Hochwasserschutz am rheinland-pfälzischen Oberrhein Die Hochwasserrückhaltung Wörth/

Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd Die Hochwasserrückhaltung Wörth/Jockgrim

Um den Hochwasserschutz für die am Rhein leben- den Menschen zu verbessern, werden in den Flussnie- derungen Hochwasserrückhaltungen angelegt. Hierbei gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen: Die ungesteuerte Rückhaltung durch Deichrückverlegung 9 und die gesteuerte Rückhaltung, der Polder. Ein Polder ist eine von Deichen umgebene Fläche, die bei extre- 14 mem Hochwasser geflutet werden kann. Die geplante Hochwasserrückhaltung Wörth/Jockgrim 4 1 7 ist eine Kombination beider Systeme: Die gesamte 5 Rückhaltefläche wird von einem neu zu errichtenden, 5 6,5 km langen Deich umgeben. Innerhalb dieses Rau- mes wird mit einem 2,5 km langen Trenndeich die ge- steuerte von der ungesteuerten Rückhaltung abgetrennt. 5 Der bestehende, alte Rheinhauptdeich wird im Bereich des ungesteuerten Teils abschnittsweise abgetragen, 3 2 so dass der Rhein bei höheren Wasserständen diesen Raum wieder überfluten kann. In den Trenndeich wird das Ein- und Auslassbauwerk 1 8 eingebaut. Es dient zur kontrollierten Überflutung der 11 dahinter liegenden gesteuerten Rückhaltung, des Pol- 10 13 ders. Dieser gesteuerte Einsatz ermöglicht die Kappung 6 der gefährlichen Hochwasserspitzen bei extremem Hochwasser. Der Einsatz der gesteuerten Hochwasser- rückhaltung erfolgt nach einem international abgestimm- 7 12 ten Reglement. Die geplante Hochwasserrückhaltung Wörth/Jockgrim liegt östlich der Bundesstraße 9 zwischen Neupotz und Wörth im Landkreis und umfasst eine Hochwasserrückhaltung Wörth/Jockgrim Fläche von rund 420 ha. Hiervon unterliegen künftig 1 Polderdeich für die Hochwasserrückhaltung 145 ha der natürlichen Überflutung des Rheins, rund 2 Trenndeich zur Abgrenzung des gesteuerten Teiles vom ungesteuerten Teil der Hochwasserrückhaltung 275 ha stehen der gesteuerten Rückhaltung zur Verfü- 3 Ein- und Auslassbauwerk zur Flutung und Entleerung gung. Das gesamte Rückhaltevolumen beträgt rund 4 Schöpfwerk zur Regulierung des Grundwassers 12 Mio. m3. 5 Siele 6 bestehender Rheinhauptdeich, wird zum Teil abgetragen Das für die Hochwasserrückhaltung ausgewiesene 7 Rheinhauptdeich Gebiet wird zu rund 70 % landwirtschaftlich genutzt, 8 Rhein rund 24 % sind Waldflächen. Die verbleibenden rund 9 Neupotzer Altrhein 6 % entfallen auf die Auskiesungen „Neupotzer Alt- 10 Altrheinarm „Wörther Altwasser“ 11 Scherpfer Graben rhein“ und „Im Flätig“ sowie auf sonstige Wasserflächen. 12 Hörnel Altrhein Ferner sind weitere große Teile der landwirtschaftlich 13 Oberscherpfer, Altauenwald genutzten Fläche der Rückhaltung, entsprechend dem 14 Bundesstraße 9 Regionalen Raumordnungsplan Rheinland-Pfalz und durch einen raumordnerischen Entscheid von 1997, Foto unten: Blick auf den Neupotzer Altrhein im Bereich des geplanten Polders, in der linken Bildhälfte, rechts von dem Kieswerk, zur Auskiesung vorgesehen. wird der neue Polderdeich den Altrheinarm später überqueren Baumaßnahmen und Polderbetrieb

Zur Umsetzung des Bauvorhabens sind neben den Becken wird mit einer umlaufenden Spundwand gesi- Deichen und dem Ein- und Auslassbauwerk eine Reihe chert und mit Wasserbausteinen ausgekleidet. Dadurch von weiteren Baumaßnahmen erforderlich: wird das mit großer Geschwindigkeit einströmende • ein Schöpfwerk zur Regulierung der Grundwasserstände, Wasser abgebremst und kann sich danach gleichmäßig über den Beckenrand in den Polder ergießen. Boden- • der Bau von Sielen für die natürliche Entwässerung, erosionen werden dadurch verhindert. Die Fischbauch- • zahlreiche Anpassungsmaßnahmen an bestehende klappen des Ein- und Auslassbauwerks bleiben so lange Gewässer und Gräben, geöffnet, bis bei sinkendem Rheinwasserstand das • verschiedene Anpassungs- und Sicherungsmaßnah- Wasser aus der gesteuerten Rückhaltung zurückgelau- men an den vorhandenen Elektrizitäts-, Gas-, Fern- fen und die Sohle des Bauwerks trocken gefallen ist. melde- und anderen Versorgungsleitungen, schließlich Dem bei jedem Hochwasser auftretenden Druckwas- • Anpassungsmaßnahmen und Neuanlage von Wegen. ser wird durch den Bau eines neuen Schöpfwerks ent- Die Flutung und Entleerung des gesteuerten Teils der gegengewirkt und der Wasserstand des Neupotzer Hochwasserrückhaltung erfolgt durch ein Ein- und Altrheins außerhalb des Rückhalteraums niedrig gehal- Auslassbauwerk. Dabei müssen die in der Grundstellung ten. Dadurch wird gegenüber der jetzigen Situation in geschlossenen, drei Meter hohen Fischbauchklappen der Ortslage von Neupotz, wo schon jetzt auftretendes geöffnet werden. Um die Kraft des eindringenden Was- Druckwasser gelegentlich austritt, künftig ein besserer sers zu mindern, wird polderseitig des Ein- und Auslass- Schutz erreicht. bauwerks ein sogenanntes Tosbecken gebaut. Dieses Durch die Errichtung der neuen Deiche werden meh- rere Gräben, die bislang der Entwässerung tiefliegender Flächen dienten, gequert und damit unterbrochen. Hier Ein- und Auslassbauwerke, Aufriss und Schnitt müssen Siele eingebaut werden. Dies sind Durchlässe 1 Deichböschung, rheinseitig 6 Geländer mit Schiebern, die im geöffneten Zustand die bisherigen 2 Deichböschung, polderseitig 7 Stauklappe 3 Deichkrone des Ringdeiches 8 Tosbecken Vorflutverhältnisse wiederherstellen. Solche Siele müs- 4 Polder mit landwirt- 9 Spundwand sen auch am Neupotzer Altrhein und am Scherpfergra- schaftlicher Nutzung 10 Steinschüttung ben gebaut werden. Bei der Flutung des Polders wer- 5 Rheinvorland 11 Wirtschaftsweg den alle Siele vorher geschlossen. Sobald das Hochwas- ser nach einer Polderflutung zurückgegangen ist, wer- 5 den die Siele wieder geöffnet. Damit wird eine zügige 9 1 Restwasserentleerung gewährleistet. 6 3 7 3 Ebenso muss das bestehende Gewässer- und Graben- system inner- und außerhalb des Rückhalteraumes den 10 neuen Gegebenheiten angepasst werden. Auch hierbei 2 8 2 geht es um die Wiederherstellung der bisherigen Vor- 9 flutverhältnisse, die durch den Deichbau in ihrer Funk- 11 tion unterbrochen werden. Der Planfeststellungsbeschluß wurde im Juni 2001 erlassen. Die Fertigstellung der Hochwasserrückhaltung 6 und der damit verbundenen Einrichtungen ist für 2006 5 vorgesehen. Die Baukosten betragen voraussichtlich 4 2 71 8 67 Mio. DM (= 34,3 Mio. Euro). 10

99910 Foto unten: Blick auf den Neupotzer Altrhein im Bereich des geplanten Polders Landwirtschaft und Polderbau

Zahlreiche vergleichende Bodenuntersuchungen im ten Hochwasserrückhaltung auf der Basis eines notariell Rheinvorland und auf Flächen hinter den Deichen ent- beurkundeten „Grunddienstbarkeitsvertrags“ eine ein- lang des Rheins haben gezeigt, dass durch Ablagerun- malige Zahlung. gen von Feinstmaterialien als Folge von Flutungsereig- Da Grundstücke durch Baumaßnahmen für die land- nissen keine signifikanten Bodenbelastungen zu erwar- wirtschaftliche Nutzung verloren gehen, wird ein Boden- ten sind. ordnungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz Bis auf einige Flächen im ungesteuerten Teil der Hoch- eingeleitet werden. Dieses hat zum Ziel, die für die dau- wasserrückhaltung – hier ist nach der Fertigstellung nur ernde Nutzung benötigten Flächen verfügbar zu machen. noch extensive Nutzung möglich – wird die Landwirt- Grundstücke und Infrastruktur im betroffenen Gebiet schaft durch die Maßnahme nicht beeinträchtigt. Nach werden neu geordnet. Hierdurch wird ein weitestgehen- ausgewerteten langjährigen Pegelaufzeichnungen ist mit der Ausgleich zwischen den betroffenen Landwirten einer Flutung des Polders fünfmal in hundert Jahren zu erzielt. Die Kosten für das Verfahren trägt das Land rechnen. Ebenso ist nach bisherigen Erfahrungen davon Rheinland-Pfalz. auszugehen, dass der Einsatz hauptsächlich außerhalb Die dauerhaft in Anspruch genommenen Flächen wer- der Vegetationsperiode von Anfang November bis Mitte den entsprechend einem Verkehrswertgutachten vom März sein wird. Land Rheinland-Pfalz erworben. Die durch einen Poldereinsatz verursachten Ernteaus- fälle, Mehraufwendungen, Mindererträge und alle ande- ren Schäden werden durch das Land Rheinland-Pfalz ersetzt. Foto oben: Ackerbau im Poldergebiet in Richtung zum Deich Foto darunter: Landwirtschaftlich genutzte Flächen, immer wieder Zudem erhält jeder der betroffenen Grundstückseigen- durchzogen von ökologisch wertvollen Gehölzstreifen, im westlichen tümer für seine Zustimmung zur Flutung der gesteuer- Bereich der Hochwasserrückhaltung Naturschutz und Polderbau

Das Gebiet der geplanten Hochwasserrückhaltung Dank einer ganzheitlichen Planung der Hochwaserrück- Wörth/Jockgrim zählt mit seinem Umfeld zu den schön- haltung konnten bereits im Planungsprozess Eingriffe in sten Flusslandschaften am rheinland-pfälzischen Ober- den Naturhaushalt so weit wie möglich verhindert wer- rhein. Der Auenwald im Deichvorland wird durchzogen den. Die wenigen unvermeidbaren Eingriffe werden von Altrheinarmen. Mit seinen urwaldähnlichen Baum- vom Land ausgeglichen. beständen ist er Lebensraum für selten gewordene Im Falle der Hochwasserrückhaltung Wörth/Jockgrim Pflanzen- und Tierarten wie zum Beispiel den bestands- sind Maßnahmen zum Schutz von Auenamphibien, des bedrohten Eisvogel. Die hinter dem Deich gelegene Moor- und des Springfroschs, des Eisvogels und von Altaue mit ihren Wäldern, ihrem Intensivackerbau und Feuchtwiesen-Orchideen vorgesehen. Das zukünftige ihren weiten Kiesseen beherbergt als Kulturlandschaft Landschaftsbild wird durch den waldwirtschaftlichen ebenfalls Rheinland-Pfalz-weit bedrohte Lebensgemein- Umbau des „Oberscherpfers“ hin zum Auwald geprägt schaften und Arten. Das Gebiet „Oberscherpfer“ mit werden. Ein weiteres Vorhaben ist die Renaturierung dem „Oberscherpfer Graben“ hat als Altauenwald eine der Ackerflächen in der ungesteuerten Rückhaltung. Der hohe Bedeutung für den Naturschutz. Feuchtwiesencharakter der Rohrlachen-Niederung wird Frühzeitig wurde hier deshalb eine Bestandsaufnahme durch die häufigere Überflutung unterstützt. von Natur und Landschaft einschließlich der Gewässer Wie bei allen Hochwasserschutzmaßnahmen am durchgeführt. Dabei wurden Lebensräume und Land- rheinland-pfälzischen Oberrhein steht der Erhalt und die schaftsbestandteile bewertet. Die Umweltverträglichkeit Entwicklung der Flussauenlandschaft im Vordergrund. des Vorhabens, im Sinne der europäischen Schutzge- Dieses Ziel kann nur durch das Zusammenwirken von bietskonzeption „Natura 2000“, wurde ebenso im Vor- Wasserwirtschaft und Landespflege erreicht werden. feld der Planung gutachterlich geprüft.

Foto oben: Deich mit Deichvorland im Bereich des geplanten Polders Foto links: Im Bereich der gesteuerten Rückhaltung Herausgeber: Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd Foto rechts: Sonnenuntergang am Neupotzer Altrhein 67433 Neustadt an der Weinstraße Foto Titelseite oben: Am Wörther Altrhein Grafikdesign und Fotos: Klaus Kalthoff, Frankfurt am Main Foto Titelseite unten: Im Bereich des geplanten Polders Stand: August 2001