, Lerchenfelder Str. 14, 1080 Wien 1080 , Lerchenfelder 14, Str. Denk Politik. Wirtschaft. Religion. Kultur. 4 Iris Rauskala im Interview

9 Keine Literatur mehr sorglos. in den Gymnasien? 16 Gibt es das Österreichische? 3,00 Jahrgang (AT), 70. | Erscheinungsort: Wien. Österreichische Post M | ACADEMIA AG. MZ 02Z030510

€ Preis: Reiseversicherung VOLK BEGNADET

Sie planen einen Urlaub? Fein, es gibt ja noch so viel Neues zu entdecken. Lassen Sie sich am besten von einem Reiseschutz begleiten. FÜR DAS SCHÖNE?

 Reisestorno  24h SOS Hotline Gedanken zu Österreichs kultureller DNA  Nottransport in die Heimat

www.uniqa.at Werbung Österreichischer 05 | 2019 (September) Mehr Angaben zu der beworbenen Versicherung fi nden Sie auf www.uniqa.at in unserem Produktinformationsblatt.

1506_19_Inserat_Reise_210x280_abf_Academia_weisser_Teil.indd 1 30.08.19 08:23 Ein Jahr ACADEMIA um 15 Euro VOLK BEGNADET FÜR DAS SCHÖNE Das Jahres-Abo im Um- fang von sechs Ausgaben kostet nur 15 Euro und kann per E-Mail an acade- 4 [email protected] oder per Te- WER SCHLIESST DIE LÜCKE lefon unter +43-1-405 16 ZUR STUDIENREIFE 22 31 bestellt werden. Es Iris Rauskala im Interview genügt auch einfach eine Überweisung des Abon- nement-Preises auf das Konto AT11 3200 0002 9 22 1014 5050 (Academia) unter Angabe der Zustell- KEINE LITERATUR „ÖSTERREICHISCH“ adresse. AN UNSEREN SCHULEN? UNTER DRUCK Tomas Kubelik Wilhelm Ortmayr

12 25 WIENER KLASSIK – DAS POLITISCHE 33 DIE BASIS DER MUSIKKULTUR DES TRACHTENJANKERS DAS LICHT IM DUNKEL Theodor Guschlbauer im Interview Philipp Jauernik Alexander Wrabetz 40 16 28 35 DER TABUBRUCH VON 1970 Herbert Kaspar JETZT NO D’ REBLAUS … DIE MEHLSPEISE STARKE MEDIEN SICHERN VON DER KULTUR DES SEINS ALS HAUPTGANG ÖSTERREICHS IDENTITÄT Lucas Semmelmeyer Alexander Lesigang Gernot Blümel 43 LESERBRIEFE 19 31 37 ÖSTERREICH-GEDANKEN „MAN IST NICHT DAHEIM ABRECHNUNG EINES DEUTSCHEN UND DOCH ZUHAUSE“ MIT DEN BESIEGTEN GASTARBEITERS 46 Florian Lukesch Gerhard Hartmann Veit Neumann REZENSIONEN

Vor kurzem ist die Grafi kerin und Desig- Studium „Design und Produktmanagement“ absolviert und nerin Stephanie Seiler, BA zum Team der vor drei Jahren ihre Firma Stephanie Seiler Grafi k & Illustration ACADEMIA gestoßen, und die vorliegende gegründet. Wir freuen uns auf eine gute und erfolgreiche Nummer ist die erste layoutmäßig von ihr Zusammenarbeit, und wünschen der Leserschaft einen gestaltete. Aus einer „CV-Familie“ stammend, „guten Anblick“! hat Stephanie Seiler an der FH Salzburg das Dr. Gerhard Jandl (Kb), Herausgeber

2 EDITORIAL LIEBE LESER!

Am Anfang waren der Kas- Hier wird es nur in einem kur- Autor, der deutscher „Gast- perl und der Pezi. Als ih- zen Artikel behandelt, denn arbeiter“ ist. nen vor einem Jahr mitsamt in dieser Nummer geht es um der Urania Puppenbühne die Frage: Was ist eigentlich Selbstverständlich suchen das Aus drohte, tummelten österreichische Kultur? Wo- wir auch nach Einzigarti- sich in den Internetforen rin besteht das rotweißrote gem in unseren Küchen sehr bald Unzählige, die das Kulturerbe? Wie ist unsere und machen einen Blick ins Überleben dieser Institution kulturelle DNA gewoben? Kaffeehaus österreichischer und ihrer zwei Protagonisten Prägung, ehe zwei sehr pro- forderten. Wenige Jahre zu- Dabei kommt die Musik als minente Medienleute der vor, bei der Schwedenbombe, kultureller Leuchtturm Ös- Frage nachgehen, was die hatte es ähnliche Proteste ge- terreichs ebenso zu Wort heimischen Medien, nament- geben, diesmal aber waren wie die Literatur unseres lich der öffentlich-rechtli- die Argumente gewichtiger. Landes, die in den Schulen che Rundfunk zum Erhalt auf die Monate des Frieden­s­ Kasperl und Pezi, hieß es, gegenwärtig etwas stiefmüt- des qualitätvoll „Österreichi- diktats vor 100 Jahren. seien „ein Stück österreichi- terlich behandelt wird. Wir schen“ beitragen können und scher Kultur“. Warum? „Weil beleuchten das Phänomen, was sie in der Zukunft dafür Ich hoffe, der Inhalt dieses sie die letzten sind, die im dass das volkstümlich-hei- benötigen. Heftes und das neue, leicht Fernsehen noch schönes ös- matliche zum Mainstream, weiterentwickelte Layout terreichisches Deutsch Wie- zur Pop-Kultur geworden ist Eröffnet aber wird diese sorgen für großes Lese­ ner Prägung sprechen!“ und widmen uns der Frage, ACADEMIA von einem Inter- vergnügen. wie es um die Diskussions-, view mit der aus dem Mi- Dem Österreichischen Deutsch Streit-, Gesprächs- und Be- nisterium stammenden Bil-­ (samt seinen vielen Dialekten) findlichkeitskultur des Ös- dungsministerin der Über­ und den Gefahren, denen es terreichers bestellt ist. Die- gangs­regierung. Den Ab- ausgesetzt ist, sollten wir eine sen Blick wird anschließend schluss besorgt der ÖCV-His- Wilhelm Ortmayr (Lo, NdW) eigene ACADEMIA widmen. sogar vertieft – durch einen toriker mit einem Blick zurück Chefredakteur

Ausgabe 5/2019 (September).

Medieninhaber: Cartellverband der katholischen österreichischen Studentenverbindungen (ÖCV). Mit der Herausgabe beauftragt: Gerhard Jandl. Chefredakteur: Wilhelm Ortmayr. Redaktion: Florian Kamleitner, Lucas Semmelmeyer, Herbert Kaspar, Gerhard Hartmann. Layout: Stephanie Seiler. Verlagsleitung: Gerhard Jandl. Redaktionsmanagement: Sebastian Ecker. Adresse (alle): Lerchenfelder Straße 14, 1080 Wien; +43 1 405 16 22-31; [email protected]; www.academia.or.at. Reproduktion / Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, 2540 Bad Vöslau.

Fotos / Grafiken (sofern nicht anders angegeben): ACADEMIA-Archiv, ÖCV-Archiv, Adobe Stock, Pixabay, Pexels, privat. Cover: Stephanie Seiler. Verkaufspreis: EUR 3,00. Abo: EUR 10,00/Jahr (Studenten), EUR 15,00/Jahr (Normalpreis). Verkaufsstellen: Wien 8, ÖCV-Sekretariat, Lerchenfelder Straße 14; Wien 15, Trafik Lippa, Mareschgasse 32. Bruck / M.: Trafik Kamper, Her- zog-Ernst-Gasse 23. Hartberg: Trafik Denkmeyr, Kirchengasse 6. Innsbruck: Trafik Wacker, Museumsstraße 38; Trafik Sezemsky, Brunecker Straße 1.

Hinweise: Beiträge, die die offizielle Meinung des ÖCV wiedergeben, sind als solche gekennzeichnet. Alle anderen Publikationen stellen nur die persönliche Meinung des Autors dar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewährleistung übernommen. Redaktionell abgeschlossen am 05.09.2019.

September 2019 3 SCHWERPUNKT

WER SCHLIESST DIE LÜCKE ZUR STUDIEN-REIFE? Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala (Vi-CD) im Academia-Gespräch: Über die Qualifizierungsmängel heimischer Maturanten, das „Reizthema“ Studiengebühren und den Sinn von Ganztagsschulen.

WILHELM ORTMAYR

Die öffentliche Debatte über sich wird definieren müssen. unsere Universitäten wird Ich hoffe, sie tut das mit etwas von zwei großen Themen Selbstbewusstsein, was den beherrscht. Eines davon sind „Wert“ von Bildung und des- die Studiengebühren – stets sen Wahrnehmung betrifft. ein Aufreger. Abschaffen, Ein Beispiel: An unseren belassen, erhöhen? Kunstuniversitäten findet – wegen des Einzelunterrichts – Ich habe selbst alle Phasen er- die teuerste Universitäts- lebt. Ich habe gratis studiert, ausbildung statt, die es gibt. ich habe mit Studienbeiträ- Wir bieten diese Ausbildung gen studiert, sie haben mich unzähligen Drittstaatsange- nicht sonderlich irritiert, ob- hörigen mehr oder weniger wohl ich aus keinem vermö- kostenlos an. Darüber könnte genden Elternhaus komme. man abseits aller Ideologien Es ist aus meiner Sicht ein- durchaus diskutieren. fach ein Reizthema. Tatsache ist, dass uns im Hochschul- Den Universitäten macht der system die privaten Mittel freie Zugang zu vielen Studien fehlen. Höhere Studienbeiträ- nach wie vor Probleme. Denn ge würden den Studierenden gemessen werden sie auch ein gutes Druckmittel in die nach Abschlüssen, nicht nur Hand geben, adäquate Leis- nach Studienanfängern. Nun tungen in der Lehre einzu- sorgen aber „Flüchtlinge“ fordern, sie wären aber wohl (die z. B. eigentlich Medizin auch ein Anreiz, schneller zu studieren wollen) in anderen studieren. Studienrichtungen für hohe Aber das ist primär eine po- Inskribentenzahlen ohne litische Frage, die auch die Abschlussabsicht. Was will © BMBWF / Lusser nächste Bundesregierung für die Regierung dagegen tun?

4 © kasto© stock.adobe.com –

Die Verdrängungsraten auf- Zugangsbeschränkungen Niveauverlust auch an den senschaft“. Immerhin gibt es grund eines Wunschstudi- geben? Universitäten? den Einfluss der Politik und ums beobachten wir bereits der Geldgeber aus der Wirt- länger, das ist leider eine Es ist ein Irrglaube, dass of- Nein, aber vielleicht ist es schaft. Wie frei kann Wissen- Begleiterscheinung unseres fene und daher überlastete die Aufgabe der Universitä- schaft sein? Systems, wo gewisse Studien Massenfächer so etwas wie ten, die Lücke zu schließen, Drittmittel sind natürlich zugangsbeschränkt sind und Bildungsgerechtigkeit pro- zwischen dem Niveau der für Finanzierungsthemati- andere nicht. duzieren. Es gibt Studien, Matura und den Erforder- ken herzlich willkommen, Man kann ideologisch zur da ist die Zugangsbeschrän- nissen der Universität. Da denn es macht ja grundle- Zugangsbeschränkung ste- kung einfach notwendig, soll es Brückenkurse geben, gend Sinn, mit Unternehmen hen, wie man will. Mein um die Qualität aufrechtzu- die die Unis selbst anbieten, zu kooperieren. Auftrags- Denkansatz ist, dass es sich erhalten. damit das Angebot für alle forschung darf aber nicht bei einem Studium um die Man könnte es auch wie die sozialen Schichten zugäng- inhaltlich binden oder gar teuerste Phase der Bildung ETH in der Schweiz ma- lich bleibt. Geld darf nicht ethisch in einen zweifel­ handelt – und ausgerechnet chen. Dort gibt es keine Auf- dafür ausschlaggebend sein, haften Bereich führen. Dar- die ist offen für jedermann nahmeprüfungen, aber das ob jemand einen Studienzu- über hinaus ist die Grund- und jederfrau? Ausnahme Niveau ist dementsprechend gang schafft, denn wir haben lagenforschung per se nicht sind die die Kunststudien, angehoben, sodass sich das ohnehin schon das Problem, oder schwer planbar. die sind seit jeher zugangs- innerhalb von zwei bis vier dass die Schülerinnen und beschränkt. Weil unsere Ge- Semestern von selbst erüb- Schüler, die aus dem Nume- Soll die höhere Schule, sellschaft hier offenbar die rigt. Es schaffen nur die, die rus-Clausus-Land Deutsch- sollen Universitäten und Wahrnehmung hat, dass neugierig, fleißig und geeig- land zu uns kommen, viel Fachhochschulen primär man für diese Studien etwas net sind. Dieses System kos- stärker auf Leistung und No- „bilden“ oder sollte doch mitbringen muss, nämlich tet natürlich viel Geld. ten getrimmt sind als unsere eine arbeitsmarktorientierte Talent, Eignung und ein ge- Uns hingegen ist es ein An- Maturanten. Ausrichtung im Vordergrund wisses Können. liegen, dass immer breitere Ein vieldiskutiertes Thema – stehen? Gesellschaftsschichten An- nicht nur, wenn man nach Also sollte es für teil haben an einem höheren Ungarn schaut – ist immer Unser Bildungssystem muss noch mehr Studien Bildungsniveau. wieder die „Freiheit der Wis- offen bleiben, denn wir ha-

September 2019 5 ben es mit jungen Menschen ten, aber es sollte dabei auf Berufe in 20 oder 30 Jahren häuser und ich fürchte, das mit sehr unterschiedlichen Bildung, auf Musik, Kunst, Mangelberufe sein werden hält viele talentierte junge Hintergründen und Vor- Handwerk, Literatur oder und wo es ein Überangebot Menschen ab, ein Universi- stellungen zu tun. Deshalb Sport nicht vergessen wer- geben wird. Lehrerinnen tätsstudium zu absolvieren. sollten wir gerade, wenn die den. Das sind ganz wesent- und Lehrer hatten wir einst Im Fachhochschulbereich ist „großen“ Entscheidungen liche Faktoren der Bildung, zu viele, heute fehlen sie teil- das besser einschätzbar. anstehen, flexibel reagieren die einem Mensch Resilienz weise. Es gab auch eine Ärz- können. Nicht für jeden ist geben, die ihn immer beglei- teschwemme, derzeit hin- Letztendlich müssen wir ein Studium von vornherein ten und in manchen schwie- gegen bilden wir europaweit freilich immer an das ökono- der passende Weg, nicht für rigen Lebensphasen auch gut gesehen zu wenige Ärzte mische Verständnis der Men- jeden führt dieser Weg zum „drübertragen“ können. aus. Wir sind derzeit in Ös- schen appellieren. Nämlich passenden Beruf. Es ist oft gar terreich, was das Studienan- wenn es um die Frage geht: nicht schlecht, zunächst eine Gibt es den mündigen gebot betrifft, nicht schlecht „Kann ich mir ein Studium Berufsausbildung zu ma- Staatsbürger, der weiß, aufgestellt. Unser Problem ist leisten“, im Sinne von „kann chen, sich in diesem Rahmen welche Ausbildung ihm eine eher, dass wir die Studieren- ich es mir leisten, mit einer zu qualifizieren, etwa durch gute Zukunft beschert? den nicht rasch genug durch Qualifizierung abzuschlie- die Meisterprüfung und die das Studium durchbringen. ßen, die am Arbeitsmarkt Führung eines Betriebes. Es Es ist immer etwas schwierig, Das ist dann ein ökonomi- nicht nachgefragt und dotiert ist aber auch nicht schlecht, im Voraus zu sagen, welche scher Faktor für viele Eltern- wird?“ nach einer Berufsausbildung in ein Studium wechseln zu „Selbstverständlich soll unser Gegenwärtig sehen wir ein können oder umgekehrt. Wir Missverhältnis zwischen können nicht im Vorhinein Bildungswesen auf eine schulischer Ausbildung und sagen, was für wen am bes- Nachfrage am Arbeitsmarkt. ten passt. Passend ist auf je- Berufsausübung vorbereiten, aber es Wie kann man da Abhilfe den Fall das, wo ein Mensch sollte dabei auf Bildung, auf Musik, schaffen? sich wohl fühlt. Selbstverständlich soll un- Kunst, Handwerk, Literatur oder Wir stellen insgesamt fest: ser Bildungswesen auf eine Wir haben hohen Bedarf im Berufsausübung vorberei- Sport nicht vergessen werden.“ Bereich Informatik, Mathe-

6 matik, Naturwissenschaf- liche Entwicklungsziele zu ten – und da geht es nicht definieren – aber auch den unbedingt um die Akade- Förderbedarf, der dafür noch misierungsquote, sondern besteht und die möglichen die Wirtschaft sucht ebenso Fördermaßnahmen. händeringend Facharbei- ter und HTL-Ingenieure. In Nehmen da im den MINT-Fächern gelingt Mittelschulbereich wirklich es uns nicht gut genug, den alle Eltern teil? Kindern zu vermitteln, dass das interessant ist. In den Wir wissen, dass wir in jenen Volksschulen sehen wir, dass Bereichen, wo es am notwen- Buben und Mädchen noch digsten wäre, die größten sehr offen für alles sind, aber Probleme haben und die ge- im Alter zwischen 12 und 15 ringste Kooperationsbereit- verlieren sie das breite Inter- schaft. Aber man sollte sich esse. In diesem Alter ist die deshalb die Initiative nicht Peer Group sehr wichtig, da madig machen lassen. geht es stark darum, sich wie © BMBWF / Lusser die anderen zu verhalten. Du sprichst von jenen Schichten, die über Zu einer absoluten Minder- Mag. Dr. Iris Eliisa Rauskala wurde 1978 als Tochter Generationen kaum am heit zu gehören, in eine ab- eines Finnen und einer Österreicherin in Helsinki ge- Bildungsaufstieg teilnehmen. solut andere Richtung zu boren. Sie maturierte in Wels und schloss ihr Studium Wie will man diese Kinder gehen, ist in diesem Alter (Wirtschaftswissenschaft) in Innsbruck mit Auszeich- „gewinnen“? sehr schwierig. Die Mädchen nung ab. Im absolvierte sie die Grundaus- fehlen dann in den natur- bildung für den Bundesdienst im Wirtschafts- und wissenschaftlich-technischen So früh wie möglich. Wir Arbeitsministerium und später in Oslo das „Supreme Sparten, die Burschen in den stellen fest, dass am Ende der Audit Institution Performance Measurement Framework sozialen, aber auch in den Volksschule etwa 30 Prozent Expert Training“ der INTOSAI Development Initiative. pädagogischen Berufen. Das der Kinder, teils aus migranti- Außerdem ist sie Absolventin des „14. Strategischen hängt zum Teil auch mit der schen Milieus kommend, Führungslehrgangs“. immer noch sehr geringen teils aber auch aus einheimi- Bezahlung in diesen letzte- schen Elternhäusern mit so- Ihr Berufsweg führte Rauskala von der Uni Innsbruck, ren Sparten zusammen. zioökonomisch schwierigem der Europäischen Akademie in Bozen und dem Wirt- Hintergrund, die Bildungs- schaftsministerium (zuständig für Forschungs- und Also müsste man in den standards der 4. Schulstufe Technologiepolitik) in die Ministerbüros von Johannes Mittelschulen und Unterstufen nicht schaffen. Da werden Hahn, Beatrix Karl (AcG) und Karlheinz Töchterle (Le). ansetzen? Bildungsdefizite vererbt. Danach war sie an der Zürcher Hochschule für Angewand- Der Rückschluss ist, man te Wissenschaften tätig, wo sie die Fachstelle für Public Noch früher. Ganz wichtig muss schon vor der Volks- Financial Management leitete. 2015 holte sie Ressort- bei der Beobachtung einer schule beginnen, im Kinder- chef (A-D) als Sektionschefin für Schullaufbahn ist das regel- garten. Man diskutiert aus Budget, Personal, interne Revision, Wissenschaftskom- mäßige Gespräch zwischen gutem Grund über eine ver- munikation und den Bereich der Studienförderung und Lehrern und Eltern, das pflichtende Kindergarten- -beratung zurück ins Wissenschaftsministerium, 2018 künftig auch in den Volks- laufbahn, damit die Kinder wurde sie Leiterin der Präsidialsektion. schulen alljährlich stattfin- im Schuleintrittsalter wirk- den soll. In den Mittelschu- lich schultauglich sind. Oft Iris Rauskala ist seit ihrer Studienzeit korporiert. Sie ge- len ist es bereits Usus. Dabei wäre es notwendig, die Fa- hört den Damen der AV Vindelicia als Ehrendame an, das geht darum, den aktuellen milien auch weiterführend entspricht einem Urphilister bei einer ÖCV-Verbindung. Entwicklungsstand des Kin- zu begleiten. Also nicht mit des zu besprechen und mög- weiteren finanziellen Unter-

September 2019 7 stützungen, sondern mit So- zialarbeit und intensiverer Betreuung der Kinder.

In einer Ganztagsschule?

Ganztägige Schulformen können vieles bewirken, sind in Österreich aber nach wie vor ein Elitenthema. Fami- lien, die ihre Kinder in eine Ganztagsschule geben, sind solche, die es sich leisten können. Jene Milieus, wo es für die Kinder sehr gut wäre, eine Ganztagsschule mit gu- ter pädagogischer Betreuung Productions stock.adobe.com – Syda © zu besuchen, tun dies hin- gegen meist nicht – auch aus schwache Kinder? Das wäre forderungen für uns in den mit den Deutsch­förderklassen finanziellen Gründen. stigmatisierend, daher auch nächsten Jahren, dass die ein rich­tiger Schritt gesetzt kaum mehrheitsfähig. Pädagogen vor allem unter- worden. Wäre hier eine Verpflichtung richten, nicht verwalten oder sinnvoll? Du hast finnische Wurzeln – Sozialarbeit leisten. Das ist Unser Gespräch ist was machen die Schulen dort bei den Finnen besser gelöst. auffallend oft an den vielen Verpflichtungen im Schul- besser? Oder täuschen die Grundsätzlich muss man Schnittstellen zwischen bereich sind in Österreich Pisa-Tests? allerdings sagen, dass die vorschulischer, schulischer ein heikles Thema. Natürlich finnische Gesellschaft sehr und universitärer Bildung wäre ein dichteres Angebot Die Finnen schaffen es offen- homogen ist, vor allem angelangt. Wäre es sinnvoll, für gewisse Bevölkerungs- kundig sehr gut, individuell sprachhomogen. Der Mig- die Ressorts „Unterricht“ und gruppen wünschenswert. an den Schüler heranzukom- rationsanteil ist extrem ge- „Wissenschaft“ in einer Hand Nur- was ist die Folge, wenn men, den Förderungsbedarf ring. Österreich hat es in den zu belassen? genau die nicht darauf re- besser festzustellen und ihn vergangenen Jahren zum agieren, weil Bildung für verbindlich anzubieten. Und Teil verabsäumt, die Kinder Aus meiner Sicht unbedingt. sie keinen Stellenwert hat? sie schaffen, was auch in Ös- schultauglich zu machen, in- Ganztagsschule verpflich- terreich ein Thema ist: das dem sie die deutsche Sprache Mit Iris Rauskala als tend für alle? Dafür gibt es Unterstützungspersonal bes- beherrschen. Viele konnten Ressortchefin? keine Mehrheit im Parla- ser aufzustellen. Das wird dem Unterricht ja über- ment. Nur für leistungs- eine der großen Heraus- haupt nicht folgen. Hier ist Davon gehe ich nicht aus.

8 SCHWERPUNKT

ÖSTERREICHISCHE LITERATUR? NIE GEHÖRT! UND GELESEN SCHON GAR NICHT.

Wie problematisch uns Heutigen die Begriffe Volk und Nation auch immer erscheinen mögen, wie berechtigt die Kritik an eindimensionalen nationalen oder gar ethnischen Zuschreibungen, wie unbestreitbar der ständige Wandel im Selbstverständnis einer Gemeinschaft auch immer sein mögen, man sollte dennoch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. So geschehen mit der Literatur an Österreichs Schulen.

TOMAS KUBELIK

s sind nun einmal die und Mentalitäten, ja oftmals men und Kinderliedern über die beste Schule dar für das verbindenden geschicht- sogar die Werte und Denk- Märchen, Mythen und Sagen Verständnis historisch ge- Elichen Erfahrungen und das weisen formen. Und all das bis zu den literarischen Spit- wachsener Selbstverständ- geistige Umfeld in einem findet seinen stärksten Nie- zenleistungen einzelner be- lichkeiten und kultureller Landstrich oder einem Kul- derschlag in dem, was wir deutender Schriftsteller: Sie Eigenheiten einer Region. turkreis, die die Menschen Literatur nennen. Kaum eine alle bilden den Humus für im Laufe der Zeit stärker prä- kulturelle Erscheinung wirkt eine gesunde Verwurzelung Nationalliteratur meint nicht gen als alles andere, die Spra- stärker identitätsstiftend. der Menschen in Landschaft etwa die Beschwörung eines chen, Sitten, Lebensformen Angefangen von Abzählrei- und Heimat. Und sie stellen diffusen nationalen Wesens,

September 2019 9 des eingebildet Typischen Verdienste Herbert Zemans wahllos konsumieren wir integrieren. Sie schwankt und Echten, sondern viel- (Rd) um die Etablierung einer auf einem globalisierten Ba- wirtschaftspolitisch zwi- mehr die sprachlich kunst- modernen österreichischen sar der Informationen, Mei- schen dem Schutz des hei- volle Auseinandersetzung Literaturgeschichte und die nungen und Stimmungen mischen Arbeitsmarkts samt mit den Wunden, Erfolgen, literarhistorische Vermes- jedes Häppchen, das sich den Erwartungen der Bevöl- Träumen und Ängsten der sung der österreichischen uns zufällig bietet oder am kerung, heimische Produk- Menschen in einem Land, Regionen anerkennend er- billigsten zu haben ist. te zu leistbaren Preisen er- einer Region, einem Kultur- wähnt werden müssen. werben zu können, und den raum. In einem solchen Umfeld, in Vorteilen eines globalisierten Nationalbewusstsein in wel- dem Entgrenzung, Beliebig- Freihandels. Sie schwankt DAS ÖSTERREICHISCHE cher Form auch immer hat keit und Austauschbarkeit aber auch bildungspolitisch ENTSTEHT IM 19. JHDT es in Zeiten der Globalisie- herrschen, schwankt natur- zwischen einer traditionellen rung freilich schwer. Pau- gemäß auch die Politik. Sie Vorstellung von gymnasialer Die Schwierigkeiten, welche senlos, so scheint es, werden schwankt staatspolitisch Bildung auf der einen und die Ausbildung eines ös- Grenzen eingerissen: kul- zwischen dem Wunsch nach dem Anpassungsstreben an terreichischen Nationalbe- turelle, sprachliche, politi- einem Europa der Vaterlän- importierte pädagogische wusstseins begleitet haben, sche und ökonomische. Ein der und dem Traum von der Moden und die Bedürfnisse sind im Grunde dieselben riesiges technisch-mediales Auflösung der Nationalstaa- transnationaler Wirtschafts- wie jene bei der Eingrenzung Karussell befördert in atem- ten zugunsten eines großen organisationen auf der ande- der österreichischen Litera- beraubender Geschwindig- gemeinsamen europäischen ren Seite. tur: erstens die enge sprachli- keit Nachrichten, Waren Staats. Sie schwankt kultur- che, aber auch historisch-po- und Dienstleistungen um politisch zwischen der För- ERKENNEN UND VERSTEHEN litische Verflechtung mit dem die ganze Welt. Mit ihnen derung und Pflege heimi- deutschen Kulturraum, zwei- wandern aber auch Lebens- scher Kunst und Kultur und Eine tragfähige Bildung, die tens in unterschiedlicher Ge- stile, Konsumgewohnheiten, der multikulturell inspirier- auch Mündigkeit und Urteils- stalt immer wiederkehrende kulturelle Praktiken und re- ten Absicht, eine möglichst fähigkeit umfasst, braucht Abgrenzungs­ bemühungen­ ligiöse Wertvorstellungen. große kulturelle Vielfalt in aber klare Orientierung und gegenüber Deutschland auf- Pausenlos und scheinbar den Alltag der Menschen zu die Bindung an zentrale Wis- grund einer jahrhunderte- lang wirkenden habsbur- gisch-katholischen Prägung und drittens der damit ein- hergehende kulturelle Ein- fluss nicht-deutscher Gebiete und Volksgruppen. Dennoch kann ohne Zweifel von einer österreichischen Literatur gesprochen werden, ohne sie einfach bloß unter die deutsche zu subsumieren.

Im Vergleich zum restlichen Europa entwickelt sie sich zwar mit deutlicher Verspä- tung, erreicht aber Ende des 19. Jahrhundert eine sehr bedeutende Stellung inner- halb der deutschsprachigen Dichtung. Das ist längst auch international Stand der Wis- senschaft, wobei hier v. a. die

10 sensinhalte. Gebildetsein be- den. Das ist alles. Alle ande- gung und dient meistens halb einer Generation. Es deutet Welterkenntnis und ren aufgezählten Epochen entweder als Aufhänger, um fehlt ihnen die mentale und Weltverständnis auf der kommen ohne Österreich- aktuelle Probleme zu disku- emotionale Verwurzelung Grundlage von Wissen und bezug aus, v. a. aber werden tieren, oder aber als Material in der Vergangenheit und es Traditionen. Entscheidend weder Autorennamen noch zum Einüben der Lese- und fehlt ihnen ein gemeinsamer ist, dass der Erwerb eines konkrete zu lesende Werke Analysefähigkeit. Das aber kultureller Wissens- und Er- möglichst globalen Weltver- genannt. Nach den Vorgaben führt unweigerlich zum fahrungsschatz. Die Folge ist ständnisses verwurzelt ist des Lehrplans ist es keines- Anwachsen der kulturellen – mit den Worten des Philo- im Vertraut-Sein mit den Ge- wegs zwingend, Ganztexte Entfremdung. sophen Günther Anders – ein gebenheiten und Leistungen (etwa Dramen oder Romane) „Mensch ohne Welt“, „der, des eigenen Lebensraums. zu lesen, und ein erweiterter Wo aus dem kulturellen weil er an vielen, an zu vie- In Bezug auf die Literatur Literaturbegriff sieht bereits Überangebot von Vergan- len Welten gleichzeitig, teil- müsste es daher Aufgabe des seit 1989 den Einbezug von genheit und Gegenwart eine nimmt, keine bestimmte und Schulunterrichts sein, der „dichterischen und nicht- beliebige Auswahl getroffen damit auch keine, Welt hat“. Literaturvermittlung einen dichterischen, gedruckten werden darf und soll und auf zentralen Stellenwert im hö- und durch andere Medien jede Ordnung, jede Struktur Obwohl einzelne Lehrkräfte heren Bildungswesen zu ver- vermittelten Texten“ vor. und jegliche normative Vor- hervorragende Arbeit leisten, leihen; und die österreichi- Von einer fundierten litera- gabe verzichtet wird, dort großen Wert auf literarische sche Literatur müsste dabei rischen Bildung kann daher kann keine tragfähige An- Bildung legen, ist dennoch eine besonders wichtige Rol- nicht einmal mehr an Gym- eignung der Überlieferung die generelle Erwartungs- le spielen. Nur am Rande sei nasien ausgegangen werden, mehr stattfinden. Wer an haltung fehl am Platze, ein erwähnt, dass dies auch ein erst recht nicht von einem einem kulturellen Pluralis- österreichischer Maturant wichtiger Beitrag zur Integ- orientierenden Überblick mus festhält, verzichtet dar- wäre mit den Namen Nest- ration junger Einwanderer über die österreichische Lite- auf, jungen Menschen Maß- roy, Ebner-Eschenbach, Ril- wäre. raturgeschichte. Deshalb ver- stäbe für ihre ästhetische ke, Zweig, Bachmann, Bern- wundert es auch nicht, wenn Urteilskraft an die Hand zu hard und Ransmayr auch KOMPETENZFETISCHISMUS Fachbücher, die sich speziell geben. Dadurch löst sich aber nur halbwegs vertraut. Für VERDRÄNGT DIE LEKTÜRE mit der österreichischen Lite- sowohl das Band zwischen das Bestehen der schriftli- ratur beschäftigen, Ladenhü- Vergangenheit und Gegen- chen Reifeprüfung im Fach Die Bildungspolitik der ver- ter bleiben oder deren Druck- wart auf als auch jenes zwi- Deutsch ist deren Kenntnis gangenen Jahrzehnte hat legung keine angemessene schen den Menschen inner- jedenfalls nicht vonnöten. sich allerdings für einen Unterstützung erfährt. anderen Weg entschieden. LITERATUR ZUM THEMA Im Deutsch-Lehrplan für Die Etablierung eines bloß die AHS findet sich an ge- auf formale Kompetenzen Eckerle, Alfred: Vom Verschwinden der Literatur im nau drei Stellen ein Hinweis zielenden Unterrichts sowie Deutschunterricht. – In: Jahrbuch der Deutschen auf die österreichische Li- die vollständige Destruktion Akademie für Sprache und Dichtung 2001, teratur. Dort heißt es unter des Literaturkanons führ- Darmstadt 2002, S. 95 – 106 dem Stichwort Didaktische ten dazu, dass Lektüre, wo Grundsätze: „Der Schwer- sie denn überhaupt noch Holzner, Johann: Kanon-Diskussion und Kanon-Destruk- punkt ist auf die Begegnung ernsthaft stattfindet, einzig tion in Österreich, in: Kochan, Detlef C. (Hg.): mit deutschsprachiger unter und allein vom Urteil oder Literaturdidaktik – Lektürekanon – Literaturunterricht besonderer Berücksichti- besser: vom Geschmack des (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, gung der österreichischen einzelnen Lehrers abhängt. Bd. 30), Amsterdam 1990, S. 113 – 135 Literatur zu legen.“ In der 7. Eine argumentative Recht- Klasse soll dann die Litera- fertigung für das Gelesene ist nicht mehr notwendig, tur der Wiener Moderne und DR. TOMAS KUBELIK in der 8. Klasse die österrei- auf eine Hierarchie von Wert ist Germanist, Lehrer am Stiftsgymnasium Melk, chische Literatur zwischen und Bedeutung wird ver- Kolumnist der „Presse“ und Buchautor („Genug dem 2. Weltkrieg und der zichtet. Jeder Text hat grund- gegendert! Eine Kritik der feministischen Sprache“). Gegenwart behandelt wer- sätzlich dieselbe Berechti-

September 2019 11 SCHWERPUNKT

„DIE WIENER KLASSIK IST DIE BASIS DER MUSIKKULTUR ÜBERHAUPT“ DIRIGENT THEODOR GUSCHLBAUER IM ACADEMIA-GESPRÄCH

GERHARD JANDL © Land OÖ – Grilnberger

Maestro Theodor Guschlbauer, flankiert von Academia-Herausgeber Gerhard Jandl (Kb) und Landeshauptmann Thomas Stelzer (Se).

Theodor Guschlbauer, der „Franzose unter Österreichs Di- Linz, der Philharmoniker und der Oper in Straßburg, sowie rigenten“ (© ORF), hat u. a. bei Hans Swarowsky und Her- der Staatsphilharmonie Ludwigshafen. Engagements hatte bert von Karajan studiert und seine Laufbahn beim Wiener Guschlbauer in Japan, Lateinamerika und Europa, u. a. bei Barockensemble und an der Volksoper begonnen. Nach Ka- den Salzburger Festspielen und an der Mailänder Scala. Er pellmeisterämtern am Salzburger Landestheater und an der hat fast 2.000 Musiktheateraufführungen geleitet und über Oper von Lyon war er Chefdirigent des Brucknerorchesters 60 Tonträger aufgenommen.

12 Auf dem Portal der Einflüssen, und dieses Zu- Österreichwerbung prangt sammenführen verschiede- der Spruch „Österreich gilt ner Kulturen war in Wien auf der ganzen Welt als das stärker als etwa in Frankfurt – CC BY-SA 3.0 BY-SA – CC Land der Musik“. Ist das oder Brüssel. Wenn du nach berechtigt, oder übertreiben Japan kommst, dann wirst wir Österreicher hier? du als Dirigent oder Solist geradezu verehrt, denn du Nein, das ist nicht übertrie- kommst aus dem Land der ben. Ich habe in ganz Europa klassischen Musik, wo sie dirigiert, von Trondheim in entstand und auch heute Nord-Norwegen bis Palermo noch hochgehalten wird. auf Sizilien, in Amerika und

Japan, und Österreich hat Es ist also die klassische © Jorge Royan – http://www.royan.com.ar tatsächlich überall und aus Musik, die diesen Ruf gutem Grund diesen Ruf. begründet, also die gebürtige Deutsche, und Wir Österreicher betrachten Das ist seit Jahrhunderten so, Spitzenmusik, nicht die auch Mozarts Salzburg war unsere Orchester als solche nicht umsonst sind seiner- Breitenmusik? damals nicht habsburgisch. der absolutem Weltspitze. zeit Brahms und Beethoven Reklamieren wir diese Sieht man das im Ausland nach Wien gezogen, letzte- Die Breitenmusik auch. Wir Komponisten zu Unrecht als auch so? rer um hier „Mozarts Geist reden zwar meist über die Österreicher? aus Haydns Händen“ zu „1A-Liga“, Mozart, Haydn, Die Wiener Philharmoniker empfangen. Es hilft nichts, Schubert, Bruckner, Strauß, Nein, denn Beethoven und stellen eine alleinstehende Brahms haben sich künst- Ausnahme dar, und auch lerisch erst in Wien entfaltet eine Besonderheit, weil sie … nicht umsonst sind seinerzeit und ihr ganzes Leben lang ja offiziell das Staatsopern- in Wien bzw. Österreich ge- orchester sind, also brave Brahms und Beethoven nach Wien wirkt, und Salzburg war ja österreichische Beamte, und engstens mit Österreich ver- nur als Privatverein „Wiener gezogen, letzterer um hier „Mozarts bunden. Philharmoniker“ sich ihre Geist aus Haydns Händen“ Dirigenten, Solisten und Pro- Die Zeit der klassischen gramme selber auswählen zu empfangen. Komponisten ist mit Mahler und wie eine Republik im oder, wenn man so will, mit Kleinen funktionieren. Die den Zwölf-Ton-Musikern zu anderen Orchester, die Wie- die Basis der gesamten Mu- Mahler, etc. Aber es gibt Ende. Seither spielt Österreich ner Symphoniker, das Lin- sikerziehung ist einfach die auch hervorragende Kom- in der zeitgenössischen Musik zer Brucknerorchester, die Wiener Klassik. Nicht, dass ponisten der zweiten Reihe, keine Rolle mehr? nö. Tonkünstler, die Grazer wir die Musik der anderen Pleyel, Hummel, Czerny, und Philharmoniker, das Tiroler Länder nicht auch schätzen, viele andere, die vor allem Ja, das ist zum Teil richtig. Symphonieorchester, sind aber wenn ich sehe, was zwi- die Kammermusik der Bie- Die Zwölftöner waren eben- wirklich sehr gut. Aber eine schen Salzach und Leitha dermeierzeit geprägt haben, falls hauptsächlich noch absolute, weltweite Spitzen- innerhalb von 150 Jahren neben Schubert natürlich. Österreicher, aber die Ent- position haben wir nicht flä- an Wertvollstem kompo- Mit dem Aufkommen des wicklung der Musik danach chendeckend. Dennoch darf niert wurde, dann ist das Bürgertums in dieser Epoche ist von Italienern und Fran- man nicht übersehen, dass für ein so kleines Gebiet hat das Musizieren im häus- zosen geprägt. Ich bin den- sich neben den traditionel- fast unglaublich. Natürlich lichen Rahmen eine große noch erstaunt, wie sehr die len Zentren Wien, Salzburg war Österreich damals ein Rolle gespielt. zeitgenössische Musik jetzt und Graz auch Linz in den kosmopolitischer Staat, mit in Wien gepflegt wird, nicht letzten Jahrzehnten zu einer slawischen, italienischen, Von den ganz Großen waren zuletzt von meinem Freund hervorragenden Musikstadt französischen und jüdischen Beethoven und Brahms Friedrich Cerha. ent­wickelt hat.

September 2019 13 Gibt Österreich für seine Orchester in etwa so viel aus wie andere Staaten?

Wir geben bedeutend mehr aus. Dafür geben wir für an- dere Bereiche, etwa das Mi- litär, wesentlich weniger aus als vergleichbare Länder.

Österreich ist sehr stolz auf sein Musikschulwesen. Liefert © Udo Zilkens – https://commons.wikimedia.org / wiki / File:Kita-Musizieren.jpg – CC BY-SA 4.0 es ausreichend Nachwuchs für die Spitzenorchester, oder len umschaut, dann sieht Ich spüre das Publikum, die kes“ ab. Wenn du an der Mai- konzentriert es sich eher man viele jüngere Gesichter Menschen hinter mir – aber länder Scala dirigierst, dann darauf, die breite Bevölkerung neben den Grauköpfen. Die nicht, ob sie sich wirklich kommen die Leute nach der zur Musik hinzuführen? Vorstellung zum Orchester- graben gelaufen und rufen: Das breit aufgestellte Mu- „Wenn man sich bei den Salzburger „Che bravi, bravi!“. Das sind sikschulwesen soll auch gar Festspielen umschaut, dann sieht halt die Italiener. In Däne- nicht Spitzenleute ausbilden, mark würde dir das nicht sondern für alle die Liebe zur man viele jüngere Gesichter neben passieren. Musik an sich, den Zugang zur Musik sicherstellen, und den Grauköpfen.“ Die meisten Starsänger an zwar zu erschwinglichen den österreichischen Häusern Bedingungen. Die Allerbe- sind aus Osteuropa. Warum gabtesten gehen dann weiter letzteren sind deswegen so auskennen. Jedenfalls ist mir produzieren wir so wenig gute an Akademien und Musik- zahlreich, weil die Lebens- eine Mischung aus jungen Stimmen? universitäten, die der Aus- erwartung steigt und sich Neugierigen und alten Erfah- bildung von professionellen ältere Menschen im Durch- renen am liebsten. Karajan, Es gibt schon auch gute Sän- Musikern dienen. Auch da- schnitt mehr leisten können bei dem ich studiert habe, ger aus Österreich, aber die von hat Österreich mit vier als in früheren Jahrzehnten. hat uns mitgegeben, die „di- internationale Konkurrenz Musikunis überproportional Auch bei den kleineren Fes- rigentische Trias“ zu prak- nimmt rasant zu. Im Kon- viel, und darauf dürfen wir tivals – und davon gibt es tizieren, also Konzertsaal, zertbetrieb sieht man immer stolz sein. Das zehnmal so mittlerweile sehr viele in Ös- Orchestergraben, und Auf- mehr hervorragende Korea- große Deutschland hat nur terreich – sehe ich viele jun- nahmen für Rundfunk oder ner, die Anzahl der Europäer, 24, und Frankreich mit seinen ge Besucher. Abgesehen von Schallplatte. Im letzteren Fall sogar der Italiener nimmt ab. 60 Millionen Einwohnern gar einigen Spitzenproduktionen besteht das Publikum nur Die Koreaner, Chinesen und nur zwei Musikunis, in Paris mit unverschämten Preisen aus ein paar Mikrofonen. Japaner studieren in Europa und Lyon, und in Straßburg gibt es überall Eintrittskar- Du siehst keinen Menschen, oder den USA, lernen schnell sozusagen eine halbe. ten, die für die Jungen er- nichts. Und du musst trotz- und haben unglaublichen schwinglich sind. Da hat eine dem alles geben. Fleiß. Auch ein Amerikaner, Interessieren sich die jungen gewisse Demokratisierung der etwas will, arbeitet sozu- Menschen für klassische stattgefunden. Gibt es einen Unterschied sagen wie ein Wilder. Wenn Musik? zwischen einem Publikum in er nicht sicher ist, unter die Merkt man als Dirigent, ob im Österreich, in Frankreich, in Besten kommen zu können, Ja, trotz aller Unkenrufe Publikum Menschen sitzen, Italien, in Deutschland? dann fängt ein Amerikaner wird die klassische Musik die sich wirklich für das erst gar nicht an. auch von den Jungen gespielt Stück interessieren, oder eher Ja, die Publika sind anders, und gehört. Wenn man sich Touristen, die das Konzert im und das ist auch richtig so. Liegt es auch daran, dass bei den Salzburger Festspie- Pauschalpaket dabeihaben? Es hängt vom „Typ des Vol- das Singen bei uns, in den

14 Familien, in den Volksschulen, lich eine Pseudo-Volksmu- aber ich versuche, mich in das vorangehende italienische in den Vereinen, nicht mehr sik, ziemlich furchtbar. Bei jeweilige Stück optimal ein- Madrigalmusik sowie die als zeitgemäß gilt, sondern vielem steckt hauptsächlich zuarbeiten, egal ob ich den niederländische Schule des als gestrig, wenn nicht gar als „G’schäft“ dahinter. Es trägt Komponisten jetzt ein biss- 16./17. Jahrhunderts müssen politisch inkorrekt? auch zur Verflachung des Mu- chen mehr oder weniger mag. in der Dirigentenausbildung sikgeschmacks generell bei. zuerst einmal richtig „ver- Ja, wenn du heute anfängst Sie haben eingangs die daut“ werden. Das ist wich- mit Volksliedern, in denen Als langjähriger Wiener Klassik als „Basis der tig, denn der Orchesterchef die Heimat besungen wird, Generalmusikdirektor in Linz gesamten Musikerziehung“ ist ja ein Nachschöpfer, der bekommt das sofort einen gelten Sie als ausgewiesener bezeichnet. Hat es ein seiner subjektiven Interpreta- „rechten“ Beigeschmack. Das Spezialist für Anton Bruckner Österreicher daher leichter im tion dem Schöpfer der Musik ist grotesk. (AW). Ist er auch Ihr internationalen Musikbetrieb? auch objektiv gerecht werden Lieblingskomponist? muss. Ob man es als Österrei- Wie sehen Sie die Natürlich ist die Wiener Klas- cher leichter hat? Nein, eher Wiederbelebung der Ja, man schreibt mir eine ge- sik, jetzt in einem weiteren im Gegenteil, denn ich emp- Volksmusik in Österreich, die wisse Bruckner-Kompetenz Sinn verstanden, unglaub- finde mehr Verantwortung sogenannte neue Volksmusik? zu. Aber mein Lieblingskom- lich stark und sozusagen bei der Interpretation jener ponist ist immer der, den ich die Grundlage von allem. Basis der Musikkultur über- Da ist leider sehr viel Kitsch gerade dirigiere. Das ist na- Diese Klassik, die folgen- haupt, die die Wiener Klassik dabei. Das meiste ist eigent- türlich ein wenig übertrieben, de Romantik, aber auch die eben darstellt.

MUSIKSCHULWESEN IN ÖSTERREICH

Mit den Musikschulen verfügt Öster- Schüler in 184 Einrichtungen. Die bzw. Gesang) ist ziemlich repräsen- reich über ein Instrumentarium zur Steiermark weist in 48 kommunalen, tativ für Gesamtösterreich. Südtirol Hinführung der Jugend zur Musik, das vom Land geförderten Schulen 23.000 ist übrigens mit 24.000 Schülern an kaum ein anderer Staat besitzt. In Musikschüler auf, Tirol in seinen 27 65 Standorten (die deutschen, ladini- die Länderkompetenz fallend, ist es schen und italienischen zusammenge- zwar von Bundesland zu Bundesland nommen) etwas stärker als sein nörd- ein wenig anders organisiert, aber das liches Pendant. flächendeckende, umfassende und leistbare Unterrichtsangebot gilt vom Das Schulgeld beträgt am Beispiel Boden- bis zum Neusiedlersee, selbst OÖ, ebenfalls recht repräsentativ für in der Großstadt Wien gibt es 15 über die ganze Alpenrepublik, zwischen die Bezirke verteilte Standorte. 100 und 300 Euro pro Semester, je nach Altersgruppe und Unterrichts- Die höchste Versorgungsdichte weisen art. Für Begabte stehen Stipendien Nieder- und Oberösterreich auf. Unter zur Verfügung, benannt nach dem der Enns zählt man 60.000 Schüler früheren LH Josef Ratzenböck (AlIn et in 127 kommunalen Musikschulen, al.), einem großen Förderer des Musik- die vom Land subventioniert werden. schulwesens. 119 nö. Jugendsymphonieorchester, 29 Jugendjazzorchester und 81 Junge Seit nunmehr 25 Jahren eifern Musik- Bläserphilharmonien zeigen dann das Landesmusikschulen 20.000, davon schüler in den prima la musica-Wett- Erworbene. 62 % weiblich und 38 % männlich. bewerben auf Landes- und gemeinsam Die Tiroler Instrumentenverteilung mit den Südtirolern und Liechtenstei- In Oberösterreich, wo das Land die (22 % Holz, 18 % Saiten, 16 % Tas- nern auf Bundesebene um Auszeich- Musikschulen führt, lernen 52.000 ten, 11 % Blech, jeweils 6 % Streich nungen und Preise.

September 2019 15 SCHWERPUNKT

JETZT NO D’ REBLAUS … GIBT ES DAS ÖSTERREICHISCHE?

Das österreichische Substrat: Schnitzel essen, Lederhosen tragen und unfreundlich sein. Hallstatt und Mozartkugel. Bei Interessierten eventuell noch Hornecks Loblied aus dem König Ottokar und ein bisserl Doderer. Was macht das spezifisch Österreichische aus? Erschöpft es sich in einem seltsam anmutenden Eklektizismus aus Küche, Tracht und Kunst? Lässt sich ein Kern oder gemeinsamer Nenner formulieren, oder muss man negativ vorgehen: Gibt es das Un-Österreichische? Versuch einer Annäherung.

LUCAS SEMMELMEYER

DER BLICK VON AUSSEN

Nationaleigenschaften leug- nen – diesen Rat gibt bereits der barocke Jesuit Baltasar Gracián in seinem „Hand- orakel“. Dabei setzt er frei- lich voraus, dass man von kollektiven Eigenschaften überhaupt sprechen kann. Ist dem so? Gibt es eine österrei- chische Identität? Wenn man Deutsche fragt: Ja. „Ihr Öster- reicher …“ hört man da sehr © Yü Lan – stock.adobe.com,Ausnahme: Bild Goldenes Dachl (rechts unten) gerne, meist gefolgt von nicht besonders schmeichelhaften Zuschreibungen. Der Blick von außen kann aber nütz- lich sein. Denn was österrei- chisch ist, hängt in erster Li- nie davon ab, wer fragt. Eine Rückschau auf die Österrei- chische Rechts- und Verfas- also im Vorarlberg des Jahres se zu leugnen, wäre zweifel- tung des Nationalstaats als sungsgeschichte zeigt, dass 1919 anders ausfallen, als im los revisionistisch. Worin sie Wertehorizont kontinuierlich es sich bei unserer Republik Wien der Gegenwart (oder aber konkret besteht, bleibt abnimmt. historisch gesehen um einen Salzburg 1816 bzw. Burgen- bis hierher aber weiter unge- recht losen Verbund von äl- land 1921). Inzwischen gab klärt. Festzustellen ist, dass DER BLICK VON OBEN teren und jüngeren Ländern es allerdings Zeit und Gele- für die Identität der Men- handelt, denen realpolitisch genheit genug, um zu einer schen Regionen immer und Mit beträchtlichem Abstand heute der gemeinsame Staat gemeinsamen nationalen Heimatorte immer wichtiger betrachtet, also von ganz „gehört“. Die Antwort mag Identität zu finden und die- werden, während die Bedeu- oben, könnte man unser Land

16 und dabei doch, wenn nötig, schildert, dass die Bürger mit wenigen Ausdrücken die Angst vor schnellen Verän- Sachverhalte auf den Punkt derungen haben. Man müsse

© photo 5000 – stock.adobe.com zu bringen. Besonders schön gleichsam im Eselstrott klei- raunzt es sich allerdings ne Schritte machen. Große als geografisches Hühner- Mannesalters. Verrät uns die zwecklos. Das ist von hohem Visionen erzeugen hingegen keulen- (pardon: Hendlhaxl-) Sprache (etwas)? therapeutischen Reiz, denn, keinen Sog, sie verschrecken Drama bezeichnen. Wie sehr so schrieb schon der unver- nur. Man kann von dieser der Standort den Standpunkt „ … DENN DEINE SPRACHE gessliche wie unverlässliche Sicht auf die Menschen hal- bestimmt, erkennt der geüb- VERRÄT DICH!“ te Qualitätsradiohörer, wenn Österreich stets unbewusst Man spricht Deutsch. Doch „Dås Gfrett ohne Grund / mit Wien gleichgesetzt wird. man sagt auch: „Was die gibt uns Kern, hålt’ uns gsund!“ Geografische Identitätsbe- Deutschen und die Öster- stimmungen haben aber auch reicher trennt, ist die ge- erheblich weniger unterhalt- meinsame Sprache“. Worin Weinheber: „Dås Gfrett ohne ten, was man will. Augen- same Komponenten, etwa, liegt also das österreichische Grund / gibt uns Kern, hålt’ scheinlich ist nur, dass es wenn selbst in Qualitätsme- Proprium? Die Österreicher uns gsund!“ Der Österrei- sich um kein österreichi- dien die Stadt-Land-Unter- raunzen. Und wer glaubt, die cher raunzt nicht nur, weil er sches Alleinstellungsmerk- schiede „raufgeschrieben“ Wiener sudern am besten, kann, nicht nur aus Strategie mal handelt. Symptome, wie werden und Landmenschen der hat noch nie Kärntner und existenzieller Selbst- etwa der Wahlkampfslogan sehr rasch mit den Epitheta Weltschmerz erfahren, einen vergewisserung (ich raun- „das Schnitzel muss leistbar „bildungsfern“ und „eher Tiroler in Verzweiflung er- ze, also bin ich) – er raunzt bleiben“ sollten uns nicht da- rechts“ versehen werden, im lebt, einem Oberösterreicher auch, weil er den psycho- rüber hinwegtäuschen, dass Gegensatz zu den kultur- zugehört, der nur eine fei- hygienischen Effekt schätzt. es das in anderer Form über- affinen linken Städtern, die ne Andeutung macht, oder Wer nicht raunzt, muss sich all gibt. Gleichzeitig ist aber ja dank Landflucht ohnehin in Graz die Stadt Wien oder am Ende noch ernstlich be- der grundsätzliche Reform- stets mehr werden. „Inmitten ihre Bewohner auch nur er- schweren. Oder Revolution wille der Österreicherinnen machen. Undenkbar. und Österreicher bemerkens- wert, auch wenn er sich übli- „Inmitten dem Kind Italien POLITIK cherweise sehr abstrakt aus- drückt: „Es g’hörat wirklich und dem Manne Deutschland, Spricht man mit Politikern, was g’macht“, ja, aber bevor liegst du, der wangenrote dann bekommt man oft ge- eine bestehende Norm kon- Jüngling, da“

dem Kind Italien und dem wähnt. Ganz entgegen dem Manne Deutschland, liegst Paradigma der Selbstopti- du, der wangenrote Jüngling, mierung, der neurolingu- da“, so schrieb Grillparzer, istischen Lach-Und-Dau- Franz Seraphicus, kaiserli- menhoch-Welle, ist man cher Finanzbeamter, zweifel- hierzulande auch gern mal los sehr österreichisch, aus artikuliert negativ: Kaum der Innenperspektive. Dem ein anderes Idiom schafft es, Spieltriebe entwachsen ist sich mittels Sprachmelodie unser Land also, in seiner und Duktus, dank Diminu- Adoleszenz, voll rotwangi- tiven und Komposita, die ger Zukunftserwartungen, volle Härte der Realität ein aber ohne den Ernst des wenig vom Leib zu halten

September 2019 17 legen oder Freund mit einem haftem Humor? So ist eine „Da braucht’s dringend a Gesetz!“ langgezogenen „passt“ zur Haltung, die dem gerecht Weißglut getrieben? „Musst wird, die Spannungen er- du immer so schwammig tragen kann, zunächst ein sequent umgesetzt wird, hört einzelne Mensch, als Indi- sein?“, „Das widerspricht Zeichen von Einsicht und man eher: „Da braucht’s drin- viduum Quell und Träger sich doch!“, oder: „Das geht persönlicher Reife. Dagegen gend a Gesetz!“ Auch wäre es der Rechte, ist spätestens begrüßenswert, wenn die fle- seit Descartes Fundamental- hentlich herbeigesehnten Re- zweifel ein sehr einsames, „Stoa – aus Reife und Einsicht“ formen den Nachbarn träfe, auf sich selbst zurückgewor- nicht einen selbst. Sankt Flo- fenes Wesen geworden. Sich rian, schau’ owa! Als wohlge- darüber für eine kurze Weile doch nich’ entweder so, oder wird einem das permanen- betteter, gemütlicher Etatist hinwegzutäuschen, labt die so, aber nich’ beides“ be- te Bestreben, Eindeutigkeit hält der Österreicher ohne- Seele. Unsere Agora ist die kommt man dann zu hören. herstellen zu müssen, ir- hin den Staat für das Aller- Tarockpartie, das Kaffee- Und wie das geht! Es nimmt gendwann durch eine klei- meiste verantwortlich. Wohl- haus, der Vereinsabend. Da sogar ungemein Druck weg. ne stationäre Internierung erworbene Rechte werden lässt sich prächtig gemein- „Ja klar“, mag dann die Ant- gestört werden. Freilich, bei mit Zähnen und Klauen ver- sam einsam sein. wort sein, „du scheust dich manchen ist das Geschäfts- teidigt, ganz gleich, ob damit vor einer Festlegung, weil du modell: Keine Trumps, Sal- unnötige Mobilität subven- AMBIGE WELT geistig bequem oder mutlos vinis und Johnsons, ohne tioniert (Pendlerpauschale, bist, apathisch oder indiffe- Leugnung von Grautönen. Waldviertel-Autobahn), oder Man blickt zurück und sieht rent. Deswegen ‚passt das Der Österreicher, die Öster- das Klima geschädigt wird lauter Widersprüche. Mag schon’. Aber die Welt ist nun reicherin betreibt hingegen (Kurzstreckenflüge, Zweit- das vielleicht der Kern des mal nicht so!“ – Ist sie nicht? Stoa von der existentiellen auto). Für sehr viel, nicht nur Österreichischen sein? Am- Entspricht es nicht vielmehr Heurigenbank. Nicht aus den Klimaschutz, ist nämlich biguitätstoleranz bezeich- dem tatsächlichen Zustand Gleichgültigkeit, sondern überhaupt der Staat zustän- dig, nicht man selbst.

HOMO PLACIDUS

Darüber, wie er sich leistet, was er hat, also sein Ein- kommen, spricht der öster- reichische Mensch hingegen gar nicht. Geld ist anathema und von hundert österrei- chischen Menschen rechnen sich etwa hundert dem Mit- telstand zu. Da rückt man zusammen. Àpropos zusam- menrücken: Heurige, Zelt- net die Fähigkeit, einander der Welt, dass sie voller Un- aus Reife und Einsicht. Wo- und Feuerwehrfeste sind scheinbar widersprechende eindeutigkeiten ist, zutiefst mit wir wieder bei Hornecks auch etwas sehr Österreichi- Aussagen oder Zustände er- ambig und widersprüchlich, Loblied wären. Und die an- sches. Wer gegen Bierhalle tragen zu können, bedeutet bunt, divers und voll grauen- deren reden lassen. und Stammtisch witzelt, es den gelungenen, fruchtbrin- bei Menschenansammlun- genden Umgang mit Unein- MAG. LUCAS SEMMELMEYER (Rt-D) gen ausnahmslos mit Canetti deutigkeit. Das stützt sich ist Theologe und Religionspädagoge. Diplomarbeit hält, versteht nicht das philo- offenbar mit der Außenper- zur Religionsschrift Immanuel Kants. Er lebt und lehrt sophische Potential dieses spektive: Wer hat noch nicht in und um Wien. Nebeneinandersitzens: Der seinen deutschen Arbeitskol-

18 SCHWERPUNKT

ÖSTERREICH HAT ETWAS ZU SAGEN, SAGT ES JEDOCH ANDERS

Ein deutscher Ausländer beschreibt die österreichischen Nachbarn, bei denen er Gastarbeiter ist: Gedanken über das Plaudern und so manche Floskel, über Anziehung und Abgrenzung, die Erfahrung des Übernationalen und das Privilegium minus.

VEIT NEUMANN

egriffe wie Ausländer, Während meines Studiums Grenze und Nation haben in Bogotá sagten Menschen, Bderzeit schwache Konjunk- die sich für das Chaos des tur. Eindeutige Gruppen- Bürgerkriegs in ihrem Lan- identitäten werden kritisch de entschuldigen wollten: gesehen. Medien behandeln „Nosotros los Colombianos sie zurecht mit Reserve, denn somos muy cariñosos“ (Wir ein Land ist vielfältig wie sei- Kolumbianer sind sehr lie- ne Menschen. Dass eine klare bevoll). In Österreich habe Identität Einstellungen not- ich dagegen immer wieder wendigerweise vereinheit- die Veranlassung zu sagen, licht, würde kaum jemand so die Lebensqualität sei höher formulieren. Es ist aber eine als beim deutschen Nach- soziologische Tatsache: Iden- barn. Man streitet verhalte- titäten haben stabilisierende, ner. Man streitet nicht weni- abgrenzende und ausschlie- ger, aber kultivierter. Worte ßende Funktionen. in Auseinandersetzungen sind nicht brutal. Gerne ge- Ich beziehe mich auf Er- wöhnt man sich an eine fahrungen, die ich seit 2012 solche Kultur. gesammelt habe, als ich be- gann, in Österreich zu ar- Gewöhnungsbedürftig er- Privilegium minus beiten. Für mich geht es in scheint mir in Österreich ein Ordnung, dass ich begrenzt gelegentlich gepflegtes un- zu treten. Verdichtet habe ich TV-Formats ungeplant auf dazugehöre. Freundliche eigentliches Sprechen, auch das wahrgenommen, als aus Sendung gegangen, so aus- und weniger freundliche Plaudern genannt. Eine be- festlichem Anlass ein hoher weichend erschien all das Menschen gibt es überall. deutende Rolle spielen dabei kirchlicher Würdenträger „Schaun’S“, „Insofern“, „So- Auf alle Fälle begegnen mir diplomatische Traditionen im ORF interviewt wurde. zusagen“, „Im-Grunde-Ge- zahlreiche Österreicher mit und die (Lebens)Kunst, ei- Das Ganze wirkte auf mich, nommen“ und „Fallweise“. Aufge­schlossenheit. nem anderen nicht zu nahe als sei eine Generalprobe des Perlen aus Floskeln und

September 2019 19 Füllseln an einem glitzern- © Liberaler Humanist – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Die Beziehung zwischen den den Geschmeide der Nichts- https://commons.wikimedia.org / w/index.php?curid=52166628 Ländern konkretisiert sich sagendheit? Österreich hat außerdem an der schönen etwas zu sagen, sagt es je- blauen Donau kurz hinter doch anders. Mit den Jahren Regensburg. Kaum jemand habe ich die Codes hinter der weiß, dass hier, neben oder Plauderei verstanden. Beob- in der romanischen Kreuz- achter deuten das uneigent- hofkapelle, im Jahr 1156 das liche Sprechen als charmant, „Privilegium minus“ besie- andere als stilvoll, wieder gelt wurde. Um Bayern zu andere als unaufrichtig. Ich schwächen, ließ Kaiser Fried- würde nicht sagen, es sei un- kennen. Regelmäßig bringt genannt wird. Identitäts- und rich I. die „Marchia “ aufrichtig. Zuallererst ist es mich der Railjet der ÖBB über Gruppenbildung basieren in ein vom Herzogtum Bay- eine Kunst, die richtig ver- den Semmering. Der ICE der eben auf Prozessen der Ab- ern unabhängiges Herzog- standen sein möchte. Deutschen Bahn führt mich grenzung bei phasenweiser tum umwandeln. Das dort häufig über die Westbahn. Attraktion: Passau wird mit bekannt gemachte Diplom In Österreich halte ich mich Züge in Österreich verkehren Regelmäßigkeit als „Grenz- gilt als eine der Gründungs- hauptsächlich in St. Pölten pünktlicher als in Deutsch- bahnhof“ angesagt, Salz- urkunden des Landes. auf, gelegentlich weile ich in land. Kündigt der Bahnhofs- burg von deutscher Seite her Graz. Wien versuche ich zu lautsprecher eine Verspätung aber nicht. STATT ZU ÜBERSETZEN: ergründen. Auch aus dem aus einem benachbarten SICH DARÜBER AUSTAUSCHEN Zug kenne ich das schöne Land an, ist häufig Deutsch- Nach einer Niederlage der Land und lerne es in ihm land bezeichnet, ohne dass es Holländer in einem großen Wer über ein Land nachdenkt, Fußballspiel gegen Deutsch- tut dies meist subjektiv. Beim land ist ernsthaft davon ab- Studium an deutschen Uni- zuraten, als Deutscher dort versitäten sind mir mehrere eine Diskothek zu besu- österreichische Professoren 3100 ST. PÖLTEN chen. Im Vergleich dazu ist begegnet. Einer davon in der Wiener Straße 69 das Verhältnis Österreichs Journalistik zeichnete sich und Deutschlands lockerer, durch ein dunkelblaues ju- wenn auch nicht immer un- gendstilartiges Glasbehältnis verkrampft. Jedenfalls lehrt aus, das, mit Mineralwasser der Blick in die Geschichte angefüllt, bei der Vorlesung ein munteres Hin und Her stets in Reichweite stand und aus Abgrenzung und An- Aufmerksamkeit bei Studen- ziehung. Es gab romantische ten erregte. Speziell öster-

vorl. HWB: 33 kWh/m²a vorl. Überhöhung und überzoge- reichisch ist das nun nicht. ne Kritik, beides auch aus un- Mit dem Land in Verbindung angebrachten Minder- oder bringe ich aber die ruhige Art Freifinanziert Höherwertigkeitsgefühlen. dieses Professors, mit der er Es kam zu unliebsamen ge- seine Lehren vorzutragen schichtlichen Verwicklun- pflegte. „Schaun’S“, „inso- Wohnungen mit Kaufoption gen. Aber auch schöne Ver- fern“ – das ist keine Kritik, n ab 45 bis 86 m² bindungen sind festzustellen: sondern subjektiv. n Loggia, Terrasse und Garten, Dachterrase, Balkon Höre ich in Österreich Joseph n Tiefgaragenstellplatz, Lift, Abstellraum Haydns Melodie der Kaiser- Sind Deutsche also hekti- n Bezug: Februar 2020 hymne, freue ich mich, dass scher, zielstrebiger und här- sich, soweit ich bisher sehe, ter? Was weist mich als deut- niemand daran stört, dass schen Professor in Österreich Info: 02742/204 252 • www.alpenland.ag auch das Deutschlandlied aus? Es ist ungünstig, in einer sich ihrer bedient. Kommission rundweg nein

Alpenland-Wienerstraße-StPoelten-85x120mm.indd20 1 02.09.19 22:36 zu sagen. Am Ende eines Selffulfilling Prophecy wir- trächtiger Lebensqualität ist Festvortrags bei der KÖHV ken können. Und doch ent- produktiv. Es geht um seine Carolina Graz über Medien hält sie manchmal beachtli- identitätsstiftenden architek- und ihre Wandlungsfähigkeit che Körner von Wahrheit. tonischen Formen, um Ro- sagte ich kürzlich: „Was soll manliteratur von Roth über der ganze Quark?“ und kor- DIE EIGENE ERFAHRUNG Werfel bis Doderer und stil- rigierte nach einer Schreck- DES ÜBERNATIONALEN volle Lebenskunst, in der üb- sekunde: „Was soll der ganze rigens auch das Plaudern sei- Topfen?“ Intuitiv erfasste der Dr. Otto Habsburg (NbW) nen Platz hat. Zu wünschen Saal die Aporie eines Mittel- sagte sinngemäß, Deutsch- wäre es, interessierte sich das franken in Bayern mit sude- lands Berufung sei es, Euro- Land mehr für seine eigene tendeutschem Hintergrund, pa in seinem Inneren zu ver- Erfahrung des Übernationa- der in der Oberpfalz lebt, in binden. Frankreich gewahrt len, indem es die Regionen Niederösterreich lehrt und bis heute nicht den Verlust Mitteleuropas zusammen- augenblicklich in der Steier- Okzitaniens, einer einst maß- führte: kompetent kulturell mark spricht. Ich habe es auf- geblichen ganzen Kultur im wie dereinst. Kreuzhofkapelle gegeben, meine Aussagen ins eigenen Land, an deren Stel- österreichische Deutsch über- le die Civilisation française Wie sich die Zeiten ändern! Gelände ein bekanntes inter- setzen zu wollen. Gerne be- gesetzt wurde. „La France Die Kreuzhofkapelle an der nationales Möbelhaus. Es fasse ich mich aber mit der ös- profonde“, wo Frankreich schönen blauen Donau kurz verbreitet Schweden als zu- terreichischen Sprechart und angeblich noch es selbst ist, hinter Regensburg, wo Ös- sammenschraubbare Kultur, versuche, mich mit denen, die steht aber der in die Jahre ge- terreichs Zukunft 1156 auf macht Geld daraus und heißt sie pflegen, darüber gewinn- kommenen Nationalästhetik den Weg gebracht wurde, Ikea. Diese Art des Nationa- bringend auszutauschen. von Paris recht fern. schläft ihren Dornröschen- len hat Konjunktur, ist aber Sprache und ihre Gestaltung schlaf. Heute dominiert das nur mäßig interessant. erschließen Lebensarten. Da ist Österreich in kultu- reller Hinsicht vielfältiger Völkerpsychologie ist ver- durchwirkt als Deutschlands DR. DIPL.-JOURN. DIPL.-PÄD. VEIT NEUMANN (Alm, Ae) pönt. Sie verstärkt Erwar- westlicher Nachbar. Seine ist Professor für Pastoraltheologie in Regensburg und tungserwartungen und bringt Spannung aus vergangenem St. Pölten sowie Chefredakteur der deutschen ACADEMIA. Vorurteile hervor, die als Anspruch und zukunfts-

Wir verbinden, was zusammen gehört. BANK+VERBINDUNG Gemeinsame Werte, Zusammenhalt und Verlässlichkeit zeichnen eine starke Verbindung aus. Die Partnerschaft der Raiffeisenlandesbank OÖ und des OÖ Cartellverbandes ist darüber hinaus von einem nachhaltigen Zusammenhalt und der Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, geprägt.

Starke Partner – starke Verbindung: Raiffeisenlandesbank OÖ und der OÖ Cartellverband Raiffeisen Landesbank www.rlbooe.at Oberösterreich SCHWERPUNKT

ÖSTERREICHISCHES DEUTSCH WIRD ÜBERLEBEN, WENN WIR ES WOLLEN

Braucht Identität Sprache? Braucht Sprache Identität? Der Dauerdruck des Deutschländischen Deutsch auf die gewohnte Gebrauchssprache der Alpenrepublik wirft grundsätzliche Fragen auf. Warum wir nicht schreiben, was wir (leider auch immer seltener) sagen.

WILHELM ORTMAYR

Man sollte Karl Kraus nicht bemühen. Denn der berühm- te Satz über das Trennende der gemeinsamen Sprache stammt nachweißlich nicht von ihm, sondern vermut- lich aus einem Kabarett- stück. Die Gräben zwischen Deutschland und Österreich möglichst weit und tief zu graben, war nach der NS-Zeit politischer Zeitgeist. Ihm entstammt auch das Öster- reichische Wörterbuch, das noch heute zur Grundaus- stattung jedes Volksschülers zählt. Ein Christlichsozialer (Felix Hurdes, NbW) und ein Kommunist (Ernst Fischer) den man eventuell spricht, sprache, gemanscht von Wer- mehrheitlich um Studien- standen 1951 Pate für das aber niemals schreiben dür- betextern, Synchronsprechern flüchtlinge der Publizistik, Buch gewordene Bemühen, fe. Zu einfach, zu provin- und Fernsehleuten.­ Psychologie oder Medizin. die österreichischen Ge- ziell. Dabei vergisst man 2019 ist eine weitere Verjün- brauchssprache in den Rang hierzulande gern, dass auch KLEMPNERJUNGE EINGEPENNT gung eingetreten, die Medi- der offiziellen Schriftsprache die Deutschen mehrheit- STATT TREPPE HOCH ZU LAUFEN endeutsch Sprechenden sind zu heben. lich regionale Gebrauchs- halbwüchsige Österreicher. sprachen sprechen (und Stieg man 1979 in Salzburg Ganz gelungen ist dieses auch schreiben), nicht Hoch- in den städtischen Bus und Die „Piefkesierung“ feiert Vorhaben nie. Dem Österrei- deutsch. Das, was wir heute hörte dort „bundesdeutsch“, fröhliche Urständ. Seit mehr chischen blieb stets der Ge- als „Deutschlanddeutsch“ handelte es sich sicher um als 20 Jahren wird sie befeuert ruch des „Dialekts“ haften, im Ohr haben ist eine Kunst- Urlaubsgäste, 1999 bereits von deutschem Fernsehen,

22 die kaum Deutsch können und mit jenen Neuen Mittel- schülern, die dank herkunfts- staatlichem Fernsehkonsum standhaft die Verwendung von Artikeln, Pronomen und Präpositionen verweigern. Beklatscht werden da schon jene, die mittels KIKA oder RTL2 besser Deutsch lernen als ihre Mit-Migranten, und sei es Deutschlanddeutsch.

Vielleicht aber tun wir uns mit der Sprachintegration der von Musiksendern, aber neu- gestanden …“. Deutschland- wie die Großen. Denn klein Zuwanderer auch genau des- erdings bei den Jugendlichen deutsch, erlernt durch Sozial- ist schlecht, weil es im Ver- wegen so schwer. Weil wir vor allem durch YouTube-Ka- kontakt im gutbürgerlichen dacht steht, sozial niedrig uns über das Eigene nicht im näle und unzählige Strea- heimischen Milieu. zu sein.“ Diese Haltung ge- Klaren sind, also über das, ming-Dienste wie Netflix. fährdet auch die vielen Dia- was die Leute kennen und Beeinflussend wirkt zudem AUCH OPFER EINES lekte unseres Landes ganz normalerweise verwenden. die Dominanz von Filmen MINDERWERTIGKEITSGEFÜHLS massiv. Wenn das Eigene verdrängt und Serien US-amerikani- wird, findet sich auch ein Teil schen Ursprungs auch im Man kommt nicht umhin Dazu kommt in Österreich der autochthonen Bevölke- österreichischen Fernsehen. zu fragen, inwieweit gewis- ein weiterer Faktor, nämlich rung in der Muttersprache Sie alle werden in Deutsch- se Gruppen dieses „schöne“ die auch im Artikel von Phi- nicht mehr wieder. Nicht im land synchronisiert, Co-Pro- Deutsch ganz bewusst auf- lipp Jauernik angesprochene Vokabularium (obwohl das duktionen des ORF mit saugen … und gleichzeitig Spaltung der Eliten: Auf der Austauschen einiger Wörter deutschen Sendern werden den Verfechtern der öster- einen Seite die Trachtenträ- vielleicht noch das kleine- oft in Deutschland gedreht, reichischen Gewohnheits- ger, auf der anderen Seite re Problem ist), nicht in der die Rollen mehrheitlich mit sprache gerne Chauvinismus jene, die das ins braune Eck Sprachmelodie. deutschen Schauspielern be- unterstellen? Der Grazer rücken wollen. Es gibt, so setzt. Heute sind vermutlich Germanist Rudolf Muhr sagt Muhr, „keinen Konsens in Abgesehen von der eher so- rund 80 bis eher 90 Prozent dazu in einem Zeitungsin- der Elite, was österreichische ziopolitischen Frage, wie- der konsumierten Fernseh- terview: „Die Unterstellung Identität ist“. Deshalb tun viel Identität und Abgren- und Videoinhalte deutscher von Chauvinismus ist nur wir uns so schwer, eine Ös- zung wir eigentlich wollen, Zunge. Auch in Kinderpro- möglich in einem Land, das terreichische Sprache zu de- braucht Österreich jedenfalls grammen (wie im beliebten sich mit einem anderen Land finieren, die wir auch schrei- eine systematische Aufarbei- Sender KIKA) spricht man eine Sprache teilt und ein ben, nicht nur sprechen. Wir tung der Sprachverhältnisse, Deutschlanddeutsch. unterentwickeltes sprachli- holen Gewand aus dem Kas- die mit der strikten Kate- ches Selbstbewusstsein hat. ten, aber schreiben von der gorisierung „Dialekt“ und Doch es geht auch ohne di- Würde es einem Deutschen Kleidung aus dem Schrank. „Hochdeutsch“ aufräumt. rekten Medienkonsum. Man passieren, dass man ihm im Und vielleicht wäre es kein ist fassungslos, wie heutzu- eigenen Land vorwirft, er HAUPTSACHE DEUTSCH, Übel, manche fremdsprachi- tage Achtjährige, in deren sei ein Chauvinist, wenn er EGAL WELCHER PRÄGUNG gen Filme oder Serien nicht Elternhaus es weder Radio seine eigenen sprachlichen zu synchronisieren, sondern noch Fernsehen gibt, ihren Normen verwendet? Das ist Im Bildungsministerium mit Untertiteln zu versehen. Großvätern vom jüngs- die Auswirkung der lingu- kümmert man sich um all das Schützt vor Deutschland- ten Schulausflug erzählen: istischen Kriecherei. Eine wenig. Die heimische Lehrer- deutsch, stärkt die Lese- „Dann dachte ich … plötz- Überanpassung der Leute, schaft hat genug zu kämpfen kompetenz und steigert die lich fielen … wir hatten (!) die gern so sein möchten mit jenen Einzuschulenden, Englischkenntnisse.

September 2019 23 Farben spüren können?

Ja, machen wir. Ich lade Dich ein, die Welt mit allen Sinnen zu erleben. Nicht durch die Brille des Zaungastes, sondern mit dem Herzen. Erlebnisse aus nächster Nähe und Augenblicken voller Glück. So planen wir alle Deine Reisen, weil es nicht darum geht, dort gewesen zu sein, sondern weil es darauf ankommt, wieviel Du mit nach Hause nimmst. Dein JeschkooOo, Dan, Alln

01/534 11-105 [email protected]

8x in Wien | 6x in NÖ | 2x in Linz | Salzburg | Eisenstadt | Oberwart | Innsbruck | Graz SCHWERPUNKT

DAS POLITISCHE DES TRACHTENJANKERS

Wir leben im Global Village und stellen verstärkt die Frage nach unserer regionalen Identität. Für Österreicher heißt das einerseits „was ist typisch rot-weiß-rot?“, es wirft aber auch die Frage auf, wo unsere volkskulturellen Wurzeln liegen und warum manche sich damit grundsätzlich schwertun.

PHILIPP JAUERNIK

as ist eigentlich ein Klischee? Der Duden Wvermerkt eine „eingefahrene, überkommene Vorstellung“, das österreichische Musik- lexikon sagt: „Ausdruck für eine durch übermäßigen Gebrauch abgegriffene und daher letztlich inhaltsleere Aussage – in der Praxis je- doch auch zur Bestimmung von ‚Nationalcharakteren’ oder gar einer ‚Völkerpsy- chologie’ verwendet“. Dem aufmerksamen Leser wird das erste Paradoxon schon bewusst: Beide Definitionen besagen letztlich, dass es für das Klischee als solches nen jodeln, auch wenn dies torisch stimmt das auch. Der habsburgische Renegat konstitutiv ist, überkommen unser Bild im Ausland ist. Erzherzog Johann trug den popularisierte den Anzug und inhaltsleer zu sein. Es Steireranzug mit Freude, wie allerdings erst. Und so sehr, muss irgendwie schon stim- Wenn man uns allerdings in er auch Anna Plochl dereinst wie der Österreicher (und der men, aber halt nur irgend- Lederhosen für Bayern hält, schrieb: „Der graue Rock, Bayer) heute unter „Tracht“ wie. Ein Beispiel? Nicht alle hört sich der Spaß auf. Er- von manchen verkannt, von den Loden oder Jägerleinen Holländer leben in Wohnmo- zürnt verweist der Österrei- den Besseren erkannt, wurde versteht, gegebenenfalls bilen, aber wir wundern uns cher dann sofort auf eine hier ein Ehrenrock und ich ziehe kombiniert mit der Leder- nicht, wenn wir im Sommer seit Jahrhunderten gepflegte ihn nie mehr aus, ebensowe- hose, so wenig war ebendas viele holländische Wohnwä- Tradition und auf Erzherzog nig weiche ich von meiner vor 200 Jahren „typisch“ für gen auf der A10 sehen. Die Johann, der doch auch schon Einfachheit, lieber gebe ich das Land und seine Men- wenigsten Österreicher kön- in der Tracht herumlief. His- mein Leben her.“ schen. Eher das Gegenteil

September 2019 25 war der Fall: Im kaiserlichen eingeführt – um Heimatge- Wien wurde das Tragen des fühl und Selbstbewusstsein Steireranzugs seinerzeit als zu stärken. Indiz für aufrührerische Ge- sinnung wahrgenommen. Noch jünger ist der nieder- österreichische Landesan- EINE EHER JUNGE IDEE zug – hier wird zwar auf den Begriff „Tracht“ verzichtet, Heute ist das anders: Wer aber optisch deutlich Bezug ein Jopperl trägt, will da- genommen. In den 1970er mit oftmals eine gewisse Jahren eingeführt, erfolgte Heimatverbundenheit aus- zu Beginn dieses Jahrzehnts drücken, viele schätzen aber ein „Facelifting“, dem sich auch schlicht, dass es sehr der damalige Landeshaupt- kleidsam ist. Spätestens, seit mann Erwin Pröll (Rt-D) als Kaiser Franz Joseph im Stei- Testimonial zur Verfügung reranzug auf die Jagd ging, stellte. Damit ist ersichtlich, ist er im Establishment der wie wichtig Kleidungstradi- guten Kleidung angekom- tionen für das Wir-Gefühl men. Und er fungiert als einer Region sein können eine Art Staatsbürgerschafts- und so zur Identitätsfindung nachweis: Oft legen Österrei- beitragen. Zwar lässt sich nur cher im Ausland die Tracht mutmaßen, wie viele Nieder- siegeszugartige Renaissance. „Land“, nach „früher“, nach an, um zu zeigen, woher sie österreicher „ihren“ Landes- Kein Mensch unter 50 wäre „Tradition“ riecht. Robert stammen. anzug als „typisch“ für ihr vor drei Jahrzehnten auf die Misik etwa meint im „Stan- Land bezeichnen würden – Idee gekommen, etwa den dard“ zum wiedergekehr- Übrigens ist der Steirer da- aber für ein anderes ist er es Salzburger Rupertikirtag ten Trend zur Tracht und hingehend keine Einzel- ganz sicher nicht. „trachtig“ zu besuchen. Heu- Trachtenmode: „Junge Leute erscheinung. Der kastanien- te wird jeder zwischen 9 und in der Großstadt tragen den braune Kärntneranzug ist VOM NO-GO ZUM MUSS 99 schief angesehen, der es Geist des Anti-Urbanen am nur wenige Jahre älter als die nicht tut. Leib, tragen die Idiotie des österreichische Republik. Er Egal wie jung und neu: Das, Landlebens in die Stadt hi- entstand im Jahr 1911 und was die Österreicher aus Dennoch: Es gibt Österrei- nein. Nehmen wir Andreas wurde per Dekret der Kärnt- verschiedenen Regionen als cher, die keine Tracht tra- Gabalier, seine Musik, sei- ner Landesregierung noch Tracht bezeichnen und für gen, selten Schnitzel essen nen ästhetischen Stil, die- im selben Jahr als offizielle traditionelle Kleidung hal- und schon gar nicht jodeln. ses Krachlederne, nur als Landestracht für Männer ten, feiert gegenwärtig eine Die alles ablehnen, was nach Symptom. Als Symptom für

26 SchremserBier schremserbier etwas, was einem in den letzten Jahren immer wieder begegnet. Dieses Hip-Wer- den von Tracht, Dirndl, Lederhose“.

Faktisch hat Misik Recht. „Wir haben hier in den ver- gangenen Jahren sicher um 50 Prozent zugelegt“, meint etwa Lodenfrey-Geschäfts- führer Markus Höhn mit Blick auf seinen Umsatz. Auch in vielen anderen Be- reichen ist feststellbar, dass Volkskultur und Brauchtum kam zu lange nichts. Öster- sellschaft erschütterte. Diese naus. Der bekennend linke neuen Zulauf erleben. Für reichische Populärmusik Gesellschaft suchte nach Autor spielt hier auf die völ- junge Frauen ist es wieder klang bei Christina Stürmer Halt, nach etwas Vertrau- kischen Nationalisten und vorstellbar, den Goldhau- wie aus Hessen importiert. tem in einer sich ändernden die Nationalsozialisten an, ben beizutreten. In Zeiten, Nun aber gibt es Sänger wie Welt. Durchaus eine Paralle- die den Heimatbezug eben- in denen sich Studenten- Gabalier oder Bands wie die le zu unserem Zeitalter der falls benutzten und ihn da- verbindungen, Freiwillige „Seer“: Instrumentierung, Digitalisierung, was die Re- mit für lange Zeit prägend Feuerwehr und Rotes Kreuz Melodik, Text – alles riecht naissance der Volkskultur verunstalteten. Sorgen um den Nachwuchs nach Heimat. Und es füllen mit-erklären könnte. Blicken machen, haben Brauchtums- sich die riesigsten Open Air wir auf die Perchtenläufe: Misik tappt damit in eine ur- vereine durchaus regen Zu- Bühnen. Lange Zeit nur in alpinen alte Falle: Er will eine Sache lauf. An einem sonnigen 1. Regionen verwurzelt, ver- ideologisch aufladen, die Mai gehen rund um Linz, Die Etablierung dessen, was breiten sie sich heute sukzes- nicht ideologisch ist. Damit Graz, Salzburg heutzuta- wir heute Volkskultur nen- sive in anderen Gegenden. dreht er sich paradoxerweise ge x-mal so viele Menschen nen oder auch volkstümliche Dort werden sie teils kritisch genau im Kosmos jenes Kli- in Lederner und „Dirndlg- Kultur, mag das Ergebnis empfangen, aber von vielen schee-Dreivierteltakts, gegen wand“ zu irgendeinem Mai- einer Innovation der Roman- eben durchaus als heimat- den er wettert, denn sowohl baumaufstellen als zu den tik des ausgehenden 19. Jahr- lich empfunden. Und war- die semipolitischen Einlas- Aufmärschen der Genossen. hunderts sein, doch das ist um sollte beispielsweise ein sungen zu diesem Thema zu kurz gegriffen. Die Inno- Oberösterreicher nicht auch von Andreas Gabalier wie HEIMAT- STATT AUSTRO-POP vation nahm ja durchaus An- einen Tiroler Brauch als Teil auch die von Misik sind leihen bei Dagewesenem und seines heimatlichen Kultur- überflüssig und zeugen da- Das Ende der Austro- baute es ein. Das so entstan- erbes begreifen dürfen? von, dass wir Österreicher pop-Epoche hat auch in dene Neue wurde zu einem immer noch ein unzurei- der Musik ein Identifikati- Mem, einem Bewusstseinsin- Wenn nun Misik sein obiges chend reflektiertes Verhält- ons-Vakuum erzeugt. Land- halt, in das teils diffuse Asso- Zitat noch mit „Diese Re- nis zu unserer Vergangen- auf-landab ist „I am from ziationen gelegt werden. Da- naissance von Blut-und-Bo- heit haben. Hier würde eine Austria“ immer noch für vie- mit sind wir wieder nah am den-Ästhetik, dieser Schol- gewisse Entkrampfung so- le eine Hymne, die Zeiten als Klischee, das davon lebt, zu- len-Romantik“ fortsetzt, wohl Befürwortern als auch Ambros&Danzer noch wuss- gleich zuzutreffen und nicht schießt er über das Ziel hi- Kritikern guttun. ten, dass die Zigarette hier- zuzutreffen, jedenfalls aber zulande „der Tschik“ heißt nicht falsifizierbar zu sein. PHILIPP JAUERNIK BA (FRW) und Willi Resetarits alias Dr. ist Historiker und Chefredakteur des „Couleur“. Seit Kurt Ostbahn sich sowieso Dieses Mem entstand zu 2016 ist er Bundesvorsitzender der Paneuropajugend nur im Wiener Idiom beweg- einer Zeit, als die Industria- Österreich. te, sind ewig vorbei. Danach lisierung die bürgerliche Ge-

September 2019 27 SCHWERPUNKT DIE MEHLSPEISE ALS HAUPTGANG

Ein oft wenig beachtetes Alleinstellungsmerkmal der österreichischen Küche ist die große Vielfalt an Mehlspeisgerichten, die oft und gerne als Hauptgang gegessen werden. Neben Marillenknödeln und Kaiserschmarren gibt es noch eine große Zahl von süßen Köstlichkeiten, die viele nur noch aus Kindheitserinnerungen kennen. Ein kleiner Streifzug einer ganz besonderen österreichischen nationalen Eigenart.

ALEXANDER LESIGANG

© babsi_w – stock.adobe.com © breakingthewalls – stock.adobe.com

on Apfelstrudel bis aus ihr gewonnener Produk- kocht, Nüsse, Gewürze aus Hauptgang gedacht sind. All Zwetschkenknödel reicht te, wie zum Beispiel Butter, nahen und fernen Ländern die feinen Torten, Kuchen, Vdie Palette dieser Gerichte, Topfen, Obers odergleichen, und die eine oder andere Kekse oder Naschereien die aus wenigen Grundzu- die in nahezu jedem Rezept Spezialität hinein. Und was müssten gesondert behandelt taten gezaubert werden. Wie finden ist. Das dritte, fast selbstverständlich nicht feh- werden – ihre Vielfalt hierzu- aus dem Wort Mehlspeise immer vorkommende Ele- len darf, ist der Zucker, der lande ist einfach zu groß. klar hervorgeht, ist Getreide, ment sind Eier, die als ganzes Mehlspeise zur Süßspeise fein oder grob gemahlen, die oder in Dotter und Schnee vollendet. Kreationen dieser Gattung wesentliche und tragende getrennt zur Festigkeit ei- finden sich in allen Teilen Zutat – in einigen Fällen kön- nerseits und zur Luftigkeit VIELE REGIONALE Österreichs und einigen nen auch Erdäpfel, Buchwei- andererseits beitragen. Dar- EIGENHEITEN Ländern, die einst in seinem zen oder Maroni diese Rolle über hinaus gehören selbst- kulturellen Einflussbereich übernehmen. Ein weiteres verständlich noch Früchte, Jene Gerichte, um die es standen. Zieht man von West unverzichtbares Element ist frisch, wenn sie Saison ha- in diesem Text speziell ge- nach Ost, wird man als erstes die Milch, meist in Form von ben, getrocknet oder einge- hen soll, sind solche, die als auf den Vorarlberger Riebel

28 stoßen, ein schlichtes Rezept Café Hawelka assoziieren, aus der Küche der einfachen wo diese mit böhmischen Menschen, das aus einem Powidl gefüllten Germteig- eigens dafür gemahlenen stücke, zur Mitternacht von Grieß ohne Ei zubereitet der einstigen Wirtin serviert wird und Ostösterreicher wurden. wohl an einen Grießschmar- ren erinnern wird. Auf der Zu guter Letzt ganz im Osten anderen Seite des Arlbergs im Burgenland angekom- könnte man sich die aus men, wo es ebenfalls eine Germteig zubereiteten Kiachl große Vielfalt süßer Gerich- oder Apfelküchle gönnen. te gibt, erlaube ich mir, die

Zieht man weiter nach Salz- © 2mmedia – stock.adobe.com Palatschinken aufzugreifen, burg, kommen dem hungri- denn sie stehen auch syno- gen Gast wohl als erstes die KAISERSCHMARREN nym für jene Gerichte, die luftig leichten gleichnamigen Um die Herkunft dieses Gerichts ranken sich zahlreiche aus ehemaligen Kronländern Nockerln in den Sinn oder, Legenden. Ob er nun mit seiner Majestät tatsächlich zu den Weg in Österreichs Kü- etwas deftiger, die Schwarz- tun hat, ist fraglich. Die Namensherkunft kann jedoch che gefunden haben. beernocken, einem einstigen plausibel mit dem Schmarren der Kaserer (Käser) erklärt Holzfällergericht aus Heidel- werden. ZWEIMAL PRO WOCHE beeren. Neben allen diesen regiona- Wie kaum ein anderes Ge- Küche in dieser eindeutigen speiskultur denke ich an die len Speisen gibt es noch eine richt ist in Kärnten der Form keine spezielle Mehr- Waldviertler Mohnnudeln, lange Liste, die mit ruhigem Reindling mit dem Land ver- speise zugeordnet werden, je die auch gerne als Hauptspei- Gewissen als gemeinsames bunden. Als unverzichtbare nach Region gibt es eine gro- se gereicht werden. österreichisches kulinari- Speise für Ostern und andere ße Auswahl an Gerichten al- sches Erbe bezeichnen kann. große Feste hat er einen fi- penländischer Herkunft oder Aus der großen Zahl der Da gibt die Variation von xen Platz in der Tradition des solche, in denen Apfel verar- Wiener Speisen, die ja so wie Strudeln, Aufläufen, Knö- Landes. Er kann auch als Bin- beitet werden. Oberösterreich das Gros der Wiener Bevölke- deln und vor allem Schmar- deglied zur herzhaften Küche hingegen ist wohl das Knö- rung Zuagraste sind, möchte ren, die je Zutat variiert wer- gesehen werden, da er oft mit delland Österreichs, wo man ich – um auch den Bogen zur den können. Schinken oder zu einer Suppe auch bei süßen Variationen Kaffeehauskultur zu span- genossen wird. Im Gegensatz fündig wird. Als niederöster- nen – die Buchteln nennen, Die hier in Auszügen darge- dazu kann der steirischen reichischen Beitrag zur Mehl- die viele Wiener mit dem stellte Vielfalt an Gerichten

ÖSTERREICHS MEHLSPEISEN SIND WELTKULTURERBE

Die UNESCO hat die rot-weiß-rote reichischen Mehlspeiskultur“ mit dem Die UNESCO folgte den Intentionen Mehlspeiskultur im Juli in das Register Ziel gegründet – ebenso wie schützens- der österreichischen Mehlspeisfreunde „Guter Praxisbeispiele zur Erhaltung werte Bauten, Naturdenkmäler oder und würdigte den Verein, weil er „die und Weitergabe des immateriellen traditionelle Handwerkskunst – auch kulturelle Bedeutung sowie das erfor- Kulturerbes“ aufgenommen. Diese An- die Mehlspeiskultur als Weltkulturerbe derliche Wissen und die handwerkli- erkennung verdankt Österreichs süße anerkennen zu lassen. Seitdem habe chen Fertigkeiten zur Herstellung von Küche ganz maßgeblich dem Einsatz deren Obmann Dr. Alfred Fiedler (AlIn) Mehlspeisen“ sichtbar mache – „be- einiger ÖCVer. unermüdlich für dieses Ziel gekämpft ginnend mit der Landwirtschaft als „und sich den Mund fusselig geredet“, Rohstofflieferant bis hin zur Verarbei- Vor fünf Jahren hatte sich in Oberöster- so der Bundesinnungsmeister der Kon- tung der Zutaten zu köstlichen Lecker- reich die Initiative „Freunde der öster- ditoren, Leo Jindrak (Ma). bissen“, hieß es wörtlich.

September 2019 29 Die süße Mehlspeise als Hauptgang ist ebenfalls in den heimischen Supermärkten zu finden. ist wohl auch Ursache, dass Rezeptsammlung beinhaltet eine süße Mehlspeise als nationalen Lebensmittel- süße Hauptspeisen an den dieses Buch Menüvorschlä- Hauptgang. konzernen als auch Eigen- heimischen Tischen oft und ge für alle 52 Wochen eines marken. Jedenfalls ist das ein gerne Platz finden. So zeigt Jahres. Dabei wird zwischen Auch ein schneller Blick in ein starkes Zeichen, dass heimi- ein Blick in das 1931 erst- Sparküche, einfacher Küche aktuelles Standardwerk der schen Esstischen, wenn auch mals von Ziegenbein und und feiner Küche unterschie- österreichischen Küche zeigt, oft nur als Fertigprodukt, Eckel herausgebrachte Werk den. Während es in der feinen dass die Mehlspeise nach diese Gerichte nach wie vor zur Wiener Küche „Was ko- Küche stets ein dreigängiger wie vor einen hohen Stellen- anzutreffen sind. che ich heute?“, wie selbst- Menüvorschlag ist, werden wert besitzt. So widmen sich verständlich Mehlspeisen in der einfachen Küche nur 200 Seiten der insgesamt 645 Leider spiegelt sich diese damals Teil der einfachen zwei Gänge vorgesehen. Hier Rezeptseiten des Goldenen Vielfalt nur sehr beschränkt Hausmannkost waren. Ne- gibt in fast jeder Woche, auf Plachutta, also fast ein Drit- in der Gastronomie wider. ben einer umfangreichen eine kräftige Suppe folgend, tel, den süßen Köstlichkeiten, Wenngleich das Mehlspeis- wobei hier auch die schon an- standardgericht, der Kaiser- gesprochenen Torten, Kekse schmarren, fast überall zu usw. ebenfalls untergebracht finden ist (ich fürchte in vie- sind. Dennoch kann man in len Fällen als Produkt der einer Vielzahl von Schmar- Systemgastronomie fix-fer- ren, Strudeln, Knödeln usw. tig tiefgefroren geliefert) so schmökern. Alle möglichen sind Gaststätten, die diese Teigvarianten werden genau Tradition in hoher Kultur dargestellt und viele Anre- pflegen, eher selten anzu- gungen für Eigenkreationen treffen. Einzig auf Skihütten geboten. und Bergrestaurants wird mit allgegenwärtigen Kai- GERN GEGESSEN, ABER serschmarren und Germ- SELTEN SELBST GEKOCHT knödeln auch ausländischen Gästen Appetit auf eine süße Ebenso bieten auch die hei- Hauptspeise gemacht. Wie mischen Supermärkte eine schön wäre es doch, dort große Auswahl von Mehl- auch einmal Powidltascherln speisen. Dabei finden sich oder einen Topfenauflauf be- sowohl Produkte aus inter- stellen zu können.

MAG. ALEXANDER LESIGANG (Baj) Studium der Soziologie und Geschichte, leidenschaftlicher Freund kreativen Genusses.

30 SCHWERPUNKT

„MAN IST NICHT DAHEIM UND DOCH ZUHAUSE“ Es gibt kaum einen typischeren Ort für die österreichische Seele als das Kaffeehaus – seit 2011 ist die „Wiener Kaffeehauskultur“ Immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Es dreht sich sehr viel um das „schwarze Gold“ in der Tasse, wenn auch nicht alles.

FLORIAN LUKESCH

Blick in das Wiener Traditionskaffeehaus Café Central © Blickfang – stock.adobe.com

ir schreiben das Jahr Form schon seit dem 16. Jahr- tung haben sich seit dem kochen, hier beschränken 1683. Die Schlachtge- hundert unter europäischen Mittelalter technisch verän- wir uns auf historische und Wtümmel der Zweiten Türken- Gelehrten, Händlern und dert, drehen sich aber immer gegenwärtige Methoden der belagerung ist verklungen Diplomaten bekannt. Mit noch um dieselben Elemente. heimischen Szene. und Polen-König Jan Sobieski, den Türkenkriegen sind al- Kaffeekirschen werden ge- entdeckt höchstpersönlich im lerdings wirklich erstmalig erntet, geschält und getrock- In den Anfängen war das feindlichen Feldlager einige die Rohstoffe in brauchbarer net, die eigentliche Früchte Kaffeehaus meist ein unwirt- Säcke mit unbekannten brau- Menge nach Mitteleuropa (die Bohnen) danach gerös- licher Raum mit einer Feu- nen Kügelchen. Da er nichts gelangt und so hat Kaiser tet. Die Röstung ist das zen- erstelle, wo mit bewährten damit anzufangen weiß, Leopold I. dem armenischen trale Element, denn hier be- orientalischen Rezepten ein über­gibt er die Beute an sei- Silberhändler Johannes kommen die Bohnen Farbe, Kaffeesud aus grob gesto- nen Dolmetscher Georg Franz Theodat im Jahr 1685 die ers- Geschmack und Charakter. ßenen Kaffeebohnen, über Kolschitzky, der im befreiten te Konzession erteilt, Kaffee Danach muss noch gemahlen Feuer aufgekocht und dann Wien das erste Kaffeehaus er- auszuschenken. werden und das erhaltene stehen gelassen wurde, bis öffnet. Diese romantische Ver- Kaffeemehl mit Wasser auf- sich der Kaffeesatz absetzt. klärung gefällt dem Wiener, VERÄNDERTE ZUBEREITUNG gebrüht, Wie man das macht, Dieser Vorgang hat den Be- ist allerdings erfunden. obliegt dem weiten Feld der griff des „Kaffeesieders“ be- Kommen wir zum zentralen Zubereitungsarten – mittler- gründet, der sich heute noch Tatsächlich ist Kaffee in einer Element, zum Kaffee selbst. weile kann man Kaffee auf im Sprachgebrauch und in traditionellen orientalischen Herstellung und Verarbei- beinahe unzählige Arten der Vereinigung der Wiener

September 2019 31 Kaffeehausbesitzer wieder- beginnt und das Kaffee- findet. haus wird zum Inbegriff der Lebensqualität. Ende des 17. Jahrhunderts erkannte man in der Mög- In der zweiten Hälfte des lichkeit das Kaffeemehl nur 19. Jahrhunderts erleben wir noch mit kochendem Wasser die Hochblüte und bis heute zu übergießen und dann zu nachwirkende Prägung des filtern eine neue Art der kom- klassischen Cafés. Es ist Frie- fortablen Zubereitung. Die den, die Wirtschaft ordnet tern, Friedrich Torberg, Karl pressomaschine Einzug. Vor- hohe Kunst des Kaffeesie- sich in der industriellen Re- Kraus, Stefan Zweig, Artur bei ist die Zeit des Kochens dens trat in den Hintergrund volution neu und in Wien hält Schnitzler oder Hugo von und Filterns. Der Espresso und auch die räumliche Aus- die Gründerzeit Einzug. Der Hofmannsthal. So sehr wir ist das Maß der Dinge und stattung der Kaffeehäuser nä- kulturelle Schmelztiegel der heute ihre Darstellungen ide- wird Grundlage für alle be- herte sich gemütlichem Mobi- Hauptstadt befruchtet Gast- alisieren, so unromantisch kannten Kaffeespezialitäten. liar. Es entstanden die ersten ronomie und Kochkultur – je- war ihre Lebensrealität. Im Er bringt auch den beliebten Zeitungscafés, in denen man der anständige Haushalt, der Kaffeehaus konnte man sich, Cappuccino, eine italienische länger verweilen wollte. etwas auf sich hält, hat eine damals wie heute, aufhalten, Form der Melange ins Land. böhmische Köchin, die aller- ohne einem strikten Kon- Es entstehen zahlreiche Es- 1788 eröffnet das erste Wie- lei üppige Hausmannskost sumzwang zu unterliegen. pressobars, und in nahezu ner Konzertcafé und wird zaubert. Das zeigt sich natür- Die Wiener Gemütlichkeit er- jedem Lokal kann man pro- zum Treffpunkt für Musi- lich auch beim Kaffee. Mit laubt durchaus, ein Getränk blemlos einen Kaffee ordern. ker, Künstler und Literaten. der Verwendung von Schlag- zu bestellen und bei diesem Der Grundstein für die heute obers und Milchprodukten einen Kaffee dann mehrere Die klassischen großen Kaf- Form des Kaffeehauses wird entstehen die bekannten Kre- Stunden zu verbringen, Men- feehäuser versuchten eine etabliert. Mittlerweile gibt ationen Franziskaner, Ein- schen zu treffen und seinen Renaissance ihrer Tradition man auch punktuell Milch spänner und der Methusalem Tätigkeiten nachzugehen. und stellen auch heute noch und Zucker als Beigabe und der Getränke, die Melange. Für Künstler, die ohnedies mit dem traditionell gran- nimmt dem Getränk den bit- Milch spielt überhaupt die oft von Luft und Liebe gelebt telnden Oberkellner im Smo- teren Charakter. zentrale Rolle. Friedrich Tor- haben, war dies der ideale king ein Aushängeschild der berg dokumentiert den Haus- Aufenthaltsort – es war ge- Weltstadt Wien dar. Leider Die Napoleonische Kon- brauch, dass der Ober dem heizt und man konnte sich sind fast alle Lokale zu Tou- tinentalsperre zu Beginn Gast eine gemalte Farbpalette intellektuell entfalten. Man- ristenmagneten verkommen, des 19. Jahrhunderts ist ein vorlegt, von tiefschwarz bis che trieben es zur Perfektion, wo die Tradition ideell hoch- traumatischer Einschnitt. milchig weiß, wonach dieser im Café zu leben, und ließen gehalten wird, aber das was Die gesamte Szene steht vor den Farbgrad der Milchzuga- sich sogar die Post dorthin in der Tasse landet, schlicht- dem Ruin, kaum ein Kaffee- be bestellen kann – bekann- liefern. weg aus dem Vollautoma- sieder kann sich den Import teste Variante ist die „Schale ten kommt. Und dennoch, von Kaffee auf dem Landweg Gold“. Die großen Tragödien des der Charme, an einem lauen leisten. Als Notlösung wird 20. Jahrhunderts, die beiden Abend seine Melange an den erstmalig gestattet, dass in EIN DAUERAUFENTHALTSORT Weltkriege, sowie der techni- Tisch serviert zu bekom- den Kaffeehäusern Speisen sche Fortschritt haben diese men, bereitet noch immer angeboten werden. Die Berufsgruppe der Kaf- Sozialkultur maßgeblich zer- ein Wohlgefühl des Zuhau- feehausliteraten entsteht, schlagen. In den 50er-Jahren seseins, obwohl man nicht 1815, Wiener Kongress. Es mit den berühmten Vertre- hält flächendeckend die Es- daheim ist. wird nicht nur Walzer ge- tanzt, es wird flaniert, genos- FLORIAN LUKESCH (TKW) sen, getrunken und gefeiert *1979, ist Produktmanager für Mobilitätsdienstleistungen. Er ist ein fundierter Kenner der Wiener und das natürlich mit wieder Kaffeeszene und ist seit vielen Jahren Stammgast im Café Korb, sowie in zahlreichen „third wave“ aufgeblühter Kaffeesiederei. Coffeeshops (Coffee Pirates, Balthasar, Gota Coffee Experts). Die Zeit des Biedermeier

32 MEDIEN

DAS LICHT IM DUNKEL

ALEXANDER WRABETZ

Christoph Schönborn (Rt-D) relevantes, kulturelles und die Verbindung zwischen ein politisches Grundthema. Kirche und ORF als „gemein- Für viele Menschen hat Reli- same Mission“ bezeichnet, gion einen extrem hohen Stel- nämlich als „aufklärerischen lenwert. Deshalb machen wir Auftrag“. Und Kardinal dem ORF-Publikum, das sich Schönborn attestierte dem mit Glaubensfragen beschäf- ORF, ein Leitmedium zu tigt, ein breites Angebot an sein, das mit Religion fair, fundierter Religionsbericht­ neugierig, kompetent und erstattung. einfühlsam umgehe. RELIGION IM SPIEGEL

Dr. Alexander Wrabetz mit Gerhard Weis (Baj) © ORF / Thomas Ramstorfer Öffentlicher Rundfunk, so DER LEBENSREALITÄT Schönborn, stehe im Dienst er ehemalige, leider und Glauben geblieben. Wir des Dialogs und müsse selbst Generell gibt es eine enge kürzlich verstorbene erreichen jedes Jahr mehr ein Ort des Dialogs über die Verbindung von Religion DORF-Generalintendant Ger- als fünf Millionen Menschen großen Themen sein. Men- und Medien. Medien wie der hard Weis (Baj) hat mir vieles mit unserer Religionsbe- schen suchen in einer un- ORF tragen zur Veränderung vorgelebt. Etwa, dass man richterstattung. Das sind 77 übersichtlichen Welt nach der Wahrnehmung von Re- als ORF-Generaldirektor die Prozent der gesamten öster- vertrauenswürdiger Infor- ligion bei. Unsere Berichter- Pflicht hat, sinnreiches und reichischen TV-Bevölkerung. mation und Institutionen, stattung beeinflusst das Bild qualitätsvolles Programm zu 2018 zeigte der ORF im TV die Orientierung geben und von Religion, das in der Öf- senden, auch wenn andere 101 Stunden Religion. Sinn vermitteln. Ich denke, fentlichkeit herrscht. Dabei mit trashigen Formaten den hier haben sowohl die Kirche bemühen wir uns besonders, ein oder anderen Erfolg ein- Für den ORF ist das eine als auch der ORF Antworten jene Aspekte von Religion fahren. ganz zentrale Säule, denn für parat. zu thematisieren, die einen viele Menschen ist Religion Bezug zur Lebensrealität der Der ORF ist auch nach der immer noch ein wichtiger Be- Religion ist ein Thema in Bevölkerung haben. Der öf- Führung von Gerhard Weis standteil des Lebens. Es freut meinem persönlichen Leben, fentlich-rechtliche Rundfunk eine Plattform für Religion mich daher, wenn Kardinal aber auch ein gesellschaftlich ist für kompetente Religions-

September 2019 33 programme ideal, weil wir es diengruppen bauen ihren uns eigene Religionsredak- marktbeherrschenden Ein- tionen und -programme und fluss auf den audiovisuellen somit intensive Recherche Markt in Europa mit großem leisten können. Wir müssen Druck aus. Der Fernsehmarkt und dürfen uns nicht nur ist fragmentiert wie nie zu- nach dem Markt richten. vor. Umso wichtiger ist der © ORF / Thomas Ramstorfer öffentlich-rechtliche Rund- Wir sind hoch ambitioniert, funk, der regionale Inhalte ein qualitätsvolles Programm anbietet und auch in der Re- zur Verfügung zu stellen, ligionsberichterstattung Zu- aber auch dazu verpflich- sammenhänge anbietet und tet. Das ORF-Gesetz und die Hintergründe erklärt. ORF-Programmrichtlinien schreiben uns Programme SOZIALE VERANTWORTUNG für die angemessene Berück- sichtigung der Bedeutung Der ORF hat nicht nur die der gesetzlich anerkannten Funktion, die Österreicherin- Kirchen bzw. Rücksichtnah- nen und Österreicher zu un- me auf die religiösen Ge- terhalten, sie zu informieren, fühle in allen Darbietungen mit Sport und Kultur zu be- Wissenschaft ist im ORF den- für die Wissensgesellschaft vor. Zudem soll der ORF alle geistern, sondern auch dazu, noch ein eigener, sehr wichti- zu vermitteln, als Sensor für wichtigen religiösen Ent- als Gesellschaft solidarisch ger Schwerpunkt. Oft ist Wis- neue Denkströmungen zu wicklungen berücksichtigen. zusammenzustehen und das senschaftsberichterstattung fungieren und Wegweiser Bewusstsein dafür zu schär- unbedankt und selten steht zu neuen Lebens- und Wis- Das erfolgreiche ORF On- fen. Aktivitäten des ORF sie im Fokus der allgemeinen sensformen anzubieten. Mit line-Portal religion.orf.at war dienen auch abseits von Pro- Aufmerksamkeit. Aber wir unserer zeitgemäßen Ver- übrigens eine der ersten On- grammen der Gesellschaft: forcieren sie, weil unser Pub- mittlung von wissenschaft- line-Aktivitäten des ORF mit Im vergangenen Jahr haben likum mit einer globalisierten licher Forschung wollen wir einem denkbar breiten und wir inklusive der „Wunder- Informationsflut kämpft, die zur Weiterentwicklung der informativen Angebot. tüte“ 3,7 Millionen Euro mit niemand voraussehen konn- Gesellschaft beitragen. dem Ö3 Weihnachtswun- te. Der ORF sieht sich als Ge- Natürlich muss sich der ORF der eingenommen. „Licht genpol zum Halbwissen und Für diese Ziele, die auch der weiterentwickeln, unter an- ins Dunkel“ hat 2018 15,5 Fake News via Social Media große, unvergessene Gerhard derem arbeiten wir derzeit an Millionen Euro Spenden ge- und will wissenschaftlich ge- Weis vorgegeben hat, werde dem neuen „ORF-Player“ – ei- sammelt. „Licht ins Dunkel“ sichertes Wissen vermitteln, ich weiterkämpfen, damit ner offenen Plattform für den ist eine der Stärken des ORF das nicht von Algorithmen der ORF zum Zusammen- ORF-Content der Zukunft. und enorm wichtig für das gesteuert ist. halt der Gesellschaft beitra- Auch zu Religion soll es Land, weil die Aktion große gen kann. Eine solidarische hier ein anspruchsvolles öf- Not lindert. Dieses Projekt ist Nach wie vor ist öffent- Gemeinschaft ist eine star- fentlich-rechtliches Angebot gelebte Gemeinsamkeit. lich-rechtliche Rundfunk die ke Gemeinschaft, und eine geben. größte Wissenschaftsplattform Intention, die sich für uns Ich glaube übrigens nicht an des Landes. Für uns sind Wis- alle lohnt. GEGENPOL ZUR CYBERWELT die Polarisierung zwischen senschaft und Bildung seit Glaube und Wissenschaft, jeher zentrale Themen, und Für die Identität Österreichs als ob die Theologie an den zwar weit über den gesetz- ist der öffentlich-rechtliche Universitäten keine Wissen- lichen Auftrag hinaus. Denn Rundfunk eine wichtige Ba- schaft wäre. Schließlich hat wir haben das Ziel, Wissen- sis und ein Gegenpol zur die Aufklärung die Unter- schaft und Öffentlichkeit DR. ALEXANDER WRABETZ kommerzialisierten Medien- schiede zwischen Religion in einen Dialog zu bringen. ist Generaldirektor des ORF welt. US-amerikanische Me- und Theologie festgelegt. Die Das bedeutet, Orientierung

34 MEDIEN

STARKE HEIMISCHE MEDIEN SICHERN ÖSTERREICHS IDENTITÄT

Die Globalisierung des Medienmarktes und der Siegeszug des Internets werfen gerade für ein kleines Land wie Österreichs brisante Fragen auf. Können die heimischen Medien ihre demokratiepolitische, aber auch identitätsstiftende Rolle auch künftig spielen? Was bleibt über von unserer Kultur und Sprache im Medienkonzert des 21. Jahrhunderts? Welches Recht und welche Werte gelten im digitalen Raum?

GERNOT BLÜMEL © alexlmx – stock.adobe.com

ie wesentliche medien- Fokus aller richten, denen großen, gleichsprachigen sind nicht in Österreich, son- politische Frage für die heimischen Medien und Nachbarn und digitalen dern sind multinationale On- DÖsterreich ist: Wie können der österreichische Medien- Weltmarktführern konfron- line-Giganten wie Facebook, wir gewährleisten, dass es standort tatsächlich wichtig tiert, mit denen sie im direk- Google und Co. in zehn oder fünfzehn Jah- sind. Ich bin überzeugt, dass ten Wettbewerb stehen. Frü- ren überhaupt noch relevan- es dazu dringend notwen- her war es die Aufgabe des ÖSTERREICHISCHE te österreichische Medien dig und höchst an der Zeit Öffentlich-Rechtlichen, mög- IDENTITÄT SICHERSTELLEN gibt und österreichische In- ist auf Kooperation statt auf lichst alle Menschen mit In- halte im digitalen Raum Konkurrenz zu setzen und formation zu versorgen. Die- Was ist also die Aufgabe produziert werden? Das ist so gemeinsam gegen die ech- se holt sich heute jeder über heute? Der Anspruch muss die tatsächliche Herausfor- ten Konkurrenten gestärkt sein Smartphone in Echtzeit sein, dass es eine breite ös- derung im Medienbereich aufzutreten. Unsere Medien über die verschiedensten Ka- terreichische Medienland- und darauf sollte sich der sind mit einem zehnmal so näle. Denn die Konkurrenten schaft gibt, in der möglichst

September 2019 35 viele Menschen mit qualita- tiv hochwertigen Inhalten erreicht werden. Wir beken- nen uns dabei zu Pluralität und Diversität im österrei- chischen Medienraum, da wir eine demokratiepolitisch relevante Medienlandschaft haben wollen. Das bedeutet aber auch, dass es eine Zu- sammenarbeit des Öffent- lich-rechtlichen Rundfunks mit den Privaten braucht. Der ORF muss sich zu einem Part- ner der Privaten weiterentwi- ckeln und das Gegnerdenken innerhalb Österreichs muss zu Ende sein. Zur Stärkung stock.adobe.com – BestPolygon © der heimischen Medienland- schaft soll daher eine gemein- Diebstahl im digitalen Raum! päische Inhalte im digitalen len Netzwerke haben auch same Vermarktungsplatt- Wenn diese Entwicklung so Raum gibt. Schattenseiten wie Fakenews form ermöglicht werden, die weitergeht, wird es künftig und Hasspostings hervor- in weiterer Folge zu einem keine oder nur noch staat- GRUNDPRINZIPEN MÜSSEN gerufen – befördert von in- Österreich-Player entwickelt lich finanzierte österreichi- AUCH IM NETZ GELTEN transparenten Algorithmen werden soll – auf dem media- sche Medien geben. Das wäre und mangelnder Handhabe le Inhalte flexibel und ohne auch eine demokratiepoliti- Das Internet darf kein rechts- gegenüber den großen Platt- Einschränkungen zugänglich sche Katastrophe. Deshalb freier Raum sein. Unsere formen. Wir müssen jene in gemacht werden sollen. haben wir in großer Kraftan- Grundprinzipien müssen die Pflicht nehmen, die Ge- strengung eine neue Urheber- sowohl analog wie auch di- fahrenquellen schaffen und GEGEN DIEBSTAHL IM rechts-Richtlinie auf Europäi- gital Geltung haben. Des- die Online-Giganten dazu DIGITALEN RAUM scher Ebene erreicht. Diese halb muss das Prinzip des verpflichten Verantwortung müssen wir nun rasch, aber Eigentums auch im digitalen zu übernehmen. Was in der Das Verhalten der Nutze- selbstverständlich mit Au- Raum gelten und geschützt analogen Welt geahndet rinnen und Nutzer im Inter- genmaß in Österreich umset- werden. Wer Inhalt und Con- wird, muss auch in der di- net ist stetig im Wandel und zen. Die heimischen Medien tent von anderen verwendet, gitalen Welt Folgen haben. heimische Medien sehen sich und alle, die Content erzeu- soll dafür auch einen an- Wer gegen Recht verstößt, mit einem „asymmetrischen“ gen sollen für die Herausfor- gemessenen Beitrag leisten. darf nicht in der Anonymi- Wettbewerb konfrontiert: In- derungen der digitalisierten Das muss Allgemeingültig- tät des Netzes Deckung fin- ternet-Giganten wie Google, Welt gestärkt werden. Das keit haben und dafür setze den. Daher wollen wir mit Facebook oder Amazon ver- ist wesentlich für den Schutz ich mich ein. Die Herstellung einer Registrierungspflicht folgen ein globales Business, geistigen Eigentums und ein gleicher Rahmenbedingun- ein digitales Vermummungs- sind nur schwer regulierbar unabdingbarer Schritt im gen für alle ist eine unab- verbot schaffen, das die und müssen keine kostspie- völlig asymmetrischen Wett- dingbare Notwendigkeit. Identifikation jener ermög- ligen Redaktionen unterhal- bewerb mit den multi-na- Denn die Digitalisierung licht, die das Gesetz nicht ten. Gleichzeitig nutzen sie tionalen Online-Giganten. und insbesondere die sozia- einhalten. Inhalte, die in professioneller Europa muss im Wettbewerb und kostenintensiver Arbeit mit den Online-Giganten auf MAG. GERNOT BLÜMEL MBA (Nc) etwa in österreichischen Re- Augenhöhe kommen. Damit ist Landesparteiobmann der ÖVP Wien. Von Dezember daktionen erstellt werden, stellen wir auch sicher, dass 2017 bis Juni 2019 war er als Bundesminister zustän- gratis und schlagen oft auch es auch in Zukunft noch hei- dig für EU, Kunst, Kultur und Medien. noch Profit daraus. Das ist mische Identität und euro-

36 GESCHICHTE

ABRECHNUNG MIT DEN BESIEGTEN

DER MISSLUNGENE FRIEDEN VON 1919

GERHARD HARTMANN

itte November 1918 besser jenen Rest, der davon schrieb die Academia: übriggeblieben ist. „L’Autri- M „Es vollziehen sich Ereignis- che, c’est ce qui reste“ („Ös- se, die unser Dasein in seinen terreich ist das, was übrig Grundlagen erschüttern.“ In bleibt“), soll der damalige der Tat, für Österreich sollte französische Ministerpräsi- das auf jeden Fall zutreffen. dent Georges Clemenceau Denn Ende Oktober / Anfang gesagt haben. Österreich November 1918 brach eine wurde von einer kontinen- jahrhundertelange Ordnung taleuropäischen Großmacht Die österreichische Delegation in St. Germain, 1919. im Donauraum auseinander. zu einem Kleinstaat herab- Österreich, „der Staat, den gestuft. Geblieben hingegen sahen sich mit dem Rache- man miteinander anders keiner wollte“, wie ein er- ist eine dafür überdimensio- und Entschädigungsbedürf- um. Natürlich wurde in frü- folgreiches Buch von Helmut nierte Hauptstadt, der „Was- nis ihrer Völker konfrontiert heren Kriegen um Gebiets- Andics vor 50 Jahren hieß, serkopf Wien“, wie es nun und mussten sich diesen stel- erwerb, Erbansprüche usw. musste sich neu sortieren, ja häufig hieß. len, wollten sie nicht bei den gekämpft. Davon waren vor vielfach sogar neu erfinden. nächsten Wahlen hinweg- allem die sog. „Kabinetts- Und davon waren auch die Doch der Versuch, 1919 ei- gefegt werden. Dieser Frie- kriege“ des 18. Jahrhundert Menschen betroffen die in nen dauerhaften Frieden zu densschluss musste daher gekennzeichnet. Aber die In- diesem Staat wohnten. schaffen, scheiterte, ja musste eine Abrechnung mit den be- tention war nie, den Gegner scheitern. Denn wie konnte siegten Deutschen und deren zu vernichten oder zu demü- DER KLEINE REST ein solcher nach mehr als vier Verbündeten sein. tigen. Die Verlierer blieben UND DER WASSERKOPF Jahren des Massentötens, des auch nach dem Friedens- Hungers, der Verwüstungen RECHTLOSE VERLIERER schluss auf Augenhöhe mit Im Jahr 1919 wurden die „Pa- in den Kampfgebieten so- den Siegern. Lediglich Na- riser Vororteverträge“ unter- wie der exorbitanten Hass- Kriege, Sieger und Besieg- poleon störte diese Maxime, zeichnet, darunter jener in und Verteufelungspropagan- te sowie Friedensschlüsse doch der Wiener Kongress Versailles für das Deutsche da überhaupt möglich sein? hatte es in der europäischen stellte sie wieder her. Frank- Reich und der in St. Ger- Die verantwortlichen Poli- Geschichte immer schon ge- reich konnte dort gleich­ main für Österreich – oder tiker aller Sieger-Nationen geben. Doch bislang ging rangig teilnehmen.

September 2019 37 Damals entstand eine Pent- durfte es nicht teilnehmen, sierung bzw. Entwaffnung zu diesem Jahr gab es in Ös- archie (England, Russland, und es musste die Allein- gefordert wurde. terreich 1918/19 eben keine Frankreich, Österreich und schuld am Krieg akzeptieren. Kriegsspuren. Bombenab- Preußen), die die europäi- Nach dem Motto „Friss Vogel Und noch etwas war für den würfe gab es damals ohne- schen Geschicke bis 1914 oder stirb“ mussten die bei- Frieden von 1919 kennzeich- dies nicht, und Kämpfe fan- halbwegs im Lot halten den deutschen Bevollmäch- nend. In den früheren Ver- den auf seinem Gebiet auch konnte. Unschwer wird man tigten den Friedensvertrag tragstexten, etwa im Frieden nicht statt. Deutschland hatte hier an die fünf Ständigen unterzeichnen, darunter der von Utrecht 1713, wurde eine im Gegensatz zu Frankreich Mitglieder des Sicherheits- Zentrumspolitiker Johannes Vergessensklausel (Oblivi- ebenso dieses Glück. Auch rats erinnert, von denen Bell, Alter Herr der Tübinger onsklausel) eingefügt. Nach die Studentenverbindungen ja drei bereits zu dieser CV-Verbindung Guestfalia. einem Krieg sollte dieser in mussten im Gegensatz zu Pentarchie gehörten. die „Vergessenheit“ gestellt 1945 im November 1918 nicht Aber das zeichnete sich be- werden, damit der abge- wieder neu anfangen. Sie Der Erste Weltkrieg hatte je- reits beim Waffenstillstand schlossene Frieden zwischen waren weder verboten, noch doch dieses Konstrukt been- am 11. November 1918 ab. den Vertragspartnern auch wurden sie verfolgt. Ihre Bu- det. Österreich gab es nicht Dieser war eigentlich kein funktioniert. Diese Maxime den bzw. Verbindungshäuser mehr, Russland war durch solcher, wenn man sich beherrschte letztlich auch waren weder zerstört, noch die Revolution außen vor, seine von Frankreich und den Wiener Kongress. Na- musste um ihre Rückerstat- und das Deutsche Reich wur- England diktierten Bedin- poleon wurde zwar von tung gerungen werden. de im Gegensatz zu Frank- gungen ansieht. Liest man den Fürsten als Parvenü be- reich im Jahr 1814 nicht mehr diese, dann war das bereits straft und verbannt, jedoch Es gab zwar genug Trauer ob gleichrangig behandelt. An eine Kapitulation, in der eine ging man mit Frankreich der zahlreichen Gefallenen, den Friedensverhandlungen fast vollständige Demobili- schonend um. Leid bei den Kriegsversehr- ten und Hunger, aber die Das Schicksal des Deutschen Verbindungen fassten wie- Reiches war jedoch 1919 ein der Tritt, und Nachwuchs ganz anderes. Und das sollte stellte sich bald wieder ein. sich später rächen. Dass den In den unmittelbaren Jahren Deutschen die ganze Schuld nach dem Krieg wurden fünf TÜV AUSTRIA am Krieg zugeschoben wur- Verbindungen gegründet: Expertentage 2019 de, nützte in den folgenden drei in Wien (Alpenland, Ba- Jahren weidlich juvaria, Pflug) sowie je eine aus, was ihm, mehr als sein in Graz (Babenberg) und Le- September JETZT antisemitischer Radau, zum oben (Glückauf). Im Lauf der ANMELDEN! Erfolg gebracht hat. Wohin folgenden Jahre entstanden 26.09.2019 Brandschutztag | Salzburg das geführt hat, wissen wir. sieben weitere.

Oktober VERBINDUNGSLEBEN Für den Politischen Katholi- zismus, zu dem als Vorfeld 03.10.2019 Brandschutztag für Seilbahnen BLÜHT WIEDER AUF und Schlepplifte | Salzburg auch der CV gehörte, brachte 10.10.2019 Qualitätstag | Wien Doch wenden wir uns nun der Systemwechsel zu einer 24.10.2019 Sicherheitstag | Vösendorf Österreich zu, wie die Men- demokratischen Republik 29.10.2019 Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten | Wien schen damals zurechtkamen, Vorteile. Denn in einer sol- und vor allem auch, wie es den chen war die politische Teil- November CV-Verbindungen und deren habe voll ermöglicht. Bei den 12.11.2019 Tag der Facility- und Mitgliedern ge­gangen ist. ersten Wahlen in Österreich, Gebäudemanager/innen | Wien bei denen nunmehr Frauen Wenn wir mit letzterem an- teilnehmen konnten, zu der fangen, so ist es vielleicht Konstituierenden National- tuv-akademie.at/expertentage [email protected] | +43 (0)5 0454-8000 hilfreich, das mit 1945 zu versammlung (KNV) wur- vergleichen. Im Gegensatz de die Sozialdemokraten

Inserat_AcademiaMagazin_85x120_Expertentage_01082019.indd38 1 01.08.2019 11:34:49 die stärkste Partei, und die wegen der vorgenommenen Christlichsozialen landeten italienischen Besetzung nicht knapp dahinter. an den Wahlen teilnehmen, daher wurden die Südtiroler EIN DRITTEL AUS DEM CV nach einem Schlüssel koop- tiert. Sie schieden dann am Die Regierung unter dem so- 10. Dezember 1919 nach dem zialdemokratischen Staats- Inkrafttreten des Friedens- kanzler war vertrags von St. Germain eine Große Koalition. Eine und damit dem juristischen solche war damals auch rich- Abtreten Südtirols aus der tig, denn einerseits konnte KNV und dem Tiroler Land- der Neuaufbau des Staats- tag aus. Ihre Schicksale erin- wesens nur so bewältigt wer- nern uns, was Österreich vor den, und außerdem musste hundert Jahren u. a. hinzu- auch eine neue Verfassung nehmen hatte. mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Wie Josef Luchner (1877–1931) sich bereits in der Monarchie stammte aus Meran, studier- abgezeichnet hatte, so war te in Innsbruck, wo er an der dann nach 1918 der CV für Gründung der Vindelicia die Christlichsoziale Partei beteiligt war, und eröffnete ein wichtiges Element der 1908 eine Anwaltskanzlei in Eliterekrutierung. Von deren Meran. Nach 1918 engagierte AV Astoria Druck 69 Abgeordneten in der KNV er sich für die Rechte Süd- (1/4 87 x 117) gehörten 23 einer CV-Verbin- tirols und wurde zum Vize- dung an, das war exakt ein bürgermeister von Meran Drittel. Darunter befanden gewählt. Nach der Macht- schen Sprachinsel Lusern und floh am 23. September sich u. a. die späteren Bun- ergreifung der Faschisten am Rande der „Sieben Ge- 1927 auf derselben Route wie deskanzler in Italien wurde er politisch meinden“ (Sette Comuni). Er Luchner nach Österreich. (AIn EM), (Nc wie beruflich bedrängt und schlug ebenfalls die Rechts- Diese war übrigens nicht EM), Rudolf Ramek (Nc) und entschloss er sich zur Flucht. anwaltslaufbahn ein und weit von jener entfernt, die (Wl EM). Am 6. Juli 1931 überquerte war seit 1920 Anwalt in Bo- mehr als 5.000 Jahre zuvor er vom Schnalstal kommend zen. Auch wurde Obmann der „Ötzi“ gegangen ist. In PROBLEM SÜDTIROL die Grenze am Hochjoch in der Tiroler Volkspartei Süd- Innsbruck schlug er dann Richtung Ötztal. Dort erlag tirols und war ab 1921 Süd- eine akademische Lauf- Wenden wir uns paradigma- er aufgrund der Strapazen tiroler Abgeordneter in der bahn ein (Völkerrecht) und tisch zwei Mitgliedern der einem Herzinfarkt. Seine italienischen Zweiten Kam- kämpfte weiter für die Rech- KNV zu, die von dem dama- Leiche wurde erst am 10. Juli mer, der er bis 1924 ange- te Südtirols. Die Biographien ligen schmerzhaften Problem gefunden. hörte. Er ist wohl der einzige beider befinden sich im Bio- Südtirol betroffen waren. Es CVer, der zwei verschiede- graphischen Lexikon des sind das Eduard Reut-Nico- nen nationalen Parlamenten ÖCV (Biolex). Ihre Schicksa- lussi (AIn) und Josef Luchner angehört hat. Auch er wur- le sollen uns an die Abtren- (Vi). Sie waren Südtiroler Ab- de politisch und beruflich nung Südtirols vor hundert geordnete nicht nur in der von den Faschisten bedrängt Jahren erinnern. KNV, sondern auch im Tiro- ler Landtag. Die deutschspra- chige Bevölkerung Südtirols (li) Reut Nicolussi, (re) Luchner UNIV.-DOZ. DR. GERHARD HARTMANN (Baj et mult.) (das ja nach der Verfassungs- ist studierter Theologe und ÖCV-Historiker. lage vom November 1918 zu Eduard Reut-Nicolussi (1888– Er lebt und arbeitet in Nordrhein-Westfalen. Österreich gehörte) konnte 1958) stammte aus der deut-

September 2019 39 KOMMENTAR Kommentare geben

ausschließlich die Meinung Perndl+Co Grafik Pichler, © Klaus Foto des Autors wieder.

DER TABUBRUCH VON 1970 Anzeige Bezahlte

HERBERT KASPAR

it Engelbert Perners- des roten ÖGB-Präsidenten dazu, die ÖVP – koste es was FPÖ hatte, kam es schließlich torfer und Viktor Ad- an die FPÖ; 1962 es wolle – von der Regierung unter 2017 Mler stehen nicht nur zwei war es gar eine Million Schil- fernzuhalten. mit dem „Kriterienkatalog“ Mitglieder der Burschen- ling, die von Olah diskret in nach 30 Jahren zum Ende der schaft Braune Arminia, son- Form von zwei Sparbüchern Diese erste „Kleine Koalition“ Doktrin. dern auch zwei Personen an dem FPÖ-Chef übergeben sollte nicht die ganze Le- der Wiege der SPÖ, die als wurden. gislaturperiode halten. Mit „Lernen Sie Geschichte“ hat deutschnationale Politiker Übernahme der FPÖ durch einmal ein- begonnen hatten und in der Kleine Geschenke erhalten Jörg Haider 1986 flüchtete der gemahnt; und obwohl es SPÖ Vertreter der deutschna- offensichtlich die Freund- neue SPÖ-Chef Vranitzky in derzeit nicht nach Rot-Blau tionalen Richtung waren. schaft und so kam es 1970 Neuwahlen und bildete die aussieht, sollte man die SPÖ zur ersten handfesten Zu- erste „Große Koalition“ mit nicht unterschätzen. Der 16. März bis Die Zusammenarbeit der bei- sammenarbeit zwischen SPÖ der ÖVP als Juniorpartner. Machtverlust hat die Partei den Lager hat eine lange Tra- und FPÖ, als letztere eine Gleichzeitig verordnete er schwer getroffen. Eine Regie- 3. November 2019 dition und auch in der Ers- Minderheitsregierung der seiner Partei die nach ihm be- rung ohne SPÖ-Beteiligung ten Republik gab es immer SPÖ unter Bruno Kreisky nannte „Vranitzky-Doktrin“: ist im roten Schöpfungsplan wieder Berührungspunkte, ermöglichte. Durch diesen keine Koalition mit den Frei- nicht vorgesehen. Sogar der Schallaburg insbesondere dann, wenn „Tabubruch“ des „jüdischen heitlichen, was allerdings glücklose SP-Kanzler Viktor es gegen den gemeinsamen Kanzlers“ – so die gegen das nicht in allen Bundesländern Klima hatte – Vranitzky-Dok- „Feind“, die Christlich-Sozia- Vergessen ankämpfende mo- eingehalten wurde. So gab es trin hin oder her – anlässlich len, ging. ralische Instanz Simon Wie- zu Beginn des Jahrtausends der Sondierungsgespräche senthal – wurde eine Partei, in Kärnten eine „Chianti-Ko- 1999/2000 diskret bei der In den 50er und 60er Jahren an deren Spitze ein ehema- alition“ zwischen Jörg Hai- FPÖ vorgefühlt – erfolglos. des letzten Jahrhunderts war liger SS-Obersturmführer der (damals allerdings schon Als dann die ÖVP-FPÖ Koali- es das Bestreben der SPÖ, die stand, politisch salonfähig BZÖ) und der SPÖ unter tion feststand, probierte man dominierende ÖVP durch gemacht. Peter Ambrozy und im Bur- es – ebenso erfolglos – mit Unterstützung der FPÖ zu genland koalieren SPÖ und den „Sanktionen“. schwächen, also das „bürger- Dreizehn Jahre später, als FPÖ höchst harmonisch seit liche“ Lager zu spalten. Da- die SPÖ wieder die absolute 2015. Nachdem schon Alfred Auch diesmal werden die Ko- mals, als das Lagerdenken Mehrheit verfehlte, war es Gusenbauer keine Freude alitionsverhandlungen alles noch wesentlich stärker war wieder Kreisky, der seinen mit der Ausgrenzung der andere als langweilig werden. als heute, musste die SPÖ Nachfolger noch keine Stimmenverluste nötigte, mit der FPÖ eine in Richtung FPÖ befürch- Koalition einzugehen. Der PROF. DR. HERBERT KASPAR (Am) ten, eher war hier die ÖVP fast schon alttestamentari- war von 2001 bis 2013 Herausgeber und von 2013 bis gefährdet. Bereits 1959 gab sche Hass Kreiskys auf die 2015 Chefredakteur der ACADEMIA. es daher eine erste Spende „Schwarzen“ führte erneut

40 Foto © Klaus Pichler, Grafik Perndl+Co Grafik Pichler, © Klaus Foto Bezahlte Anzeige Bezahlte

16. März bis 3. November 2019 Schallaburg Ihr nächster Karriereschritt:

BERUFSBEGLEITEND PRAXISORIENTIERT PORTFOLIOERWEITERUNG TOP-FACHWISSEN MANAGEMENT MBA CONSULTANCY IT CONSULTANCY MASSGESCHNEIDERT METHODENKOMPETENZ

YOUR MASTERPIECE. UNSERE MASTERPROGRAMME: MBA in IT Consultancy und MBA in Management Consultancy

JETZT LETZTE PLÄTZE SICHERN!

know how. get incite. Alle Informationen unter www.incite.at/mba

incite_Academia_AZ_210x280_RZ.indd 1 05.09.19 15:46 LESERBRIEFE

ACADEMIA 4/2019 Direktzahlungen an Eltern, lischen Cartellbruder. Besser ge um einige Kommastellen „UNGARN IST VERLOREN“ die sich für zwei und mehr passen könnte aktuell: die grösser. Das Volk blieb arm Kinder entscheiden – als EU ist verloren. wie vor der Wende. Die EU Selten hat mich ein ACADE- jene / r der Magyaren. und Österreich haben unbe- MIA-Beitrag so verstört wie Prof. Dr. Reinhard Olt Um die neuere Geschichte teiligt weggesehen, und die- „Ungarn ist verloren“. Man 1230 Wien Ungarns und der anderen be- se Nebenerscheinungen als fragt sich, wie es sein Verfas- freiten Länder zu verstehen, nationale Sache ignoriert. ser, Dipl-Ing. Dr. Karl Schul- muss ich daher mit etwas tes (Walth, FIP), vor seinem Wirtschaftsgeschichte begin- In Tschechien wurde eth- Gewissen und seiner in be- ACADEMIA 4/2019 nen. Bis 1989 waren alle Füh- nisch motiviert restituiert. sagtem Beitrag offenbarten „UNGARN IST VERLOREN“ rungspositionen in Osteuro- Die Enteignungen von tsche- „Moral“ verantworten kann, pa von kommunistischen chischen Bürgern wurden in Ungarn als einem Land Cbr. DI Dr. Karl Schultes hat Parteikadern besetzt. Danach rückgängig gemacht, Bürger und unter einem so garsti- in seinem Kommentar „Un- begann die größte Besitzum- der deutschen und ungari- gen Regierungschef, wie er garn ist verloren“ eine ganz verteilung der europäischen schen Sprache und Herkunft es / ihn zeichnete, als Unter- wesentliche Tatsache zu er- Geschichte. Und dies war wurden davon ausgeschlos- nehmer tätig zu sein. Dieser wähnen vergessen: Viktor ein und dasselbe Prozedere sen. Und die Beneschdekre- von politischer Korrektheit Orbán hat schon vor gerau- von Stettin bis Dubrovnik. te blieben bis heute in Kraft. sowie mainstreamig-medial mer Zeit an der gesamten Die Geschäftsführer von Auch hier hat Österreich bedingter Voreingenom- Staatsgrenze einen neuen Firmen, Genossenschaften und die EU völlig unbetei- menheit und Enge zeugende Eisernen Vorhang errichtet, und Gesellschaften aller Art ligt zugesehen. Hier wurde Beitrag, angereichert durch was unbedingt notwendig besuchten ihre Parteigenos- Menschenrecht mit Füssen ein paar lose dahingestreute war, weil andernfalls alle sen in der Bank und nahmen getreten, und kein europäi- sogenannte „Fakten“, ent- Ungarn längst ihr Land ver- Kredite für ihr Unternehmen scher Gerichtshof hielt sich behrt der ökonomisch-so- lassen hätten. auf. Dieses Geld verschwand für zuständig. zialen Empirie sowie des Dr. Alfons Adam (AW) in der Folge, das bankrotte fundierten historisch-poli- 3073 Stössing Unternehmen wurde verstei- Als in dieser Situation eine tischen Gehalts. Um nur ein gert und ein Strohmann des konservative Regierung in kontraindikatorisches Bei- Geschäftsführers kaufte die Polen und Ungarn an die spiel zu nennen: Keine Re- Firma mit diesem Geld. In ei- Macht kam, und kommunis- gierung / kein Staat Europas ACADEMIA 4/2019 nem weiteren Schritt wurde tische Kader in Medien, Ge- (und darüber hinaus) stellt „UNGARN IST VERLOREN“ das Unternehmen an einen richten und allen öffentlichen mehr Gelder aus dem Bud- Käufer aus dem Westen ver- Einrichtungen alle Führungs- get für familienpolitische Den Artikel über Ungarn äußert. Die kommunistische positionen inne hatten, war Maßnahmen zur Verfügung – hätte ich von einem sozia- Nomenklatura bereicherte ein Eingriff personeller Art insbesondere steuerliche An- listischen Politiker erwartet, sich in ungeahntem Ausmaß. wohl unumgänglich, und reize, Sozialleistungen und nicht aber von einem katho- In Russland waren die Beträ- wurde von den sozialisti-

September 2019 43 schen Brüdern in Brüssel so- nicht in ein osteuropäisches bringen versucht … es fehlt sendungen ansehen. Ich war fort als diktatorischer Eingriff Land wollen. allerdings eine ebensolche übrigens mehr als 13 Jahre in die Zivilgesellschaft ver- Meinung über den ORF – im lang Förderer von Fern- urteilt. Vor einigen Jahren musste Sinne von audiatur et altera sehsendungen. Wir hatten ich in der Akademia einen pars. Die Thesen von And- in der RTR 13,5 Millionen Es gibt auch heute eine um- Artikel über die Architektin reas Unterberger halte ich für Euro jährlich zur Verfügung fangreiche Korruption in Schütte-Lihotsky lesen, die mehr als verwegen und in um Fernsehfilme zu för- Ungarn. EU-Gelder landen KPÖ-Mitglied ist und über vielen Fällen als absolut un- dern. Mehr als 90 Prozent kumuliert in den Händen zwei Seiten die Stalinzeit ver- zutreffend. Ich sage das nicht der bei uns eingereichten von Leuten, die diesen För- herrlichte. Mein Schrecken aus oberflächlicher Betrach- Filmprojekte waren welche, derkommunismus der EU beim Artikel von Cbr. Schul- tung und als jemand, der alle die letztlich auf ARD, ZDF, durchschaut haben. Die tes war nicht viel geringer. drei Autoren sehr gut kennt. ORF, ARTE und den dritten Staaten der EU sind ja heute D.I., M.Sc. Roger Sendern in Deutschland ge- ebenfalls dabei, in eine pa- Csáky-Pallavicini (Cl) Am schlimmsten und eben laufen sind. Nicht einmal 10 ternalistische Planwirtschaft 3001 Mauerbach völlig unzutreffend finde ich Prozent, wahrscheinlich nur abzugleiten. Alte Konzer- 5 Prozent wurden in privaten ne wie Siemens greifen alle TV-Programmen hergezeigt! Förderungen und Staatsauf- ANMERKUNG DER REDAKTION Nicht nur deswegen, son- träge ab, in Zusammenarbeit Der Artikel von Cbr. Schultes zur aktuellen Situation in dern auch aus vielen anderen mit Politik, Gewerkschaften, Ungarn ist ganz bewusst als Kommentar erschienen. Die Gründen, wofür ein Leser- Parteien und Verwaltung. Redaktion hat schon im Februar 2019 einen ungarisch- brief viel zu kurz ist, bin ich Da entwickeln sich mono- stämmigen Cartellbruder, (dessen Meinung sich von der für eine Beibehaltung der polistische Strukturen, und Sichtweise Schultes’ deutlich unterscheidet) eingela- öffentlichen Finanzierung der Wettbewerb wird völlig den, einen Kommentar in ähnlicher Länge zu verfassen. des ORF, am besten im Sin- ausgeschaltet. Mit Förde- Trotz mehrmaliger Nachfrage ist dieser Beitrag nie ein- ne einer Haushaltsabgabe, rungen, Steuern, Schutzzoll getroffen. und Regulierung wird die wie sie in Deutschland be- Marktwirtschaft zu Grabe reits seit Jahren läuft. Ich bin getragen. ACADEMIA 03/19 die Passage, in der Unter- gegen eine Budget-Finanzie- „LINKSWALZER“ berger meint „es gibt keine rung, weil sie den ORF noch Ungarn kann man jedoch einzige Sendung im ORF, … abhängiger von der Politik nur als naiver Außenste- Der Heftschwerpunkt trifft die nicht in gleicher oder macht. Im übrigen gibt es hender Ausländerfeindlich- die Wahrheit nur zu einem besserer Qualität längst auch auch eine Förderung der keit vorwerfen. Der syrische sehr geringen Teil. Am im Privatfernsehen … zu privaten Rundfunk-Medien, Patriarch Absi war heuer in ehesten kann ich noch der sehen … wäre“. Herr Unter- derzeit mit 20 Millionen Euro Budapest und hat sich für Meinung von Wolfgang berger sollte sich einmal das pro Jahr. Dieser Weg könnte die finanziellen Hilfen und Ritzberger (M-D) einiges ab- TV-Programm des ORF ge- mit einer Haushaltsabgabe die Aufnahme vieler Mitglie- gewinnen, das Interview mit nauer ansehen und die vie- noch deutlich beschleunigt der in Ungarn bedankt. Man Ferry Wegscheider (Rp) ist len Nachrichtensendungen, werden. muss dabei aber festhalten, natürlich eines, in dem er Reportagen, Sendungen über dass die allermeisten Flücht- seine Meinung als privater internationale Inhalte, bis Was ich in der Medienpolitik linge und Asylsuchenden gar Fernsehmacher durchzu- hin zu den Unterhaltungs- für besonders schlecht halte:

44 Viele Mediensprecher der Der ÖCV hatte immer auch dem tumben Wahlvolk, van Gott sei Dank haben wir Car- ÖVP verstehen von ihrem seine Linkssympathisanten der Bellen habe die SPÖ zur tellbrüder wie Herbert Kas- Fach so gut wie nichts, wo- (Stichwort Wilfried Daim, Einbringung eines Misstrau- par, der diese Entwicklung runter ich aber nicht den Rd). Manchen Leserbrief- ensantrages gegen die Über- ebenso pointiert wie mit letzten (Gernot Blümel, Nc) seiten der „Academia“ nach gangsregierung aufgerufen. sachgerechter Analyse dar- meine. Auch die Wahl des sind sie jetzt mehr geworden Nebenbei: Braucht der Bun- zustellen versteht. Vorsitzenden des Stiftungs- – oder nur lauter? Derzeit ist despräsident wirklich eine rates, mit Norbert Steger, hal- die Verteidigung des rotgrü- ORF-Gouvernante, die we- Mit Hilfe viele links ge- te ich für extrem schlecht … nen ORF-Programms ihre nige Sekunden nach Schluss trimmter Medien (ORF, Fal- gemeinsame Kampflinie. Zu seiner Rede den Inhalt „be- ter, Standard usw.) und Zu meiner Person: Ich habe vermuten ist, dass sich die- richtigt“? bisweilen fehlgeleiteter Un- 45 Jahre in verschiedenen se Cartellbrüder auch sonst terstützung einiger Bürger- Medieneinrichtungen ge- nur aus geistesverwandten Wer den tagtäglichen Miss- licher versucht die vereinigte arbeitet, zuerst als Redak- Quellen informieren, sonst brauch des ORF nicht merkt, Opposition, die selbst wenig teur der (schwarzen) Tages- müsste ihnen auffallen, was muss ihn wollen. Überzeugendes von sich gibt, zeitung Südost Tagespost, der ORF alles verschweigt Prof. Willi Sauberer (VBW, ILH) aus Mücken Elefanten zu dann bei der Furche, dann oder manipuliert. Bei der 5400 Salzburg machen (Causa Landbauer, wurde ich Geschäftsführer letzten Wahl 2017 wur- nachträgliches Aufblasen der Filmproduktion Cinevi- den politische Gegner von einer Spende) und so einen sion, die vorwiegend für den heimlichen Staatsanwälten Spalt in die türkis-blaue Ko- ORF gearbeitet hat, danach interviewt, die noch keinen ACADEMIA 01/19 UND 02/19 – alition zu treiben. war ich Geschäftsführer des TV-Gast einen Satz zu Ende KOMMENTARE VON ersten Privatradios in Öster- reden ließen, während der H. KASPAR Es gilt gerade nun, sich für reich (Antenne Steiermark) SP-Spitzenkandidat von ein so seltenes politisches Ta- und schließlich war ich 16 einem engen persönlichen Nach Jahren des Still- lent wie und Jahre Geschäftsführer der und familiären Freund die stands und der gegenseiti- die an vorderster Front täti- Rundfunk und Telekom Re- Stichworte geliefert bekam. gen Blockierungen in der gen Cartell- und Kartellbrü- gulierungs GmbH. Wer darin „Unabhängig- rot-schwarzen Retro-Koali- der sowie Farbenschwestern Dr. Alfred Grinschgl (Cl) keit“ oder gar staatspoliti- tion geht endlich etwas wei- (Blümel, Nehammer, Edt­ 8010 Graz sche Verantwortung sieht, ter und die ersten Vorhaben stadler) wort- und tatkräftig spaziert schon recht hart am (z. B. Krankenkassenreform, einzusetzen. Jetzt oder nie! Rande des Prinzips scientia. Wiedergewinn der 2016 ver- Hic et nunc! Als 2019 nach dem Platzen lorenen Staatsgewalt, Fami- OStR Prof. Mag. Heinrich ACADEMIA 04/19 der türkis-blauen Koalition lienbonus) sind unter Dach Kolussi (F-B) „LESERBRIEFE“ van der Bellen in seiner und Fach. Das ewige Haxlb- 1230 Wien Fernsehrede von den Partei- eißen zwischen Kanzler und Die jüngste Academia-Aus- en gesamtstaatliche Verant- Vizekanzler ist erfreulicher- (verfasst im April 2019 – die gabe enthielt staunenswerte wortung einforderte, drehte weise Historie und die Regie- Redaktion bedauert die ver- Leserbriefe in geballter Form. ein ORF-Chefredakteur un- rungsspitzen respektieren spätete Veröffentlichung) Diese konzertierte „ORF-Ver- mittelbar darauf dem Bun- einander – bei aller gelegent- teidigung“ motiviert mich zu despräsidenten das Wort lichen Verschiedenheit der folgender Antwort: im Mund um und erklärte Positionen.

September 2019 45 REZENSIONEN

ÜBER DAS ALTWERDEN UND DAS VERSTEHEN Wenn das nicht Lust auf das Peter Diem (Rd) Es kommt nicht darauf an, wie Demokratie ist Herrschaft der Buch macht … alt man wird, sondern wie man Mehrheit, aber nicht nur. Minder- Der langjährige Rektor der alt wird. heiten haben besondere Mit- Universität für Bodenkultur wirkungsrechte und Kontrollen. und Vorsitzende der Rek- Man wird langsamer und trotz- Parlament – die größte politische torenkonferenz 1979 – 81, dem ungeduldiger. Man wird Institution, die sich entwickelt Univ.-Prof. Dr. Manfried We- schwächer und kann weniger. hat, durch das Leben, nicht lan (F-B) hat nach zwei auto- Man wird müder, man wird durch Pläne. biographischen Büchern ein langsamer. Man wird leicht drittes vorgelegt: „Ein Baum geschwätzig. Man glaubt, man Demokratie ist kein Luxusdamp- in der Lichtung – Alters­ hätte noch viel zu sagen, aber fer, sondern ein Floß, auf dem erwachen“ man hat nichts mehr zu reden. alle mitrudern. Deshalb ist die Erziehung zum Gemeinsinn und Wie der Titel sagt, geht es um In der Jugend lernt, im Alter zur Solidarität so wichtig. die Auseinandersetzung mit versteht man. dem Altwerden. Das Buch Ein Lehrer zitierte Heraklit: „Der enthält viele private Erkennt- In der Froschperspektive der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ Manfried Welan (F-B) nisse, aber auch politische eigenen Lebensgeschichte ist Manche von uns replizierten: Ein Baum in der Lichtung – Bekenntnisse des ehemali- immer etwas von der Vogel- „Der Friede ist die Mutter aller Alterserwachen gen Wiener ÖVP-Gemeinde- perspektive der Weltgeschichte Dinge.“ Verlag Plattform (Johannes Martinek, rats. Es ist ein Schatzkäst- enthalten. Dan), 2019 chen für Alt und Jung, voller Wien ist die österreichische Stadt ISBN: 978-3-9504500-5-7 Fragen, die zum Nachdenken In Österreich gab’s immer mehr mit den meisten Volksvertretern und Handeln anregen. Wie grantige alte Herren als zornige und Parlamentariern, aber man DER MALTESERORDEN AUS wir es von Cbr. Welan ge- junge Männer. merkt es nicht. (KIRCHEN-) RECHTLICHER wohnt sind, quillt das Buch PERSPEKTIVE über von gescheiten Senten- Ich war ein nachsichtiger Prüfer. Von der gescheiterten zur ge- Gregor Gatscher-Riedl (NbW) zen – nicht nur über das Alt- Ausländern half ich. Daher scheiteren Republik – Erste und werden, sondern vor allem kursierte die Frage: „Wie macht Zweite Republik. Der Souveräne Malteser-Rit- zum Thema Demokratie, das man beim Welan die Prüfun- ter-Orden ist mit einer Ge- dem „liberalen Patrioten mit gen?“ – Antwort: „Man fährt mit Es gibt mehr Monarchie in der schichte von fast 1.000 Jahren konservativem Untergrund“ dem Aufzug zu ihm und sagt: Ich Republik als Republik in der die älteste humanitäre Orga- zeitlebens am Herzen liegt. bin Ausländer!“ Demokratie. nisation der Welt. In dieser Hier eine kleine Auswahl: Zeitspanne ist eine dem Hl.

46 Johannes geweihte fromme Souveränität über die Insel logisch fundierten, aber doch geben. Die im Buch wieder- Hospitalbruderschaft in Je- Malta vollkommen neu, in- leichtfüßig formulierten und gegebenen Dokumente wie rusalem in einem der ältesten dem sie sich ihrer Kernkom- verständlichen Überblick zu die Ordensverfassung ma- geistlichen Orden der katho- petenz besann. Mehr als chen das im Wiener Verlag lischen Kirche aufgegangen. 100.000 Menschen rund um Jan Sramek erschienene Buch Unter dem Einfl uss der Be- den Erdball sind heute für zu einem Verständnisschlüs- gegnung mit dem Islam und den Malteserorden und sei- sel zu einer der spannendsten parallel zur Entstehung des ne Werke tätig, in spektaku- und geheimnisumwitterten Ritterideals des Mittelalters lären Großeinsätzen ebenso Organisationen innerhalb hat sich die johannitische Ge- wie in der Stille des Kran- der katholischen Kirche. meinschaft zu einer furcht- kenzimmers. Seiner Gestalt einfl ößenden Streitmacht ge- nach ist er ein katholischer Florian Schwetz (Fd) wandelt, die zuerst zu Lande Laienorden, andererseits ein Der Souveräne Malteser-Rit- und später zur See die Vertei- souveränes Völkerrechtssub- ter-Orden – eine kirchen- und digung des Christentums auf jekt mit jeweils eigenen Be- staatsrechtliche Betrachtung sich genommen hat. Entlang sonderheiten. Die einzigarti- Wien: Jan Sramek Verlag 2019 dieser Geschichte werden ge Rechtsnatur und damit ISBN: 978-3-7097-0194-2 wesentliche Stationen der ein Stückweit das Wesen das 204 S., € 49,90 Begegnung des christlichen Wesen des Ordens kompakt, Europa mit dem arabischen aber doch überzeugend dar- und kleinasiatischen Raum stellen zu können, ist eine sichtbar. Begleiter dieses Aufgabe, der sich der Jurist Weges waren auf Seiten der und Landsmannschafter Ritter militärische Kühnheit, Florian Schwetz (KÖL Fd) in weltliche Macht und Adels- seiner „kirchen- und staats- stolz ebenso wie aufopfernde rechtlichen Betrachtung“ Pfl ege der Kranken und Be- unterzogen hat. Als lang- dürftigen. jähriger Freiwilliger und Verantwortungsträger im Zu einer Zeit, als der Aus- Hospitaldienst des Ordens druck „Change manage- sowie als Assistent am Ins- ment“ noch nicht erfunden titut für Öff entliches Recht war, erfand sich die johan- der Universität Innsbruck ist nitische Gemeinschaft nach er hervorragend qualifi ziert, dem Wegfall der territorialen um einen juristisch wie theo-

September 2019 47 Denk Wien 1080 , Lerchenfelder 14, Str. sorglos. 3,00 Jahrgang (AT), 70. | Erscheinungsort: Wien. Österreichische Post M | ACADEMIA AG. MZ 02Z030510

€ Preis:

Reiseversicherung

Sie planen einen Urlaub? Fein, es gibt ja noch so viel Neues zu entdecken. Lassen Sie sich am besten von einem Reiseschutz begleiten.

 Reisestorno  24h SOS Hotline  Nottransport in die Heimat

www.uniqa.at Werbung

Mehr Angaben zu der beworbenen Versicherung fi nden Sie auf www.uniqa.at in unserem Produktinformationsblatt.

1506_19_Inserat_Reise_210x280_abf_Academia_weisser_Teil.indd 1 30.08.19 08:23