, hierzu einen gesicherten Zeitpunkt zu nennen.170 Einige Forscher gehen davon aus, dass die Domestikation von Pferden vor circa 5.000–6.000 Jahren stattgefunden hat,171 und zwar durch eurasiatische Steppennomaden, welche sich zwi- schen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer aufhielten. Diese Nomaden begleiteten zu- nächst große Tierherden, um sie dann später zu domestizieren, als sich die Tiere bereits an ihre menschliche Gesellschaft gewöhnt hatten. Dies war insofern für den Menschen wichtig, da in dieser kargen Gegend oft nur wenig Nahrung vorhanden war.172 Die Pferde, die sie in großer Zahl hielten, dienten ihnen als Grundlage für Nahrung und Kleidung und ihr Dung wurde als Brennmaterial verwendet.173 Die Stutenmilch war aufgrund ihrer Reichhaltigkeit sehr begehrt bei den Menschen, weil sie das menschliche Überleben in dieser Gegend erleich-

168 Michael Tellenbach, „Pferdestärken“. Zur kulturgeschichtlichen Phänomenologie der Mensch-Pferd- Symbiose, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn- Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 1–17, hier S. 1. 169 Kompatscher/Spannring/Schachinger, Human-Animal Studies, S. 67. 170 Oeser, Pferd und Mensch, S. 50; siehe auch Tellenbach, „Pferdestärken“, S. 2; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 17; siehe auch Kellner, Das Pferd bewegt die Menschheit, S. 13. 171 Elwyn Hartley Edwards, Pferde. Begleiter des Menschen durch die Geschichte, Rüschlikon–Zürich 1988, S. 48; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 43 und 50. 172 Edwards, Pferde, S. 48–49. 173 Förster, Tiere als Therapie − Mythos oder Wahrheit?, S. 58. 34

terte,174 außerdem wurden die Sehnen der Pferde als Garn verwendet.175 Der Mensch profi- tierte also bereits damals in vielerlei Hinsicht von der Domestikation des Pferdes. Andere wiederum vertreten die Ansicht, dass die Domestikation mit dem 4. Jahrtausend v. Chr. zu datieren ist und diese von indoeuropäischen Nomadenvölkern in den asiatischen Step- pen vollzogen wurde.176 Gesichert ist jedoch, dass das Pferd vor seiner Domestikation dem Menschen in erster Linie als Quelle für Nahrung, Werkzeug und Kleidung diente.177 Dafür wurden sie oft zusammengetrieben und von einem erhöhten Punkt in den Abgrund gejagt.178

Auch die Domestikation an sich gestaltete sich als äußerst schwierig. Bevor dieses von Natur aus große und scheue Fluchttier domestiziert werden konnte, bedurfte es eines vorherigen eingehenden Studiums seines Wesens.179 Das Pferd ist laut Edwards „ein nervöses, tempera- mentvolles Tier, dessen Verteidigungssystem auf scharfen Sinnen, einem besonders angepaß- ten Sehvermögen und der körperlichen Fähigkeit zu schneller Flucht bei echter oder vermeint- licher Gefahr beruht“.180 Aus diesem Grund überrascht es auch nicht, dass beispielsweise Hunde aufgrund ihrer geringeren Körpergröße und ihres ruhigeren Verhaltens bereits lange vor dem Pferd um etwa 12.000 v.Chr. domestiziert wurden. Um 9.000 v.Chr. hielten die Men- schen bereits mehrere kleinere Tiere, wie Schafe, Ziegen, Schweine, etc., die sie mit allem versorgten, was sie zum täglichen Leben brauchten. Aus diesem Grund war es zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich für den Menschen noch nicht notwendig, das Pferd zu domestizie- ren.181

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie es überhaupt zur Domestikation von Pferden kommen konnte, da das Pferd dem Menschen in physischer Hinsicht weitaus überle-

174 Ebd.; siehe auch Edwards, Pferde, S. 9. 175 Gaelle Rosendahl, Den Wind einfangen. Das Pferd als Jagdtier und Inspiration in der Altsteinzeit, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Son- derausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein, S. 29–33, hier S. 31. 176 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 17; siehe auch Münch, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte, S. 30. 177 Edwards, Pferde, S. 9. 178 Ebd.; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 50. 179 Tellenbach, „Pferdestärken“, S. 1; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 12; siehe auch Rosendahl, Den Wind einfangen, S. 29. Die Bezeichnung des Pferdes als „Fluchttier“ ist in unserem kollektiven Gedächtnis be- reits sehr lange verankert. Dennoch gibt es Kritiker, die sich für eine Veränderung dieser vermeintlich natürli- chen Begebenheit einsetzen: „Horses are NOT flight animals, they are cognitive centered animals, they become reactive in the coexistence with the human.“ – Francesco De Giorgio (Quelle: Vortrag von José De Giorgio- Schoorl am 14.12.2017). Damit beschreibt er Pferde nicht als Fluchttiere, sondern als Tiere, die Fluchtverhalten in bestimmten Situationen zeigen können und setzt sich damit für eine Bewusstseinsänderung ein. 180 Edwards, Pferde, S. 14. 181 Ebd., S. 47. 35

gen ist. „Die Antwort darauf liegt in der angeborenen geselligen Wesensart der Pferde, die ihnen in ihrer Gemeinschaft mit dem Menschen so oft zum Verderben wurde.“182 Pferde sind Herdentiere und in einer solchen Herde gibt es eine Hierarchie. Somit sind sie es also ge- wohnt, sich einem Mitglied dieser Herde zu unterwerfen, meist ist dies das Stärkste oder Äl- teste. Innerhalb einer Gruppe gibt es eine starke Zusammenhörigkeit und Sozialität mit festge- legten Positionen und die Pferde folgen dem anerkannten Rudelführer.183 Laut Förster sind Pferde „lernfreudige, harmoniebedürftige und gutmütige Wesen, deren Begabungen (aus-) genutzt oder brach liegengelassen werden können“.184 Der Mensch hat es demnach geschafft, dass sich Pferde „einem als Alpha-Tier maskierten Jäger unterwerfen“,185 und weil sie dies nicht freiwillig taten, kann man in diesem Zusam- menhang wohl eher von einer Unterjochung als einer Unterwerfung sprechen. Wie bereits weiter oben angesprochen wurde, war dies ein langer Prozess und konnte sich wohl letztend- lich auch nur deshalb bewähren, weil dieser ursprüngliche Freiheitsdrang durch die systemati- sche Züchtung der Pferde immer mehr verschwand, was eine vollkommene Abhängigkeit der Pferde vom Menschen bedeutete und aus Sicht der Menschen ja keine schlechte Folge war: „Zivilisationen wurden geschaffen und wieder zerstört, und fünftausend Jahre lang war das Pferd aus diesen Vorgängen nicht wegzudenken. […] Im Grunde konnte es überhaupt nur bei jenen Völkern zu kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritten kommen, die domestizierte Pferde besaßen.“186

Anhand dieser ersten kurzen Einführung in die Beziehungsgeschichte von Mensch und Pferd wird bereits deutlich, dass der Mensch seine Vormachtstellung ausnutzte, indem er durch sein Verhalten nachhaltig in den Lebensraum dieser Tiere eingriff und sie systematisch immer mehr für seine eigenen Zwecke und Interessen einsetzte.

Der Zeitpunkt, ab dem man Pferde als Reittiere verwendete, ist aus menschheitsgeschichtli- cher Sicht ein Meilenstein in der Evolution, aus tierischer Sicht muss wohl eher vom Beginn einer jahrtausendelangen Knechtschaft gesprochen werden. Doch bevor die ersten Pferde als Reittiere benutzt wurden, dienten sie dem Menschen als Last- und Zugtiere187 und wurden so oft auch zu Tode geschunden. „Kaum dem Bratspieß oder Kochtopf entronnen, verfiel es in

182 Oeser, Pferd und Mensch, S. 12; siehe auch Edwards, Pferde, S. 185. 183 Oeser, Pferd und Mensch, S. 12 und 41; siehe auch Förster, Tiere als Therapie − Mythos oder Wahrheit?, S. 63. 184 Ebd., S. 62. 185 Friedrich Kittler, Die Tiere des Krieges, S. 155. 186 Edwards, Pferde, S. 10; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 11. 187 Edwards, Pferde, S. 9; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 17. 36

eine Knechtschaft, die kaum seinesgleichen hat. Symbol dieser Knechtschaft ist bis heute das Joch, das bei allen Völkern des Altertums in Gebrauch war.“188 Da Pferde ursprünglich wilde und freie Tiere waren, kann in Bezug auf ihre beginnende Nut- zung als Zugtier zu Recht von einer wahrlichen „Unterjochung“189 gesprochen werden, wie es Erhard Oeser bezeichnet. Dabei wurde dem Pferd das Joch so um den Hals gelegt, dass dieses die ganze Last mit seinem Hals ziehen musste. Erst später kamen Bauchgurte hinzu, welche die Zuglast auf den gesamten Körper des Pferdes verteilten.190 Dadurch konnten die Nomaden nun über weite Strecken mit ihrem Hab und Gut umherziehen.191

Der genaue Zeitpunkt des Beginns des Reitens auf dem Pferd ist ebenfalls wie der seiner Do- mestikation sehr schwer zu definieren. Wahrscheinlich begannen die Menschen bald nach der Domestizierung der Pferde und nach ihrer Nutzung als Last- und Transporttier, sich auf sie zu setzen, weil sie dadurch ihre Herden besser überblicken und treiben konnten.192 Für unser heutiges Verständnis vom klassischen Reiten gibt es erst später genaue Nachweise. Laut Oe- ser stammen die ältesten Zeugnisse für die Reitnutzung des Pferdes aus der Zeit um 1.500 v. Chr., jüngere wurden in Ost- und Mitteleuropa, in Kaukasien, im Vorderen Orient, in Ägypten sowie in China um 1.200 v. Chr. gefunden.193 Diese Erfahrung war für Pferde alles andere als positiv. Das Reiten eines Lebewesens auf dem Rücken eines anderen ist nicht unbedingt eine natürliche Situation und deshalb kann man sich auch vorstellen, wie belastend dies für das von Natur aus scheue Pferd ist. Es assoziiert damit nämlich einen Angriff eines Raubtieres und wehrt sich, indem es bockt und versucht, den Rei- ter abzuwerfen.194 Für das Pferd ist das Zusammentreffen mit dem Fleisch essenden Men- schen also eine Begegnung zwischen Räuber und Beute und deshalb eine gefährliche Situati- on, aus der es durch Flucht oder Abwerfen versucht zu entkommen.195 Erst wenn dieser natür- liche Reflex überwunden, sprich gebrochen wird, kann der Mensch auf dem Pferd reiten. So-

188 Ebd., S. 55. 189 Ebd. 190 Ebd., S. 56; siehe auch Edwards, Pferde, S. 62. 191 Ebd., S. 9. 192 Ebd., S. 51; siehe auch Tellenbach, „Pferdestärken“, S. 1; siehe auch Förster, Tiere als Therapie − Mythos oder Wahrheit?, S. 58; siehe auch Lorenz, Tiere im Leben der alten Kulturen, S. 51. 193 Oeser, Pferd und Mensch, S. 57. 194 Ebd.; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 17. 195 Oeser, Pferd und Mensch, S. 57; siehe auch Melanie Janssen-Kim, Goldene Krieger. Die Reitervölker der eurasischen Steppe, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 71–77, hier S. 74. 37

mit wird klar, dass das Pferd gewaltsam und durch eine leidvolle Erfahrung dem Menschen unterworfen werden musste, bevor dieser es für seine Zwecke gebrauchen konnte. Dieser Missbrauch vollzog sich in nahezu jedem erdenklichen Aspekt, denn „Transportwesen, Nachrichtenübermittlung, Krieg und später auch die Landwirtschaft waren vollkommen ab- hängig von der Kraft des Pferdes“.196 Den Höhepunkt des Machtmissbrauches an diesem Le- bewesen stellt aber ohne Zweifel sein Kriegseinsatz dar, worauf im nächsten Kapitel näher eingegangen werden soll, denn es gab wohl kein anderes Tier, das über eine so lange Zeit in nahezu allen Schlachten dieser Welt eingesetzt wurde197 und somit behauptet werden kann: „Das Kriegsglück der Erde lag auf dem Rücken der Pferde.“198

4.2 Das Pferd im Kriegsdienst des Menschen 4.2.1 Altertum Die Verwendung des Pferdes als Last- und Zugtier kann eigentlich als Beginn ihres Kriegs- einsatzes gesehen werden, denn der Weg des zivilen Gebrauchs hin zu einem militärischen war nicht mehr allzu lang. Dabei war der technologische Fortschritt sehr wichtig: „Die Entwicklung des leichten Einachsers mit Speichenrädern führte zum Streitwagen mit Pferdebespannung. Das setzte für das temperamentvolle Pferd effektive Anspan- nungstechniken voraus. Dies erforderte eine sorgsame und systematische Pferdehal- tung mit Aufzucht und Dressur, damit dieses Fluchttier zum Angriff gelenkt werden konnte […].“199

Diese Entwicklung ist ca. auf die Zeit um 1.800 v. Chr. in Mesopotamien zurückzuführen,200 auch wenn der Streitwagen zunächst nicht als aktives Kriegsgerät verwendet wurde, sondern um Krieger zum Ort des Geschehens zu befördern.201 Somit waren Pferde zu dieser Zeit noch nicht direkt an vorderster Front vorzufinden, jedoch zählt dieser Einsatz ohne Zweifel zum Kriegsdienst, denn freiwillig wäre wohl kein Pferd dazu zu bewegen gewesen, in ein Kriegs- gebiet zu ziehen.

196 Edwards, Pferde, S. 10. 197 Breuss, PFERDEstärken, S. 22. 198 Rainer Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 235–251, hier S. 235. 199 Tellenbach, „Pferdestärken“, S. 2; siehe auch Dahlia Shehata, Gezügelte Wildheit. Vom Aufstieg des Pferdes in Mesopotamien, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 39–45, hier S. 41; siehe auch Müller, Tiere als Kostenfaktor in antiken Kriegen, S. 23. 200 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 23; siehe auch Kittler, Die Tiere des Krieges, S. 155; siehe auch Shehata, Gezügelte Wildheit, 41; siehe auch Edwards, Pferde, S. 60. 201 Oeser, Pferd und Mensch, S. 58. 38

Um sie für die Anspannung vor Streitwägen benutzen zu können, musste sich allerdings zu- nächst in der Führtechnik etwas ändern und die Pferde mussten außerdem gut dressiert sein.202 Man geht davon aus, dass sich die Menschen zunächst einfach auf das Pferd gesetzt haben und sich an ihrer Mähne festhielten, ohne Zaumzeug, Sattel oder Steigbügel – in welcher Form auch immer – zu verwenden.203 Um sie aber von weiter weg kontrollieren zu können, musste sich in diesem Punkt zunächst etwas ändern. Anfänglich benutzte man ein Seil, wel- ches man dem Pferd in den Mund in jenen hinteren Bereich einführte, welcher keine Zähne mehr aufweist. Dieses wurde dann um die Nase gebunden und führte hinter den Ohren zu- sammen. Hielt man das Seil auf Zug, so schnürte sich das Seil in die Nase, sodass das Pferd kurzzeitig keine Luft mehr bekam.204 Abgelöst wurde diese Führtechnik durch Gebisse, wel- che zunächst aus Leder und Hartholz, danach aus Knochen oder Horn und schließlich aus Metall gefertigt wurden. Dadurch konnte man die Pferde bequem vom Zugmittel aus in jede beliebige Richtung steuern. Um die Übersetzung des menschlichen Willens auf dieses Tier noch zu beschleunigen, kam es nicht selten vor, dass die Gebisse mit scharfen Kanten und Stacheln versehen wurden.205

Diese neuerliche Führungstechnik, die in direkter Verbindung mit der Erfindung des Streit- wagens steht, führte also dazu, dass sich der Mensch nun vom umherziehenden Nomaden zum berittenen Krieger wandelte, der sein Herrschaftsgebiet ausweitete, seinen Besitz vermehrte und auch bereit war, diesen in kriegerischen Handlungen mit seinen Nachbarvölkern zu ver- teidigen.206 Richtige Sättel verwendete man erst im 5. Jahrhundert, was die Kriegsführung drastisch veränderte. Zuvor ritten die Krieger nämlich meist auf ihren Pferden zur Schlacht hin, um dann abzusteigen und zu Fuß zu kämpfen, da sie auf den blanken oder gegebenenfalls mit Decken und Fellen bedeckten Pferderücken keinen Halt im Kampf hatten.207 Die Verwen- dung von Sätteln hatte für die Pferde zur Folge, dass sie aktiv in das Kriegsgeschehen mit eingebunden wurden und Seite an Seite mit ihren Herrn starben. „Der früheste schriftliche Beleg einer berittenen Militäreinheit stammt aus dem syrischen Ort Tall Leilan und datiert in

202 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 23. 203 Oeser, Pferd und Mensch, S. 57; siehe auch Edwards, Pferde, S. 56. 204 Ebd., S. 54–55 und 185. 205 Oeser, Pferd und Mensch, S. 56; siehe auch Edwards, Pferde, S. 61 und 185–186; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 18. 206 Edwards, Pferde, S. 10. 207 Ebd., S. 187. 39

die Anfänge des 2. Jahrtausends v. Chr.“,208 wie Shehata berichtet. In diesem Zusammenhang wird noch einmal klar, welche große Bedeutung der vorangehenden Domestikation zukam: „Die Domestikation des Pferdes nimmt also zumindest teilweise eine wichtige Ein- schränkung der Möglichkeit und auch des Sinns, gewalttätige Auseinandersetzungen zu führen, weg und erleichtert so den Übergang zum Krieg. Sie senkt die Hemm- schwelle – eine Schwelle nicht moralischer, sondern praktischer Art.“209

Das Pferd war also zum einen eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt Krieg zu führen und zum anderen beeinflusste es die Art und Weise, wie die Menschen Krieg führten, nach- haltig. Der Mensch in der Antike hatte dem Pferd sehr viel zu verdanken. Bereits bei frühen Hochkulturen, wie den Ägyptern, kam das Pferd im Krieg und Transportwesen zum Einsatz, wodurch diese ihre Vormachtstellung und ihren Einfluss ausbauen konnten.210 Auch andere Großreiche konnten erst durch die Beteiligung der Pferde im Menschenkrieg geschaffen wer- den, wie jenes von Alexander dem Großen, dessen Pferd Bukephalos in die Geschichte ein- ging, oder auch Hannibals numidische Reiter, durch welche die Überquerung der Alpen erst erfolgreich umgesetzt werden konnte.211 Dies sind nur ausgewählte Beispiele, um zu verdeutlichen, dass bereits zur damaligen Zeit Pferde für die Menschen einen unersetzlichen Wert hatten – vor allem in der Kriegsführung. Auch Hunde, Dromedare und Elefanten kamen bereits damals zum Einsatz im Krieg, aller- dings ist dieser nicht ansatzweise mit jenem der Pferde vergleichbar. Sie waren diejenigen, die zahlenmäßig am meisten eingesetzt wurden und auch diejenigen, die dabei die wichtigste Rol- le gespielt haben.212 Mögliche grundsätzliche moralische Bedenken darüber gab es allerdings keine213 und dies sollte sich auch noch lange Zeit nicht ändern.

4.2.2 Mittelalter In dieser rund 1.000 Jahre umfassenden Zeitspanne gab es große Veränderungen, die auch die Situation der Pferde im Menschenkrieg meistens nachhaltig negativ veränderten. Durch die einfallenden Hunnen Anfang des Mittelalters, gelangte auch eine revolutionäre Erfindung in die von ihnen besetzten Gebiete, nämlich Sättel mit Steigbügeln, die zunächst aus Lederschlaufen bestanden und erst später aus Metall gefertigt wurden, was die Römer noch nicht kannten. Durch diese Innovation war es den Hunnen möglich, mit beiden Beinen

208 Shehata, Gezügelte Wildheit, S. 42. 209 Oeser, Pferd und Mensch, S. 18. 210 Ebd., S. 12. 211 Ebd.; siehe auch Neil R. Storey, Animals in the First World War (Shire library no. 790), Oxford UK 2014, S. 5 und 32. 212 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 34. 213 Ebd., S. 29 und 37. 40

fest mit dem Tier verbunden zu sein und es mit Druck zu steuern. Somit hatten sie völlige Bewegungsfreiheit im Oberkörper, was ihnen ermöglichte, Bögen oder andere Waffen zu verwenden, um ihre Feinde niederzustrecken.214 Dadurch hatten sie einen enormen Vorteil, was sicherlich auch mit ein Grund für ihre großen kriegerischen Erfolge war. „Dieselben Steigbügel verschafften dem [späteren] Waffenverbund zwischen Ritter und Pferd, Panzer und Lanze eine kinetische Energie, die erst unterm tödlichen Gegenschlag neuzeitlicher Feu- erwaffen ihre Überbietung erfahren sollte.“215 Aus Sicht des Pferdes kann diese Neuerung in der Reittechnik allerdings nicht als positiv angesehen werden, da sich dadurch unter anderem ihr Tätigkeitsfeld vom passiven Zug- und Lasttier immer mehr in den aktiven Kriegsdienst verschob, d.h. es musste mit seinem Reiter in vorderster Front sein und war dem Kriegsge- schehen völlig ausgeliefert.

Mit dem Aufkommen des englischen Langbogens und der Armbrust, welche zur Folge hatten, dass sich die Ritter im Mittelalter in immer schwerere und undurchlässigere Rüstungen schwangen, erhielt das Pferd ebenfalls eine immer stärkere Panzerung, um bei feindlichen Angriffen nicht sofort getötet zu werden.216 Primär wurden Angriffe nämlich mit dem Wissen auf Pferde gestartet, dass ein schwer gepanzerter Reiter ohne sein Pferd mehr als unfähig war, sich selbst fortzubewegen. Deshalb war es nur logisch, zunächst das Pferd zu töten,217 was die Wichtigkeit einer ebenfalls guten Panzerung für die Pferde noch einmal deutlich machte. Die Pferde trugen deshalb im Krieg oder Turnier stets ihre aus Leder, Eisen oder Stahl bestehende Rüstung, die den Kopf, den Brust, den Hals, die Flanken und Füße sowie die Kruppe bedeckte und ihnen Schutz bot.218 Durch die schwere Rüstung der Ritter wäre es ihnen unmöglich ge- wesen, bei einem Sturz schnell wieder auf die Beine zu kommen, zu flüchten oder gar zu kämpfen. Aus diesem Grund war es aus Sicht der Menschen nur nachvollziehbar, dass die Pferde ihnen gleichziehen mussten. Weil den bis dato verwendeten Pferden das Gewicht des schwer gepanzerten Reiters sowie seiner eigenen Rüstung aber nicht zuzumuten war, züchtete

214 Ebd., S. 40; siehe auch Eva-Maria Günther, Pferde und Reiter in Kunst und Kultur des europäischen Mittelal- ters, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Be- gleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn- Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 135–145, hier S. 135; siehe auch Edwards, Pferde, S. 93. 215 Friedrich Kittler, Die Tiere des Krieges, S. 157. 216 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 41; siehe auch Günther, Pferde und Reiter in Kunst und Kultur des europäischen Mittelalters, S. 136; siehe auch Edwards, Pferde, S. 99. 217 Martin Clauss, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalterlichen Kriegen, in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 47–65, hier S. 56. 218 Oeser, Pferd und Mensch, S. 77. 41

sich der Mensch einfach größere und robustere Pferde, die diese Last auf sich nehmen konn- ten.219 Dieser Eingriff brachte eine schlimme Konsequenz mit sich: „Auf der einen Seite standen die schweren Schlachtrösser und Marschpferde der Rit- ter, auf der anderen die leichtfüßigen flinken Pferde der asiatischen und afrikanischen Reitervölker. Sie alle starben zu Hunderten und Tausenden in blindem Gehorsam den Heldentod für die Ideale oder Machtansprüche der Menschen, die sie nicht verstehen konnten.“220

Der Mensch war also dafür verantwortlich, dass zwei physisch völlig verschiedene Pferdear- ten aufeinander losgejagt wurden, die unter natürlichen Umständen erst gar nicht zueinander- gefunden hätten. Somit hatte die systematische Züchtung damals einen grausamen Höhepunkt erreicht. Einem Ritter der damaligen Zeit standen nämlich prinzipiell drei Pferde zur Verfü- gung, „das eigentliche Streit- oder Schlachtross (Kastellan), das Marschpferd und schließlich das Packpferd (Klepper)“.221 Besonders für Ersteres, welches speziell für einen Zweck ge- züchtet wurde, muss dies ein grausames Schicksal bedeutet haben, wenn man bedenkt, dass die Gegner oft genauso gut gepanzert waren und diese Pferdeart lediglich dafür verwendet wurde, um feindliche Linien gewaltsam und mit einem Schlag zu durchbrechen und den Geg- ner so zu schwächen. Die Vorbereitung darauf erfuhren die Pferde in den Turnieren, es gab sogar einen eigenen Kriegs- und Turniersattel, welcher den Zweck hatte, den Reiter durch seine spezielle Form möglichst fest im Sattel zu halten, sodass er bei einem Lanzenstoß nicht so leicht vom Pferd fiel.222 Um zu verhindern, dass der Sattel mitsamt dem Reiter nicht vom Pferd rutschte, wurde dieser mit mehreren Riemen am Bauch und im Brustbereich des Pferdes festgeschnallt.223

Zwei technische Erneuerungen veränderten erneut das Kriegsbild der damaligen Zeit und läu- teten gleichzeitig den allmählichen Untergang des Rittertums ein – die schon angesprochenen englischen Langbögen und verschiedene Feuerwaffen.224 Dies bedeutete zunächst, dass sich der Einsatz von Pferden im Krieg etwas einbremste, allerdings war diese Tendenz nicht von langer Dauer, denn das Pferd bleibt im Mittelalter das bevorzugte und am meisten eingesetzte Tier im Krieg, auch wenn dies nicht zwangsläufig bedeuten musste, dass die Pferde aus-

219 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 41; siehe auch Clauss, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalter- lichen Kriegen, S. 53. 220 Oeser, Pferd und Mensch, S. 77 und 12. 221 Ebd., S. 79; siehe auch Günther, Pferde und Reiter in Kunst und Kultur des europäischen Mittelalters, S. 136; siehe auch Clauss, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalterlichen Kriegen, S. 54. 222 Oeser, Pferd und Mensch, S. 79; siehe auch Günther, Pferde und Reiter in Kunst und Kultur des europäischen Mittelalters, S. 137. 223 Ebd. 224 Edwards, Pferde, S. 104 und 149; siehe auch Günther, Pferde und Reiter in Kunst und Kultur des europäi- schen Mittelalters, S. 139; siehe auch Clauss, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalterlichen Kriegen, S. 60. 42

schließlich aktiv in den Krieg mit eingebunden waren. Sie waren vor allem auch als Zugtiere im Einsatz, ohne welche ein Kriegsschauplatz oft erst gar nicht zustande gekommen wäre.225

Der Mensch hat dem Pferd also auch im Mittelalter sehr viel zu verdanken, denn ohne es hätte er viele seiner persönlichen Ziele nicht erreicht und Großreiche wären erst gar nicht entstan- den. Das Rittertum wäre nicht zu einer solchen Größe gelangt, welche es letztendlich aufwies und auch die Verbreitung des christlichen Glaubens in den Kreuzzügen hätte nicht in der Form umgesetzt werden können, wenn das Pferd dem Menschen dafür nicht gedient hätte. Dass dieses Lebewesen durch Menschenhand dabei sehr viel Leid erfahren musste, wird sel- ten thematisiert. Die menschlichen Interessen waren jenen der Tiere übergeordnet und es gibt auch keine Aufzeichnungen darüber, dass die Menschen in der damaligen Zeit moralische Bedenken gehabt hätten, dass sie sie im Krieg – in welcher Forma auch immer – eingesetzt haben.226 Dies änderte sich auch nicht durch die Verbreitung des Christen- und Judentums – im Gegenteil: „Nicht der Krieg als solcher, nicht das Tier darin ist überhaupt das Problem der mono- theistischen Religionen, sondern der gute, der gerechte Krieg bildet das Thema vieler Streitigkeiten und Reflexionen. Und wenn der Krieg gut, gerecht, dem Willen Gottes gemäß ist, ist der Einsatz von […] Tieren darin keiner weiteren Überlegung bedürf- tig.“227

Da im Namen der Religion Kriege geführt wurden, in denen Menschen andere Menschen auf- grund ihrer religiösen Einstellung töteten, kamen erst recht keine moralischen Zweifel für die dafür eingesetzten Tiere auf. Somit war das Mittelalter nicht nur für die Menschen eine oft harte, grausame und entbehrliche Zeit, sondern zwangsläufig auch für alle Tiere, die sie dabei begleiten mussten – vor allem also für Pferde, die im Mittelalter letztlich „als (funktionieren- de) Waffe“228 galten.

4.2.3 Neuzeit bis 1914 Wie bereits angesprochen, verringerte sich zunächst die Anzahl der Pferde im aktiven Kriegs- dienst durch die Feuerwaffen, weil die Chance, dass sie durch die Schusswaffen der Gegner, welche aus immer weiterer Entfernung abgefeuert werden konnten, getroffen wurden, einfach zu hoch waren. Allerdings wurden die Pferde nicht allzu lang verschont, weil durch bewaffne- te Soldaten zu Pferde schnelle und unvorhergesehene Angriffe durchgeführt werden konnten

225 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 43–45. 226 Ebd., S. 49; siehe auch Clauss, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalterlichen Kriegen, S. 59. 227 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 48. 228 Clauss, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalterlichen Kriegen, S. 63. 43

und auch in Sachen Plünderung erreichte man durch die berittenen Soldaten ein völlig neues Niveau.229. Zusätzlich mussten sie die schweren, neuen Schusswaffen transportieren oder auch die Soldaten, die diese in der Schlacht bedienten.

Im 20. Jahrhundert gab es so viele technische Innovationen, wie noch in keinem anderen Jahrhundert zuvor. Dies wirkte sich leider auch auf die Tiere aus. Zum einen wurden neue Waffen von ihnen transportiert, wodurch sie also zu unschuldigen Mittätern gemacht wurden, zum anderen wurden sie an ihnen ausprobiert, um sie dann später gegen den Menschen einzu- setzen. Ein ebenfalls wichtiger Punkt war der Versuch, Tiere selbst zu einer neuen Waffe zu machen, wie beispielsweise Delfine und Robben, die Minen im gegnerischen Feld orteten, aber auch positionierten oder Füchse, an welche man brennbares Material befestigte, um sie dann aufzuscheuchen, sodass sie Feuer in gegnerischen Lagern legten,230 und natürlich Brief- tauben, Torpedodelphine und Gashunde.231 Außerdem kam es auch vor, dass anhand des tieri- schen Vorbildes neue Waffen entwickelt wurden, wie beispielsweise Kampfflugzeuge oder Torpedos.232 Dies sind nur ein paar Beispiele, welche wiederum zeigen, welchen Erfindungs- reichtum der Mensch in der Kriegsführung an den Tag legt.

Um das Pferd den Wünschen des Menschen entsprechend im Krieg einsetzen zu können, musste dieses vorher nach menschlichen Wertmaßstäben ausgebildet werden. Im Jahre 1532 wurde vom Neapolitaner Grisone eine Reitschule eröffnet, welche für lange Zeit Vorbild für die Ausbildung von Reitpferden war.233 Mitte des 16. Jahrhunderts veröffentlichte er ein Buch, in welchem er Grundlegendes für die höfische Reiterei beschrieb. Dieses Buch wurde in mehreren Sprachen übersetzt und galt für sehr lange Zeit als Standardwerk in Bezug auf die Ausbildung und das Trainieren von Pferden.234 Von welch immenser Bedeutung die Reitschulen in Bezug auf den Kriegseinsatz der Pferde waren, veranschaulicht das nachstehende Zitat von Erhard Oeser: „Kriegskunst und Reitkunst ergänzen sich gegenseitig. Die in den Reitschulen aufge- stellten Regeln trugen wesentlich zur Genauigkeit in den Bewegungen der verschiede- nen Armeen bei. Jede in der Reitbahn angelernte Bewegung hat eine entsprechende

229 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 52. 230 Ebd., S. 56–57 und 67. 231 Kittler, Die Tiere des Krieges, S. 158. 232 Ebd. 233 Oeser, Pferd und Mensch, S. 113; siehe auch Edwards, Pferde, S. 138–139. 234 Ebd., S. 139; siehe auch Claudia Schmölders, Vom Pferd in Dir. Über Physiognomik und Züchtungswahn, in: Johannes Bilstein/Matthias Winzen (Hrsg.), Das Tier in mir. Die animalischen Ebenbilder des Menschen; [anläß- lich der Ausstellung „Das Tier in Mir − die Animalischen Ebenbilder des Menschen“ vom 26. Januar − 01. April 2002 in der Staatlichen Kunsthalle Baden–Baden], S. 71–101, hier S. 73. 44

Bewegung der Kavallerie nach sich gezogen. […] Der Erfolg militärischer Bewegun- gen hängt ab von ihrer Gleichmäßigkeit, diese wieder von einer guten Ausbildung.“235

Grisones brutale Methoden, laut welchen das Pferd dem Menschen untertan gemacht werden sollte, dienten lediglich einem einzigen Zweck, nämlich dem, aus ihm eine furchtlose Kampfmaschine zu machen, die, wenn es im Gefecht darauf ankommt, seinem Herrn ohne zu zögern Folge leisten sollte.236 Welche Einstellung Grisone dabei zum Pferd hatte, lässt sich aufgrund dieser Aussage leicht nachvollziehen: „Nachdem das Pferd von Gott zum Dienst für den Menschen geschaffen worden ist, damit es sich – wie alle Tiere auf Erden – dem Willen des Menschen unterwerfen soll, so ist es kein Wunder, dass es zum Teil unserem Verstand angeglichen ist. Sicherere Beweise dafür kann man nicht haben als diejenigen, die wir täglich sehen und erfah- ren. Nicht allein hat das Pferd einen besonderen Verstand und Gehorsam, den es zur rechten Zeit dem Menschen gegenüber zeigt, sondern es hat auch in seinem Gemüt die Bereitschaft, ohne Furcht gegen ein ganzes Heer anzurennen und fürchtet weder Waf- fen noch Schwert, noch Lanzen, noch so mancherlei Sturm, Geschützlärm, Wasser, Feuer und andere Gefahren. Auch wenn es tödlich verwundet wird, lässt es nicht in seinem Tun und Gehorsam nach und verharrt bei seinem Reiter bis in den Tod.“237

Um es auf den Einsatz im Krieg vorzubereiten, bediente sich Grisone nicht minder grausamer Methoden, wie etwa das Abfeuern von Feuerwaffen aus nächster Nähe, um es an den ungehö- rigen Lärm im Krieg zu gewöhnen oder dem Aussetzen anderer lauter Geräusche, um es dafür unempfindlich zu machen bzw. es dagegen abzuhärten.238 Wie zu diesem Zeitpunkt bereits klar ist, handelt es sich nach der gängigen Meinung beim Pferd um ein Fluchttier, das heißt es flieht, wenn immer es das Gefühl hat, sich in einer potenziellen Gefahrensituation zu befin- den. Zu versuchen, es an laute, bedrohliche und ungewohnte Geräusche zu gewöhnen, kann nur so bewerkstelligt werden, indem man es gewaltsam dazu bringt, sich nicht seinem natürli- chen Instinkt hinzugeben, sondern sich dieser Situation auszusetzen. „Pferde müssen also mit Druck – einer mehr oder weniger schmerzhaften Dressur – zu ihrem militärischen Einsatz bewegt werden; hier muss ein natürlicher Widerstand überwunden werden“239, veranschauli- chen Schäfer/Weimar. Allein an diesem Beispiel wird also deutlich, wie sehr der Mensch in das Wesen und Leben des Pferdes eingreift, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob dies richtig oder überhaupt sinnvoll ist. Was allerdings in Grisones Aussage auch klar hervorkommt, ist die selbstverständliche Ansichtsweise, dass der Mensch über das Pferd gebietet, da es ihm ja

235 Oeser, Pferd und Mensch, S. 126. 236 Ebd., S. 118. 237 Ebd., S. 117–118 zit. n. Grisone, Hippokomike, S. 187–188. 238 Ebd., S. 118 und S. 128. 239 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 18. 45

von Gott geschenkt wurde, um es nach seinem Ermessen und Belieben für sich nutzbar zu machen. Welchen enormen Einfluss die Religion auf die Mensch-Tier-Beziehung hatte und welche fatalen Folgen damit für die Tiere einhergingen, wurde bereits in Kapitel 3 näher aus- geführt. Natürlich änderte sich im Laufe der Zeit die Dressur des Pferdes und der Mensch erkannte, dass er größere Erfolge erzielen konnte, wenn er das Wesen des Pferdes mehr berücksichtigte. Trotzdem kann dadurch nicht von der Tatsache abgesehen werden, dass das vom Menschen in Bezug auf den Kriegseinsatz Verlangte grundsätzlich nicht mit dem Wesen des Pferdes zu vereinen ist.240 Hinzu kommt, dass Pferde ein sehr gutes Gedächtnis, vor allem für negative Erlebnisse haben, was den Kriegseinsatz und auch schon das vorangehende Training mit die- sem Wissen noch viel schlimmer und unerträglicher macht.241 Wie wichtig das gut dressierte Pferd dennoch für den Menschenkrieg war, zeigen die Erfolge, die dank des Pferdes eingefah- ren werden konnte, wie etwa die Abwehr von verschiedenen Reitervölkern oder zahlreiche Eroberungen in Bezug auf Land und Besitztümer.242

Wenngleich durch diesen kurzen epochalen Überblick deutlich gemacht werden sollte, dass Tiere immer schon gezwungen wurden, im Menschkrieg zu dienen, so war es mit Sicherheit das Pferd, welches dem Menschen am längsten und im größten Ausmaß zu Willen sein muss- te: „Diese kriegsentscheidende Rolle behielt das Truppenpferd in den neuzeitlichen Krie- gen bis zu den beiden Weltkriegen bei. Da in diesen mörderischen Kriegen Millionen von Menschen den Tod fanden, hat man fast darüber vergessen, dass es sich dabei auch um die größte und brutalste Pferdeschlächterei der Weltgeschichte gehandelt hat.“243

Aus diesem Grund soll im nächsten Kapitel speziell auf den Ersten Weltkrieg eingegangen werden, weil dieser den Höhepunkt des Kriegseinsatzes von Pferden darstellt und aufgrund seines industriellen Charakters wohl generell als Höhepunkt des Machtmissbrauches an die- sem Tier gelten muss. Dabei soll nicht nur geklärt werden wie, wo und in welchem Ausmaß Pferde für den Menschen im Krieg dienen mussten, sondern auch was ihnen der Mensch letzt- endlich zu verdanken hatte und wie sich die Beziehungsgeschichte zwischen Mensch und

240 Neueste Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung liefern hierzu z.B. Francesco De Giorgio und José De Giorgio-Schoorl. 241 Oeser, Pferd und Mensch, S. 42. 242 Ebd., S. 126. 243 Ebd. 46

Pferd im Krieg gestaltete bzw. ob sich an dieser Ansichtsweise etwas nach dem Ende des Ers- ten Weltkrieges geändert hat.

4.2.4 Der Erste Weltkrieg als Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd 4.2.4.1 Die Vorbereitungen auf den Krieg Was die Rekrutierung von Pferden für den anstehenden Krieg anbelangte, so war das Verfah- ren in vielen Ländern gleich. Die Besitzer brachten ihre Pferde zu einem Sammelort, wo die Begutachtung durch die Rekrutierungskommission und Tierärzte erfolgte. Dies war bereits für viele Pferde ein enormer Stress, vor allem für solche, die in ländlichen Gegenden als Arbeits- pferde eingesetzt wurden und nicht an so große Menschenmengen bzw. auch an andere Art- genossen gewohnt waren. Oftmals hatten diese Pferde eine besonders enge Bindung zu den Menschen, für die sie arbeiteten und die sich um sie kümmerten. Umso ungewohnter war es nun für viele, von fremden Menschen begutachtet und berührt zu werden.244 Nach einer ausführlichen Begutachtung wurde festgestellt, ob ein Pferd für die Kavallerie, zur Unterstützung der Artillerie oder schlichtweg als Last- und Zugtier geeignet war.245 Anschlie- ßend daran hieß es für die Pferde, sich schnell an alle möglichen neuen Kommandos zu ge- wöhnen, an neue Besitzer, Pferde, Geräusche und Orte.246 Da Pferde besonders sensible We- sen sind, die auf ungewohnte Situationen und Veränderungen mit erhöhtem Stress reagieren, kann man sich leicht vorstellen, wie angespannt und unangenehm diese erste Erfahrung für viele war, die nun mit den Menschen in den Krieg ziehen mussten. Man könnte nun annehmen, dass ältere oder invalide Pferde erst gar nicht für den Kriegs- dienst in Frage kamen, dies hing jedoch sehr von den einzelnen Ländern sowie von der aktu- ellen Kriegsphase ab. Während in Deutschland und Frankreich außer invalide Pferde und Foh- len alle übrigen ihre Heimat verlassen mussten, so wurden in Großbritannien zunächst auch keine Stuten und Wallache an die vorderste Front geschickt.247 Dies bedeutete aber nicht au- tomatisch, dass es diesen Pferden besser erging, als ihren Leidensgenossen, die direkter in das Kriegsgeschehen eingebunden waren. In Deutschland wurden nahezu alle Pferde für den Krieg mobilgemacht, weil die Zufuhr von externen Pferde sehr schwierig war.248 Zudem än- derte sich das Rekrutierungsverfahren relativ rasch im Krieg, worauf aber später noch näher eingegangen werden soll, so wie auch auf die Folgen, die daraus resultierten.

244 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 28. 245 Ebd., S. 33. 246 Ebd., S. 30. 247 Ebd., S. 31. 248 Ebd. 47

Am beliebtesten waren robuste, kräftige, aber nicht zu schwere Pferde, welche vielseitig ein- gesetzt werden konnten. Länder, die über gute Kontakte verfügten und einen guten Preis zahl- ten, hatten natürlich die besten Möglichkeiten, sich gleich zu Beginn ihre Pferde auszusuchen, so wie es bei den Briten der Fall war. Die übrigen Pferde wurden an die weiteren Nationen weiterverkauft. Jene Pferde, die bis zum Schluss übrig blieben, mussten demnach mehrere Rekrutierungsrunden durchstehen, welche an verschiedenen Orten stattfanden.249 Demnach kann man sich gut vorstellen, welchem Stress die Pferde bereits vor Kriegsbeginn bzw. vor ihrem tatsächlichen Einsatz ausgesetzt waren.

Der Erste Weltkrieg begann für viele Pferde aber bereits vor seinem Ausbruch 1914 mit den sogenannten Distanzritten, welche Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhun- derts mit dem Ziel, die Pferde auf den Krieg vorzubereiten, durchgeführt wurden. Dabei mussten sie mit ihren Reitern unglaubliche Strecken von teilweise mehreren hundert Kilome- tern zurücklegen, ohne zwischendurch ausgewechselt zu werden. Die meisten erreichten dabei ihr Ziel nicht und starben bzw. verendeten an Überanstrengung, aber auch an Herzproblemen, Koliken und Lungenentzündungen. Diejenigen, die mit ihren Pferden am Ziel ankamen, wur- den gefeiert wie große Helden, die es geschafft hatten, trotz widrigster Umstände ihr Pferd bis ans Ziel zu treiben.250 Diese fragwürdigen Unternehmungen sollten zeigen, wie gut man für den Krieg vorbereitet war,251 wenngleich viele der überlebenden Pferde nicht mehr lange im Krieg eingesetzt werden konnten, weil sie durch diese überaus großen Strapazen viel von ih- rer Kraft einbüßen mussten. Dieses Beispiel lässt sehr gut den zur damaligen Zeit vorherr- schenden Sonderstatus der Kavallerie erkennen, welcher erst nach dem Ersten Weltkrieg ei- nen definitiven Wandel erfuhr.252 „Diese ungebrochene Vorstellung von der in Jahrhunderten bewährten kriegsentscheidenden Bedeutung des Pferdes führte zu dem bislang größten Kaval- lerieaufgebot in der Geschichte der Menschheit.“253 Somit verfügte jede Großmacht im Ersten Weltkrieg über eine Kavallerie – eine berittene Einheit, die sich durch gut geschulte und trai- nierte Reiter und Pferde auszeichnete. Die Reiter griffen ihre Gegner vom Pferd aus in ver- schiedenen Formationen an und schlugen oft blitzschnell zu. „Zweifellos hatte die Kavallerie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ihren operativen Nutzen. Dieser bestand in der Beweglich-

249 Ebd., S. 33. 250 Oeser, Pferd und Mensch, S. 131–132; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 84. 251 Kellner, Das Pferd bewegt die Menschheit, S. 47. 252 Gene M. Tempest, All the Muddy Horses: Giving a Voice to the „Dumb Creatures“ of the Western Front (1914−1918), in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 217–235, hier S. 218; siehe auch Simon Butler, The War Horses. The Tragic Fate of a Million Horses Sacrified in the First World War, Wellington 2011, S. 79. 253 Oeser, Pferd und Mensch, S. 133; siehe auch Butler, The War Horses, S. 31. 48

keit der berittenen Einheiten, die sich bestens für die Erkundung oder die Verfolgung gegneri- scher Truppen in schwierigem Terrain eigneten“,254 wie Pöppinghege erklärt. Der Ursprung der Kavallerie liegt aber bereits im 15. Jahrhundert.255 Im 17. und Anfang des 18. Jahrhun- derts verwendeten die Reiter Pistolen, die sie vom Rücken ihres Pferdes aus abfeuerten.256 Dies erforderte natürlich eine besonders ruhige Haltung des Pferdes, was ihm vorher antrai- niert werden musste. Im Laufe der Zeit gewann die Kavallerie immer mehr an Stärke und Wichtigkeit für den Krieg, da sie als mobile und tödliche Waffe gegen ihre Gegner eingesetzt werden konnte. Laut Pöppinghege pflegten Kavalleristen „ein elitäres Selbstverständnis, das an das mittelalterliche Ritterideal anknüpfte“.257 Reiter einer Kavallerieeinheit zu sein, brachte dem Soldaten Ruhm und eine gewisse Ehrerbietung ein.258 „Als Angriffsformation entsprach sie zudem einem männlich-heroischen Ideal, das den vorwärtsstürmenden tapferen Soldaten propagierte“259, wie Pöppinghege weiter ausführt. Einer der Höhepunkte war aber mit Sicher- heit der Erste Weltkrieg, da in keinem Krieg zuvor so viele Pferde eingesetzt wurden, wenn- gleich zu dieser Zeit schon deutlich wurde, dass die Kavallerie immer mehr durch neue Tech- nologien verdrängt wurde und ihr Ansehen zu dieser Zeit mehr einer „nostalgischen Verklä- rung“260 glich, mit welcher man sich an die glanzvollen und ruhmreichen Tage in den vergan- genen Jahrhunderten zurückerinnerte, in welchen Pferde trotz neu aufkommender Techniken noch unersetzbar waren. Die Kosten, um ein Pferd in der Kavallerie zu versorgen waren teil- weise viel höher, als die Anschaffung von neuen, effektiven Maschinen und Waffen, was schließlich auch ausschlaggebend dafür war, dass die Kavallerie mehr und mehr auf den Kriegsschauplätzen verschwand.261

4.2.4.2 Der Erste Weltkrieg als erster „totaler Krieg“ Der Erste Weltkrieg ist dennoch in vielerlei Hinsicht als etwas Besonderes und Einzigartiges in der Geschichte zu bezeichnen. Natürlich gab es zuvor auch schon Kriege, die sich über den europäischen Kontinent hinaus verlagerten und auch eine gewaltige Anzahl an Opfern forder-

254 Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 242 und 248; siehe auch Müller, Tiere als Kostenfaktor in antiken Kriegen, S. 30. 255 Oeser, Pferd und Mensch, S. 128–130. 256 Edwards, Pferde, S. 150. 257 Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 235 und 248. 258 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 90. 259 Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 248. 260 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 59; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 133; siehe auch Edwards, Pferde, S. 150; siehe auch Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 250. 261 Butler, The War Horses, S. 80. 49

ten, was aber definitiv neu in Bezug auf den Ersten Weltkrieg ist, ist die Tatsache, dass es sich bei diesem um den ersten „totalen Krieg“ des 20. Jahrhunderts handelt. Der Begriff des tota- len Krieges entstand während des Ersten Weltkrieges und erfuhr im Zweiten Weltkrieg seine extremste Form.262 Generell kann man die Merkmale eines totalen Krieges in vier Punkte zu- sammenfassen: Erstens wird die bedingungslose Kapitulation des Gegners gefordert bzw. seine völlige Zerstörung anvisiert, zweitens kommen totale Kriegsmethoden zum Einsatz, das heißt es wird bei der Bekämpfung des Gegners keine Rücksicht auf moralische Einwände genommen, hinzu kommt drittens die totale Mobilisierung, das heißt alle verfügbaren Res- sourcen werden in erster Linie für den Kriegszweck verwendet und viertens wird auf eine totale Kontrolle geachtet, damit die ersten drei Punkte auch so umgesetzt werden.263 Ein tota- ler Krieg ist also im Wesentlichen durch seine Intensität und Ausdehnung bzw. Extensität gekennzeichnet.264 Des Weiteren läuft alles darauf hinaus, die zivile Bevölkerung ebenso in den Krieg mit einzubeziehen, wie das Militär. Dies war einzigartig im Ersten Weltkrieg, denn davor wurden Kriege oftmals ausgelagert und fernab der zivilen Bevölkerung ausgetragen. Im 20. Jahrhundert gab es also keine entscheidenden Feldschlachten, wie es sie im 19. Jahrhun- dert noch gegeben hatte, mehr. Deshalb entstanden neue Herausforderungen für die am Ersten Weltkrieg teilnehmenden Na- tionen. Aufgrund der länger andauernden Kriegslage, mussten ständig neue menschliche und tierische Soldaten mobilgemacht werden und dies so schnell als möglich. Oftmals waren es eben jene Herausforderungen, die über einen erfolgreichen Kriegsverlauf entschieden. Hierbei wird wieder deutlich, welche große Rolle die Daheimgebliebenen innehatten. Je länger der Krieg dauerte, umso wichtiger wurden sie.265 Laut Förster wird demnach die gesamte Bevöl- kerung zum „Subjekt und Objekt des Krieges“,266 so auch die Tiere. „Traditionelle Einschrän- kungen der kriegerischen Gewalt, wie die Moral, die Zivilität oder das internationale Recht,

262 Stig Förster, Einführende Bemerkungen. Die Weltkriege als Kriege neuen Typs, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 33–43, hier S. 35; siehe auch Bruno Thoß, Die Zeit der Weltkriege − Epo- chen als Erfahrungseinheit?, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Welt- krieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 7–33, hier S. 11. 263 Förster, Einführende Bemerkungen, S. 37; siehe auch Roger Chickering, Militärgeschichte als Totalgeschich- te im Zeitalter des totalen Krieges, in: Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte? (Krieg in der Geschichte 6), Paderborn 2000, S. 301–315, hier S. 306; siehe auch Rolf-Dieter Müller, Der Zweite Weltkrieg, Darmstadt 2015, S. 135. 264 Chickering, Militärgeschichte als Totalgeschichte im Zeitalter des totalen Krieges, S. 306–307. 265 Bernd Wegner, Einführende Bemerkungen. Deutsches Führungsdenken und technologische Entwicklung in den Weltkriegen, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 135–143, hier S. 135– 136; siehe auch Elise Julien, Der Erste Weltkrieg, Darmstadt 2014, S. 60–61; siehe auch Chickering, Militärge- schichte als Totalgeschichte im Zeitalter des totalen Krieges, S. 306–307. 266 Förster, Einführende Bemerkungen, S. 37. 50

gelten nicht mehr.“267 Da im Ersten (so wie auch im Zweiten) Weltkrieg jede/r einzelne/r vom Krieg betroffen war und diesen auch indirekt beeinflusste, kann man getrost von etwas Ein- zigartigem sprechen, denn der Krieg wurde die Angelegenheit ganzer Bevölkerungen.268 Die Totalisierung des Krieges entstand im Wesentlichen also aufgrund der Industrialisierung und den damit einhergehenden neuen Möglichkeiten der Kriegsführung.269 „Der waffentragende Kämpfer mutierte insbesondere in den modernen Waffensystemen wie Tanks, Flugzeug und U-Booten zum Bestandteil eines Mensch-Maschine-Komplexes.“270 Das Zerstörungspotential war also enorm und darüber war sich jede Nation im Klaren.271 Durch neue Erkenntnisse im wissenschaftlichen sowie technischen Bereich wurden viele Innovationen im Zuge der Indust- rialisierung entwickelt, die erstmals im Ersten Weltkrieg zur Anwendung kamen und deshalb konnte zu diesem Zeitpunkt auch niemand genaue Aussagen über die verheerenden Folgen machen.272

„Während des Krieges wurde überall die Kooperation zwischen Militärs, Unterneh- men, Wissenschaftlern und Ingenieuren intensiviert. Wissenschaftler, von denen man sich neue kriegswichtige Erkenntnisse erhoffte, wurden nicht zum Militärdienst einge- zogen oder zurückgestellt.“273

In diesem Zitat von Henke-Bockschatz wird also erneut der totale Charakter des Ersten Welt- krieges deutlich. Zu den Innovationen dieses Krieges zählen die sogenannten „Tanks“, wie die Panzer zu Beginn aus Geheimhaltungsgründen genannt wurden, und welche die Briten 1916 zum ersten Mal einsetzten. Diese technische Innovation ermöglichte eine Weiterent- wicklung des Stellungskrieges, wie er im Ersten Weltkrieg sehr häufig geführt wurde.274 Eine weitere Neuerung, die ebenfalls entwickelt wurde, um den Stellungskrieg aufzulösen, war Giftgas. Eigentlich in der Haager Landkriegsordnung von 1899/1907 verboten, setzte man

267 Chickering, Militärgeschichte als Totalgeschichte im Zeitalter des totalen Krieges, S. 306; siehe auch Jeremy Black, Einleitung: Der moderne Krieg im Wandel, in: Jeremy Black (Hrsg.), Die Kriege des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 2010, S. 6–11, hier S. 8. 268 Chickering, Militärgeschichte als Totalgeschichte im Zeitalter des totalen Krieges, S. 308. 269 Förster, Einführende Bemerkungen, S. 35; siehe auch Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 135. 270 Thoß, Die Zeit der Weltkriege − Epochen als Erfahrungseinheit?, S. 15. 271 Gerhard Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg. Eine kurze Geschichte, Stuttgart 2014, S. 107. 272 Ebd., S. 109. 273 Ebd., S. 110. 274 Ebd., S. 114; siehe auch Georg Bönisch, Körper im Eisenstrudel. Kreative Rüstungstechniker versorgten die Armeen mit neuen, fürchterlichen Waffen, in: Annette Großbongardt/Uwe Klussmann/Joachim Mohr (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg. Die Geschichte einer Katastrophe, München 20141, S. 127–135, hier S. 132; siehe auch Herfried Münkler, Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, Berlin 20133, S. 458–59; siehe auch Gerd Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen. Der Erste Weltkrieg, München 2014, S. 118–119; siehe auch Lutz Un- terseher, Der Erste Weltkrieg (essentials), Wiesbaden 2014, S. 23; siehe auch Michael Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, Paderborn 2015, S. 105–106; siehe auch Butler, The War Horses, S. 107; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 10. 51

alles daran, dieses neue Kampfmittel zu produzieren, um endlich einen Vorstoß verbuchen zu können. Das Verbot wurde relativ einfach umgangen, weil die entsprechenden Paragraphen einfach so interpretiert wurden, dass der Einsatz lediglich gegen Zivilisten verboten war, nicht aber gegen feindliche Soldaten.275 Eine weitere Erfindung des Ersten Weltkrieges war der Flammenwerfer, aber auch verschie- dene Granaten, wie die Splitterhandgranate.276 Auch Maschinengewehre und andere kleine bzw. große Geschütze wurden in diesem Krieg erstmals eingesetzt.277 In diesem Zusammen- hang gab es auch Verbesserungen in der Flugtechnik. Die Verbindung von Maschinengeweh- ren mit modernen Kampfflugzeugen kann als Beginn des Luftkrieges bezeichnet werden.278 Wurden sie anfänglich noch eingesetzt, um fremde Gebiete auszukundschaften und um die eigenen Truppen gezielter einzusetzen, so begann bald der Kampf in der Luft und auch die Bombardierung von Orten und Städten.279 Vor allem auch Land- bzw. Seeminen prägten den Ersten Weltkrieg, obwohl diese schon davor entwickelt und auch eingesetzt wurden. Der Vor- teil von solchen Minen war derjenige, dass der Gegner dadurch am Vormarsch gehindert wer- den konnte. Am häufigsten handelte es sich dabei um sogenannte Tret- oder Stolperminen, die erst durch ein bestimmtes Gewicht ausgelöst wurden und somit sichergestellt werden konnte, dass sie genau zum richtigen Zeitpunkt gezündet wurden.280 Auch unter Wasser blieb der Fortschritt nicht aus. U-Boote wurden zwar bereits im 19. Jahr- hundert gebaut, allerdings wurde deren Entwicklung im Ersten Weltkrieg stark forciert, weil diese letztlich eine gute Möglichkeit boten den für den Ersten Weltkrieg typischen Stellungs- krieg auf See zu unterbrechen.281 Aufgrund all dieser neuen technologischen bzw. chemischen Erfindungen, die entweder für den Ersten Weltkrieg kreiert wurden oder in diesem zur Ver-

275 Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 115 und 119; siehe auch Bönisch, Körper im Eisenstrudel, S. 129–130; siehe auch Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 118; siehe auch Unterseher, Der Erste Weltkrieg, S. 22; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914─1918, S. 103; siehe auch Alan Kramer, Kriegsrecht und Kriegsverbrechen, in: Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg (UTB Geschichte 8396), Paderborn 2014, S. 281–293, hier S. 288; siehe auch Butler, The War Horses, S. 113. 276 Bönisch, Körper im Eisenstrudel, S. 132; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914─1918, S. 101. 277 Bönisch, Körper im Eisenstrudel, S. 127; siehe auch Unterseher, Der Erste Weltkrieg, S. 21; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, S. 101; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 10. 278 Bönisch, Körper im Eisenstrudel, S. 132; siehe auch Münkler, Der Große Krieg, S. 544; siehe auch Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 118; siehe auch Unterseher, Der Erste Weltkrieg, S. 24; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, S. 107. 279 Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 112–113; siehe auch Münkler, Der Große Krieg, S. 533 und 542; siehe auch Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 118; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, S. 107. 280 Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 120–121; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, S. 118. 281 Lutz Unterseher, Der Erste Weltkrieg. Trauma des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 2014, S. 86; siehe auch Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, S. 109–110 und 115. 52

wendung kamen, wird dieser Krieg oftmals auch als erster wirklich großer, industrialisierter Krieg bezeichnet.282 Der erste industrialisierte Krieg unterschied sich also wesentlich von allen vorherigen. „Pan- zern, der Telegraphie, Automobilen und Motorrädern – ihnen schien die Zukunft der Krieg- führung zu gehören.“283 Dennoch gab es noch sehr viele Bereiche, in denen der Mensch völlig von den Tieren abhängig war. Was den Ersten Weltkrieg also neben seinen totalen Tendenzen so einzigartig macht, ist die Tatsache, dass er mit „veralteter Kriegführung und Tiernutzung einerseits und einer zunehmenden Technisierung andererseits“284 als Bindeglied zwischen all den vorher geführten Kriegen und all jenen nach ihm verstanden werden kann. In keinem Krieg zuvor kamen so viele Pferde zum Einsatz und in keinem weiteren Krieg nach dem Ers- ten Weltkrieg wurden insgesamt so viele Tiere eingesetzt.285 Somit kann man ihn zu Recht als einen „Krieg der Pferde“286 bezeichnen. Neben ihnen wurden auch Kamele, Elefanten, Tau- ben, Hunde, Katzen, Ziegen, Esel, Maultiere, etc. eingesetzt, nichtsdestotrotz war es das Pferd, welches die kriegsentscheidende Rolle im Ersten Weltkrieg spielte.287 Die tierischen Aufgaben waren dabei vielfältig. Es gab Meldehunde, die darauf trainiert wur- den, Nachrichten, Patronen oder Proviant von einem Lager in das nächste zu befördern oder auch Brieftauben, welche dazu verwendet wurden, Luftaufnahmen von feindlichem Gebiet mit Hilfe einer kleinen umgehängten Kamera zu machen.288 Pferde, Esel und Maultiere waren sehr beliebte und vielfach eingesetzte Zug- und Lasttiere. Denn auch wenn zu dieser Zeit das Eisenbahnnetz bereits relativ gut ausgebaut war und man zunehmend auf Lastkraftwagen zu- rückgriff, kamen diese Tiere oft zum Einsatz, weil das Gelände trotz der fortschreitenden Er- schließung teilweise noch sehr unwegsam war und mit ihnen diesbezüglich kein technisches Hilfsmittel mithalten konnte.289 Hier wird also wieder deutlich, wie sehr der Mensch noch auf den Einsatz von Tieren angewiesen war. Zu dieser Zeit gab es eben noch keine Drohnen oder andere technische Hilfsmittel, die den Kriegseinsatz so mancher Tiere hätten verhindern kön- nen. Am deutlichsten spiegelt diese Ambivalenz in Bezug auf die alte bzw. moderne Kriegs- führung wohl das Bild eines Pferdes mit einer Gasmaske wider, welche der Mensch extra für

282 Baratay, Bêtes des tranchées, S.10. 283 Rainer Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2014, S. 31. 284 Ebd., S. 8; siehe auch Pöppinghege, Einleitung, S. 9; siehe auch Tempest, All the Muddy Horses, S. 223. 285 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 10–11. 286 Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 132; siehe auch Tempest, All the Muddy Horses, S. 217. 287 Ebd., S. 220; siehe auch Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 111. 288 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 62; siehe auch Steven Johnston, Animals in War, in: Political Research Quarterly 65 (2012), Nr. 2, S. 359–371, hier S. 365, [http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1065912910391982], eingesehen 23.02.2017; siehe auch Bönisch, Körper im Eisenstrudel, S. 133; siehe auch Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 112; siehe auch Storey, Animals in the First World War, S. 37 und 43; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 11. 289 Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 111; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 11. 53

sie anfertigte, so wie auch für Hunde290 und Tauben,291 um sie vor Giftgasangriffen zu schüt- zen. Noch während der Erste Weltkrieg andauerte, setzte man sich für ein Verbot von Giftgas ein, weil die Auswirkungen schrecklich waren und meist zu einem grausamen Tod führten: „The irony of this protection was that it had to be banned because it was inhumane; little at- tention was paid to the fact that the horse’s very position in war was inhumane.”292

4.2.4.3 Der Kriegsalltag der Pferde Verspürte man zu Beginn des Ersten Weltkrieges noch eine gewisse Kriegseuphorie, weil man das Gefühl hatte, dass eine Zeit des Umbruchs im Raum stand, so relativierte sich diese Einstellung schon sehr bald nach seinem Ausbruch. Niemand war auf einen längeren Krieg vorbereitet und als klar wurde, welche Ausmaße dieser Krieg annehmen und wie viele Opfer er dabei fordern würde, setzte sich das Gefühl durch, dass danach nie mehr etwas so sein würde wie zuvor, was die besondere Rolle des Ersten Weltkrieges noch einmal hervorhebt.293 Je länger er andauerte, desto mehr verlagerte er sich in die Heimat, was zu dauerhaften Prob- lemen führte,294 was auch die Tiere zu spüren bekamen. Durch die neuen Technologien war man dazu verleitet, den aktiven Kriegsdienst der Tiere einzuschränken, was sich zum Beispiel darin äußerte, dass der Einsatz von Meldehunden im Ersten Weltkrieg eigentlich gar nicht geplant war.295 Schnell wurde aber klar, dass „die Armeeeinheiten keine flächendeckende zu- verlässige technische Ausstattung [besaßen]“,296 was zur Folge hatte, dass man doch wieder auf die Tiere zurückgreifen musste. Nun stand man vor einem großen logistischen Problem. Ursprünglich waren nämlich weniger Tiere vorgesehen und nun, während der Krieg bereits in vollem Gange war, benötigte man plötzlich doch mehr. Somit fand man sich in einem ständi- gen Spannungsfeld297 wieder. Sollte man die Tiere in den aktiven Kriegsdienst einberufen oder lieber in der Heimat lassen, um dort die Aufrechterhaltung der Landwirtschaft und der Versorgung der zuhause Gebliebenen zu gewährleisten? Berief man Tiere an die Front, ris- kierte man einen Zusammenbruch im zivilen Leben, fehlten die Tiere den Soldaten, so provo- zierte man einen schnellen Vorstoß des Feindes. Mit diesem Problem konfrontiert sah sich

290 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 63. 291 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 16. 292 Tempest, All the Muddy Horses, S. 224. 293 Thoß, Die Zeit der Weltkriege − Epochen als Erfahrungseinheit?, S. 33. 294 Gerd Krumeich, Einführende Bemerkungen. Krieg als kollektive Erfahrung in der Heimat: die >zivile< Ge- sellschaft, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 369–375, hier S. 369; siehe auch Thoß, Die Zeit der Weltkriege − Epochen als Erfahrungseinheit?, S. 16. 295 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 31. 296 Ebd. 297 Ebd., S. 10, 31 und 103; siehe auch Julien, Der Erste Weltkrieg, S. 61; siehe auch Butler, The War Horses, S. 106. 54

zum Beispiel auch das Deutsche Reich in Bezug auf ihre Pferde. Bereits nach wenigen Kriegswochen war klar, dass man mehr Zugpferde benötigte, die die Kriegsmaterialien und Soldaten zum Einsatzort bringen mussten, und so gab es erneut Aushebungen. Folglich ent- stand aber auch in der Heimat ein Versorgungsproblem mit Gespannpferden.298 Prinzipiell gab es zu früheren Zeiten in gewissen Abständen Pferdemusterungen im zivilen Bereich für Pfer- de über vier Jahre. Die Pferde, die als kriegstauglich eingestuft wurden, konnten also jederzeit eingezogen werden. Natürlich gab es auch eigene Militärpferde, die auf den Einsatz im Krieg hin gezüchtet und ausgebildet wurden, da aber bereits so früh ein enormer Engpass entstand, griff man auf die zivilen Bestände des Deutschen Reiches zurück, um die Nachfrage bewälti- gen zu können.299 Außerdem wurden Pferde auch vom Ausland zugekauft bzw. von den be- setzten Gebieten eingezogen, wie beispielsweise von Belgien oder der Ukraine.300 Somit wird also ersichtlich, dass das Rekrutierungswesen aufgrund der Kriegsverhältnisse völlig durchei- nandergebracht wurde. Das Problem, das damit einherging, war die Tatsache, dass nun Pferde im Krieg für Dinge eingesetzt wurden, für die sie gar nicht ausgebildet waren bzw. nicht über die dafür notwendigen physischen Voraussetzungen verfügten. So musste beispielsweise ein Kavalleriepferd über völlig andere Eigenschaften verfügen, als ein Zugpferd. Die Pferde, die aus dem zivilen Bereich hinzukamen, waren oft nicht beschlagen oder gar gewohnt, geritten zu werden.301 Dies war insofern für Pferde, welche für die Kavallerie gedacht waren, schwie- rig. Innerhalb kürzester Zeit mussten sie nämlich nicht nur lernen, einen Reiter zu tragen, sondern auch, allgemeinen Befehlen und Kommandos zu folgen. Am erfolgreichsten konnte dies vollzogen werden, indem man den neuen, oft wilden und unerfahrenen Pferden ruhige, ältere und gehorsame Pferde zuteilte, von denen sie alles Nötige schneller lernten, als von den Menschen.302 Die Zeit für eine Kriegsausbildung der Pferde fehlte aber oft und so wurden die Pferde entweder gar nicht für ihre späteren Einsätze trainiert, was vor allem zu bereits fortge- schrittener Kriegsdauer der Fall war, oder sie erhielten lediglich eine kurze und eher notdürf- tige Einschulung. Jene Pferde, die vorwiegend als Last- und Zugtiere arbeiten mussten, sahen sich mit völlig anderen Herausforderungen konfrontiert. Pferde, die in vorheriger Haltung alleine lebten, hat- ten oftmals große Schwierigkeiten, sich an die ständige Gesellschaft von Artgenossen zu ge- wöhnen und jene, die diese bereits durch ihre vorherigen Arbeiten gewohnt waren, hatten

298 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 32. 299 Ebd., S. 36. 300 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 32. 301 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 37 und 41; siehe auch Storey, Animals in the First World War, S. 25; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 41 und 272. 302 Ebd., S. 73. 55

nicht mindere Anpassungsschwierigkeiten, weil viele von ihnen fast ein ganzes Leben lang dieselben Tiere um sich hatten und nun die neuen Pferde nicht an ihrer Seite akzeptierten.303 Voll- bzw. Halbblüter, die darauf gezüchtet wurden, möglichst schnell auf kurzen Strecken zu galoppieren, hatten die größten Schwierigkeiten, sich auf lange Märsche mit viel Gepäck ein- zustellen. Umgekehrt hatten Zugpferde keine Probleme damit, schwere Gerätschaften zu zie- hen, allerdings brauchten auch sie irgendwann eine Pause von dieser schweren Arbeit. Die Zeit dafür war aber nicht immer vorhanden. Hinzu kam, dass diese Pferde nicht darauf ausge- legt waren, lange Zeit zu galoppieren, somit hatten auch sie enorme Schwierigkeiten, sich auf die veränderten Gegebenheiten, die mit dem Krieg einhergingen, anzupassen. Kleinere, halb- schwere Pferde hatten es da schon leichter, sich anzupassen, weil sie für keine spezielle Ar- beit gezüchtet wurden und somit flexibler in der Anpassung waren. Dennoch musste auch dies alles sehr schnell gehen und bedeutete also nicht unbedingt weniger Stress, als für andere Pferderassen.304 Außerdem wurde ab einem bestimmten Zeitpunkt auch keinerlei Rücksicht mehr auf das Alter bzw. auf den Gesundheitszustand eines Pferdes in Bezug auf seine Rekru- tierung genommen.305 Viele von ihnen gingen durch die enormen Strapazen relativ schnell zu Grunde, weil sie dies nicht gewohnt waren oder vorher bereits in der Heimat stark in An- spruch genommen wurden.306 Auch was die Züchtung von Fohlen betraf, griff man irgendwann auf private Bestände zurück, weil die besten kriegstauglichen Hengste, die ansonsten für die Zucht militärischer Pferde eingesetzt wurden, ja bereits an der Front im Einsatz waren und dort keinesfalls abgezogen werden konnten.307 Wenn Besitzer ihre Pferde aus privater Haltung in den Kriegsdienst schickten, so taten sie dies nicht unbedingt aus einer rein patriotischen Einstellung heraus, sondern, weil im Laufe des Krieges auch in der Heimat Nahrungsknappheit für Mensch und Tier herrschte und man deshalb davon ausging, dass Pferde, die im aktiven Kriegsdienst stan- den, gut versorgt werden würden, was de facto aber auch nicht immer der Fall war, weil auch hier die Lebensmittelknappheit allgegenwärtig war. Was durch diese Erläuterungen deutlich wird, ist, wie sehr die Pferde unter der damaligen prekären Lage litten. Natürlich war diese Situation auch für die Menschen äußert hart und angespannt, trotzdem scheute man nicht da- vor, auch andere Lebewesen für seine Zwecke einzusetzen, ohne dabei auf ihre Lage Rück- sicht zu nehmen.

303 Ebd., S. 73–74. 304 Ebd., S. 272–273. 305 Ebd., S. 32. 306 Ebd., S. 227. 307 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 37–38. 56

Auf britischer Seite gestaltete sich die Situation sehr ähnlich. Auch hier benötigte man relativ schnell Nachschub und orderte diesen überwiegend von den USA, den Kolonien bzw. auch von privaten Züchtern. Von Italien kauften die Briten Maultiere zu.308 Die USA waren auch für die Italiener die wichtigste Bezugsquelle für Pferde. Nebenbei setzten diese auch sehr vie- le Esel aus dem eigenen Land für den Krieg ein.309 Die Franzosen kauften ebenfalls Pferde und Esel von den USA.310 Generell lässt sich aber festhalten, dass vorwiegend Pferde einge- kauft bzw. abgezogen wurden, weil Esel und Maultiere nicht den gleichen noblen Status teil- ten, wie die Pferde. Dennoch mussten auch sehr viele von ihnen im Krieg dienen und spielten dabei oftmals keine geringere Rolle als die Pferde.311 Mit Versorgungsproblemen hatten wohl alle am Ersten Weltkrieg beteiligten Länder zu kämpfen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Bevor sie an ihrem endgültigen Einsatzort ankamen, mussten sie oft lange Strecken mit dem Zug oder dem Schiff zurücklegen und waren somit häufig schon bei ihrer Ankunft ge- schwächt.312 Sie wurden dafür mit vielen Artgenossen in die Wagons getrieben und dort fest- gebunden, sodass sie sich oder andere in ihrer Angst nicht verletzen konnten bzw. es ihnen nicht möglich war zu fliehen. Wie bereits angesprochen kamen viele Pferde aus dem zivilen Bereich und waren im Gegensatz zu ihren Kameraden, die im öffentlichen Leben zum Bei- spiel als Kutschenpferde eingesetzt wurden, nicht an die Geräusche der motorisierten Welt gewohnt. Umso erschreckender erscheint es, dass sie dennoch – meist gewaltsam – auf die verschiedenen Züge aufgeteilt wurden. Die Zeit, Rücksicht auf die Pferde in dieser neuen und ungewohnten Situation zu nehmen, fehlte, denn alles musste sehr schnell vonstattengehen, um sie möglichst rasch an ihren Einsatzort zu bringen.313 Während der Reise waren sie nicht nur starken Temperaturschwankungen ausgesetzt, sondern oft auch völliger Dunkelheit, weil die Wagons keine Fenster besaßen. Deshalb war ihr Kreislauf stark beansprucht und die Pferde geschwächt. Hinzu kamen Unregelmäßigkeiten während des Transportes, beispielsweise durch unwegsames Gelände.314 Viele von ihnen hatten noch nie eine solche Situation erlebt. Der Stress, den die Tiere dabei empfanden, wirkte sich zum Beispiel auf die Herzfrequenz aus. Ihre Augen waren weit aufgerissen oder verdreht, die Pferde zitterten oft am ganzen Kör- per und ihre Atmung war ebenfalls unregelmäßig. Am Zielort angekommen, fiel es den Män-

308 Ebd., 41–42; siehe auch Butler, The War Horses, S. 47. 309 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 42. 310 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 32. 311 Ebd. 312 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 71; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 42. 313 Ebd. 314 Ebd., S. 50. 57

nern schwer, die Pferde in geordneter Manier aus den Zügen zu entladen. Obwohl viele sehr geschwächt und mitgenommen waren, stürmten sie nach draußen und nicht wenige verletzten sich dabei.315 Doch nicht alle Pferde kamen überhaupt an ihrem geplanten Ziel an. Durch die teils fürchterlichen Bedingungen in Kombination mit dem extrem hohen Stress, den die Tiere empfanden, wurden viele von ihnen krank. Während des Transportes wurden sie nicht ausrei- chend mit Nahrung und Wasser versorgt, von den hygienischen Bedingungen ganz abgesehen. Die Schiffe, auf welche die Pferde verladen wurden, waren oft mehrere Stockwerke hoch, jedoch hatte niemand vorher an eine ausreichende Klimatisierung gedacht. Verletzungen und Brüche waren ebenfalls keine Seltenheit und in weiterer Folge erlitten die Pferde oft Infektio- nen oder Schlimmeres, was dazu führte, dass sie noch während des Transportes verstarben.316 Da nahezu kein Halt während des Transportes gemacht wurde, weil dies oft gar nicht möglich war, mussten die Pferde neben ihren toten Leidensgenossen bis zu ihrer Ankunft ausharren.317 Wenn möglich, entledigte man sich noch während der Reise der toten Tiere, was auf See na- türlich leichter war als auf dem Land. Vor allem für die Pferde im Kriegsdienst der Briten war es eine äußert beschwerliche Reise, denn viele ihrer Pferde bezogen die Briten von den USA und diese mussten somit erst weite Strecken auf dem Meer zurücklegen, ehe sie an ihrem eigentlichen Einsatzort ankamen.318 Bevor sie auf die Schiffe verladen wurden, ließ man sie mehrere Tage im Hafen stehen, so- dass sie sich von den Strapazen des Transportes bis zu diesem Teil ihrer Strecke erholen konnten. Anschließend wurden sie auf die Schiffe geführt oder auch mittels Seilen nach oben gezogen. Auf den Schiffen selbst wurden sie wie die Pferde in den Zügen dicht aneinander aufgereiht, um sie möglichst ruhig während der Überfahrt zu halten.319 Diese gestaltete sich allerdings als viel schwieriger als die Transporte auf dem Land, weil die Schiffe auf hoher See natürlich völlig den Umwelteinflüssen ausgeliefert waren. Die meisten Pferde, die sich auf dieser gefährlichen Reise befanden, starben an Herzinfarkten infolge des extremen Stresses, dem sie permanent ausgesetzt waren. Nach ihrer Ankunft wurden sie erneut untersucht und je nach ihrem Gesundheitszustand erhielten sie noch ein paar Tage Schonfrist oder mussten gleich den ihnen auferlegten Dienst leisten.320 In diesem Zusammenhang muss auch noch erwähnt werden, dass es nicht allen Pferden so schlecht erging auf ihren Transporten. Obwohl die Briten, wie erwähnt, viele ihrer Pferde von

315 Ebd., S. 43. 316 Ebd., S. 51–52. 317 Ebd., S. 52. 318 Ebd., S. 46. 319 Ebd., S. 44. 320 Ebd., S. 45. 58

Übersee bezogen, kümmerten sie sich im Vergleich zu anderen Ländern besser um sie und waren generell achtsamer im Umgang mit ihnen. So achteten sie beispielsweise darauf, dass die Pferde Möglichkeiten hatten, um sich auszuruhen und zu erholen. Außerdem wurde gene- rell darauf geachtet, dass die Transportwege so kurz wie möglich waren. Bevor die Pferde auf die Züge oder Schiffe verteilt wurden, ließ man sie in größeren Herde ein paar Tage vor dem Bahnhof oder Hafen ausharren, sodass sie, ihrem natürlichen Instinkt folgend, Gruppen bilden konnten. In diesen Kleinherden beruhigten sie sich viel schneller als in isolierter und kurzer Einzelhaltung. Anschließend war es dann auch für die Menschen leichter, sie auf das entspre- chende Transportmittel aufzuteilen, weil sie instinktiv in ihrer kleinen Herde zusammenblei- ben wollten und so schneller eingeladen werden konnten.321

Je nachdem, für welche Arbeit die Pferde eingeteilt wurden, dauerte ihr Kriegseinsatz unter- schiedlich lang. Die Pferde, die als Zug- und Lasttiere dienten, gelangten bereits relativ schnell an ihre maximale Belastungsgrenze. An diesem Punkt angelangt führte der nächste Weg meist sofort zum Schlachter.322 Aus der Haut und den Knochen gewann man zusätzlich noch Fett, Leim und Tiermehl.323 Somit schließt sich der Kreis des Nutzens für den Menschen und für das Pferd bedeutete dies das Ende eines oft harten, entbehrlichen und kurzen Lebens im Krieg. Je aussichtsloser der Krieg wurde und je mehr sich dieser in die Länge zog, desto eher schlachteten die Menschen ihre Pferde, um nicht den Hungertod zu sterben. Der Nah- rungsmangel war allgegenwärtig und deshalb wurden Pferde auch oft geschlachtet, weil nichts mehr übrig war, um sie am Leben zu halten. Dadurch fanden sehr viele Pferde verfrüht ihren Tod. Auch die im Einsatz gestorbenen Tiere waren eine willkommene Nahrungsquelle für die Soldaten. Zu Beginn des Krieges, als noch genügend Nahrungsmittel zur Verfügung standen, vergrub man die Pferde noch in großen Massengräbern, bald schon wurden ihre Lei- chen aber gänzlich aufgearbeitet. Um die drastische Situation in der Heimat zu verbessern, wurde sogar Pferdefleisch oder sonstige Erzeugnisse, die aus den toten Tieren gewonnen wurden, nach Hause geschickt, obwohl auch an der Front relativ bald chronischer Mangel herrschte.324 Des Weiteren profitierte der Mensch auch von den natürlichen Fähigkeiten des Pferdes, wie beispielsweise seinem guten Ortssinn und seinem guten Gedächtnis, das ihm half, vertraute

321 Ebd., S. 46. 322 Oeser, Pferd und Mensch, S. 11–12. 323 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 78. 324 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 273–274. 59

Umgebungen bzw. seine Artgenossen selbst bei größter Dunkelheit wiederzufinden.325 Dieser Vorteil konnte dem Menschen allerdings auch zum Verhängnis werden, wenn beispielweise feindliche Truppen nach einem Angriff Pferde verfolgten, die zu ihren Unterkünften zurück- liefen, um dann die restlichen Soldaten zu töten.

4.2.4.4 Das Pferd im Ersten Weltkrieg – Kamerad oder Ressource? Bedenkt man die Millionen eingesetzten Pferde im Ersten Weltkrieg, so könnte man anneh- men, dass es so etwas wie ein kollektives Mitleidsempfinden für die Tiere im Ersten Welt- krieg gab bzw. moralische Bedenken über deren Einsatz. Leider lässt sich diese Annahme in der Realität nicht bestätigen.326 Für die Menschen der damaligen Zeit war es selbstverständ- lich, dass auch die Tiere mitkämpfen mussten327 und deshalb war die Frage nicht ob, sondern wo und wie? Prinzipiell nutzte man ihre natürlichen Fähigkeiten und profilierte diese für den Kriegseinsatz. Von allen für den Krieg eingesetzten Tieren war es ohne Zweifel das Pferd, welches sich hier am besten anbot, da man auf ein jahrhundertelanges vorangehendes Trai- ning zurückgreifen und darauf aufbauen konnte.328 Wenn es so etwas wie kollektives Mitleid für die Tiere im Krieg gab, so empfanden die Menschen dies in Bezug auf die fürchterlichen Bedingungen, unter welchen sie dem Menschen dienen mussten.329 Gefährlich wird in diesem Zusammenhang der Begriff des Patriotismus: „Patriotism poses a threat, not just to democracy but also to life itself.”330 Durch eine vermeintlich gemeinsame Sache, wie der Sieg der am Ersten Weltkrieg teilnehmenden Nationen, werden individuelle Wünsche und Ansprüche völlig in den Hintergrund gestellt. Es zählt nur mehr das übergeord- nete Ziel und alles und jede/r muss sich ihm fügen und unterordnen: „Patriotism requires, even demands, public recognition of service to country, especially military service. Such de- mands extend beyond citiziens to animals.“331 Aus dieser Perspektive ist es nur logisch, dass sich auch Tiere im Menschenkrieg beteiligen mussten, da es schließlich auch um „ihr“ Land, „ihre“ Heimat und „ihre“ Zukunft ging: „It involves patriotism’s readiness to bring even the nonhuman world into its moral and political orbit.“332 Hier entsteht also eine gewisse Art von Gleichberechtigung, was in diesem Zusammenhang aber nicht von Vorteil für die Tiere war: „We want those we love to serve, we want to be proud of them, and we want them to share

325 Oeser, Pferd und Mensch, S. 136. 326 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 55 und 108. 327 Ebd., S. 19; siehe auch Tempest, All the Muddy Horses, S. 221. 328 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 55. 329 Ebd., S. 108. 330 Johnston, Animals in War, 359. 331 Ebd., S. 360. 332 Ebd. 60

our love of country.”333 In Anbetracht der Tatsache, welche schrecklichen Leiden und Grau- samkeiten die Tiere im Ersten Weltkrieg ausgesetzt wurden, fällt es schwer, diesen Kamerad- schaftsgedanken aufrechtzuerhalten, da nicht zuletzt der Mensch für alle Gräueltaten am Mensch sowie am Tier im Ersten Weltkrieg verantwortlich war: „Statt von Kameradschaft müsste man dagegen wohl eher von Zwangsarbeit sprechen, bei der die Tiere ihren Körper ungefragt nutzbar machen mussten. Dass sie gleichwohl zur Projektionsfläche von Bindungssehnsüchten und zu >Kameraden< gemacht wur- den, überdeckt vielleicht das schlechte Gewissen, welches den Menschen befällt, wenn er andere Spezies zu solch schändlichen Zwecken einsetzt.“334

Die Zuschreibung solcher menschlicher Begriffe und ihre dahinterliegenden Konzepte von Emotionalität und Zugehörigkeit, wie etwa Kamerad oder Gefährte auf ein Tier, ist in erster Linie als Kompensation für die fehlende emotionale Nähe im Krieg zu verstehen.335 „In den meisten Fällen handelte es sich um eine besondere Form der Anthropomorphisierung, da die Kategorien soldatischer Tugenden wie Mut, Tapferkeit und Durchhaltevermögen auf die Tiere übertragen und diese im Namen der nationalen Sache >eingemeindet< wurden.“336 Demnach sind Propagandabilder, die Tiere stolz und furchtlos gemeinsam mit ihren menschlichen Sol- daten zeigen, so als ob sie freiwillig den Kriegseinsatz gewählt hätten, um ihre menschlichen Freunde dabei zu unterstützen, nichts Anderes als die Projektion menschlicher positiver Ei- genschaften auf die Tiere. Solche Bilder bzw. auch Fotografien wurden gerne in der Heimat in Zeitschriften abgedruckt oder als Postkarten verteilt, um den Kriegsgedanken während des Ersten Weltkrieges abseits der Front aufrechtzuerhalten und somit zu zeigen, dass es sich noch lohnte, denn selbst die Tiere würden den Menschen bereitwillig zur Seite stehen.337 Die- se Bilder entsprachen allerdings nicht der Realität, denn diese war eine viel schrecklichere, von der die Menschen zu Hause oft lange nichts mitbekamen. Trotzdem wurden gerade Pfer- de im Ersten Weltkrieg oft verherrlicht,338 man sprach sogar von einer gewissen Erziehungs- funktion, die die Pferde gegenüber ihren Reitern erfüllten, weil sie selbst stets treu waren und pflichtbewusst handelten.339 Dies bedeutete aber nicht, dass man ihren Einsatz aus morali- schen Gründen anzweifelte. Vielmehr brachte man durch diese Verherrlichung einen gewis-

333 Ebd. 334 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 18; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Krieg, S. 7. 335 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 18; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Krieg, S. 8; siehe auch Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 237. 336 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 126; siehe auch Johnston, Animals in War, S. 369; siehe auch Jean-Pierre Wils, Tiere und Menschen im Krieg. Sterben auf Augenhöhe, 10.09.2017, [http://www.deutschlandfunk.de/tiere-und-menschen-im-krieg-sterben-auf- augenhoehe.1184.de.html?dram:article_id=392380], eingesehen 20.10.2017. 337 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 289. 338 Oeser, Pferd und Mensch, S. 133; siehe auch Tempest, All the Muddy Horses, S. 219. 339 Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 238. 61

sen Dank zum Ausdruck, da das Pferd dem Menschen schon seit Jahrtausenden gute Dienste erwies und ein zuverlässiger Partner in allen Menschenkriegen war. Tatsache ist, das Pferd hatte keine andere Wahl und somit können jegliche menschlichen Zuschreibungen wie Kame- rad oder „treuer“ Gefährte nicht mehr als eine romantische Verklärung der Realität aufgefasst werden. Tiere kennen zwar untereinander Emotionen, wie Freundschaft, Zugehörigkeit, Loyalität, etc., welche sie – je nach Spezies – auch unterschiedlich stark auf den Menschen projizieren kön- nen, allerdings wäre es wohl falsch, anzunehmen, dass Tiere gemeinsam mit den Menschen an eine übergeordnete Sache glauben und sie sich dafür freiwillig zur Verfügung stellen. Weil bei den Menschen Patriotismus generell positiv konnotiert zu sein scheint, denn schließlich wurden Soldaten, die im Krieg für ihr Land starben, gefeiert wie große Helden, sollten die Tiere mit ihnen in den Krieg ziehen, um danach auch gefeiert werden zu können: „Besides, in the patriotic world, we show the rightness of our cause and the value of what we die for by sacrificing what is most precious to us, sacrificing it unbidden.”340 Dies würde allerdings vo- raussetzen, dass der Heldentod etwas Positives ist, was von Menschen wie Tieren gleicher- maßen angestrebt wird, was de facto aber nicht immer der Fall war. Daraus lässt sich schlie- ßen: „Patriotism is antithetical to life itself.“341 Somit gleicht Patriotismus mehr einem Vor- wand, Tiere ebenfalls in den Menschenkrieg zu schicken, um von dem moralischen Stand- punkt, welcher eine generelle Kriegsbeteiligung ablehnt, abzulenken: „Dying for country, entailing a transition from pet to soldier, would only double the love (and pride and mourn- ing).”342 Und am Ende ist es wieder der Mensch, der über andere und ihr Schicksal entschei- det, denn wenn es um seine eigene Freiheit geht, ist ihm jedes Mittel recht, egal, ob dadurch andere Lebewesen gefährdet oder gar ausgerottet werden.343

Obwohl es kein allgemeines Mitleid für die im Krieg eingesetzten Tiere gab, gab es natürlich auch Menschen, die sich auf die Seite der Tiere stellten und die den Kriegseinsatz verurteil- ten. Dafür, dass Tiere mit dem Menschen in den Krieg zogen, waren ihnen viele Menschen dankbar und empfanden Mitleid für die tierischen Kriegskameraden. Manche Soldaten berich- teten sogar, dass ihnen ihre Pferde dabei halfen zu überleben, und dass sie der Grund waren, dass sie trotz der Schrecken des Krieges selbst nicht verrohten und die Hoffnung verloren.344

340 Johnston, Animals in War 341 Ebd., S. 360 und 361. 342 Ebd., S. 363. 343 Ebd., S. 364. 344 Tempest, All the Muddy Horses, S. 219; siehe auch Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rück- zugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 237. 62

Es gibt auch Berichte über Pferde, die ihren Reiter bis zum Äußersten unterstützten und sogar ihr Leben opferten, um diesen zu schützen und zu retten bzw. nicht von seiner Seite wichen, auch wenn dieser bereits tot war.345 Dies mag nicht verwunderlich sein, denn Pferde sind sehr soziale Tiere, die eine sehr enge Bindung mit anderen eingehen können. Dennoch darf dabei nicht vergessen werden, dass es der Mensch war, der sie erst in eine solche Situation brachte.

Prinzipiell kann man also davon ausgehen, dass die Tiere im Ersten Weltkrieg vorwiegend eine Ressource für den Menschen waren und nicht als gleichwertige Kämpfer angesehen wur- den. Dies lässt sich anhand vieler Beispiele aufzeigen wie etwa durch fehlende Pferdelazarette zu Beginn des Ersten Weltkrieges auf Seiten des Deutschen Heeres346 bzw. eine generelle Lü- cke in der Versorgung von im Kriegsdienst stehenden Tieren. Sofern verwundete oder kranke Pferde in Lazarette bzw. Auffangstationen gebracht wurden, hieß dies nämlich nicht zwangs- läufig, dass sich ihre Situation verbesserte: „Aufwand- bzw. Nutzenüberlegungen bestimmten den Umgang mit den Tieren. Hat- ten sie ihre Arbeitskraft und damit ihren militärischen bzw. zivilen Nutzen verloren, dann dienten sie nach entsprechender Fleischbeschau als willkommene Eiweißergän- zung in den Kochgeschirren der Soldaten – auch dies war alles andere als ein kame- radschaftlicher Liebesdienst.“347

Ein weiteres Beispiel ist das Verwehren des Gnadenschusses bei verletzten Tieren. Wenn es irgendwie möglich war, tat man nämlich alles, um das Tier wieder kriegstauglich zu machen bzw. wieder so herzurichten, dass man es zumindest noch in einem anderen Bereich einsetzen konnte, anstatt es gleich von Vornherein von seinem Leiden zu erlösen.348 Es kam auch vor, dass Soldaten ihre Pferde erschossen, nur damit sie der Feind nicht in die Hände bekam.349 Wenn ihre Verletzungen nicht allzu schwer waren, wurden sie direkt an der Front behandelt, meist allerdings nicht von Tierärzten, sondern von normalen Soldaten. Waren ihre Verletzun- gen schwerwiegender, so kamen sie in das nächstgelegene richtige Pferdelager oder in sonsti- ge provisorische Einrichtungen. Je weiter die Lazarette oder die provisorischen Krankenhäu- ser von der Front entfernt waren, desto höher war die Chance für die Pferde, auf eine befestig- te und überdachte Einrichtung zu stoßen, was natürlich wichtig für ihre Genesung und Hei- lung war.350 Dennoch war es das oberste Ziel, die Pferde schnellstmöglich wieder kriegstaug- lich zu machen: „Quels que soient les traitements, les animaux doivent être vite soignés et

345 Oeser, Pferd und Mensch, S. 134; siehe auch Kittler, Die Tiere des Krieges, S. 155. 346 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 55–56. 347 Ebd., S. 59; siehe auch Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 133. 348 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 111. 349 Oeser, Pferd und Mensch, S. 139. 350 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 250 und 252. 63

guérir vite pour retravailler rapidement.“351 Dies zeigt sich leicht an folgendem Beispiel: Wenn ein Pferd angeschossen wurde, wurde es nicht immer gleich operiert. Stellte man fest, dass die Operation recht schwierig war, weil die Kugel beispielsweise sehr tief lag oder in der Nähe von wichtigen inneren Organen, verzichtete man nicht selten darauf, sondern versuchte, dem Pferd sein Leiden anderweitig zu nehmen, damit es noch eine Zeit eingesetzt werden konnte. Natürlich starben diese Pferde meist an Wundbrand oder infektiösen oder tumorarti- gen, schmerzhaften Entzündungen wenige Zeit später. Auch was die Betäubung im Falle einer Operation anbelangte, wurde diese nicht überall und auch nicht jedem Pferd gewährt.352 Wie fürchterlich diese Situation für sie sein musste, kann man sich leicht vorstellen. Die Pferde wurden entweder von Männern auf den Boden gedrückt oder in spezielle Apparaturen, die oft aus Holz bestanden, eingeklemmt, sodass sie sich während der Operation nicht bewegen konnten.353 Somit wurde hier klar zum Vorteil des Menschen entschieden und nicht nach dem, was das Beste für das Pferd gewesen wäre. Diese Nutzen-Aufwand-Überlegungen nennt man Utilitarismus, welcher seinen Ursprung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert hat354 und welcher im Ersten Weltkrieg, aber auch in allen anderen Menschenkriegen, sehr präsent war. Ein Tier war nur so lange von Nutzen, wie es dem Menschen in irgendeiner Form dienlich sein konnte. So lange Tiere Menschen schützten und für sie arbeiten konnten, wurden sie auch eingesetzt, egal wie viele von ihnen dabei ihr Leben verloren oder unter dem Einsatz litten.355 Konnten sie nicht mehr verwendet werden bzw. lohnten sich die Bemühungen um ein Tier nicht mehr, weil die Aussichten auf einen weiteren Einsatz schlecht waren, entledigte man sich des Tieres oder hatte eine andere Aufgabe für es. „Les chevaux difficiles à soigner, trop affaiblis, trop âgés, dont la guérison « ne mérite pas d’être poursuivie », se voient abattus […].“356 Aus reiner Tierliebe handelte niemand im Ersten Weltkrieg. Als bezeichnend für den Umgang mit dem Tier als Ressource im Krieg kann auch die Situation nach Ende des Krieges genannt werden. Dies soll an einer anderen Stelle dieser Arbeit noch näher beleuchtet werden.

4.2.4.5 Gefallene Pferde im Ersten Weltkrieg und das Erinnern an sie

351 Ebd., S. 256: „Welche Behandlungen sie auch bekamen, die Tiere mussten schnell versorgt und gesundwer- den, um schnellstmöglich wieder zu arbeiten“. 352 Ebd., S. 257. 353 Ebd., S. 258. 354 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 51; siehe auch Balluch, Die Kontinuität von Bewusstsein, S. 127. 355 Johnston, Animals in War, S. 365. 356 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 264: „Die Pferde, welche schwer zu pflegen, zu schwach oder zu alt waren und deren Heilung sich nicht mehr lohnte fortzusetzen, wurden getötet“. 64

Über die Zahlen der dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallenen Pferde lässt sich größtenteils nur spekulieren, da in offiziellen Statistiken immer wieder unterschiedliche Zahlen angeführt werden und jene auch meist nur die Pferde beinhalten, die aktiv im Kriegsdienst – in welcher Form auch immer – teilnahmen. In diesen Statistiken fehlen oft jene Pferde, die nicht einge- zogen wurden, aber auch in ihrer Heimat durch den Krieg, sei es durch Angriffe, Krankheiten, Hungersnöte oder Überlastung den Tod fanden. Schäfer/Weimar nennen in ihrem Buch Schlachthof Schlachtfeld – Tiere im Menschenkrieg mehrere Zahlen von verschiedenen Autoren. So sollen beispielsweise an einem einzigen Tag im Ersten Weltkrieg 7.000 Pferde gefallen sein, allein auf deutscher Seite soll eine Million Pferde zu beklagen gewesen sein bzw. eine halbe Million der britischen Kriegspferde,357 die wenigsten davon allerdings aufgrund von feindlichen Angriffen.358 Die Briten verloren des- halb weniger Pferde, weil sie sich, wie bereits angesprochen, generell besser um sie kümmer- ten und ihnen bewusst war, dass sich dies in Bezug auf deren Einsatz und somit auch das Kriegsgeschehen positiv auswirkte.359 So verwundert es auch nicht, dass die britische Kavalle- rie die einzige war, die nach dem Ersten Weltkrieg überhaupt noch bestand. Die in der deut- schen Kavallerie eingesetzten Pferde starben allesamt und auch den Franzosen erging es so. Während die Briten nämlich darauf achteten, dass ihre Pferde genügend Zeit zum Ausrasten hatten und auch nicht ständig geritten wurden, machten es ihre Gegner anders und benutzten ihre Pferde bis zur völligen Erschöpfung. So verloren beispielsweise die Franzosen insgesamt eine Million Pferde und die Österreicher 250.000 – hauptsächlich wegen Unterernährung.360 Der bessere Umgang der Briten mit ihren Pferden kann einerseits auf ihre lange Tierschutz- tradition zurückgeführt werden361 und andererseits auf den Burenkrieg (1899–1902), in wel- chem sie die meisten Pferd aufgrund ihrer schlechten Versorgung verloren und nicht wegen ihrer militärischen Unterlegenheit.362 Durch diese harte Lehre änderte sich nachhaltig etwas in Bezug auf ihren Umgang mit den Pferden im Krieg. Zudem setzte man auf britischer Seite von Beginn an auf mehr Motorisierung, anstatt auf reine Pferdestärken, was den Einsatz der Pferde, die tatsächlich im Kriegsdienst standen, noch einmal mehr hervorhob.363 Insgesamt

357 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, 58; siehe auch Edwards, Pferde, S. 159; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 77; siehe auch Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 240; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 134. 358 Edwards, Pferde, S. 159. 359 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 152. 360 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 77. 361 Ebd., S. 127; siehe auch Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 67; siehe auch Butler, The War Hor- ses, S. 13. 362 Edwards, Pferde, S. 156–157; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 56; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 133–134; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 46 und 248. 363 Krumeich, Die 101 wichtigsten Fragen, S. 133; siehe auch Butler, The War Horses, S. 39; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 75. 65

geht man davon aus, dass in etwa acht Millionen Pferde dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen sind, wohlgemerkt bezieht sich diese Zahl nur auf solche, die aktiven Kriegsdienst leisten mussten.364 Tatsache ist auch, dass in keinem Krieg zuvor so viele Pferde eingesetzt wurden. Sie dienten dem Menschen vorwiegend als Last-, Zug- und Reittiere.365 Doch auch als Gespannpferde waren sie unverzichtbar und dies nicht nur an der Front, sondern auch im zivilen Leben.366 Bei all dem „legte man natürlich gesteigerten Wert auf eine absolute Unemp- findlichkeit gegen Motorengeräusche oder Gewehrfeuer und einen unbedingten Gehorsam, so dass die Pferde ihren Ausbildern wie gut abgerichtete Hunde folgen mussten“.367 Andernfalls lässt es sich wohl sonst kaum erklären, dass Pferde im Ersten Weltkrieg „freiwillig“ in das Artillerietrommelfeuer vorliefen.368 Da Pferde Lebewesen sind, die mit sehr feinen Sinnen ausgestattet sind, kann man sich vorstellen, wie schrecklich die Erfahrungen im Krieg für sie sein mussten, vor allem für jene, die direkt an der Front eingesetzt wurden und so dem ständi- gen Lärm und den Gefahren durch Angriffe ausgesetzt waren. Und deshalb war wohl auch das beste vorangehende Training nicht mehr viel von Nutzen, denn wie sollten die Pferde über- haupt die Befehle der Menschen umsetzen, wenn sie im Gefecht nicht einmal ihre eigenen Rufe vernehmen konnten?369 Die grellen Lichter der Explosionen schadeten ihren Augen und auch der permanente Geruch von Blut sowie die allumgreifende Panik von Mensch und Tier ängstigte die Pferde extrem, sodass sie auch in ruhigeren Momenten keine Erholung finden konnten.370

Die Gründe für den hohen Verlust an Pferden im Ersten Weltkrieg sind vielseitig. Zu nennen ist in jedem Fall die schlechte Organisation, was die Rekrutierung, Verpflegung und Versor- gung dieser Lebewesen betraf.371 Es fehlte an gut ausgebildeten, kriegstauglichen Pferden, an Futter, Unterkünften sowie an medizinischer Versorgung im Falle einer Verletzung oder Krankheit. Durch die fehlende Infrastruktur mussten die Pferde oft im Freien stehen und wa- ren aneinandergebunden, damit sie nicht fliehen konnten. Dies führte allerdings nicht selten zu Kämpfen untereinander, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, in einer von ihnen gewähl- ten Herde zu leben. Ohne ein Dach über dem Kopf waren sie dem wechselhaften Wetter im

364 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 77; siehe auch Johnston, Animals in War, S. 363; siehe auch Butler, The War Horses, S. 48 und 118; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 271. 365 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 64; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 7 und 74; siehe auch Storey, Animals in the First World War, S. 28; siehe auch Butler, The War Horses, S. 52. 366 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 74. 367 Oeser, Pferd und Mensch, S. 136. 368 Kittler, Die Tiere des Krieges, S. 157; siehe auch Johnston, Animals in War, S. 368. 369 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 85. 370 Ebd., S. 88. 371 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 72. 66

Sommer wie im Winter völlig ausgeliefert und mussten viel von ihrer Energie dafür verwen- den, sich den Temperaturschwankungen anzupassen,372 was vielen von ihnen so viel Kraft raubte, dass sie relativ schnell im Einsatz starben. Zudem wurden viele von ihnen dadurch auch krank und waren durch Lungenentzündungen, Husten, Fieber oder grippale Infekte ge- schwächt.373 Das wohl größte Problem stellte aber die Futterknappheit dar, welche letztlich die Ursache für den enormen Verschleiß an Pferden war. Trotz des fehlenden nahrhaften Futters mussten die Pferde ihre Arbeit in gleichem Maße verrichten und deshalb starben viele an Überanstrengung infolge von Unterernährung bzw. falscher Ernährung. Hafer wurde nämlich alsbald mit Er- satzmitteln, wie „Gerste, Mais, Hirse, Erbsen oder auch Tiermehl“374 gestreckt, bevor dieser gar nicht mehr zur Verfügung stand, weil es massive Engpässe in Bezug auf die Futtermittel- lieferungen gab. Trotz der Tatsache, dass Getreide sehr nahrhaft war und von den Pferden in kurzer Zeit gegessen werden konnte, was insofern praktisch für die Soldaten war, weil sie sofort weiterziehen konnten, war dies oft problematisch. Viele bekamen vor ihrem Kriegsein- satz nur Heu oder Ähnliches zu essen, weshalb ihnen die Verdauung von Getreide am Anfang große Probleme bereitete und sie das Futter oft gar nicht behalten konnten.375 In den schlimmsten Zeiten versuchte man aus der Not heraus sogar, den Pferden Sägemehl unter das Futter zu mischen. Durch ausbleibende Ernten konnte auch kein nahrhaftes Futter nachgelie- fert werden, was die Situation gegen Ende des Krieges noch um ein Vielfaches verschärfte.376 Die hungernden Pferde aßen alles, was ihnen auf ihrer Suche nach Nahrung unterkam, so auch mit Schimmelpilzen befallenes Stroh oder andere verunreinigte Nahrung. Die Folge wa- ren Magenkoliken, die den Pferden schwer zu schaffen machten in ihrem ohnehin schon ge- schwächten Zustand.377 Hinzu kamen Krankheiten, wie Durchfall, Fieber, Würmer, welche für die Pferde ohne eine ausreichende medizinische Versorgung, und diese fehlte sehr oft, meis- tens tödlich ausgingen.378 Außerdem wurden die Pferde ja oftmals fernab ihres ursprünglichen Heimatortes eingesetzt, was zur Folge hatte, dass sie sich schlecht an ihre neue Umgebung gewöhnen konnten und Krankheiten bei ihnen auftauchten, die es in ihrer Heimat nicht gab und sie somit auch über keine Abwehrkräfte dafür verfügten.379

372 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 126. 373 Ebd., S. 232–233. 374 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 79. 375 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 132–133. 376 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 79; siehe auch Butler, The War Horses, S. 131; siehe auch Ba- ratay, Bêtes des tranchées, S. 136–137. 377 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 230. 378 Ebd., S. 230. 379 Ebd., S. 231. 67

Ein weiteres Problem stellte die Versorgung mit genügend Wasser dar. Im Sommer brauchten die Pferde durch die hohen Temperaturen mehr als üblich und im Winter machten die eisigen Temperaturen eine konstante Versorgung ebenfalls schwierig, weil viele Seen und Trinkstel- len zugefroren waren.380 Zudem konnten die Pferde oft nur in der Nacht Wasser trinken, weil sie tagsüber ständig im Einsatz waren. Dies war insofern schwierig, weil ein ausgewachsenes Pferd je nach Gewicht und Statur ca. 40 bis 50 Liter verteilt auf einen Tag trinken sollte.381 Somit starben auch viele Pferde an Dehydrierung bzw. an den Folgen daran. Nicht nur das Fehlen von genügend Tierärzten, auch fehlendes Wissen im Umgang mit Pfer- den führte dazu, dass die Bedürfnisse dieser Tiere nicht erfüllt werden konnten und sie an schlechter Haltung bzw. durch die Folgen von schlechtem Umgang starben.382 Hinzu kamen natürlich Verletzungen, wie Schusswunden oder Wunden durch Granaten, Explosionen, Gift- gas, etc. Auch Seuchen, wie die Räude und der Rotz stellten ein massives Problem dar, da es sich bei beiden um hochansteckende Krankheiten handelte. Bei der Räude handelt es sich um eine Milbenkrankheit, beim Rotz bekommt das Pferd Geschwüre in der Nase und Knoten auf der Haut. Der Rotz konnte auch auf den Menschen übertragen werden und so wurden viele kranke Tiere umgehend getötet, um weitere Ansteckungen zu vermeiden.383 Der Ausbruch der Räude kann auf die schlechten hygienischen Bedingungen, denen die Pferde an der Front, so wie auch in den Lagern ausgesetzt waren, zurückgeführt werden. Gerade in den warmen Sommermonaten verbreitete sich diese Krankheit extrem schnell.384 Je schwächer die Tiere waren, desto anfälliger wurden sie natürlich für Krankheiten und Seuchen. Wegen der perma- nenten Überanstrengungen bekamen viele schmerzhafte Entzündungen zum Beispiel an den Hufen oder in den Beinen. Folglich versuchten sie, ihr Gewicht zu verlagern, um das be- troffene Bein zu entlasten, was allerdings schwierig war, weil die Pferde fast dauerhaft im Einsatz waren.385

Beschlagene Pferde verloren ihre Eisen oft schon relativ bald im Krieg, was zur Folge hatte, dass sie den Gefahren auf ihrem Weg noch mehr ausgesetzt waren:386 „The random spread of sharp metal around the battlefield, rusting wire, shrapnel, discarded nails and tins, made travel through mud and water a perilous enterprise for man and beast.“387 Somit lauerten auch ab-

380 Butler, The War Horses, S. 133. 381 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 131–132. 382 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 85. 383 Ebd., S. 60–61. 384 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 234. 385 Ebd., S. 231. 386 Ebd., S. 236. 387 Butler, The War Horses, S. 123; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 236. 68

seits des aktiven Kriegsgeschehens viele tödliche Gefahren, die den Pferden zum Verhängnis wurden. Durch die Bombardierung des Geländes an der Front und den hinzukommenden Umwelteinflüssen, war der Schlamm, durch welchen die Pferde gehen mussten, oft so hoch, dass sie darin stecken blieben. In diesen Gruben befanden sich, wie im obigen Zitat von Si- mon Butler bereits beschrieben wurde, oft scharfe, spitze Gegenstände, mit welchen sich die Pferde verletzten. Die Folgen waren Kratzer, Schürfwunden oder gar tiefe Schnittwunden, die sich leicht entzünden und zu eitrigen Ekzemen führen konnten, sodass die Pferde anfingen zu lahmen oder gar nicht mehr gehen konnten.388 Hinzu kamen natürlich die extremen Anstren- gungen bei gleichzeitig fehlender Zeit zur Erholung. Die Pferde wurden oftmals tage- oder wochenlang nicht ausgeschirrt und konnten sich somit nicht ausreichend erholen bzw. schla- fen, um den enormen Strapazen gewachsen zu sein und diesen über einen längeren Zeitraum zu trotzen. Viele magerten durch fehlende Nahrung und Zeit zur Erholung sehr schnell ab und waren deshalb noch anfälliger für Krankheiten, Infektionen oder Erschöpfungszustände, was ihre Überlebenschancen nochmals um ein Vielfaches verringerte.389 Die ersten Anzeichen einer deutlichen Schwächung war das Hängenlassen des Kopfes – eine für ein Pferd völlig untypische Körperhaltung, die nur bei der Futteraufnahme eingenommen wird, weil es diesem Tier ansonsten nicht möglich ist, seine Umgebung im Blick zu haben.390 Durch das fehlende Ausschirren der Pferde, bekamen sie schmerzvolle Druckstellen von den Sätteln oder den Zugvorrichtungen, die sich leicht entzündeten bzw. zu einer völligen Fehlhaltung führten. Außerdem waren die wenigsten Sättel oder Zugvorrichtungen individuell auf die Pferde aus- gerichtet worden.391 Hierbei erging es den Zugpferden an der Front am schlechtesten. Je rück- sichtsloser sie eingesetzt wurden, umso mehr magerten sie ab und hatten somit keine natürli- che Schutzschicht mehr, um dem ständigen Druck und dem Gewicht gewachsen zu sein.392 „Die größten Chancen, den Krieg zu überleben, besaßen Zugpferde bei Munitionskolonnen und Nachschubeinheiten.“393 Die Situation zu Hause war ebenfalls katastrophal, da auch hier Pferde fehlten, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden konnten. Wenn sie von ihrem aktiven Kriegsdienst entbehrt werden konnten, wurden sie für eine Weile in die Heimat geschickt, um die Menschen dort zu unterstützen. Sie mussten also wieder auf eine oft lange Reise gehen. Gleichzeitig sollte dies als eine Art Erholung für die Pferde dienen. Davon kann hier aber nicht gesprochen werden,

388 Ebd., S. 231. 389 Ebd., S. 103–104 sowie 229. 390 Ebd., S. 228–229. 391 Ebd., S. 237. 392 Ebd., S. 238–239. 393 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 60. 69

da sehr viele von ihnen verletzt und traumatisiert waren und sie nun abseits der Front eben- falls harte Arbeiten verrichten mussten, um die Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Pferde, die definitiv nicht mehr für den Krieg verwendet werden konnten, wurden dauerhaft an Private verkauft.394 Es versteht sich von selbst, dass dafür nicht die kräftigsten und gesündesten Pfer- de abgezogen wurden, weil diese woanders dringend gebraucht wurden und ebenfalls Man- gelware waren. Durch die schwere Arbeit fanden sehr viele Pferde abseits der Front den Tod, was dazu führte, dass die wenigen verbliebenen die Arbeiten der anderen noch zusätzlich ver- richten mussten.395 Es bildete sich ein wahrer Teufelskreis. „Nicht nur das Transportwesen und die Landwirtschaft litten unter der Mobilmachung der Pferde für die Front, sondern auch die Industrie.“396 Auch die Versorgung abseits der Front wurde mit zunehmender Kriegsdauer immer schlechter: „Man verfütterte Tiermehl, Melasse, Haferkleie, Haferschalen, Spelze, Rü- benschnitzel, Ölkuchenschrot, Trestermehl, Dorschmehl, Schilfrohrmehl – eben alles, was billiger und besser verfügbar war als Heu.“397 Die übriggebliebenen Pferde in der Heimat be- kamen also wie ihre Artgenossen an der Front immer weniger und vor allem immer weniger qualitatives und nahrhaftes Futter, trotzdem mussten sie mehr arbeiten, als noch zu Beginn des Krieges, als es noch mehr Pferde gab. Durch zerstörte Landschaften und fehlende Ar- beitskräfte war die Ernte oft schlecht oder gar nicht mehr vorhanden. Alles was übrig war und man irgendwie entbehren konnte, ging an die Kriegsfront und aus diesem Grund gingen un- zählige Pferde in der Heimat zu Grunde, selbst wenn sie nie im aktiven Kriegsdienst standen. Deshalb ist es schwer zu sagen, wie viele von ihnen den acht Millionen Pferden, die aktiven Kriegsdienst leisten mussten und deshalb den Tod fanden, noch hinzugefügt werden müssten. Tatsache ist, dass die Pferde massenweise in der Heimat durch die harten Bedingungen und vielen Entbehrungen starben.

Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete nicht automatisch das sofortige Ende des Kriegs- einsatzes der Pferde, denn viele Soldaten blieben mit ihren Pferden noch an ihrem Einsatzort, um dort für Recht und Ordnung zu sorgen bzw. die Situation unter Kontrolle zu halten. Dieje- nigen, die in ihre Heimat zurückkehrten, verkauften ihre Pferde entweder unterwegs an Bau- ern, Handwerker oder Transportunternehmen oder nahmen sie auf den beschwerlichen und oft langen Weg zurück nach Hause mit.398 Nach den letzten harten Kriegsjahren bedeutete dies

394 Ebd., S. 104. 395 Ebd., S. 105. 396 Ebd., S. 107. 397 Ebd., S. 106. 398 Ebd., S. 119; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 284. 70

eine weitere große Hürde für die Pferde, die ohnehin schon geschwächt waren von den voran- gegangenen Strapazen. Viele schafften den Weg zurück in die Heimat nicht.

Während es für viele Kavallerieeinheiten bereits 1917 hieß, sich zahlenmäßig zu verkleinern, reduzierte sich die Einsatzstärke der militärischen Einheiten erst im Jahre 1919 deutlich. Durch den enormen Futtermangel wurden aber auch schon früher ganze Einheiten aufgelöst und somit auch die Pferde von ihrem Kriegsdienst enthoben.399 Rückgekehrte Pferde konnten während, aber auch nach dem Krieg auf keine Schonfrist hoffen, denn sobald ihr militärischer Dienst geendet hatte, mussten sie ihren zivilen wieder aufnehmen. Sie mussten „erneut als Zug- und Lasttiere arbeiten – dies stellte sich jedoch als problematisch heraus, da sie erheb- lich geschwächt und kaum arbeitsfähig waren“.400 Pferde, die nicht mehr verkauft und einge- setzt werden konnte, gelangten zum Schlachter. „Sie hatten den Krieg überlebt – und jetzt ereilte sie der zivile Tod“,401 bringt es Rainer Pöppinghege auf den Punkt. Somit war dieser Weg oft der letzte für die Pferde, die im Menschenkrieg dienten: „Tous ces équidés subissent là leur dernière épreuve, entassés dans les wagons les amenant aux lieux de vente puis dans les cours et les couloirs des boucheries et des abattoirs en attendant d’être assommés à coup de maillet sur le crâne, au milieu du sang, des entrailles et des dépouilles.“402

Pferde waren nach dem Ersten Weltkrieg aber immer noch sehr begehrt und so waren sie auch Teil der Wiedergutmachungen, die die Besiegten an die Siegermächte leisten mussten. Einige Pferde wurden auch wieder an ihre früheren Besitzer übergeben, die sie den Soldaten zur Ver- fügung gestellt hatten.403

Was die Erinnerungskultur der dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallenen Pferde bzw. all- gemein der an diesem Krieg beteiligten Tiere anbelangt, so unterscheidet sich diese bei den verschiedenen Nationen, die im Krieg teilgenommen haben. Auffallend ist die Tatsache, dass vor allem bei den Alliierten der Heldengedanke in Bezug auf Tiere im Krieg stärker ausge- prägt war als in den besiegten Ländern. Während in Letzteren die Kriegsniederlage zur Folge hatte, dass die gefallenen menschlichen Soldaten in den Fokus der Heroisierung gerückt wur-

399 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 119–120. 400 Ebd., S. 120. 401 Ebd. 402 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 285: „All diese Einhufer ertrugen hier ihre letzte Prüfung, zusammengepfer- cht in den Waggons, die sie zu den Verkaufsstellen brachten, dann zu den Höfen und Fluren der Metzgereien und Schlachthöfe, wo sie inmitten von Blut, Eingeweiden und abgezogenen Fellresten darauf warteten, mit ei- nem Hammerschlag auf den Schädel betäubt zu werden“. 403 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 121; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 284. 71

den, wurden beispielsweise bei den Amerikanern und Briten die Tiere, die ihr Leben im Krieg gaben und so auch zum Sieg beitrugen, mehr in den Vordergrund gerückt und auch geehrt.404 Allen voran ist hier sicherlich England zu nennen. In England wurden Tieren Tapferkeitsaus- zeichnungen verliehen, zudem gibt es dort seit über 100 Jahren das sogenannte Blue Cross, eine Hilfsorganisation für Pferde im Krieg.405 Wenngleich den Menschen dadurch bewusst- gemacht werden sollte, was die Tiere für sie im Krieg leisteten, so bedeutet dies nicht, dass ihr Einsatz generell in Frage gestellt wurde. In diesem Zusammenhang erscheinen auch Denkmä- ler in einem völlig anderen Licht: „As such, they purport to embody the love that humans and animals share, a love reaching its perfection in wartime.”406 Allein durch die Tatsache, dass vermeintlich geliebte Tiere durch den Menschen im Krieg umkommen, verhindert allerdings jegliche Vorstellung von Liebe ihnen gegenüber, denn mit Liebe hat dies wenig zu tun. Aus diesem Grund sind Denkmäler für Tiere ebenfalls kritisch zu sehen, wie der Begriff des Patriotismus, auf welchen bereits näher eingegangen wurde: „Yet animal memorials also confirm, solidify, and expand patriotism’s perverse addiction to death.”407 Somit können Denkmäler, die wir Menschen Tieren widmen oder sie für sie er- bauen, lediglich als Möglichkeit für uns Menschen gesehen werden, durch welche wir versu- chen, die Schrecken des Krieges, welche Tiere durch uns widerfahren sind, wiedergutzuma- chen und unseren Ruf wiederherzustellen408: „Through memorialization, democracies would transform victims into heroes, abomi- nation into virtue, gratuity into necessity, cruelty into camaraderie, exploitation into love, life into death – transformations that deflect questions of responsibility for wars waged not against enemies but against the very animal world they would ostensibly honor.”409

Tiere können die Sinnhaftigkeit eines menschlichen Krieges nicht verstehen und auch wenn wir Menschen im Nachhinein versuchen, unsere Schuld ihnen gegenüber durch Denkmäler oder Ähnliches zu begleichen, kann dies auch nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass es letztlich wieder der Mensch als dominierende Spezies ist, der über das Schicksal von so vielen entscheidet – auch über deren Tod hinaus: „It’s not as if animals can share in the of victory. It’s not as if animal survivors can appreciate the tribute they receive. It’s not as if bereaved ‘parents’ can take solace

404 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 126–127. 405 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 66–67; siehe auch Tempest, All the Muddy Horses, S. 229; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 113; siehe auch Storey, Animals in the First World War, S. 32; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 248. 406 Johnston, Animals in War, S. 360. 407 Ebd. und S. 369. 408 Ebd. 409 Ebd. 72

in seeing their offspring’s names inscribed in stone for all eternity. It’s not as if future generations of animals can be inspired to match the exploits of their forbears. Animals don’t visit sacred public places.”410

Generell kann aber festgehalten werden, dass vor allem während des Ersten Weltkrieges viele Stimmen laut wurden, die eine Ehrung der Tiere im Menschkrieg forderten. Als der Krieg zu Ende war, wurde von diesen Forderungen allerdings sehr wenig umgesetzt. Der nahende Zweite Weltkrieg war dann schließlich auch der Grund, dass dieses Thema von den 30er Jah- ren bis fast zum Ende des 20. Jahrhunderts völlig im kollektiven Gedächtnis fehlte. Erst ab den 1970er bzw. 1980er Jahren wuchs das Interesse am Ersten Weltkrieg – der ersten Urkata- strophe des 20. Jahrhunderts – wieder und je mehr sich der 100. Jahrestag näherte, desto mehr setzte man sich in Bezug auf seine Aufarbeitung auch mit neuen Aspekten auseinander, da- runter auch mit der kriegsentscheidenden Rolle der Tiere.411 Aus diesem Grund wurden in den Jahren darauf mehrere Denkmäler für Tiere im Ersten Weltkrieg geschaffen, wie etwa das bekannte „Animals in War Memorial“, welches 2004 in London enthüllt wurde.412

Die große Bedeutung des Kriegseinsatzes der Pferde im Ersten Weltkrieg kann wohl nicht oft genug betont werden, denn ohne das Pferd wäre dieser und wohl auch die meisten vorange- henden anders verlaufen. Der Mensch ist ein Tier, wie jedes andere auch, und trotzdem scheut er nicht davor zurück, sich andere Lebewesen völlig einzuverleiben und sie ohne jegliche Skrupel für seine Ziele einzusetzen. Obwohl der Mensch seit Jahrtausenden ausschließlich Krieg gegen seine eigene Spezies führt, zwang er Tiere dazu, ihn dabei zu unterstützen und machte sie somit zu Tätern:413 „[The First World War] was a war begun an fought, however reluctantly, by men of free will, and […] horses, ’dumb animals’ in the most caring sense, were wholly innocent victims.”414 Tiere profitieren in keinster Weise von menschlichen Krie- gen und trotzdem müssen sie sich dem Willen des Menschen beugen – allen voran das Pferd, welches das Lebewesen ist, welches am längsten im Kriegsdienst des Menschen steht. Und anstatt im Anschluss ruhmreiche Taten von Pferden hervorzuheben und ihren Einsatz in

410 Ebd., S. 360. 411 Baratay, Bêtes des tranchées, S. 291–292. 412 Karsten Nowrot, Animals at War. The Status of “Animal Soldiers” under International Humanitarian Law, in: Historische Sozialforschung 40 (2015), Nr. 4, S. 128–150, hier S. 132, [https://www.wiso- net.de/dosearch?dbShortcut=HSR&q=0172- 6404.IS.+AND+2015.YR.+AND+4.HN.+AND+128.SE.&explicitSearch=true#HSR__45577]; eingesehen 23.02.2017; siehe auch Johnston, Animals in War, S. 363; siehe auch Storey, Animals in the First World War, S. 53; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 293–294. 413 Pöppinghege, Einleitung, S. 7. 414 Butler, The War Horses, S. 125. 73

höchstem Maße zu loben, wäre es wohl im Sinne des Respektes gegenüber allen Lebewesen wichtiger, alles zu tun, um eine solche Situation gar nicht erst zustande kommen zu lassen.

4.2.5 Der Zweite Weltkrieg als weiterer Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd? Während des Ersten Weltkrieges wurden Pferde eindeutig als Ressource gesehen und auch generell so von den Menschen eingesetzt bzw. behandelt. Es stellt sich nun die Frage, ob sich an dieser Tatsache am Ende des Krieges bzw. in der Zeit danach etwas geändert hat oder nicht? Bereute man ihren Einsatz für die menschlichen Zwecke? Wurden im Zweiten Welt- krieg noch Pferde eingesetzt oder lernte man durch den Ersten Weltkrieg etwas im Umgang mit ihnen?

Der Erste Weltkrieg war mit Sicherheit ein bis dato noch nie dagewesener schrecklicher Krieg – der erste totale Krieg des 20. Jahrhunderts. Dennoch kann man festhalten, dass in diesem Krieg, obwohl in vielen Bereichen eindeutig bisher anerkannte Grenzen überschritten wurden, noch eher darauf geachtet wurde, dass gewisse Regeln der Kriegsführung eingehalten wur- den,415 wie sie in den Genfer Konferenzen sowie in den Konferenzen von Den Haag in Bezug auf die Behandlung von verwundeten und gefangenen Soldaten bzw. auch von Zivilisten be- schlossen wurden.416 Diese Berücksichtigung sollte bald im Zweiten Weltkrieg jedoch beendet sein, denn noch nie zuvor wurde rücksichtloser Krieg geführt. Während in der Zwischen- kriegszeit der Wiederaufbau vorangetrieben wurde, um ein normales ziviles Leben wieder zu ermöglichen, gab es auch einige Nationen, die sich bereits wieder auf den Krieg vorbereiteten: „Traumatisiert von der industrialisierten Kriegführung mit Massenschlachten moder- ner Millionenarmeen, suchten die einen nach 1918 nach neuen völkerrechtlichen Ein- hegungen des Kriegs, die anderen nach neuen Kriegsmitteln und Strategien, um die Eskalation eines künftigen Krieges zu verhindern bzw. zu ermöglichen.“417

Die Enttäuschung über die Niederlage im Ersten Weltkrieg war bei den besiegten Staaten groß und ein Gefühl von Ungerechtigkeit in Bezug auf die Friedensverträge, welche große Einschränkungen mit sich brachten, machte sich breit. Deshalb begann zunächst im Geheimen ein wiederholtes Wettrüsten und bald schon war klar, dass es einen erneuten, entscheidenden Krieg geben würde. Dennoch konnte man sich beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 zunächst nicht vorstellen, wie dieser die Welt wieder nachhaltig beeinflussen sollte, lag der

415 Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 135; siehe auch Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 119. 416 Ebd.; siehe auch Kramer, Kriegsrecht und Kriegsverbrechen, S. 281. 417 Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 135. 74

Erste doch noch nicht lange zurück und galt dieser ebenfalls als ein Umbruch für die ganze Welt. Doch je mehr der Zweite Weltkrieg ein totaler Krieg wurde, desto mehr setzte sich die Ansicht durch, dass dieser Krieg ebenfalls wieder ein noch nie dagewesener sei – eben eine weitere Steigerung,418 was für die menschliche und tierische Bevölkerung schreckliche Folgen hatte. Die Angst vor einem weiteren zerstörerischen Krieg war groß, dennoch setzte sich na- hezu bei allen Kriegsnationen die Vorstellung durch, man müsse den Gegner dieses Mal mit allen Mitteln schlagen, um alleine an der Spitze der Macht zu stehen.419 Somit steht der Zwei- te Weltkrieg in direktem Zusammenhang mit dem Ersten. Dieses Streben nach Macht senkte die Hemmschwelle, was den Einsatz von neuen, zerstörerischen Waffen anbelangte, deutlich. Wie bereits geklärt wurde, ist der totale Einsatz von Kriegsmethoden, ohne Rücksicht auf geltende Rechte oder Zivilisten, ein Merkmal eines totalen Krieges. Somit kann der Zweite Weltkrieg durch die Entwicklung und den Einsatz von atomaren Waffen als Höhepunkt der Totalisierung von Krieg gelten.420 Unter den eingesetzten Kriegsmethoden litten Menschen wie Tiere gleichermaßen.

Technologisch gesehen war der Erste Weltkrieg revolutionär und bahnbrechend, weil, wie bereits festgestellt wurde, in keinem Krieg zuvor so viele technologische Neuheiten eingesetzt bzw. dafür entwickelt wurden, doch auch im Zweiten Weltkrieg blieb der technische Fort- schritt nicht aus. In diesem Krieg wurden hauptsächlich bereits im Ersten Weltkrieg erfolgrei- che Waffen adaptiert bzw. verbessert, wie etwa die Entwicklung von leichteren Maschinen- gewehren und Maschinenpistolen.421 Oft endeten ambitionierte Forschungen aber auch in ei- ner Sackgasse oder es fehlten die nötigen Produktionsmittel, um die verbesserten Waffen auch wirklich gegen den Gegner einsetzen zu können.422 „Jeder hatte einen Vorsprung auf irgend- einem Gebiet, der durch die jeweils andere Seite auf anderen Feldern ausgeglichen wurde oder – weil falsch beurteilt bzw. aus anderen Gründen – wieder verlorenging.“423 Dadurch entstand ein gewisses Gleichgewicht unter den Nationen. Durch gezielte Bombenangriffe auf ganze Produktionsstätten, wollte man dieses zum eigenen Vorteil aufheben.424 Auch hier wird wieder der totale Charakter des Zweiten Weltkrieges deutlich, weil auf niemand Rücksicht

418 Förster, Einführende Bemerkungen, S. 33. 419 Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 135–136. 420 Thoß, Die Zeit der Weltkriege − Epochen als Erfahrungseinheit?, S. 19; siehe auch Black, Einleitung: Der moderne Krieg im Wandel, S. 8. 421 A. A. Evans/David Gibbons, Der Zweite Weltkrieg, München 2009, S. 106. 422 Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 35. 423 Ebd. 424 Ebd. 75

genommen wurde, schließlich waren es meist die zuhause Gebliebenen, die für die Aufrecht- erhaltung der Produktion zuständig waren. Der erfolgreiche Einsatz von Kampfflugzeugen im Ersten Weltkrieg war Anlass dafür, diese weiter zu entwickeln, um sie zum Beispiel für die gezielte Bombardierung von U-Booten verwenden zu können, um so auch von der See aus den Krieg kontrollieren zu können.425 Der Angriff aus der Luft ermöglichte bereits im Ersten Weltkrieg völlig neue Möglichkeiten und viele unschuldige Menschen und Tiere fanden dadurch den Tod, ob an der Front oder in der Heimat. Je länger der Zweite Weltkrieg dauerte, desto erbitterter wurde.426 Bekamen dies die zuhause Gebliebenen im Ersten Weltkrieg bereits deutlich zu spüren, so verschärfte sich deren Situation im Zweiten Weltkrieg enorm, da verbesserte Technologien ein breiteres Zerstö- rungsfeld ermöglichten und so war niemand mehr zu Hause sicherer als an der Front.427

Große Neuerungen gab es auf dem Gebiet der chemischen Waffen, deren Entwicklung und Produktion im Zweiten Weltkrieg stärker vorangetrieben wurde, als noch im Ersten, was fata- le Folgen für Mensch und Tier hatte. Das wohl tödlichste Ergebnis dieser Bemühungen war die Atombombe, welche von den USA ab 1941 verstärkt entwickelt wurde, um eine Art Su- perwaffe gegen die Wehrmacht in der Hand zu haben428 und welche schließlich den Krieg beendete.429 Schon 1939 war man nämlich davon überzeugt, dass Deutschland dabei war, atomare Waffen zu entwickeln.430 Der Atomangriff 1945 auf Hiroshima und Nagasaki läutete ein neues Zeitalter in der Kriegsführung der Menschen ein und prägte sich mahnend im kol- lektiven Bewusstsein ein.

Davon auszugehen, dass durch diese technischen Weiterentwicklungen keine Tiere mehr im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden, wäre allerdings falsch, denn es gab trotz der verstärk- ten Motorisierung in diesem Krieg431 noch immer Bereiche, in welchen man auf tierische Sol- daten zurückgreifen musste. Somit vertrat man auch noch zu dieser Zeit die selbstverständli- che Ansicht, dass Tiere gemeinsam mit dem Menschen in den Krieg ziehen mussten. Dem- nach kann auch im Zweiten Weltkrieg nicht von moralischen Bedenken über den Kriegsein- satz gesprochen werden. Konsequenzen aus dem Ersten Weltkrieg wurden also in Bezug auf

425 Black, Einleitung: Der moderne Krieg im Wandel, S. 8. 426 Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 138. 427 Ebd., S. 139. 428 Ebd., S. 34. 429 Ebd., S. 139. 430 Evans/Gibbons, Der Zweite Weltkrieg, S. 225. 431 Müller, Der Zweite Weltkrieg, S. 138. 76

den Umgang mit den Tieren nicht gezogen – im Gegenteil.432 Der Kriegseinsatz des Pferdes verschob sich im Zweiten Weltkrieg lediglich in Richtung Zug- und Lasttier, welches in schwierigem Gelände unterwegs war und entweder Soldaten beförderte oder Munition.433 Die- se Tendenz der Verschiebung bezüglich des Kriegsdienstes lässt sich aber auch schon teilwei- se für den Ersten Weltkrieg feststellen.434 Nichtsdestotrotz waren viele Befürworter der Kavallerie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges noch von ihrer kriegsentscheidenden Rolle überzeugt und hielten daran fest. Zwar waren die Kavallerieeinheiten zahlenmäßig nicht mehr so groß wie noch im Ersten Weltkrieg, dennoch setzte man auch zu dieser Zeit noch Pferde aktiv im Krieg ein. Man rechtfertigte ihren opera- tiven Nutzen damit, dass sie beispielsweise in den Stellungskriegen des Ersten Weltkrieges durchaus nützlich waren und deshalb auch unverzichtbar für den Zweiten Weltkrieg. Zudem stand man den rasanten technologischen Neuerungen teilweise skeptisch gegenüber und so war die Schlussfolgerung, auf Altbewährtes zurückzugreifen, nur allzu logisch: „Letztlich hoben alle Fürsprecher der Kavallerie die individuellen Tugenden der berittenen Soldaten gegenüber einer als geistlos diskreditierten Technik hervor […].“435 Diese Ansicht teilten al- lerdings nicht alle am Zweiten Weltkrieg teilnehmenden Nationen. Die Westalliierten zogen nach dem Ersten Weltkrieg die Konsequenzen und verringerten ihre Kavallerieeinheiten zah- lenmäßig deutlich.436 Dennoch war der Kriegseinsatz für die Pferde im Zweiten Weltkrieg durch die veränderte Situation furchtbar: „Noch nie in seiner langen Geschichte wurde das Pferd rücksichtsloser ausgenutzt als im Zweiten Weltkrieg. Der alte Kavalleriegeist war noch immer ungebrochen. Denn man ritt es gegen Panzer und führte trotz massiven Maschinengewehrs und Kanonen- feuers mit ganzen Regimentern berittene Durchbruchsattacken. Das Pferd wurde dabei immer zu allererst getroffen.“437

Anhand dieses Zitates von Erhard Oeser versteht man, warum der Zweite Weltkrieg für die Pferde trotz ihrer verringerten Zahl mindestens genauso schrecklich war wie der Erste Welt- krieg. Somit muss der Zweite Weltkrieg nach dem Ersten als weiterer Höhepunkt der Grau- samkeit gegenüber den Pferden im Krieg gesehen werden, weil sie durch den Einsatz neuer moderner Kriegstechnologien regelrecht abgeschlachtet wurden: „Die massakerartigen Wir- kungen moderner Waffen auf Pferde im Zweiten Weltkrieg […] sind einfach nur entsetzlich

432 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 133. 433 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 60; siehe auch Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 244. 434 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 61. 435 Rainer Pöppinghege, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, S. 245. 436 Ebd., S. 244–245. 437 Oeser, Pferd und Mensch, S. 137; siehe auch Edwards, Pferde, S. 159. 77

in ihrer Sinnlosigkeit, selbst vom militärischen Standpunkt aus.“438 Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges endete schließlich auch der jahrhundertelange aktive Kriegseinsatz der Pferde in der Kavallerie.

Vergleicht man den Ersten Weltkrieg mit dem Zweiten, so kann man feststellen, dass grund- sätzlich gesehen noch sehr viele Tiere im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurden, auch wenn sie in manchen Bereichen bereits durch Maschinen oder Technik ersetzt wurden. Im Zweiten Weltkrieg nahm die Zahl der im aktiven Kriegsdienst stehenden Tiere ab und spätestens in der Zeit danach realisierte sich ein deutlicher Rückgang der Tiere im aktiven Einsatz aufgrund der zunehmenden Motorisierung.439 Wenngleich es also einen deutlichen Rückgang gab, so be- deutet dies nicht, dass Tiere in modernen Kriegen gänzlich fehlen. Wo die Technik an ihre Grenzen stößt und es Sinn macht, wird auf tierische „Unterstützung“ zurückgegriffen: „Del- fine, Wale und Robben suchen und legen Minen; Affen und Hunde erproben Weltraumtech- nik.“440 Und auch im Bereich der Kriegsforschung wird auf Tiere zurückgegriffen, was letzt- lich also nicht das Ende des generellen Kriegseinsatzes von Tieren bedeutet, sondern nur, dass sich dieser lediglich auf andere Bereiche verlagert.441 Allerdings fehlen im Bild eines moder- nen Krieges die ehemals omnipräsenten Pferde vollständig und werden bestenfalls noch zu Repräsentationszwecken eingesetzt oder in schwierigem Gelände, wo trotz moderner Fortbe- wegungsmittel die Geschicklichkeit des Pferdes von Nöten ist.442 Trotzdem war das Pferd im 20. Jahrhundert das noch mit Abstand am zahlreichsten eingesetzte Tier im Menschenkrieg443: „It did not matter how many died; they enabled war to continue.“444

4.2.6 Exkurs: Tierrechte im Krieg Wenn also ein gewisser Dank und eine Ehrerbietung gegenüber den Tieren, die im Krieg ge- fallen sind, Ausdruck verliehen werden soll, so läge der Gedanke nicht fern, dass diese Tiere die gleichen Rechte zugesprochen bekommen wie ihre menschlichen Kameraden. Die Haager Landkriegsordnung, kurz HLKO, welche aus den Konferenzen von 1899 bzw. 1907 in Den Haag hervorging, zählt neben den Genfer Konventionen von 1864 und 1906 zu den wichtigsten Bestandteilen des Humanitären Völkerrechts. In der HLKO ist genau festge-

438 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 60; siehe auch Oeser, Pferd und Mensch, S. 13. 439 Ebd., S. 140; siehe auch Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 131. 440 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 67. 441 Ebd. 442 Ebd., S. 62; siehe auch Kellner, Das Pferd bewegt die Menschheit, S. 48. 443 Schäfer/Weimer, Schlachthof Schlachtfeld, S. 63. 444 Johnston, Animals in War, S. 363. 78

legt, wer als Zivilist gilt und wer als rechtmäßiger bzw. nicht rechtmäßiger Kombattant und welche Rechte damit für jede/n einhergehen.445 Demnach sind am Krieg aktiv Teilnehmende im Grunde alle Soldaten, so müssten Tiere, die aktiv im Kriegsdienst standen, eigentlich auch dazugehören.446 In der Realität sieht dies allerdings anders aus. Zwar lässt die Tatsache, dass es durchaus Denkmäler für manche Tiere im Krieg gibt, welche ihnen zur Gänze gewidmet wurden oder bei welchen sie zumindest eine Erwähnung bekamen, vermuten, dass sich der Abstand zwischen menschlichen und tierischen Soldaten verringert,447 allerdings entspricht dies nicht einer kollektiven Betrachtungsweise auf tierische Kämpfer, sondern lediglich jener von einigen Ländern. Von den Alliierten wurden sogar eigene Denkmäler nur für die im Krieg teilgenommenen Tiere in Auftrag gegeben, wie etwa Denkmäler für Tauben in Belgien und Frankreich.448 Das Problem liegt hierbei allerdings viel tiefer und beginnt bereits mit der gene- rellen politischen Debatte um Tierrechte. Durch das Fehlen einheitlicher, anerkannter, gesetz- lich vorgeschriebener Tierrechte, ist der Weg hin zu einer Inkludierung von tierischen Solda- ten in das Humanitäre Völkerrecht noch ein sehr weiter: „[…] the innovative ordering idea of animals as subjects of law – and thus also as bearers of certain legal rights and/or obligations – has to date found notable recogni- tion neither in the normative framework of international environmental law nor in the global regime of international humanitarian law.”449

So lange Tiere vor dem Gesetz also immer noch als Sachen angesehen werden, werden sie ihre Rechte wohl kaum in anderen spezifischeren Bereichen, wie etwa dem Kriegsrecht, zuge- sprochen bekommen.450 Gesetzlich gesehen sind Tiere keine Rechtssubjekte, haben demnach keine Partei, Interessensgesellschaft oder andere Vertreter, die sich für sie einsetzen. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass sich das Humanitäre Völkerrecht, wie es im Namen schon deutlich hervorkommt, nur um humanitäre – also menschliche – Interessen kümmert. Sollten Tiere in dieses Recht aufgenommen werden, müsste dieses Konzept gene- rell überdacht werden, was eine ebenfalls große Hürde auf dem Weg zur Gleichstellung dar- stellt. Die einzige Erwähnung im Humanitären Kriegsrecht, die sich auf Tiere bezieht – wenn auch indirekt – ist die Pflicht, das soziale Umfeld in Bezug auf Kriegshandlungen zu schüt- zen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Zivilbevölkerung, das heißt auf Individuen, die nicht aktiv im Kriegsgeschehen eingebunden sind. Hierbei sind es allen voran aber auch die Menschen, die es zu schützen gilt, Tiere werden hier also nur indirekt erwähnt bzw. miteinbe-

445 Henke-Bockschatz, Der Erste Weltkrieg, S. 119. 446 Nowrot, Animals at War, S. 130. 447 Ebd., S. 131. 448 Pöppinghege, Tiere im Ersten Weltkrieg, S. 128; siehe auch Baratay, Bêtes des tranchées, S. 291. 449 Nowrot, Animals at War, S. 135. 450 Ebd., S. 136. 79

zogen.451 Davon abgesehen wird ihr aktiver Kriegseinsatz im Humanitären Völkerrecht nicht berücksichtigt. Bei einer Aufnahme würden ihnen die gleichen Rechte zukommen, wir ihren menschlichen Kameraden: „Consequently, assuming that these animals would be granted the status of combat- ants, the treatment they are legally entitles to receive in armed conflicts would also have to be guided and determined by the overarching purpose of realizing and main- taining the principles of humanity […].”452

So würde ihnen zum Beispiel im Falle einer Verwundung oder Gefangennahme geholfen werden.453 Natürlich würden sich daraus einige Herausforderungen ergeben. So werden im Humanitären Völkerrecht auch einige Vorschriften und Sanktionen im Falle einer Nichtbe- achtung angeführt. Kritiker bedienen sich oft dieses Arguments, weil die Frage, inwieweit dies in Bezug auf Tiere angewendet werden kann, auftaucht, sobald man sich näher mit dieser Thematik auseinandersetzt. Außerdem wurde ja in dieser Arbeit schon angeführt, wie viele verschiedene Tierarten für den Menschen in den Krieg ziehen müssen, hier könnte man eben- falls wieder argumentieren, welche Tierarten aufgrund welcher Kriterien und in welchem Ausmaß in das Humanitäre Völkerrecht aufgenommen werden sollen,454 um ihnen im Kriegs- fall zu helfen. Diese Argumente verlieren aber schnell an Stichhaltigkeit, wenn man bedenkt, dass sich humanitäre Rechte auf alle Menschen beziehen, also beispielsweise auch auf Kinder oder behinderte Menschen. Warum sollten also bei den Tieren Unterschiede dafür herhalten, dass ihnen jegliches Recht in Bezug auf den Kriegseinsatz verwehrt bleibt455: „[…] the gen- eral inability of animal soldiers to obey the obligations under humanitarian law autonomously does not in principle hinder their recognition as combatants and the granting of the protective rights associated with this legal status.”456 Durch die Feststellung im ersten Teil dieser Arbeit, dass der Mensch ein Tier unter vielen anderen ist, wäre es nur logisch, wenn Tiere in das Hu- manitäre Völkerrecht aufgenommen werden würden und für sie bei gleichem Einsatz die glei- chen Rechte gelten. Da sich diese Einstellung aber noch nicht in der breiten Masse durchge- setzt hat, wäre es laut Nowrot zumindest ein erster Ansatz, Tieren eine eigene Kategorie im Humanitären Völkerrecht einzuräumen.457 Dieses im Sinne der Egalität zwischen Mensch und Tier umzuschreiben, wäre wohl ein sehr großes Unterfangen, es unter Berücksichtigung dieser Tatsache aber abzuändern, könnte als ein erster Schritt in die richtige Richtung gesehen wer-

451 Ebd., S. 134; siehe auch Kramer, Kriegsrecht und Kriegsverbrechen, S. 282. 452 Nowrot, Animals at War, S. 138. 453 Ebd., S. 137–138. 454 Ebd., S. 139–140. 455 Ebd., S. 141. 456 Ebd., S. 143. 457 Ebd. 80

den. Dass das Humanitäre Völkerrecht in naher Zukunft einer Abänderung bedarf, wird auch darin erkenntlich, dass es mit der Zeit immer ausgefeiltere Techniken geben wird, in welchen der Mensch nur mehr zum Teil aktiv beteiligt ist, wie zum Beispiel bei Kampfdrohnen, die ferngesteuert im Krieg eingesetzt werden.458 Wie soll diese Art der Kriegsführung nun recht- lich geregelt werden? Da es sich hierbei um Neuerungen handelt, die es bis dato noch nicht gegeben hat, welche in Zukunft wohl aber immer alltäglicher sein werden, müssen bereits bestehende Gesetze ebenfalls irgendwann abgeändert und adaptiert werden, weil sie ansonsten keine Anwendbarkeit mehr besitzen. Dies könnte zumindest eine Chance sein, dass auch an- dere Punkte überdacht werden und diese eventuell eine zeitgemäße Berücksichtigung und entsprechende Korrektur im Humanitären Völkerrecht zur Folge haben.459 Somit bleibt ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Tiere, die im Menschenkrieg dienen mussten und es heute – in welcher Form auch immer – noch müssen, aber auch für uns selbst: „Ohne die Zeugnisse tierischen Sterbens [im Krieg] wären wir in jedem Fall viel är- mer, ärmer an Einsicht, ärmer an Mitleid, ärmer an Erbarmen, aber auch ungeschulter in der tiefen Skepsis gegenüber uns selbst, die uns befallen muss, wenn wir auf die Stimmen jener Sprache hören, die keine Menschensprache ist.“460

5. Fachdidaktischer Teil Nach dieser wissenschaftlichen Aufarbeitung soll in diesem Teil der Arbeit nun der Bogen für eine Umsetzung dieser Thematik im Schulunterricht gespannt werden. Zunächst wird in den Kapiteln 5.1 und 5.1.1 eine theoretische Einführung gegeben, bevor dann Ideen und Vor- schläge einer didaktischen Umsetzung in Kapitel 5.1.2 folgen.

5.1 Kompetenzorientierter Unterricht: Kennzeichen, Kompetenzmo- delle und Lernen mit Konzepten Der Geschichtsunterricht sowie die Politische Bildung haben in den letzten Jahren viele grundlegende Veränderungen erfahren. Im Vordergrund stehen heute dabei sogenannte Kom- petenzen. Laut Pandel versteht man unter dem Begriff Kompetenz „eine domänenspezifische Prob- lemlösungsfähigkeit, die kreative Leistungen erbringt“.461 Mit domänenspezifisch meint er

458 Ebd., S. 144. 459 Ebd., S. 145. 460 Wils, Tiere und Menschen im Krieg, eingesehen 20.10.2017. 461 Hans-Jürgen Pandel, Kompetenz, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, Schwal- bach/Ts. 2006, S. 105–106, hier S. 105. 81

„Wissen und Fertigkeiten in einer bestimmten Fachdisziplin oder in einem Fachbereich“.462 Es geht also darum, geeignete Lernaufgaben für die Schüler/innen zur Verfügung zu stellen, sodass sie die für die Geschichte und Politische Bildung notwendigen Kompetenzen erlernen und diese für verschiedene Fallbeispiele innerhalb dieser Disziplinen auch anwenden können. Nach Körbers Auffassung bezeichnet der Begriff Kompetenz also „die zur Bewältigung im- mer neuer Situationen nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Bereitschaft, diese auch zur Bewältigung der Situation einzusetzen“.463 Oft führt der Weg hin zur Aneignung einer Kompetenz über die vorangehende Aneignung von Teilkompetenzen.464 So muss ein/e Schü- ler/in beispielsweise zunächst über die Teilkompetenz „sinnerfassendes Lesen“ verfügen, um nach der Lektüre eines Informationstextes eigene Fragen an die Geschichte formulieren zu können, so wie es eines der Ziele der historischen Fragekompetenz ist, worauf später noch genauer eingegangen werden soll. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen, dass nach Pandel der Kompetenz- erwerb nicht linear und gleichmäßig erfolgt, „sondern auch auf- und absteigend über ver- schiedene Stufen hinweg“.465 Demnach sind auch Fehler oft notwendige Umwege, um eine Lösung für ein bestehendes Problem zu finden, und müssen als solche anerkannt werden.

Durch diese neue Ausrichtung verändern sich auch die allgemeinen didaktischen Prinzipien. Der Fokus eines kompetenzorientierten Unterrichtes im Fach Geschichte und Sozialkun- de/Politische Bildung liegt auf den Schülern/innen, welche als aktiv Handelnde wahrgenom- men werden. Die Lehrperson muss also vielfältiges und authentisches Arbeitsmaterial zur Verfügung stellen, sodass die Schüler/innen dieser Rolle auch gerecht werden können und sie dabei motiviert werden, eigenständig zu denken bzw. historische Erzählungen zu produzieren. Dabei sollen die Schüler/innen mit Problemstellungen konfrontiert werden, deren Lösung zwar herausfordernd für sie ist, aber nicht unmöglich. Dadurch wird ihre Selbstständigkeit gefördert und sie erwerben wichtige Kompetenzen, die sie dann auch auf andere Problemsitu- ationen übertragen können. Bei diesem Erwerbsprozess müssen vielfältige Ergebnisse und

462 Ebd. 463 Andreas Körber, Grundbegriffe und Konzepte. Bildungsstandards, Kompetenzen und Kompetenzmodelle, in: Andreas Körber/Waltraud Schreiber/Alexander Schöner (Hrsg.), Kompetenzen historischen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik (Kompetenzen Band 2), Neu- ried 2007, S. 54–87, hier S. 63. 464 Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didakti- sche Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (Österreichische Beiträge zur Ge- schichtsdidaktik: Geschichte − Sozialkunde − Politische Bildung; Band 2), Innsbruck–Wien–Bozen 20153, S. 13. 465 Pandel, Kompetenz, S. 106. 82

Lösungswege akzeptiert werden, da nur so die Individualität der Schüler/innen gewahrt bleibt.466

Um diese didaktischen Prinzipien auch umsetzen zu können, bedarf es geeigneter Kompe- tenzmodelle. Ein Kompetenzmodell ermöglicht es laut Schreiber „die Grundlage für die Di- agnose und Förderung historischer Kompetenzen [zu bilden]“.467 Historische Kompetenzen können als die „Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, historisch zu denken [und] die indivi- duellen Möglichkeiten, das je konkrete Leben zu bewältigen“468 beschrieben werden, wie Schreiber weiter ausführt. Da die Vergangenheit ja nicht gleichzusetzen ist mit dem Begriff Geschichte, welche retrospektiv von einer oder mehreren Personen konstituiert wird, ist es wichtig, dass die Schüler/innen ein Geschichtsbewusstsein entwickeln. Dieses ist laut Küh- berger „notwendig an die Gegenwart angebunden, bezieht die Realität des Lebens ein und trägt ihren Teil dazu bei, dass Schüler und Schülerinnen die sie umgebende Welt besser ver- stehen lernen und bei Problemen stets deren historischen Dimensionen mit bedenken“.469 Da- für sind die historischen Kompetenzen essentiell470 und somit kann man sagen, dass „die För- derung der historischen Kompetenzentwicklung eine Aufgabe ist, deren Bedeutung aus dem Leben kommt“.471

Generell gibt es in der deutschsprachigen Geschichtsdidaktik verschiedene Kompetenzmodel- le.472 Für diese Arbeit wird das Kompetenzmodell der internationalen Projektgruppe „FUER- Geschichtsbewusstsein“ herangezogen, da dieses auch im aktuellen Lehrplan der AHS Unter- stufe und der NMS sowie der AHS Oberstufe verwendet wird. FUER steht für Förderung und Entwicklung eines reflektierten und (selbst-)reflexiven Geschichtsbewusstseins.473 Die Kom- petenzen des FUER-Modells werden von einem Prozessmodell des Geschichtstheoretikers

466 Michele Barricelli/Peter Gautschi/Andreas Körber, Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle, in: Michele Barricelli/Martin Lücke (Hrsg.), Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Ler- nen 1), Schwalbach/Ts. 2012, S. 207–236, hier S. 230–231. 467 Schreiber/Waltraud, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, in: Zeitschrift für Pädagogik 54 (2008), Nr. 2, S. 198–212, hier S. 198. 468 Ebd. 469 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21; siehe auch Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 205. 470 Ebd., S. 200. 471 Ebd., S. 199. 472 Für eine kurze Übersicht siehe Peter Gautschi, Guter Geschichtsunterricht. Grundlagen, Erkenntnisse, Hin- weise (Geschichtsunterricht erforschen 1), Schwalbach/Ts. 20153, S. 54–66; siehe auch Barricel- li/Gautschi/Körber, Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle, S. 215–228; siehe auch Ulrich Baum- gärtner, Wegweiser Geschichtsdidaktik. Historisches Lernen in der Schule (utb 4399), Paderborn 2015, S. 79– 86. 473 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 200; siehe auch Baumgärtner, Wegweiser Geschichtsdidaktik, S. 79. 83

Jörn Rüsen abgeleitet, der in diesem Modell erklärt, wie historisches Denken funktioniert, so Kühberger474 und Schreiber475. „Ein Kompetenz-Strukturmodell, das sich aus der Matrix his- torischen Denkens ableitet, hat Gültigkeit für die gesamte Domäne des Umgangs mit der Vergangenheit“,476 was laut Körber/Schreiber/Schöner für die Verwendung dieses Modells spricht. Das Prozessmodell von Jörn Rüsen stellt einen Kreislauf dar, der veranschaulicht, wie sich historisches Denken bei einem Individuum gestaltet. Zu Beginn besteht eine gegenwärtige Verunsicherung, welche durch Erforschen der Vergangenheit gelöst werden soll. Diese Suche nach Orientierung und Ordnung ist laut Rüsen ein natürliches Bedürfnis eines jeden Men- schen, um ein Gefühl für die Lebenszeit und das eigene Selbst entwickeln zu können. Dabei wird mittels gezielter Fragen an die Vergangenheit unter Zuhilfenahme von allen zur Verfü- gung stehenden eigenen und fremden Hilfsmitteln versucht, sich selbst ein eigenes Urteil zu bilden und die anfängliche Verunsicherung zu überwinden.477 Zu Beginn steht also immer die historische Fragekompetenz, eine der vier historischen Kompetenzen, die das FUER-Modell umfasst: „Mit ihrer Hilfe wird ein historischer Orientierungsprozess in die Wege geleitet.“478 Solche Fragen sind also überhaupt erst die Basis, um Geschichte zu schaffen,479 weshalb den Schülern/innen dafür auch der nötige Raum zur Verfügung gestellt werden sollte, um solche Fragen zu formulieren.480

Das erklärte Ziel der Forscher/innen des FUER-Modells ist es, das historische Denken allum- fassend zu erklären, sei dies im schulischen, alltäglichen oder universitären Bereich.481 Es umfasst daher vier zentrale historische Kompetenzen: - Die historische Fragekompetenz soll es den Schüler/innen ermöglichen, selbstständig Fragen an die Vergangenheit zu stellen, um daraus Informationen über die Geschichte o- der auch über die Gegenwart zu bekommen.482 Zum anderen soll sie den Schülern/innen

474 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 19. 475 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 202. 476 Waltraud Schreiber u.a., Ein Kompetenz-Strukturmodell (Basisbeitrag), in: Andreas Körber/Waltraud Schrei- ber/Alexander Schöner (Hrsg.), Kompetenzen historischen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompe- tenzorientierung in der Geschichtsdidaktik (Kompetenzen Band 2), Neuried 2007, S. 17–54, hier S. 22. 477 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 19–20 und 26; siehe auch Schrei- ber, Historisches Denken., S. 24–25. 478 Ebd., S. 25. 479 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 480 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 30. 481 Barricelli/Gautschi/Körber, Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle, S. 220. 482 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21; siehe auch Schreiber u.a., His- torisches Denken, S. 26. 84

aber auch ermöglichen, Fragestellungen zu erkennen bzw. zu verstehen, beispielsweise in vorliegenden Texten.483 - Die historische Methodenkompetenz stellt das Werkzeug dar, mit dessen Hilfe man die zu Beginn gestellten Fragen erarbeiten kann.484 Dabei unterscheidet man zwei Kategorien: die De-Konstruktions-Kompetenz und die Re-Konstruktions-Kompetenz. Erstere umfasst „die analytische Fähigkeit, ,fertige Geschichten‘ nach den ihnen innewohnenden Perspek- tiven, nach die Darstellungen beeinflussenden Rahmenbedingungen und Intentionen sowie nach den gewählten Erklärungs- und Sinnbildungsmodellen zu befragen“.485 Es geht also darum, vorhandene historische Narrationen, also fertige Rekonstruktionen, zu analysieren, um ihre (Tiefen-)Struktur zu verstehen.486 Diese Kompetenz ist insofern sehr wichtig, weil im Geschichtsunterricht so viel als möglich mit historischen Quellen gearbeitet werden sollte. Unter der Re-Konstruktions-Kompetenz wiederum versteht man die Fähigkeit, sich anhand von gegebenen Quellen selbst ein Bild über die Vergangenheit zu machen487, selbst also historische Narrationen zu erschaffen.488 Hier dienen hinterlassene Quellen also in erster Linie dazu, dass sich die Schüler/innen selbst ein Urteil über die Vergangenheit bilden können. Dabei muss natürlich immer ein kritischer Umgang mit Quellen angestrebt werden.489 - In der historischen Orientierungskompetenz geht es darum, „die Erkenntnisse und Ein- sichten, die durch die Re- und De-Konstruktionsprozesse – auf der Basis eigener oder fremder Fragestellungen – gewonnen wurden, auf die eigene Person und Lebenswelt bzw. die eigene Weltsicht zu beziehen“.490 Sie ermöglicht es den Schülern/innen also durch die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Vorgänge und Gegeben- heiten in der Gegenwart besser verstehen und auch zukünftige Probleme besser deuten zu können.491 Somit ist die historische Orientierungskompetenz sehr wichtig für die Ausbil- dung eines Geschichtsbewusstseins. - Die letzte historische Kompetenz des FUER-Modells ist die historische Sachkompetenz. Während die anderen drei historischen Kompetenzen vorwiegend durch aktive Operatio-

483 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204; siehe auch Schreiber u.a., Histori- sches Denken, S. 26. 484 Ebd. S. 27. 485 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 486 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204; siehe auch Kühberger, Kompetenz- orientiertes historisches und politisches Lernen, S. 59; siehe auch Schreiber u.a., Historisches Denken, S. 27. 487 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21 und 42. 488 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204; siehe auch Kühberger, Kompetenz- orientiertes historisches und politisches Lernen, S. 42; siehe auch Schreiber u.a., Historisches Denken, S. 27. 489 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 42. 490 Schreiber u.a., Historisches Denken, S. 29. 491 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 85

nen gekennzeichnet sind,492 verweist die historische Sachkompetenz laut Kühberger „auf jene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften, die sich mit Prinzipien, Konzepten und Kategorien auseinandersetzen, die das historische Denken ermöglichen, begleiten und stützen“.493 Sie soll dabei allerdings nicht mit Fakten- bzw. Lexikonwissen gleichgesetzt werden,494 im Gegenteil. Schüler/innen sollen „Begriffe, die das historische Denken struk- turieren und begleiten, sowie Prinzipien, die hinter derartigen Fachbegriffen stehen, nicht nur verstehen und anwenden, sondern auch kritisch hinterfragen oder erweitern kön- nen“.495 Solche Begriffe sind also wichtig, weil erst sie zu Kommunikation und Austausch befähigen,496 dennoch dürfen sie nicht prinzipiell als allgemein gültig angesehen werden.

Wenngleich die vier historischen Kompetenzen hier getrennt vorgestellt wurden, so soll dies nicht den Eindruck erwecken, dass diese im Unterricht auch immer so strikt voneinander ge- trennt auftreten. Oftmals überschneiden sie sich oder es treten bei einer Lernaufgabe mehrere historische Kompetenzen gleichzeitig auf.497

Um der Politischen Bildung mehr Raum im Geschichtsunterricht einzuräumen, wurde auf Initiative des Unterrichtsministeriums von einer Experten/innen-Gruppe das „Österreichische Kompetenzmodell für Politische Bildung“ entworfen, das ebenfalls wie das FUER-Modell vier Kompetenzbereiche enthält.498 In diesem Modell wird der Politikbegriff „über das Aus- handeln, Lösen und Normieren von Problemen bzw. Fragen des gesellschaftlichen Zusam- menlebens definiert“.499 Es steht also die Förderung des politischen Denkens und Handelns der Schüler/innen im Vordergrund, welche durch geeignete Lernaufgaben initiiert werden soll.500 - Unter der politischen Urteilskompetenz wird laut Hellmuth/Klepp „die Fähigkeit und Bereitschaft verstanden, politische Standpunkte zu Problemen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie das daraus resultierende Verhalten und Handeln der Beteiligten

492 Schreiber u.a., Historisches Denken, S. 31. 493 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 22. 494 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 206; siehe auch Schreiber u.a., Histori- sches Denken, S. 33. 495 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S.22; siehe auch Schreiber, Ein Kom- petenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 205–206; siehe auch Schreiber u.a., Historisches Denken, S. 23. 496 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 206; siehe auch Schreiber u.a., Histori- sches Denken, S. 34. 497 Ebd. 498 Für einen kurzen Überblick von politischen Kompetenzmodellen auch außerhalb Österreichs siehe Thomas Hellmuth/Cornelia Klepp, Politische Bildung. Geschichte, Modelle, Praxisbeispiele (UTB Politikwissenschaft 3222), Wien–Köln–Weimar 2010, S. 106–112. 499 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 128. 500 Ebd., S. 128–129. 86

,objektiv‘, d. h. auf rationaler bzw. intersubjektiv überprüfbarer Basis zu beurteilen“.501 In diesem Zusammenhang ist es nach Ansicht von Christoph Kühberger wichtig, „bei den Schülern und Schülerinnen ein Bewusstsein dafür anzubahnen, dass politische Urteile aus Sach- und Werturteilen bestehen“.502 Sie sollen erkennen, dass jedes politisches Urteil aus einem neutralen Kern besteht und gleichzeitig aber auch immer persönliche Wertungen miteinfließen. Neben der Analyse von fremden politischen Urteilen, ist es auch das Ziel der politischen Urteilskompetenz, dass Schüler/innen selbstständig politische Urteile bzw. Meinungen frei von persönlichen Werturteilen formulieren können.503 - Unter der politischen Handlungskompetenz „werden jene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften verstanden, politische Kon- flikte auszutragen, eigene Positionen in politischen Fragen zu formulieren und zu arti- kulieren, sowie an der Lösung von Problemen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unter Rücksichtnahme auf eigene und fremde Bedürfnisse mitzuwir- ken“.504 Wie man anhand dieser Ausführung erkennen kann, setzt die politische Handlungskompe- tenz wesentliche soziale Kompetenzen, wie Toleranz, Objektivität, Kommunikationsfä- higkeit und Kompromissbereitschaft voraus und ist dadurch besonders komplex, aber auch wichtig, um den Schülern/innen ihrer persönlichen Handlungsspielraum aufzuzeigen. - Durch die politikbezogene Methodenkompetenz sollen die Schüler/innen einerseits ler- nen, „sich Informationen zu Problemen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu be- schaffen“.505 Andererseits sollen sie auch lernen, mit fertigen Manifestationen, wie etwa einer Rede, einem Beschluss, Meinungsumfragen, etc. umzugehen, diese zu hinterfragen bzw. kritisch dazu Stellung zu beziehen, genauso wie eigene Manifestationen, also Mei- nungen über bestimmte Themen oder Kommentare, zu produzieren.506 Im Vergleich zur politischen Urteilskompetenz gehen Schüler/innen also über eine reine Analyse hinaus und werden selbstständig aktiv. - Zuletzt zählt noch die politische Sachkompetenz zum Österreichischen Kompetenzmo- dell für Politische Bildung. Unter ihr versteht man „jene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Be- reitschaften, Begriffe und die in ihnen ruhenden Konzepte des Politischen zu verstehen,

501 Hellmuth/Klepp, Politische Bildung, S. 107. 502 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 132. 503 Ebd., S. 132; siehe auch Hellmuth/Klepp, Politische Bildung, S. 107. 504 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 134; siehe auch Hellmuth/Klepp, Politische Bildung, S. 108. 505 Ebd., S. 107–108. 506 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 137. 87

über sie zu verfügen sowie sie kritisch weiterentwickeln zu können“.507 Hier werden star- ke Parallelen zur historischen Sachkompetenz ersichtlich.

Wie bereits bei den historischen Kompetenzen angesprochen, ist es auch hier wichtig zu ver- stehen, dass die politischen Kompetenzen meist nicht isoliert auftreten und deshalb dürfen sie auch nicht so verstanden werden. Außerdem können sich natürlich auch historische und poli- tische Kompetenzen miteinander vermischen bzw. gemeinsam vorkommen. Dabei bildet der Geschichtsunterricht nach Meinung von Hellmuth/Klepp erst die Basis für die politische Bil- dung,508 denn ohne eine vorangehende historische Verankerung und Reflexion können auch politische Aspekte nicht verstanden werden.

Neben den historischen und politischen Kompetenzen gibt es auch noch dem Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung zugrundeliegende Basiskonzepte, nach wel- chen der Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS ausgerichtet ist. Das konzeptionelle Lernen ist eng mit dem Konstruktivismus verbunden, dessen Vertreter von der Prämisse aus- gehen, „dass das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen, letztendlich nichts anderes als eine Konstruktion ist, die in den Köpfen von Menschen vor dem Hintergrund ihrer subjektiven Erfahrungswelt erfunden wird“.509 Für jeden Menschen stellen sich Konzepte also anders dar, wobei der gesellschaftliche und kulturelle Hintergrund eine wichtige Rolle spielt. Somit dür- fen Basiskonzepte nicht von Vornhinein als allgemein gültig und in sich abgeschlossene Schlüsselbegriffe verstanden werden. Solche Konzepte dürfen also auch nicht grundsätzlich als richtig oder falsch bezeichnet werden. Deshalb sollten im Unterricht zunächst Anregungen gegeben werden, um bestehende Vorstellungen zu Basiskonzepten aufzudecken und sie an- schließend kritisch zu hinterfragen, bevor neue inhaltliche Verknüpfungen entstehen.510 Damit verschiebt sich die Rolle der Lehrperson in Richtung Organisator/in von Lernumgebungen, welche/r sich zurücknimmt und eine beobachtende Funktion einnimmt, sodass die Schü- ler/innen ihre subjektiven Erfahrungen machen und Erkenntnisse daraus gewinnen können.511

507 Ebd., S. 145. 508 Hellmuth/Klepp, Politische Bildung, S. 132. 509 Bärbel Völkel, Wie kann man Geschichte lehren? Die Bedeutung des Konstruktivismus für die Geschichtsdi- daktik, Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 2001 u.d.T.: Völkel, Bärbel: Konstruktivismus und Geschichtsdidaktik (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2002, S. 17. 510 Christoph Kühberger, Subjektorientierte Geschichtsdidaktik. Eine Annäherung zwischen Theorie, Empirie und Pragmatik, in: Heinrich Ammerer/Thomas Hellmuth/Christoph Kühberger (Hrsg.), Subjektorientierte Ge- schichtsdidaktik, Schwalbach/Ts. 2015, S. 13–49, hier S. 53–54; siehe auch Thomas Hellmuth/Christoph Küh- berger, Historisches und politisches Lernen mit Konzepten, in: Historische Sozialkunde, Geschichte − Fachdidaktik − Politische Bildung 46 (2016), Nr. 1, S. 3–8, hier S. 3 und 7. 511 Saskia Handro, Konstruktivismus, in: Ulrich Mayer (u.a.) (Hrsg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, Schwal- bach/Ts. 2006, S. 107–108, hier S. 107; siehe auch Völkel, Wie kann man Geschichte lehren?, S. 22. 88

Mit Basiskonzepten werden laut Kühberger allgemein „jene fachspezifischen Konzepte einer Domäne erfasst, die ihren konzeptionellen Kern ausmachen. Dieser Kern repräsentiert einen relativ unveränderten Wissensbestand auf der Ebene des konzeptionellen Wissens, der grundsätzlich auf alle historischen Fall- beispiele anwendbar ist.“512 In der Domäne der Geschichtswissenschaft werden solche Konzepte als Basiskonzepte einge- stuft, die die Geschichte ausmachen, wie zum Beispiel das Basiskonzept Macht. Durch die relativ fixen Merkmale dieses Konzeptes unterscheidet es sich wesentlich von reinem fach- spezifischen Arbeitswissen, das der historischen Sachkompetenz zuzuordnen und lediglich fallweise und punktuell anwendbar ist. Da die Geschichtswissenschaft aus vielen Teildiszipli- nen besteht, wie etwa Lokalgeschichte, Männergeschichte, etc., die in sich ebenfalls wieder aus verschiedenen Konzepten bestehen, ist es eben wichtig, übergeordnete Basiskonzepte zu schaffen, um Lernprozesse zu strukturieren und zu steuern.513 Durch das daraus gewonnene konzeptionelle Wissen haben Schüler/innen „Konzepte, Theorien und Modelle zur Verfü- gung, die in variablen Situationen einsetzbar sind“.514 Zudem bieten Basiskonzepte Orientie- rungshilfen für die Schüler/innen und gleichzeitig Anknüpfungspunkte zu anderen Basiskon- zepten – sie forcieren also vernetztes Wissen.515

Verschiedene Basiskonzepte und ihre Teilkonzepte werden zu drei Konzeptebenen zusam- mengefasst: In den historischen Basiskonzepten geht es im Wesentlichen um die Zeit (Zeitpunkte, Zeit- verläufe, Zeiteinteilungen) in Bezug auf Kontinuität und Wandel. Diese drei Bündelungen sind essentiell für die Geschichte, da sie bei jeglicher Beschäftigung mit ihr auftreten und hel- fen, sie zu erschließen.516 Die epistemischen Basiskonzepte (Perspektive, Bauplan/Konstruktivität, Auswahl, Beleg- barkeit) sind notwendig, um zu verstehen, wie historisches und politisches Wissen zustande

512 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 101. 513 Ebd. 514 Christoph Kühberger, Konzeptionelles Wissen als besondere Grundlage für das historische Lernen, in: Christoph Kühberger (Hrsg.), Historisches Wissen. Geschichtsdidaktische Erkundung zu Art, Tiefe und Um- fang für das historische Lernen (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts 2012, S. 33–75, hier S. 39. 515 Kühberger, Subjektorientierte Geschichtsdidaktik, S. 53; siehe auch Hellmuth/Kühberger, Historisches und politisches Lernen mit Konzepten, S. 3 und 6. 516 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 102–103; siehe auch Kühberger, Konzeptionelles Wissen als besondere Grundlage für das historische Lernen, S. 51–53; siehe auch Hell- muth/Kühberger, Historisches und politisches Lernen mit Konzepten, S. 4. 89

kam. In diesem Zusammenhang sind epistemische Basiskonzepte sehr eng mit der histori- schen Methodenkompetenz verbunden.517 Die gesellschaftlichen Basiskonzepte (Macht, Vielfalt, Struktur, Arbeit, Normen, Hand- lungsspielräume, Lebens-/Naturraum, Verteilung, Kommunikation) ermöglichen, das mensch- liche Zusammenleben zu erfassen und in seiner Vielschichtigkeit zu verstehen.518

Teilkonzepte, wie etwa Herrschaft oder Freiheit, bieten der Lehrperson innerhalb von Basis- konzepten, in diesem Fall von Macht, einen gewissen Spielraum, um selbstständig Schwer- punktsetzungen vorzunehmen. Die einzelnen Module der Lehrpläne müssen zwar alle im Un- terricht umgesetzt werden, jedoch kann die Lehrperson durch diese Ausdifferenzierung selbst entscheiden, wie ausführlich sie behandelt werden. Zudem kann sie auch Teilkonzepte eines aktuellen Basiskonzeptes mit einem anderen Basiskonzept verknüpfen.519 So kann sie zum Beispiel das Basiskonzept Konstruktivität mit einbeziehen, wenn sie das Teilkonzept Herr- schaft behandelt. Wenngleich das Arbeiten mit Basiskonzepten viele Vorteile bietet, so sollen sie laut Kühber- ger nicht primär im Fokus des Geschichtsunterrichtes stehen, sondern vielmehr als eine Struk- turierungshilfe gesehen werden. Dadurch bekommen die Schüler/innen ein besseres und tiefe- res Verständnis von in der Geschichte immer wiederkehrenden Ereignissen, Abläufen, Pro- zessen, etc. Aus diesem Grund ist eine Schwerpunktsetzung hier genauso wichtig, wie bei den historischen und politischen Kompetenzen, um das didaktische Potenzial solcher Modelle voll ausschöpfen zu können, ohne die Schüler/innen dabei zu überfordern.520

5.1.1 Bezugnahme auf den aktuellen Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS sowie der AHS Oberstufe Die neue Kompetenzorientierung spiegelt sich auch im Aufbau der beiden Lehrpläne wider. Der Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS ist Modulen aufgebaut, welche Überschnei- dungsbereiche von historischem und politischem Lernen bietet. Das heißt, dass jede Klasse aus mehreren Modulen besteht, die entweder der historischen, der politischen oder der histo- risch-politischen Bildung zugeordnet werden. Dabei umfasst jedes Modul einen thematischen

517 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 103–104; siehe auch Kühberger, Konzeptionelles Wissen als besondere Grundlage für das historische Lernen, S. 54–55; siehe auch Hell- muth/Kühberger, Historisches und politisches Lernen mit Konzepten, S. 4–5. 518 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 105–106; siehe auch Kühberger, Konzeptionelles Wissen als besondere Grundlage für das historische Lernen, S. 55–58; siehe auch Hell- muth/Kühberger, Historisches und politisches Lernen mit Konzepten, S. 4–6. 519 Ebd., S. 6. 520 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 107. 90

Schwerpunkt, welcher durch Kompetenzkonkretisierungen und thematische Konkretisierun- gen näher ausgeführt wird. Die in der AHS Unterstufe bzw. in der NMS zu behandelnden Themen sind dabei chronologisch aufgebaut. In der 2. Klasse wird mit der Urgeschichte be- gonnen und in der 4. Klasse mit der Politischen Bildung im 21. Jahrhundert abgeschlossen.521 Der Lehrplan der AHS Oberstufe ist hingegen semestriert aufgebaut. Jede Klasse wird in zwei Semester aufgegliedert, wobei für jedes Semester die zu erreichenden historischen und politi- schen Kompetenzen angeführt sowie Themenbereiche festgelegt werden. In der 5. Klasse wird dabei bei der griechisch-römischen Antike begonnen und in der 8. Klasse mit wesentli- chen Transformationsprozessen im 20. und 21. Jahrhundert und grundlegenden Einsichten in das Politische abgeschlossen. Es zeigt sich also, dass beide Lehrpläne ungefähr den gleichen zeitlichen Raum abdecken, wobei die Themen in der Oberstufe natürlich in vertiefter und komplexerer Form unterrichtet werden.522 Zudem bietet der Lehrplan der AHS Oberstufe mehr individuelle Freiheit für Lehrpersonen, da dieser wesentlich offener gehalten ist als jener für die AHS Unterstufe und die NMS. Was die Methodik der in den Lehrplänen angeführten Themenbereiche anbelangt, so sollen unterschiedliche methodische Zugänge gewählt werden, wie zum Beispiel Längs- und Quer- schnitte, exemplarische Fallstudien, Gegenwartsbezüge, etc. Dadurch soll ein tiefes und grundlegendes Verständnis von Geschichte in dem Sinn erlangt werden können, dass die Schüler/innen Geschichte eben nicht als chronologische und in sich geschlossene Einheit ver- stehen, sondern vielmehr als einen sich ständig wandelnden Prozess, in welchem Vergangenes immer wieder eine Rolle in der Geschichte spielt.

Bei näherer Auseinandersetzung mit den obengenannten aktuellen Lehrplänen fällt auf, dass, obwohl diese sehr umfangreich gestaltet und so ausgelegt sind, dass sie scheinbar jeden Be- reich, der die Schüler/innen im schulischen wie privaten Bereich betrifft, abdecken, Tiere völ- lig außen vorgelassen werden. Zu den Grundbereichen des Lehrplanes der AHS Unterstufe und der NMS gehören zum Be- reich des historischen Lernens u.a. „Sozialgeschichte, Neue Kulturgeschichte, Geschlechter- geschichte, Umweltgeschichte oder Globalgeschichte“.523 Eine gleichwertige Tiergeschichte fehlt hier also gänzlich. Eine mögliche Erklärung hierfür findet sich bei den Bildungs- und Lehraufgaben dieses Lehrplanes, welche sich folgendermaßen definieren: „Der Unterricht in Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung beschäftigt sich mit Vergangenheit, Gegen-

521 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Unterstufe und NMS 2016. 522 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Oberstufe 2016. 523 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Unterstufe und NMS 2016. 91

wart und Zukunftsperspektiven, damit in Verbindung insbesondere mit dem menschlichen Zusammenleben.“524 Das menschliche Zusammenleben wird hier noch einmal explizit her- vorgehoben. Durch diese Arbeit soll jedoch klargeworden sein, dass die Tiere wesentlich dazu beitrugen, dass sich unser heutiges menschliches Zusammenleben so gestaltet, wie es ist, und dass diese auch heute noch, auf welche Weise auch immer, zu unserem Alltag gehören. Demnach sollten sie auch eine angemessene Inkludierung in den Lehrplänen erfahren. Dabei müssten gar nicht notwendigerweise neue Punkte eingeführt werden, sondern es würde genü- gen, ein paar wenige Zusätze in Bezug auf die Tiere zu formulieren – so zum Beispiel bei den Beiträgen zu den Bildungsbereichen beider Lehrpläne. Beim Beitrag Natur und Technik sol- len in der AHS Unterstufe und der NMS „historische und politische Beispiele zu naturwissen- schaftlichen und technischen Entwicklungen im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Folgen und technischer Innovation“525 bearbeitet werden. Hier würde es sich anbieten, zu untersuchen, welche Rolle tierische Arbeitskraft bei technischen Entwicklungen gespielt hat bzw. heute noch spielt. In der AHS Oberstufe ist in diesem Beitrag von der „Wechselwirkung zwischen Natur, Technik und Gesellschaft“ sowie von „[nachhaltigen] Auswirkungen von Eingriffen in die Natur“526 die Rede. Auch hier wäre es ein Leichtes, die Situation der Tiere mit einzubeziehen. In den Beiträgen Gesundheit und Bewegung wird in der AHS Unterstufe und der NMS von der „Auswirkung des Ernährungs- und Hygienestandards“527 und in der AHS Oberstufe von „[sozialen] Auswirkungen von Ernährung, Hygiene und medizinischem Fortschritt“528 gesprochen. Hier könnte man, natürlich dem jeweiligen Alter der Schüler/innen entsprechend, untersuchen, welche (soziale) Auswirkungen unsere Ernährung und der medi- zinische Fortschritt auf die Tiere haben bzw. welche Rolle sie bei Letzterem spielen.

Auch bereits vorgegebene zu bearbeitende Beispiele können als Anregung dienen, um die ihnen zugrundeliegenden Reflexionen auf die Situation der Tiere zu übertragen. So sollen die Schüler/innen zum Beispiel „erkennen können, dass Geschlechterrollen und Geschlechterver- hältnisse in Vergangenheit und Gegenwart unterschiedlich definiert waren und sind, demnach veränderbar und gestaltbar sind“.529 Durch dieses Beispiel sollen sie also ein Bewusstsein dafür bekommen, dass zugeordnete Rollen, Normen, Konstrukte, Behauptungen, etc. eben keinen Anspruch auf eine allgemeine Gültigkeit haben können, sondern veränderbar sind.

524 Ebd. 525 Ebd. 526 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Oberstufe 2016. 527 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Unterstufe und NMS 2016. 528 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Oberstufe 2016. 529 Ebd. 92

Früher mussten Frauen so schnell wie möglich heiraten, da sie ohne einen Ehemann praktisch keine Rechte in der Gesellschaft hatten. Eine Frau musste ihrem Mann gehorchen und durfte auch nicht arbeiten gehen. Was heute nicht mehr denkbar wäre, wurde früher als ganz normal angesehen. Demnach könnte auch unser heutiger Umgang mit Tieren irgendwann als völlig veraltet und nicht richtig angesehen werden. Was heute als „normal“ angesehen wird, kann sich morgen schon ändern, und dieses Bewusstsein gilt es, bei den Schülern/innen zu stärken. Somit kann auch unser Umgang mit Tieren ein Beispiel sein, um den Schülern/innen den ver- änderbaren Charakter von Geschichte zu vermitteln.

Wenn man die aktuellen Lehrpläne genauer studiert, finden sich außerdem viele Formulierun- gen, die implizit für eine Auseinandersetzung mit Tieren sprechen. So steht zum Beispiel im Lehrplan der AHS Oberstufe bei den Bildungs- und Lehraufgaben, dass Schüler/innen „ein reflektiertes und (selbst)reflexives historisches und politisches Bewusstsein ent- wickeln [sollen], das von regionalen Bezügen bis zur weltumspannenden Dimension reicht. Dies soll auch die Basis für ein Verständnis gegenüber unterschiedlichen kultu- rellen Werten und eine wertschätzende Beziehung zu anderen gegenwärtigen Lebens- formen bieten. Das Gewinnen einer differenzierten Betrachtungsweise durch Begeg- nungen mit dem räumlich, kulturell und zeitlich Anderen soll dazu einen Beitrag leis- ten. Die Überwindung von Vorurteilen, Rassismen und Stereotypen ist dabei besonde- re Beachtung zu schenken. Akzeptanz und gegenseitige Achtung fördern eine kritische Identitätsbildung“.530

In diesem Absatz finden sich mehrere Punkte, welche die Tiere mit einbeziehen oder auf sie übertragen werden können. Es wird von einer zu fördernden wertschätzenden Beziehung zu anderen gegenwärtigen Lebensformen gesprochen, zu denen natürlich auch die Tiere zählen. Zudem wird die Wichtigkeit einer Überwindung von Vorurteilen, Rassismen und Stereotypen hervorgehoben. Auch in Bezug auf die Tiere gibt es viele Vorurteile, die sich in Stereotypen niederschlagen (Tiere sind Instinktwesen, Tiere haben keine Gefühle, Tiere sind dumm, etc.). Diese Tatsache zu erwähnen bzw. zu berücksichtigen, wäre auch für die Schüler/innen sicher- lich gewinnbringend. Auf den Gewinn einer differenzierten Betrachtungsweise durch Begeg- nungen mit dem räumlich, kulturell und zeitlich Anderen wird auch im Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS Wert gelegt.531 Durch die Kategorisierung Mensch – Tier, welche historisch begründet liegt (siehe Kapitel 3), kann dieser differenzierte Blick ebenfalls bei den Schülern/innen geschult werden, was für eine Auseinandersetzung mit dem Tier in den Lehr- plänen spricht.

530 Ebd. 531 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Unterstufe und NMS 2016. 93

Neben den allgemeinen didaktischen Prinzipien eines kompetenzorientierten Unterrichts gibt es auch noch spezifische geschichts- und politikdidaktische Prinzipien, die im Lehrplan erläu- tert werden. Sie fungieren als Filter, um garantieren zu können, dass jene historischen und politischen Informationen und Themen aufgegriffen werden, die für den Unterricht von Be- deutung sind. Auch hier findet man bei genauerer Betrachtung Argumente für die Inkludie- rung von Tieren in den Lehrplänen. Die geschichts- und politikdidaktischen Prinzipien im Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS sind: Gegenwarts- und Zukunftsbezug, Lebens- weltbezug und Subjektorientierung, Prozessorientierung, Problemorientierung, exemplari- sches Lernen, Handlungsorientierung, Multiperspektivität und Kontroversitätsprinzip sowie Wissenschaftsorientierung.532 Im Lehrplan der AHS Oberstufe fehlen die Punkte Gegenwarts- und Zukunftsbezug und exemplarisches Lernen, ansonsten werden die gleichen geschichts- und politikdidaktischen Prinzipien angeführt.533 Die Schüler/innen sollen durch die Beschäfti- gung mit der Vergangenheit einen Gegenwarts- und Lebensbezug bekommen. Wenn man also garantieren möchte, dass die Schüler/innen die Gegenwart umfassend verstehen, muss man demnach auch die Tiere einbinden. Ohne sie würde unsere Gesellschaft heute ganz anders aussehen, worauf bereits mehrere Male in dieser Arbeit hingewiesen wurde, und deshalb ist es wichtig, ihnen dies mit Beispielen aus der Vergangenheit zu vermitteln. Lebensweltbezug be- deutet, Themen einzubeziehen, die das Leben der Schüler/innen direkt betreffen. Viele Schü- ler/innen leben vielleicht mit Tieren, ob im Haus oder am eigenen Hof, zusammen und somit sind diese Teil ihres Lebens. Aus dieser Sicht wäre es nur logisch, sie auch im Unterricht zu berücksichtigen. Und auch wenn Schüler/innen keine eigenen Tiere haben, verbringen sie vielleicht in ihrer Freizeit viel und gerne Zeit mit Tieren, was sie somit auch zu einem wichti- gen Teil ihrer Lebenswelt macht. Innerhalb der Problemorientierung sollen Schüler/innen zentrale Probleme auf verschiedenen Ebenen erkennen können, aber auch subjektive Proble- me im Unterricht ansprechen können. Massentierhaltungen, Tierversuche, Langstreckentrans- porte, etc. können als solche zentralen Probleme unserer westlichen Gesellschaft genannt werden und sollten demnach auch im Unterricht angesprochen werden. Ein weiteres Argu- ment für eine Inkludierung von Tieren im Unterricht stellt die Multiperspektivität dar. Multi- perspektivität bedeutet, dass verschiedene Perspektiven zu ein und demselben historischen und politischen Thema eingenommen werden können und sich demnach auch die Meinungen voneinander unterscheiden. Dieses Prinzip ist insofern sehr wichtig, weil die „Schulung mul-

532 Ebd. 533 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Oberstufe 2016. 94

tiperspektivischer Betrachtungsweisen Bestandteil eines kritischen historischen und politi- schen Bewusstseins [ist]“.534 Aus diesem Grund wäre die Berücksichtigung der tierischen Perspektive in Bezug auf Unterrichtsthemen sinnvoll und sicherlich sehr interessant.

Bei all den vorgeschlagenen Möglichkeiten, Tiere in den Lehrplänen zu inkludieren, muss dabei natürlich von Lehrpersonen eine möglichst rationale und objektive Haltung eingenom- men werden. Sie dürfen die Schüler/innen nicht durch ihre eigenen Einstellungen manipulie- ren, dennoch können sie andere Sichtweisen einbringen und die Schüler/innen dazu animie- ren, bekannte Denkmuster zu hinterfragen und aufzubrechen, um so ihren Erkenntnishorizont zu erweitern. Dieses Ziel findet sich auch in den Bildungs- und Lehraufgaben des Lehrplans der AHS Unterstufe und der NMS: „Kontroverse Interessen im Umgang mit Geschichte und Politik sind von den Schüle- rinnen und Schülern also solche zu erkennen, zudem sollen sie – im Sinne einer de- mokratisch verfassten Gesellschaft – dazu befähigt werden, die eigenen Meinungen zu artikulieren sowie jene der anderen zu akzeptieren, sie aber auch zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen.“535

Durch dieses kurze Kapitel sollte gezeigt werden, dass sich in den aktuellen Lehrplänen be- reits jetzt viele Argumente für eine Einbettung der Tiere finden und dass eine solche mitunter relativ leicht umzusetzen ist. Derzeit obliegt es den Lehrpersonen selbst, ob sie Tieren in ih- rem Unterricht Raum zugestehen, eine verpflichtende Auseinandersetzung gibt es bis dato nicht, obwohl gezeigt werden konnte, dass diese mehr als sinnvoll ist.

5.1.2 Umsetzungsvorschläge für den Unterricht Im wissenschaftlichen Teil dieser Arbeit sollte anhand des historischen Kriegseinsatzes von Pferden aufgezeigt werden, wie sehr wir Menschen Tiere für unsere Zwecke missbrauchen. Wenn sich an dieser Tatsache etwas ändern soll, muss sich auch unser Umgang mit den Tie- ren ändern und dies ist laut Hagencord auch notwendig, denn der Mensch kann nur gemein- sam mit den Tieren Gerechtigkeit und Frieden finden.536 Diese Veränderung beginnt bei je- dem/r Einzelnen und kann sich nur durch einen persönlichen Wertewandel vollziehen. Erst wenn wir Tiere als Individuen wahrnehmen, die ein Recht auf gewisse Grundwerte haben, die es zu schützen gilt, wird sich nachhaltig etwas ändern. Erst wenn wir aufhören von Tieren als Ware, Produkt, natürlicher Ressource oder Objekten zu sprechen, werden wir aufhören, sie

534 BMBWF, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, AHS Unterstufe und NMS 2016. 535 Ebd. 536 Hagencord/Goodall, Die Würde der Tiere, S. 108. 95

für unsere Zwecke zu missbrauchen. Erst dann können wir die scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Menschen und Tieren überwinden (siehe Kapitel 3): „Der Paradigmenwechsel vollzieht sich größtenteils als Generationenwechsel. Men- schen, die ihr Leben lang das Paradigma des Tieres als Biomaschine ohne Bewusstsein gelebt haben, ändern sich nur noch im Ausnahmefall. Für die jüngere Generation, die mit der latenten Kritik an diesem Paradigma in der Gesellschaft aufwächst und die be- eindruckenden Dokumentationen und Berichte von den Ergebnissen der Freilandfor- schung einfühlsamer WissenschaftlerInnen miterleben kann, ist der Wertewandel vor- programmiert.“537

Sozialisation und gesellschaftliche Werte verhindern teilweise diese Bewusstseinsentwicklung und deshalb ist es aus meiner Sicht unerlässlich, diese im schulischen Rahmen zu fördern bzw. ihnen überhaupt den nötigen Raum zuzugestehen. Nur wenn ihnen die Möglichkeit dar- geboten wird, ein Bewusstsein für die Ungerechtigkeit und Maßlosigkeit im Umgang mit Tie- ren zu bekommen, kann sich nachhaltig etwas ändern. Dabei sollen den Schülern/innen keine radikalen Vorgaben gemacht werden, aber sie sollten die Chance haben, über solche Dinge nachzudenken, um sich dann im Sinne der demokratischen Urteilsbildung selber entscheiden zu können, wie sie mit diesem Wissen umgehen möchten. Aus diesem Grund sollen in diesem didaktischen Teil mit Bezugnahme auf den aktuellen Lehrplan der AHS Unterstufe und der NMS sowie der AHS Oberstufe Ideen und Vorschläge präsentiert werden, wie man auf den Machtmissbrauch am Tier aufmerksam machen kann. Die Schüler/innen sollen dabei ein Bewusstsein bekommen, wie sehr und vor allem in wel- chen Bereichen sich dieser im täglichen oder auch nicht alltäglichen Leben niederschlägt. Dabei sollen auch Möglichkeiten für eine Veränderung aufgezeigt werden. Gleichzeitig soll der Versuch unternommen werden, die tierische Perspektive im Sinne der Multiperspektivität mehr in den Unterricht aufzunehmen. Es werden daher auch neutrale Ideen bzw. Vorschläge präsentiert, wie man die Situation der Tiere im historischen Kontext mehr einbeziehen könnte, sodass die Schüler/innen diese irgendwann selbstverständlich berücksichtigen.

537 Balluch, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, S. 119. 96

AHS Unterstufe/NMS Kompetenzen/ Kl. Modul Ideen/Vorschläge Basiskonzepte538 2 1 (Historische Bil- In diesem Modul sollen die Schüler/innen u.a. lineare Zeitsysteme kennenlernen und Epocheneintei- H Sachkomp. dung): Historische lungen kritisch hinterfragen (siehe Thematische Konkretisierung). Nachdem sie die gängige Eintei- H Orientierungskomp. Quellen und Dar- lung der Geschichte (Urgeschichte, Antike, Mittelalter, etc.) kennengelernt haben und ihnen be- stellungen der Ver- wusstgemacht wurde, dass diese ebenfalls keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit ha- Historische BK (Zeit- gangenheit ben kann, kann man im Sinne der Multiperspektivität alternative Einteilungen vorstellen, wie jene einteilung, Zeitverläufe) von Reinhard Koselleck, einem der bekanntesten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts. Dieser Epistemische BK (Per- schlug aufgrund der unumstrittenen Wichtigkeit des Pferdes für die menschliche Evolution vor, die spektive, Konstruktivi- Zeit in ein Vorpferdezeitalter, ein Pferdezeitalter und ein Nachpferdezeitalter einzuteilen. Das Pfer- tät, Auswahl) dezeitalter lässt er mit dem Beginn der Domestikation von Pferden ansetzen. Laut seiner Meinung Gesellschaftliche BK leben wir heute im Nachpferdezeitalter, welches er mit dem Beginn der Moderne gleichsetzt, da die (Vielfalt, Arbeit) einstmals omnipräsenten Pferde heute vorwiegend im Sport- und Freizeitbereich vorzufinden sind.539 Durch diese alternative Zeiteinteilung wird einerseits bei den Schülern/innen ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass die gängige Zeiteinteilung nichts Anderes als ein menschliches Konstrukt darstellt und andererseits die Wichtigkeit und die besondere Bedeutung des Pferdes für den Menschen her- vorgehoben. Weiters könnte man diesbezüglich zu einem späteren Zeitpunkt im Sinne der animal agency (siehe Kapitel 2.2.3) mithilfe eines Längsschnittes auf jene bedeutenden Veränderungen und technischen und wirtschaftlichen Innovationen eingehen, die aufgrund der Arbeitskraft der Pferde

538 Im Sinne der Leserfreundlichkeit werden im Folgenden Abkürzungen verwendet: H = Historische, P = Politische bzw. Politikbezogene, BK = Basiskonzepte. 539 Steinbrecher, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede«, S. 265−266. 97

möglich waren. 2 3 (Historische Bil- In diesem Modul soll u.a. auf Gesellschaftsordnungen (siehe Thematische Konkretisierung) einge- H Fragekomp. dung): Mittelalter gangen werden und dabei die historische Fragekompetenz sowie die Arbeit mit schriftlichen und bild- H Methodenkomp. (De- lichen Quellen gefördert werden (siehe Kompetenzkonkretisierung). Beide Bereiche lassen sich Konstruktion, Re- durch die Arbeit mit den aus dem Mittelalter stammenden Tierprozessen abdecken, worauf in Kapitel Konstruktion) 3 dieser Arbeit schon kurz eingegangen wurde. Als Einstieg könnte man den Schülern/innen ein Bild H Orientierungskomp. zeigen (siehe Anhang 1), welches eine Sau im Zeugenstand zeigt, und sie dieses Bild selbstständig P Sachkomp. dekonstruieren lassen (ungefähre Zeit, Echtheit, Intention, was wird dargestellt, etc.). Anschließend P Urteilskomp. könnte man gemeinsam den historischen Kontext rekonstruieren und zudem darauf eingehen, was dies in Bezug auf das Mensch-Tier-Verhältnis aussagt. Um einen Gegenwartsbezug herzustellen Epistemische BK (Per- könnte man ihnen ein zweites Bild (siehe Anhang 2) zeigen und sie dieses zunächst wieder selbst- spektive, Auswahl, Be- ständig dekonstruieren lassen. Als Auflösung wird dann der Informationstext (siehe Anhang 3) aus- legbarkeit) geteilt, in welchem u.a. ersichtlich wird, dass der letzte verurteilte Hund erst im Jahre 1991 begnadigt Gesellschaftliche BK und freigelassen wurde. Durch die Tierprozesse sollen sich die Schüler/innen in die Tiere hineinver- (Handlungsspielräume, setzen, also eine subjective perspective einnehmen (siehe Kapitel 2.2.3), um verstehen zu können, Normen, Macht) wie willkürlich sich der Machtmissbrauch des Menschen äußerte. Gleichzeitig sollen sie aber auch reflektieren, was die Tierprozesse in Bezug auf das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren aus- sagen. Dass Tiere in einem Gerichtsprozess die Hauptrolle gespielt haben, lässt die Vermutung zu, dass ihnen zumindest in irgendeiner Form Rechtsfähigkeit zugesprochen wurde, auch wenn solche Prozesse meistens zu Lasten der Tiere ausgingen. Deshalb könnte man anschließend mit den Schü- lern/innen diskutieren, ob diese aus heutiger Sicht im wahrsten Sinne des Wortes „mittelalterliche“ Praxis nicht doch gewisse Vorteile für die Tiere bieten würde, wenn sie noch Bestand hätte. Eventu- ell könnte man hierfür sogar einen Anwalt einladen, mit welchem die Schüler/innen darüber diskutie-

98

ren könnten. So würden sie zusätzlich einen Einblick in das Justizsystem bekommen. 2 8 (Politische Bil- In den Kompetenzkonkretisierungen dieses Moduls sollen Schüler/innen mit Institutionen und Per- P Urteilskomp. dung): Möglichkei- sonen der politischen Öffentlichkeit Kontakt aufnehmen. In diesem Zusammenhang sollen sie gesell- P Handlungskomp. ten für politisches schaftliche und politische Partizipation in der eigenen Lebenswelt reflektieren (siehe Thematische Handeln Konkretisierung). Um ihnen Möglichkeiten für politisches Handeln aufzuzeigen, könnte man ge- Epistemische BK (Per- meinsam mit ihnen das aktuell verwendete Schulbuch analysieren und untersuchen, wo und in wel- spektivität, Konstrukti- chem Ausmaß Tiere einbezogen werden bzw. auf ihre Situation eingegangen wird. Anschließend vität, Auswahl, Beleg- könnte man gemeinsam mit den Schülern/innen konkrete Vorschläge erarbeiten, um öfter auf Tiere barkeit) im Unterricht zu sprechen zu kommen und deren Rolle in historischen Ereignissen und Prozessen Gesellschaftliche BK sichtbarer zu machen. Mit diesen Vorschlägen könnten die Schüler/innen sich dann mit Hilfe ihrer (Vielfalt, Handlungs- Lehrperson an den Verlag ihres Schulbuches wenden und ihre Ideen präsentieren. So bekommen sie spielräume) ein Gefühl für den Konstruktcharakter von Geschichte, denn die heute tradierte Geschichte ist nichts Anderes als eine spezifische Auswahl, welche von Menschen aus einer gewissen Perspektive und mit gewissen Intentionen vorgenommen wurde. 2 9 (Politische Bil- Thematisch geht es in diesem Modul u.a. darum, Gesetze und Normen aus der Lebenswelt der Schü- P Urteilskomp. dung): Gesetze, ler/innen, welche sie als positive und negative Machtinstrumente analysieren und diskutieren sollen, P Handlungskomp. Regeln, Werte zu bearbeiten (siehe Thematische Konkretisierung). Außerdem sollen sie Politische Urteile hinsicht- P Methodenkomp. lich ihrer Qualität, Relevanz und Begründung beurteilen sowie politische Meinungen und Interessen vertreten und durchsetzen (siehe Kompetenzkonkretisierung). Um all diese Vorgaben erfüllen zu Gesellschaftliche BK können, kann der Artikel aus der Tiroler Tageszeitung herangezogen werden, in welchem es um den (Handlungsspielräume, Transport von Ferkeln geht (siehe Anhang 4). Nach der gemeinsamen Lektüre wird den Schü- Normen, Macht, Struk- lern/innen ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch ausgeteilt (siehe Anhang 5). Aufgrund dieser Geset- tur) zeslage soll mit den Schülern/innen gemeinsam reflektiert werden, wie dieses Urteil zustande kam

99

und ob dieses den Vorgaben im Gesetzestext entspricht. Anschließend könnte man mit ihnen noch diskutieren, ob und wo in diesem Auszug eventuelle Lücken bestehen, die ergänzt werden sollten bzw. ob es Stellen gibt, die man ändern könnte/sollte. Indem die Schüler/innen diesen Auszug gegen den Strich lesen (siehe Kapitel 2.2.3), bekommen sie ein Bewusstsein dafür, dass es zwar Gesetze zum Schutz der Tiere gibt, dass diese aber teilweise relativ schwammig formuliert sind, sodass sie geschickt umgangen werden können und somit im Falle eines Gerichtsverfahrens nicht zum Wohle der Tiere entschieden wird, sondern oft im Interesse der menschlichen Partei. In diesem Zusammen- hang könnte man weiters mit ihnen darüber diskutieren, dass Tiere nach wie vor nicht als Rechtssub- jekte angesehen werden. Hier könnte man wieder an das Modul 3 (Tierprozesse) dieser Schulstufe anknüpfen und überlegen, inwieweit Tierprozesse im Widerspruch zur obengenannte Rechtslage ste- hen und was dies für die Tiere bedeutet. 3 1 (Historische Bil- In diesem Modul sollen die Schüler/innen u.a. die gesellschaftliche Funktion von „Magie“ und „He- H Sachkomp. dung): Verschiede- xerei“ anhand von Quellen und Darstellungen klären und die Ursachen der Hexenverfolgung her- H Fragekomp. ne Aspekte der neu- ausarbeiten (siehe Thematische Konkretisierung). Unmittelbar verbunden mit der Hexenverfolgung H Methodenkomp. (De- zeitlichen Kulturen sind auch Katzen. Nachdem die Schüler/innen gelernt haben, welche Ursache es generell für die He- Konstruktion, Re- xenverfolgung gibt, könnte man als Einstieg in dieses Thema mit den Schülern/innen besprechen, Konstruktion) was eine stereotypische Hexe für sie ausmacht bzw. wie sie aussieht. Eventuell könnte man die Schü- ler/innen auch Bilder malen lassen. Unweigerlich wird der/die eine oder der/die andere auch auf eine Epistemische BK (Per- (schwarze) Katze zu sprechen kommen. Um verstehen zu können, warum sich dieses Bild bis heute spektive, Konstruktivi- in unseren Köpfen manifestiert hat, könnten sie mit dem Informationstext (siehe Anhang 6) arbeiten tät, Auswahl, Belegbar- und dabei folgende Fragen beantworten: Wie und warum entstand das stereotypische Bild einer Hexe keit) mit Katze? Welche Rolle spielte dabei das Christentum? Was bedeutete die Verteufelung der Katze Gesellschaftliche BK für diese Tiere? Die Schüler/innen sollen anhand dieses Beispiels verstehen, wie sehr Menschen, aber (Normen, Macht, Le-

100

eben auch Tiere unter der Unwissenheit und dem Aberglauben der Menschen litten. Indem sie sich in bens-/Naturraum) die Tiere hineinversetzen – eine subjective perspective einnehmen – können sie verstehen, wie sehr das damalige gesellschaftliche Leben durch die Religion geprägt war, welchen Platz diese im Leben der Menschen einnahm und dass viele Menschen sie auch für ihre Manipulationszwecke nutzten. Neben der Katze gibt es auch zahlreiche andere Tiere, deren Ansehen durch das ihnen zugeschriebe- ne menschliche Image litt. In diesem Zusammenhang könnte man fächerübergreifend mit Deutsch schriftliche Märchen und Fabeln behandeln und dabei die Rolle der Tiere untersuchen (der böse Wolf, der Rabe als Bote des Unheils, der Froschkönig, etc.). Gerade Märchen haben immer eine be- stimmte erzieherische Funktion. Deshalb wäre es sehr interessant zu analysieren, wofür Tiere in Märchen verwendet werden und was der Mensch durch ihr schlechtes Vorbild lernen soll. Indem man sie also gegen den Strich liest, erhält man Rückschlüsse auf die damalige und heutige Mensch- Tier-Beziehung und versteht gleichzeitig, in welchem Verhältnis der Mensch sich den Tieren gegen- über positioniert. Somit eignen sich Märchen besonders gut, da sie ein geschicktes Mittel sind, um die postulierte Trennung von Menschen und Tieren zu unterstreichen. 3 3 (Historische Bil- Eines der Ziele dieses Moduls ist es, den Schülern/innen den Zusammenhang zwischen sozialem und H Sachkomp. dung): Diversität: ökonomischem Wandel sowie gesellschaftlicher Teilhabe, insbesondere die Entwicklung von Kapita- H Fragekomp. Geschlecht – Ethnie lismus, Liberalismus und Sozialismus zu erklären (siehe Thematische Konkretisierung). Nachdem die H Methodenkomp. (De- – Klasse Grundzüge des Kapitalismus bereits im Unterricht vermittelt wurden, kann darüber gesprochen wer- Konstruktion) den, wie sich dieser auf die Tiere auswirkt. Die Schüler/innen wissen zu diesem Zeitpunkt dann H Orientierungskompe- schon, dass der Kapitalismus im Wesentlichen auf dem Prinzip der Ausbeutung beruht. Hierzu könn- tenz te man den bekannten Spruch „Geld regiert die Welt“ an die Tafel schreiben und das Bild eines ab- P Orientierungskomp. geholzten Regenwaldes (siehe Anhang 7) sowie das Bild einer Massentierhaltung (siehe Anhang 8) an die Wand projizieren. Die Schüler/innen sollen dann analysieren, inwieweit diese Aussage mit den Epistemische BK (Per-

101

beiden Bildern in Verbindung steht. Sie sollen verstehen, dass die Abholzung des Regenwaldes und spektive, Auswahl) die Massentierhaltung direkte Folgen des Kapitalismus sind, weil Geld die zentrale Rolle im Kapita- Gesellschaftliche BK lismus spielt. Um so viel Profit wie möglich zu machen, beuten sehr wenige reiche Menschen die (Vielfalt, Handlungs- Natur, die Tiere, aber auch andere Menschen aus, ohne Rücksicht auf die Folgen (Zerstörung des spielräume, Macht, ökologischen Gleichgewichts, Ausrotten ganzer Tierarten, „Produktion“ von Billigfleisch unter Struktur, Lebens- fürchterlichen Zuständen, etc.) zu nehmen. Auf der Homepage www.abenteuer-regenwald.de gibt es /Naturraum, Verteilung) eine interaktive Karte (https://www.abenteuer-regenwald.de/bedrohungen/fleisch/auswirkungen, ein- gesehen 31.01.2018), welche man gemeinsam mit den Schülern/innen anschließend ansehen kann. Diese illustriert sehr gut und einfach, welche Verbindung zwischen dem Fleischkonsum und der Ab- holzung des Regenwaldes besteht. Diese Homepage eignet sich besonders gut, wenn man zusätzlich zu diesem Thema fächerübergreifend mit Geografie arbeiten möchte. Alle Texte auf dieser Seite sind von Schülern/innen geschrieben und reichen von generellen Informationen über den Regenwald bis hin zu Lösungsvorschlägen, was jede/r Einzelne/r tun kann, um die tropischen Regenwälder zu schützen. Anhand dieses Unterrichtsbeispiels wird das globale Lernen bei den Schülern/innen geför- dert. Sie verstehen, wie einzelne Phänomene miteinander in Verbindung stehen und welche individu- ellen (Tiere) und globalen (Umwelt) Folgen daraus entstehen. Dieses Bewusstsein ist sehr wichtig, weil die Schüler/innen verstehen müssen, dass sie alle in diesem Prozess involviert sind und dass es durchaus Möglichkeiten gibt, wie man solchen Entwicklungen entgegenwirken kann, zum Beispiel durch den bewussten Kauf von regionalen, saisonalen und nachhaltigen Produkten. 3 4 (Historisch- Dieses Modul ist von besonderer Bedeutung, da in dieser Arbeit aufgezeigt werden konnte, dass der H Sachkomp. politische Bildung): Erste Weltkrieg als Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd gelten muss, bedenkt man die mehr H Fragekomp. Internationale Ord- als acht Millionen Pferde, die ihm zum Opfer fielen. Die Problematik von Krieg, insbesondere des H Methodenkomp. (De- nungen und Kon- Ersten Weltkrieges, soll im Zusammenhang mit sich wandelnden europäischen Mächteverhältnissen, Konstruktion, Re-

102

flikte im Wandel neuen Staatsordnungen und Nationalitätenkonflikten erläutert werden (siehe Thematische Konkreti- Konstruktion) sierung). In erster Linie gilt es also, den Schülern/innen bewusst zu machen, was Krieg bedeutet, H Orientierungskomp. wofür er steht, welche Dimensionen er umfasst und dass er allen voran eines ist, nämlich lebens- feindlich und zwar für Mensch und Tier gleichermaßen. Hier könnte man einen Längsschnitt ma- Historische BK (Zeit- chen, um aufzuzeigen, wie sich Krieg im Laufe der Zeit geändert hat, um schließlich verstehen zu verläufe) können, warum er als Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd gilt. Anschließend könnte man Epistemische BK (Per- mit der deutschen Fassung des Buches „Gefährten“ von Michael Morpurgo arbeiten. In diesem Buch spektive, Konstruktivi- geht es um die Beziehung eines Bauerjungens namens Albert und seinem Pferd „Joey“, welche sich tät, Auswahl, Belegbar- in den Wirren des Ersten Weltkrieges verlieren und beide getrennt voneinander an vorderster Front keit) kämpfen müssen. Indem sich die Schüler/innen in die beiden Hauptakteure hineinversetzen – eine Gesellschaftliche BK subective perspective einnehmen – erfahren sie anhand dieser Lektüre (natürlich können auch nur (Vielfalt, Macht, Le- wesentliche Ausschnitte gelesen werden oder das Originalwerk auf Englisch in Verbindung mit dem bens-/Naturraum) Unterrichtsfach Englisch) wie vereinnahmend und erbarmungslos der Krieg ist und was dies für die Mensch-Tier-Beziehung bedeutet. Um einen differenzierteren Blick zu bekommen, könnte man in Kombination dazu mit dem aus dem Jahre 1929 stammenden Buch „Fronterinnerungen eines Pfer- des“ von Ernst Johannsen arbeiten. Diese zeitgenössische Quelle ist insofern interessant, weil hier nicht nur der zeitliche Unterschied eine andere Perspektive auf den Ersten Weltkrieg zulässt, sondern auch, weil der Erzähler in diesem Buch ein Pferd ist, welches aus seiner Sicht den Ersten Weltkrieg schildert. Da dieses Buch nur 54 Seiten umfasst, könnte man es gänzlich mit den Schülern/innen le- sen und anschließend die Mensch-Tier-Beziehung mit jener des Buches „Gefährten“ vergleichen. Zum Abschluss könnte man das Drama bzw. den Kriegsfilm „Gefährten“ von Steven Spielberg aus dem Jahr 2011 mit den Schülern/innen ansehen, welcher das Werk von Morpurgo als Vorbild nahm. Hierzu könnte man einerseits wiederum vergleichen, wie die Mensch-Tier-Beziehung von Albert und

103

Joey filmisch dargestellt wird, und andererseits auf die agency von Joey näher eingehen, da dieser es mit Hilfe von Menschen immer wieder schaffte, sich aus den widrigsten Situationen zu befreien. Durch dieses fiktive Schicksal bekommen die Schüler/innen einen Einblick in den Kriegsalltag der Menschen und Tiere und wie sich ihr Verhältnis durch den Krieg veränderte. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass es sich hierbei um eine fiktive Geschichte handelt, die sich zwar so oder in anderer Form zugetragen haben kann, jedoch mit Sicherheit die Ausnahme bildete, da im wissenschaftlichen Teil dieser Arbeit bereits festgestellt werden konnte, dass Tiere im Ersten Welt- krieg eindeutig als Ressource gesehen wurden und nicht als Kameraden (siehe Kapitel 4.2.4.4). Des- halb könnte man mit den Schülern/innen untersuchen, inwieweit solche Darstellungen die Realität verklären, indem man auf die Beispiele aus dem ebengenannten Kapitel eingeht, welche diese Kate- gorisierung rechtfertigen. Somit lernen sie, eine kritische Haltung gegenüber geschichtlichen Produk- ten einzunehmen und gleichzeitig warum die Beschreibung des Ersten Weltkrieges als Höhepunkt des Machtmissbrauches am Pferd gerechtfertigt ist.

Ein weiterer in diesem Zusammenhang zu bearbeitender Punkt ist das Humanitäre Völkerrecht. Die P Urteilskomp. Schüler/innen sollen seine Entwicklung und Bedeutung verstehen (siehe Thematische Konkretisie- P Handlungskomp. rung). Nachdem grundlegende Einsichten und Entwicklungen in das Humanitäre Völkerrecht im Un- P Sachkomp. terricht gegeben wurden, kann dieses in Bezug auf die Tiere gegen den Strich gelesen werden, um P Methodenkomp. auf das völlige Fehlen und die daraus resultierenden Konsequenzen einzugehen. Als Einstieg könnte das Arbeitsblatt 4 (siehe Anhang 9) dienen, in welchem die Verbindung mit den Menschenrechten Epistemische BK (Per- kurz und relativ einfach hergestellt wird. Die unten angeführte Grafik dient als weitere Veranschauli- spektive, Konstruktivi- chung. Die Lehrperson kann die Schüler/innen entweder alleine oder in Gruppen bitten, zunächst zu tät, Auswahl, Belegbar- untersuchen, wo die Tiere vorkommen bzw. wo auf sie eingegangen wird. Schnell wird klarwerden, keit)

104

dass dies nicht möglich ist, weil sie grundsätzlich gar nicht erwähnt werden. Nun könnte man mit Gesellschaftliche BK ihnen diskutieren, ob eine Inkludierung bei gleicher Tätigkeit (zum Beispiel beim aktiven Kriegsein- (Handlungsspielräume, satz) nicht gerecht wäre, und überlegen, warum eine solche bis jetzt nicht stattgefunden hat (siehe Normen, Macht, Struk- Kapitel 4.2.6). In diesem Zusammenhang könnte man anhand des Kriegseinsatzes von Pferden im tur, Lebens-/Naturraum) Ersten Weltkrieg die Folgen dieses Fehlens für die Tiere besprechen (keine verpflichtende Hilfe bei Verwundung oder Gefangennahme, kein Schutz von Kriegsopfern, etc.). Zum Schluss könnte man mit den Schülern/innen gemeinsam überlegen, in welchen Textpassagen des Arbeitsblattes (siehe Anhang 9) eine Erwähnung der Tiere nötig und sinnvoll wäre. 3 7 (Historisch- In diesem Modul sollen die Schüler/innen u.a. die Auswirkungen der Aufklärung auf gegenwärtige H Sachkomp. politische Bildung): Gesellschaften (demokratischer Verfassungsstaat, Gewaltentrennung, Menschenrechte) beurteilen H Orientierungskomp. Revolutionen, Wi- (siehe Thematische Konkretisierung). In diesem Zusammenhang wäre es sehr wichtig, auch auf die derstand, Reformen Auswirkungen der Aufklärung auf die Tiere einzugehen, da diese laut Martin Balluch mit ein Grund Historische BK (Zeit- war, warum die heute scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Menschen und Tiere entstand (sie- verläufe, Zeiteinteilun- he Kapitel 3). Durch die Proklamierung der Menschenrechte waren plötzlich alle Menschen vor dem gen) Gesetz gleich, was nach Balluchs Meinung dazu führte, dass sich der Mensch noch weiter von den Epistemische BK (Per- Tieren entfernte und diese Auswirkungen spüren wir noch heute (fehlende Tierrechte, rücksichtloses spektive, Konstruktivi- Ausnutzen der Tiere für die Zwecke und Bedürfnisse der Menschen, etc.). Aus diesem Grund ist es tät) sehr wichtig, den Schülern/innen neben den vielen Vorteilen der Aufklärung für die Menschen auch Gesellschaftliche BK die wesentlichen und nachhaltigen Nachteile für die Tiere aufzuzeigen (siehe Kapitel 3). So bekom- (Handlungsspielräume, men sie ein umfassenderes Verständnis für die Gegenwart und hinterfragen gleichzeitig gesellschaft- Normen, Macht, Le- liche Muster. bens-/Naturraum) 3 8 (Politische Bil- Die Schüler/innen sollen in diesem Modul u.a. die Begriffe Identität und Identitätsbildung verstehen H Sachkomp. dung): Identitäten und problematisieren können (siehe Thematische Konkretisierung). Das Problem in Bezug auf die H Methodenkomp. (De-

105

Tiere ist, dass ihnen zwar eine kollektive (die Schweine, die Hunde, etc.), aber keine individuelle Konstruktion) Identität beigemessen wird. Erst wenn wir ihnen einen Namen geben, so scheint es, nehmen wir sie H Fragekomp. in ihrer individuellen Identität wahr. Anhand dieses Beispiels lernen die Schüler/innen, den Identi- tätsbegriff zu problematisieren. In weiterer Folge könnte man mit ihnen Tierbiographien (siehe Kapi- Historische BK (Zeit- tel 2.2.3) erstellen, um die Identität von Tieren sichtbarer zu machen. Hier eignen sich natürlich Tie- verläufe) re, über welche es viele Informationen oder Aufzeichnungen gibt, am besten. Dabei könnte man ver- Epistemische BK (Per- schiedenste Tierarten aus verschiedenen Epochen heranziehen und eventuell vergleichen, wie Identi- spektive, Auswahl, tät über die Zeit hinweg konstituiert wird (Bukephalos – das Pferd von Alexander dem Großen, siehe Konstruktivität, Beleg- Kapitel 4.2.1; Laika – die erste Hündin im Weltall; Bruno der Bär; Koko – der Affe, der sich durch barkeit) Gebärdensprache verständigen kann; etc.). Gesellschaftliche BK (Kommunikation, Struktur) 3 9 (Politische Bil- Eines der Ziele dieses Moduls ist es, dass die Schüler/innen mit politischen Medien arbeiten, d.h. P Sachkomp. dung): Wahlen und medial vermittelte Informationen analysieren (siehe Kompetenzkonkretisierung). Dafür sollen sie P Methodenkomp. Wählen zum Bespiel Strategien von Wahlwerbung hinterfragen und kritisch analysieren und die Bedeutung P Urteilskomp. der Medien bei den Wahlen analysieren (siehe Thematische Konkretisierung). In diesem Zusammen- P Handlungskomp. hang kann mit dem Wahlplakat der GRÜNEN aus dem Jahr 2013 gearbeitet werden (siehe Anhang 10). Der Slogan „Weniger belämmert als die anderen“ soll den Schülern/innen aufzeigen, dass häufig Epistemische BK (Per- in der Politik, aber auch in anderen Bereichen, Tiernamen oder -eigenschaften geschickt eingesetzt spektive, Konstruktivi- werden, um etwas Negativem, Falschem oder Schlechtem Ausdruck zu verleihen. Nachdem die Be- tät, Auswahl, Belegbar- deutung dieses Wahlplakates für den damaligen Wahlkampf geklärt wurde, soll auf die Auswirkung keit) eines solchen Slogans auf die Tiere eingegangen werden. Ihnen soll bewusstwerden, dass durch die Gesellschaftliche BK Verwendung solcher sprachlichen Mittel unbewusst die Trennung zwischen Menschen und Tieren (Kommunikation, Nor-

106

forciert wird. Wenn Menschen Tiere als das Andere bzw. die Anderen akzeptieren, ebnet dies den men, Macht, Struktur, Weg hin zu einem mehr oder weniger unbekümmerten Umgang mit ihnen. Man könnte in diesem Lebens-/Naturraum) Zusammenhang mit ihnen noch weitere sprachliche Abgrenzungen suchen (Schimpfwörter: blöde Kuh, dummer Affe, fauler Hund; Vergleiche: essen wie ein Schwein; langsam wie eine Schnecke; Kollokationen: Tiere verenden, Tiere fressen, Tiere sind trächtig; Kategorisierungen: Nutztiere, Ar- beitstiere, Haustiere, Therapietiere; Metaphern: der Wolf im Schafspelz, etc.). So werden sie spiele- risch an den Begriff der Ökolinguistik (siehe Kapitel 3) herangeführt. Dieses Thema würde sich fä- cherübergreifend mit Deutsch anbieten und soll das Bewusstsein für die sprachliche Trennung zu den Tieren stärken und sie ermutigen, bewusster damit umzugehen. 4 4 (Historische Bil- Die Schüler/innen sollen den Beitritt Österreichs zur EU und die nachfolgenden Veränderungen in H Fragekomp. dung): Europäisie- der Gesellschaft rekonstruieren sowie den Einfluss der EU auf die Lebenswelt der Schüler/innen be- H Sachkomp. rung werten (siehe Thematische Konkretisierung). Um ihnen eine negative Folge des EU-Beitrittes aufzu- H Methodenkomp. (De- zeigen, kann man mit dem Informationstext (siehe Anhang 11) arbeiten. In diesem wird aufgezeigt, Konstruktion) welche negativen Konsequenzen der EU-Beitritt von 1995 für die kleinstrukturierte Landwirtschaft H Orientierungskomp. hat. Indem sie diesen Text gegen den Strich lesen, bekommen sie einen Eindruck für die negativen Veränderungen des EU-Beitrittes für die Tiere. In weiterer Folge könnte man mit ihnen die globalen Epistemische BK (Per- Auswirkungen der Massentierhaltung besprechen. Dazu kann der etwas längere Informationstext zur spektive, Konstruktivi- Erderwärmung dienen (siehe Anhang 12). Dieser könnte entweder gleich gänzlich mit den Schü- tät, Belegbarkeit) lern/innen gelesen werden oder es könnte zunächst nur mit den Bildern gearbeitet werden. Anhand Gesellschaftliche BK dieser könnte man die Schüler/innen fragen, in welchem Zusammenhang diese mit dem ersten In- (Normen, Macht, Struk- formationstext stehen und was ihrer Meinung nach darauf zu sehen ist. Als Auflösung kann man tur, Lebens-/Naturraum, dann mit ihnen den Informationstext lesen. Durch diesen zweiten Informationstext lernen die Schü- Verteilung) ler/innen im Sinne des globalen Lernens, wie Wirtschaftssysteme mit der Umwelt, den Tieren und

107

auch den Menschen in Zusammenhang stehen und wie sehr diese Bereiche voneinander abhängig und miteinander verbunden sind. Zuletzt könnte man mit ihnen noch die Aussage von Rainer Hagen- cord diskutieren, inwieweit die Massentierhaltung als Krieg gegen die Tiere gelten muss und welche menschliche Geisteshaltung sie in Bezug auf die Natur und die Tiere zeigt.540 Thematisch könnte man dieses Modul ebenfalls wieder mit dem Modul 3 der 3. Klasse verbinden. 4 6 (Historisch- Eines der Ziele dieses Moduls ist die Analyse der Instrumentalisierung von Geschichte und Erinne- H Fragekomp. politische Bildung): rungen sowie von Denkmälern, Gedenkstätten und auch die Kontextualisierung von Letzteren (siehe H Methodenkomp. (De- Geschichtskulturen Thematische Konkretisierung). Hierfür würden sich die Bilder des „Animals in War Memorial“ in Konstruktion) – Erinnerungskultu- London (siehe Anhang 13) hervorragend eignen, welches sich direkt neben dem Hyde Park befindet. H Orientierungskomp. ren – Erinnerungs- Die Schüler/innen sollen diese zunächst in Kleingruppen analysieren (was wird dargestellt, Standort, H Sachkomp. politik) Intention, Datum der Errichtung, etc.). Danach kann man sie gemeinsam kontextualisieren. Dieses P Urteilskomp. Tierdenkmal wurde 2004 errichtet und soll an die Tiere, die aktiv oder passiv im Ersten Weltkrieg dienen mussten, erinnern. Diese sind in der Vorderansicht in das Relief eingearbeitet. Das Zugpferd Historische BK (Zeit- und der Esel hinter ihm blicken erschöpft und sehnsüchtig durch die Spalte im rund gearbeiteten punkt) Denkmal und damit in eine hoffnungsvolle Zukunft ohne Krieg und ohne Leid. Deshalb sieht man in Epistemische BK (Per- der Hinteransicht freie, große, glückliche und starke Tiere (der Hund blickt noch einmal zurück und spektive, Konstruktivi- erinnert sich an die schreckliche Vergangenheit). Auf dieser Seite des Denkmals sieht man die einge- tät, Auswahl, Belegbar- arbeiteten Silhouetten der teilnehmenden Tiere, um damit auszudrücken, dass dies der Vergangenheit keit) angehört. Signifikant für dieses Tierdenkmal ist der Spruch „They had no choice“, welcher auf der Gesellschaftliche BK rechten Vorderseite eingearbeitet ist. Auf seine Bedeutung soll noch einmal speziell mit den Schü- (Kommunikation, lern/innen eingegangen werden. Die Schüler/innen sollen verstehen, was dieses Denkmal in Bezug Macht, Lebens- auf die Mensch-Tier-Beziehung aussagt. An dieser Stelle könnte man noch weitere Tierdenkmäler /Naturraum)

540 Hagencord/Goodall, Die Würde der Tiere, S. 113–114. 108

(für den Krieg oder Ähnliches) mit den Schülern/innen recherchieren. In jedem Fall sollte jedoch der ambivalente Charakter von Tierdenkmälern besprochen werden, da sie neben ihrer Funktion des Er- innerns und Ermahnens nämlich auch immer eines tun, nämlich den Zweck dieser Errichtung zu legi- timieren (siehe Kapitel 4.2.4.5). In diesem Zusammenhang wäre es auch lohnenswert, mit ihnen den Begriff des Patriotismus zu klären (siehe Kapitel 4.2.4.4 und 4.2.4.5), damit sie verstehen, warum man Tierdenkmäler, aber auch Denkmäler generell, immer aus zwei verschiedenen Perspektiven be- trachten muss. Das hier vorgestellte Tierdenkmal könnte man fächerübergreifend mit Englisch aufar- beiten und zum Beispiel bei einem Schulausflug besuchen. Die obengenannte Analyse und Kontex- tualisierung könnte dann auch direkt vor Ort vorgenommen werden. 4 7 (Historisch- Thematisch soll in diesem Modul u.a. die Bevölkerungsentwicklung im 20. und 21. Jahrhundert und H Sachkomp. politische Bildung): ihre Folgen analysiert werden. Außerdem soll die Entwicklung von der Industriegesellschaft zur H Methodenkomp. (De- Gesellschaftlicher Dienstleistungs-, Konsum- und Mediengesellschaft herausgearbeitet und ihre Auswirkungen auf die Konstruktion) Wandel im 20. und Lebenswelten analysiert werden (siehe Thematische Konkretisierung). Dafür könnte man mit der H Fragekomp. 21. Jahrhundert Statistik inklusive dem Informationstext (siehe Anhang 14) arbeiten. In der Statistik wird ersichtlich, H Orientierungskomp. dass die Bevölkerung verglichen mit den Jahrhunderten davor ab den 1950er Jahren rapide und vor P Handlungskomp. allem stark anwuchs und noch weiter wachsen wird. Parallel zum Bevölkerungswachstum müssen auch immer mehr Lebensmittel produziert werden, um sie zu versorgen. Wenn man diese Statistik Historische BK (Zeit- auf die Tiere überträgt – also eine subjective perspective einnimmt – liegen die wesentlichen Nach- verläufe) teile für sie auf der Hand: Massentierhaltung, Mindeststandards in der Aufzucht, ausgewählte Zucht, Epistemische BK (Per- Intensivierung der Leistung der Tiere durch Genmanipulation, etc. Auch die Entwicklung unserer spektive, Konstruktivi- Gesellschaft hin zu einer Wohlstandsgesellschaft verschärfte die Situation der Tiere. Hier könnte tät, Auswahl, Belegbar- man wieder die Verbindung zum Kapitalismus schaffen (siehe Modul 3 der 3. Klasse). War früher keit) Fleisch etwas Besonderes, das nicht jeden Tag auf dem Speiseplan stand, so muss man heute durch Gesellschaftliche BK

109

Billigfleisch, welches unter den schrecklichsten Bedingungen „produziert“ wird, nicht mehr darauf (Vielfalt, Handlungs- verzichten. Um auf die Folgen unseres Konsumverhaltens näher einzugehen, kann mit Bildern im spielräume, Macht, Le- Unterricht gearbeitet werden (siehe Anhang 15, Anhang 8 und siehe jenes Bild der Massentierhal- bens-/Naturraum, Ver- tung von Schweinen im Anhang 12). Aber auch für die Umwelt entstehen große Belastungen durch teilung) den Bevölkerungszuwachs und diese hängen oft eng mit der Situation der Tiere zusammen. Um mehr Fleisch für die Konsumenten „produzieren“ zu können, müssen riesige Flächen angelegt werden, um das Futter für die Tiere, die wir später essen, zu produzieren. Dadurch entstehen Monokulturen, die sich wiederum negativ auf die Umwelt auswirken, weil der natürliche Kreislauf zerstört wird. Um den Schülern/innen dieses Bewusstsein zu vermitteln, könnte wiederum mit dem Artikel „Wie Mas- sentierhaltung zur Erderwärmung beiträgt“ (siehe Anhang 12) gearbeitet werden, da die Schü- ler/innen somit auch verstehen, welche globalen Folgen unser Umgang mit den Tieren hat. Aufgrund der Aktualität und der globalen Auswirkungen unserer heutigen Lebensform ist diesem Modul eine sehr große Bedeutung zuzumessen, denn nur wenn die Schüler/innen die Zusammenhänge verstehen, können sie im Sinne des globalen Lernens bewusste Entscheidungen treffen, die die Welt nachhaltig zum Positiven verbessern – für die Menschen und die Tiere. 4 8 (Politische Bil- Dieses anschließende Modul eignet sich perfekt, um Lösungsansätze für die oben angesprochenen P Sachkomp. dung): Politische Veränderungen zu finden. In diesem Modul geht es nämlich u.a. darum, dass Schülern/innen Räume, P Urteilskomp. Mitbestimmung Möglichkeiten und Strategien der politischen Mitbestimmung erklärt werden und dass sie außerpar- P Handlungskomp. lamentarische Formen der Mitbestimmung kennenlernen, erklären und erproben können (siehe The- P Methodenkomp. matische Konkretisierung). Nachdem sie also ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, welche Kon- sequenzen für die Tiere durch die gesellschaftlichen Entwicklungen entstanden sind und entstehen, Gesellschaftliche BK kann man mit ihnen gemeinsam Lösungen sammeln, um auf die Situation der Tiere aufmerksam zu (Vielfalt, Kommunika- machen und sie positiv zu verändern (Projekttage in der Schule, Aufklärungsarbeit in anderen Schu- tion, Handlungsspiel-

110

len/zu Hause, Infobroschüren, Kooperationen mit lokalen Betrieben -> Schulkantine, Ausflüge auf räume, Lebens- lokale Bauernhöfe/-märkte, gemeinsamer Besuch im Supermarkt, Petitionen, Meinungsumfragen, /Naturraum, Verteilung) etc.). Je nach Schultyp, Standort, finanziellen Möglichkeiten, Motivation können hier unterschiedli- che Projekte umgesetzt werden und das ist wichtig, denn nur wenn die Schüler/innen mit diesem Bewusstsein aufwachsen, sie Handlungsmöglichkeiten erkennen und diese auch wahrnehmen, wird sich langfristig etwas ändern.

Das Ziel dieser genannten Überlegungen ist es, bei den Schülern/innen zunächst ein Bewusstsein für die derzeitige Situation der Tiere zu schaffen, um an- schließend durch angeleitete Reflexionen einen Bewusstseinswandel zu provozieren. Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, dies bereits in der AHS Un- terstufe und der NMS verstärkt zu fördern, woraus sich die Vielzahl an unterschiedlichen Ideen und Vorschlägen in den verschiedensten Bereichen ableitet. Wenn die Schüler/innen mit diesem Wissen aufwachsen, ist es später in der Oberstufe viel leichter, daran anzuknüpfen und diese Punkte weiterzuentwickeln. Deshalb und weil sich der Lehrplan der AHS Oberstufe thematisch sehr stark an jenen der AHS Unterstufe und der NMS anlehnt, sollen im nächsten Abschnitt nur mehr ausgewählte und ergänzende Ideen und Vorschläge präsentiert werden. Alle bisher genannten Ideen bzw. Vorschläge können natürlich auch in der Oberstufe in abgewandelter Form und mit angepasstem Schwierigkeitsgrad behandelt werden. Dies bedeutet nicht, dass die nachfolgenden nicht auch umge- kehrt angewandt werden können. Die dahinterliegenden Grundideen können selbstverständlich auch in der Unterstufe bzw. in der NMS umgesetzt werden. Hier muss man einfach das Niveau entsprechend anpassen und eventuell mit anderen Materialien arbeiten.

AHS Oberstufe Kl. Semester Ideen/Vorschläge Kompetenzen 5 1. und 2. Thematisch soll in dieser Klasse der Zeitraum von der griechisch/römischen Antike bis zum Ende des Mit- H Sachkomp. telalters unter Berücksichtigung von Gegenwartsphänomenen unterrichtet werden. Hierzu soll man u.a. H Methodenkomp. auf die Ausbreitung von Religion und die damit verbundenen Vernetzungen und Wechselwirkungen einge- (De-Konstruktion,

111

hen (siehe Themenbereiche). Hier könnte man auf die Wechselwirkung des Christentums auf die Situation Re-Konstruktion) der Tiere eingehen (siehe Kapitel 3). Als Einstieg könnte ein Bild über die göttliche Schöpfungsgeschichte H Fragekomp. (siehe Anhang 16) verwendet werden. In Verbindung damit könnte der folgende Auszug aus dem Buch H Orientierungs- Genesis behandelt werden: „Und die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, komp. gemacht hatte.“ (Gen 3,1) Die Schüler/innen sollen verstehen, welche Botschaft in diesem Auszug steckt und welche Rückschlüsse diese auf die Sichtweise des Christentums auf die Mensch-Tier-Beziehung zu- lässt. Die Schlange verkörpert in der Schöpfungsgeschichte das Listige und Böse, weil sie Eva dazu verlei- tet, von den Früchten des verbotenen Baums zu kosten, was schließlich zum Verweis von Adam und Eva aus dem Paradies führte. Anhand dieses Beispiels sollen die Schüler/innen verstehen, welche Auswirkun- gen – neben den biologischen Gründen – diese menschliche Darstellung auf diese Tiere hat und wie sich dies auch heute noch zum Teil niederschlägt (Angst/Enkel/Furcht vor Schlangen; Gebrauch des Tierna- mens für Schimpfwörter: falsche Schlange, Brillenschlange, etc.). Ein weiteres Beispiel für die Stigmati- sierung von Tieren im Christentum kann die bildliche Darstellung des Teufels sein (siehe Anhang 17 und Anhang 18). Anhang 17 zeigt Luzifer als Mosaik an der Kuppel des Baptisteriums in Florenz, Anhang 18 zeigt ihn auf ähnliche Weise auf dem Fresko in der Kuppel des Doms in Florenz. In beiden Darstellungen weist er eindeutige tierische Merkmale auf (Hörner, Flügel, Klauen, Federn sowie Schlangen im Anhang 17). Somit werden im Christentum eindeutige tierische Merkmale verwendet, um bildlich das Schlechte, Falsche und Böse darzustellen. Genau darüber und dass dies nichts Anderes als menschliche Konstrukte sind, die nicht die Realität abbilden, sollen sich die Schüler/innen im Klaren sein. Zum Abschluss könnte noch der Artikel „Als die Erde noch eine Scheibe war“ (siehe Anhang 19) mit den Schülern/innen gelesen werden. Dieser spiegelt eindringlich die damalige propagierte Weltsicht des Christentums wider, in wel- cher wiederum Tiere verwendet werden, um etwas Negativem Ausdruck zu geben. Durch die Einnahme einer subjective perspective in Bezug auf diese genannten Beispiele, sollen die Schüler/innen ein Ver-

112

ständnis dafür bekommen, inwieweit die Tiere im Christentum diffamiert wurden, um menschliche, sprich göttliche, Vorstellungen zu verbreiten und was dies für die Tiere bedeutete. Hier könnte zusätzlich auch wieder mit dem Thema „Hexerei“ des Moduls 1 der 3. Klasse der AHS Unterstufe und der NMS gearbeitet werden. Zuletzt könnte man noch gemeinsam mit den Schülern/innen untersuchen, welchen Einfluss das Christentum oder andere Religionen auf die Tiere heute noch haben (Teufelsdarstellungen, Bräuche, Tier- opfer, Schlachtungsweise, etc.). 6 3 – Kompetenz- In diesem Kompetenzmodul sollen u.a. kolonialistische und imperialistische Expansionen mit ihren Aus- H Sachkomp. modul 3 wirkungen auf Herrschende und Beherrschte aufgezeigt werden (siehe Themenbereiche). Hier könnte man H Methodenkomp. im Sinne der Multiperspektivität den Blick auf die Tiere erweitern und beispielsweise untersuchen, welche (De-Konstruktion, Folgen der Kolonialismus und der Imperialismus auf die Tiere hatten. In diesem Zusammenhang könnte Re-Konstruktion) man die Tiertrophäen erwähnen und besprechen, welche gerne von europäischen Herrschern aus ihren be- H Fragekomp. setzten Kolonien zwecks Repräsentationszwecken mit nach Hause gebracht wurden und welche der Grund H Orientierungs- für eine beinahe völlige Ausrottung mancher Tierarten waren. Es wurden aber auch lebendige, exotische komp. Tiere mitgenommen, um mit ihrer Ausstellung Geld zu verdienen oder die Menschen zu belehren.541 Somit wird klar, dass auch Tiere als Beherrschte unter den europäischen Herrschenden litten und nachhaltig in ihren Lebensraum eingegriffen wurde (Ausrottung von heimischen Tierarten durch Einfuhr ausländischer, ausgewählte Zucht, etc.) Des Weiteren könnte man im Sinne der animal agency untersuchen, inwieweit Tiere den Kolonialisierungsprozess beeinflusst haben. 7 5 – Kompetenz- Nicht nur das Christentum stigmatisierte Tiere, auch in der jüngeren Zeit lassen sich hierfür Beispiele fin- H Sachkomp. modul 5 den, wie etwa in der nationalsozialistischen Ideologie. In diesem Kompetenzmodul geht es thematisch u.a. P Urteilskomp. um den Zweiten Weltkrieg, demokratische, autoritäre und totalitäre Systeme und ihre Ideologien in Euro- P Methodenkomp.

541 Gesine Krüger, Das koloniale Tier. Natur − Kultur − Geschichte, in: Thomas Forrer/Angelika Linke (Hrsg.), Wo ist Kultur? (Zürcher Hochschulforum 50), Zürich 2014, S. 73–94, hier S. 85–86. 113

pa sowie um die Darstellung von Ideologien in geschichtskulturellen Produkten (siehe Themenbereiche). Aus diesem Grund soll in Bezug auf diese Thematik der Vergleich von Juden mit Ratten eingegangen werden. Nachdem die Ideologie des Nationalsozialismus eingehend bearbeitet wurde, kann ein Ausschnitt aus dem extrem propagandistischen NS-Film „Der ewige Jude“ aus dem Jahr 1940 (https://www.youtube.com/watch?v=3fT8m1rpCj4 -> 15:47–17:37, eingesehen 26.01.2018) gemeinsam mit den Schülern/innen angesehen werden. Darin wird die Ausbreitung der Juden mit der Ausbreitung der Ratten verglichen, welche als Schmarotzer unter allen anderen Tieren gelten, die nichts als Tod, Krankheit und Verderben für den Menschen bringen. Zum einen wird den Schülern/innen durch dieses Beispiel der lebensverachtende Charakter des Nationalismus bewusst und zum anderen verstehen sie im Sinne der Mul- tiperspektivität, wie hier bewusst eine Tierart eingesetzt wurde, um ein propagandistisches menschliches Feindbild zu schaffen. Natürlich ist es wahr, dass Ratten viele Krankheiten mit in die Heimat brachten, jedoch darf dabei nicht vergessen werden, dass dies erst durch die Expansionsbestrebungen des Menschen möglich war. Wenn man den Schülern/innen diesen Filmausschnitt nicht zeigen möchte, kann man auch mit einem Textausschnitt (siehe Anhang 20) arbeiten, welcher sich auf diese Szene bezieht. 7 6 – Kompetenz- In diesem Kompetenzmodul geht es u.a. um politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklun- P Sachkomp. modul 6 gen vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Genauer gesagt geht es u.a. um das politische Alltagsver- P Urteilskomp. ständnis der Schüler/innen, wozu zum Beispiel die verschiedenen Dimensionen und Ebenen von Politik zählen (siehe Themenbereiche). Hierfür könnte man mit Karikaturen arbeiten, in denen Tiere verwendet werden, um aktuelle soziale, politische oder wirtschaftliche Spannungen zu veranschaulichen (siehe An- hang 21). In dieser Karikatur gräbt der russische Bär, der hier als finster, entschlossen und feindselig dar- gestellt wird, den Kalten Krieg wieder aus. Diese entstand als Reaktion auf die Einmischung von Russland in Bezug auf die Ukraine, welche seit 2014 in der Krise steckt. Die Schüler/innen sollen verstehen, welche Wirkungsmacht solche Bilder haben, wie sie Politik konstituieren und was diese nationale Personifizierung

114

von Russland über das Mensch-Tier-Verhältnis aussagt. 8 7 – Kompetenz- Zu den Themenbereichen dieses Kompetenzmoduls gehört u.a. die Analyse der Rolle der (Neuen) Medien P Sachkompetenz modul 7 zwischen Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft (siehe Themenbereiche). Hierfür könnte man mit P Methodenkomp. dem TV-Spot „Milch und Ernährung“ von AMA (https://amainfo.at/aktuelles/tv-spots/, eingesehen P Urteilskomp. 26.01.2018) arbeiten. In diesem kurzen Spot wird auf die Wichtigkeit und Gesundheit von Milch und Milchprodukten hingewiesen und dass diese seit Menschen gedenken konsumiert werden. Nach diesem Spot könnte man den Schülern/innen einen Ausschnitt eines Artikels (siehe Anhang 22) austeilen, in wel- chem erklärt wird, dass Menschen früher überhaupt keine Milch und Milchprodukte zu sich nahmen, weil sie sie schlicht und einfach nicht vertrugen. Zuletzt kann man den Schülern/innen noch die Information des ÖGE zeigen (siehe Anhang 23), in welcher aktuelle Zahlen über laktoseintolerante Menschen in Österreich und die Auswirkungen von Laktoseintoleranz dargestellt werden. Nachdem die Schüler/innen all diese Informationen haben, kann man mit ihnen diskutieren, wie wahrheitsgetreu dieser TV-Spot zu bewerten ist und welche Interessen dahinterstehen (Anregung des Kaufverhaltens der Menschen durch Betonung des gesundheitlichen Aspektes der Produkte, etc.). Anhand dieses Beispiels sollen die Schüler/innen lernen, inwieweit Medien von Konzernen, Firmen oder Kampagnen dafür genutzt werden, um ihre Ziele zu errei- chen, und was dies für die Tiere bedeutet. Als weiteres Beispiel für die Wirkungsmacht der (Neuen) Medien kann der Bericht (siehe Anhang 24) her- P Methodenkomp. angezogen werden, in welchem über den Unfall eines Tiertransporters berichtet wird. Obwohl in diesem P Urteilskomp. Tausende Hühner hauptsächlich die Leidtragenden sind, wird nur sehr wenig über diese Tatsache berichtet. Wenn von den Hühnern gesprochen wird, ist die Rede von „lebendiger Fracht“, „Federvieh“ und von einer „Hendl-Jagd“ bzw. einem „ChickenRun“. Des Weiteren wird mehrmals betont, welchen großen Aufwand dieser Unfall für die im Einsatz stehenden Feuerwehrmänner und die Autofahrer bedeutete und dass die Autobahn für mehrere Stunden gesperrt werden musste. Wenn man diesen Beitrag mit der anthropozentri-

115

schen Brille liest (siehe Kapitel 3), bekommt man fast schon den Eindruck, als wäre das Einfangen der überlebenden Hühner ein lästiger Zeitaufwand, der so gering wie möglich gehalten werden sollte, um nicht noch mehr Unannehmlichkeiten für die Autofahrer zu verursachen. Der „humorvolle“ Kommentar der Po- lizei unterstützt diese Sicht noch zusätzlich. Legt man diese Brille ab und versucht man, diesen Bericht gegen den Strich zu lesen, so erkennt man, dass nur marginal und sehr neutral auf die Situation der Tiere eingegangen wird. Die Schüler/innen sollen durch die Beschäftigung mit diesem Beitrag erkennen, welche wichtige Rolle die Medien in Bezug auf die Kreierung des Mensch-Tier-Verhältnisses spielen. Ein Bericht, in welchem nämlich vorwiegend die negativen Folgen für die beteiligten Menschen hervorgehoben werden und die eigentliche Tragödie, nämlich der Tod von mehreren Tausend Tieren, fast nur eine beiläufige Er- wähnung findet, verstärkt die menschliche Sicht auf die Tiere als Objekte bzw. Ware. In diesem Zusam- menhang kann auch auf die verwendete Sprache in diesem Bericht eingegangen und untersucht werden, inwieweit sie dabei hilft, diese Ansicht zu verstärken (siehe hierzu das Modul 9 der 3. Klasse der AHS Unterstufe bzw. der NMS).

116

6. Schluss In dieser wissenschaftlichen Arbeit sollte der Versuch unternommen werden, den Machtmiss- brauch am Tier durch die Aufarbeitung des historischen Kriegseinsatzes von Pferden darzu- stellen. Der Mensch bezeichnet sich gerne als intelligentestes Lebewesen und kann zu Recht auf viele großartige und beeindruckende Errungenschaften und Entwicklungen verweisen und dennoch ist seine Geschichte geprägt vom Leid, der Ausnutzung und Gewalt gegenüber ande- ren Lebewesen. Anhand der gemeinsamen Beziehungsgeschichte von Pferden und Menschen sollte aufgezeigt werden, wie sehr die Menschen von den Pferden profitierten und dass dies auf Kosten der Freiheit und des Lebens von Letzteren geschah. Der Mensch domestizierte ein einst wildes und freies Tier, um es fortan für seine Zwecke zu gebrauchen. Zunächst als Fleischlieferant genutzt, machte der Mensch bald Gebrauch vom Pferd als vorteilhaftes Fort- bewegungsmittel. Durch ausgewählte Zucht konnte er es immer mehr seinen Wünschen an- passen und er schreckte auch nicht davor zurück, diese Tiere für seine Kriege einzusetzen, die mit der Zeit und dem damit einhergehenden technischen Wandel immer schrecklichere For- men annahmen. Wenngleich die Pferde keinen aktiven historischen Kriegseinsatz mehr leisten müssen und weitgehend aus unserem Alltag verschwunden sind, so bedeutet dies nicht das Ende ihrer Leidensgeschichte, wie es auch Erhard Oeser definiert: „Die Gemeinschaft mit dem Pferd war zwar für den kulturellen und wirtschaftlichen Aufstieg des Menschen und seiner Verbreitung und Herrschaft über die ganze Erde ei- ne unabdingbare Notwendigkeit. Doch nach all dem, was ihm vom Menschen angetan wurde und auch heute noch angetan wird, stellt sich die Frage, ob es für das Pferd nicht besser gewesen wäre, wenn es dem Menschen nie begegnet wäre.“542

Der Machtmissbrauch am Tier vollzieht sich auch heute noch in vielen Bereichen und es liegt vor allem an der jungen Generation, dass sich hieran etwas ändert, was im fachdidaktischen Teil dieser Arbeit klargemacht werden sollte. Nur so ist der Weg in eine tiergerechte Zukunft frei, „where the nonhuman animals’ socio-cognitive abilities, their subjectivity, their individ- uality (integrity), and their own needs and desires (vulnerability, self-determination and digni- ty) should be preserved, also within the human-nonhuman interaction”.543

542 Oeser, Pferd und Mensch, S. 183. 543 Francesco De Giorgio (Quelle: Vortrag von José De Giorgio-Schoorl am 14.12.2017). 117

7. Anhang Anhang 1

Prozess gegen eine Sau.544

Anhang 2

Hund Taro im Gefängnis in Tennesse.545

544 Histoire de la folie, Curiosités judiciaires et historiques du Moyen Âge. Procès contre les animaux, o.D., [http://www.histoiredelafolie.fr/sorcellerie/proces-faits-aux-animaux-curiosites-judiciaires-et-judiciaires-du- moyen-age-par-emile-agnel-1858], eingesehen 18.01.2018. 545 WeltN24, Schuldig! − Tiere auf der Anklagebank, 21.03.2014, [https://www.welt.de/vermischtes/kurioses/article125886895/Schuldig-Tiere-auf-der-Anklagebank.html], einge- sehen 18.01.2018. 118

Anhang 3 Schuldig! – Tiere auf der Anklagebank546 […]

Hunde im Todestrakt, Schweine am Galgen, Elefanten auf dem elektrischen Stuhl. Dass Tie- re sich vor Gericht zu verantworten haben, war früher gängige Praxis und endet erst in den 90er-Jahren.

Taro hatte Glück. Es war das größte Glück, das man haben kann. Ta- ro kam mit dem Leben davon. Nach drei Jahren im Todestrakt von Trenton, dem Hochsicherheitsgefängnis von New Jersey, kam dem Gefangenen Nr. 914095 eine Mitteilung zu: Er sei begnadigt worden zu lebenslänglich statt Todesstrafe.

Diese existenzielle Neuigkeit bekam Taro nicht so richtig mit. Er war nur ein Hund, 50 Kilo schwer, fünf Jahre alt, eine japanische Rasse namens A- kita Inu. Und rechtskräftig von der US-Justiz zum Tode verurteilt.

Taro hatte ein Mädchen gebissen. Es war eher ein Schnapper gewesen und der Schrecken schlimmer als die Wunde. Aber Taro hatte das falsche Bein erwischt. Es gehörte der Nichte des Sheriffs. Das war im Jahr 1991. Taro ist das letzte Tier gewesen, das ein US-Gericht für schuldfähig hielt.

[Für Taro, den Hund in der Todeszelle, kam die Befreiung 1994, nach tau- send Tagen im Knast. New Jerseys frisch gewählte Gouverneurin ersparte dem Hund weitere Tage in Haft, allerdings mit Auflagen: lebenslanges Exil, Verbannung nach Alaska und Übergabe an neue Besitzer, die garantierten, für alle künftigen Schäden und Unfälle zu haften.]

546 Ebd. 119

Schwein am Galgen

Dass Tiere wie Menschen sich vor Gericht zu verantworten haben, dass sie manchmal über Wochen einsitzen neben menschlichen Häftlingen in Un- tersuchungshaft, war früher nicht selten und ist bis vor wenigen Jahrhun- derten vielerorts gängige Praxis gewesen.

Es gibt berühmte und historisch wirksame Urteile, die gegen Tiere ergingen. Dazu gehört ein Verfahren 1386 in Frankreich. Es endete damit, dass ein staatlicher Henker ein Schwein an den Galgen brachte, das einen drei Mo- nate alten Säugling mit einem Biss getötet hatte.

Der Prozess ist bekannt als das „Tribunal von Falaise“. In der Kirche des kleinen westfranzösischen Dorfes ist er malerisch auf einer Wand doku- mentiert. Eine Szene zeigt das Schwein kurz vor dem Exitus. Dort trägt die Sau einen Strick um den Hals. Für die Hinrichtung war sie mit Jacke und Hose bekleidet.

Wölfe, Säue, Kühe, Pferde, auch Elefanten verendeten durch Erhängen, Verbrennen, Erwürgen, Köpfen. In Jülich flochten einige Gerechte 1582 ein Schwein aufs Rad – in der Hoffnung, es möge anderen „zum abscheulichen Exempel dienen“. Das Schwein hatte eine geweihte Oblate gefressen.

Die Elefantenkuh „Mörderische

Weltweit berühmt wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts der Fall der „mörderischen Mary“, einer Elefantenkuh. Mary war ein asiatischer Elefant, fünf Tonnen schwer. Eine der Hauptattraktionen jenes Wanderzirkus, der am 11. September 1916 in Erwin, Tennessee Station gemacht hatte. Mary, von Natur aus ein friedliches Tier, fühlte sich an diesem Morgen erst von Unruhe, dann von Panik überwältigt, weil es nicht ihr Pfleger war, der sie

120

zur Tränke führte. Es war ein Fremder. Eine Hilfskraft, ein Junge, Red Eld- ridge.

Er arbeitete als Hotelboy am Ort. Mary, orientierungslos, geriet außer sich, und Eldridge strauchelte erst, dann ging er zu Boden. Einer von Marys vier panisch trampelnden Elefantenstampfern zerdrückte ihm den Kopf. Der Sheriff beraumte die Hinrichtung des Elefanten an. Die fand am 13. Sep- tember, dem Tag nach dem Unfall, statt, vor 3000 sensationshungrigen Zeugen. Es regnete, als man Mary an eine Eisenbahntrasse führte. Ein La- dekran stand dort.

Polizisten legten ihr eine Kette mit zwei Zentimeter starken Stahlgliedern um den Hals. Daran hievte der Kran Mary in die Höhe, sie zappelte mit ih- ren massigen Gliedern – und dann riss die Kette. Mary fiel und brach sich das Becken. Der zweite Versuch, mit einer verstärkten Kette und einem schwer verwundeten Tier, schlug nicht mehr fehl. Der Todeskampf habe zehn Minuten gedauert, schrieb die „New York Times“.

Mary war nur einer von einigen exekutierten Elefanten in der großen Zeit der Zirkusse Anfang des 20. Jahrhunderts. Ließ sich ein Direktor ohne Ele- fanten in der Arena blicken, stiegen die Zuschauer auf die Stühle. Es gab Unfälle mit Menschen und Elefanten, sie waren unvermeidlich. Aber das Unheimliche in der Welt und erst recht im exotischen Tier verlangte nach beherzten Juristen.

[…]

121

Anhang 4 Prozess wegen Tierquälerei: Durstige Ferkel waren kein Strafdelikt547

Im Jänner fiel der Polizei bei der Kontrollstelle Kundl ein polnischer Tiertransporter ins Auge. Dessen Bereifung war so mangelhaft, dass es bei Minusgraden für die zwei Frachtführer erst einmal zum Reifenwechsel kam. Keine Sache von Minuten – und so rückte auch gleich der Amtstierarzt zu den 649 geladenen Ferkeln an. Dabei wurde fest- gestellt, dass diesen keinerlei Wasser zur Verfügung gestanden hatte. Grund: Wegen der Kälte war im Transporter die Wasserleitung eingefroren. Niemand weiß, wann dies während der bereits 16-stündigen Transportfahrt von Dänemark in Richtung eines italie- nischen Schlachthofs passiert war. Gestern am Landesgericht mussten sich die beiden Fahrer wegen Tierquälerei verantworten. Verteidiger Hubertus Weben gestand für seine Mandanten zwar den Sachverhalt zu, betonte jedoch, dass man hier nicht gleichgültig ohne Wasser gestartet wäre, sondern wegen der Standzeit schlicht die Leitung eingefro- ren war. Zudem hätten die Polen wegen der desolaten Reifen ohnehin schon 4500 Euro Sicherheitsleistung in Kundl zurücklassen müssen. Vor Richter Thomas Dampf beschwo- ren dann auch die Angeklagten, dass ihnen der Vorfall „sehr, sehr leid“ tue. Man habe das Trinkwasser sogar mit einem Frostschutz versetzt. Die Ausführungen des Amtstier- arztes sorgten jedoch letztlich sogar für einen Doppelfreispruch. So wären bei den Fer- keln keine Anzeichen von Dehydrierung zu erkennen gewesen. Ein Anzeichen, dass die Tiere durch die Wasserknappheit doch eher keine Qualen erlitten hatten. Da das Gesetz bei Tiertransporten für den Straftatbestand der Tierquälerei jedoch nach einem „qualvol- len Zustand über längere Zeit“ verlangt, resümierte Staatsanwältin Veronika Breithuber, dass hier wohl der Tatbestand strafrechtlich nicht vorliege. […]

547 Tiroler Tageszeitung, 13.12.2017, [http://www.tt.com/panorama/verbrechen/13777575-91/prozess-wegen- tierquälerei-durstige- ferkel-waren-kein-strafdelikt.csp], eingesehen 19.01.2018. 122

Anhang 5 § 222 StGB Tierquälerei548

StGB - Strafgesetzbuch Berücksichtigter Stand der Gesetzgebung: 19.01.2018

(1) Wer ein Tier

1. roh misshandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt,

2. aussetzt, obwohl es in der Freiheit zu leben unfähig ist, oder

3. mit dem Vorsatz, dass ein Tier Qualen erleide, auf ein anderes Tier hetzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer, wenn auch nur fahrlässig, im Zusammenhang mit der Be- förderung mehrerer Tiere diese dadurch, dass er Fütterung oder Tränke unterlässt, oder auf andere Weise längere Zeit hindurch einem qualvollen Zustand aussetzt.

(3) Ebenso ist zu bestrafen, wer ein Wirbeltier mutwillig tötet.

Anhang 6

Die Katzenverfolgung zur Zeit der Hexenprozesse549

Das Christentum war der Katze keineswegs wohlgesonnen, da man ihr möglicherweise die my- thologische Rolle verübelte, die sie bei den Germanen gespielt hatte. Früher betrachtete man die Katze als Verkörperung des Heidnischen.

Mitte des 13. Jh. predigte der Franziskanermönch Bruder Berthold von Regensburg von der Kan- zel, dass ihr Atem die Pest verbreite. Zugleich eiferte er mit scharfen Worten gegen Glaubensab- trünnige: „Der Ketzer heißt deshalb Ketzer, weil er in seiner Art keinem Tier so gleicht, wie der Katze!“

548 Jusline, § 222 StGB Tierquälerei, o.D. [https://www.jusline.at/gesetz/stgb/paragraf/222], eingesehen 19.01.2018. 549 Das Hexenbad, Die Katzenverfolgung zur Zeit der Hexenprozesse, o.D., [http://www.hexenbad.com/info- katze-mittelalter.htm], eingesehen 27.01.2018. 123

Als Papst Innozenz VIII. im Jahre 1484 den folgenschweren Erlass „Summis desiderantes affec- tibus“550 herausgab, war das ungestörte Leben der Katzen endgültig vorbei. Zusammen mit „He- xen“ und Ketzern wurden auch deren Katzen in die Hölle verdammt und der Inquisition mit über- antwortet.

Mit der nun verstärkt einsetzenden Hexenverfolgung, die im 16. und 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, mussten auch unzählige Katzen durch Feuer, Schwert oder auf andere grau- same Weise ihr Leben lassen. Der Besitz einer Katze genügte sogar oftmals, vor allem wenn diese schwarz und ihre Besitzerin alt und gebrechlich war, um als Hexe beschuldigt und verurteilt zu werden. Wer für eine von beiden – Katze oder „Hexe“ – Par- tei ergriff, machte sich selbst verdächtig und hatte mit einem Verhör zu rechnen, das dann oftmals ebenfalls mit dem Todes- urteil endete. Es kam nach dem 30jährigen Krieg eine weit ver- breitete Volksmeinung auf, dass sich eine zwanzigjährige Katze in eine Hexe verwandeln würde, und aus einer hundertjährigen Hexe wieder eine Katze würde. Bis gegen Ende des 18. Jahr- hunderts hielt sich hartnäckig die magische Vorstellung, dass sich Hexen in Katzen verbergen würden, um in dieser Gestalt besser Unheil stiften zu können.

Der Fluch der Kirche traf nicht nur Katzen, denn auch Eulen, Fledermäuse und Kröten waren „Hexentiere“, ja selbst in Hunden, Kühen oder Ziegen glaubte man böse Geister und Dämonen zu erkennen. Das hatte zur Folge, dass man in vollem Ernst gegen Tiere wie gegen Menschen Prozesse durchführte und diese nach einem offiziellen Gerichtsurteil öffentlich hinrichtete. Katzen waren jedoch die am stärksten betroffen. Sie wurden allein oder zusammen mit Hexen, Kindes- mörderinnen, Räubern oder Gottesfrevlern aufgehängt oder in Säcke eingeschnürt und im Was- ser versenkt. Man übergoss sie mit Pech, schnitt ihnen Ohren und Schwänze ab, warf sie in sie- dendes Wasser.

550 Damit gemeint ist die Hexenbulle, in welcher festgeschrieben stand, wie man eine Hexe erkannte und wie man mit ihr verfahren musste. 124

Anhang 7

Abholzung des Regenwaldes.551

Anhang 8

Massentierhaltung von Geflügel.552

551 Abenteuer Regenwald, Die große Gefahr. Was passiert, wenn der Regenwald abgeholzt wird, o.D. [https://www.abenteuer-regenwald.de/index.php], eingesehen 20.01.2018. 552 PlanetBox Du entscheidest!, Industrielle Tierhaltung. Eines der größten Verbrechen der Menschheit, o.D., [https://planetbox-duentscheidest.de/industrielle-tierhaltung-eines-der-groessten-verbrechen-der-menschheit/], eingesehen 20.02.2018. 125

Anhang 9

Arbeiten mit dem Humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten553

553 Josefine Scherling, Humanitäres Völkerrecht. Auch im Krieg ist nicht alles erlaubt. Arbeitsblatt 4, in: MGWU ─ Materialien zu Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt im Unterricht (2010), Nr. 42, [http://www.hvr- entdecken.info/pdf/HVR_Auch_im_Krieg_ist_nicht_alles_erlaubt.pdf], eingesehen 21.01.2018. 126

Anhang 10

Wahlplakat 2013 der Grünen.554

Anhang 11 Umwelt & Energie555 EU-Beitritt und Folgen – Teil 10 – Landwirt- schaft: Wachsen oder Weichen Im Teil 10 beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen des EU-Beitritts auf die Landwirtschaft in Österreich, die sich seither dramatisch verän- dert. Die Weichen wurden auf Wachstum und Intensivierung gestellt und stellt viele bäuerliche landwirtschaftliche Betriebe vor die Wahl, zu wachsen oder zu weichen. Über Jahrhunderte war Österreichs Landwirtschaft durch kleinstruk- turierte Betriebe geprägt. Seit dem EU-Beitritt hat sich das Bild drama-

554 Markus Sturn, Wahlplakate 2013: Zwischen Heimatkitsch und Erlöserphantasien, Vol.at, 23.08.2013, [www.vol.at/wahlplakate-2013-zwischen-heimatkitsch-und-erloeserphantasien/3677533], eingesehen 21.01.2018. 555 Eveline Steinbacher, Umwelt und Energie. EU-Beitritt und Folgen − Teil 10 − Landwirtschaft: Wachsen oder Weichen, Solidarwerkstatt Österreich, März 2017, [https://www.solidarwerkstatt.at/umwelt-energie/21-jahre-eu- beitritt-teil-10-landwirtschaft-wachsen-oder-weichen], eingesehen 24.01.2018. 127

tisch gewandelt. Die Weichen wurden auf Wachstum und Intensivierung gestellt. Kleinbäuerliche Betriebe werden durch die Agroindustrie an den Rand gedrängt. Wer sich nicht spezialisiert oder anpasst, wird verdrängt, was zu einem massiven Rückgang der bäuerlichen Betriebe seit dem EU- Beitritt Österreichs geführt hat. Immer weniger Landwirte bzw. Landwirtinnen bewirtschaften im- mer mehr Flächen und versorgen immer mehr Tiere!

Wachsen oder Weichen Seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 hat sich die Betriebsanzahl um 30,4% verringert. Waren es 1995 noch 238.099 bäuerliche Betriebe so sind es 2013 nur noch 166.317. Die durchschnittliche Betriebsgröße hin- gegen stieg im selben Zeitraum an. Hatte ein Betrieb im Jahr des EU-Beitritts im Schnitt noch 31,5 ha bewirt- schaftet, waren es 2010 42,4 ha und 2013 bereits 44,2 ha. Die Anzahl der Haupterwerbsbetriebe ging seit dem EU-Beitritt um 19.216 Betriebe (-23,7%) und jene der Nebenerwerbsbetriebe um 58.394 Betriebe (-38,9%) zurück. Im EU-Binnenmarkt heißt es „Wachsen oder Weichen“. Zwischen 1990 und 2013 hat die Zahl der landwirtschaft- lichen Betriebe mit weniger als 50 Hektar Fläche um 47% abgenommen, die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe über 50 Hektar dagegen um 46% zugenom- men. Was nun die Veränderung bei der Viehwirtschaft seit 1995 betrifft stellen wir dramatische Veränderung bei der Anzahl der Viehhalter fest. Gab es beispielsweise 1995 noch 116.593 Rinderhalter sind es 2013 nur noch 61.765. Die Zahl der Schweinehalter sank seit 1995 von 112.080 auf 26.075 und die der Hühnerhalter von 97419 auf 5497. Immer weniger Viehhalter haben eine immer größere Zahl Tiere. Denn während die Anzahl der Halter dramatisch gesunken ist, ist die Gesamtzahl der Tiere gestiegen (siehe Grafiken).

Patent auf Leben Eigentlich sind Patente auf herkömmliche Pflanzen (und Tiere!) gesetzlich verboten. Eigentlich. Denn in fragwürdiger Auslegung des europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erteilt das Europäische Patentamt (EPA) Patente auf ganz gewöhnliche, ohne den Einsatz gentechnischer Methoden gezüch- tete Pflanzen und Tiere. Saatgutkonzerne lassen jetzt herkömmliches Obst und Gemüse patentieren, so z.B. 2015 eine Brokkoli- und eine Tomatenzüchtung. Rund 180 Patente, welche klassische Züch-

128

tung von Pflanzen betreffen, sind bereits erteilt und etwa 1.200 Anträge auf derartige Patente einge- reicht. Europaweit besitzen fünf Firmen die Hälfte der Patente auf Pflanzen: Monsanto, Dupont, Syngenta, BASF und Bayer. Die Patentierung von Tieren und Pflanzen – also Leben – mache die großen Konzerne, die den inter- nationalen Saatgutmarkt schon jetzt kontrollieren, noch stärker, warnen Kritiker: „Kleinbauern wer- den zu Lizenzgebühren gezwungen, wenn sie spezielles Saatgut verwenden“, sagt Thomas Fertl von Bio .

Monopolisierung auf dem Saatgutmarkt Auf gentechnisch veränderte Pflanzen (transgene Pflanzen) wurden seit den 1980er Jahren bis No- vember 2015 1.960 europäische Patente erteilt und 6.750 ebensolche angemeldet. Das österreichi- sche Patentgesetz (ÖPA), das dem Wortlaut des EPÜ folgt, erteilte im Zeitraum 2005 bis November 2015 drei Patente auf transgene Pflanzen. Die voranschreitende Monopolbildung auf dem Saatgutmarkt, die Angebotsverarmung bei Kultur- pflanzen, bringt auch die Arten- und Lebensraumvielfalt in Österreich weiter unter Druck. Ursachen der Biodiversitätsverluste sind schon jetzt u.a. Flächennutzung (Versiegelung) infolge zunehmender Bevölkerungsdichte, Industrialisierung und Infrastruktureinrichtungen (z.B. Straßen), Fragmentie- rung und Zerstörung von Lebensräumen, der Klimawandel. 27% der Säugetiere, 27% der Vögel, 60% der Kriechtiere und Lurche stehen auf der Roten Liste sowie ca. 33% der Farn- und Blütenpflanzen sind gefährdet. Der Zoologe Thomas Frank, Universität für Bodenkultur, meint: „Eine große Artenvielfalt sorgt für fruchtbare Böden, Bestäubung von Kulturpflanzen und Klimaregulation. Eine reich strukturierte Agrar- landschaft fördert die Artenzahl an Nützlingen, was im Zuge der sogenannten biologischen Schädlings- kontrolle zu einer Reduktion an landwirtschaftlichen Schädlingen führen kann. Und die weltweite Ern- temenge an Kulturpflanzen würde dramatisch abnehmen ohne eine artenreiche Gemeinschaft an be- stäubenden Insekten wie Wildbienen, Honigbienen, Hummeln oder Schwebfliegen.“

Verringerung der Artenvielfalt Vielfach unbeachtet in der Diskussion „Bienen und Landwirtschaft“ sind die Entwicklungen in der Bewirtschaftung des Grünlandes in den letzten Jahrzehnten. Die Entwicklungen in der Viehwirtschaft, wie z.B. Fütterung (Ganzjahressilage) und „Zuchtfort- schritt“ in der Milchleistung, führte dazu, dass Grünland nun statt nur 2-3 Mal bis zu 5 Mal im Jahr geschnitten wird. Dies verringert die Artenvielfalt der Pflanzen – besonders dramatisch auch bei den bienenrelevanten. Neben giftigen Pestiziden setzt den Bienen der latente Mangel an einem vielseiti- gen Pollenangebot zu. Dies verringert Widerstandskraft und Lebensdauer der Bienenvölker. Die Zahl der Imker und Bienenvölker hat seit EU Beitritt abgenommen. Gab es 1995 noch 28.447 ImkerInnen mit gesamt 393.723 Bienenvölkern, so sind es 2014 in Österreich nur noch 25.277 Bie- nenhalterInnen mit ca. 376.100 Bienenvölkern. Von diesen verfügen 380 Imkerinnen jeweils über mehr als 150 Bienenvölker. Gemeinsam knapp 88.540 Bienenvölker, also rund ein Viertel aller. Auch hier scheint sich der Trend zu immer weniger Bewirtschaftern fortzusetzen.

Unter die Räder der Agroindustrie Viel wurde vor der Volksabstimmung zum EU-Beitritt am 12. Juni 1994 von Regierung und Sozial- partner versprochen - eine bäuerlich strukturierte, naturnahe Landwirtschaft, “Österreich als Delika- tessladen Europas”. Tatsächlich hat die EU Agrarpolitik, die auf Massenproduktion und Exporte setzt, 129

dazu geführt, dass immer mehr kleinbäuerliche Betriebe dem Druck nicht mehr standhalten, unter die Räder der Agroindustrie kommen und aufgeben. Wenn wir weg wollen von großstrukturierter, tierquälerischer, umweltbelastender und arbeitsplatzarmer Agroindustrie, wenn wir Ernährungs- souveränität erreichen wollen, ist es notwendig den Vertrag mit der EU zu kündigen.

Anhang 12

Wie Massentierhaltung zur Erderwärmung beiträgt556

Eine immer weiter steigende Zahl an Bio-Konsumenten, Umweltschützern und Klimaexperten haben einen umfassenden Blick auf die fundamentalen Ursachen der Erderwärmung geworfen. Dabei sind sie zu einer ernüchternden Erkenntnis gekommen: unsere modernen genetisch modifizierten Orga- nismen sind, zusammen mit industrieller Massentierhaltung, die größten Verursacher des von Men- schen ausgelösten Klimawandels.

Wie sind sie zu diesem Schluss gekommen? Primär durch einen umfassenderen Blick auf die wissen- schaftlichen Daten über Treibhausemissionen. Dabei wurde der Fokus nicht nur auf den Kohlendi- oxidausstoß gelegt, sondern auch auf den Ausstoß von Methan und Lachgas. Des Weiteren wurde die Menge an fossilen Brennstoffen ermittelt, die für die gesamte Massentierhaltung inklusive deren Produktion und Weiterverarbeitung benötigt wird. Darunter fallen die benutzten Werkzeuge, die Produktion, die Weiterverarbeitung, der Vertrieb, das Heizen, das Kühlen, die Versorgung mit Strom und der entstehende Müll. Auch wurden Faktoren berücksichtigt, die einen direkten Einfluss auf die moderne Landwirtschaft haben, wie beispielsweise die Entwaldung oder die Zerstörung von Feucht- gebieten.

556 Manfred Strecker, Wie Massentierhaltung zur Erderwärmung beiträgt, Energieinitiative, 29.01.2015, [http://energieinitiative.org/wie-massentierhaltung-zur-erderwaermung-beitraegt/#prettyPhoto], eingesehen 24.01.2018. 130

In diesen Zuständen leben Tiere in Anlagen zur Massentierhaltung

Wenn man alles zusammenzählt, bekommt man ein klares Ergebnis – die moderne Landwirtschaft schadet dem Planeten. Die Massentierhaltung spielt in diesem Disaster eine Schlüsselrolle.

Die Wissenschaft hinter der Erderwärmung ist sehr kompliziert. Keine Frage: Kohlekraftwerke, fossi- le Brennstoffe und der Abbau von Gas durch natürliches Fracking haben stark zur Verschmutzung durch Treibhausgase beigetragen, welche letztendlich auch der Grund für die Erderwärmung sind. Aber der Überkonsum von fossilen Brennstoffen durch die Bevölkerung spielt bei der Erderwärmung eine ähnliche Rolle. Wir müssen absolut alles überdenken und umgestalten, angefangen von unseren Benzin verschleudernden Autos bis hin zu unseren energetisch ineffizienten Häusern, wenn wir in den nächsten Jahrzehnten den Verbrauch von fossilen Brennstoffen um 90 % reduzieren wollen.

Wir sollten aber auch den Umwelteinfluss der Massentierhaltung mit einbeziehen.

Mittlerweile sind weltweit rund 65 Milliarden Tiere, zu denen Schweine, Kühe und Hühner gehören, in Anlagen für Massentierhaltung zusammengepfercht. Diese Tiere werden buchstäblich unter unge- sunden, unhygienischen und brutalen Bedingungen eingesperrt und gefoltert. Für diese eingesperr- ten Tiere, die mit genmodifiziertem Futter gefüttert werden, statt natürliches Futter zu bekommen, zählen Krankheiten zur Tagesordnung. Um diesen Krankheiten, die durch Stress, Überfüllung und einem Mangel an Vitamin D entstehen, entgegenzuwirken, werden Antibiotika verfüttert. Diese Anti- biotika stellen für die Natur eine direkte Bedrohung dar, weil sie in unsere Bäche, Flüsse, in unser Grundwasser und letztendlich in unser Trinkwasser gelangen.

131

Eine Abwassersammelstelle neben einer Anlage zur Massentierhaltung

Anlagen zur Massentierhaltung erzeugen eine große Menge von Treibhausgasen, die direkt in die Atmo- sphäre gelangen – mehr als die weltweite Transportindustrie. Die Luft in manchen Regionen der USA, in denen Massentierhaltung betrieben wird, ist laut Tests dreckiger als die Luft in Großstädten, die mit einer starken Luftverschmutzung zu kämpfen haben, was das Environmental Integrity Project her- ausfand. Laut einem Bericht der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), der 2006 veröffentlicht wurde, ist die Massentierhaltung für 18 % aller von Menschen produzierten Treibhausgase verantwortlich. Sie stellt außerdem 37 % des Methanausstoßes und 65 % des Lach- gasausstoßes dar. Pro Tonne ist das Methan, das von Massentierhaltungsanlagen ausgestoßen wird, 70 Mal schädigender für die Erdatmosphäre als Kohlendioxid. Indirekt trägt die Massentierhaltung aber noch weiter zum Klimawandel bei. Oben nicht berücksich- tigt sind Entwaldung und das Austrocknen von Feuchtgebieten. Außerdem spielt der Lachgasaustoß eine große Rolle, der durch das Versprühen von Pestiziden entsteht, um genmodifiziertes Futter für die Tiere herzustellen, die in der Massentierhaltung leben. Die Verschmutzung durch Lachgas ist sogar noch schlimmer als die des Methans und ganze 200 Mal pro Tonne schädigender als Kohlendi- oxid. Pestizide und Dünger gelangen, genau wie Antibiotika, in unser Wassersystem und schädigen von dort aus die Umwelt zusätzlich.

132

Auch Pestizide gelangen in das Grundwassersystem

Die Massentierhaltung ist nicht nur ein Disaster für die Umwelt. Sie schadet auch unserer Gesund- heit. Immer mehr Experten warnen davor, dass der exzessive Gebrauch von Antibiotika und Wachs- tumshormonen dazu führt, dass die industriell gefertigte Nahrung Krankheitserreger enthält, die resistent gegenüber Antibiotika sind. Außerdem befinden sich im Fleisch auch Rückstände der Wachstumshormone und Antibiotika, die negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper ha- ben. Trotz dieser Gefahren für Gesundheit und Umwelt weiß fast kein Verbraucher, dass 95 % der täglichen Produkte wie Fleisch, Eier und Milchprodukte aus Massentierhaltung gewonnen wer- den. Was sie auch nicht wissen ist, dass die Anlagen zur Massentierhaltung durch ein unterneh- mensgesteuertes System kontrolliert werden und geringe Margen haben, die durch eine große Pro- duktion, Verarbeitung und Distribution an Rentabilität gewinnen.

Es gibt dabei durchaus Alternativen, wie beispielsweise sozial verträgliche kleine Systeme, von un- abhängigen Produzenten und Verarbeitern auf regionaler Ebene geschaffen werden. Solche Systeme würden qualitative Nahrung herstellen und den kleinen Bauern unterstützen, der seine Produkte wie Eier, Milch und Fleisch unter humanen Methoden herstellt.

Und außerdem wäre es für die Umwelt viel besser.

Verbraucher können die großen Kooperationen boykottieren, die auf Massentierhaltung setzen und umweltfreundliche Alternativen bevorzugen. Davor müssen wir aber unser Recht zurückgewinnen, zu erfahren, was sich in unserem Essen befindet. Darunter fällt nicht nur die Kennzeichnung von GMO-Nahrung, sondern auch die Kennzeichnung von Nahrung, die das Produkt von Massentierhal- tung ist.

133

2013 hat eine Vielzahl von Umwelt- und Naturschützern sowie Aktivisten einen Kampf um die besse- re Etikettierung von Nahrung eingeleitet: Fleisch, Eier und Milchprodukte aus Massentierhaltung. Dabei sollen Verbraucher genau über die Konsequenzen der Massentierhaltung informiert werden, damit sich viele Menschen organisieren und mit in diesen Kampf ziehen. Das Ziel: die weitreichende Kennzeichnung von Nahrung aus Massentierhaltung.

Genmodifizierte Nahrung und Nahrung aus Massentierhaltung sollte speziell gekennzeichnet werden

Gegner und Skeptiker werden sich fragen: „wie soll die Welt ernährt werden?“. Entgegen aller be- kannten Argumente ist Massentierhaltung keine günstige und effiziente Lösung, um den Welthunger zu bekämpfen. Es wird mehr Getreide für die Fütterung von Tieren in Massentierhaltung verbraucht, als Nahrung damit produziert wird. Alleine das Getreide könnte mehr Menschen ernähren als die daraus produzierte Nahrung. Pro 100 Kalorien in Form von Getreide, bekommen wir aus der Massen- tierhaltung nur 30 Kalorien in Form von Fleisch, Milch oder Eiern zurück. Das ist ein Verlust von 70 Prozent.

Angesichts der Tatsache, dass die Weltpopulation bis zur Mitte des Jahrhunderts auf neun Milliarden Menschen ansteigen wird, können wir uns diese leichtsinnige, ungesunde und für die Umwelt desas- tröse Nahrungsproduktion nicht mehr leisten. Wir sind uns sicher, dass die Verbraucher nach Alter- nativen suchen würden, wenn sie die Wahrheit über Massentierhaltung wüssten. Um das zu errei- chen, muss der Verbraucher wissen, was in seiner Nahrung ist und woher die Nahrung stammt.

134

Anhang 13

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

135

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

136

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

137

Anhang 14

Bevölkerungsentwicklung557 Bevölkerung in absoluten Zahlen und Wachstumsrate pro Jahr in Prozent, weltweit 1950 bis 2060

Den größten Teil der Menschheitsgeschichte hat sich die Bevölkerungszahl nur langsam verändert – noch vor 500 Jahren lebten lediglich 500 Millionen Menschen auf der Welt. Erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts hat ein massives Bevölkerungswachstum eingesetzt. Im Jahr 1800 lebten bereits eine Milliarde Menschen auf der Welt und gut 200 Jahre später waren es sieben Milliarden. Auch wenn sich das Wachstum etwas verlangsamt hat, nimmt die Weltbevölkerung gegenwärtig jedes Jahr um rund 83 Millionen Menschen zu. Nach Berechnungen der UN wird die Bevölkerungszahl im Jahr 2050 zwischen 8,7 und 10,8 Milliarden liegen. Wird ein längerer Zeitraum betrachtet, wirken sich die unterschiedlichen Annahmen zur Geburtenhäufigkeit immer stärker aus: Eine rechnerische Diffe- renz von einem Kind pro Frau führt bis zum Jahr 2100 zu Bevölkerungszahlen zwischen 7,3 und 16,6 Milliarden.

Fakten

Vor 2.000 Jahren lebten schätzungsweise 300 Millionen Menschen auf der Welt – weniger als heute in den 19 Staaten des Euroraums. Während die Bevölkerungszahl in den folgenden 1.000 Jahren weitgehend stagnierte und sich zwischen den Jahren 1000 und 1500 nur moderat auf 500 Millionen erhöhte, hat sich das Bevölkerungswachstum etwa ab der Mitte des 17. Jahrhunderts stark beschleunigt. Um 1800 lebten rund eine Milliarde Menschen auf der Welt, hundert Jahre später waren es 1,65 Milliarden und 1950 bereits 2,52 Milliarden. Seit 1999 leben mehr als 6 Milliarden, seit 2011 mehr als 7 Milliarden Menschen auf der Welt (2015: 7,35 Mrd.). Die Bevölkerungsvorausberechnungen des Department of Economic and Social Affairs (UN/DESA) reichen von 8,7 bis 10,8 Milliarden Menschen für das Jahr 2050. Nach der mittleren

557 Bundeszentrale für politische Bildung, Bevölkerungsentwicklung. Bevölkerung in absoluten Zahlen und Wachstumsrate pro Jahr in Prozent, weltweit 1950 bis 2060, 01.07.2017, [www.bpb.de/52699], eingesehen 24.01.2018. 138

Variante wird die Bevölkerungszahl im Jahr 2050 bei 9,73 Milliarden liegen.

Vor allem in Hinblick auf die globalen Ressourcen ist die Bevölkerungsentwicklung von großem Interesse, da Bevölkerungswachstum gekoppelt mit ökonomischer Marktintegration bzw. mit der Verbreitung konsum- intensiver Lebensstile eine beschleunigte Reduzierung der natürlichen Vorkommen bedeutet. Wann die "Grenze des Wachstums" erreicht wird, wurde in der Vergangenheit häufig falsch datiert. Es besteht aber kein Zweifel an der Endlichkeit vieler Ressourcen, die für die bestehenden Gesellschaftsformen unverzicht- bar sind. Die Bevölkerungsentwicklung entscheidet also mit darüber, wie schnell sich die Menschheit den natürlichen Grenzen nähert.

Das höchste durchschnittliche Bevölkerungswachstum pro Jahr fällt in den Zeitraum von 1985 bis 1990. In diesem Zeitraum erhöhte sich die Bevölkerungszahl um jährlich 91,4 Millionen. Obwohl die Wachstumsra- ten in dem Zeitraum 1960 bis 1975 höher waren, waren die absoluten Zuwächse geringer, da das Bevölke- rungsniveau insgesamt noch niedriger war. Gegenwärtig nimmt die Weltbevölkerung jedes Jahr um rund 83 Millionen Menschen zu. Zum Vergleich: In Deutschland lebten 2015 rund 82 Millionen Menschen.

Nach den Bevölkerungsvorausberechnungen des UN/DESA (mittlere Variante) wird sich das Bevölke- rungswachstum zwar deutlich abschwächen, aber selbst bis zum Jahr 2100 nicht umkehren. Lediglich bei der niedrigen Variante der Bevölkerungsvorausberechnungen nimmt die Zahl der Menschen rund um das Jahr 2055 ab. Allerdings würde auch bei dieser Variante die Weltbevölkerung – bei insgesamt sinkenden Wachstumsraten – zunächst auf gut 8,7 Milliarden zunehmen.

Die absolute Zunahme der Bevölkerungszahl hat auch Einfluss auf die Bevölkerungsdichte. 1950 lag die Bevölkerungsdichte bei durchschnittlich 19,4 Personen pro Quadratkilometer, 1990 war die Bevölkerungs- dichte bereits mehr als doppelt so hoch (40,8). 2015 entfielen auf einen Quadratkilometer 56,5 Personen, 2050 werden es nach der mittleren Variante der Bevölkerungsvorausberechnungen des UN/DESA 74,8 Personen pro Quadratkilometer sein.

Bei der mittleren Variante der Bevölkerungsvorausberechnungen des UN/DESA wird davon ausgegangen, dass die weltweite Geburtenhäufigkeit von 2,51 Kindern pro Frau (2010–2015) auf 2,25 bzw. 1,99 Kinder pro Frau (2045–2050 bzw. 2095–2100) sinkt. Eine rechnerische Abweichung der Geburtenhäufigkeit von rund 0,5 nach oben (hohe Variante) erhöht die weltweite Bevölkerungszahl um 1,1 Milliarden im Jahr 2050 bzw. um 5,4 Milliarden im Jahr 2100. Eine Abweichung von rund 0,5 nach unten (niedrige Variante) senkt die Bevölkerungszahl – wiederum im Vergleich zur mittleren Variante – um eine Milliarde im Jahr 2050 bzw. um 3,9 Milliarden im Jahr 2100. Im Zeitraum von 1950 bis 1955 lag die Geburtenhäufigkeit weltweit noch bei fünf Kindern pro Frau (4,96).

139

Anhang 15

Massentierhaltung Hühner.558

Anhang 16

Sündenfall.559

558 Pinterest, Massentierhaltung Hühner, o.D., [https://www.pinterest.de/explore/massentierhaltung-hühner/], eingesehen 24.01.2018. 559 Spiegel online, Sündenfall, 17.09.2017, [http://www.spiegel.de/spiegel/adam-und-eva-die-wahre-geschichte- hinter-dem-mythos-a-1167891.html], eingesehen 25.01.2018. 140

Anhang 17

Luzifer frisst Menschen.560

Anhang 18

Menschenfressender Teufel.561

560 Panoptikum, Luzifer frisst Menschen, o.D., [http://www.panoptikum.net/bildergalerie/luzifer-frisst- menschen.htm], eingesehen 25.01.2018. 141

Anhang 19

Als die Erde noch eine Scheibe war562

Die Erde als Scheibe: mit von der Kante herabstürzenden Schiffen und Monstern im Erdreich.

Quelle: Antar Dayal/Illustration Works/C/Illustration Works

Ungeheuer in Ozeanen, Drachen unter den Füßen: Ein Bildband zeigt, wie sich die Men- schen in der Antike und im Mittelalter die Welt vorstellten.

Vermessen ist der letzte Winkel der Erde. Heute gibt es keine "terra in- cognita" mehr, jeder Fleck der Topografie ist bekannt. Mit GPS wird ge- wandert, mit Google Earth durch die Welt gezoomt, und Satelliten orten auch das, was lieber versteckt bleiben sollte. Die moderne Landvermes- sung lässt kaum Platz für Legenden und Mythen, für Atlantis und Avalon, für verschollene Städte und Inseln als Spielwiesen der Fantasie.

561 Panoptikum, Menschenfressender Teufel, o.D., [http://www.panoptikum.net/bildergalerie/fledermaus-frisst- menschen.htm], eingesehen 25.01.2018. 562 Kira Hanser, Als die Erde noch eine Scheibe war, Welt, 08.03.2011, [https://www.welt.de/reise/article12733147/Als-die-Erde-noch-eine-Scheibe-war.html], eingesehen 25.01.2018. 142

Wie aber war der Blick auf die Welt, als sich Kartografen noch auf die Be- richte von Seefahrern, Kaufleuten und Forschern verlassen mussten? Sie kannten ja nur wenige Fakten, hörten umso mehr Gerüchte, aber auch Irr- tümer, Übertreibungen und Schwindeleien. Sie nahmen gezielte Fehlinfor- mationen in die Karten auf, weil sie ständig zwischen Wissenschaft, Kirche und Politik abwägen mussten. So erfanden sie an ihren Zeichenpulten eine sagenhafte Welt.

[…]

Landkarten können verschiedene Geschichten zur gleichen Zeit erzählen: War die Erde eine Scheibe oder doch eine Kugel? Der Meinungsstreit wur- de jahrhundertelang verbissen ausgetragen. Für Mathematiker der Antike wie Sokrates und Pythagoras war es nur logisch, dass die Erde rund sein musste. Der Geograf Eratosthenes berechnete bereits im 3. Jahrhundert vor Christus den heute gültigen Erdumfang erstaunlich präzise, und der rö- mische Gelehrte Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) schrieb: "Die Form der Erde ist die erste Tatsache, über die allgemeine Einigkeit herrscht. Die Erde ist eine Kugel und besitzt zwei Pole."

Doch die christliche Kirche sah das ganz anders. Noch gut 700 Jahre spä- ter beharrte Papst Zacharias (679–752) darauf, dass die Erde flach sei. Die Vorstellung einer Erdkugel nannte er "pervers und sündhaft" (es war übri- gens derselbe Papst, der auch den Hasen offiziell verdammte wegen des- sen unbekümmerten Paarungsverhaltens). So blieb die Erde also auf den Kirchenkarten weiterhin eine Scheibe.

Und wo lagen die gefürchteten Dämoneninseln? 500 Jahre lang wurden sie von Generationen von Kartografen getreulich vor die Küste Neufundlands in die Karten eingezeichnet, ein Reich voller Monster und Drachen. Ein reines Hirngespinst, wie sich viel später herausstellte – so wie Kalifornien im 16. Jahrhundert irrtümlich für eine "von schwarzen Amazonen bewohnte Insel" gehalten wurde.

[…]

143

Anhang 20

Ausschnitt aus dem Artikel „Nationalsozialismus, Propagandafilme im Nationalsozialis- mus/Der Film »Der ewige Jude«“563

Besonders menschenverachtend, aber wirkungsvoll für die Manipulation der Zuschauer ist der Vergleich von Juden mit Ratten. In geschickten Kombinationen von Dokumentarischem und Trickfilm werden Juden mit Ratten verglichen. Mit einer einprägsamen Montage wurden "Ratten" und "Juden, im Ghetto dicht aneinander gedrängt" miteinander verglichen. Die Verbreitung der Pest durch die Ratten wird mit der "Verbreitung der Juden in die ganze Welt" verglichen. Der Kommentar dazu lautet: "Sie (die Ratten) begleiten als Schmarotzer den Menschen von seinen Anfängen an, tragen Vernichtung ins Land und verbreiten Krankheiten. Sie sind hinterlistig, feige und grausam und treten meist in großen Scharen auf. Sie stellen unter den Tieren das Element der heimtückischen, unterirdischen Zerstörung dar. Nicht anders als die Juden unter den Menschen". Damit wird gesagt, dass man sich gegen diese Bedrohung "zur Wehr setzen muss". Direkter kann man nicht sagen, dass der Mord an den Juden kein Verbrechen, sondern eine Notwendigkeit war. Der Film sagt, dass Juden keine Menschen, sondern Ungeziefer seien. Indirekt ruft er also zum Völkermord an den Juden auf.

Anhang 21

Der russische Bär gräbt den Kalten Krieg wieder aus.564

563 Daniel Heintz, Nationalsozialismus, Propagandafilme im Nationalsozialismus/Der Film »Der ewige Jude«, 2009, Oppis World, 05.05.2009, [https://www.oppisworld.de/zeit/national/nazfilm1.html], eingesehen 26.01.2018. 144

Anhang 22 Ist Milch nun gesund – oder schädlich?565

[…] Ist Kuhmilch für Menschen überhaupt geeignet?

Viele Menschen sagen, dass sie keine Milch mehr vertragen. Der Milchzucker, auch Laktose genannt, mache ihnen schlimmes Bauchweh und störe die Verdau- ung. Und viele Menschen, die noch Milch vertragen, verzichten freiwillig. Milch soll gar nicht gesund sein, heißt es inzwischen oft, sondern dick machen, Allergien auslösen, für Menschen überhaupt nicht geeignet sein.

Es ist noch nicht so lange her, dass das Gegenteil galt. Die Milch war ein Getränk, das jedes Leiden heilte und Sorgen minderte. Man trank es mit Honig, wenn der Hals schmerzte, oder zum Einschlafen, man gab es Kindern mit einem Keks, wenn sie hingefallen waren oder sonst Trost brauchten.

Die Milch macht’s. Die Schulmilch half beim Lernen und machte munter. Trink deine Milch, wenn du groß und stark werden willst. Die guten Kühe haben für sie das gute Gras gefressen. Milch schmeckt nach Bergluft, gesünder geht es kaum.

Und nun also: ein weißes Gift? Ein Getränk, das für Babykühe gemacht und nur für diese Babykühe geeignet ist, wie Veganer behaupten? Auch die Anhänger der Steinzeitdiät lehnen es ab, Milch zu trinken, die sei ein Irrtum der Menschheit.

Tatsächlich konnte schon der Gletschermann Ötzi, der damals in den Alpen jagte und wanderte, keine Kuhmilch verdauen. Die meisten Menschen seiner Zeit konn- ten das nicht.

564 Neue Zürcher Zeitung, Mobilmachung mit dem Zeichenstift, 14.03.2014, [https://www.nzz.ch/karikaturen- ukraine-krim-krise-1.18263260], eingesehen 26.01.2018. 565 Jörg Zittlau, Ist Milch nun gesund − oder schädlich?, Welt, 10.08.2015, [https://www.welt.de/gesundheit/article145019953/Ist-Milch-nun-gesund-oder-schaedlich.html], eingesehen 26.01.2018. 145

Der Jäger, dessen Körper so gut erhalten im Eis der Ötztaler Alpen gefunden wur- de, dass man sein Erbgut untersuchen konnte, war laktoseintolerant. So würde man das heute nennen. Die wenigen Menschen, die schon Kuhmilch tranken, hat- ten in der Jungsteinzeit in Europa damit angefangen. Damals, vor etwa 10.000 Jah- ren, entdeckten die Menschen die Viehzucht und die Milch der Tiere als Nah- rungsquelle. Die Milchtrinker hatten ein Enzym in ihrem Körper, das Laktose auf- spalten konnte.

Milch-Verdauung nur durch Mutation möglich

Die Fähigkeit, Milchzucker zu verdauen, ohne Bauchweh zu bekommen, war durch eine Genmutation entstanden. Eine nützliche Mutation, denn Milch erwies sich als energiereiches Nahrungsmittel. Die Mutation setzte sich zunächst langsam durch. Es gab in der Jungsteinzeit nicht viele Bauern, die Kühe hielten und denen die Mu- tation nutzte. Die Fähigkeit, Milch einfach zu verdauen, war vor 5.000 Jahren noch eine Rarität. Als Jäger hatte Ötzi nicht viel mit Viehhaltern zu tun.

Inzwischen würde Ötzi, was das fehlende Enzym in seinem Körper betrifft, zu einer Minderheit gehören. Zumindest in Europa. Im Mittelalter setzte sich hier mit der Viehwirtschaft auch die Fähigkeit zur Milchverdauung durch. Die Mutation vererb- te sich so breit, dass bald fast jeder Europäer problemlos Milch trinken konnte.

[…]

Anhang 23

Laktoseintoleranz. Wie viele sind betroffen?566

Die wohl bekannteste nichtimmunologische Nahrungsmittelunverträglichkeit ist die Laktoseintole- ranz. Sie ist sehr stark verbreitet und laut Schätzungen dürften ca. 90% der Weltbevölkerung da- von betroffen sein. Unter den Österreichern dürfte diese Rate bei ca. 10 – 15% liegen. [AKNÖ: Nicht alles ist eine Allergie. (2004)]

566 Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Laktoseintoleranz. Wie viele sind betroffen?, o.D., [https://www.oege.at/index.php/bildung-information/diaetetik/allergien-unvertraeglichkeiten/55-bildung- information/diaetetik/allergien-unvertraeglichkeiten/1810-laktoseintoleranz], eingesehen 26.01.2018. 146

Verdauungsvorgang bei nicht Betroffenen: Der durch die Nahrung aufgenommene Milchzucker wird im Dünndarm durch das Verdauungs- enzym Laktase in Glukose und Galaktose gespalten. Diese beiden Energielieferanten werden an- schließend von der Mukosa ins Blut aufgenommen.

Verdauungsvorgang bei Betroffenen: Betroffene können die in der Milch von Säugetieren enthaltene Laktose (= Milchzucker) nicht bzw. nicht vollständig verdauen, da das Enzym Laktase fehlt oder nicht in ausreichender Menge produ- ziert werden kann. Es kommt zu Blähungen und Durchfällen, jedoch kann das Ausmaß der Symptome von Mensch zu Mensch variieren. Nur wenige laktoseintolerante Patienten vertragen nicht mehr als kleinste Men- gen an Milchzucker (ca. 1 – 2g). Diese müssen laktosefreie Diät halten. Der größte Teil der Be- troffenen ist bereits unter Einhaltung eines laktosearmen Speiseplans (ca. 8 – 10g) beschwerdefrei. Ein gesunder Erwachsener nimmt bei normaler Mischkost ca. 20 – 30g Milchzucker pro Tag zu sich.

Anhang 24 Hühner-Desaster: A1 sechs Stunden lang blockiert567 Schock im Frühverkehr: Nach einem Unfall mit einem Tiertrans- porter musste sich ein 20 km langer Stau auflösen.

Die Käfige mit etwa 7.000 Hühnern stürzten auf die Straße. Bild: fotokerschi.at

567 Heute, Hühner-Desaster: A1 sechs Stunden lang blockiert, 04.07.2017, [www.heute.at/oesterreich/news/story/Nach-Unfall--Westautobahn-komplett-gesperrt-59233621], eingesehen 02.02.2018. 147

Stau im Frühverkehr auf der A1 Westautobahn. Grund war ein Unfall mit einem Ge- flügeltransporter in Oberösterreich bei der Ausfahrt Asten, der sich gegen 5 Uhr er- eignete.

Der Lkw dürfte die Leitschiene gestreift haben, der Fahrer verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug. Laut Polizei war ein "Sekundenschlaf" des Fahrers aus dem Bezirk Amstetten schuld. Er war nicht alkoholisiert und blieb unverletzt.

Auf einer Länge von etwa 160 Metern verteilte sich seine gesamte lebendige Fracht auf der Autobahn. "Es laufen viele Hühner herum, es gibt aber auch viele tote Hüh- ner", sagte ein Autobahnpolizist.

7.500 Hühner auf der Autobahn Unzählige Hühnerkäfige lagen auf der Straße, der Transporter hatte rund 7.500 Tiere geladen. Es wimmelte von toten, aber auch von lebendigen Hühnern. Die Tiere, die den Crash überlebten, liefen unkontrolliert auf der Fahrbahn herum.

Totalsperre Die Polizei musste die Autobahn komplett sperren, und war gemeinsam mit 120 Feu- erwehrmännern damit beschäftigt, das entlaufene Federvieh wieder einzufangen. Mehrere Transporter wurden organisiert, die die überlebenden Hühner abtranspor- tierten.

Autobahn wieder frei Nach vier Stunden "Hendl-Jagd" wurde das letzte Tier gegen 9 Uhr eingefangen. Eine Fahrspur konnte wieder für den Verkehr geöffnet werden. Weitere eineinhalb Stun- den später waren die Aufräumarbeiten vollständig abgeschlossen und die Autobahn wurde wieder komplett freigegeben. Der Stau, der bis dahin auf 20 Kilometer ange- wachsen war, löste sich nur langsam auf.

Die Polizei Oberösterreich nahm die Sache auf Twitter mit Humor:

[…] 148

8. Allgemeines Literaturverzeichnis

Ach, Johann S., Warum man Lassie nicht quälen darf. Tierversuche und moralischer Indivi- dualismus, Zugl.: Münster, Univ., Diss., 1997 (Tierrechte − Menschenpflichten 2), Erlangen 1999.

Balluch, Martin, Die Kontinuität von Bewusstsein. Das naturwissenschaftliche Argument für Tierrrechte, Wien–Mühlheim an der Ruhr 2005.

Balluch, Martin, Schwerpunkt: Tiere als Sachen, in: Rupert Riedl/Ernst Gehmacher/Wolfgang Hingst (Hrsg.), Regieren gegen den Bürger?, Frankfurt am Main 2006, S. 101–143.

Baratay, Éric, Bêtes des tranchées. Des vécus oubliés (Biblis 176), Paris 2017.

Baratay, Éric, Le Point de vue animal. Une autre version de l'histoire (L'univers historique), Paris 2012.

Barricelli, Michele/Gautschi, Peter/Körber, Andreas, Historische Kompetenzen und Kompe- tenzmodelle, in: Michele Barricelli/Martin Lücke (Hrsg.), Handbuch Praxis des Geschichtsun- terrichts (Forum Historisches Lernen 1), Schwalbach/Ts. 2012, S. 207–236.

Baumgärtner, Ulrich, Wegweiser Geschichtsdidaktik. Historisches Lernen in der Schule (utb 4399), Paderborn 2015.

Bekoff, Marc/Goodall, Jane/Goss, Janine, Das unnötige Leiden der Tiere. Tierrechte − was jeder Einzelne tun kann (Herder-Spektrum Bd. 5196), Freiburg im Breisgau 2001.

Black, Jeremy, Einleitung: Der moderne Krieg im Wandel, in: Jeremy Black (Hrsg.), Die Kriege des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 2010, S. 6–11.

Bönisch, Georg, Körper im Eisenstrudel. Kreative Rüstungstechniker versorgten die Armeen mit neuen, fürchterlichen Waffen, in: Annette Großbongardt/Uwe Klussmann/Joachim Mohr (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg. Die Geschichte einer Katastrophe, München 20141, S. 127–135.

Brenner, Andreas, Das Tier und Wir. Plessners Begründung und Verabschiedung der Anthro- pologie, in: Jessica Ullrich/Friedrich Weltzien/Heike Fuhlbrügge (Hrsg.), Ich, das Tier. Tiere als Persönlichkeiten in der Kulturgeschichte, Berlin 2008, S. 17–27.

Breuss, Nadine, PFERDEstärken. Zum Verhältnis von Pferd und Mensch in pädagogischer Absicht, Diplomarbeit, Innsbruck 2007.

Butler, Simon, The War Horses. The Tragic Fate of a Million Horses Sacrified in the First World War, Wellington 2011.

Chickering, Roger, Militärgeschichte als Totalgeschichte im Zeitalter des totalen Krieges, in: Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte? (Krieg in der Ge- schichte 6), Paderborn 2000, S. 301–315.

149

Chimaira Arbeitskreis, Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse und Human-Animal Studies, in: Chimaira − Arbeitskreis für Human Animal Studies (Hrsg.), Hu- man-Animal Studies. Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen (Sozi- altheorie), Bielefeld 2011, S. 7–43.

Clauss, Martin, Waffe und Opfer − Pferde in mittelalterlichen Kriegen, in: Rainer Pöppinghe- ge (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 47–65.

Dinzelbacher, Peter, Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess, Essen 2006.

Edwards, Elwyn Hartley, Pferde. Begleiter des Menschen durch die Geschichte, Rüschlikon- Zürich 1988.

Epkenhans, Miachel, Der Erste Weltkrieg 1914−1918, Paderborn 2015.

Evans, A. A./Gibbons, David, Der Zweite Weltkrieg, München 2009.

Fenske, Michaela, Wenn aus Tieren Personen werden: Ein Einblick in die deutschsprachigen „Human Animal Studies“, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde = Archives suisses des traditions populaires (2013), Nr. 2, S. 115–133, [https://www.e- periodica.ch/digbib/view?pid=sav-001:2013:109#138], eingesehen 03.12.17.

Förster, Andrea, Tiere als Therapie − Mythos oder Wahrheit? Zur Phänomenologie einer hei- lenden Beziehung mit dem Schwerpunkt Mensch und Pferd, Zugl.: Dipl.-Arb. (Dialogisches Lernen 4), Stuttgart 2005.

Förster, Stig, Einführende Bemerkungen. Die Weltkriege als Kriege neuen Typs, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 33–43.

Gautschi, Peter, Guter Geschichtsunterricht. Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise (Ge- schichtsunterricht erforschen 1), Schwalbach/Ts. 20153.

Günther, Eva-Maria, Pferde und Reiter in Kunst und Kultur des europäischen Mittelalters, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 135–145.

Hagencord, Rainer/Goodall, Jane, Die Würde der Tiere. Eine religiöse Wertschätzung, Gü- tersloh 2011.

Handro, Saskia, Konstruktivismus, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Wörterbuch Geschichtsdi- daktik, Schwalbach/Ts. 2006, S. 107–108.

Hellmuth, Thomas/Klepp, Cornelia, Politische Bildung. Geschichte, Modelle, Praxisbeispiele (UTB Politikwissenschaft 3222), Wien–Köln–Weimar 2010.

Hellmuth, Thomas/Kühberger, Christoph, Historisches und politisches Lernen mit Konzepten, in: Historische Sozialkunde, Geschichte − Fachdidaktik − Politische Bildung 46 (2016), Nr. 1, S. 3–8. 150

Henke-Bockschatz, Gerhard, Der Erste Weltkrieg. Eine kurze Geschichte, Stuttgart 2014.

Heuberger, Reinhard, Linguistik. Das Tier in der Sprache, in: Reingard Spannring u.a. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftli- chen Disziplinen (Human-Animal Studies 4), Bielefeld 2015, S. 123–137.

Heuberger, Reinhard, Sprachgebrauch: Das Mensch-Tier-Verhältnis aus linguistischer Sicht, in: Gabriela Kompatscher/Reingard Spannring/Karin Schachinger (Hrsg.), Human-Animal Studies. Eine Einführung für Studierende und Lehrende. Mit Beiträgen von Reinhard Heuber- ger und Reinhard Margreiter (utb Kulturwissenschaften), Münster–New York 2017, S. 48–55.

Hoerster, Norbert, Haben Tiere eine Würde? Grundfragen der Tierethik (Beck'sche Reihe 1583), München 2004.

Ingensiep, Hans Werner/Baranzke, Heike, Das Tier (Reclam-Taschenbuch Grundwissen Phi- losophie 20320), Stuttgart 2008.

Janssen-Kim, Melanie, Goldene Krieger. Die Reitervölker der eurasischen Steppe, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Mensch- heit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Mussen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 71–77.

Johnston, Steven, Animals in War, in: Political Research Quarterly 65 (2012), Nr. 2, S. 359– 371, [http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1065912910391982], eingesehen 23.02.2017.

Julien, Elise, Der Erste Weltkrieg, Darmstadt 2014.

Kellner, Christine, Das Pferd bewegt die Menschheit. Von der Nutzung des Pferdes von der Domestizierung bis heute, Diplomarbeit, Innsbruck 2012.

Kittler, Friedrich, Die Tiere des Krieges. Ein historisches Bestarium, in: Johannes Bil- stein/Matthias Winzen (Hrsg.), Das Tier in mir. Die animalischen Ebenbilder des Menschen; [anläßlich der Ausstellung „Das Tier in Mir − die Animalischen Ebenbilder des Menschen“ vom 26. Januar − 01. April 2002 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden], S. 153–175.

Kompatscher, Gabriela/Spannring, Reingard/Schachinger, Karin, Human-Animal Studies. Eine Einführung für Studierende und Lehrende. Mit Beiträgen von Reinhard Heuberger und Reinhard Margreiter (utb Kulturwissenschaften), Münster–New York 2017.

Körber, Andreas, Grundbegriffe und Konzepte. Bildungsstandards, Kompetenzen und Kom- petenzmodelle, in: Andreas Körber/Waltraud Schreiber/Alexander Schöner (Hrsg.), Kompe- tenzen historischen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik (Kompetenzen Band 2), Neuried 2007, S. 54–87.

151

Kramer, Alan, Kriegsrecht und Kriegsverbrechen, in: Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Renz Irina (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg (UTB Geschichte 8396), Pader- born 2014, S. 281–293.

Krumeich, Gerd, Die 101 wichtigsten Fragen. Der Erste Weltkrieg, München 2014.

Krumeich, Gerd, Einführende Bemerkungen. Krieg als kollektive Erfahrung in der Heimat: die >zivile< Gesellschaft, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 369–375.

Krüger, Gesine, Das koloniale Tier. Natur − Kultur − Geschichte, in: Thomas Forrer/Angelika Linke (Hrsg.), Wo ist Kultur? (Zürcher Hochschulforum 50), Zürich 2014, S. 73–94.

Krüger, Gesine/Steinbrecher, Aline/Wischermann, Clemens, ANIMATE HISTORY. Zugänge und Konzepte einer Geschichte zwischen Menschen und Tieren, in: Gesine Krüger/Aline Steinbrecher/Clemens Wischermann (Hrsg.), Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History (Geschichte; Band 1), Stuttgart 2014, S. 9–35.

Kühberger, Christoph, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodi- sche und didaktische Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (Ös- terreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik: Geschichte − Sozialkunde − Politische Bil- dung; Band 2), Innsbruck–Wien–Bozen 20153.

Kühberger, Christoph, Konzeptionelles Wissen als besondere Grundlage für das historische Lernen, in: Christoph Kühberger (Hrsg.), Historisches Wissen. Geschichtsdidaktische Erkun- dung zu Art, Tiefe und Umfang für das historische Lernen (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts 2012, S. 33–75.

Kühberger, Christoph, Subjektorientierte Geschichtsdidaktik. Eine Annäherung zwischen Theorie, Empirie und Pragmatik, in: Heinrich Ammerer/Thomas Hellmuth/Christoph Küh- berger (Hrsg.), Subjektorientierte Geschichtsdidaktik, Schwalbach/Ts. 2015, S. 13–49.

Lorenz, Günther, Tiere im Leben der alten Kulturen. Schriftlose Kulturen, Alter Orient, Ägypten, Griechenland und Rom, Innsbruck 20132.

Müller, Holger, Tiere als Kostenfaktor in antiken Kriegen, in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 15–33.

Müller, Rolf-Dieter, Der Zweite Weltkrieg, Darmstadt 2015.

Münch, Paul, Feinde, Sachen, Maschinen − Freunde, Mitgeschöpfe, Verwandte. Menschen und andere Tiere in der Vormoderne, in: Sophie Ruppel/Aline Steinbrecher (Hrsg.) – „Die Natur ist überall bey uns“. Mensch und Natur in der Frühen Neuzeit, Zürich 2009, S. 19–41.

Münch, Paul, Tiere und Menschen. Ein Thema der historischen Grundlagenforschung, in: Paul Münch/Rainer Walz (Hrsg.), Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, Paderborn u.a. 19992, S. 9–37.

Münkler, Herfried, Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, Berlin 20133.

152

Newkirk, Ingrid, You can save the animals. 251 simple ways to stop thoughtless cruelty, Rocklin Calif. 1999.

Nowrot, Karsten, Animals at War. The Status of “Animal Soldiers” under International Hu- manitarian Law, in: Historische Sozialforschung 40 (2015), Nr. 4, S. 128–150, [https://www.wiso-net.de/dosearch?dbShortcut=HSR&q=0172- 6404.IS.+AND+2015.YR.+AND+4.HN.+AND+128.SE.&explicitSearch=true#HSR__45577] , eingesehen 23.02.2017.

Oeser, Erhard, Pferd und Mensch. Die Geschichte einer Beziehung, Darmstadt 2007.

Pandel, Hans-Jürgen, Kompetenz, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Wörterbuch Geschichtsdi- daktik, Schwalbach/Ts. 2006, S. 105–106.

Pöppinghege, Rainer, Abgesattelt! − Die publizistischen Rückzugsgefechte der deutschen Kavallerie seit 1918, in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 235–251.

Pöppinghege, Rainer, Einleitung, in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 7–15.

Pöppinghege, Rainer, Tiere im Ersten Weltkrieg. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2014.

Roscher, Mieke, Darf's ein bisschen mehr sein? Ein Forschungsbericht zu den historischen Human-Animal Studies, in: H-Soz-Kult, 16.12.2016, S. 1–46, [https://www.hsozkult.de/hsk/forum/2016-12-001], eingesehen 04.12.2017.

Roscher, Mieke, Geschichtswissenschaft. Von einer Geschichte mit Tieren zu einer Tierge- schichte, in: Reingard Spannring u.a. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human- Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen, Bielefeld 2015, S. 75–101.

Roscher, Mieke, Human-Animal Studies. Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.01.2012, S. 1–15, [http://docupedia.de/zg/Human-Animal_Studies], eingesehen 16.11.2017.

Roscher, Mieke, Where is the animal in this text? Chancen und Grenzen einer Tiergeschichts- schreibung, in: Chimaira − Arbeitskreis für Human Animal Studies (Hrsg.), Human-Animal Studies. Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen (Sozialtheorie), Bielefeld 2011, S. 121–151.

Roscher, Mieke, Zwischen Wirkungsmacht und Handlungsmacht. Sozialgeschichtliche Per- spektiven auf tierliche Agency, in: Sven Wirth u.a. (Hrsg.), Das Handeln der Tiere. Tierliche Agency im Fokus der Human-Animal Studies (Human-Animal Studies 9), Bielefeld 2016, S. 43–67.

Rosendahl, Gaelle, Den Wind einfangen. Das Pferd als Jagdtier und Inspiration in der Alt- steinzeit, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 29–33.

153

Schäfer, Rolf/Weimer, Wolfgang, Schlachthof Schlachtfeld. Tiere im Menschenkrieg (Tier- rechte − Menschenpflichten 15), Erlangen 2010.

Schmölders, Claudia, Vom Pferd in Dir. Über Physiognomik und Züchtungswahn, in: Johan- nes Bilstein/Matthias Winzen (Hrsg.), Das Tier in mir. Die animalischen Ebenbilder des Men- schen; [anläßlich der Ausstellung „Das Tier in Mir − die Animalischen Ebenbilder des Men- schen“ vom 26. Januar − 01. April 2002 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden], S. 71–101.

Schreiber, Waltraud, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, in: Zeitschrift für Pädagogik 54 (2008), Nr. 2, S. 198–212.

Schreiber, Waltraud u.a., Historisches Denken. Ein Kompetenz-Strukturmodell (Basisbeitrag), in: Andreas Körber/Waltraud Schreiber/Alexander Schöner (Hrsg.), Kompetenzen histori- schen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichts- didaktik (Kompetenzen Band 2), Neuried 2007, S. 17–54.

Shehata, Dahlia, Gezügelte Wildheit. Vom Aufstieg des Pferdes in Mesopotamien, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Mensch- heit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 39–45.

Singer, Peter, Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere (rororo rororo-Sachbuch 9910), Reinbek bei Hamburg 1996.

Sommer, Volker/Ammann, Karl, Die großen Menschenaffen. Orang-Utan, Gorilla, Schim- panse, Bonobo; die neue Sicht der Verhaltensforschung, München 1998.

Spannring, Reingard u.a., Einleitung. Disziplinierte Tiere?, in: Reingard Spannring u.a. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftli- chen Disziplinen, Bielefeld 2015, S. 13–29.

Steinbrecher, Aline, »In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede« (Elias Canetti) − Die Geschichtswissenschaft und ihre Auseinandersetzung mit den Tieren, in: Carola Ot- terstedt/Michael Rosenberger (Hrsg.), Gefährten − Konkurrenten − Verwandte. Die Mensch- Tier-Beziehung im wissenschaftlichen Diskurs, Göttingen 2009, S. 264–287.

Steinbrecher, Aline/Krüger, Gesine, Editorial: Tierische (Ge)Fährten, in: Historische Anthro- pologie 19 (2011), Nr. 2, S. 169–171.

Steinbrecher, Aline/Krüger, Gesine, Tiere, in: Europäische Geschichte online (EGO), Mainz 29.10.2015, S. 1−16, [http://ieg-ego.eu/de/threads/hintergruende/natur-und-umwelt/aline- steinbrecher-gesine-krueger-tiere/view/dc_export#citation], eingesehen 04.12.2017.

Storey, Neil R., Animals in the First World War (Shire library no. 790), Oxford UK 2014.

Tellenbach, Michael, „Pferdestärken“. Zur kulturgeschichtlichen Phänomenologie der Mensch-Pferd-Symbiose, in: Alfried Wieczorek/Michael Tellenbach (Hrsg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit; Begleitband zur Sonderausstellung „Pferdestärken − Das Pferd bewegt die Menschheit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen; [vom 21. April bis zum 19. 154

August 2007] (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Mussen 23), Mainz am Rhein 2007, S. 1– 17.

Tempest, M. Gene, All the Muddy Horses: Giving a Voice to the „Dumb Creatures“ of the Western Front (1914─1918), in: Rainer Pöppinghege (Hrsg.), Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009, S. 217–235.

Thoß, Bruno, Die Zeit der Weltkriege − Epochen als Erfahrungseinheit?, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, S. 7–33.

Unterseher, Lutz, Der Erste Weltkrieg (essentials), Wiesbaden 2014.

Unterseher, Lutz, Der Erste Weltkrieg. Trauma des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 2014.

Völkel, Bärbel, Wie kann man Geschichte lehren? Die Bedeutung des Konstruktivismus für die Geschichtsdidaktik, Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 2001 u.d.T.: Völkel, Bärbel: Kon- struktivismus und Geschichtsdidaktik (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2002.

Wegner, Bernd, Einführende Bemerkungen. Deutsches Führungsdenken und technologische Entwicklung in den Weltkriegen, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Erster Welt- krieg − Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich; Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutsch- land, Paderborn 2002, S. 135–143.

Wils, Jean-Pierre, Tiere und Menschen im Krieg. Sterben auf Augenhöhe, 10.09.2017, [http://www.deutschlandfunk.de/tiere-und-menschen-im-krieg-sterben-auf- augenhoehe.1184.de.html?dram:article_id=392380], eingesehen 20.10.2017.

9. Literaturverzeichnis Anhang

Abenteuer Regenwald, Die große Gefahr. Was passiert, wenn der Regenwald abgeholzt wird, o.D. [https://www.abenteuer-regenwald.de/index.php], eingesehen 20.01.2018.

Animals in War Memorial (London). © Johanna Maier

Bundeszentrale für politische Bildung, Bevölkerungsentwicklung. Bevölkerung in absoluten Zahlen und Wachstumsrate pro Jahr in Prozent, weltweit 1950 bis 2060, 01.07.2017, [www.bpb.de/52699], eingesehen 24.01.2018.

Das Hexenbad, Die Katzenverfolgung zur Zeit der Hexenprozesse, o.D., [http://www.hexenbad.com/info-katze-mittelalter.htm], eingesehen 27.01.2018.

Hanser, Kira, Als die Erde noch eine Scheibe war, Welt, 08.03.2011, [https://www.welt.de/reise/article12733147/Als-die-Erde-noch-eine-Scheibe-war.html], ein- gesehen 25.01.2018.

155

Heintz, Daniel, Nationalsozialismus, Propagandafilme im Nationalsozialismus/Der Film »Der ewige Jude«, Oppis World, 05.05.2009, [https://www.oppisworld.de/zeit/national/nazfilm1.html], eingesehen 26.01.2018.

Heute, Hühner-Desaster: A1 sechs Stunden lang blockiert, 04.07.2017, [www.heute.at/oesterreich/news/story/Nach-Unfall--Westautobahn-komplett-gesperrt- 59233621], eingesehen 02.02.2018.

Histoire de la folie, Curiosités judiciaires et historiques du Moyen Âge. Procès contre les animaux, o.D., [http://www.histoiredelafolie.fr/sorcellerie/proces-faits-aux-animaux- curiosites-judiciaires-et-judiciaires-du-moyen-age-par-emile-agnel-1858], eingesehen 18.01.2018.

Jusline, § 222 StGB Tierquälerei, o.D. [https://www.jusline.at/gesetz/stgb/paragraf/222], ein- gesehen 19.01.2018.

Neue Zürcher Zeitung, Mobilmachung mit dem Zeichenstift, 14.03.2014, [https://www.nzz.ch/karikaturen-ukraine-krim-krise-1.18263260], eingesehen 26.01.2018.

Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Laktoseintoleranz. Wie viele sind betroffen?, o.D., [https://www.oege.at/index.php/bildung-information/diaetetik/allergien- unvertraeglichkeiten/55-bildung-information/diaetetik/allergien-unvertraeglichkeiten/1810- laktoseintoleranz], eingesehen 26.01.2018.

Panoptikum, Luzifer frisst Menschen, o.D., [http://www.panoptikum.net/bildergalerie/luzifer- frisst-menschen.htm], eingesehen 25.01.2018.

Pinterest, Massentierhaltung Hühner, o.D., [https://www.pinterest.de/explore/massentierhaltung-hühner/], eingesehen 24.01.2018.

PlanetBox Du entscheidest!, Industrielle Tierhaltung. Eines der größten Verbrechen der Menschheit, o.D., [https://planetbox-duentscheidest.de/industrielle-tierhaltung-eines-der- groessten-verbrechen-der-menschheit/], eingesehen 20.02.2018.

Scherling, Josefine, Humanitäres Völkerrecht. Auch im Krieg ist nicht alles erlaubt. Arbeits- blatt 4, in: MGWU ─ Materialien zu Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt im Unterricht (2010), Nr. 42, [http://www.hvr- entdecken.info/pdf/HVR_Auch_im_Krieg_ist_nicht_alles_erlaubt.pdf], eingesehen 21.01.2018.

Spiegel online, Sündenfall, 17.09.2017, [http://www.spiegel.de/spiegel/adam-und-eva-die- wahre-geschichte-hinter-dem-mythos-a-1167891.html], eingesehen 25.01.2018.

Steinbacher, Eveline, Umwelt und Energie. EU-Beitritt und Folgen − Teil 10 − Landwirt- schaft: Wachsen oder Weichen, Solidarwerkstatt Österreich, März 2017, [https://www.solidarwerkstatt.at/umwelt-energie/21-jahre-eu-beitritt-teil-10-landwirtschaft- wachsen-oder-weichen], eingesehen 24.01.2018.

Strecker, Manfred, Wie Massentierhaltung zur Erderwärmung beiträgt, Energieinitiative, 29.01.2015, [http://energieinitiative.org/wie-massentierhaltung-zur-erderwaermung- beitraegt/#prettyPhoto], eingesehen 24.01.2018. 156

Sturn, Markus, Wahlplakate 2013: Zwischen Heimatkitsch und Erlöserphantasien, Vol.at, 23.08.2013, [www.vol.at/wahlplakate-2013-zwischen-heimatkitsch-und- erloeserphantasien/3677533], eingesehen 21.01.2018.

Tiroler Tageszeitung, 13.12.2017, [http://www.tt.com/panorama/verbrechen/13777575- 91/prozess-wegen-tierquälerei-durstige-ferkel-waren-kein-strafdelikt.csp], eingesehen 19.01.1918.

WeltN24, Schuldig! − Tiere auf der Anklagebank, 21.03.2014, [https://www.welt.de/vermischtes/kurioses/article125886895/Schuldig-Tiere-auf-der- Anklagebank.html], eingesehen 18.01.2018.

Zittlau, Jörg, Ist Milch nun gesund − oder schädlich?, Welt, 10.08.2015, [https://www.welt.de/gesundheit/article145019953/Ist-Milch-nun-gesund-oder- schaedlich.html], eingesehen 26.01.2018.

157

Danksagung

Dank für die Realisierung dieser Diplomarbeit gebührt vielen Personen. Zunächst einmal möchte ich mich herzlich bei Herrn ao.Univ.-Prof. Dr. Heinz Noflatscher bedanken, welcher mir die Umsetzung dieser Arbeit erst ermöglicht hat und immer offen und interessiert für meine Ideen und Vorschläge zu diesem doch spezifischen Thema war. Er bestärkte mich in Bezug auf die Wichtigkeit dieses Themas und ich bin sehr froh, dass er bereit war, gemeinsam mit mir diesen Weg zu gehen.

Weiters möchte ich mich von ganzem Herzen bei Frau A. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gabriela Kompatscher-Gufler bedanken, die mich bereits seit meiner Ideenfindung für diese Diplomar- beit unterstützt und von Anfang an meine Begeisterung für dieses Thema geteilt hat. Sie en- gagierte sich über die Maßen hinaus für mich und half mir in jeder Phase dieses Projekts. Ich konnte mich immer auf ihre Expertise, ihre Ideen und ihr Feedback verlassen und durch ihre Unterstützung habe ich es geschafft, die Arbeit zu realisieren, die ich schon seit Jahren im Kopf gehabt habe.

Zudem möchte ich mich auch besonders bei meinem Lebensgefährten bedanken, welcher mir auch in schwierigen Phasen half, mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und mir stets mit Rat zur Seite stand, wenn ich ihn brauchte.

Zuletzt möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, die mir all dies erst ermöglicht hat und mich stets mit aufmunternden, bestärkenden und motivierenden Worten begleitet hat.

158