LEOPOLD-FRANZENS-UNIVERSITÄT INNSBRUCK Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

Die Entwicklung der Handelsstadt Bozen im Mittelalter mit einem Unterrichtsmodul zum Thema „Lebenswelt Stadt im Mittelalter“

DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

eingereicht von Ulrike Pardatscher

bei Univ.-Prof. MMag. Dr. Christina Antenhofer

Innsbruck, März 2019

Danksagung

Nach zwei arbeitsintensiven Jahren ist meine Diplomarbeit nun abgeschlossen. An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich auf diesem Weg unterstützt und begleitet haben.

Danke an Frau Prof. Christina Antenhofer, die meine Diplomarbeit betreut hat, für ihre Geduld und Flexibilität, für die wertvollen Anregungen und die konstruktive Kritik.

Danke an Herrn Dr. Hannes Obermair, der so freundlich war, mir in der frühen Recherchephase hilfreiche Hinweise zu geben.

Danke an das Lehrerinnenteam der Grundschule Gries/Bozen, insbesondere an Irmtraud und Lisa, die meine Doppelbelastung ein ganzes Schuljahr lang mitgetragen haben und sich mir gegenüber immer verständnisvoll zeigten.

Danke an Isabel Delazer, eine großartige Freundin, die nicht nur stets ein offenes Ohr für meine Sorgen hatte, sondern auch mitunter als Liefer- und Zustelldienst für meine Bibliotheksbücher diente.

Danke vor allem an meine wunderbare Familie. An meine Eltern, an Birgit, Peter und Alex, die nicht nur in dieser Phase meines Lebens für mich da waren, sondern auch schon lange davor. Ihr gabt mir die Kraft und das nötige Selbstvertrauen, um diesen Weg zu gehen.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 5 2. Die Stadt des Mittelalters ...... 10 2.1. Idealtypen, Kriterienbündel und kombinierter Stadtbegriff ...... 10 2.2. Gewachsen oder gegründet: Ursprünge der mittelalterlichen Stadt ...... 11 2.3. Charakter und Erscheinungsbild der mittelalterlichen Stadt ...... 14 2.3.1. Die Mauer, ein bedeutendes Merkmal der befestigten Stadt ...... 16 2.3.2. Altstadt, Neustadt und Vorstadt: Das Nebeneinander mehrerer Siedlungskerne ...... 17 2.3.3. Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung in der mittelalterlichen Stadt ...... 19 2.4. „Verkehr ist die Grundlage der Stadtentwicklung“: Über die Bedeutung der Straßen bei der Entstehung von städtischen Siedlungen im Mittelalter ...... 22 2.4.1. Die Straße als Mittel zur Belebung der Stadt ...... 23 2.4.2. Die Gründungsstadt des 12. Jahrhunderts: der Straßenmarkt ...... 25 2.5. Die Markt- und Handelsstadt ...... 27 2.5.1. Messen, Jahrmärkte und Wochenmärkte ...... 28 2.5.2. Marktplatz und Markt ...... 33 2.6. Fazit ...... 35 3. Die Stadt Bozen ...... 37 3.1. Frühe Siedlungsgeschichte des Bozner Talkessels ...... 40 3.2. Bozen im Netz der Fernhandelswege ...... 43 3.2.1. Das Bozner Straßennetz und seine Entwicklung: Obere Straße, Untere Straße, Kuntersweg ...... 45 3.2.2. Die Bozner Brücken im Mittelalter ...... 47 3.2.3. Die Etsch als Wasserstraße und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Bozen ..... 49 3.3. Rund um Bozen: Das spätmittelalterliche Netzwerk der Tiroler Märkte und Städte ...... 50 3.4. Begehrtes Bozen: Machtkämpfe um Grafschaft und Stadt ...... 53 3.5. Marktsiedlung und Gründung der Stadt: Zweierlei Gründungsthesen ...... 58 3.5.1. Rasmos und Hyes These der frühen Stadtgründung im 11. Jahrhundert ...... 59 3.5.2. Obermairs These der späteren Stadtgründung im 12. Jahrhundert ...... 60 3.5.3. Fazit ...... 61 3.6. Städtische Bau- und Lebensformen in Bozen...... 63

3.6.1. Stadtbild und Stadtgenese im 12. bis 15. Jahrhundert ...... 64 3.6.2. Die burger und inwoner im burgfriden Botzen: Sozialtopographie und Ausdifferenzierung der Gesellschaft ...... 72 3.6.3. Der rat vonn Povzenn: Kommunale Anfänge und Stadtrat in Bozen ...... 79 3.7. Markt und Messe in Bozen...... 83 3.7.1. Wochenmarkt und Jahrmärkte in Bozen ...... 84 3.7.2. Der Textilhandel auf den Bozner Messen ...... 89 3.7.3. Der Weinhandel in Bozen ...... 90 3.7.4. Die moneta de Buzano: Regionale und fremde Münzen in Bozen ...... 93 4. Zusammenfassung...... 95 5. Unterrichtsmodul: Lebenswelt Stadt im Mittelalter ...... 99 5.1. Rahmenrichtlinien ...... 99 5.1.1. Bezug zu den Rahmenrichtlinien für die AHS-Unterstufe in Österreich ...... 99 5.1.2. Bezug zu den Rahmenrichtlinien für die Grund- und Mittelschule in Südtirol ...... 99 5.2. Rahmenbedingungen ...... 100 5.3. Methodisch-didaktischer Kommentar ...... 100 5.4. Modulplanung ...... 105 5.5. Arbeitsmaterialien...... 108 5.5.1. UE Lebenswelten des Mittelalters ...... 108 5.5.2. UE Die mittelalterlichen Städte Brixen und Bozen ...... 113 5.5.3. UE Kirche und Weltbild, Recht und Ordnung, Handel, Handwerk und vieles mehr - Recherche ...... 117 6. Literaturverzeichnis ...... 118 7. Quellenverzeichnis ...... 126 8. Verzeichnis der Internetquellen ...... 126 9. Abbildungsverzeichnis ...... 127

1. Einleitung Die Stadt Bozen, Hauptstadt und Namensgeber der italienischen Autonomen Provinz Bozen, hat zum 31.12.2017 107.317 Einwohner und ist somit die größte Stadt Südtirols.1 Im 20. Jahrhundert wurden neue Stadtteile gebaut, umliegende Dörfer eingemeindet und auch in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts schreitet das Wachstum neuer Stadtviertel rasant voran.

Dass die geographische Lage der Stadt Bozen sich für die Gründung einer großen Siedlung geradezu anbietet, erscheint aus heutiger Sicht außer Frage. Die Stadt befindet sich in einem großzügigen Talbecken, am Zusammenfluss von Etsch, Talfer und , und liegt auf der Brennerroute, die nicht erst seit dem Bau der Autobahn, sondern aufgrund der verhältnismäßig niedrigen Meereshöhe des Brennerpasses bereits Jahrhunderte zuvor als wichtige Verkehrsverbindung zwischen Nord und Süd galt. Trotzdem gilt es näher zu ergründen, wie diese Siedlung entstehen konnte.

Die vorliegende Diplomarbeit soll sich mit der Entstehung der Stadt Bozen und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für das Land Tirol und das Hochstift Trient im Mittelalter befassen. Ich bin zu diesem Forschungsthema gelangt, weil ich mich seit Beginn meiner Studienzeit sehr für die mittelalterliche Stadt interessiere. Zunächst war mein Interesse hauptsächlich kultureller und soziologischer Art, als ich jedoch auf der Suche nach einem Thema für meine Diplomarbeit war, begann ich mich auch sehr, für den Aspekt der Stadtgenese und die damit verbundene Architektur zu interessieren. Um die Entstehung der Stadt Bozen nachvollziehen zu können, muss besonderes Augenmerk auf den Handel und das Gewerbe in der Stadt gelenkt werden. Die wirtschaftliche Bedeutung Bozens und seine Lage an wichtigen Transitwegen sind mit der Stadtwerdung untrennbar verknüpft.

Die zentralen Forschungsfragen der vorliegenden Diplomarbeit sind die folgenden: 1) Wie entstand die Stadt Bozen? Wie detailliert kann die Genese der Stadt nachvollzogen werden? 2) Welche Merkmale der mittelalterlichen Stadt weist Bozen auf, welche sind untypisch oder fehlen? 3) Welche Faktoren führten dazu, dass die mittelalterliche Stadt Bozen als bedeutendste Handelsstadt Tirols bezeichnet wird?

1 Südtirol in Zahlen, hrsg. vom Landesinstitut für Statistik, Bozen 2018, [https://astat.provinz.bz.it/downloads/Siz_2018(4).pdf], eingesehen am 26.12.2018, S. 10.

5 Die Genese der Stadt Bozen soll also so detailliert wie möglich nachvollzogen werden, dabei soll die Rolle des Handels und des Gewerbes eingeschätzt werden. Außerdem sollen eventuelle Eigenheiten und Besonderheiten in der Stadtwerdung sowohl auf der architektonischen als auch auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene hervorgehoben werden. Um diese Fragen beantworten zu können, muss zunächst auf die mittelalterliche Stadt, den mittelalterlichen Markt und den mittelalterlichen Handel im Allgemeinen eingegangen und die Gesamttiroler Situation betrachtet werden, bevor auf Bozen detailliert Bezug genommen werden kann. Die Diplomarbeit gliedert sich also in zwei große Teile. Der erste Teil beschäftigt sich mit den verschiedenen Ansätzen zur Definition der mittelalterlichen Stadt und ihren Merkmalen, außerdem wird besonderes Augenmerk auf die Einflüsse Verkehr, Markt und Handel gelegt. Der zweite Teil, stellt auch den Hauptteil der Diplomarbeit dar, der die besprochenen Forschungsfragen zu ergründen versucht. Zunächst wird auf die frühe Siedlungsgeschichte Bozens eingegangen, wobei auch der Einfluss des Verkehrs sowie die Situation Gesamttirols möglichst erschöpfend diskutiert werden soll. Eines der zentralen Kapitel ist mit Sicherheit die Kontroverse zur Gründung Bozens. Hier werden die Thesen Hyes und Obermairs verglichen. Außerdem sollen die städtischen Bau- und Lebensformen Bozens, die Stadtgenese Bozens, die Entstehung des Gemeindewesens und die ansteigende soziale Mobilität im Hoch- und Spätmittelalter ein weiteres besonders wichtiges Thema darstellen. Die Aspekte Handel, Markt und Messe sind für die Beschäftigung mit einer Stadt wie Bozen natürlich nicht wegzudenken und sollen ebenfalls einen großen Teil der vorliegenden Arbeit ausmachen. Die mediävistische Forschung beschäftigt sich seit dem frühen 20. Jahrhundert intensiv mit der Thematik der mittelalterlichen Stadt, es gibt zahlreiche Überblickswerke, welche entweder theoretische Gesichtspunkte erläutern oder aber sich auf Städte beziehen, welche bereits im Mittelalter europäische Zentren waren. Zentrale Werke und Aufsätze in diesem Zusammenhang sind Haase 19762, Gruber 19773, Denecke 19804, Hardach / Schilling 19805, Csendes 20016, Denecke

2 Carl Haase, Die Entstehung der westfälischen Städte, Münster 1976. 3 Karl Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt. Ihr Wandel aus der geistigen Ordnung der Zeiten, München 1977. 4 Dietrich Denecke, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung der spätmittelalterlichen Stadt. Problemstellungen, Methoden und Betrachtungsweisen der historischen Wirtschafts- und Sozialgeographie, in: Josef Fleckenstein / Karl Stackmann, Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1975-77, Göttingen 1980, S. 161-202. 5 Gerd Hardach / Jürgen Schilling, Das Buch vom Markt. Eine Wirtschafts- und Kulturgeschichte, Luzern 1980. 6 Peter Csendes, Die Stadt im Straßennetz, in: Alois Niederstätter (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 55-65.

6 20017, Kaufhold 20018, Engel 20059, Fuhrmann 200610, Irsigler 200711, Hirschmann 200912, Isenmann 201213, Baeriswyl 201414 und Hirschmann 201415. Isenmann, Engel und Hirschmann stellen zentrale Überblickswerke zum aktuellen Forschungsstand. Die Publikationen Haases, Grubers und Baeriswyls beschäftigen sich mit dem Planungs- und Gründungsaspekt, jene von Csendes und Kaufhold mit dem Aspekt Verkehr. Deneckes Publikationen beleuchten die Aspekte Sozialtopographie (1980) und Verkehr (2001). Die Themen Markt, Messe und Handel werden besonders bei Irsigler und Fuhrmann behandelt. Auch Bozen war bereits Gegenstand weitreichender Forschung, die als Grundlage der Diplomarbeit dienen. Vor allem zwei Sammelbände, welche im Rahmen zweier Studientagungen auf Schloss Maretsch im Jahr 199116 und 199617 herausgegeben wurden, bieten eine Auswahl an verschiedenen Beiträgen zum mittelalterlichen Bozen, die in deutscher oder italienischer Sprache veröffentlicht wurden. Der erste Sammelband enthält vor allem Beiträge frühesten Besiedlung des Bozner Talkessels, zur römischen Zeit sowie Aufsätze zur Gründung der Stadt. Der zweite Sammelband beschäftigt sich vor allem mit der Genese der Stadt sowie mit politischen und gesellschaftlichen Aspekten. Nennenswerte Monographien und Aufsätze, welche für diesen zweiten und zentralen Teil

7 Dietrich Denecke, Zur Entstehung des Verkehrs, in: Alois Niederstätter (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 1-25. 8 Karl Heinrich Kaufhold, Die Stadt als Verkehrsraum, in: Alois Niederstätter (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 27-53. 9 Evamaria Engel, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Düsseldorf 2005. 10 Bernd Fuhrmann, Die Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2006. 11 Franz Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa. Mittelalter und frühe Neuzeit, in: Ders. / Michel Pauly, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 5), Trier 2007, S. 1-24. 12 Frank G. Hirschmann, Die Stadt im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 84), München 2009. 13 Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Wien-Köln-Weimar 2012. 14 Armand Baeriswyl, Zähringerkreuz und Urparzelle – Stadtentstehung und –planung am Beispiel von „Zähringerstädten“ im Licht archäologischer Quellen, in: Albert Dietl / Wolfgang Schöller / Dirk Steuernagel (Hrsg.), Utopie, Fiktion, Planung. Stadtentwürfe zwischen Antike und Früher Neuzeit, Regensburg 2014, S. 111-130. 15 Frank G. Hirschmann, Leitlinien der Stadtgestaltung im 10. und 12. Jahrhundert, in: Albert Dietl / Wolfgang Schöller / Dirk Steuernagel (Hrsg.), Utopie, Fiktion, Planung. Stadtentwürfe zwischen Antike und Früher Neuzeit, Regensburg 2014, S. 93-110. 16 Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991. 17 Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999.

7 der vorliegenden Arbeit relevant sind, sind folgende: Muth 196818, Hye 199119, Nössing 199120, Obermair 199121, Obermair 199522, Brandstätter 199623, Baum 199924, Brandstätter 199925, Haidacher 199926, Loose 199927, Brandstätter 200128, Terzer 200429, Mahlknecht 200630, Obermair 201331, Hagen 201532, Nössing 201633 und Riedmann 201834. Obermair, Brandstätter und Nössing können als Leitautoren zum Thema Mittelalterliches Bozen betrachtet werden. Obermair publizierte, um nur einige Beispiele zu nennen, zur frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte im Bozner Talkessel, zur Stadtgründung Bozens sowie seiner Verwaltungsgeschichte sowie zur Landwerdung

18 Eugen J. Muth, Die Bozner Messe (Beiträge zur alpenländischen Wirtschafts- und Sozialforschung 33), Innsbruck 1968. 19 Franz-Heinz Hye, Die Gründung von Bozen – gesehen im Rahmen der hochmittelalterlichen Stadtgründungen in Tirol (mit Repliken auf die neuesten Theorien), in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 191-202. 20 Josef Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 327-337. 21 Hannes Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters und die Gründung der städtischen Siedlung Bozen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 159-190. 22 Hannes Obermair, Kirche und Stadtentstehung. Die Pfarrkirche Bozen im Hochmittelalter (11.-13. Jh.), in: Der Schlern 69 (1995/8-9), S. 449-474. 23 Klaus Brandstätter, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient im späten Mittelalter (Studi Trentini di Scienze Storiche 75), Trient 1996. 24 Wilhelm Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv Bozen 1999, S.29-39. 25 Klaus Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 127-172. 26 Christoph Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen und ihre finanzielle Bedeutung für das Tiroler Landesfürstentum, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S.41-56. 27 Rainer Loose, Wohnen und Wirtschaften in der Laubengasse. Versuch einer Sozialtopographie der Altstadt Bozen um 1350, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 105-126. 28 Klaus Brandstätter, Städtische Maßnahmen zur Verkehrsorganisation im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit: Der Anteil der Städte an der Erschließung der Alpenübergänge, in: Alois Niederstätter (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 183-216. 29 Christian Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen. Ein Keramikkomplex des 13. bis 16. Jahrhunderts aus der Laubengasse, Innsbruck 2004. 30 Bruno Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte. Bilder und Texte zur Kulturgeschichte von Bozen, Bozen 2006, S. 29-35. 31 Hannes Obermair, Stadt und Territorium in Tirol. Streiflichter aus Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Flachenecker, Helmut / Heiss, Hans (Hrsg.), Franken und Südtirol. Zwei Kulturlandschaften im Vergleich (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 34), Innsbruck 2013, S. 121-131. 32 Christian Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe. Die Städte der Grafschaft Tirol im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 38), Innsbruck 2015. 33 Josef Nössing, Ein Gang durch Bozens Geschichte. Stadt und Bürger, in: Heinz Tiefenbrunner / Hubert Seidner / Gerald Mair, Häusergeschichte von Altbozen, Bozen 2016, S. 7-22. 34 Josef Riedmann, Die Rolle der Tiroler Städte im Spätmittelalter (mit Fokus auf Meran), in: Pfeifer, Gustav (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 11-24.

8 Tirols und der damit in Verbindung stehenden Urbanisierung. Brandstätter befasste sich mit der Sozialtopographie Bozens, mit der Beziehung der Stadt zu Trient sowie mit der Bedeutung des Verkehrs für die Marktstadt. Nössings Publikationen bedienen ebenfalls ein breites Spektrum. Neben einem Überblickswerk zur Geschichte Bozens und einem Aufsatz zur Sozialtopographie des 13. Jahrhunderts publizierte er ebenfalls Beiträge zum Weinbau und Weinhandel im mittelalterlichen Bozen. Besonders interessant ist der Vergleich der Stadtgründungsthesen Hyes und Obermairs, die sich widersprechen und gegenseitig zu widerlegen versuchen. Terzer erlaubt einen von der Archäologie geprägten Blickwinkel auf die Struktur des mittelalterlichen Stadtkerns. Zur politischen und gesellschaftlichen Geschichte Bozens sind neben den Publikationen Brandstätters besonders jene Baums, Looses und Hagens zu nennen. Die Aspekte Wirtschaft, Markt und Handel werden in den Publikationen von Muth, Haidacher und Demo behandelt. Einen Überblick zur Quellenlage von 1210 bis 1500 bieten die beiden von Hannes Obermair 2005 und 2008 veröffentlichten Regestenbände Bozen Süd – Nord35. Weitere relevante Quellen finden sich in Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden (Bd. 3/2) von Otto Stolz36 sowie in den verschiedenen Bänden von Huters Tiroler Urkundenbuch37.

Das letzte große Kapitel der Diplomarbeit enthält ein Unterrichtsmodul mit dem Titel „Lebenswelt Stadt im Mittelalter“. Es ist für die Unterstufe konzipiert und besteht aus fünf Unterrichtseinheiten. Das Unterrichtsmodul ist sowohl in österreichischen als auch in Südtiroler Schulen in der 6. Schulstufe durchführbar. Eine der Unterrichtseinheiten behandelt die Untersuchung und den Vergleich der Altstädte von Bozen und Brixen, sodass eine Durchführung an einer Südtiroler Schule naheliegend wäre. Auch das Schulbuch, aus dem das Arbeitsmaterial für diese Unterrichtseinheit zum Teil stammt, wird an Südtiroler Mittelschulen verwendet.38

35 Hannes Obermair (Hrsg.), Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500, Bd. 1, Bozen 2005 sowie Bd. 2, Bozen 2008. 36 Otto Stolz, Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden, Bd. 3/2, München-Berlin 1932. 37 Franz Huter, Tiroler Urkundenbuch, Bd. I/1, Innsbruck 1937 sowie Bd. I/2, Innsbruck 1949. 38 Sven Christoffer u.a., zeitreise 1. Ausgabe für Südtirol, Stuttgart 2011.

9 2. Die Stadt des Mittelalters „Die mittelalterliche Stadt ist nicht formal zu erfassen, sondern inhaltlich, und nicht mit einem einzelnen Merkmal, sondern mit einem ganzen Bündel von Merkmalen.“39 Die Forschungsliteratur bietet eine umfangreiche Auswahl an Definitionsversuchen, die, von unterschiedlichen Disziplinen ausgehend, den Begriff Stadt aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, und dabei verschiedene Aspekte aufwerfen, besonders hervorheben oder unter den Tisch fallen lassen. Gemeinsam haben sie nur, dass sie die Stadt als geschlossene Siedlung, als Ortschaft bestehend aus mehreren, dicht beieinanderstehenden Behausungen bezeichnen.40 Dies wirft die Frage auf, ob der Begriff Stadt allein auf quantitativen Merkmalen basierend definiert werden kann. Zur Definition der mittelalterlichen Stadt eignen sich quantitative Maßstäbe nicht, da wir, wie Oliver Plessow 2013 in seinem Überblickswerk anmerkt, kaum über Überlieferungen der nötigen Zahlen verfügen.41 Aus ökonomischer Sicht gilt eine Siedlung als Stadt, deren Einwohner zum Großteil von einer nicht-agrarischen Tätigkeit leben. Auch diese Siedlungen können jedoch nicht ausnahmslos und unreflektiert als Städte bezeichnet werden. Zur Stadtdefinition aus ökonomischer Perspektive gehört auch die zentrale Bedeutung des Markts, welcher die Bedürfnisse der Stadtbewohner und der Menschen des unmittelbaren Umlandes zur Gänze befriedigt.42 Doch dies sind nur einige zentrale Aspekte, denen man in der Forschungsliteratur immer wieder begegnet.

Bevor die Stadt des Mittelalters an sich besprochen werden kann, ist es notwendig, einige Begriffe, die in der Forschungsliteratur immer wieder zitiert werden, in geraffter Form zu thematisieren. Die Stadttypen nach Max Weber sowie der kombinierte Stadtbegriff nach Carl Haase werden auf der Suche nach einer Definition der mittelalterlichen Stadt immer wieder aufgegriffen.

2.1. Idealtypen, Kriterienbündel und kombinierter Stadtbegriff Die Stadt des Mittelalters zu beschreiben, zu definieren, zu charakterisieren und einzuordnen ist ein nicht zur Gänze zu bewältigendes Unterfangen. Zu vielfältig sind ihre Ursprünge, Dimensionen, Formen und Funktionen. Trotzdem haben Soziologen und Historiker immer wieder versucht, theoretische Zugänge zur Stadt des Mittelalters und ihrer Kategorisierung zu finden. Im frühen 20. Jahrhundert entwickelte Max Weber in seinem unvollendet gebliebenen Aufsatz „Die Stadt“ die

39 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 118. 40 Max Weber, Die Stadt. Eine soziologische Untersuchung, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 47, Heft 3, 1921, S. 621-772, abgedruckt in: Wilfried Nippel (Hrsg.), Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß (Max Weber Gesamtausgabe 5), Tübingen 1999, S. 59. 41 Oliver Plessow, Die Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2013, S. 133. 42 Weber, Die Stadt, abgedruckt in: Nippel, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 60-63.

10 sogenannten Idealtypen. In Bezug auf die Stadt des Mittelalters prägte Weber den Typus der okzidentalen Stadt, welche im Kontrast zur asiatischen Stadt der Vormoderne stand. Webers Idealtypen sind gedankliche Konstrukte, zugespitzte, überzeichnete Modelle, welche der vergleichenden Stadtforschung als Ausgangspunkt für ihre Vergleiche und Fragestellungen dienen. Hierbei ist es wichtig, die Konstruktivität von Webers Stadttypen nicht außer Acht zu lassen. Webers Idealtypen dienen als Messlatte für die realen Stadttypen.43

Heute wird in der Forschung unter Umständen selbst von einer kategorischen Typisierung von Städten Abstand genommen.44 Webers Händlerstadt, Konsumentenstadt und Produzentenstadt beispielsweise sind in der Realität nicht so klar voneinander abzugrenzen und bedürfen sicherlich auch anderer Charakteristika, um sich von einem Marktort oder einer Gewerbesiedlung ohne Stadtrecht abzugrenzen. Um 1950 wird neben Webers Idealtypen von Carl Haase der sogenannte kombinierte Stadtbegriff geprägt:

„Man wird notwendigerweise zu einem ,kombinierten‘ Stadtbegriff kommen müssen, der die Einzelbegriffe in ihrer Einseitigkeit überwindet, in sich aufnimmt und die Stadt als Ganzheit zu erfassen strebt. Nur eine Summe von Kriterien, ein ,Kriterienbündel‘ kann den Stadtbegriff ausmachen. An dieser Einsicht führt kein Weg vorbei. Aber hier, bei diesem kombinierten Stadtbegriff, beginnen die Schwierigkeiten. Denn es fragt sich nun, wie sich dieses Kriterienbündel zusammensetzen soll.“45 Auf die Frage, aus welchen Aspekten dieses Kriterienbündel bestehen soll, und darauf, wie verschiedene Historiker diese Frage zu beantworten versucht haben, wird auch diese Diplomarbeit eingehen.

2.2. Gewachsen oder gegründet: Ursprünge der mittelalterlichen Stadt Armand Baeriswyl, Schweizer Mittelalterarchäologe und Historiker, beschäftigte sich 2014 am Beispiel der Zähringerstädte eingehend mit den Begrifflichkeiten gewachsen, gegründet und geplant in Verbindung mit der Stadt des Mittelalters. Die Begrifflichkeiten gewachsene Stadt und gegründete Stadt sind auf den ersten Blick klar voneinander abgrenzbar: „Eine gewachsene Stadt bezeichnet eine aus römischen oder frühmittelalterlichen Anfängen entstandene Siedlung, die ihre Größe und ihre Form durch lang andauerndes, quasi ,organisches‘ Wachstum erreichte und so im Laufe des 11./12. Jahrhunderts Stadt ,wurden‘. […] Die gegründete Stadt hingegen war durch ein aktives Eingreifen handelnder Personen neu ins Leben gerufen worden.“46

43 Werner Freitag, Stadttypen, 01.09.2014 [http://testwww.uni- muenster.de/Staedtegeschichte/portal/einfuehrung/stadttypen/index.html], eingesehen am 17.03.2018. 44 Vgl. dazu Franz Irsigler, Überlegungen zur Konstruktion und Interpretation mittelalterlicher Stadttypen, in: Peter Johanek / Franz-Joseph Post (Hrsg.), Vielerlei Städte. Der Stadtbegriff, Köln 2004, S. 107-120. 45 Haase, Die Entstehung der westfälischen Städte, S. 6f. 46 Baeriswyl, Zähringerkreuz und Urparzelle, S. 111f.

11 Baeriswyl zeigt jedoch am Beispiel der Zähringerstädte auf, dass diese Begrifflichkeiten sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern einer detaillierteren Betrachtung bedürfen. Zunächst erörtert er, was unter einer gegründeten Stadt im Allgemeinen verstanden wird: „Zu[m] […] Gründungsakt gehört in der Vorstellung der Forschung immer auch eine Stadtplanung – eine gegründete Stadt gilt also auch als eine vom Gründer geplante Stadt, im Gegensatz zu einer gewachsenen Stadt, die sich ganz ohne oder mindestens ohne einheitliche Planung entwickelte. Gründung und Planung gelten dabei offenbar als so zusammengehörig, dass es in der Stadtgeschichtsforschung kaum je explizit thematisiert wurde. So gibt es zwar neben dem Begriffspaar ,gewachsen vs. gegründet‘ immer auch ein zweites, nämlich ,gewachsen vs. geplant‘; die Stadtgeschichte hat das aber immer auf den Antagonismus ,geplant gegründet vs. planlos gewachsen‘ verkürzt.“47

Baeriswyl fordert eine differenziertere Betrachtung der Begrifflichkeiten gegründet, gewachsen und geplant und möchte von der komplementären Betrachtungsweise der älteren Forschung abrücken. Gründungsstädte, geplante Siedlungen und natürlich gewachsene Siedlungen sind nicht klar voneinander abgrenzbar und fließen ineinander über. Ausgrabungen zeigen, dass Planstädte des Mittelalters über antike oder frühmittelalterliche Siedlungskerne verfügten, auch in den sogenannten gewachsenen Städten haben geplante Änderungen stattgefunden. Durch archäologische Forschung können verschiedene Phasen des Siedlungswachstums erkannt werden, welche nicht immer unter den gleichen Vorzeichen standen. Das Fazit von Baeriswyls Erörterung ist, dass das Gegensatzpaar gewachsen vs. gegründet der komplexen Entstehungsgeschichte der mittelalterlichen Städtelandschaft nicht gerecht wird. Es handelt sich vielmehr um ein Ineinanderfließen mehrerer Faktoren und Bestrebungen, die Siedlungen in ihrer Entwicklung beeinflussten und bedingten.48 Die neueren Überblickswerke verweisen durchwegs auf die Bedeutung antiker mansiones und Städte für die spätere Herausbildung von größeren Siedlungen. Die Städtelandschaft des Mittelalters ist zu einem großen Teil auf römisch-antiken Wurzeln gegründet. Römische Siedlungskerne, welche in verkehrsgünstiger Lage und an großen Flüssen gelegen waren, gelangten im Mittelalter meist schnell zu einer neuen Blüte, insbesondere wenn sie bereits in der Vergangenheit als Sitz eines frühchristlichen Bischofs fungiert hatten. Das Kirchenrecht sah seit antiker Zeit vor, dass ein Bischof seinen Sitz in einer Stadt festlegen musste. Durch die Christianisierung der Franken, welche seit dem späten 5. Jahrhundert die ehemals gallischen und germanischen Gebiete des Römischen Reichs beherrschten, wurde das Bischofsamt beibehalten und somit auch den Städten in zentraler Lage zu

47 Baeriswyl, Zähringerkreuz und Urparzelle, S. 113. 48 Ebd., S. 128-130.

12 neuem Leben verholfen. Die Bischofsstädte Reims, Metz, Trier und Chur blicken auf ein ständiges Bestehen seit der Spätantike zurück, da die fränkischen Herrscher ihre weltliche Verantwortung, die die Bischöfe in der Übergangsphase nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reichs in diesen Regionen übernommen hatten, anerkannten und somit die Kontinuität des Bischofsamts gewährleisteten. Andernorts wurde der Bischofssitz in strategisch bessere Lage verlegt. Doch nicht nur die Bischofssitze blieben in dieser Übergangszeit von der Antike zum Mittelalter erhalten, auch antike Städte, in deren Nähe sich die Gräber christlicher Märtyrer befanden, wurden zur Keimzelle einer neuen, mittelalterlichen Stadt, wie es zum beispielsweise in Bonn der Fall war.49 Ebenfalls ausschlaggebend und gleichzeitig eine Folge der mittelalterlichen Urbanisierung war die Weiterentwicklung der Gesellschaftsstruktur. Mit dem Aufkommen der Kommunen, diese Entwicklung hatte ihren Ursprung im Ober- und Mittelitalien des 10. Jahrhunderts, gewannen die Stadtbürger an Einfluss und spielten eine zunehmend bedeutendere Rolle im Machtgefüge zwischen Adel, Klerus, Kaisertum und Papsttum. Sie bildeten Gilden und Bruderschaften, vor allem Kaufleute schlossen sich zu Verbänden zusammen, bildeten Rechtskörperschaften, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. So erlangte die Stadtbevölkerung seit Mitte des 11. Jahrhunderts ein gewisses Maß an Mitbestimmung und beendete somit die unbedingte Alleinherrschaft der Bischöfe. Einflussreiche, wohlhabende Bürger traten nun an die Führungsspitze der Städte und begannen unabhängig vom Stadtherrn Entscheidungen zu treffen, es entstand das städtische Gemeindewesen.50 Trotz dieser Emanzipation des Bürgertums darf die Instrumentalisierung der Städte durch die Landesherren, die gezielte Gründung und Förderung von Städten zum Zwecke der Territorienbildung und Machtsicherung nicht außer Acht gelassen werden.51 Dieser Aspekt der Geschichte der mittelalterlichen Städte führt uns auch wieder zum anfänglichen Diskurs, der Gegensätzlichkeit und doch Gleichzeitigkeit von Wachstum, Planung und Gründung, zurück. Fest steht, dass die Planungskomponente zeitlich begrenzt auftrat, und zwar erst mit Beginn im 12. Jahrhundert, wenn man die mittelalterliche Epoche betrachtet. Gerd Hardach und Jürgen Schilling sehen um 1350 einen Kulminationspunkt der sogenannten Gründungsstädte, dem aufgrund der demographischen Krise des 14. Jahrhunderts ein abruptes Ende der Stadtgründungen folgte.52

49 Plessow, Die Stadt im Mittelalter, S. 13f. 50 Hirschmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 5-11. 51 Die Rolle der Städte und Märkte in Rahmen der Entwicklung Tirols soll in Kapitel 3.3 erläutert werden. 52 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 120.

13 2.3. Charakter und Erscheinungsbild der mittelalterlichen Stadt In dieser Arbeit soll niemals die Rede von einer Definition der mittelalterlichen Stadt, sondern viel mehr von Erscheinungsbild(ern) sein. Trotzdem soll zu Beginn eine sehr ausholende Stadtdefinition des Sozialwissenschaftlers und Ökonoms Gustav von Schmoller aus dem Jahr 1908 zitiert werden:

„Die Stadt ist ein größerer Wohnplatz als ein Dorf, aber zugleich ein solcher, wo Verkehr, Handel, Gewerbe und weitere Arbeitsteilung Platz gegriffen hat, ein Ort, der auf seiner Gemarkung nicht mehr genügende Lebensmittel für alle seine Bewohner baut, der den wirtschaftlichen, verwaltungsmäßigen und geistlichen Mittelpunkt seiner ländlichen Umgebung bildet. Man denkt aber ebenso sehr daran, dass er mit Straßen und Brücken, mit Marktplatz, mit Rat- und Kaufhaus und anderen größeren Bauten versehen, dass er durch Wall, Graben und Mauer besser als das Dorf geschützt sei, wofern ein solcher Schutz überhaupt noch nötig ist; endlich daran, dass er eine höhere politische und Gemeindeverfassung, gewisse Rechtsvorzüge besitze.“53

Eine präzise, alle Eventualitäten umfassende Definition des Begriffes Stadt mit zeitlichem Bezug auf das Mittelalter fällt schwer, da es im mittelalterlichen Europa eine Fülle an vielfältigen und untereinander extrem unterschiedlichen stadtartigen Siedlungen gab. Unstrittig ist, dass es sich bei einer Stadt um eine im Verhältnis zum Umland verdichtete Siedlung handelte, welche eine Anzahl zentraler Funktionen innehatte. Während der Zentralitätsgrad konstituierend für die Stadt war und ist, können die Größe einer Siedlung sowie die Einwohnerzahl nicht als Indikatoren für eine mittelalterliche Stadt herangezogen werden. Einerseits liegt das daran, dass die Hektaranzahl einer Siedlung nichts darüber aussagt, wieviel Fläche effektiv bebaut war, und dass es über Einwohnerzahlen keine verlässlichen Erhebungen gibt, andererseits waren dies im Mittelalter auch keine relevanten Kriterien, welche eine mittelalterliche Siedlung zur Stadt machen konnten.54

Die Definition nach von Schmoller fasst jedoch bereits einige zentrale Punkte zusammen: die Stadt als Ort des Verkehrs, des Gewerbes und Handels, als Ort der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung, die Stadt als Ort mit zentralen Funktionen, mit besonderer Infrastruktur, mit Gebäuden und ihren jeweiligen Funktionen, die Stadt als Gemeinde mit besonderem Rechtsstatus. Hardach und Schilling nennen ähnliche Hauptmerkmale, die für die Beschreibung der mittelalterlichen Stadt relevant sein sollen: eine dichte Besiedlung im Verhältnis zum Umland, eine Wirtschaft und soziale Schichtung, die wesentlich von Handel und Gewerbe geprägt sind, sowie ein eigenes Recht, das sich vom Landrecht des Umlands unterscheidet.55 Carl-Hans Hauptmeyer beschreibt diesen mehrfach genannten besonderen Rechtsstatus 2011 genauer: Zu diesem privilegierten Rechtsstatus einer

53 Schmoller 1908, zit. n. Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 45. 54 Plessow, Die Stadt im Mittelalter, S. 133. 55 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 118-120.

14 Stadt gehörten das Recht auf Selbstverwaltung und Selbstverteidigung, das Marktrecht, das Bestehen eines Zunftwesens sowie das Bürgerrecht, das die persönliche Freiheit und Rechtsgleichheit der Bürger konstatierte – wobei Hauptmeyer sogleich einräumt, dass es mit dieser Freiheit und Gleichheit in der mittelalterlichen Realität nicht weit her war.56

Irsigler liefert uns 2003 eine Annäherung an eine Stadtdefinition, die auch den Zentralitätsaspekt beinhaltet, der in verschiedener Form bestehen kann:

„Stadt ist eine vom Dorf und nichtagrarischen Einzwecksiedlungen unterschiedene Siedlung relativer Größe mit verdichteter, gegliederter Bebauung, beruflich spezialisierter und sozial geschichteter Bevölkerung, Selbstverwaltungsorganen, einer auf Gemeindestrukturen aufbauenden, freie Lebens- und Arbeitsformen sichernden Rechtsordnung sowie zentralen Funktionen politisch-herrschaftlich- militärischer, wirtschaftlicher und kultisch-kultureller Art für eine bestimmte Region oder regionale Bevölkerung.“57 Karl Heinrich Kaufhold führt 2001 besonders einige allgemeine Merkmale baulicher Natur an, welche völlig unabhängig voneinander vorkommen können und mit der Rolle der Verkehrswege bei der Entstehung von Städten in Verbindung stehen: • Es besteht ein Befestigungsring, der den Verkehr durch Tore kanalisiert. • Die Tore sind durch einen möglichst zügigen, wenn nicht den kürzestmöglichen Weg miteinander verbunden, an diesem Weg liegt in der Regel die Marktstraße. Vor allem ist dies der Fall, wenn die Stadt Anhaltungsrechte wie das Stapelrecht besaß. Der Markt bildet also das Zentrum des städtischen Verkehrs, in Hafenstädten hingegen gilt dies für den Hafen. • Das innerstädtische Straßennetz verfügte bereits über eine gewisse Komplexität: Es gab großzügigere Hauptwege, wie die oben genannte Marktstraße, deren Breite den Durchgangsverkehr erleichterte und gleichzeitig das Halten von Frachtwagen ermöglichte, und kleinere Wege für den Anliegerverkehr. In der Regel lagen der Markt, das Rathaus und andere Sitze städtischer Einrichtungen an einer Hauptstraße. Die Enge der Nebenstraßen war durch den Platzmangel innerhalb der Stadtmauern bedingt.58 Im Überblickswerk von 2012 erkennt auch Isenmann besonders die Baulichkeiten als Indikatoren für den besonderen Rechts- und Wirtschaftsstatus der mittelalterlichen Stadt an:

56 Carl-Hans Hauptmeyer, Städtische Wirtschaft im Längsschnitt – oder warum die mittelalterliche Stadt immer noch Modellcharakter besitzt, in: Rudolf Holbach / Michel Pauly (Hrsg.), Städtische Wirtschaft im Mittelalter. Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag, Köln 2011, S. 355-370, hier: S. 361. 57 Franz Irsigler, Was machte eine mittelalterliche Siedlung zur Stadt? (Universitätsreden 51), Saarbrücken 2003, S. 17- 44, hier: S. 44. 58 Kaufhold, Die Stadt als Verkehrsraum, S. 32f.

15 „An Nutzungszuweisungen für Gebäude und spezifische Baulichkeiten wie Rathaus, Gerichtslaube, Marktstände und –hallen, Hafen, Kaufhaus, Waage, Zollhaus, Münze, Schule, Stadtapotheke, Zeughaus, Pranger (am Markt), Galgen und Richtblock (vor der Stadt), Getreidespeicher, Wasserkanäle und Brunnen werden kommunale Funktionen augenfällig. Hinzu kommen Herbergen und Wirtshäuser (Tavernen), Badestuben, Frauenhaus (Bordell), Spital, Waisen- und Findelhaus, Pestlazarett, Blatternhaus für Syphilitiker und das ältere Leprosenhaus vor der Stadt. Die Stadt zeichnet sich durch eine Infrastruktur aus, die nirgendwo sonst so reichhaltig und vielgestaltig anzutreffen ist.“59

Die sowohl funktionale als auch symbolisch-repräsentative Bedeutung der Baulichkeiten in der Stadt des Mittelalters zeigt sich wohl am deutlichsten in der Stadtbefestigung.

2.3.1. Die Mauer, ein bedeutendes Merkmal der befestigten Stadt Die Mauer, von der eine Stadt in vielen Fällen umgeben war, hatte mehrere Funktionen. Die naheliegendste Funktion ist jene als Schutz vor Bedrohungen von außen. Zunächst nur aus Erdwällen und Holzpalisaden bestehend, entwickelte sich die mittelalterliche Stadtmauer zu einer wehrhaften Steinmauer mit Wehrgängen, mehreren bewachten Toren und Türmen. Neben dem, zuweilen sogar doppelt vorhandenen Mauerring merkt Isenmann ebenso die unmittelbar dahinterstehenden Gebäude als bedeutende Befestigungselemente an. Direkt dahinter war häufig die Oberschicht, insbesondere die gezielt dort angesiedelte Burgmannenschaft mit ihren widerstandsfähigen Steinhäusern zu finden. Auch innen oder außen angelegte Gräben gehörten zum Befestigungskomplex.60 Isenmann hebt neben der Schutzfunktion, von der im Falle einer Bedrohung auch die fliehende Landbevölkerung der unmittelbaren Umgebung profitierte, die rechtliche Komponente besonders hervor: Die Mauer diente als Abgrenzung eines räumlich klar definierten Sonderrechtsbereiches.61 Neben Isenmann gestand auch Hirschmann der Mauer eine über die Wehrfunktion hinausgehende Bedeutung zu, er versteht die Stadtmauer ebenso als Grenze eines klar abgetrennten Rechts- und Wirtschaftsbereichs. Die Bedeutung der Mauer als Indikator des städtischen Rechtsstatus geht besonders aus den regelmäßig vorkommenden Entfestigungen hervor. Im Zuge einer Sanktionierung konnten Städte nicht nur ihr Siegel oder andere Güter mit symbolischer Bedeutung, sondern auch ihre Stadtmauer verlieren. Solche Schleifungen durch politische Gegner kamen immer wieder vor, im Falle des kleinen Ortes Pecquencourt im Hennegau bedeutete der Verlust der Mauer sogar eine

59 Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 33. 60 Ebd., S. 100-102. 61 Ebd., S. 27.

16 Minderung des Rechtsstatus.62 Auch Brunner bestätigt 2012 diesen symbolischen Zusatzwert der Stadtmauer, mit deren Zerstörung auch der Verlust der Bürgerrechte einherging. Im Gegenzug spricht er ihr jedoch die militärische Funktion in den meisten Fällen ab, während Isenmann und Hirschmann den militärischen Schutz als eine der Hauptfunktionen der Stadtmauer bezeichnen.63 Nicht jede Stadt verfügte allerdings über eine steinerne Befestigungsanlage, es zeigt sich in der Häufigkeit der Befestigungen ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, das mehr auf naturräumliche als auf kulturelle Bedingungen zurückzuführen ist. Weder die Niederen Lande noch das norddeutsche Tiefland verfügten natürlicherweise über ausreichend Steine, die zum Bau der Stadtmauern benötigt wurden.64 Die mittelalterliche Stadt existierte allerdings nicht nur innerhalb von Befestigungsmauern, die urbanen Strukturen sind im Gegenteil viel komplexer, was im nächsten Kapitel zum Ausdruck kommen soll.

2.3.2. Altstadt, Neustadt und Vorstadt: Das Nebeneinander mehrerer Siedlungskerne Die europäische Stadt des Mittelalters besteht in den meisten Fällen nicht, wie es vielleicht der gängigen heutigen Vorstellung entspricht, aus einem zentralen Stadtkern, in dem sich die politischen, kirchlichen und wirtschaftlichen Hauptgebäude und Plätze der Stadt befinden, und gleichmäßig rundherum gewachsenen Wohngebieten. Die mittelalterliche Stadt ist vielmehr durch ein Nebeneinander mehrerer Siedlungskerne charakterisiert. Der Städtebau erfolgte in der Regel über Jahrhunderte, sodass immer wieder Bauwerke dazukamen oder entfernt wurden, um Bedeutenderem Platz zu machen, das Stadtareal immer dichter bebaut wurde und oftmals der Platz innerhalb der Mauern nicht mehr reichte und der Stadt vorgelagerte Siedlungen als Vorstädte angegliedert wurden.65 Die Pluralität der Siedlungskerne manifestierte sich in verschiedenen Formen. Es gab Doppelstädte, welche aus zwei ursprünglich unabhängigen Siedlungskernen entstanden, sowie vorstädtische Siedlungen oder planmäßig angelegte Neustädte, die oftmals über einen langen Zeitraum, mitunter bis in die Neuzeit hinein, ihren autonomen Rechtsstatus erhalten konnten. Mitunter kam es aufgrund der heterogenen Struktur der Stadtviertel zu Verlagerungen des Stadtkerns sowie zum

62 Hirschmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 16-18. 63 Karl Brunner, Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters, München 2012, S. 147f. 64 Hirschmann, Leitlinien der Stadtgestaltung, S. 99. 65 Ders., Die Stadt im Mittelalter, S. 15.

17 Bedeutungsverlust eines Siedlungskerns zugunsten eines anderen. Die Städte des Mittelalters waren also in der Regel in ihrer Struktur keineswegs homogen und in ihrem Wachstum nicht immer linear.66 In früherer Zeit entstandene Städte wiesen in der Regel den bereits angesprochenen topographischen Dualismus auf, bei dem sich der herrschaftlich bestimmte, befestigte Herrensitz und das wirtschaftlich bedeutende Suburbium gegenüberstanden. Das Suburbium war eine dem Herrensitz vorgelagerte Zweitsiedlung, die entweder ebenfalls von einer Schutzmauer umgeben oder unbefestigt sein konnte. Diese Struktur bedeutet aber keineswegs, dass der Sitz des Stadtherren zuerst bestanden hatte. Oftmals wurde der befestigte Herrensitz gleichzeitig mit dem Suburbium erbaut oder im Nachhinein hinzugefügt. Das Suburbium, häufig eine Gewerbe- und Handelssiedlung mit der Struktur eines Straßenmarktes oder mit einem zentralen Marktplatz, gewann mit der Zeit an kommunaler Autonomie, sodass die Burgen als Sitz der Stadtherren an Bedeutung verloren und teilweise sogar von der Stadtbevölkerung zerstört wurden. Etwa seit dem 12. Jahrhundert verfügten auch solche Siedlungen über eine Befestigungsanlage, in deren Mauern in der Regel der Herrensitz umschlossen wird. Durch diese Integration des Herrensitzes in die den Siedlungskern umschließende Stadtmauer wurde der topographische Dualismus überwunden.67 An den äußeren Rändern der Städte lagen die Vorstädte. Diese waren in der Regel dünner besiedelt und einfacher bebaut als der Stadtkern. Die Oberschicht hatte in der Vorstadt Gärten, Weinberge und Weiden, sowie die dazugehörigen Höfe. Außerdem fanden in den Vorstädten Einrichtungen Platz, von denen Lärm, unangenehme Gerüche, Feuergefahr oder Ansteckungsgefahr ausgingen und die daher innerhalb der Stadt nicht geduldet wurden. Dazu zählten etwa die Mühlen, die Werkstätten der Gerber und ähnlicher Handwerker, die Spitäler, die Herbergen und Leprosorien. Auch die Klosteranlagen befanden sich oftmals in der Vorstadt, da sie von kirchlichem Grundbesitz umgeben waren und dadurch oft erst zur Bildung der Vorstadt beigetragen hatten. Im Allgemeinen waren die Vorstädte dem Stadtzentrum gegenüber rechtlich benachteiligt und von ärmerer Bevölkerung bewohnt.68

66 Hirschmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 15. 67 Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 89. 68 Ebd., S. 93f.

18 2.3.3. Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung in der mittelalterlichen Stadt Bei der Auseinandersetzung mit dem Erscheinungsbild der mittelalterlichen Stadt spielen sozialtopographische Aspekte immer wieder eine Rolle. Ziel der Sozialtopographie ist es, das Verbreitungsmuster von Wohnstandorten nach sozialen Merkmalen nachzuvollziehen, dabei sozial bedingte Viertel und Soziotope zu erkennen und ihre Entstehung und ihren Wandel zu beschreiben. Bereits Wilhelm Heinrich Riehl befasste sich in seinen Augsburger Studien aus dem Jahr 1859 mit dem Zusammenhang zwischen sozialen Strukturen der mittelalterlichen Stadt mit der Gliederung von Straßen und Häuserzügen. Ging Riehl damals vom „Stadtplan als Grundriss der Gesellschaft“ und einer „standesmäßige[n] Straßengliederung“69 aus, so gelten diese Aussagen in der heutigen Forschung als grundsätzlich nicht mehr haltbar. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde diese sozialtopographische Fragestellung nie ganz fallen gelassen70, andererseits aber auch nicht besonders weit vorangetrieben. Der Grund dafür liegt in den Schwierigkeiten, der die sozialtopographische Forschung im Zeitraum des Mittelalters begegnet. Als retrogressive Forschung ist die Sozialtopographie zum Vorantreiben ihrer Erkenntnisse auf Kartierungen aus der betreffenden Zeit und aus der Zeit davor angewiesen, die für das Mittelalter nur in seltensten Fällen in ausreichender Form überliefert sind. Versuche von historischer Seite endeten meist in quantitativ- statistischen Ergebnissen, die für die sozialtopographische Forschung zu wenig differenzierte Informationen bringen.71

Grundsätzlich können zur sozialtopographischen Gliederung der mittelalterlichen Stadt einige Aussagen getroffen werden, die in diesem Kapitel näher erläutert werden. Eine erste rechtliche Abgrenzung erfolgt bereits durch die Stadtmauer. Innerhalb der Mauern lebten die Bürger, die Vorstädter außerhalb der Mauern waren nur Einwohner niederen Rechts, was bereits eine erhebliche soziale Minderstellung darstellte. Die Vorstadt wurde auch als Dorf bezeichnet und hatte oftmals dörflichen Charakter.72 Auch innerhalb der Stadtmauern gab es Unterschiede im Rechtsstatus. Untermieter (Inquilinen), also Menschen, die in einem Haus wohnten, das nicht ihnen gehörte, und die auch nicht einem Haushalt in einem gemieteten Gebäude vorstanden, waren ebenfalls nur Einwohner der Stadt, und waren gegenüber den Stadtbürgern nicht nur rechtlich,

69 Riehl 1859, zit. n. Denecke, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung, S.162. 70 Die Fragestellung war in der Forschungsarbeit folgender Historiker präsent: Bücher 1886, Vetter 1910, Loffing 1911 sowie in der sozialgeschichtlichen Stadtforschung: Weber, Borchers 1919 und Fröhlich 1920. 71 Denecke, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung, S. 162-165. 72 Ebd., S. 168.

19 sondern in der Regel auch sozial und wirtschaftlich niedriger gestellt. Untermieter waren meist bei ihrem Hausherrn angestellt, also unselbstständige Arbeiter, Knechte und Mägde.73

Erich Maschke schildert 1980, dass die Sozialstruktur der mittelalterlichen Stadt anhand der Organisation der Wohneinheiten und Stadtteile ablesbar ist, wenn sich diese auch von Stadt zu Stadt unterschiedlich gestaltet. Dies sei wiederum ein Hinweis auf die Heterogenität der verschiedenen mittelalterlichen Städte auch in dieser Hinsicht. Dennoch erkennt Maschke ein grobes Muster: Die soziale Gruppe der Kaufleute ist oft am Marktplatz, an der Marktstraße oder der Hauptstraße zu finden. Die Handwerker hatten ihre Niederlassungen oftmals in eigenen Vierteln innerhalb der Stadt oder in Siedlungen vor den Stadttoren (in der entsprechenden Literatur immer wieder erwähnt wird das Beispiel der Lübecker Kerzenmacher, die dorch stankes willen vor die Stadttore verbannt wurden).74 Die Patrizier und Amtleute waren oft im ältesten Teil der Stadt, am Markt oder an großen Plätzen angesiedelt, manchmal verfügten sie sogar über einen eigenen Stadtteil. Worin sich Maschke und Denecke nicht einig sind, ist die räumliche Verteilung der Handwerker in der mittelalterlichen Stadt. Maschke erwähnt in seinen knappen Ausführungen eine Gliederung nach Berufsgruppen in eigenen Straßen, welche mit entsprechenden Straßennamen versehen waren.75 Denecke hält diese Theorie für einen Trugschluss. Es sei grundsätzlich nicht von einer solchen räumlichen Konzentration gewisser Gewerbe in entsprechenden Straßenzügen oder Gassen auszugehen. Wenn diese doch bestand, so waren die Standorte betriebstechnisch oder funktional bedingt. Alle Gewerbe, die für die Ausführung ihrer Tätigkeit die Nähe des Wassers benötigten, Gerberei, Färberei, Wäscherei, Wollverarbeitung und Mühlen, konzentrierten sich aus betriebstechnischen Gründen in der Nähe eines Wasserlaufs vor den Stadttoren. Gleichzeitig war der Standort vor den Stadttoren bei der Gerberei und der Färberei auch durch die Geruchsbelästigung gewünscht. Jene Berufsgruppen, die von einer hohen Frequenz an Durchzugsverkehr profitierten, konzentrierten sich natürlicher Weise an verkehrszentralen Standorten. Dies waren zum Beispiel Kaufleute, Krämer und Wirtsleute. Je mehr großes Werkzeug und Einrichtung für ein Gewerbe nötig waren, desto höher war aus funktionalen Gründen die Platzkonstanz der Standorte. Es waren also einige Berufsgruppen, die aus betriebstechnischen oder funktionalen Gründen an bestimmte Standorte in einer und um eine Stadt

73 Denecke, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung, S. 183. 74 Wehrmann 1872, zit. n. Erich Maschke, Soziale Gruppen in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, in: Josef Fleckenstein / Karl Stackmann, Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1975-77, Göttingen 1980, S. 127-145, hier: S. 142. 75 Maschke, Soziale Gruppen in der deutschen Stadt, S. 142f.

20 gebunden waren, und die ein Raster für die räumlich-soziale Gliederung in diesem Kontext bildeten, das wohl der Grund für die vorhin erwähnte Theorie von einer strengen räumlich-sozialen Struktur innerhalb der mittelalterlichen Stadt sein könnte. Jene Handwerker und Gewerbetreibende, die nicht unter diese Gruppe fielen, weisen eine relativ hohe Standortmobilität innerhalb der Städte auf.76

Auch Evamaria Engel vertritt 2005 die These, dass die Wohn- und Arbeitsplätze der Handwerker grundsätzlich in der ganzen Stadt verteilt zu finden waren und eventuelle Konzentrationen nur aus bestimmten Gründen vorkamen. Straßennamen, die Hinweise auf bestimmte Gewerbe geben, führen in die Irre, was durch Überlieferungen und Ausgrabungen in Basel und Hamburg bewiesen wurde.77 Engel führt im Zuge ihrer Ausführungen noch weitere „besondere Produktionsvoraussetzungen und Begleiterscheinungen“78 an, welche die Notwendigkeit eines Standortes außerhalb der Stadtmauern zur Folge hatten: Brandgefahr durch offenes Feuer, Lärm- und Rauchbelästigung. Die Aussiedlung aufgrund solcher Kriterien wurde in vielen Fällen durch eine Auflage seitens des Stadtrats herbeigeführt. Gleichzeitig ging mit der Abdrängung des Wohn- und Arbeitsplatzes vor die Stadtmauern unter Umständen auch ein sozialer Abstieg einher, sodass nicht zwingend nur betriebstechnische und funktionale Hintergründe in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten.79 Dieser Einwand Engels stimmt mit der Aussage Deneckes überein, dass im sozialen Gefüge der mittelalterlichen Stadt durchaus eine räumlich-soziale Abstufung bestand. Der Markt bildete den sozialen Mittelpunkt der Stadt, dort hatten die bedeutendsten Bürger ihren Wohn- und Arbeitsplatz. Davon ausgehend führten Hauptstraßen zu den Toren, die ebenfalls von Bedeutung waren. Die Nähe des Wohn- und Arbeitsplatzes zum Markt und zu diesen Hauptstraßen bestimmte den sozialen Status der Bürger, je weiter entfernt die Behausung davon war, desto niedriger waren die Bewohner auch angesehen. Interessanterweise hatten Eckgrundstücke einen gesellschaftlich bedeutend höheren Wert inne, was Denecke auf ihre besonders repräsentative Lage zurückführt. In Planstädten wurde, von diesen Prinzipien ausgehend, auch die sozialtopographische Gliederung bereits von vornherein mitgeplant.80

76 Denecke, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung, S. 172-177. 77 In Basel wurden um das Jahr 1453/54 in der Langen Eisengasse die Niederlassungen von nur einem Schwertfeger und einem Messerschmied, aber von 16 Schuhmachern und einigen anderen Handwerkern nachgewiesen. In Hamburg wurden bei der Ausgrabung einer Wohnstätte in der kleinen Bäckerstraße keine Hinweise auf die Verwendung als Backstube, dafür auf einige andere Handwerke festgestellt. 78 Engel, Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 152. 79 Ebd., S. 149-152. 80 Denecke, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung, S. 169f.

21 2.4. „Verkehr ist die Grundlage der Stadtentwicklung“81: Über die Bedeutung der Straßen bei der Entstehung von städtischen Siedlungen im Mittelalter Das Bestehen einer Straße war als Kriterium für die Auswahl eines Siedlungsplatzes nicht unerheblich. Die Verkehrsanbindung einer Siedlung ermöglichte die Interaktion mit Reisenden und benachbarten Dörfern und sicherte langfristig das Überleben der Siedlung. Die voranschreitende Siedlungs- und Verkehrsverdichtung brachte eine Ausdifferenzierung der Siedlungslandschaft hervor, je nach Lage und Bedeutung im Straßennetz bildeten sich lokale, regionale und überregionale Zentren. Die Toponomastik erlaubt Rückschlüsse auf die Verflechtung von Verkehrs- und Siedlungsgeschichte, die Endungen -bruck und -furt sind beispielsweise im deutschsprachigen Raum häufig vertreten.82 Das 10. Jahrhundert markierte einen Wendepunkt in der Entwicklung der europäischen Wirtschaft. Hardach und Schilling sprechen 1980 in diesem Zusammenhang von einer frühen kommerziellen Revolution. Ein stetiger Bevölkerungsanstieg führte zu erhöhtem Verbrauch von Waren und somit zu einer höheren Produktion. Dieser demographische Aufschwung und das damit verbundene Erstarken der Wirtschaft belebte antike städtische Zentren von Neuem und ließ weitere Städte entstehen. Der Fernhandel wurde intensiviert und stieß in neue, bislang noch nicht erschlossene Regionen vor. Der ökonomische Mittelpunkt begann sich von der byzantinisch-islamischen Welt in den Westen zu verschieben. Oberitalien wusste von diesem Wandel zu profitieren, dort bildeten sich mächtige kulturelle und ökonomische Zentren heraus, welche den wirtschaftlichen Führungsrang übernahmen. In weiterer Folge kam es zu einem gesamteuropäischen Wirtschaftswachstum, dadurch bedingt zu zunehmender Arbeitsteilung zwischen Gewerbe und Landwirtschaft sowie auch einer räumlichen Ausdifferenzierung. Es entstanden Gewerberegionen, in denen hauptsächlich für weit entfernte Märkte produziert wurde.83 Werner Sombart spricht in diesem Zusammenhang vom Beginn einer Form von europäischem Frühkapitalismus, dessen Beginn er zeitlich bereits im 13. Jahrhundert verortet.84 Vor allem der Florentiner Handel und der Tuchhandel in Flandern und Norditalien weisen frühkapitalistische Strukturen einer vorher ungeahnten Qualität auf.85

81 Otto Blum, Der Weltverkehr und seine Technik im 20. Jahrhundert. Bd. 2, Stuttgart-Berlin 1921, S. 210, zit. n. Kaufhold, Die Stadt als Verkehrsraum, S. 28. 82 Csendes, Die Stadt im Straßennetz, S. 55. 83 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 64-68. 84 Sombart 1924, zit. n. Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 68. 85 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 68.

22 Um die infrastrukturellen Voraussetzungen in den Blick zu nehmen, welche diesen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichten, gilt es zunächst, die bestehende Verkehrslage zu ergründen. Peter Csendes liefert in seinem Aufsatz von 2001 eine gute Zusammenfassung der wichtigen Punkte. Im frühen Mittelalter waren weite Teile West- und Mitteleuropas ebenso wie der mediterrane Raum vom römischen Straßennetz durchzogen.86 Damit wurde das Fernhandelsnetz des Mittelalters auf dem römischen Grundgerüst aufgebaut. Die Straßen des Mittelalters wurden von fahrenden Händlern und Kaufleuten in großer Zahl bereist. Dies war für viele Siedlungen so wirtschaftsfördernd, dass sich daraus, in hohem oder niedrigerem Maß geplant, Städte entwickelten.

2.4.1. Die Straße als Mittel zur Belebung der Stadt Während in moderner Zeit immer neue Umfahrungsstraßen errichtet werden, welche die städtischen Gebiete möglichst entlasten und den Verkehr mindern sollen, wurde im Mittelalter eine umgekehrte Politik betrieben. Mittelalterliche Herrscher gründeten Städte an günstig gelegenen Weggabelungen, Häfen, Brücken und Hauptverkehrsstraßen. Denecke nennt hier 2001 besonders die Standortpolitik der Städtegründer Heinrich des Löwen und der Zähringer. Auch das gezielte Umleiten von Handels- und Verkehrsstraßen zu Städten hin oder durch Städte hindurch war eine gängige mittelalterliche Praxis der Landesherren, welche der Stadt und damit auch ihrem Herrscher große wirtschaftliche Vorteile bringen konnte. Zu den Methoden, um eine solche Verlagerung zu erreichen, gehörten neben Stadt- und Marktrecht Münzprivilegien und Bannmeilen.87 Csendes sieht in der direkten Einbeziehung der Fernstraßen in die bauliche Stadtstruktur sogar ein bedeutendes städtebildendes Element. Die Fernstraße führte in vielen Fällen direkt durch die befestigte Stadt hindurch und verband die beiden Haupttore miteinander, sodass sie zu einem voll integrierten Teil des öffentlichen Raumes der Städte wurde, was zur Durchreise und dem Aufenthalt von Kaufleuten und anderen Reisenden führte. Mit dem Eintritt durch das Stadttor wurde die „Aufnahme in den Friedens- und Wirtschaftsbezirk [signalisiert]“88. Auch Brandstätter nennt 2001 neben der Instandhaltung von bedeutenden Straßen und Brücken eine Reihe weiterer Möglichkeiten, den Verkehr in die Nähe der Stadt oder durch eine Stadt hindurch zu leiten. Dazu gehören Niederlags- bzw. Stapelrechte und Straßenzwang. Es war eine gängige Praxis der mittelalterlichen Landesfürsten,

86 Csendes, Die Stadt im Straßennetz, S. 56. 87 Denecke, Zur Entstehung des Verkehrs, S. 20. 88 Csendes, Die Stadt im Straßennetz, S. 62.

23 die herkömmlichen Straßenverläufe umzuleiten, sodass sie durch oder in die Nähe ihrer Städte führten.89 Nach Brandstätter können „sämtliche Initiativen zur Erhöhung der wirtschaftlichen Attraktivität im weitesten Sinn auch als verkehrsorganisatorische Maßnahmen“90 begriffen werden. Das finanzielle Interesse der Landesherren bildete den Hintergrund dieser Bestrebungen, doch auch die Städte selbst leiteten solche Initiativen in die Wege. In den wenigsten Fällen konnte eine Stadt in einem solchen Fall eigenständige Entscheidungen treffen. Lediglich Territorialstädte, deren wirtschaftlicher Erfolg vom jeweiligen Landesherren gewünscht und gezielt gefördert wurde, und Reichsstädte sowie Freie Städte, welche selbst über stadtherrliche Befugnisse und territoriale Herrschaftsrechte verfügten, hatten es leichter, ihre Interessen durchzusetzen. So begrenzt die Entscheidungsgewalt der Städte in verkehrspolitischen Belangen auch war, so hatte jede Stadt die Möglichkeit, eine Reihe kleinerer Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Attraktivität für den Handelsverkehr zu ergreifen. Dazu gehörte die Errichtung und Pflege einer ansprechenden Infrastruktur, der Ausbau und die Instandhaltung von Häfen, Straßen und Brücken, das Pflastern der Wege oder auch die Errichtung von Kaufhäusern. Auch in der Zollpolitik wurden Mittel und Wege gefunden, sich für die Handelsreisenden attraktiver zu machen, durch Abgabenerleichterungen oder -befreiungen befristeter oder unbefristeter Art konnten Handelsbeziehungen gesponnen und intensiviert werden.91 Bei der kausalen Verbindung zwischen Verkehr und Stadt in mittelalterlicher Zeit handelt es sich also um eine wechselseitige: Durch die Verstärkung der zentralörtlichen Funktionen einer Stadt konnte der Verkehr und damit die Bedeutung einer Stadt erheblich beeinflusst werden. Um einer Stadt aber wesentliche zentralörtliche Funktionen zu verleihen, musste zunächst die Verkehrslage optimiert werden und es mussten die mit dem Handelsverkehr verbundenen Privilegien erreicht werden.92 Für Kaufhold spielt die Verkehrslage ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der mittelalterlichen Stadt. Dabei berücksichtigt er nicht nur die Straßen über Land, sondern betont auch die Bedeutung der Wasserstraßen.93 Zur Betrachtung der Rolle des Verkehrs in der mediävistischen Stadtforschung betont Kaufhold die Unterscheidung zwischen den gewachsenen Städten und den Gründungsstädten. Wichtig ist jedoch,

89 Brandstätter, Städtische Maßnahmen zur Verkehrsorganisation, S. 183. 90 Ebd. 91 Ebd., S. 183-186. 92 Kaufhold, Die Stadt als Verkehrsraum, S. 32. 93 Kaufhold, Die Stadt als Verkehrsraum, S. 32.

24 beide Entstehungstypen sind relevant und verdanken ihre Entstehung zumindest zum Teil dem umliegenden Verkehrsnetz. Das Straßennetz des Mittelalters, inklusive der Wasserstraßen, wirkte also „siedlungsfördernd und siedlungsstabilisierend“94.

2.4.2. Die Gründungsstadt des 12. Jahrhunderts: der Straßenmarkt Im 12. Jahrhundert erfolgte eine bedeutende Zäsur in der Entwicklung der mittelalterlichen Gesellschaft. Neben dem Rittertum und dem Klerus begann sich eine neue soziale Gruppe zu behaupten und an Einfluss zu gewinnen: jene der Bürger. Der mittelalterliche Bürger hob sich insofern von anderen Bevölkerungsgruppen ab, als er einerseits in einer befestigten, urbanen Siedlung lebte, andererseits zumindest teilweise in Handel und Gewerbe tätig war und somit die zunehmende Monetarisierung vorantrieb. Durch das Erstarken der Bürgerschaft veränderte sich auch die Siedlungspolitik. Das 12. Jahrhundert ist durch das Einsetzen von Stadtgründungen derart gekennzeichnet, dass Gruber 1977 regelrecht von einem „städtebauenden 12. Jahrhundert“ spricht, „das die zweite Periode des Mittelalters einleitet.“95 Baeriswyl bestimmt die Zeit von 1250 bis 1300 als Höhepunkt dieser Welle und betont die Wichtigkeit der gegründeten Städte als „Stützpunkte im Wettbewerb um die Territorialisierung“.96 Die Städte des 12. Jahrhunderts waren also nicht mehr Bischofssitze oder natürlich gewachsene Siedlungen, sondern Planstädte mit dem Ziel ökonomischer Prosperität. Doch Gruber sieht in den Neugründungen nicht nur eine wirtschaftliche Funktion. Die Landesherren gründeten Städte an geostrategisch günstigen Punkten, um ihre Macht militärisch zu sichern und neue kulturelle Zentren zu bilden. Neben den Städten waren auch Klöster und Burgen gängige Mittel im Machtkampf der Landesherren.97 Unter den verschiedenen Grundrisstypen, in die mittelalterliche Städte eingeteilt werden können, beschreibt der Stadttypus mit dem „durch zwei Tore abgeschlossenen Straßenmarkt“98 am einfachsten und am treffendsten die städtebaulichen Entwicklungen des 12. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich um ein sehr einfaches Stadtmodell, bestehend aus einer gerade verlaufenden Straße, einer Marktstraße, welche links und rechts von Häusern umsäumt wird, und an beiden Enden mit einem Stadttor versehen ist. Um das Gebilde herum verläuft eine Mauer. Unter Umständen gibt es auch ein drittes Stadttor.

94 Csendes, Die Stadt im Straßennetz, S.55. 95 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 46. 96 Baeriswyl, Zähringerkreuz und Urparzelle, S. 114. 97 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 46f. 98 Ebd., S. 52.

25

Abbildung 1: Schweizerstadt: Grubers Beispiel für einen „durch zwei Tore abgeschlossenen Straßenmarkt“ Der beschriebene Stadttypus ist nicht nur bei Neugründungen aus dem 12. Jahrhundert zu finden, sondern eignete sich auch zur Errichtung neuer wirtschaftlicher Zentren in bereits bestehenden Städten, wie zum Beispiel Bischofsstädten. Hier ist ein Muster, das Gruber als das mittelalterliche Wachstumsgesetz totum in toto, also ein lebendiges Ganzes im Ganzen, bezeichnet, zu erkennen. Die mittelalterlichen Städte waren durch ständigen architektonischen Wandel charakterisiert, Erweiterungen und Errichtung von selbstständigen Neustädten waren die Regel und bedeuteten nicht den Untergang der Altstadt, sondern die Koexistenz von Alt und Neu nebeneinander. So geschah es in Straßburg, allerdings erst im 14. Jahrhundert, als in unmittelbarer Nähe des Bischofssitzes die Straßburger Gewerbslauben entstanden und sich in das Stadtbild einfügten.99 Auch die Wittelsbacher bevorzugten den Stadttypus Straßenmarkt für ihre Neugründungen, sodass Bayern von Siedlungskernen solcher Art durchzogen ist, wie etwa Straubing, Mühldorf am Inn und Wasserburg am Inn. Hier sind weitere Merkmale dieses Gründungstyps festzustellen, wie das architektonische Merkmal der Laubengänge und der Standort an wichtigen Verkehrsrouten und in der Nähe von Flüssen. Umgekehrt kam es auch vor, dass der alte Straßenverlauf umgeleitet wurde

99 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 44-46.

26 und nun gezielt durch die Neugründungen führte.100 Die Gründungsstädte des 12. Jahrhunderts, wie sie vor allem in der älteren Forschung bezeichnet werden, entstanden nur selten aus wilder Wurzel. Sie wurden in den meisten Fällen in der Nähe oder auf dem Gebiet einer Burg, einer Kirche, einem Hof oder einer bereits bestehenden Siedlung errichtet. Das Aufkommen der sogenannten Gründungsstädte in so großer Zahl erfolgte aufgrund der herrschenden Konkurrenz unter den Landesherren im mitteleuropäischen Raum, der sich in eifrigen Bemühungen um die Gründung und Förderung reicher und bedeutender Städte äußerte. Unter diesen waren zum Beispiel die Zähringer, Förderer, Planer und Gründer einer Reihe von Städten im 12. Jahrhundert, über deren Aufbau und Förderung der Stadt Freiburg vieles überliefert ist: 1120 wurde ein Markt mit großzügiger Marktstraße angelegt, es wurden Privilegien gewährt und Kaufleute angeworben. Es folgten die Mauern, ein Hospital und eine Kirche. Auch die Staufer und die Welfen – eine der berühmtesten Initiativen war die Gründung der Stadt München durch Heinrich den Löwen nach dem Ausstechen des Freisinger Bischofs – lieferten im Kampf um Macht und Einfluss wichtige Impulse zur Erweiterung der mittelalterlichen Städtelandschaft.101

2.5. Die Markt- und Handelsstadt Bernd Fuhrmann nennt 2006 drei Faktoren, die in ihrem Zusammenspiel als Katalysatoren für die Entwicklung der mittelalterlichen Städte wirkten, indem er schreibt: „Die Verbindung von Markt, Siedlung und Befestigung stimulierte die Entstehung des Städtewesens maßgeblich.“102 Die Siedlung als elementare Voraussetzung für die Stadt ist auf den ersten Blick nachvollziehbar und in vorherigen Kapiteln wurde mehrmals ausgeführt, dass Stadtgründungen in den seltensten Fällen auf unbewohnter Erde zustande kamen. Die wichtige Rolle der Befestigung wurde ebenfalls bereits erschöpfend dargelegt. Dieses Kapitel soll nun den Markt und seine Bedeutung für das Städtewesen in den Blick nehmen. Kaufhold gesteht dem Markt eine weit größere Rolle in der Entstehung des Städtewesens zu, als es Fuhrmann tut: „Ein, wenn nicht das konstituierende Element der Stadt ist der Markt als Stätte des Austauschs von Gütern und Dienstleistungen.“103 Umso interessanter erscheint es, einen genaueren Blick auf die Anfänge und den Werdegang des mittelalterlichen Marktwesens zu werfen. Gruber liefert eine umfassende Definition und gleichzeitig eine zeitliche Einordnung des mittelalterlichen Marktes:

100 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 55f. 101 Hirschmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 12f. 102 Fuhrmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 20. 103 Kaufhold, Die Stadt als Verkehrsraum, S. 28.

27 „Der Markt als ständiger Wohnsitz fahrender Kaufleute, zugleich Handels- und Umschlagplatz für Rohstoffe, aber auch Ort des Nahrungsgewerbes, auf dem die Fleisch-, Fisch- und Brotbänke, die Metzig, der Backofen, die Weinkelter, das Brauhaus und die Münze stehen, entwickelt sich im 10. und 11. Jahrhundert. Damals gaben schon die Kaiser Marktprivilegien an weltliche und geistliche Grundherren, lange bevor eigentliche Bürgerstädte neu gegründet wurden.“104

Gruber sieht also, ähnlich wie Fuhrmann, den Markt als Vorform der Stadt und als wichtige Bedingung für die Entstehung von Städten. Grubers Definition sind noch einige Präzisierungen hinzuzufügen. Wie es Gruber bereits andeutet, war das Recht, Märkte abzuhalten, ein Privileg. Mit der Vergabe des sogenannten Marktregals wurde bereits in karolingischer Zeit zaghaft begonnen. Wichtig war in diesem Zusammenhang der Marktfrieden, der vom König für die Zeit des Marktes verhängt wurde. Im Laufe der Zeit wurde das Marktregal vom König an die Landesherren übertragen. Im Hoch- und Spätmittelalter hatte sich eine Fülle an verschiedenen Formen von Fernhandels- und Nahhandelsmärkten herausdifferenziert, die sich in ihrem Zweck, ihrer Dauer, ihrer Größe und ihrer Klientel voneinander unterschieden und im folgenden Kapitel eingehender betrachtet werden sollen.105 Im Sinne von Max Webers Städtetypologie ist eine Marktstadt ein Ort, „wo die ortsansässige Bevölkerung einen ökonomisch wesentlichen Teil ihres Alltagsbedarfs aus dem örtlichen Markt befriedigt, und zwar zu einem wesentlichen Teil durch Erzeugnisse, welche die ortsansässige und die Bevölkerung des nächsten Umlandes für den Absatz auf dem Markt erzeugt oder sonst erworben hat.“106

2.5.1. Messen, Jahrmärkte und Wochenmärkte Pauly unterscheidet 2007 für die mittelalterliche Zeit fünf Typen von Jahrmärkten, die in unterschiedlichem Ausmaß zur Bildung des europäischen Fernhandelsnetzes beitrugen: 1) Die ländlichen Jahrmärkte. Ihre einzigen Funktionen waren der Absatz der landwirtschaftlichen Überschussproduktion und die Versorgung mit Gütern aus der Stadt. 2) Die Jahrmärkte in größeren Marktorten und Gründungsstädten. Diese Jahrmärkte waren von kurzer Dauer und mit den ländlichen Jahrmärkten vergleichbar. 3) Die städtischen Jahrmärkte. Diese unterscheiden sich durch eine Dauer von mindestens acht Tagen und die Präsenz einzelner Fernhandelskaufleute in der Masse von einheimischen Händlern und Konsumenten. 4) Jahrmärkte, die in den Fernhandel eingebunden waren, aber dennoch von der starken

104 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 31f. 105 Rolf Sprandel, Markt (I Westl. Bereich), in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Stuttgart 1993, Sp. 308-314, hier: Sp. 309. 106 Weber, Die Stadt, abgedruckt in: Nippel, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 61.

28 Präsenz regionaler Händler und Konsumenten dominiert wurden. Ihre Hauptfunktion war der Absatz von regionalen Produkten im Fernhandel. 5) Die großen Fernhandelsmessen. Dort wurden Warenaustausch und Geldgeschäfte beinahe ausschließlich unter Fernhandelskaufleuten abgewickelt. Zwischen den Stufen gab es gleitende Übergänge und viele Jahrmärkte entwickelten sich im Laufe der Zeit weiter, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Auch Mischformen sind bekannt, wie etwa bei jenen Fernhandelsmessen, die sich aus den Jahrmärkten von Abteien entwickelt hatten, wie es in Saint-Denis der Fall war. In Saint-Denis wurde parallel zu den großen Fernhandelsgeschäften weiterhin der regionale Absatz von Agrarüberschüssen beibehalten.107 Gruber gibt 1977 das 9. Jahrhundert als Entstehungszeit der ersten Messen an. Er verwendet den Begriff Messe als Synonym zum Jahrmarkt und stellt semantisch den Zusammenhang zum kirchlichen Festtag her, der in der Regel zum Anlass eines Jahrmarktes genommen wurde, welcher wiederum mit dem Feiern einer heiligen Messe, einem Gottesdienst, der hohes soziales Prestige genoss und deshalb einen Anziehungspunkt für eine große Menschenmasse darstellte, begonnen wurde.108 Pauly hingegen nennt eine Messe aus merowingischer Zeit, die bereits seit dem 8. Jahrhundert belegt ist: Die Messe bei eben jener Abtei Saint-Denis in der Nähe von Paris. Ihr internationaler Charakter zeigt sich im Mitwirken angelsächsischer Händler, Friesen und Sachsen. In einer Reihe von Küstenorten an Nord- und Ostsee sind ebenfalls ab dem 8. Jahrhundert jahrmarktähnliche Zusammenkünfte bekannt, welche jedoch zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert allesamt eingestellt wurden.109 Irsigler gibt 2007 eine Reihe von Kriterien an, die eine Messe von einem Jahrmarkt unterscheiden: eine Dauer von mindestens zwei Wochen, feste Regelungen des Marktlebens auf den Messen und eine ausgebaute Infrastruktur. Die Messebesucher sind charakterisiert durch internationale Herkunft und einen hohen Organisationsgrad. Jahrmärkte hatten in der Regel nur ein regionales Einzugsgebiet, hatten deshalb weniger ausgebaute Strukturen und weniger hohes Ansehen.110 Hardach und Schilling geben eine wesentlich geringere Mindestdauer für eine Messe an und sehen eher im vergrößerten Einzugsgebiet der Messe einen Unterschied zum Jahrmarkt. Die Dauer einer

107 Michel Pauly, Der Beitrag der Messen und Märkte zur mittelalterlichen Integration Europas, in: Irsigler, Franz / Ders., Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 5), Trier 2007, S. 285-314, hier: S. 287. 108 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 32. 109 Pauly, Der Beitrag der Messen und Märkte, S. 288f. 110 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 2.

29 Messe wird von ihnen auf wenige Tage bis zu einem Monat festgelegt, die Konstanz ihrer Veranstaltung bei einem oder mehreren Malen im Jahr. Auch Hardach und Schilling verbinden den Begriff Messe mit der ursprünglichen Verknüpfung des Marktes mit einem christlichen Heiligentag.111

Muth nennt 1968 die Internationalität als differenzierendes Merkmal zwischen Jahrmarkt und Messe. Wurde im Mittelalter eine Marktveranstaltung als Messe bezeichnet, so hatte diese mit hoher Wahrscheinlichkeit überregionale Bedeutung.112 Jan van Houtte schließt sich dieser Begriffsunterscheidung an, indem er sagt, dass „nur herausgehobene [Jahrmärkte] von überregionaler Bedeutung“113 als Messen anzusehen seien.

Irsigler legt den Zeitpunkt der Ausdifferenzierung verschiedener Markttypen im 10. Jahrhundert fest. Die Messen, die sich im 9. Jahrhundert als frühmittelalterliche Fernhandelsplätze und internationale Umschlagplätze von Luxusgütern etabliert hatten, konnten sich aufgrund des nur rudimentär bestehenden Handelsnetzwerkes im Umland nur vorübergehend halten. Im Zuge der Ausdifferenzierung der Märkte kam es zur Unterscheidung zwischen Jahrmarkt und Wochenmarkt. Ein Indikator für diese Ausdifferenzierung ist das Auftreten von Marktprivilegien, wobei diese Privilegien in vielen Fällen auch nachträglich an natürlich gewachsene, schon länger bestehende Jahrmärkte vergeben wurden oder Jahrmärkte ohne Privileg durch erzählende Quellen überliefert sind.114 Irsigler sieht im Marktregal ein bewusst eingesetztes Mittel zur Stärkung der Wirtschaft, das sich die Herrschaftsträger zu Nutze machten, um ihren Einfluss zu vergrößern. Der Aufbau wirtschaftsräumlicher Strukturen durch gezielten Einsatz von Markt- und Stadtprivilegien, Zölle und Münzprägestätten war eine gängige Maßnahme zur Sicherung des Herrschaftsraumes.115 Die Träger der Marktprivilegien waren weltliche und geistliche Grundherren sowie städtische Kommunen. Die geistlichen Grundherren hatten seit dem 10. Jahrhundert das auffallendste Interesse an der Etablierung von Jahrmärkten. Als Überschussproduzenten von landwirtschaftlichen und gewerblichen Gütern waren sie auf den Absatzmarkt auf dem Jahrmarkt angewiesen, der vor allem in städtearmen Gegenden gleichzeitig als Treffpunkt für Fernhandelskaufleute und für den

111 Hardach/Schilling, Das Buch vom Markt, S. 98. 112 Muth, Die Bozner Messe, S. 19. 113 Jan A. van Houtte, Messe (Handelsmesse), in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 558-560, hier: Sp. 558. 114 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 3f. 115 Ebd., S. 4.

30 Austausch von Luxus- und Importgütern diente. Solche Jahrmärkte fanden in der Regel um den Heiligentag des Kloster- oder Kirchenpatrons herum statt und dauerten bis zu drei Tage. Vor 1200/1250 waren zwischen 70% und 95% der Inhaber von Jahrmarktprivilegien im mitteleuropäischen Raum sowie in Süd- und Westeuropa geistliche Institutionen. Diese Jahrmärkte waren zwar klein und von geringer Bedeutung, sie trugen allerdings maßgeblich dazu bei, das Handelsnetz zu verdichten und Wirtschaftsräume zu schaffen. Neben den Geistlichen hatten auch die Fernhandelskaufleute einen Anteil am Erfolg der Jahrmärkte, da sie durch ihre Anwesenheit die Märkte aufwerteten.116 Die mercatores hatten durch ihre Erfahrung Einfluss auf die Entwicklung der Messepolitik, als deren Höhepunkt Irsigler ihre Ratgeberfunktion in der Ausarbeitung des Privilegs Barbarossas für Aachen 1166 angibt. Die Kaufleute wirkten hier bei der Festlegung und Abstimmung der Messetermine mit. Aber auch in anderen Herrschaftskreisen dieser Zeit hielten sich reiche und bedeutende Händler und Fernkaufleute auf, die als Berater fungierten und die Ausbreitung des Messesystems vorantrieben. Im 12. und 13. Jahrhundert kam es zur Ausbildung von Messesystemen in ganz Europa. Die Messen der Champagne waren die Vorreiter in dieser Entwicklung, seit Mitte des 12. Jahrhunderts wurden in den vier Messeorten Provins, Troyes, Lagny und Bar-sur-Aube Messen abgehalten, die insgesamt zehn Monate des Jahres andauerten. Dieses System wurde zum Vorbild für ähnliche Messezyklen in ganz Europa, wie zum Beispiel jener von Ferrara (Verona, Mantua, Badia und Bologna) oder jener im bayerisch-österreichischen Donauraum (Passau, Enns, Linz), um nur einige von vielen zu nennen. Viele dieser regionalen Systeme konnten sich allerdings nicht bis nach 1300 erhalten, und nur die Schauplätze des internationalen Handels wie Brügge, London, Köln und Frankfurt blieben unverändert erfolgreich. Die restlichen Messen „[verloren] als Organisationselement des Handels an Bedeutung“117, nur wenige Regionalmessen wie Nördlingen, Zurzach, Linz und Bozen konnten neben den großen, für den internationalen Handel attraktiven Messen, bestehen bleiben.118

116 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 6. 117 Ebd., S. 9. 118 Ebd., S. 6-9.

31

Abbildung 2: Übersicht der mittelalterlichen Jahrmarkts- bzw. Messeorte in Mitteleuropa

Je nach Größe und Bedeutung der Messen kann von unterschiedlichem Klientel ausgegangen werden: Auf den großen internationalen Messen in der Champagne, in Frankfurt oder Antwerpen standen die Handelsgeschäfte ausländischer, einflussreicher Fernhandelskaufleute im Vordergrund, die einheimischen Händler spielten eine untergeordnete Rolle oder mischten als Verleger mit. Die Fernhandelskaufleute führten Handelsbeziehungen untereinander oder mit den wohlhabenden einheimischen Kunden aus Adel, Klerus und Bürgertum, welche unter Umständen ebenfalls als Anbieter regionaler Produkte auftraten. Wie sehr dieser regionale Aspekt auch zum Erfolg der internationalen Messen beigetragen hat, hält Irsigler für eine unterschätzte Tatsache. Auf überregionalen und großregionalen Messen wie Nördlingen, Zurzach, Linz oder Bozen waren weniger Fernhandelskaufleute mit internationalen Beziehungen zugegen. Funktion und Aufgabe solcher großregionalen Messen war es, die regionalen Waren zu exportieren und gleichzeitig die

32 Nachfrage nach Gütern zu befriedigen, die es in regionalem Anbau und Produktion nicht gab. Es fanden also vornehmlich Handelsbeziehungen zwischen Fernhandelskaufleuten und regional tätigen Händlern statt.119 Die Wochenmärkte hatten, wie es Manfred Groten 2013 formuliert, lediglich folgende Aufgabe: „Wochenmärkte versorgten die Bevölkerung im Nahbereich der Marktorte mit Gebrauchsgütern.“120 Eugen Ehmann beschreibt 1987 den Handel mit Waren des täglichen Bedarfs als alltäglich nebenbei vonstattengehenden Vorgang, gleichzeitig nennt er den Wochenmarkt an zwei bis drei festen Markttagen in der Woche, bei dem vor allem verderbliche Waren verkauft wurden.121 Täglichen Markt gab es nur in den größten Städten.122 Fuhrmann hält das Bestehen dieses alltäglichen Markts und des Wochenmarkts für siedlungsfördernder als die Existenz eines Jahrmarkts.123

2.5.2. Marktplatz und Markt Plessow bezeichnet den Markt als „Mittelpunkt städtischen Wirtschaftens“124. Für Hardach und Schilling ist der Markt der Kern des städtischen Wirtschaftslebens und „wichtigster Träger der zentralörtlichen Funktion der Stadt“125. Der frühmittelalterliche Markt, wie er in den frühen Bischofsstädten zu finden war, ist laut Gruber durch einen weitläufigen, großen Platz gekennzeichnet, auf dem Krambuden verschiedener Art nebeneinander in ungeordneter Weise aufgestellt waren. Die Weiträumigkeit dieser frühen Märkte verschwand durch die zunehmend dichtere Bebauung der Städte zusehends, da auf dem Grund ehemaliger Buden Wohnhäuser entstanden. Von einer planmäßigen Stadtentwicklung kann nach Gruber in diesem Fall keineswegs die Rede sein, da die chaotische Platzierung der Buden, auf denen später Wohnhäuser errichtet wurden, Voraussetzung für die Entstehung der unregelmäßigen und wirren Gassen war, die im Laufe der Verbauung entstanden.126 Auch Csendes pflichtet dieser Theorie von der ungeplanten Entstehung der Marktplätze und Marktstraßen bei. Er legt dar, dass die Hauptachsen der Straßen, oftmals Fernstraßen, die durch die Siedlungen führten, zunächst sehr breit angelegt waren und erst im Zuge der Bevölkerungszunahme und der damit verbundenen Siedlungsverdichtung – Csendes

119 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 22. 120 Manfred Groten, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2013, S. 49. 121 Eugen Ehmann, Markt und Sondermarkt. Zum räumlichen Geltungsbereich des Marktrechts im Mittelalter (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 40), Nürnberg 1987, S. 31-33. 122 Groten, Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 49. 123 Fuhrmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 20. 124 Plessow, Die Stadt im Mittelalter, S. 104. 125 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 120. 126 Gruber, die Gestalt der deutschen Stadt, S. 32f.

33 legt den Zeitpunkt für den demographischen Aufschwung im 13. Jahrhundert fest – erheblich schmaler wurden, was die häufige Errichtung von Laubengängen und Kellerabgängen zur Folge hatte.127 Im frühen Mittelalter war der Markt ein ausschließliches Privileg des Grundherrn. An ihn wurden Abgaben entrichtet, ein von ihm eingesetzter Vogt residierte im Marktgericht, der Gerichtslaube, die für Gruber die Urzelle des Rathauses darstellt, und regelte von dort aus Rechtsstreitigkeiten, legte Maß und Gewicht fest und überwachte die Handelsgeschäfte der Kaufleute. Im 12. Jahrhundert begannen die Kaufleute, sich gegen die Bevormundung durch grundherrliche Instanzen zu behaupten und eigene Rechtsansprüche anzumelden. Hand in Hand mit der zunehmenden Emanzipation der Bürger erfolgte auch die planvolle Entwicklung der Marktsiedlungen, die in Urkunden unter den Namen vicus und portus auftreten. Diese Siedlungen Fernhandel treibender Kaufleute entstanden vornehmlich an Flüssen und Hauptstraßen und kennzeichneten sich durch einen planvoll erbauten Marktplatz, der von Wohnhäusern gesäumt wurde, in denen Kaufleute und andere Gewerbetreibende residierten. Während also die vor dem 12. Jahrhundert entstandenen Marktplätze oftmals der im Vorfeld beschriebenen Überbauung zum Opfer fielen und heute auf Stadtplänen nur noch durch eine sehr schmale Häuserreihe zwischen zwei Straßenzügen erkennbar sind, welche sich durch ihre Beschaffenheit optisch deutlich von den restlichen, geplanten Häuserzügen abgrenzt, wurden jene Marktplätze, die im 12. Jahrhundert und später entstanden, weniger weiträumig angelegt und sind daher in der Regel in ihrer Topographie erhalten geblieben.128 Plessow nennt zweierlei Arten der Einbettung des Marktgeschehens in den Stadtplan: an vielen Orten war der Marktplatz das „geographisch[e] Zentrum der ummauerten Stadt“129, andernorts gab es mehrere, über die Stadt verteilte Fachmärkte, Plätze oder Straßen, welche für bestimmte Waren oder Warengruppen reserviert waren. Auch Plessow bestätigt, wie Gruber und Csendes vor ihm, das Bestehen zunächst frei und weitgehend ungelenkt gewachsener Marktstrukturen, die sich durch die Verwendung erster unbefestigter, schnell auf- und abbaubarer Marktbuden annehmen lassen, und die fortschreitende Verfestigung dieser Strukturen, erkennbar an planvoll errichteten Plätzen, Straßen und Häusern. Für wertvolle Ware wurden in bedeutenden Handelszentren Kaufhäuser errichtet, wie beispielsweise die Tuchhallen in Krakau.130

127 Csendes, Die Stadt im Straßennetz, S. 64. 128 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 32-36. 129 Plessow, Die Stadt im Mittelalter, S. 104. 130 Ebd.

34 2.6. Fazit Die Forschung hat in der Vergangenheit auf verschiedenste Weise versucht, den Stadtbegriff des mittelalterlichen Europa zu kategorisieren und zu definieren. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass eine klare, eindeutige und allgemeingültige Definition bisher nicht möglich war und auch nicht als notwendig angesehen wird. Dennoch gibt es eine Reihe an Kriterien, die eine mittelalterliche Stadt charakterisieren. Diese Kriterien betreffen das architektonische Erscheinungsbild der Stadt, infrastrukturelle Elemente, sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Eigenschaften.

Die Mauer ist ein zentrales bauliches Merkmal der mittelalterlichen Stadt, welches in der Forschung bereits früh als solches anerkannt wurde. Das Fehlen einer Stadtmauer bedeutet allerdings im Umkehrschluss nicht, dass die Siedlung keine Stadt sein konnte. Neben der Wehrfunktion hatte die Mauer auch eine rechtliche Funktion, diente sie doch als Abgrenzung eines besonderen Rechtsbereichs.

Ein weiteres bauliches Merkmal ist die Pluralität der Siedlungskerne. Die typische mittelalterliche Stadt verfügt über mehrere Viertel, die sich in ihrer Entstehungszeit, ihrem Zweck und ihrer Beschaffenheit unterscheiden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Bevölkerungsschichten nach Vierteln verteilt wohnten. Es zeigt sich zwar eine Tendenz, dass jene mit Privilegien, Einfluss und vor allem dem Bürgerrecht ausgestatteten Einwohner innerhalb der Stadtmauer beziehungsweise in der Nähe der wichtigsten Plätze und bestimmte Berufszweige aufgrund von funktionalen Gründen am Stadtrand zu finden waren, ansonsten war die sozialtopographische Verteilung der verschiedenen Schichten in der Regel völlig heterogen.

Eine günstige verkehrsgeographische Lage an wichtigen Handelsrouten war für die Gründung und Entwicklung einer mittelalterlichen Stadt von enormem Vorteil. Die Wasserstraßen waren hiervon nicht ausgenommen. Mitunter wurden sogar Straßenstrecken umgeleitet oder Stapelrechte verliehen, um den Weg durch die Stadt für die Reisenden unumgehbar zu machen. Bezeichnend dafür ist der Stadtyp des durch zwei Tore abgeschlossenen Straßenmarkts, der im späten 12. Jahrhundert aufkam und aus einem von einer Mauer mit zwei – manchmal auch drei – Toren umgebenen Straßenmarkt bestand.

Ein weiterer bedeutender Aspekt für das Aufblühen der mittelalterlichen Stadt Europas war der Handel. Messen, Jahrmärkte und Wochenmärkte verliehen der Siedlung eine bedeutende zentralörtliche Funktion und bildeten Anziehungspunkte für Abnehmer aus der Region, aber auch

35 für weitgereiste Kaufleute und Gewerbetreibende. Hier spielte wiederum die verkehrsgeographische Lage der Stadt eine große Rolle, denn die Lage an gut nutzbaren Fernhandelswegen war ausschlaggebend für eine dauerhafte Bedeutung als Handelsstadt.

Die europäische Stadt des Mittelalters verfügte also über eine Auswahl an Merkmalen, die zu ihrer Identität als Stadt beitrugen. Interessant ist für die vorliegende Arbeit der Aspekt der Markttätigkeit, der sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch architektonisch und gesellschaftlich auf die Stadt auswirkte.

36 3. Die Stadt Bozen Im Bozner Talkessel auf 262 Metern Seehöhe sind seit der Mittelsteinzeit Siedlungsspuren nachgewiesen. Die Lage bildet einen natürlichen Mittelpunkt für die umliegenden Täler Südtirols, in unmittelbarer Nähe fließen drei wichtige Flüsse zusammen: Die Talfer fließt in den Eisack, bevor dieser in die nach Süden dem Meer zu fließende Etsch mündet. Erst 1927 hat Bozen seinen Status als Landeshauptstadt Südtirols erhalten, in mittelalterlicher Zeit waren Brixen, Meran und Innsbruck die Kultur- und Machtzentren. Welche Bedeutung kann Bozen zu dieser Zeit zugeschrieben werden? Die Forschungsliteratur ist sich einig darin, dass die Stadtgeschichte Bozens im Hochmittelalter beginnt und stark mit der Geschichte des Handels in Mitteleuropa in Verbindung steht. Es ist kein Stadtrecht oder sonstige Urkunde erhalten, die ein Gründungsjahr belegt. Es gibt ein in mangelhaften Abschriften des 19. Jahrhunderts überliefertes Stadtrecht von 1437. Dort wurden alle stadùtten der statt Potzen131 niedergeschrieben. Viele dieser Rechte wurden jedoch nicht neu aufgesetzt, es wurde unter anderem auch althergebrachtes Recht darin niedergeschrieben.132 In den folgenden Kapiteln werden die vorstädtische Zeit sowie die Zeit der Stadtgründung und der Entwicklung der mittelalterlichen Stadt beleuchtet. Außerdem wird besonderes Augenmerk auf die Rolle der Bozner Märkte und ihren Stand im mitteleuropäischen Handel gelegt und dabei zu ergründen versucht, welchen Einfluss Stadt und Markt in verschiedenen Formen auf die Bewohner der Stadt ausübten.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, war Bozen bereits Gegenstand weitreichender Forschung, die als Grundlage der Diplomarbeit dienen. Vor allem zwei Sammelbände, welche im Rahmen zweier Studientagungen auf Schloss Maretsch im Jahr 1991133 und 1996134 herausgegeben wurden, bieten eine Auswahl an verschiedenen Beiträgen zum mittelalterlichen Bozen, die in deutscher oder italienischer Sprache veröffentlicht wurden. Aus dem eben genannten ersten Band stammen einige Aufsätze zur Frühgeschichte Bozens, auf deren Erkenntnisse sich das erste Kapitel dieses Teiles der vorliegenden Arbeit stützt. Reimo Lunz135,

131 Obermair (Hrsg.), Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79, Nr. 996. 132 Zu Beginn des Stadtrechts stehen folgende einleitende Worte geschrieben: vermerkht alle stadutten der statt Potzen wie die von altter gesetztt unnd auch von neuen rathsweis gemacht seint. Vgl. dazu Obermair (Hrsg.), Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79, Nr. 996. 133 Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991. 134 Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999. 135 Reimo Lunz, Vorgeschichtliche Siedlungsspuren im Bozner Talkessel, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 39-67.

37 Gioia Conta136 und Hans Nothdurfter137 liefern 1991 Beiträge zur frühen Siedlungsgeschichte im Bozner Talkessel, zu römisch-germanischen und noch älteren Funden. Auch Obermairs Ausführungen zur frühchristlichen Zeit Bozens138 waren für dieses Kapitel interessant. Die Rolle im Straßennetz des Mittelalters ist bei einer Messestadt wie Bozen von außerordentlicher Bedeutung. Haidacher 2006139 und Szabò 2007140 liefern interessante Positionen zur Nutzung der Pässe sowie zur Befahrung und Instandhaltung des Oberen und Unteren Wegs. Zur Geschichte des Kunterswegs wird Quellenmaterial aus Stolz 1932141 und Hörmann 2003142 herangezogen. Zur Geschichte der Etsch als Wasserstraße kann Zamboni 2006143 als Leitautor genannt werden. Die Geschichte des Gebiets rund um Bozen und der darin entstehenden Städte ist auf mehreren Ebenen komplex. Einerseits gilt es den Begriff Tirol differenziert zu betrachten, andererseits ist auch der Blick auf die Urbanisierung nicht nur eindimensional. Leitautoren in diesem Feld sind Hye 1991144, Obermair 2006145, Obermair 2013146 und Riedmann 2018147. Zur ebendso komplexen Geschichte der Machtkämpfe um Bozen stellen Brandstätter 1996148 und Baum 1999149 die Leitautoren dar.

136 Gioia Conta, La conca di Bolzano in età romana: elementi di geografia storica, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 69-81. 137 Hans Nothdurfter, Das spätantike und frühmittelalterliche Bozen und sein Umfeld aus der Sicht der Archäologie, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 105-113. 138 Hannes Obermair, Kirche und Stadtentstehung. Die Pfarrkirche Bozen im Hochmittelalter (11.-13. Jh.), in: Der Schlern 69 (1995/8-9), S. 449-474. 139 Christoph Haidacher, Verkehr am Oberen Weg im Mittelalter, in: Rainer Loose (Hrsg.), Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg, Innsbruck 2006, S. 67-86. 140 Thomas Szabó, Chi era responsabile delle strade nell’area alpina? in: Jean-Franҫois Bergier / Gauro Coppola (Hrsg.), Vie di terra e d’acqua. Infrastrutture viarie e sistemi di relazioni in area alpina (secoli XIII-XVI), Bologna 2007, S. 141- 159. 141 Otto Stolz, Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden, Bd. 3/2, München-Berlin 1932. 142 Julia Hörmann, Die „Kuntersweg-Urkunden“ – Eine Quellenübersicht, in: Tiroler Heimat 67 (2003), S. 49-61. 143 Carlofilippo Zamboni, La navigazione sull' in rapporto al commercio veronese, Verona 2006. 144 Franz-Heinz Hye, Die Gründung von Bozen – gesehen im Rahmen der hochmittelalterlichen Stadtgründungen in Tirol (mit Repliken auf die neuesten Theorien), in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 191-202. 145 Hannes Obermair, „Bastard Urbanism“? Vergangene Stadtformen im Tirol-Trientiner Alpenraum, in: Herbert Knittler, Minderstädte. Kümmerformen. Gefreite Dörfer. Stufen zur Urbanität und das Märkteproblem, Linz 2006, S. 51-75. 146 Ders., Stadt und Territorium in Tirol. Streiflichter aus Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Flachenecker, Helmut / Heiss, Hans (Hrsg.), Franken und Südtirol. Zwei Kulturlandschaften im Vergleich (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 34), Innsbruck 2013, S. 121-131. 147 Riedmann, Josef, Die Rolle der Tiroler Städte im Spätmittelalter (mit Fokus auf Meran), in: Pfeifer, Gustav (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 11-24. 148 Klaus Brandstätter, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient im späten Mittelalter (Studi Trentini di Scienze Storiche 75), Trient 1996. 149 Wilhelm Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S.29-39.

38 Die Stadtgründung Bozens gilt in der Forschung nach wie vor als nicht restlos geklärt. Zwar dominiert Obermairs These in der einschlägigen Forschungsliteratur, dennoch kann keinesfalls von einer eindeutig bewiesenen Stadtgründungsthese gesprochen werden. In der vorliegenden Arbeit werden die Stadtgründungsthesen Hyes150 und Obermairs151 gegenübergestellt und in den Kontext der Forschung gestellt. Zu den städtischen Bau- und Lebensformen im mittelalterlichen Bozen sind mehrere Beiträge aus den beiden vorhin genannten Sammelbände zu Bozen von 1991152 und 1999153 relevant, besonders Hye 1991154, Nössing 1991155, Brandstätter 1999156, Loose 1999157 und Lunz 1999158, Zu Fragen der Genese und Architektur der Stadt ist außerdem Terzer 2004159 nennenswert, zur Gemeindebildung Hagen 2015160. Zu den Aspekten Wirtschaft, Handel, Markt und Messe sind Muth 1968161, Haidacher 1999162, Rauch 2012163 und Demo 2015164. Einschlägige Quellen zur Stadt und ihren Bewohnern, zu Politischem und Wirtschaftlichem stammen

150 Franz-Heinz Hye, Die Gründung von Bozen – gesehen im Rahmen der hochmittelalterlichen Stadtgründungen in Tirol (mit Repliken auf die neuesten Theorien), in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 191-202. 151 Hannes Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters und die Gründung der städtischen Siedlung Bozen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 159-190. 152 Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991. 153 Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999. 154 Franz-Heinz Hye, Die Gründung von Bozen – gesehen im Rahmen der hochmittelalterlichen Stadtgründungen in Tirol (mit Repliken auf die neuesten Theorien), in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 191-202. 155 Josef Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 327-337. 156 Klaus Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 127-172. 157 Rainer Loose, Wohnen und Wirtschaften in der Laubengasse. Versuch einer Sozialtopographie der Altstadt Bozen um 1350, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 105-126. 158 Reimo Lunz, Die Bozner Stadtbefestigung, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 241-255. 159 Christian Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen. Ein Keramikkomplex des 13. bis 16. Jahrhunderts aus der Laubengasse, Innsbruck 2004. 160 Christian Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe. Die Städte der Grafschaft Tirol im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 38), Innsbruck 2015. 161 Eugen J. Muth, Die Bozner Messe (Beiträge zur alpenländischen Wirtschafts- und Sozialforschung 33), Innsbruck 1968. 162 Christoph Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen und ihre finanzielle Bedeutung für das Tiroler Landesfürstentum, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S.41-56. 163 Günther Rauch, Bozner Obstplatz. Historisches und Alltägliches, Bozen 2012. 164 Edoardo Demo, Veroneser Händler auf den Bozner Messen des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Verona – Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 247-266.

39 aus Huter 1937 und 1949165 sowie aus Obermair 2005 und 2008166.

3.1. Frühe Siedlungsgeschichte des Bozner Talkessels Die Stadtgeschichte Bozens beginnt, wie es für die meisten Städte im Tiroler Raum gilt, im Hochmittelalter. Ab wann von einer Stadt oder einer Marktsiedlung gesprochen werden kann, soll in den folgenden Kapiteln erörtert, zunächst jedoch die früheste Siedlungsgeschichte des Bozner Talkessels und dessen naher Umgebung beleuchtet werden. Reimo Lunz, Gioia Conta und Hans Nothdurfter widmeten der frühgeschichtlichen Besiedlung des Bozner Raums jeweils einen Aufsatz, in dem sie eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse aus archäologischer Sicht bieten. Alle drei Aufsätze wurden 1991 im Sammelband „Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern“ veröffentlicht.167

Lunz diskutiert früheste Funde im Bozner Talkessel. Die ältesten bekannten Spuren menschlicher Ansiedlung im Raum Bozen stammen aus dem Mesolithikum. Werkzeugfunde aus der Nähe von Sigmundskron weisen auf einen Jägerrastplatz hin, der sich in neolithischer Zeit zu einer Siedlung mit festen Behausungen in Form von gezimmerten Hütten weiterentwickelte. Im Bereich von St. Jakob, in Hanglage, wurden ebenfalls Funde gemacht, die auf einen spätmesolithischen Rastplatz und eine frühneolithische Siedlung hinweisen. Innerhalb und um den Bozner Talkessel herum wurde auch eine Reihe von Siedlungsresten aus der Eisenzeit entdeckt, in Moritzing, Siebeneich, Eppan, Missian, am und in Völs.168 In Lunz‘ Argumentation sind die Ausgrabungen auf dem Porphyrhügel von Sigmundskron die bedeutendsten Belege vorzeitlicher Besiedelung im Bozner Becken, denn es

„zeichnet sich im Fundbild eine nahezu geschlossene Siedlungskontinuität von der mittleren Jungsteinzeit bis in die Römerzeit hinein ab. […] In einem mehrere Meter mächtigen Schichtpaket nahe der Ringmauer wurden Kulturschichten faßbar, die vom Neolithikum über die Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit bis in die römische Epoche und ins Mittelalter reichen.“169 Die frühgeschichtliche Siedlung am Fuße des Schlosses Sigmundskron ist somit die älteste bekannte Siedlung im Raum Bozen, welche über mehrere Jahrhunderte bis ins Mittelalter hinein Bestand hatte.

165 Franz Huter, Tiroler Urkundenbuch, Bd. I/1, Innsbruck 1937 sowie Bd. I/2, Innsbruck 1949. 166 Hannes Obermair (Hrsg.), Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500, Bd. 1, Bozen 2005 sowie Bd. 2, Bozen 2008. 167 Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991. 168 Lunz, Vorgeschichtliche Siedlungsspuren im Bozner Talkessel, S. 39-47. 169 Ebd., S. 42.

40 Walter Landi bezeichnet die ab dem 12. Jahrhundert urkundlich belegte Burg Formigar als Vorläuferin der Burg Sigmndskron. Ihr Standort am nördlichsten Punkt der alten Grenze des Regnum Italiae ist für die Forschung besonders interessant. Außerdem befanden sich am Fuße des Burgbergs zwei Etschübergänge, die den Weg vom Überetsch nach Bozen verbanden.170

In römischer Zeit wurde im Bozner Raum die Brücke pons Drusi errichtet, die auch in der Tabula Peutingeriana eingetragen war. Diese antike Brücke wird als Ursprung der Stadt Bozen gesehen. Sie war mit höchster Wahrscheinlichkeit für den Verlauf der Via Claudia Augusta, die über den Reschen verlief, von großer Bedeutung. Trotzdem ist noch nicht geklärt, wo sie sich genau befand. Eine recht neue Hypothese, welche von Nössing 2016 genannt wird, ist jene, dass sich der pons Drusi im Bereich der heutigen Loretobrücke über den Eisack spannte.171 Doch Conta nennt bereits 1991 eine Reihe anderer hypothetischer Standorte der römischen Mansion, von der mit Sicherheit bekannt ist, dass sie sich auf einem Brückenkopf befand, deren Name mit dem Feldzug des Feldherrn Drusus 15 v. Chr. in Verbindung gebracht wird. Es kommen zwei Standorte an der Etsch in Frage, entweder in der Nähe von Sigmundskron oder in der Zone des späteren Dorfes Gries, sowie einige am Eisack, und zwar unterhalb des Virglbergs (was mit dem Standpunkt der Loretobrücke übereinstimmen würde) oder in der Nähe des heutigen Doms, im heutigen Stadtteil Rentsch, bei der Zone Kampill oder beim späteren Dorf Kardaun.172 Lunz nennt ebenfalls die Gebiete Rentsch-Kampill und Bozen-Gries als Lokalisierungsmöglichkeiten der römischen Mansion, welche sich beide in den damaligen Straßenverlauf einfügen lassen würden. Gleichzeitig stellt er den Standpunkt am Virglberg bzw. im Raum Rentsch-Kampill aufgrund mangelnder Münzfunde in Frage. Im Grieser Raum gibt es weit mehr Funde aus römischer Zeit.173 Auch Nothdurfter thematisiert römische Funde in Bozen-Gries und eine daher angenommene Besiedlung des Talkessels bereits in spätantiker Zeit.174 Für das Frühmittelalter gibt es hingegen einige Hinweise auf eine Eisackbrücke im Bereich der heutigen Loretobrücke. Obermair beschreibt 1995 den Standort der Marienkirche, des heutigen Doms, in der Nähe von zentralen Transitstraßen und eines kontrollierten Brückenkopfs. Auch die Funktionen des

170 Walter Landi, Nationalkönige ohne Nation. Das Regnum Italiae und die Mark Trient zwischen dem Ende des 9. und den Anfängen des 11. Jahrhunderts, in: Josef Riedmann, Eine von gemeinsamen Interessen getragene Nachbarschaft. Tirol und Verona im späten Mittelalter (13. Jahrhundert bis 1500), in: Verona-Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 49-106, hier: S. 74f. 171 Nössing, Ein Gang durch Bozens Geschichte, S. 8. 172 Conta, La conca di Bolzano in età romana, S. 74. 173 Lunz, Vorgeschichtliche Siedlungsspuren im Bozner Talkessel, S. 61-63. 174 Nothdurfter, Das spätantike und frühmittelalterliche Bozen, S. 105.

41 Kirchhofs als Dingstätte sowie als früher Handelsplatz würden mit der Existenz einer nahen Brücke übereinstimmen. Es gibt eine Reihe von Hinweisen darauf, dass der Standpunkt der Bozner Marienkirche bereits in spätantiker Zeit bebaut war. Archäologische Funde deuten auf ein spätantikes Prädiengut sowie auf eine frühchristliche Kirche aus dem 5. Jahrhundert hin, auf deren Überresten die Marienkirche erbaut wurde.175 Geht man davon aus, dass die Gegend in der Nähe des Virglbergs zumindest bereits seit spätantiker Zeit nicht nur besiedelt ist, sondern mit Gebäuden von zentralörtlicher Bedeutung bebaut war, ist auch die Existenz einer Brücke um Christi Geburt unter Umständen vorstellbar.176

Durch die dürftigen Funde aus prähistorischer und römischer Zeit im Bereich des Bozner Talkessels können in der Forschung weiterhin nur Vermutungen über die vormittelalterliche Besiedelung und Bebauung angestellt werden. Lunz stellt 1991 fest, dass die älteren, auf einen weitläufigen Bereich verteilten Funde in keiner direkten Beziehung zur mittelalterlichen Entwicklung der Stadt stehen bzw. dass hier keine Kontinuität vorliegt.177

Obermair beschreibt den Ort Bozen als ursprünglich größere Siedlungskammer, die sich im Laufe des frühen Mittelalters durch Besitzwechsel und die Entstehung von Siedlungen räumlich verdichtet und sich spätestens im Hochmittelalter nur mehr auf ein kleineres, dafür dichter bevölkertes Gebiet beziehen lässt. Einige Flur- und Ortsnamen weisen auf parallel einsetzende romanische und germanische Besiedelung hin, wie zum Beispiel Kampill, Rentsch oder Virgl, andere haben hingegen früh- bzw. hochmittelalterlichen Ursprung, wie Gries, Oberau, Haslach, Au, Stillendorf, Sand, Moritzing, Winkel, Fagen oder Leitach.178 Der Ortsname Bozen selbst geht höchstwahrscheinlich aus dem Prädiennamen Bauzanum, einer Kontraktion aus Baudiosánum, was den Besitz einer Person namens Baudios bezeichnete, hervor. Sowohl Egon Kühebacher179 als auch Karl Finsterwalder180 bringen diese These übereinstimmend vor.

Die Festung Castellum Bauzanum wurde erstmals im Jahr 680 in der Historia Langobardorum des Paulus Diaconus schriftlich erwähnt.181 1048/1068 wird das Dorf villa Bozana erstmals in einer

175 Obermair, Kirche und Stadtentstehung, S. 455-458. 176 Lunz, Vorgeschichtliche Siedlungsspuren im Bozner Talkessel, S. 39. 177 Ebd. 178 Obermair, Kirche und Stadtentstehung, S. 455. 179 Egon Kühebacher, Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte, Bd. 1, Bozen 1991, S. 56. 180 Karl Finsterwalder, Die Ortsnamen in Tirol, in: Ders., Tiroler Ortsnamenkunde. Gesammelte Aufsätze und Arbeiten, Bd. 1, Innsbruck 1990, S. 57-69, hier: S. 59. 181 Nössing, Ein Gang durch Bozens Geschichte, S. 8.

42 schriftlichen Quelle genannt und beschrieben. In dieser Quelle geht es, wie so häufig in den Bozner Quellen, um die Schenkung eines Weinbergs. Der Vogt des Benediktinerklosters Tegernsee schenkt dem Kloster vineam propriam in Bozanensi villa182. Das Dorf war zu dieser Zeit Hyes Ausführungen nach nahezu identisch mit der heutigen Katastralgemeinde Zwölfmargreien, welche die heutige Stadt im Norden, Osten und Süden umschließt. Im Westen ging das Territorium der villa Bozana noch über das heutige Gebiet hinaus und erstreckte sich bis zum St.-Quirinus-Kirchlein und dem Augustiner-Chlosterherrenstift zu St. Maria in der Au.183

Mittelpunkt des Dorfes war seit frühchristlicher Zeit die Marienpfarrkirche, die auch nach der Stadtgründung noch die Pfarrkirche blieb. Im Tiroler Raum ist es häufig belegt, dass die Pfarrkirchen sich außerhalb der Stadtmauern befanden, was Hye als Beweis dafür auslegt, dass sie bereits vor der Stadtwerdung bestanden. So verhielt es sich beispielsweise in Glurns, , Lienz, Bruneck und Kitzbühel sowie in Bozens benachbarter Siedlung Gries, welche zwar zeitweise über eine Befestigungsmauer verfügte, aber niemals zur Stadt erhoben wurde.184

3.2. Bozen im Netz der Fernhandelswege Die geographische Lage Bozens bedingte bereits in früher Zeit regen Transitverkehr. Betrachtet man den gesamtalpinen Raum, so nennen Hardach und Schilling den Brennerpass, den St-Gotthard-Pass oder den Septimer als beliebteste Pässe, um von Italien über die Alpen nach Süddeutschland oder in die Schweiz gelangen und die nördlichen Hauptziele des Transitverkehrs Nürnberg, Augsburg, München, Regensburg oder Ravensburg zu erreichen.185 Während sowohl der Septimer als auch der St.-Gotthard die 2000 Höhenmeter überschreiten186, gab es in Bozens Nähe nicht nur den Brenner, der mit seinen 1370 m eine deutlich niedrigere Hürde darstellte, sondern auch den Reschenpass, der mit 1504 m die beiden Ersteren ebenfalls unterbot. Besonders im Winter war dies ein Vorteil für Reisende, vor allem für jene mit einem Fuhrwerk. Christoph Haidacher wendet 2006 zusätzlich ein, dass das Einzugsgebiet der beiden Tiroler Pässe um einiges größer war als jenes der Schweizer Pässe und eine Anbindung an die Wasserwege von Etsch, Inn und Donau bieten konnte.187 Die verkehrsgeographische Lage war also aufgrund mehrerer Aspekte besonders attraktiv: Bozen

182 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 37, Nr. 63. 183 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 194. 184 Ebd., S. 194f. 185 Hardach / Schilling, Das Buch vom Markt, S. 75. 186 Septimer: 2310 m, St. Gotthard: 2109 m. 187 Haidacher, Verkehr am Oberen Weg im Mittelalter, S. 67f.

43 liegt am Knotenpunkt der beiden Nord-Süd-Verbindungen über Reschen und Brenner. Beide Transitrouten waren mit Wagen befahrbar und verbanden die nördlichen Gebiete jenseits der Alpen mit dem norditalienischen Wirtschaftszentrum des Spätmittelalters. Gleichzeitig lag Bozen an der Grenze zum schiffbaren Teil der Etsch.188 Christian Terzer gibt diesen Grenzpunkt 2004 südlich von Bozen an, während Josef Riedmann 2015 von einem Anlegeplatz in Bozen/Andrian spricht, der als Startpunkt für Holzlieferungen nach dem Süden fungierte. Als weitere Anlegeplätze nennt Riedmann unter anderem Branzoll, Neumarkt-Enn, Trient und Sacco bei Rovereto.189 Aus diesen widersprüchlichen Informationen könnte man zweierlei Schlüsse ziehen. Einerseits liegt die Vermutung nahe, dass die Etsch in Richtung Norden bis Branzoll, in Richtung Süden hingegen bis Andrian schiffbar war, noch einleuchtender ist allerdings die These, dass der Bereich zwischen Andrian und Branzoll ausschließlich für den Holztransport, der in Form von für das seichte Wasser geeigneten Flößen praktiziert wurde, genutzt werden konnte. Nach Süden wurde in der Regel Holz oder Metall transportiert, da diese gewichtigen Waren auf dem Wasserweg viel leichter händelbar waren, seltener waren die Transporte von Tuch, Wein und Öl vom Süden her.190 In jedem Fall profitierte Bozen durch seine günstig gelegene Lage vom regen Warentransport auf der Etsch. Die nach dem Untergang Roms notwendig gewordene Neuorganisation der Instandhaltung der Straßen bot häufig Anlass zu Konflikten, da sich die Landesherren und Städte oftmals nicht für diese Aufgabe zuständig fühlten. In Tirol erhielt Graf Heinrich, der Sohn von Meinhard II., durch König Albrecht I. das Recht, eine Wegsteuer einzuheben. Im Gegenzug war Heinrich für die Instandhaltung der Straßen der Grafschaft verantwortlich, deren Grenzen im Privileg bestätigt wurden. An mehreren Zollstätten wurde Geld eingetrieben, das nun in die Kassen der Grafschaft floss. Dies war ein bedeutendes Zugeständnis, das Heinrich erlangte. Heinrich verlieh das Zollrecht an örtlich Verantwortliche weiter, welche sich wiederum verpflichteten, die Straßen und Pässe instand zu halten. So geschah es 1312 in Sterzing, als Heinrich von Sterzing die Einnahmen der Zollstätte zufielen, welcher im Gegenzug die Straße zum Jaufenpass instand setzte, eine alternative Verbindungsroute zwischen Bozen und Sterzing, die von den Reisenden genutzt wurde, um den Weg durch die Eisackschlucht zu meiden.191

188 Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen, S. 9. 189 Josef Riedmann, Eine von gemeinsamen Interessen getragene Nachbarschaft. Tirol und Verona im späten Mittelalter (13. Jahrhundert bis 1500), in: Verona-Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 133-156, hier: S. 136. 190 Riedmann, Eine von gemeinsamen Interessen getragene Nachbarschaft, S. 136f. 191 Szabó, Chi era responsabile delle strade nell’area alpina?, S. 152.

44 3.2.1. Das Bozner Straßennetz und seine Entwicklung: Obere Straße, Untere Straße, Kuntersweg Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reichs und des damit verbundenen vorübergehenden Verfalls der ehemals römischen Straßen wurde das Wegstück in der Eisackschlucht zwischen Rentsch und Kollmann aufgrund der Wassermassen des Eisack stark in Mitleidenschaft gezogen und über Jahrhunderte nahezu unpassierbar, sodass Reisende den beschwerlichen Umweg über den Ritten antreten mussten.192 Dieser Weg musste allerdings nicht mehr lange gemieden werden, denn im Jahr 1314 wurde ein 23 Kilometer langes Wegstück zwischen Bozen und der heutigen Ortschaft Waidbruck an das Bozner Bürgerpaar Heinrich und Katharina Kunter verliehen. In einer Urkunde vom 22. September 1314 bestätigt Heinrich von Görz-Tirol, daz wir Heinrich dem Chuenter und Katrein seiner hausfravn un allen iren erben sunen und toechtern verlihen haben ewigleich den wech pei dem Eysachk zwischen Botzen und Trostperch und sullent auch den wech arbaiten und machen als oft er hin prichet an gevard von dem zolle, der da von dem weg gehoert, den sullen si nehmen alle jar als hernach geschriben stet.193 Anschließend werden die einzufordernden Steuersummen genannt, aus deren Erlös die Kunter die Instandhaltung des Weges finanzieren sollten. Zusätzlich umfasste das Lehen die Erlaubnis zur Einrichtung zweier Herbergen entlang des Wegstückes sowie die Befreiung von Steuern: Wir verleihen in auch mer, daz si auf dem vorgenanten weg zwo tavern haben sullent, swa si wellent, und niemant chaineu mer. Wir tuon in auch den genad suonderleich, alle die weil und si den wech und den zol inne habent, daz si uns noch unsern richtern noch unsern amptlaeuten chain stewer geben sullent194 Heinrich Kunter verfolgte mit dem Ausbau des sogenannten Kunterswegs – beziehungsweise der via Chunteronis – aus heutiger Sicht höchstwahrscheinlich zwei Ziele: Einerseits lag es natürlich nahe, das ihm zugedachte Wegstück zu verbessern und für Wagen durchgehend befahrbar zu machen, um den Hauptverkehr auf diesen Weg umzuleiten und mehr Profit aus der Zollstätte und den ihm zugestandenen Gasthäusern zu schlagen. Andererseits hatte Heinrich Kunter als Kaufmann wahrscheinlich ein nicht unerhebliches Eigeninteresse an der Wiederherstellung einer befahrbaren Straße entlang des Eisacks.195 So wurde der Kuntersweg in mühevoller Detailarbeit entlang des Eisacks, jedoch nicht unmittelbar im engen, von Felsvorsprüngen durchsetzten Tal, sondern als Saumpfad etwas oberhalb am Hang errichtet, sodass der stellenweise reißende Fluss den Weg nicht beschädigen konnte.196 Heinrich

192 Norbert Mumelter, Der Kuntersweg. Die Überwindung der Eisackschlucht „zwischen Botzen und Trostperch“, Bozen 1984, S. 4-14. 193 Stolz, Die Ausbreitung des Deutschtums, Bd. 3/2, S. 23, Nr. 5a. 194 Ebd. 195 Mumelter, Der Kuntersweg, S. 13. 196 Ebd., S. 13.

45 Kunter selbst konnte sich seines Kunterswegs nicht lange erfreuen, aus den „Kuntersweg- Urkunden“197 kann entnommen werden, dass das Lehen 1317 nach dem Ableben des Mannes an Kathreinen, weilent Heinr(ich) des Chunters witteben198 übergegangen ist. Aus eben jenen „Kuntersweg-Urkunden“ wissen wir auch, dass die Familie Kunter nach dem Tod Katharinas das Wegerecht nicht halten konnte. Die darauffolgenden Eigentümer waren der Hofmeister Ludwigs von Böhmen Friedrich der Mautner von Burghausen und der reiche Bozner Bürger Arnold Jaudes. Jener Arnolt von dem Nid(er)ntor ze Potzen gründete eine Stiftung zur Gewährleistung der Zollfreiheit des Kunterswegs. Er stiftete Güter, aus deren Einnahmen die Instandhaltung des Wegstücks finanziert werden sollte. Mit dieser Aufgabe blieben nach dem Ableben Arnolds die Verwandten der Familie vom Niderntor betraut.199 Thomas Szabó verweist 2007 in seinem Aufsatz über die Instandhaltung der mittelalterlichen Alpenstraßen auf das Privileg zur Instandhaltung von Straßen innerhalb seines Territoriums eine Maut einzufordern. Dieses Privileg wurde Graf Heinrich im Jahr 1305 von Albrecht I. verliehen und ermöglichte ihm, die Instandhaltung des Kunterswegs und anderer Straßen in seinem Gebiet umfassend in die Hände von ortsansässigen Unternehmern zu legen.200 So wurde die Erhaltung von Straßen für Unternehmer und einflussreiche Bürger von direktem finanziellem Interesse. Bozen war somit, wie es Rausch darlegt, am Treffpunkt dreier Handelsstraßen gelegen, welche alle drei für den Verkehr mit schweren Lasten geeignet waren. Zwei dieser Wege strömten von Norden her in die Stadt. Die Obere Straße führte vom Reschenpass oder vom Jaufenpass herkommend über Meran und das Etschtal nach Bozen. Die Untere Straße führte entweder von Innsbruck über den Brenner oder vom Pustertal aus ins Eisacktal und schließlich nach Bozen. Die dritte Handelsroute führte hingegen von Bozen aus durch das südliche Etschtal nach Verona und in das restliche Italien.201 Auch Stolz nennt die Obere Straße (strata/via superior) als Verbindung Bozens nach Imst und weiter über Fern nach Reutte und Augsburg, die bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. erstmals urkundlich erwähnt wurde. Die Untere Straße (strata/via inferior), die Brennerroute, verband ebenso Venedig und Augsburg und wurde im 3. Jahrhundert neu ausgebaut.202

197 Julia Hörmann verwendet diesen Begriff in Bezug auf ihre Quellenübersicht zum Kuntersweg: Julia Hörmann, Die „Kuntersweg-Urkunden“ – Eine Quellenübersicht, in: Tiroler Heimat 67 (2003), S. 49-61. 198 Hörmann, Die „Kuntersweg-Urkunden“, S. 54, Nr. 4. 199 Ebd., S. 50f. 200 Szabó, Chi era responsabile delle strade nell’area alpina?, S. 152-155. 201 Wilhelm Rausch, Jahrmärkte, Messen und Stadtentwicklung in den habsburgischen Ländern Österreichs, in: Peter Johanek / Heinz Stoob (Hrsg.), Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit, Köln 1996, S. 171-187, hier: S. 175f. 202 Otto Stolz, Geschichte des Landes Tirol, Innsbruck 1973, S. 255.

46 Stolz ging davon aus, dass vor dem Bau des Kunterswegs die Reschenroute verkehrstechnische Vorteile aufwies und daher stärker frequentiert wurde.203 Haidacher legt den Zeitpunkt des Bedeutungsverlusts der Oberen Straße weit früher fest, indem er abschließend festhält, „dass der Obere Weg mit Ausnahme der Römerzeit meist im Schatten des Brenners stand“204. Nicht nur im Vergleich zum Oberen Weg war der Brenner ab dem 14. Jahrhundert stärker frequentiert, Haidacher spricht sogar von „einem der verkehrsreichsten Handelswege jener Zeit“205. Auch Giuseppe Albertoni bestätigt 2018 die Vorrangstellung des Brennerwegs und legt dar, dass die Ursachen dafür bereits in politischen Gegebenheiten des 10. Jahrhunderts gründen.206 Ob die Reisenden sich für die Obere Straße oder für die Untere Straße entschieden, der Übergang der Alpen war in jedem Fall beschwerlich und voller Gefahren. Deshalb bedurfte es besonders auf den Passrouten sicherer Orte, an denen sich Mensch und Lasttier erholen konnten, an denen Wagen und Ausrüstung ausgebessert oder ersetzt werden konnten und an denen es geschützte Übernachtungsmöglichkeiten gab. Am Flussübergang über den Eisack kurz vor seiner Mündung in die Etsch gab es für einen solchen Ort die optimalen Bedingungen. Der Ort, aus dem sich später die Stadt Bozen entwickeln sollte, war ursprünglich eine kleine Brückensiedlung.207 Hirschmann nennt eine ganze Reihe von Funktionen von Brücken, welche für die Entstehung mittelalterlicher Städte von Bedeutung waren. Als Zollstätten, als Orte des Heils, zu denen die Menschen pilgerten, als Stätten der Almosenvergabe sowie als Verankerungsplätze für Mühlen konnten Brücken im Mittelalter dienen. In ihrer Nähe wurden häufig Kapellen oder Hospitäler errichtet, die Brücken selbst wurden oftmals von wohlhabenden Bürgern oder Adeligen gestiftet, die sich dafür ewiges Seelenheil erhofften. 208

3.2.2. Die Bozner Brücken im Mittelalter Direkt im Bozner Stadtgebiet gab es im Mittelalter keine Brücken, da weder die Talfer noch der Eisack innerhalb der damaligen Stadtgrenzen verliefen. Trotzdem waren die Brücken im Bozner Talkessel von äußerster Wichtigkeit für die Zugänglichkeit der Stadt. Hans Voltelini berichtet 1925 von fehlenden Hinweisen auf das Bestehen einer Talferbrücke im 13. Jahrhundert, dafür aber auf das

203 Stolz, Geschichte des Landes Tirol, S. 255. 204 Haidacher, Verkehr am Oberen Weg im Mittelalter, S. 70. 205 Ders., Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S. 44. 206 Giuseppe Albertoni, Strutture di potere nel Meranese tra X e XIII secolo, in: Gustav Pfeifer (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 117-129, hier: S. 124. 207 Nössing, Ein Gang durch Bozens Geschichte, S. 7. 208 Hirschmann, Leitlinien der Stadtgestaltung, S. 105.

47 Bestehen der Eisackbrücke.209 Nössing fasst 1991 die Erkenntnisse der neueren Forschung zur Existenz von Brücken rund um das Bozner Stadtgebiet im 13. Jahrhundert zusammen. Die Eisackbrücke verband die Straße, die vom Süden her von Trient am linken Etschufer entlang über die Siedlungen Neumarkt, Auer, Branzoll, Leifers und Haslach verlief, mit jener, die am anderen Eisackufer auf den Ritten hinauf und von dort aus weiter nach Norden in Richtung Brenner führte. Zur Errichtung der Brücke wurde ein bereits vorhandener, natürlicher Brückenkopf zu Nutze gemacht. Dieser bestand in Form eines Felsvorsprungs am Virglberg, wohl in der Nähe der heutigen Loreto-Brücke. Diese Vermutung würde wiederum darauf hinweisen, dass die Eisackbrücke am selben Ort wie der römische pons Drusi errichtet wurde, dessen Standort in der Nähe der Loreto-Brücke vermutet wird. Aus verschiedenen schriftlichen Quellen ist bekannt, dass es ein großer Aufwand war, die Brücke zu erhalten. Sämtliche umliegende Meierhöfe, Weiler und Siedlungen waren verpflichtet, bei den Instandhaltungsarbeiten zu helfen und Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen.210 Diese Regelung bestand bereits vor der Stadtgründung. Die außergewöhnlich große Brückengemeinde, die sich abgesehen vom Gebiet Bozens vom unteren Rittner Berg über den Tschögglberg bis nach Mölten erstreckte, interpretiert Obermair 1995 als „Residuum der alten, weiträumigen Wirtschafts- und Gerichtsgemeinde Bozen“211. Weiters bezeichnet Obermair die Bozner Eisackbrücke als „elementare[n] Bestandteil des überregionalen Fernverkehrs“212 des 13. Jahrhunderts. Insbesondere für den Zugang zum im Norden verlaufenden Kuntersweg und der im Süden verlaufenden Straße am linken Etschufer war die Eisackbrücke von Bedeutung.213 Aus den Quellen lassen sich Hinweise zweierlei Art entnehmen. Einerseits kommen in Testamenten immer wieder Bezüge zur Eisackbrücke vor, beispielsweise in einem erhaltenen Testamentsauszug aus dem Jahr 1311: „Alhaid, Gemahlin des Gotzlin richter zu Newenmarckht, vermacht testamentarisch der Eysackpruck 8 Pf[und] B[erner] Jahrzins […].“214 Zehn Jahre später, 1321, vermachte Herr Randold vom Obern Thor zu Botzen der Eysackhprugkhen zu Botzen 5 Pfund Berner Jahreszins.215 In einer Quelle aus dem Jahr 1323 ist ebenfalls von 1 Pf. B. Jahrzins zugunsten der

209 Hans Voltelini, Die Bozner Eisakbrücke (Schlern-Schriften 9), Innsbruck 1925, S. 164-169, hier: S. 164f. 210 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 329. 211 Obermair, Kirche und Stadtentstehung, S. 453. 212 Ebd. 213 Voltelini, Die Bozner Eisakbrücke, S. 164f. 214 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 173, Nr. 243. 215 Ebd., S. 214, Nr. 356.

48 Eysackhpruggen zu Botzen die Rede.216 Neben den Bezügen in Testamenten kann in den Quellen ein weiterer Beleg gefunden werden: In einer Quelle von 1297 wird im Rahmen des Verleihs eines Lehens in Bozen der provisor pontis Jsarci apud Boçanum (procurator oder verweser der Eysackhpruckhen bey Botzen) genannt. Wieder geht es um die Entrichtung eines Jahreszinses, diesmal als Bedingung für den Erhalt des Lehens, der an die genannte Person in ihrer Funktion als Brückenverwalter entrichtet werden soll.217 Die Talferbrücke hatte in mittelalterlicher Zeit eine geringere Bedeutung als die Eisackbrücke. Obwohl die Marktgasse durch das westliche Stadttor direkt zur Talfer führte, bestand dort bis zum Ende des 13. Jahrhunderts keine Brücke, die sich über den gesamten Fluss spannte. Es gab lediglich Teilbrücken, die über Teile des Flussbettes führten. Erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde erstmals eine Brücke errichtet, welche über den gesamten Fluss führte und somit beide Ufer zur Gänze verband.218 Eine Quelle aus dem Jahr 1383 erwähnt den bawmaister baider Eysackh- und Talferpruggen219, was sowohl auf den Bau einer Talferbrücke, als auch auf eine Erneuerung der Eisackbrücke hinweist.

3.2.3. Die Etsch als Wasserstraße und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Bozen Die Etsch war neben dem Po und der Brenta eine von drei Wasserstraßen, die zur weiteren Beförderung der orientalischen Fernhandelswaren vom venezianischen Hafen aus dienten. Aufgrund des teilweise sehr schlechten Zustandes der Straßen wurde der Transport auf dem Wasser bevorzugt, der sich unkomplizierter, schneller und kostengünstiger als jener auf dem Landweg gestaltete. Laut Carlofilippo Zamboni, der sich in seiner 2006 erschienenen Monographie vor allem mit der Bedeutung der Etsch für den Veroneser Fernhandel beschäftigte, stellte der Warenverkehr auf der Etsch eine bedeutende Handelsverbindung zwischen dem norditalienischen Gebiet, insbesondere dem Fernhandelshafen Venedig, und dem süddeutschen Gebiet dar, von der auch die Veroneser Kaufleute und Gewerbetreibende enorm profitierten.220 Für den Warentransport auf der Etsch wurde ein breiter Schiffstyp mit niederem Tiefgang verwendet221, sodass sie auch bei niedrigem Wasserstand und in seichten Teilstücken der Etsch

216 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 217, Nr. 366. 217 Ebd., S. 132, Nr. 133. 218 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 329. 219 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 400, Nr. 845. 220 Zamboni, La navigazione sull'Adige, S. 25f. 221 Die italienischsprachige Forschungsliteratur spricht von der sogenannten tansa, vgl. dazu Zamboni, La navigazione

49 befahren werden konnten. Flussabwärts gestaltete sich die Reise einfach, in der entgegengesetzten Richtung hingegen zogen Pferde und Ochsen die Schiffe von beiden Ufern aus an langen Seilen flussaufwärts. An einigen Ortschaften wurde Halt gemacht, Ware auf- und abgeladen und es wurden die Lasttiere gewechselt. Unter diesen Ortschaften waren Badia, Legnano, Verona, Pescantina, Sacco, Ala und Branzoll.222 Der kleine Hafen in Branzoll war auch jener Ort nahe Bozen, an dem der Schiffsverkehr in nördlicher Richtung enden musste und von dem aus die Waren auf dem Landweg weiterverliefen.223 Im 14. und 15. Jahrhundert hatte sich die Schiffsroute auf der Etsch als eine der Hauptarterien des europäischen Fernhandels etabliert, die Venedig mit dem deutschen Markt verband. Großen Einfluss auf den Schiffsverkehr auf der Etsch hatten Zamboni zufolge insbesondere die vier Bozner Messen, die über das Jahr verteilt regelmäßig stattfanden, und neben Gästen aus dem Norden auch Händler aus dem Süden anzogen. Venezianische Kaufleute waren dort zwar selten zu finden, dafür fuhren die Veroneser nach Bozen, um ihre Waren feilzubieten.224

3.3. Rund um Bozen: Das spätmittelalterliche Netzwerk der Tiroler Märkte und Städte Damit die Entstehung Bozens nicht als Einzelfall, sondern im Kontext der Urbanisierung des Hoch- und Spätmittelalters betrachtet werden kann, ist es notwendig, etwas weiter auszuholen und das gesamte umliegende Gebiet, das Gebiet der späteren Region Tirol, zu betrachten. Dies stellt sich als kein allzu leichtes Unterfangen heraus. Josef Riedmann beschreibt 2018 in einem Aufsatz die Rolle der Tiroler Städte im Spätmittelalter. Zu Beginn merkt er jedoch an, dass der Begriff Tirol für das Spätmittelalter eine völlige andere Bedeutung hat als die heute allgemein verbreitete. Das spätmittelalterliche Gebiet Tirol ist viel kleiner als jenes des historischen Tirol.225 Riedmann nennt für das Tiroler Gebiet des Spätmittelalters folgende Städte: die Hauptstadt Meran, Glurns, Innsbruck, Hall, und Sterzing. Rattenberg, Kufstein und Kitzbühel entstanden unter der Herrschaft der Wittelsbacher. Bruneck, Brixen und Klausen waren Gründungen des Brixner Hochstifts, Lienz war die Residenz der Grafen von Görz. Riedmann nennt außerdem die Trienter Städte Rovereto, Riva und Ala sowie Vils im Außerfern, eine bayrische

sull'Adige, S. 31. 222 Zamboni, La navigazione sull'Adige, S. 31. 223 Ebd., S. 52. 224 Ebd. 225 Riedmann, Die Rolle der Tiroler Städte, S. 11.

50 Gründung des 14. Jahrhunderts.226 Bozen bezeichnet Riedmann als „kein[en] einfache[n] Fall“227 Gegründet wurde Bozen vom Fürstbischof von Trient und war nach Trient die bedeutendste Stadt des Trienter Hochstifts. Erst 1531 wurden die Tiroler Landesfürsten die Stadtherren von Bozen, inoffiziell wurde die Stadt jedoch schon vorher zum Tiroler Einflussgebiet gezählt.228 Von allen genannten Städten ist nur eine direkt auf antiken Grundmauern entstanden und hat somit eine alte Siedlungstradition wiederbelebt und weitergeführt: das römische Tridentum, später besser bekannt als Trient beziehungsweise als . Die anderen Städte haben allerdings ebenfalls römische Vorgeschichten. Sie wurden in der Nähe von römischen Straßenstationen oder Mansionen errichtet, entlang der Hauptverkehrslinien im Gebirge, wo die möglichen Standorte für eine Siedlung nur in begrenzter Form vorhanden sind. Innsbruck entstand nördlich von Veldidena, Lienz westlich von Aguntum, Bruneck südöstlich von Sebatum, Sterzing in der Nähe von Vipitenum, Meran nordwestlich von Maia und Bozen im Bozner Talkessel, wo in römischer Zeit eine Straßenstation mit dem Namen Pons Drusi bestanden hatte, die aber heute nicht mehr genau lokalisierbar ist.229 Alle diese Städte sind also mittelalterliche Neugründungen, die im Regelfall zunächst als Marktsiedlungen existierten.230 Hagen schätzt die Märkte 2015 als enorm wichtige Voraussetzung für die Entstehung der Städte ein. Viele der ältesten Marktorte, wie Riva 1124/25, San Michele 1145, Lengstein/Ritten 1177, Neumarkt 1189, wurden zwar nicht zur Stadt erhoben, dennoch kam es zeitgleich zur Gründung des Marktes am Inn und Bozens.231 Wie Hye 1991 erläutert, weisen die Trienter Marktgründungen Bozen und Neumarkt den selben Siedlungsgrundriss auf, der auf einen Gründungsakt hindeutet, und sind vermutlich ungefähr zur selben Zeit entstanden.232 Auch Obermair bezeichnet die Trientner Suburbia San Martino 1996 als Prototyp für die Marktgründungen Neumarkt und Bozen, als „barbarossa-zeitlich[e] Gründungsorte mit dem Willen zur Stadt“233. Sowohl Obermair als auch Hye erkennen den Typus des Straßenmarktes als dominierenden Planungsgrundriss der Städte der Umgebung.234 Hye nennt Glurns, Meran, Bozen, Neumarkt, Klausen, Bruneck und Sterzing als gerade angelegte

226 Riedmann, Die Rolle der Tiroler Städte, S. 12f. 227 Ebd., S. 12. 228 Ebd. 229 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 191. 230 Ebd., S. 191. 231 Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe, S. 32f. 232 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 191f. 233 Obermair, „Bastard Urbanism”?, S. 65. 234 Obermair, „Bastard Urbanism“?, S. 72 sowie Hye, Die Gründung von Bozen, S. 192.

51 Straßenmärkte, Brixen, Innsbruck und Rattenberg als in einer Kurve gelegene Straßenmärkte.235 Obermair sieht das Zusammenspiel in der Entwicklung der beiden Städte Trient und Bozen sowie ihrer Vorstädte als erwiesene Tatsache an. Der Einfluss der Bischofsstadt auf die Genese Bozens steht außer Frage, ob dies jedoch auch für das andechsische Innsbruck gilt, bleibt zunächst noch eine Vermutung.236 Im österreichischen Raum dominierten im Mittelalter die Klein- und Zwergstädte, die in ihrer Größe und Einwohnerzahl nicht von den Märkten zu unterscheiden sind. Auch in ihrer Bedeutung und ihrem Grad an Zentralität sind österreichische Städte nicht immer von den Märkten abzugrenzen. Dasselbe gilt für das hier besprochene Gebiet. Der Marktort Schwaz, geprägt durch den Edelmetallbergbau, verfügte in seiner spätmittelalterlichen Blütezeit im Vergleich zu den umliegenden Siedlungen über die höchste Einwohnerzahl. Laut Mitterauer übertraf Schwaz alle anderen Marktorte und Städte.237 Dies war wohl lange Zeit die gängige Meinung, von der sich Gian Maria Varanini jedoch 2018 distanziert. Er spricht von einer Bewohnerzahl von 3000 im Schwaz des 15. Jahrhunderts, während Städte wie Meran, Lienz, Brixen, Innsbruck und Hall die 2500 Einwohner nicht überschritten. Der Unterschied war also nach den Erkenntnissen der neueren Forschung nicht so groß wie ursprünglich gedacht.238 Die Minderbewertung der Märkte, die in moderner Zeit besteht, gab es im Mittelalter in dieser Form jedenfalls nicht unbedingt. Einziges klares Abgrenzungsmerkmal ist für den beschriebenen Raum die Mauer beziehungsweise eine ähnliche Form von Befestigung als Erkennungszeichen einer Stadt.239 Obermair konstatiert für das Gebiet der späteren eine Pluralität an städtischen Erscheinungsformen, welche jedoch durchaus idealtypisch unterschieden werden können. Wenn auch nicht bis ins Detail miteinander vergleichbar, macht Obermair im Groben drei Stadttypen aus: die hochstiftisch- bischöflichen Residenzstädte wie Trient und Brixen, die Produzentenstädte wie Bozen und Hall und die oberitalienisch anmutenden Kommunen wie Rovereto. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um einen unscharfen Kategorisierungsansatz, welcher mit Vorsicht eingesetzt werden sollte und einer differenzierteren Sichtweise bedarf. Wird eine Kategorisierung der Siedlungen nach ihrer

235 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 192. 236 Obermair, Stadt und Territorium in Tirol, S. 130. 237 Michael Mitterauer, Markt und Stadt im Mittelalter. Beiträge zur historischen Zentralitätsforschung (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 21), Stuttgart 1980, S. 279-302. 238 Gian Maria Varanini, Viste dalla pianura padana. Le città dell’area trentino-tirolese nel contesto comparativo del versante meridionale delle Alpi (secoli XIII-XV), in: Gustav Pfeifer (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 25-38, hier: S. 31. 239 Mitterauer, Markt und Stadt im Mittelalter, S. 279-302.

52 primären Funktion angewandt, so sticht besonders die bipolare Abgrenzung zwischen Residenz- und Verwaltungszentren wie Trient, Innsbruck und zum Teil auch Brixen, und Produktions- und Handelsschauplätzen wie die Weinstädte Bozen und Meran sowie die Bergbauzentren Schwaz/Hall und Sterzing/Gossensass hervor.240 So sehr Obermair die Städte des späteren habsburgischen Erblandes Tirol in ihrer Verwaltungsstruktur zu differenzieren vermag, so interessant ist im Gegensatz dazu die Zusammenfassung aller Städte in ihren Funktionen und Aufgaben dem Umland gegenüber. Die Städte waren im Allgemeinen wirtschaftlicher Mittelpunkt und Warenumschlagplatz, gleichzeitig auch Versorgungsstätte für umliegende Ortschaften und Täler, gewerbliches und handwerkliches Produktionszentrum, Verwaltungszentrum und Ort der Einkehrmöglichkeit für Reisende. Nicht zu unterschätzen war die Bedeutung der Stadt als Zufluchtsort nicht nur für Reisende, sondern auch für die schutzbedürftige Landbevölkerung, was die Existenz einer Ringmauer in jeder Stadt unbedingt notwendig machte. Obermair erklärt diese militärische Schutzfunktion der Städte 1991 als Hauptgrund für das in diesen Breiten geltende Prinzip Ohne Ringmauer keine Stadt. Hier ist allerdings anzumerken, dass der Umkehrschluss Ort mit Ringmauer gleich Stadt keine Gültigkeit hatte, denn sowohl Gries, das in Konkurrenz zu Bozen von Herzog Otto zur Stadt erhoben werden sollte, aber dennoch ein oppidum blieb, als auch Mühlbach verfügten über eine Ringmauer, ohne jemals ein Stadtrecht oder eine urkundliche Erwähnung als Stadt zu erhalten.241

3.4. Begehrtes Bozen: Machtkämpfe um Grafschaft und Stadt Seit 1027 befindet sich das comitatus Bauzani als Reichslehen im Machtbereich der Bischöfe von Trient242, die es wiederum an verschiedene Vasallen weitergaben, dabei stets darauf bedacht, keinen der Lehensmänner zu viel Macht zu verleihen.243

Ab dem 12. Jahrhundert war die Grafschaft Tirol für mehrere Parteien von höchstem politischem Interesse.

Obermair vertritt 1991 die These, dass das Bistum Trient Bozen im späten 12. Jahrhundert zum Zwecke des Vorantreibens seiner Pläne zur Erweiterung ihres Einflussgebietes und somit zur Erringung weltlicher Macht gründete. Dazu sollte der alte Grafschaftsmittelpunkt, die Burg der

240 Obermair, Stadt und Territorium in Tirol, S. 130f. 241 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 193. 242 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 31f., Nr. 52. 243 Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S. 160.

53 Grafen von Morit-Gries, gemäß der zeitgenössischen Entwicklungen in einen wirtschaftlichen Mittelpunkt umgewandelt werden.

„Der Bischof von Trient hatte ja im 12. Jahrhundert noch eine gewisse Chance, eine geistliche Landesherrschaft reichsunmittelbaren Typs auszubilden […]. Denn der Reichsfürstenstand Trients implizierte ja noch nicht eine Landesherrschaft vom modernen Typ. Vor allem die Stadtgründung als normaler Bestandteil der hochmittelalterlichen landesherrlichen Politik eignete sich hervorragend, Kristallisationskern des sich bildenden Territorialstaates zu sein. So stellt die Anlage der Marktsiedlung Bozen am verkehrs- und wirtschaftsstrategischen Zentralort des nördlichen Trienter Bistumsgebiets einen letzten Versuch der Herrschaftssicherung im seit Abgang Graf Arnolds III. von Morit um 1165 heiß umkämpften Kernraum der Tiroler Landeswerdung dar, ehe der endgültige Verfall der bischöflichen weltlichen Macht nach 1205 eintritt (Resignation Bischof Konrads, vom Tiroler Grafen voll genutzte Trienter Sedisvakanz).“244 Obwohl die Chancen der Trienter Bischöfe, dauerhafte weltliche Macht in der Grafschaft auszubauen, laut Obermair 1205 enden, sollte das Bistum zumindest wirtschaftlich noch für lange Zeit von der Stadtgründung profitieren.

Seit 1140 waren die Tiroler Grafen Vögte der Kirche des Heiligen Vigilius. Nach politischen Unruhen um die Jahrhundertwende, bei denen die Grafen von Tirol und von Eppan sich um die Grafschaft Bozen stritten und die Tiroler versucht hatten, die Macht in Trient an sich zu reißen, gelang es Bischof Friedrich von Wanga zu Beginn des 13. Jahrhunderts zunächst, den Aufstieg der Tiroler zu stoppen und das Fürstbistum zu stabilisieren. Gleichzeitig erstarkten die Tiroler Grafen, sie waren um 1200 im Besitz zahlreicher Kirchenlehen, Eigengüter, einer großer Dienstmannschaft und hatten bereits eine Reihe an Privilegien gesammelt. Als Reaktion darauf ließ Friedrich von Wanga alle Rechte des Heiligen Vigilius im Codex Wangianus bestätigen, was eine Festigung der bestehenden und zum Teil eine Reaktivierung alter Rechte bedeutete.245 Die Brüder Friedrichs, Albero und Bertold von Wanga, errichteten außerhalb der Stadtmauern ihren eigenen Stadtteil mit separater Gerichtsbarkeit und unterstützten die Interessen des Bischofs246. Nach Friedrichs Tod kam es zu einigen turbulenten Jahrzehnten. Einerseits konnten sich die Tiroler Grafen die vorübergehende Schwäche des Fürstbistums Trient zunutze machen, andererseits konnte auch Albert III. von Tirol seine Macht nicht festigen. Erst Meinhard II. gelang es schließlich, die Territorialisierungsbestrebungen der Tiroler Grafen voranzutreiben.247

Brandstätter bezeichnet die Übernahme Bozens durch Meinhard II. 1996 als Resultat aus

244 Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S. 172. 245 Brandstätter, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient, S. 10. 246 Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe, S. 34. 247 Brandstätter, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient, S. 11f.

54 systematischer Zurückdrängung des Friedrich nachfolgenden Bischofs Egno von Eppan. Gezielt brachte er Trienter Adel und Bürgertum in der gesamten Grafschaft gegen Egno auf, verleibte sich nach und nach Gerichte der Grafschaft ein und erreichte schließlich, dass „der Landesherr nördlich der Salurner Klause nahezu ausgeschaltet“248 wurde. Gerhard Bückling formuliert es 1907 so: „Im Laufe und um die Wende des 13. Jahrhunderts wachsen die Rechte der Tiroler Grafen mehr und mehr an. Diese ihre übermächtige Stellung in der Stadt ergab sich durch Kauf, Beerbung und Anwendung von Gewalt.“249 1273 geht das Gebiet der Edlen von Wanga mitsamt der Grundherrlichkeit und der Gerichtsherrlichkeit durch Kauf in den Besitz der Tiroler Grafen über.250

Durch einen militärischen Vorstoß erobert Meinhard II. 1276 die fürstbischöfliche Stadt Bozen, der Trienter Bischof muss sich geschlagen geben und die Stadt vorübergehend aufgeben. Die Stadtmauern werden in einem symbolischen Akt des Rechtsverlustes der Bischofsstadt durch Meinhards Söldner geschliffen.251 Hagen bezeichnet die Stadtherrschaft des Bischofs nach der Schleifung der Stadtmauern nur mehr als Formalie, de facto ging dadurch die gesamte Gerichts- und Steuerhoheit an Meinhard über. Die Rechtszugehörigkeit der Inneren Stadt wechselte immer wieder zwischen Tirol und Trient hin und her, Meinhards Söhne traten sie zum Beispiel wieder an Trient ab.252 Wilhelm Baum merkt jedoch an, dass die Stadt unabhängig davon ab 1300 als Tiroler Stadt gesehen wurde.253

Loose fasst 1999 die Verteilung der Gerichte im Bozner Siedlungsraum im 14. Jahrhundert zusammen:

„Die Stadt Bozen ist 1350 administrativ keine Einheit, sondern ein Konglomerat verschiedener Gerichtsherrschaften, formal des Tiroler Landesfürsten und des Bischofs von Trient. Der Begriff ,Stadtgericht Bozen‘ meint daher strenggenommen nur die sogenannte Innere Stadt oder die Altstadt des Bischofs von Trient, also nicht die landesfürstlichen Gerichte Wangergasse und Grieser Gericht der Stadt Bozen westlich des Obstplatzes.“254 Auch das Bozner Stadtrecht von 1437 gibt Auskunft über die unveränderte Situation der drei Gerichte. Unter Punkt 23 (von den dreyen gerichten.) werden die Tage der Rechtssprechung festgelegt, mit dem Ziel, dass die verschiedenen Richter niemals zur selben Zeit richten sollten.255

248 Brandstätter, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient, S 13. 249 Gerhard Bückling, Die Bozener Märkte bis zum Dreißigjährigen Kriege (Staats- und Sozialwissenschaftliche Forschungen 124), Leipzig 1907, S. 6f. 250 Ebd., S. 7. 251 Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., S. 29. 252 Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe, S. 66f. 253 Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., S. 29. 254 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 108. 255 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 80.

55 Erst 1450 ging das bischöfliche Stadtgericht an die Landesfürsten über und die drei Gerichte wurden zusammengeführt.256 1363 ging diese komplex organisierte Stadt mitsamt dem gesamten Tiroler Territorium an die Habsburger über. Über die Umstände, unter denen Margarete Maultasch, Enkelin Meinhards II., ihre Grafschaft Rudolf IV. übertrug, ist wenig bekannt. Man weiß allerdings, dass bereits Rudolfs Vorgänger Albrecht II. den Erwerb Tirols angestrebt hatte. Die Habsburger waren auf die Verhandlungen gut vorbereitet und wussten über die rechtlichen Verhältnisse in Bozen genau Bescheid. Baum hält es für bezeichnend, dass die Verhandlungen zur Übernahme Tirols in Bozen stattfanden, als wollten die Habsburger ihren Anspruch auf die Stadt noch bekräftigen.257 Die Reaktion der Bürger Bozens hebt Baum als erstaunlich und einzigartig hervor. Aus einer Huldigung der Stadt Bozen für die neuen Landesherren von Tirol geht die Haltung der Bürger den neuen Machthabern gegenüber hervor: der rat und die purger gemainlich alt und jung arm und reich der stat ze Potzen huldigten am 3. Februar 1363 ihren neuen Herren, den durchleuchtigen fürsten hertzog Ruodolfen hertzog Albrecht und hertzog Leuppolten gepruedern hertzogen ze Österreich ze Steyer und ze Kernden und grafen ze Tyrol und gelobten, daz wir und alle unser erben und nachkomen, die von alter und durch recht zuo der grafschaft und der herschaft gen Tyrol gehorent, als unsern rechten herren und wir, die zuo dem gotshaus von Trient gehorent, als unsern rechten und wizzentlichen erbvoegten gehorsam getrew gewertig und undertenig sein sullen.258

Als besonders interessant erachtet Baum, dass die Bürger von Bozen nicht nur die neue Herrschaft akzeptieren, sondern auch die Doppelherrschaft der Bischöfe und der Landesfürsten als solche erkennen und in ihrer Huldigung beide berücksichtigen. Weiters hebt Baum hervor, dass Rudolf und seine Brüder bereits als Erbvögte des Fürstbistums Trient bezeichnet werden, obwohl die diesbezüglichen Verhandlungen mit Trient noch nicht zum Abschluss gekommen waren.259 Im Verlauf dieser Verhandlungen erreichte Rudolf das Recht, eigene Hauptleute zur weltlichen Verwaltung des Stiftes in Trient zu ernennen, sodass das Bistum im Zuge weniger Jahre zum Herrschaftsbereich des Hauses Österreich gehörte und die Bischöfe ihrer weltlichen Ansprüche enteignet wurden.260 Die Bozner Bürger arrangierten sich jedenfalls, wie schon in den Jahrhunderten

256 Otto Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung von Südtirol (Schlern-Schriften 40/2), Innsbruck 1938, S. 273. 257 Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., S. 30f. 258 Stolz, Die Ausbreitung des Deutschtums, Bd. 3/2, S. 50, Nr. 41. 259 Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., S. 31f. 260 Ebd., S. 32f.

56 zuvor, mit ihren neuen Machthabern und stellten sich mit ihnen gut. Die rechtliche Stellung Bozens veränderte sich durch den Machtwechsel im Wesentlichen nicht. Rudolf IV. nutzte die Tirolischen Städte zu politischen Zwecken, ohne Bozen nennenswerte Zugeständnisse zu machen, während Sterzing zum Beispiel ein Straßenprivileg verliehen wurde.261 Nachdem die komplexe Geschichte der konkurrierenden politischen Akteure in Bozen in aller Kürze skizziert wurde, sollen die Gründe für die Attraktivität Bozens für weltliche und geistliche Landesherren ergründet werden. Haidacher bezeichnet Bozen 1999 in wirtschaftlicher Hinsicht als die mit Abstand bedeutendste und gewinnbringendste Stadt im Herrschaftsbereich der Grafen von Tirol.262 Er sieht den Grund für den ständigen Kampf um die politische Vormacht in der Grafschaft Bozen und um die Stadt in Bozens außergewöhnlich guter Lage, die bereits in Kapitel 3.2. ausführlich dargestellt wurde. Haidacher betrachtet Bozens Standort am Knotenpunkt der großen Fernhandelsrouten und am Wasserweg als klaren Vorteil anderen, nahegelegenen Städten gegenüber. Gleichzeitig wurde die herausragende Rolle der Stadt Bozen durch die landesfürstliche Politik durch gezielte Maßnahmen gefördert: Straßenzwang, Niederlagsrecht, Gastungsprivilegien, Geleitverträge, niedrige Zollverträge und der Ausbau von Brücken und Wegen sind die Maßnahmen, die Haidacher in diesem Zusammenhang nennt.263 Ab den 80er Jahren des 13. Jahrhunderts bestanden in Tirol Pfandleihanstalten und die Bozner Leihbank entwickelte sich schnell zur ertragreichsten der gesamten Grafschaft. Sie brachte mit 120 Mark dreimal so viel Pachtzins wie die wenig zuvor entstandene Leihbank in Meran.264

Wie bedeutend Bozen als Handelsstadt für die Landesherren war und wie sehr ihre Rolle als Standort von jährlichen Märkten sich auf deren Macht auswirkte, ist am Boykottversuch der Söhne Meinhards II. zu erkennen, den Mahlknecht 2006 beschreibt. Die Nachfolger des ehemaligen Landesherrn errichteten in Folge des Machtverlusts an den Bischof von Trient 1295 den Konkurrenzmarkt im angrenzenden Ort Gries, der jährlich am Andreastag abgehalten wurde. Der Plan, das trientinische Bozen in seiner wirtschaftlichen Bedeutung zu schwächen und damit den weltlichen Einfluss des Bischofs zu schmälern, ging jedoch nicht auf. Die Kaufleute bevorzugten nach wie vor Bozen als Umschlagplatz ihrer Geschäfte, sodass sich der Markt in Gries für die Tiroler Grafen als

261 Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., S. 32-35. 262 Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S. 47. 263 Ebd., S. 43. 264 Ebd., S. 51.

57 Fehlinvestition herausstellte.265

3.5. Marktsiedlung und Gründung der Stadt: Zweierlei Gründungsthesen Die Akteure der Gründung der ummauerten Marktsiedlung, die die Urzelle der Stadt Bozen darstellt, sind in der Forschung unumstritten: Es sind die Bischöfe von Trient, die seit 1027 über die Grafschaft verfügten.266 Über den Zeitraum der Gründung der bischöflichen Altstadt sind sich die Historiker hingegen nicht einig.

1991 erschienen in der Forschungsliteratur zwei verschiedene Gründungsthesen. Franz-Heinz Hye stützt sich auf eine ältere These nach Nicolò Rasmo267, nach der der Bau der Laubengasse im 11. Jahrhundert erfolgte, und untermauert diese mit weiteren Argumenten. Hannes Obermair vertritt eine neue These, nach der die bischöfliche Altstadt Ende des 12. Jahrhunderts entstand.

Bevor diese beiden Thesen ergründet und abgewogen werden, soll kurz beschrieben werden, worum es sich beim ältesten Teil der Stadt, der bischöflichen Altstadt, genau handelt. Obermair beschreibt ihre Lage 1991 folgendermaßen:

„Die Bozner Markt- bzw. Stadtsiedlung entsteht zentral und in bipolarer Bezogenheit zwischen der am Fuß des Rittens gelegenen Siedlung im ,Dorf‘ (um 1050 villa Bozana) und dem alten, noch bis ins Frühmittelalter geringfügig umsiedelten pfarrkirchlichen Mittelpunkt überm inundationsgefährdeten Rain an der Eisackfurt bzw. -brücke.“268 Soviel zum Standort der Bozner Stadtsiedlung. Nun bedarf es einiger Worte zu ihrer Form. Die ummauerte bischöfliche Gründung bestand aus einer westöstlich verlaufenden Marktstraße, die im Norden und Süden von Häuserzügen gesäumt wurde und heute als Laubengasse bekannt ist. In ihrer ursprünglichen Form war sie jedoch noch frei von den heute typischen Laubengängen. Diese Gewölbe wurden nachträglich angebracht, um die Ware vor dem Wetter zu schützen.269 Am westlichen und östlichen Ende der Marktstraße gab es zwei Stadttore, das Obere Tor und das Untere Tor. Ein drittes Stadttor befand sich am südlichen Rand der Stadt, in der Nähe des heutigen Kornplatzes, wo sich auch die bischöfliche Residenz befand. Die ursprüngliche Stadt bestand also aus einem Bischofspalast und einem einzigen Straßenzug, um den sich eine Mauer mit Graben und drei Toren spannte. Somit entspricht sie dem von Gruber 1977 beschriebenen Stadttypus mit dem „durch

265 Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte, S. 29-35. 266 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 31f., Nr. 52. 267 Vgl. dazu Nicolò Rasmo, Bolzano, Rovereto 1959. 268 Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S. 171. 269 Rauch, Bozner Obstplatz, S. 25.

58 zwei Tore abgeschlossenen Straßenmarkt“270, der klassischerweise über zwei Tore an den beiden Enden des Straßenmarktes verfügt, in vielen Fällen aber auch über ein drittes Tor verfügt.271

3.5.1. Rasmos und Hyes These der frühen Stadtgründung im 11. Jahrhundert Nach Nicolò Rasmo stammte der älteste Teil der Stadt, die heutige Laubengasse, aus dem 11. Jahrhundert. Seine These wurde später von Hye aufgegriffen. 1978 schreibt Hye: „Die Frage, wann die Gründung der Stadt Bozen erfolgte, wurde bereits von Nicolò Rasmo beantwortet, der wohl mit Recht vermutet, daß es Bischof Odalrich II. von Trient (gest. 1055) war, der einen Weingarten, welcher dem Kloster Tegernsee angehörte, diesem enteignet habe, um darauf den Stadtkern von Bozen, die Laubengasse und den Kornplatz zu errichten […].“272

Als Beleg dafür nennt Hye ausschließlich die Urkunde des Klosters Tegernsee (1022-1055), die ein Verzeichnis der dem Kloster enteigneten Güter enthält.273 Hyes Hauptargument für eine Gründung im 11. Jahrhundert, das er bereits 1978 ausführlich erläutert, ist die erwiesene Stadterweiterung durch Bischof Konrad von Trient 1195. In jenem Jahr erwarb der Bischof durch Tausch mit dem Benediktinerkloster Tegernsee einen Weingarten iacente iuxta fossatum suburbii Bauzani274, also zwischen der südlichen Stadtmauer und der Pfarrkirche gelegen. 1210 wird in einer Quelle eine Hausanschrift in der bischöflichen Neustadt angegeben: aput Bauzanum in burgo novo275. Hye argumentiert, dass die Begrifflichkeit Neustadt auf einen zeitlichen Abstand zur Gründung der Altstadt hinweist.

Im Jahr 1991 vertritt Hye seine These erneut und bespricht weitere Argumente: Den Erkenntnissen Martin Bitschnaus von 1983 nach befand sich die Haupt- und Verwaltungsburg der Grafschaft Bozen, die Burg Morit, auf dem Territorium des heutigen Benediktiner-Klosters Muri- Gries.276 Die Morit waren eines der mächtigsten Adelsgeschlechter im Bozner Raum, bevor die Familie Mitte des 12. Jahrhunderts den Machtkampf gegen die Grafen von Tirol verlor. Hye stellt die berechtigte Frage, warum diese bedeutende Burg so abseits vom Bozner Dorf, der villa Bozana (1050) errichtet wurde. Hyes Erklärung dafür ist, dass es in zentraler Lage bereits ein burgum gab,

270 Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt, S. 52. 271 Der Stadttypus wurde bereits in Kapitel 2.4.2. besprochen. 272 Franz-Heinz Hye, Die Anfänge und die territoriale Entwicklung der Stadt Bozen, in: Der Schlern 52/2, Bozen 1978, S. 67-74, hier: S. 69. 273 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 29, Nr. 50. 274 Ebd., S. 274-276, Nr. 488, hier: S. 276. 275 Huter, TUB, Bd. I/2, S. 76f, Nr. 600. 276 Martin Bitschnau, Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300. Sitzungsberichte der Österr. Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Bd. 403, Wien 1983, S. 363-373, zit. n. Franz-Heinz Hye, Die Gründung von Bozen, S. 196.

59 dass also der freie Platz bereits durch die Stadtgründung verbaut worden war. Außerdem wirft Hye ein, dass die Anlage der bischöflichen Stadt in ihrer Beschaffenheit einen Mangel an Erfahrung von Seiten des Fürstbischofs beweise. Es wurden beispielsweise die verkehrsstrategisch bedeutenden Brückenköpfe nicht in die Befestigungsanlage mit einbezogen, im Gegenteil, die Befestigung wurde weit von den Flussübergängen entfernt errichtet. Außerdem, als weiterer Hinweis auf die Unerfahrenheit des Gründers, sei die Stadt viel zu eng bemessen gewesen, sodass bald Erweiterungen nötig wurden. Dadurch kam es zur Errichtung der bischöflichen Neustadt.277

3.5.2. Obermairs These der späteren Stadtgründung im 12. Jahrhundert Hannes Obermair vertritt die These, dass die Stadt Bozen Ende des 12. Jahrhunderts vom Trienter Bischof Egno von Eppan gegründet wurde. Damit würde sich Bozen in die Trienter Markt- bzw. Stadtrechtsfamilie des späten 12. Jahrhunderts einreihen, zu denen auch die Marktorte Neumarkt (1189) und San Martino (1191) gehören. Da der Marktort Bozen in der Handfeste zur Gründung Neumarkts bereits erwähnt wird, sei davon auszugehen, dass er kurz vor 1189 gegründet wurde. Der Zeitraum des Machtvakuums nach dem Tod Arnolds III. von Morit 1165 und dem damit verbundenen Ausscheiden der Grafen von Morit bis zum Aufbegehren der Grafen von Tirol um das Jahr 1170 herum könnte der ideale Zeitpunkt für den Trienter Bischof gewesen sein, um im „heiß umkämpften Kernraum der Tiroler Landeswerdung“278 eine Siedlung als Machtsicherung zu errichten.279 Wie in Kapitel 2.4.2. bereits erläutert wurde, entspricht Beschaffenheit der Gründungsanlage dem Stadttypus des Straßenmarktes, der für das spätere 12. Jahrhundert typisch ist. Eine weitere Hypothese Obermairs spricht für die Datierung der Gründung ins späte 12. Jahrhundert. In Innsbruck erfolgte 1180-1187 eine planmäßige Neuanlage des Marktes. Das Hochstift Trient könnte als Reaktion und in Konkurrenz zu den Grafen von Andechs die Absicht verfolgt haben, eine tridentinische, ebenfalls bedeutende Marktsiedlung zu errichten. Dies legt nahe, dass die Gründung Bozens in den 1180er Jahren erfolgt sein könnte.280 Das 12. und 13. Jahrhundert brachte, wie es Obermair 1995 formuliert, tiefgreifende Veränderungen mit sich: stetiges Bevölkerungswachstum und daraus resultierende Raumverdichtung, soziale Mobilität, Differenzierung der Gesellschaft und Monetarisierung machten

277 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 196-198. 278 Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S.172. 279 Ebd., S. 172-176. 280 Ebd., S. 174f.

60 einen Strukturwandel nötig.281 Nach Obermairs und Looses These würde sich die Bozner Stadtgründung in eine Reihe mitteleuropäischer Marktgründungen einreihen, die in ähnlicher Erscheinungsform– jener des Straßenmarkts – und zu ähnlichem Zweck – zu Territorialisierungszwecken – entstanden.282 Obermair diskutiert in seinen Publikationen wiederholt den planmäßigen Gründungscharakter Bozens. 1991 spricht er von einer „unbezweifelbare Gründungskomponente im Stadtwerdungsprozess“283, 1995 nennt er Bozen eine „herrschaftlich[e] Neugründung mit dem deutlichen Willen zur Stadt“284.

3.5.3. Fazit Beide Thesen haben schlüssige Argumente und können durch schriftliche Quellen untermauert werden. Allerdings belegen die Quellen die Thesen nicht vollständig, sondern liefern nur Indizien dafür. Keine Quelle nennt den Zeitpunkt einer Stadtgründung Bozens. Um das Ende des 12. Jahrhunderts häufen sich die Erstnennungen im Bezug zur Marktsiedlung, zur Stadtmauer und zum Bischofspalast.

Die erste urkundliche Erwähnung des burgum Bavҫani285 erfolgt 1191, die der Bauzanenses concives et negotiatores286 bereits zwei Jahre zuvor, 1189, ebenso wie jene des palatium domini episcopi Tridentini287. 1195 folgt die Erstnennung der fossatum suburbii288, 1210 jene des murus burgi289. Interessanterweise erfolgt die Erstnennung der Stadtmauer nach jener der Neustadt.290

Dabei ist jedoch zu bedenken, dass es bei mittelalterlichem Quellenmaterial keine Garantie für Vollständigkeit gibt. Die zeitliche Nähe der bekannten Erstnennungen ist auffällig und lässt vermuten, dass dies kein Zufall ist und es wirklich keine älteren Belege gibt. Mit Sicherheit kann dies aber nicht gesagt werden.

Die Urkunde des Klosters Tegernsee, auf die sich Rasmo und später Hye zur Untermauerung der ersten These stützen, hat als alleiniger urkundlicher Beleg einige Defizite. Die Urkunde nennt keine Stadtgründung. Sie besteht aus einem Verzeichnis der dem Benediktinerkloster Tegernsee

281 Obermair, Kirche und Stadtentstehung, S. 459. 282 Ders., Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S. 174. 283 Ebd., S. 170. 284 Obermair, Kirche und Stadtentstehung, S. 460. 285 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 258f., Nr. 467. 286 Ebd., S. 247ff., Nr. 453. 287 Ebd., S. 246, Nr. 452. 288 Ebd., S. 276, Nr. 488. 289 Huter, TUB, Bd. I/2, S. 77f., Nr. 602. 290 Ebd., S. 76f, Nr. 600.

61 enteigneten Güter, unter denen sich auch jenes Weingut in Bozen befindet. Aus der Urkunde geht ebenfalls nicht hervor, wo sich der besagte enteignete Weinberg befand. Loose, der die These Obermairs stützt, nennt Vermutungen, nach denen dieser Weinberg sogar in der Nähe des St.- Quirein-Kirchleins bestand, wodurch sich die These als unwahr erweisen würde.291

In einer Quelle von 1078/82 ist von einer communio Pozanensium civium292 die Rede. Nach Hyes Stadtgründungsthese kann dies als Beleg für eine bereits bestehende Stadt ausgelegt werden.293 Obermair erläutert hingegen 1995, dass die Quelle nicht als Hinweis auf die Existenz von Stadtbürgern fehlinterpretiert werden dürfe, sondern lediglich auf eine gemeindeähnliche Organisation der Siedlung, entstanden aus der kulturellen Nähe zu Oberitalien.294 Bereits 1991 bezeichnet er die Hypothese der Stadtgründung im 11. Jahrhundert als unhaltbar. Hyes Hauptargument sei hierbei die fehlinterpretierte civis-Terminologie. Auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive sei eine Gründung im 11. Jahrhundert nicht möglich. Außerdem sei diese frühe Stadtgründung vollkommen isoliert im Tiroler Raum, ein Gründungszeitpunkt innerhalb der Gründungswelle des späten 12. Jahrhunderts sei wahrscheinlicher.295

Auch der Grundriss deutet auf eine Verbindung zur mitteleuropäischen Gründungswelle des späten 12. Jahrhunderts hin. Obermair stellt 1991 den Vergleich zur Wiener Neustadt (1194) an und findet siedlungstechnische (Grundriss), rechtstopographische (Position Altkirche) und verwaltungsrechtliche (Aussonderung aus älterem dörflichem Gericht) Parallelen.296

Die neuere Forschung tendiert zur Unterstützung der These Obermairs. Einerseits ist diese neuer, andererseits weisen mehrere Indizien darauf hin, dass diese näher an der Realität sein könnte. Obermair hat es geschafft, Hyes Argumente größtenteils zu widerlegen, sodass ein einziger gültiger Einwand Hyes bleibt, der gegen Obermairs These sprechen würde: die zeitliche Nähe der Entstehung der Altstadt zur Neustadt. Ansonsten spricht vieles für Obermairs Version. Vor allem die vorliegende Quellenlage und die Anlage der Marktsiedlung selbst, die als typischer Straßenmarkttypus des späten 12. Jahrhunderts identifiziert wurde, machen es leicht, an eine Gründung im späten 12.

291 Rainer Loose, Der Bozner Siedlungsraum vor der Stadtgründung. Zur früh- bis hochmittelalterlichen Siedlungsstruktur des heutigen Stadtgebietes, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 115-134, hier: S. 125. 292 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 48, Nr. 97. 293 Hye, Die Anfänge und die territoriale Entwicklung der Stadt Bozen, S. 70. 294 Obermair, Kirche und Stadtentstehung, S. 458. 295 Ders., Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S. 172f. 296 Ebd., S. 174.

62 Jahrhundert zu glauben. Trotzdem ist auch Obermairs These keineswegs hieb- und stichfest, zu vage sind die Begründungen und zu viele Fragen sind weiterhin offen geblieben.

3.6. Städtische Bau- und Lebensformen in Bozen Eine mittelalterliche Stadt wird unter anderem durch ihre äußere Erscheinung charakterisiert und von dörflichen Siedlungen unterschieden. Diese wird geprägt durch ihre Architektur, aber auch durch die Menschen, die in der Stadt leben. Die folgenden Kapitel unternehmen den Versuch, diese Aspekte der Stadt in ihrer Entwicklung nachzuzeichnen und ihre Besonderheiten hervorzuheben.

Vor der Gründung der fürstbischöflichen Stadt war der Bozner Talkessel noch kein eng besiedelter Raum, das Landschaftsbild geprägt von Weingärten, vereinzelt stehenden Kirchen und Meierhöfen. Die Hauptkirche Maria im Moos, der heutige Dom, stand, wahrscheinlich nahe der Eisackbrücke, isoliert da, daneben gab es eine große Zahl kleinerer Kirchen und Kapellen, die oft zu den Meierhöfen gehörten.297 Nössing, der die Stadtgründungsthese Obermairs und Looses teilt, formuliert die Ausgangslage für die Anfänge der Stadt 1991 so:

„Die Stadt Bozen wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in eine besiedlungsmäßig erschlossene und verwaltungsmäßig organisierte (zumindest was die kirchliche Organisation anbelangt) Landschaft hineingegründet.“298 Loose charakterisiert 1991 die Anfänge des Bozner Urbanisierungsprozesses durch das „Nebeneinander großer und kleiner Wirtschaftseinheiten, die verschiedene Termini tecnici tragen“299 und sich im Besitz sowohl geistlicher als auch weltlicher Grundherrschaften befanden. Vor allem die Meierhöfe waren als „Zinssammelstellen und grundherrliche Verwaltungsmittelpunkte“300 wirtschaftlich von großer Bedeutung. Als besonders geeignetes Beispiel dafür nennt Loose den bischöflichen Trienter Meierhof vor dem Obertor (ante portam), der auch nach der Stadtgründung nicht an Bedeutung verlor und 1245 über einen Keller, eine Badstube, Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie Weinberge, Äcker und Weideflächen außerhalb der Stadt verfügte. Nicht nur der Bischof von Trient, sondern auch die Bischöfe von Brixen, Augsburg, Freising und Weihenstephan waren im Besitz von Meierhöfen im Bozner Talkessel.301 Ebenfalls auffällig ist die große Zahl von Bauten mit geistlicher Funktion, Kirchen, Kapellen und

297 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 328-330. 298 Ebd., S. 327. 299 Loose, Der Bozner Siedlungsraum, S. 118. 300 Ebd., S.118. 301 Ebd., S. 123.

63 Klöstern, sowohl im Talboden als auch entlang der Hänge.302 Auch die Meierhöfe selbst verfügten über eigene Kapellen. Die St.-Afra-Kapelle gehörte zum Augsburger Meierhof, die Ingenuin-Kapelle zum Brixner Meierhof.303 Hinzu kamen noch die Eisackbrücke sowie einige strategisch günstig gelegene Burgen, von denen aus die Adeligen der Umgebung die Fernverkehrswege im Blick behielten: die Burg Formigar/Firmian bei Sigmundskron, die Burg Weineck auf dem Virglberg und die Burg Severs, die als Zollstation diente.304 Das Dorf Bozen, das es bereits vor der Stadt gab, bestand also aus zahlreichen Weilern und Einzelhöfen, der Marienpfarrkirche, und weiteren geistlichen Bauten wie dem Augustiner-Chorherrenstift und dem St.-Quirinus-Kirchlein, um nur einige zu nennen. Dazwischen gab es vor allem Weinberge.305 Inmitten dieses unregelmäßig besiedelten Talkessels wurde der Straßenmarkt mit dem Bischofspalast, der Stadtmauer mit Graben und den drei Stadttoren hineingesetzt. Der Zeitraum und der Hergang der Stadtgründung wurden bereits in Kapitel 3.4. diskutiert, im folgenden Kapitel soll die Architektur Bozens und ihre weitere Entwicklung besprochen werden.

3.6.1. Stadtbild und Stadtgenese im 12. bis 15. Jahrhundert Die fürstbischöfliche Stadt Bozen entsprach dem für das 12. Jahrhundert typischen Grundrisstyp des von zwei Toren abgeschlossenen Straßenmarkts, der bis in die Gegenwart als heutige Laubengasse (westöstlich orientiert zwischen dem Rathausplatz und dem Obstmarkt) erhalten blieb. Zunächst von einer Mauer inklusive Wassergraben umschlossen, war die bischöfliche Stadt durch drei Tore zu betreten: Durch das Obere Tor im Westen, das Niedere Tor im Osten und durch das Tor im Bereich der bischöflichen Residenz, wo später der Kornplatz entstand.

Abbildung 4: Die fürstbischöfliche Marktgründung Bozen

302 Loose, der Bozner Siedlungsraum, S. 118. 303 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S.329. 304 Loose, Der Bozner Siedlungsraum, S. 122. 305 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 194.

64 Terzer spricht 2004 in Verbindung zum Oberen und Niederen Tor auch vom Oberen und Niederen Platz, die dem heutigen Obstmarkt und Rathausplatz entsprechen. Die Plätze entstanden in Folge der Schleifung der Stadtmauern nach 1276. Die Häuserfronten zu beiden Seiten der Marktstraße bestehen aus viereckigen, schmalen Häuserparzellen, deren Grundriss jedoch ursprünglich nicht so langgezogen war, wie er heute erscheint. Terzer wendet an dieser Stelle nämlich ein, dass es vor der Schleifung der Stadtmauer eine im Inneren der Stadt entlang der Befestigungsanlage verlaufende Ringstraße gab, die vor allem dazu diente, die im hinteren Bereich der Laubenhäuser befindlichen Warenlager für das Verladen zugänglich zu machen. Der Verlauf der Mauerüberreste weist darauf hin, dass die Häuserparzellen ursprünglich kürzer gewesen sein müssen, um den nötigen Platz für diese Ringstraße zu bieten. Erst nach der Schleifung der Stadtmauern wurden die Parzellen in die Länge gezogen, sodass sie die stereotype Form einer Tiefenparzelle bzw. gotischer Parzelle annahmen, und erst nach und nach verbaut. Auch in die Höhe schossen die Laubenhäuser erst später, ursprünglich waren sie deutlich niedriger.306

In der Nähe des heutigen Kornplatzes, wo 1988 Reste der Stadtmauer entdeckt wurden, befand sich auch das palatium episcopi – der Bischofspalast, der genaue Standort ist allerdings umstritten. Eine Seite des Bischofssitzes grenzte allerdings an den Kornplatz, den es bereits gab. Der Palast kann sich also, wie es Lunz 1999 erklärt, auf der östlichen oder auf der westlichen Seite des Platzes befunden haben.307

Zur Stadtmauer, die bis ins Jahr 1276 bestand, konnten zufällige Funde in den 1950er Jahren, die von Nicolò Rasmo als Überreste der Befestigungsanlage identifiziert wurden, sowie die archäologische Ausgrabung am Kornplatz im Jahr 1988 wichtige Erkenntnisse liefern. Aufgrund dieser Funde sind die Zusammensetzung und das Aussehen der Stadtbefestigung bekannt. Die Stadtmauer bestand aus mittelgroßen, unbehauenen Bachsteinen, die durch Mörtel miteinander verbunden waren. Die Ausgrabungen ergaben ebenfalls, was bereits aus schriftlichen Quellen ersichtlich Abbildung 5: Grabenmauer und war: Die Mauer diente als Einfassungsmauer für den Graben, Turmfundament am Kornplatz

306 Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen, S.9f. 307 Lunz, Die Bozner Stadtbefestigung, S. 242.

65 der außen die Befestigungsmauer säumte. Zumindest gilt dies für den Bereich an der Südseite in der Nähe des Kornplatzes. Der Graben war an dieser Stelle fünf bis sechs Meter breit. Die Mauer, die zu dieser Befestigungsanlage gehörte, war allerdings mit rund einem Meter Stärke verhältnismäßig schmal. Lunz betrachtet diese Erkenntnisse in Kombination mit den Informationen aus der urkundlichen Überlieferung und kommt zum Schluss, dass der Bau der Stadtmauer eher eine rechtliche Funktion als eine militärische hatte. Die Elemente der Befestigungsanlage, die eine Schutzfunktion hatten, waren der breite Graben sowie die Stadttürme und -tore, die bewacht waren.308

Während die Stadtmauer 1276 geschliffen wurde, bestand der Graben noch mehrere Jahrhunderte. Sowohl anhand von Namenszusätzen als auch im Rahmen von Ortsbeschreibungen kann der fossatum burgi Bozani309 in den schriftlichen Quellen nachgewiesen werden. So erscheint in den Jahren ab 1310 in einigen Quellen ein Bozner Bürger namens Simon de Bozano super fossato310 beziehungsweise Symonis de Fossato de Bozano311. Etwas später, ab 1326, taucht neben Simon auch Michahel de Fossato Bozani regelmäßig als Zeuge in Urkunden auf.312

Spätestens in den 1240er Jahren waren die Bauparzellen innerhalb der Stadtmauer restlos verbaut. Bereits vor der Schleifung der Stadtmauern durch Meinhard II. war es zu einer Erweiterung außerhalb der Mauern gekommen. Mahlknecht nennt den Grafen von Tirol, den Bischof von Brixen und die Herren von Wanga als Grundherren dieser neuen Stadtteile.313 Laitempergher und Pacella sprechen von einer Verlängerung des Straßenmarkts außerhalb der Stadtmauern im Bereich der heutigen Rauschertorgasse und des Obstplatzes.314 Die Quellen unterscheiden zu dieser Zeit bereits zwischen burgum vetus, der bischöflichen Altstadt, und burgum novum, der Neustadt.315 Wo sich das burgum novum im Jahr 1240 erstreckte, erläutert Nössing 1991:

308 Lunz, Die Bozner Stadtbefestigung, S. 249-252. 309 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 204, Nr. 328. 310 Ebd., S. 170, Nr. 234. 311 Ebd., S. 219, Nr. 373. 312 Ebd., u.a. S. 237, Nr. 423, 424; S. 238, Nr. 428, S. 240, Nr. 433. 313 Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte, S. 27. 314 Franco Laitempergher / Gianni Pacella, Bolzano nel Trecento: la città contesa, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 187-202, hier: S. 191. 315 Huter, TUB, Bd. I/2, S. 76f, Nr. 600.

66

„Zur Neustadt gehören: die Häuser von der Mustergasse zur Pfarrkirche hin, wo in den dreißiger Jahren gebaut wurde, im Osten die Binder- und Vintergasse, die im Auftrag der Herren von Wanga im Entstehen waren, im Westen die Häuser an das Obertor anschließend talferwärts und die Häusergruppe bei Hurlach (heute Stadtmuseum), gegen Nordwesten die Häuser in Richtung Stillendorf und gegen Norden entlang des Grabens (Obstmarkt), wo das Domkapitel von Brixen aus ihrem Meierhof St. Ingenuin Baugründe zum Bau von Häusern vergab.“316 Die Neustadt umgab also in allen Himmelsrichtungen die Altstadt, wobei nur Teile der Neustadt dem Bischof von Trient gehörten.

Abbildung 6: Das burgum novum Die beiden Gassen der Herren von Wanga, in der Folge auch Wanger-Gassen genannt, bildeten im Norden und Osten einen Bogen um die bischöfliche Altstadt. Sie waren ursprünglich zwei Weingüter. Bereits Ende des 12. Jahrhunderts hatten die Wanga damit begonnen, auf ihrem Grund im Norden des fürstbischöflichen Marktes Häuser zu erbauen beziehungsweise anderen die Erlaubnis zum Hausbau zu geben. 1244 wurden sie durch Kaiser Friedrich II. von der bischöflichen Steuer befreit. Es entstanden nun zwei Gassen. Die erste erstreckte sich vom Franziskanerkloster bis zum Vintlertor, die zweite verlief von dort aus bis zum Unteren Tor, wo der Wangaturm erbaut wurde.317

Durch die Schleifung der Stadtmauern 1277 entstanden die zwei Gassen auf dem Graben, bei denen es sich um schmale Steige auf einem nur teilweise zugeschütteten Graben handelte, der Graben

316 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 331. 317 Leo Santifaller, Ein Zinsverzeichnis der Herren von Wanga in Bozen aus der Zeit um 1300 (Schlern-Schriften 9), Innsbruck 1925, S. 143-163, hier: S. 144f.

67 blieb lange Zeit großteils erhalten.318 Im Zeitraum 1277-1300 fassen Laitempergher und Pacella die Stadtgenese folgendermaßen zusammen: Die Stadt wächst an den südlichen und westlichen Rändern, während im Norden und Osten eine Verdichtung des bereits bestehenden Siedlungsraums erfolgt.319

Die beiden Bettelorden, deren Klöster bis heute im Bozner Stadtzentrum zu finden sind, ließen sich beide im 13. Jahrhundert außerhalb der fürstbischöflichen Stadt nieder. Der Franziskanerorden besteht seit Beginn des Jahrhunderts, 1275/76 waren Kirche und Wohngebäude der Dominikaner fertiggestellt.320 Zur selben Zeit ist wahrscheinlich auch das Heiliggeistspital, das hospitalis sti. spiritus in Boçano321, in der Nähe entstanden, es wird ab dem späten 13. Jahrhundert in plötzlicher Häufung in Testamenten bedacht oder in anderen Zusammenhängen in schriftlichen Quellen erwähnt.322 Am 8. Mai 1273 belegt eine Quelle eine Gerichtsverhandlung aput novum hospitale323, was auf eine erst kürzlich erfolgte Errichtung des Spitals hinweisen könnte. Das Hospital und das Dominikanerkloster entstanden südlich der Inneren Stadt, das Franziskanerkloster im Nordwesten.324

Laut Nössing befanden sich im 13. Jahrhundert ein Badehaus am Oberen Tor sowie eine Leprosenunterkunft außerhalb der Stadt jenseits der Eisackbrücke.325 Die Gründung des Augustinerherrenklosters in der Au bestätigt bereits eine Urkunde aus dem Jahr 1160, unterzeichnet von Kaiser Friedrich I.326 Dieses Kloster bestand im Spätmittelalter immer noch, wie eine Urkunde aus dem Jahr 1356327 belegt, die in avgea in monasterio als Ort der Verfassung angibt.

Genauso interessant wie die Straßen und Häuserzüge des 13. Jahrhunderts sind die Plätze der Stadt. Loose merkt 1999 die interessante Lage der Bozner Plätze an: Die Plätze sind allesamt an der Peripherie zu finden. Der älteste Platz ist sicherlich der Kornplatz, der, wie es der Name schon erahnen lässt, ein Ort des Kornhandels und Austragungsort des Schweinemarktes war.328 Auch die Fronwaage stand dort.329 Das Stadtrecht von 1437 belegt ebenfalls, dass Getreide ausschließlich am

318 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 112. 319 Laitempergher / Pacella, La città contesa, S. 192. 320 Helmut Gritsch, Zur Gründungsgeschichte des Dominikanerklosters in Bozen, in: Der Schlern 52 (1978/5), S. 271- 279, hier: S. 275. 321 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 96, Nr. 38. 322 Ebd., S. 83- 85. 323 Ebd., S. 95, Nr. 36. 324 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 334. 325 Ebd. 326 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 152, Nr. 311. 327 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 334, Nr. 676. 328 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 112f. 329 Karl Theodor Hoeniger, Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497, Innsbruck 1951, S. 7.

68 Kornmarkt verkauft werden durfte. Dies war also auch im 15. Jahrhundert noch so. Dasselbe galt übrigens für Käse, Kastanien und Nüsse.330 Außerdem fungierte der Kornplatz bis zur Zusammenlegung der Gerichte 1450 als Gerichtsplatz des bischöflichen Stadtgerichts.331 Weitere ältere Plätze sind der Obere Platz im Westen, der Untere Platz mit den Fleischbänken im Osten und der Platz um die Pfarrkirche im Süden. Der Musterplatz war der einzige Platz, der mit Voraussicht im burgum novum eingeplant gewesen war und diente als Marktplatz und für Feste, Schauspiele und Zusammenkünfte wie Gerichtsverhandlungen und Musterungen.332

Im 14. Jahrhundert hatte sich rund um den ursprünglich gegründeten Straßenmarkt ein ausgeprägtes innerstädtisches Straßennetz gebildet, das Loose in seinem Aufsatz zur Bozner Sozialtopographie 1999 umfassend beschreibt. Nördlich und südlich umrahmten die beiden Gassen auf dem Graben die Marktstraße. Diese waren schmale Steige, die ehemaligen Stadtgräben teilweise noch erhalten und mit Wasser gefüllt. Im Norden und Osten des Straßenmarkts erstreckten sich in einem Bogen die beiden Gassen der Herren von Wanga, im Nordwesten schloss sich die Gasse des Bischofs von Brixen daran an.333

Noch vor der Schleifung der Stadtmauer erwarben oder errichteten sich die in Bozen angesiedelten Adeligen einen Turm, entweder an einer günstigen Stelle in der Nähe der Verkehrswege oder am Rand der Stadt selbst, beispielsweise in der Nähe des oberen Tors oder des bischöflichen Palasts.334 Um 1350 gab es, so schildert es Loose in seinem Beitrag zur Sozialtopographie der Altstadt, rund um die Stadtanlage mindestens zehn Türme, aus Stein erbaut, die sich allesamt im Besitz bischöflich- Trienterund Tiroler Ministerialen befanden und reine Wohntürme waren. Am Oberen Tor, in der Nähe des heutigen Obstmarktes, kamen mehrere Türme vor, das palatium episcopi mit der Andreaskirche wurde von zwei Türmen flankiert. Die restlichen Türme verteilen sich entlang der Stadtmauer, sodass ihnen Loose die Rolle von ehemaligen Wehr- oder Tortürmen nahelegt.335 Die Funktionalität der Türme veränderte sich Mitte des 14. Jahrhunderts, wenige Jahrzehnte nach der Schleifung der Stadtmauern, als die Wehrfunktion durch eine reine Wohnfunktion ersetzt wurde.336

Die Funktionalität der Stadttürme war bei Weitem nicht der einzige Umstand, der sich im 14.

330 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 81f. 331 Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung, S.269. 332 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 113. 333 Ebd., S. 112. 334 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 331f. 335 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 109. 336 Ebd., S. 109.

69 Jahrhundert in Bozen veränderte. Das Stadtbild Bozens wurde innerhalb von wenigen Jahrzehnten von mehreren einschneidenden Ereignissen erschüttert. 1276 endete die politische Auseinandersetzung Meinhards II. und des Bischofs Heinrich von Trient mit der Schleifung der Stadtmauern, was neben rechtlichen Konsequenzen auch eine starke Veränderung des Stadtbildes bot, unter anderem aber auch die Ausdehnung der Stadt favorisierte. 337

Franco Laitempergher und Gianni Pacella sprechen 1999 von einer Reihe von Katastrophen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts: Überschwemmungen, Dürre, Krieg und Pest setzten dem Stadtbild zu, sodass über diese Jahre hinweg hauptsächlich Ausbesserungs- und Wiederaufbauarbeiten vorgenommen wurden.338 1347 wurde die Stadt von Soldaten König Karls IV. im Rahmen eines Feldzugs gegen die Tiroler Landesfürstin Margarethe geplündert und in Brand gesteckt.339

Die immer wieder vorkommenden Naturkatastrophen hatten sicherlich Einfluss auf die Veränderung des Stadtbildes, mangels detaillierter Überlieferungen kann dieser Einflussfaktor jedoch schwer eingeschätzt werden. Loose spricht in seinem 1991 veröffentlichten Aufsatz über den Bozner Siedlungsraum von mehreren Hochwassern. In den Jahren 1237 und 1239 trat der Eisack über die Ufer, was eine Veränderung des Flusslaufs südlich der Stadt zur Folge hatte. Zwischen 1237 und 1307 verlagerte die Talfer durch mehrere Hochwasser ihren Verlauf in Richtung Osten und rückte somit näher an die Stadtgrenze heran. Im 14. Jahrhundert waren die Hochwasser im Bozner Talkessel so häufig und so verheerend, dass beschlossen wurde, Maßnahmen zum Hochwasserschutz zu ergreifen und den Flusslauf der Talfer zu verbauen.340 Dazu erteilte Herzog Leopold III. von Österreich der Stadt 1381 ein Ratsprivileg und übertrug dem zu wählenden neunköpfigen Rat gleichzeitig die Aufgabe, die Stadt vor der Hochwassergefahr zu schützen:

es sey vmb weg, vmb prugkhenn vnnd steg zemachenn vnnd vmb baw vnnd werckh fúr den Eysackh vnd fúr die Taluern vnnd fúr annder wasser, die der stat zu schaden giengenn, schickhen vnnd haissen machenn341 Hoeniger publiziert 1951 eine Skizze der Stadt im späten 15. Jahrhundert, welche auf den Informationen aus dem Häuserverzeichnis von 1497 beruht.342 Im Vergleich mit der darunter zu

337 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 108. 338 Laitempergher / Pacella, La città contesa, S. 190. 339 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 108f. 340 Ders., Der Bozner Siedlungsraum, S. 116f. 341 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 397, Nr. 838. 342 Hoeniger, Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt S. 12f.

70 findenden frühneuzeitlichen Zeichnung aus dem frühen 17. Jahrhundert, lässt sich vermuten, dass sich die Stadt an der Wende zur Neuzeit nicht sehr veränderte.

Abbildung 7: Skizze Bozens in Hoenigers „Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497“

Abbildung 8: Bozen im Jahre 1607 (Zeichnung von Ludwig Pfendter, Original im Staatsarchiv Wien)

71 Die Skizze Hoenigers enthält nur die im überlieferten Marktrechtsverzeichnis enthaltenen Häuser. Rund um die Stadt gab es natürlich die bereits genannten Meierhöfe und andere Kirchen und Weiler. Ludwig Pfendters Zeichnung hingegen bildet einen größeren Bereich ab. Trotzdem ist nicht erkennbar, dass sich im Laufe des 16. Jahrhundert neue Viertel in der Stadt gebildet hätten.

Nachdem die architektonische Entwicklung der Stadt Bozen im Laufe des Mittelalters umrissen wurde, soll nun ein Augenmerk auf die Bewohner dieser Häuser gelegt werden, beziehungsweise jenes zusammengetragen und diskutiert werden, das aus dieser Zeit überliefert ist.

3.6.2. Die burger und inwoner im burgfriden Botzen343: Sozialtopographie und Ausdifferenzierung der Gesellschaft Loose bemängelt 1999 die bisherige Auseinandersetzung der historischen Forschung mit den sozialtopographischen Aspekten der mittelalterlichen Stadt Bozen. Er merkt gleichzeitig an, ein Überblick über die räumliche Verteilung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung gestalte sich aufgrund der hohen Besitzermobilität und der häufig vorkommenden, jedoch selten schriftlich vollständig erfassten Vermietung der Stadthäuser schwierig.344 Nössing spricht von einer häufigen Vermietung der Häuser in der Stadt im 13. Jahrhundert. Meist befanden sich die Häuser im Besitz von Adeligen, Bürgern oder wohlhabenden Personen bäuerlicher Herkunft, sowie auswärtiger Kaufleute.345

Für die früheste Zeit der Stadt, als nur die von Mauer und Graben umsäumte Marktstraße bestand, ist die Sozialtopographie recht einfach zusammenzufassen. Wie Laitempergher und Pacella 1999 erläutern, wurden die Häuser entlang der Marktstraße von Handwerkern und Krämern bewohnt, die in den Gebäuden sowohl wohnten als auch arbeiteten und ihre Waren verkauften. Die am Rande der Befestigungsanlage erbauten Türme hingegen wurden von Ministerialen im Dienste des Trienter Bischofs besetzt.346

Dass die Bewohner Bozens einen besonderen Rechtsstatus genossen, deutet eine Quelle vom 8. Dezember 1256 an, in der burger vnd inwoner im burgfriden Botzen vor Bischof Egno von Trient eine Steuererleichterung erbitten.347 Gemäß der Erläuterungen Looses gibt der Begriff habitator, der mit inwoner gleichgesetzt werden kann, nicht Auskunft über die Wohnverhältnisse der Person, sondern

343 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 84, Nr. 9. 344 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 105f. 345 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 331. 346 Laitempergher / Pacella, La città contesa, S. 191. 347 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 84, Nr. 9.

72 über ihren Rechtsstatus:

„Rätselhaft und zweideutig ist ferner der Begriff habitator. Sicher scheint zu sein, daß der Namenszusatz civis et habitator in Bozano nicht der Unterscheidung von Hausbesitzern und Nicht- Hausbesitzern dient, sondern er soll eher verdeutlichen, daß der Betreffende das Bürgerrecht genießt. Die Verwendung von habitator im Sinne von Hausbewohner, Ingehäuse oder Mieter findet sich vergleichsweise selten, z. B. 1342, als in einer Beurkundung […] [der] Zeuge ,Heinricus institor‘ […] ausdrücklich als ,habitator in domo dicti Chunradi‘ bezeichnet wird.“348 Bevor diese burger vnd inwoner besprochen werden, sollen zunächst einige Bevölkerungszahlen genannt werden, die in der Forschungsliteratur zu finden sind: Nössing nennt 1991 für das Jahr 1240 eine Häuserzahl von 80 Häusern im burgum vetus, im burgum novum und in den anliegenden Vierteln eine ungefähre Häuserzahl von 250. Daraus resultierend nennt er, sich auf Schätzungen Voltelinis von 1922 stützend, eine Einwohnerzahl von 1500-2000 Personen. Am Ende des 13. Jahrhunderts sei aber die Häuserzahl stark angestiegen und die Häuserzahl habe sich verdoppelt oder gar verdreifacht.349 Brandstätter führt diesen Gedankengang 1999 zu Ende und errechnet eine Einwohnerzahl von 3000-6000 Personen. Diese Hochrechnung hält er allerdings für zu optimistisch und geht eher von 3000 als von 6000 Personen aus.350 Die neueste Publikation in diesem Zusammenhang stammt von Gian Maria Varanini. 2018 spricht er von einer ungefähren Einwohnerzahl von 2000 Personen im 15. Jahrhundert.351 Mit um die 2000 Einwohnern kann Bozen laut der Kategorisierung nach Laitempergher und Pacella von 1999 zu den mittelgroßen mittelalterlichen Städten gezählt werden.352

Nössing versucht 1991 vor allem anhand der in den Quellen genannten Zeugen die Berufe der Einwohner zu ermitteln, ist sich jedoch dabei bewusst, dass diese Nennungen keine statistischen Daten darstellen und daher kein realistisches oder vollständiges Abbild der Gesellschaft liefern. Interessant ist die Fülle an Handwerken, die genannt werden.353

Als besonders häufig nennt Nössing Schmiede, Metzger, Müller, Schneider, Maurer und Barbiere. Unter den weniger häufig genannten Berufen, die Nössing ebenfalls aufzählt, erstaunt vor allem jener des Wirts, die zur selben Zeit in Trient häufig als Zeugen auftreten. Ebenfalls bemerkenswert ist eine augenscheinlich hohe Zahl an Notaren, Ärzten und muncerii, also entweder Münzprägern oder Geldwechslern, in Bozen. Die Begriffe mercator und negotiator fallen in den Quellen des 13.

348 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 114. 349 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 332. 350 Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, S. 130. 351 Varanini, Viste dalla pianura padana, S. 31. 352 Laitempergher / Pacella, La città contesa, S. 188. 353 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 332.

73 Jahrhunderts interessanterweise kaum, cramarii und stationarii (Krämer) hingegen schon.354

Leo Santifaller publiziert 1925 ein „Zinsverzeichnis der Herren von Wanga“355, das aus der Zeit um 1300 stammt und 106 Häuser anführt. Karl Theodor Hoeniger weist 1938 jedoch nach, dass dieses Zinsverzeichnis ein „Marktrechtverzeichnis der ganzen Laubengasse, eines Teiles des Obstplatzes, sowie der südlich davon gelegenen Neustadt darstellt“356. Nichtsdestotrotz gibt es Einblick in gesellschaftliche Ausdifferenzierung der Einwohner Bozens und ist sicherlich eines der ältesten kompakten Verzeichnisse der Häuser und Bewohner der mittelalterlichen Stadt. Sechs der 106 aufscheinenden Häuser sind im Besitz geistlicher Institutionen oder Personen, 14 Häuser gehören Ministerialen oder Rittern, ein Haus gehört einem Bauern. Der Großteil der Häuser scheint im Besitz von Händlern oder Gewerbetreibenden zu sein. Santifaller listet die vertretenen Gewerbe auf, die mindestens einmal als Hausbesitzer, beziehungsweise bei zwei Häusern als Bewohner genannt werden: Schuster, Handschuher, Schmied, Ziegelbrenner, Hafner, Schwertfeger, Händler, Arzt, Maurer, Notar, Schneider und Krämer.357

Die „zäsurbildende Kraft des habsburgischen Herrschaftswechsels 1363“358 wirkte sich langfristig auf die Entwicklung ganz Tirols aus. Es wurde ein sozialer Umstrukturierungsprozess angestoßen, die erhöhte soziale Mobilität in den urbanen Zentren führte zu einer sozialtopographischen Neuordnung, die arme Bevölkerung rückte an den Stadtrand während die Oberschicht sich im Stadtzentrum sammelte.359 Loose erkennt im Bestehen und in der Häufung von Gewerbetreibenden keine großen Veränderungen seit dem 13. Jahrhundert, allerdings erfolgte eine räumliche Differenzierung der Gewerbe, die wohl auch aus praktischen Gründen als sinnvoll angesehen wurde. Metzger, Gerber und Müller siedelten sich aus Gründen der Wasserversorgung und der Geruchsbelästigung in der Peripherie an, es entwickelten sich die Straßenbezeichnungen Fleischgasse, Gerbergasse und Mühlgasse, die laut Loose auf die hier dominierenden Gewerbe verweisen. Auch die verbesserten Brandschutzgebote verbannten einige Gewerbe an den Stadtrand, wie die Bäcker, Ziegler und Schmiede. Krämer, Notare und Wirte suchten die Kundennähe im

354 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 332f. 355 Santifaller, Ein Zinsverzeichnis der Herren von Wanga, S. 143-163. 356 Karl Theodor Hoeniger, Das „Zinsverzeichnis der Herren von Wanga“ – ein Marktrechtsverzeichnis der Laubengasse, Der Schlern 19 (1938/1-2), S. 2. 357 Santifaller, Ein Zinsverzeichnis der Herren von Wanga, S. 151. 358 Obermair, „Bastard Urbanism”?, S. 71. 359 Ebd.

74 Zentrum.360

Loose bezeichnet die Sozialstruktur der Laubengasse im 14. Jahrhundert als homogen. Hausbesitzer waren wohlhabende Bürger und Kaufleute, die zusätzlich Liegenschaften in und um Bozen besaßen, die sie an die bäuerlichen Bewohner der Neustadt und Vorstadt verpachteten. Die Bezeichnungen Welsche und Teitsche Gewölbe entstanden im 15. Jahrhundert, als vermehrt fremde Kaufleute dort Häuser erwarben. Diese stammten sowohl aus dem Süden, beispielsweise Verona oder Rovereto, als auch aus dem Norden, aus Augsburg, Nürnberg oder Regensburg. Welsch, walsch oder walch stand laut Loose für nicht-deutsch, also entweder für Personen italienischer oder sonstiger Sprache. In Bezug auf die Laubengasse sind aber wohl die italienischsprachigen Hausbesitzer gemeint.361 Der Obere Platz war ab Mitte des 14. Jahrhunderts der Hauptplatz der Stadt. Neben Wirten und Krämern wohnten hier adelige Familien und angesehene Bürgerfamilien.362

Riedmann spricht 2015 von geringer Zuwanderung in Bozen. Eher in Trient sei ein Zuzug von Verona her spürbar gewesen, aufgrund weniger und unpräziser Quellen können dazu allerdings nur vage Aussagen gemacht werden.363 Hannes Obermair und Helmut Stampfer werfen 2000 ein, dass nur jene Zuwanderer in den Quellen aufscheinen, die Immobilien oder Grund erwarben, Besitzlose erscheinen in den Quellen nur selten. Sie sprechen im Gegensatz zu Riedmann nicht von geringer, sondern von

„kontinuierliche[r] Zuwanderung aus süddeutsch-innerösterreichischen und oberitalienischen Gebieten. Die Immigranten waren in der Regel Kaufleute bzw. spezialisierte Handwerker, Gewerbetreibende oder auch Finanzfachleute, die ihren gehobenen Lebensstil sicherlich mit in ihre neue Heimat übertrugen.“364 Obermair und Stampfer sind also durchaus der Meinung, dass in Bozen nicht nur Zuwanderung bestand, sondern explizit Zuwanderung aus gehobenen Kreisen, welche ihren Einfluss auf die Lebensformen der Oberschicht in Bozen hatte.

Die Ansiedlung von Juden, ein häufiges Merkmal florierender Handelsstädte, blieb in Bozen weitgehend aus. Bis ins 13. Jahrhundert hinein gibt es keinerlei Hinweise auf „dauerhafte Präsenz

360 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 116f. 361 Ebd., S. 120-122. 362 Hannes Obermair / Helmut Stampfer, Urbane Wohnkultur im spätmittelalterlichen Bozen, o. D., [https://www.comune.bolzano.it/UploadDocs/4666_BIBLIO_03.pdf], eingesehen am 20.12.2018, o. S. 363 Riedmann, Eine von gemeinsamen Interessen getragene Nachbarschaft, S. 155. 364 Obermair / Stampfer, Urbane Wohnkultur im spätmittelalterlichen Bozen, o. D., [https://www.comune.bolzano.it/UploadDocs/4666_BIBLIO_03.pdf], eingesehen am 20.12.2018, o. S.

75 von Juden im Alttiroler Raum“365. Brandstätter nennt für das frühe 15. Jahrhundert lediglich drei jüdische Familien, die in Bozen ansässig gewesen sein sollen.366 Hoenigers Häuserverzeichnis von 1497 belegt einen Steffan Jud schuechmacher Bürger als Besitzer eines Hauses in der Laubengasse im Jahr 1495.367 In diesem Jahr wurde er auch gegen Leistung eines Bürgereids als Bürger in die Stadt aufgenommen.368 Das Bozner Stadtrecht von 1437 belegt, dass es in Bozen zu dieser Zeit Bestimmungen zum Verhalten jüdischer Personen auf den Märkten gab. Die Metzgerordnung gab beispielsweise vor, dass von Juden berührtes oder geschlachtetes Fleisch nur an einen Christen verkauft werden durfte, wenn jener vorher davon in Kenntnis gesetzt wurde.369 Helmut Rizzolli und Walter Schneider interpretieren diese Verordnung 2012 als Beleg für die Toleranz, die Juden in Bozen entgegengebracht wurde. Fremden hingegen war Schlachten und Fleischverkauf strikt untersagt.370 Artikel 36 des Stadtrechts legt ein Berührungsverbot von Waren mit Kaufzwang in Folge von Berührung einer Ware fest.371 Die Stadt war also mit jüdischer Bevölkerung zumindest im Rahmen von Handelsgeschäften vertraut, auch wenn die Belege für die Niederlassung von Juden in Bozen wenige sind.

Zur Bildung eines Judenviertels kam es in Bozen nicht, die Juden wohnten seit jeher in der Stadt verstreut, vermutlich aufgrund der geringen Größe sowohl der Stadt als auch der jüdischen Gemeinde. Erst im 16. Jahrhundert ist in einer Quelle von mehreren von Juden bewohnten Häusern in der Mustergasse und von einer Judengasse im Bereich der heutigen Vintlerstraße die Rede. Die Gassen und Viertel, in denen Juden wohnten, wechselten jedoch im Laufe der Jahrhunderte immer wieder.372 Eine Ansiedlung der Juden in unmittelbarer Nähe zum Markt wäre für die Zeit nicht untypisch gewesen, denn selbst in den großen und bedeutenden Bischofsstädten wie Köln, Trier, Worms, Speyer und Würzburg wurde dem Judenviertel ein Areal in prominenter Lage am Markt oder am Dom zugestanden.373

365 Klaus Brandstätter, Juden in Tirol in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Stiftung Bozner Schlösser (Hrsg.), Simon und Sarah in Bozen. Jüdische Präsenz in und außerhalb der Stadt bis zum 18. Jahrhundert (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 4), Bozen 2012, S. 13-35, hier: S. 17. 366 Ebd., S. 21. 367 Hoeniger, Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt, S. 24, Nr. 52. 368 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 222, Nr. 1295. 369 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79, Nr. 996. 370 Helmut Rizzolli / Walter Schneider, Jüdische Lebensbilder aus Bozen, in: Stiftung Bozner Schlösser (Hrsg.), Simon und Sarah in Bozen. Jüdische Präsenz in und außerhalb der Stadt bis zum 18. Jahrhundert (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 4), Bozen 2012, S. 69-148, hier: S. 72. 371 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 81. 372 Rizzolli / Schneider, Jüdische Lebensbilder aus Bozen, S. 80. 373 Hirschmann, Leitlinien der Stadtgestaltung im 10. bis 12. Jahrhundert, S. 108.

76 Brandstätter nennt in seinem Aufsatz von 1999 eine Reihe von einflussreichen Bozner Bürgern und berichtet, was in den Quellen über deren Familie, deren Ämter und deren Geschichte zu finden ist. Besonders interessant ist der Werdegang der Familie Botsch, der in vielerlei Hinsicht erwähnenswert ist. Brandstätter nennt die Familie Botsch als „Paradebeispiel für sozialen Aufstieg“374 im mittelalterlichen Bozen. Gleichzeitig sind die Botsch ein Beispiel für eine erfolgreiche Zuwandererfamilie aus Oberitalien. Heinrich Botsch, dessen Vater bereits in Bozen im Familiengrab beerdigt wurde, ist seit 1332 in Bozen als Zöllner tätig. Wie Brandstätter 2015 anmerkt, sind die Botsch zusätzlich ein außergewöhnliches Beispiel für den Weg einer Bürgerfamilie in den Adel. Bereits der Vater nutzte seinen Reichtum, um nach adeligem Vorbild großzügige Stiftungen zu tätigen, auch sein Grab im Dominikanerkloster besitzt adelige Dimensionen. Heinrich selbst heiratet zweimal eine Frau aus dem Niederadel, seine Söhne hatten Rittertitel.375 Seine erste Frau war eine Angehörige der von Niedertor, die zweite Ehefrau der Völser.376 Die Völser waren ebenfalls eine in den Adel aufgestiegene Bürgerfamilie, die es jedoch nicht vermochten, im Bozner Adelskreis Anerkennung zu finden.377 Eine Quelle von 1348 nennt einen Botsch von Florentz, zolner zu Botzen378 als Empfänger einer Bürgschaft. Ob es sich hierbei um denselben oder um einen Nachkommen handelt, geht aus der Quelle nicht hervor. Der dominus Botscho di Florencia wird in den folgenden Jahren wiederholt als Zeuge genannt.379 Der Beiname dominus weist auf seine Angehörigkeit zur Oberschicht hin. Seit 1351 erscheint er immer wieder als Spitalsverwalter. Einige der überlieferten Urkunden sind in seinem Haus entstanden, das in der Wangergasse gewesen zu sein scheint. Eine Urkunde aus dem Jahr 1351 gibt Bozani in Wangergaz in domo dni Botschonis de Florencia380 als Ort der Abfassung an, eine Urkunde aus dem Jahr 1355 hingegen Bozani in domo habitacionis dni Botschonis de Florencia habit. Bozani381. Brandstätter berichtet von einer Anhäufung von Besitz und kleinen Privilegien der Familie Botsch sowie von zahlreichen Stiftungen und karitativem Einsatz.382

Brandstätter bemerkt zusammenfassend, dass die städtischen Familien Bozens nur in Ausnahmefällen länger als drei Generationen lang belegt sind. Es scheint, dass die Familien ihren

374 Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, S. 144. 375 Klaus Brandstätter, Bozen an der Wende zum 15. Jahrhundert, in: Max Siller (Hrsg.), Hans Vintler: Die Blumen der Tugend (1411) (Schlern-Schriften 362), Innsbruck 2015, S. 55-69, hier: S. 64. 376 Ders., Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, S. 144. 377 Ders., Bozen an der Wende zum 15. Jahrhundert, S. 65. 378 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 313, Nr. 617. 379 Ebd., S. 322, Nr. 639, S. 323, Nr. 643. 380 Ebd., S. 326, Nr. 655. 381 Ebd., S. 332, Nr. 670. 382 Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, S. 144.

77 sozialen Status aus welchen Gründen auch immer nicht halten können.383 Obermairs These von der hohen sozialen Mobilität nach 1363 lässt sich also insofern bestätigen, als sie in beide Richtungen zu beobachten ist. Da die Entstehung des Stadtrates als festes Gremium in Bozen schleppend verlief, lässt sich die bürgerliche Oberschicht nicht gut über diesen Weg untersuchen. Die Richterämter wurden bis ins 14. Jahrhundert durch Angehörige des Niederadels bekleidet, daher blieb für die bürgerliche Oberschicht unter anderem die Position des Spitalsverwalters, der in den Quellen relativ häufig belegt ist, wie es auch das Beispiel der Familie Botsch zeigte. Auch als Inhaber von Zollämtern ist die bürgerliche Oberschicht stark präsent. Auch Kirchpröbste stammten fast ausnahmslos aus dem gehobenen Bürgertum.384 Brandstätter fasst den Aktionsrahmen und die Merkmale der einflussreichen Bozner Bürger so zusammen:

„Die Spitzenschicht innerhalb der Bozner Bürgerschaft zeichnete sich durch folgende Elemente aus: aus umfangreichem Besitz und Renteneinkünften zu schließender Reichtum, Kontakte mit dem Adel der Stadt oder der Umgebung, Konnubium mit Angehörigen der Bozner Oberschicht, vorrangige Zeugenstellung und Bekleidung wichtiger städtischer Ämter. Zum Teil sind feststellbar: Konnubium mit dem Stadt- und Landadel, Herrentitel, Handelstätigkeit, Amtstätigkeit im landesherrlichen Auftrag, Darlehensvergabe, Lehensempfang, standesgemäße Versorgung von Kindern im kirchlichen Bereich, umfassende kirchliche Stiftungen bis hin zur Errichtung eigener Kapellen.“385 Die vorhin besprochene Familie von Botsch lässt sich also durch die Erfüllung mehrerer dieser Kriterien in die Bozner Oberschicht einreihen: Als Inhaber einer Zollstation und mehrerer Grundstücke genossen die Botsch Reichtum. Heinrich Botschs Frau war eine von Niedertor, der Spitalsverwalter Botsch wird mehrmals als Zeuge urkundlich erwähnt. Ebenfalls urkundlich belegt sind die kirchlichen Stiftungen und die Errichtung der Nikolauskapelle in der Dominikanerkirche sowie eine mögliche Beteiligung am Neubau der Pfarrkirche durch Heinrich Botsch.386 Einer der einfachsten Hinweise auf die Zugehörigkeit zur gehobenen Bürgerschaft ist die Bezeichung als Herren (domini) in den Quellen. Eine Abgrenzung zum Adel gibt es hier nach Brandstätter semantisch nicht.387 Gleichzeitig verschwammen auch in der Realität die Grenzen zwischen Adel und Bürgertum. Wie es das Beispiel der Familie Botsch zeigt, strebten die einflussreichen Bürger Konnubien mit dem Niederadel der Stadt an und konnten sich durch ihren Reichtum einen Lebensstil nach adeligem Vorbild leisten. Der alteingesessene Adel reagierte mit Befremdung und teilweise mit Missbilligung auf dieses Phänomen, nicht alle in den Adel aufgestiegenen Familien schafften es, im Adelskreis der

383 Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, S. 152. 384 Ebd., S. 152f. 385 Ebd., S. 153. 386 Ebd., S. 144. 387 Ebd., S. 154.

78 Stadt Anerkennung zu finden.388

Die Wangergassen des 14. Jahrhunderts bezeichnet Loose im Gegensatz zur Inneren Stadt als ein heterogenes Viertel. Hier lebten vor allem Gewerbetreibende und kleine Bauern, aber auch angesehene Personen, wie Chunradus scriptor ex Wangergasse, der die Bürgerschaft im späten 14. Jahrhundert in einem Steuerstreit vertrat389, oder dominus Johannes Gotsch390 im frühen 15. Jahrhundert. Auch ein Notar geht aus einer Quelle des späten 14. Jahrhunderts, dem Testament eines Mitglieds der Familie Botsch von 1384, als Bewohner der Wangergassen hervor: Gotfridus extra Wangergazze Bozani391.

Über die Sozialtopographie des Mittelalters gibt es also in der Forschungsliteratur wenige und lückenhafte Erkenntnisse, die sicherlich der dürftigen Quellenlage geschuldet sind. Eine Ausgangslage für eine Untersuchung der spätmittelalterlichen Situation wäre das Hoeniger besprochene Häuserverzeichnis392. Allerdings liefert das Verzeichnis lediglich quantitative Informationen, außerdem ist eine Interpretation dieser Informationen nicht einfach. Sie werden in der Forschungsliteratur nur am Rande erwähnt und nicht in einen größeren Kontext gestellt, und dies in dieser Diplomarbeit zu versuchen, wäre ein zu umfangreiches Projekt. Außerdem gäbe es aus den Jahrhunderten zuvor zu wenige Informationen, als dass Vergleiche angestellt werden könnten.

Die Oberschicht Bozens ist, wie so oft, jene soziale Schicht, die am besten dokumentiert und erforscht ist. Dies liegt an der Quellenlage, die über diese Gruppe am meisten Informationen bietet.

3.6.3. Der rat vonn Povzenn393: Kommunale Anfänge und Stadtrat in Bozen Bei aller Konkurrenz um die Herrschaft in der Stadt waren die Bürger Bozens schon früh eine „eigenständig handelnde soziale Gruppe“394. Auf örtlicher Ebene war das Dorf Bozen bereits im 11. Jahrhundert gemeindeähnlich organisiert. Die Kirche hatte die Funktion als Rechtsbezirk und Ort der Rechtshandlung, war Friedensbereich, Kommunikationszentrum und Handelsplatz. Die Quelle von 1078/82, in der eine communio Pozanensium civium395 genannt wird, wurde, wie bereits erläutert, von Hye als Beleg für eine frühe Stadtgründung ausgelegt, was von Obermair wiederum widerlegt

388 Brandstätter, Bozen an der Wende zum 15. Jahrhundert, S. 65. 389 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 119. 390 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 40, Nr. 910. 391 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 384, Nr. 804. 392 Karl Theodor Hoeniger, Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497, Innsbruck 1951. 393 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 356, Nr. 722. 394 Ders., Kirche und Stadtentstehung, S. 463. 395 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 48, Nr. 97.

79 wurde. Der civis-Begriff sei auf eine Landgemeinde und nicht auf eine Stadtgemeinde zu beziehen.396 Loose interpretiert diese communio Pozanensium civium als Gruppe von Personen, „die aufgrund ihres personenrechtlichen Status nicht Grundholden einer Grundherrschaft waren.“397 Loose sieht diese Gemeinschaft somit als „Keimzelle der späteren Stadt“, als „Wurzel städtischen Lebens und Wirtschaftens“398. Was die Quelle mit Sicherheit belegt, ist die Existenz einer kommunenähnlichen Gemeinschaft. In einer weiteren Quelle von 1202 treten die Bauzanenses in plebatu Bauzani comorantes399 als eigenständige Gruppe in Zollverhandlungen mit den Bischöfen von Trient und Brixen auf.

In der ersten Zeit der Stadtgründung sind keine Hinweise auf einen Rat aus den schriftlichen Quellen bekannt, erst ab dem 14. Jahrhundert gibt es schriftliche Belege eines Stadtrats:

Hagen diskutiert 2015 die Existenz eines städtischen Geschworenenausschusses mit 13 Mitgliedern, der 1309 in einer Urkunde genannt wird.400 Die Forschung ist sich nicht darüber einig, ob es sich hierbei um eine situative oder um eine feste Einrichtung handelt.401 Ebenso wurde die Anzahl der Ratsmitglieder in verschiedener Weise interpretiert. Auch Brandstätter bringt 1991 dieses „neben den Richtern agierend[e] städtisch[e] Gremium“ zur Sprache, wobei „Fragen hinsichtlich Kompetenzen, Einsetzung und Periodizität unbeantwortet [bleiben]“402. Brandstätter, der den Rat in dieser Zeit für situativ eingerichtet hält, nennt zwölf Mitglieder dieses Ausschusses, zwei sindici bzw. procuratores und zehn iurati, während Stolz nur die zehn iurati als Mitglieder eines Rats zählte.403

Mitte des 14. Jahrhunderts belegen erste Quellen die Existenz eines neunköpfigen Rates in Bozen. Die älteste Quelle, in der explizit ein Bozner Rat genannt wird, stammt vom 4. April 1350.404 Herzog Rudolf IV. von Österreich setzt 1363 in Folge einer Uneinigkeit zwischen dem rat vonn Poczenn und der gmain einen Ausschuss zu neun erber man ein, zu dessen Aufgaben die Festsetzung und Einhebung von Steuern, die Instandhaltung von Straßen und Brücken im Stadtbereich, der Hochwasserschutz sowie die Kontrolle der Wein- und Getreidepreise gehören. Der Rat soll durch

396 Obermair, Bozner Urkundenwesen des Mittelalters, S. 173. 397 Loose, Der Bozner Siedlungsraum, S. 126. 398 Ebd. 399 Huter, TUB, Bd. I/2, S. 15f, Nr. 542. 400 Stolz, Die Ausbreitung des Deutschtums, Bd. 3/2, S. 9, Nr. 42a. 401 Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe, S. 67f. 402 Brandstätter, Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, S. 128. 403 Ebd. 404 Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung, S. 264, Anm. 2.

80 den Landesfürsten oder seinen Hauptmann bestellt werden.405 Diese Quelle weist einerseits darauf hin, dass es bereits einen Rat in Bozen gab, andererseits dass Rudolf IV. die Bildung und Form des neuen Rates bestimmte.

Eine Urkunde von 1417 liefert Informationen zur Zusammensetzung des rat der Stadt Bozen: Er besteht aus edln, burgern und bawleutn406. Herzog Friedrich IV. von Österreich ermächtigt den Rat in dieser Urkunde, nach gesetzter Ratsordnung selbst Strafen zu verhängen, die vom Grieser Landrichter und vom Bozner Stadtrichter vollzogen werden sollen.407 Bereits ein Jahr zuvor hatte er die beiden Richter angewiesen, die Beschlüsse des Rates zu verkünden und für deren Einhaltung zu sorgen.408

Das Bozner Stadtrecht von 1437 steht in Verbindung zu einem bestehenden Rat in Bozen. Zu Beginn der 104 überlieferten Satzungen steht als Einleitung Vermerkht alle stadùtten der statt Potzen, wie die von altter gesetztt vnnd auch von neuen rathsweis gemacht seint.409 Es handelt sich dabei also, wie es Obermair 2008 zusammenfasst, um eine „Sammlung der vor allem Polizei und Handel betreffenden Satzungen, die der Stadtrat im Einvernehmen mit dem tirolischen und trienterischen Richter […] festgesetzt hatte bzw. welche die Stadt Bozen durch einen Ausschuss des Stadtrats aufzeichnen ließ.“410

Am 7. April 1442 erlässt Herzog Friedrich V. auf die Forderung der Bozner Bürger hin ein Ratsprivileg, das von Obermair 2008 wie folgt editiert und paraphrasiert wurde:

Fridrich rómischer kunig, herczog zw Osterreich zu Steir zu Kerndenn vnnd ze Krain, graue zu Tyrol, für sich und seinen vetter herczog Sigmund erteilt den burgern zu Boczenn und der stat daselbs auf deren vor ihm vorgebrachte Klage, dass in Bozen kain geseczter rat bestehe, ein Ratsprivileg mit folgenden Einzelbestimmungen: • jährlich am 12. Tag nach Weihnachten (Anfang Jänner) soll ein zwölfköpfiger Ratsausschuss (ain gesaczter rat) aus drei Vertretern vom adl und neun erber man aus den zwain gerichten zu Gries vnnd des goczhaws zw Triendt gerichte auf ein Jahr gewählt werden; • die gewählten Ratsmitglieder (ratgebenn) müssen ihre Wahl annehmen bei richterlicher Strafandrohung (peen) von 100 fl.; • die Stadträte sind zu vereidigen auf Herzog Sigmund (von Österreich-Tirol) bzw. dessen haubtman und müssen die Förderung vnnsers lannds und des Trienter Gotteshauses geloben; • der Stadtrat darf keinerlei Beschlüsse fassen, die gegen die herschaft und das haws von Ósterreich gerichtet sein könnten;

405 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 356, Nr. 722. 406 Ders., Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 52, Nr. 940. 407 Ebd. 408 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2 S. 51, Nr. 937. 409 Ebd., S. 79, Nr. 996. 410 Ebd.

81 • die Zuständigkeit des Rats beschränkt sich auf Straßen-, Brücken- und Wasserschutzbauten (vmb weg, vmb prugkhenn vnnd steyg zumachen vnnd vmb bey vnnd werckh fúr denn Eysackh vnnd fúr die Taluern vnnd fúr annder wasser, die der stat zu schaden gienngen) und auf Angelegenheiten des Wein- und Getreidehandels (bey kauff an wein vnnd an getraid vnnd an andern sachen); • der Rat soll seines Amtes nach den alten geseczten, unter striktem Gleichheitsgebot gegenüber armen vnnd reichen und nach der stat nucz vnnd fromen walten; • der Rat muss bei der Behandlung wichtiger Agenden beide Bozner richter beiziehen und sich mit diesen ins Einvernehmen setzen; • während der einjährigen Amtsperiode ausscheidende Ratsmitglieder sind unverzüglich von der Bürgerschaft aus dem jeweiligen Gerichtssprengel mittels Wahl zu ersetzen; • die zwölf Personen müssen jährlich bei Strafe von 100 fl. ausgetauscht werden, wobei der alte Rat die Einsetzung des neuen pünktlich zu veranlassen hat; • die Ratsbeschlüsse gelten bis auf Widerruf durch den Landesfürsten; • die vom Stadtrat erhobenen Strafgefälle sollen zu 2/3 in die Stadtkasse fließen und zu 1/3 an jenes Gericht gehen, in dem die Übertretung stattgefunden hat; • die Strafgefälle sind von den Richtern ohne Ansehen der Person (weder durch lieb noch durch frúntschafft) einzutreiben; kommt ein Richter dem nicht nach, hat er selber die doppelte Strafgebühr zu entrichten; • der weitere Gebrauch des Stadtsiegels wird angeordnet (das sigl, das ir vordern vnnd sy vnczher gebrauchet habenn), Inhaber und Verwahrer des Siegels (jnnsigl) sind die jeweils gewählten Ratsmitglieder, als man in anndern stettenn thuet.411

Der neue Rat sollte also aus zwölf Mitgliedern bestehen, zu einem Viertel aus Vertretern des Adels, zu drei Vierteln aus Männern aus den Bezirken des Stadtgerichts und des Grieser Gerichts. Damit wird der unseren Erkenntnissen nach ursprünglich neunköpfige Rat erweitert und seine Zusammensetzung genau vorgeschrieben. Brandstätter hebt die Erweiterung des Stadtrats um drei adelige Mitglieder 2015 als Besonderheit hervor. Bozen sei zu dieser Zeit stärker von Adeligen bewohnt als das in anderen Städten der Fall war. Schon von Beginn an bewohnten Ministeriale die Türme der Stadt, im Spätmittelalter kamen auch Familien dazu, welche den Aufstieg in den Adelsstand geschafft hatten. Durch diese starke Präsenz und Bedeutung für die Stadt erklärt Brandstätter die Erweiterung des Rats in dieser Form.412 Die Stadträte werden durch Wahl ermittelt, vom Landesfürst oder vom Hauptmann an der Etsch vereidigt und für ein Jahr verpflichtet. Damit gibt es Parallelen zur 1363 belegten Reglementierung durch Rudolf IV.: Der Rat unterstand bereits 80 Jahre zuvor dem Landesherrn oder seinem Vertreter. Die Aufgaben des Rates bleiben ebenfalls dieselben. Der letzte Punkt des Ratsprivilegs von 1442 enthält Richtlinien zum Gebrauch des Stadtsiegels mit dem Hinweis darauf, dass dies gehandhabt werde als man in anndern stettenn thuet413. Es scheint also, dass Herzog Friedrich V. bei der Verfassung dieses Ratsprivilegs sich auf die

411 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 92f., Nr. 1016. 412 Brandstätter, Bozen an der Wende zum 15. Jahrhundert, S. 62-64. 413 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 92f., Nr. 1016.

82 Vorgehensweisen in anderen Städten bezieht.

Im 14. Jahrhundert erwarb die werdende Bürgergemeinde den Turm des Morhard am Oberen Platz als erstes Rathaus Bozens. In der Folge wurde auch der Ort der Rechtsprechung dorthin verlegt und der Obere Platz wurde zum Hauptplatz der Stadt.414

3.7. Markt und Messe in Bozen Terzer diskutiert 2004 die Bedeutung der mittelalterlichen Stadt Bozen und formuliert folgende Aussage: „Zu allen Zeiten unbestritten war die Rolle Bozens als Handelszentrum.“415

Auch das Bozner Stadtrecht aus dem Jahr 1437 lässt erkennen, dass das tägliche Leben der Bozner und somit auch ihre Gesetze vom Handel geprägt waren. Über ein Drittel der 104 in den Abschriften des 19. Jahrhunderts überlieferten Verordnungen handelt vom Markt, von besonderen Regeln zum Jahrmarkt oder von Bestimmungen, in welcher Weise und zu welchen Preisen bestimmte Ware verkauft werden muss, von Regeln, die fremde Händler zu beachten haben oder von Satzungen, die eine bestimmte Gruppe von Gewerbetreibenden betreffen.416

Haidacher betrachtet das wirtschaftliche Leben in Bozen im Spätmittelalter auf zwei Ebenen. Einerseits war Bozen ein regionales ökonomisches Zentrum für die umliegenden Täler und Standort eines lokalen Markts für die Einwohner und die Bauern der Umgebung. Diese eben genannten Bauern, welche das Umland bewirtschafteten, produzierten Überschüsse, die auf Wochenmärkten in der Stadt verkauft wurden. Gleichzeitig waren diese Bauern auch Kunden der Gewerbetreibenden in der Stadt und erwarben Werkzeug, Stoffe und andere Konsumgüter, die von den Bozner Bewohnern entweder selbst hergestellt oder vertrieben wurden.417

Andererseits war Bozen auch ein Messeort überregionaler Dimension, der als Handels- und Warenumschlagplatz für das Geschäft zwischen den oberdeutschen Städten und den Kommunen Ober- und Mittelitaliens diente. Dies waren auch die Gebiete, aus denen die Kaufleute kamen, die in Bozen ihre Geschäfte abwickelten. Haidacher geht davon aus, dass der überregionale Handel im Hoch- und Spätmittelalter von süddeutschen und norditalienischen Unternehmern dominiert wurde. Ein Beleg dafür ist das Aufscheinen italienischer Kaufleute als Besitzer einiger Häuser in der Stadt. Dies bedeutete nicht, dass sich diese in Bozen fest angesiedelt hatten, es weist allerdings auf

414 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 117. 415 Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen, S.9. 416 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 79. 417 Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S. 45.

83 eine Verbindung zwischen der Stadt und diesen Handelsunternehmern hin.418

Haidachers Betrachtung der beiden Ebenen, auf denen Handel in Bozen stattfand, bringt vor allem Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen Akteuren Bozens. Der alltägliche bzw. wöchentliche Austausch von Gebrauchswaren und Nahrungsmitteln wurde von den Bozner Bürgern und den Bauern der unmittelbaren Umgebung getragen. Der überregionale Handel hingegen wurde weitgehend von Nicht-Boznern betrieben. Die Bozner Bürger profitierten nur indirekt, durch den Aufenthalt der Fremden in der Stadt, von dieser zweiten Handelsebene. Unter anderem gibt es Belege für die Anwesenheit einer Reihe von Handwerkern, wie Hufschmieden, Sattlern, Bindern und Wagnern, die ihre Kundschaft vor allem einerseits in durchreisenden Händlern, andererseits auch in sich in der Stadt aufhaltenden Fernhandelskaufleuten fanden.419

Bückling formuliert den Unterschied zwischen dem Wochenmarkt und dem Jahrmarkt im spätmittelalterlichen Bozen 1907 so:

„Wenn in der Entstehungsgeschichte der Stadt die Wochenmärkte vor allem als der städtebildende Faktor anzusehen sind, so beruhte diese Eigenschaft darauf, dass besonders die Handwerker auf den Wochenmärkten den Absatz ihrer Erzeugnisse fanden; und man würde so für jene Zeit vielleicht den Grundsatz aufstellen können, dass die Wochenmärkte die Märkte der Handwerker sind, die Jahrmärkte die der Kaufleute.“420 Ausgehend von Haidachers Ausführungen, welche mit jenen Bücklings übereinstimmen, kann erschlossen werden, dass in Bozen einerseits Wochenmärkte für die in unmittelbarer Nähe lebenden Bewohner abgehalten wurden, andererseits mehrmals jährliche Messen stattfanden, deren Akteure weitgehend Fernhandelskaufleute waren. Auf einer dazwischenliegenden Ebene gab es wenig Handelstätigkeit, Bozen war also kein großregionales Zentrum, das von der Bevölkerung aus weiter entfernten Tälern zur Befriedigung eines bestimmten Bedarfs angepeilt wurde. Die Sparten, die in Bozen bedient wurden, waren zweierlei: Alltagswaren und Luxusgüter.

3.7.1. Wochenmarkt und Jahrmärkte in Bozen Haidacher nennt in seinem Aufsatz von 1999 den Samstag als Tag für den wöchentlichen Markt in Bozen zur meinhardinischen Zeit.421 Bereits 1907 hatte Bückling den Sonnabend als Markttag in Bozen genannt.422 Auch Eugen Muth bestätigt dies und bezeichnet den Samstag in seiner

418 Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S. 45f. 419 Ebd., S. 46. 420 Bückling, Die Bozener Märkte, S. 17. 421 Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S. 46. 422 Bückling, Die Bozener Märkte, S. 12.

84 Monographie zur Bozner Messe von 1968 als den Tag des Wochenmarkts in Bozen.423 Günther Rauch widerspricht der bis dahin gängigen Meinung in der Forschungsliteratur. Er nennt den Samstag – den Sabbath – als mittelalterlichen religiösen Feiertag der Ruhe, der wöchentliche Markttag sei daher bis ins 15. Jahrhundert hinein der Sonntag gewesen.424 Dies belegt eine Quelle aus dem Jahr 1440, die besagt, dass der wochenmárkcht von Samstag auf Sonntag verschoben wurde.425

Rauch nennt den Kornmarkt, den Oberen Platz und den Unteren Platz als Schauplätze des Wochenmarktes.426 Zur Umbenennung des Oberen Platzes in den sogannten Obstmarkt hat Rauch eine besondere These, die sonst in der herangezogenen Literatur nicht zur Sprache kommt. Er nennt 2012 eine Quelle von 1295, in der die platea fructum genannt wird, was Rauch mit dem Obstplatz – später Obstmarkt – in Verbindung bringt.427 Die sonstigen Quellen geben jedoch keine Auskunft über einen Frucht- oder Obstplatz. Es ist stattdessen die Rede vom Oberen Platz, in lateinischen Quellen von der platea superior bzw. ad portam superiorem.428 Daher erscheint es auch möglich, dass der Begriff Obstplatz entweder später entstanden ist oder ein Diminutiv des mittelalterlichen Namens Oberer Platz ist. Wie Rauch berichtet, war der Platz jedoch in der frühen Neuzeit Schauplatz eines Früchtemarkts, der über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. Dies lässt vermuten, dass der Name neuzeitlicher Herkunft ist.429 Das Stadtrecht von 1437 gibt zum Teil Auskunft darüber, wo welche Waren zum Kauf angeboten werden durften. Auf dem Kornplatz musste alles Korn, Käse, Nüsse und Kastanien verkauft werden, am Oberen Platz hingegen Geflügel, Obst und Eier. Außerdem gab es neben den Fleischbänken am Unteren Platz auch Fischbänke, es wird jedoch nicht angegeben, wo diese zu finden sind.430

Der Wochenmarkt blieb den einheimischen Händlern vorbehalten. Bückling nennt ein Verbot gegenüber Fremden, an den Wochenmärkten teilzunehmen, das zum Schutz der Existenz der einheimischen gewerbetreibenden Bevölkerung ausgesprochen wurde.431 Dieses Verbot ist auch im Bozner Stadtrecht von 1437 belegt. Artikel 55 sieht freien Handel an Marktterminen, an allen anderen Tagen jedoch ein Handelsverbot für Spezereiwarenhändler, Krämer, Tuchhändler und

423 Muth, Die Bozner Messe, S. 14. 424 Rauch, Bozner Obstplatz, S. 9. 425 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 90, Nr. 1011. 426 Rauch, Bozner Obstplatz, S. 46. 427 Ebd., S. 9. 428 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 292. 429 Rauch, Bozner Obstplatz, S. 10. 430 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 80-82. 431 Bückling, Die Bozener Märkte, S. 14.

85 andere Kaufleute auswärtiger Herkunft (spetzkher, kramer, tuecher noch khainerley kaufmanschaft noch gest432) vor, sowie eine Geldstrafe bei Nichtbeachtung. Ein ähnliches Verbot wird in Artikel 86 beschrieben, das khain gast khauffen noch verkhauffen soll dan zu jarmarkhten433, also wiederum, dass Gäste nur zu Jahrmarktzeiten am Handel teilhaben dürfen.

Die mehrmals im Jahr stattfindenden großen Märkte in Bozen werden in der Forschungsliteratur manchmal als Jahrmärkte, manchmal als Messen bezeichnet. Der Begriff Jahrmarkt wird oft für die frühe Zeit verwendet, der Begriff Messe für das Spätmittelalter beziehungsweise die frühe Neuzeit oder allgemein gesprochen. Im folgenden Kapitel werden beide Begriffe weitgehend synonym verwendet, obwohl es in der Forschung mitunter semantische Unterschiede im Gebrauch der Begriffe gibt, die in Kapitel 2.5.1. thematisiert wurden.

Die Messen in Bozen beschreibt Mahlknecht 2006 als

„große, mehrere Tage lang dauernde Warenmärkte, auf denen sich Kaufleute aus dem Süden und aus dem Norden – italienische Kaufleute, vor allem aus Venedig und Verona, und deutsche Kaufleute, vor allem aus Augsburg und Nürnberg, aber auch Kaufleute aus Flandern und den Niederlanden – treffen und ihre Waren anbieten und austauschen konnten. Bei diesen Messen in Bozen handelte es sich mithin von Anfang an nicht um örtliche, sondern um internationale Märkte.“434 Mahlknecht umreißt in dieser Beschreibung die wesentlichen Punkte, die es in Bezug auf die Bozner Messen des späten Mittelalters zu nennen gilt.

1202 wurden in einem Zollabkommen zwischen Bischof Konrad von Trient und Bischof Konrad von Brixen erstmals jährliche Märkte in Bozen erwähnt (In mercatoribus vero annualibus Bauzani435). Die Forschungsliteratur erkennt darin die erste urkundliche Nennung der Bozner Messen.436 Somit erlangten die Bozner Messen zu einer Zeit an Bedeutung, als europaweit viele Messesysteme des 12. Jahrhunderts verfielen und nur mehr die großen internationalen Zentren sich behaupten konnten. Eine der wichtigsten Bedingungen, die diesen Erfolg möglich machte, war die günstige Verkehrslage. Bozen profitierte, ähnlich wie Genf, in seiner Lage am Fuß der Passstraßen, vom sogenannten Nadelöhreffekt. Vom Nadelöhreffekt ist die Rede, wenn eine Kombination mehrerer Handelsstraßen an einem Ort vorliegt, beispielsweise eines Flusses und einer wichtigen Straßenkreuzung, sodass dort der Verkehr konzentriert, kanalisiert und gleichzeitig verzögert

432 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 81. 433 Ebd., S. 82. 434 Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte, S. 23. 435 Huter, TUB, Bd. I/2, S. 18. 436 Demo, Veroneser Händler auf den Bozner Messen, S. 247.

86 wird.437

Zunächst wurden die Bozner Jahrmärkte zweimal im Jahr abgehalten: Der Mittfastenmarkt begann am Montag nach dem dritten Sonntag der Fastenzeit, der Aegidi- bzw. spätere Bartholomäusmarkt begann jeweils am ersten Werktag nach Mariae Geburt.438 Eine Quelle vom Dezember 1207 belegt den Mittfastenmarkt 1208 als Termin für versprochene Zahlungen von Seiten einiger Bozner Bürger an den Bischof von Trient.439 Ein Jahr später, im Oktober 1208, wird in mercato sancti Genesii ad Bolҫanum440 als Zahlungstermin in einer Urkunde zwischen den Trientner Domkapitel und einem gewissen Rudolf von Bozen genannt. Da der Heiligentag des St. Genesius nur einen Tag vom Bartholomäustag abweicht, kann der mercato sancti Genesii mit dem Bartholomäusmarkt gleichgsetzt werden.

In ihrer Anfangszeit wurden die Bozner Messen zwischenzeitlich zum Instrument der Machtkämpfe zwischen den Bischöfen von Trient und den Grafen von Tirol. Die Söhne Meinhards beschlossen, das angrenzende Dorf Gries zur Stadt zu erheben, die in Konkurrenz zur bischöflichen Stadt Bozen stehen würde. Das oppidum Gries bekam auch das Recht auf einen Jahrmarkt am Andreastag verliehen, es scheint jedoch, dass die Kaufleute dennoch Bozen als Schauplatz ihrer Geschäfte bevorzugten, sodass sich Gries für die Tiroler Grafen als Fehlinvestition herausstellte.441 In Folge dieses Scheiterns wurde der Andreasmarkt, der jährlich am 30. November stattfand, im Jahre 1357 von Gries nach Bozen verlegt.442 Mitte des 14. Jahrhunderts gab es somit bereits drei Jahrmärkte in Bozen, die sich über das gesamte Jahr verteilten. Muth diskutiert widersprüchliche Angaben zur Dauer der Jahrmärkte in der älteren Forschungsliteratur, Richard Staffler hatte 1949 eine Dauer von 15 Tagen angegeben, dabei bezog er sich jedoch mit höchster Wahrscheinlichkeit auf die Neuzeit.443 Heinz Braun hatte davor, im Jahr 1936, für das 16. Jahrhundert eine achttägige Markttätigkeit an Aegidi und Andrä, sowie eine vierzehntägige zu Mittfasten genannt.444

Demo sieht im 14. und 15. Jahrhundert die klare Tendenz zur Internationalisierung der Geschäfte in Bozen, eine Entwicklung vom Marktort regionaler Bedeutung zur Drehscheibe internationaler

437 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 9-12. 438 Muth, Die Bozner Messe, S. 14. 439 Huter, TUB, Bd. I/2, S. 52f., Nr. 572. 440 Ebd., S. 60f., Nr. 583. 441 Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte, S. 29-35. 442 Baum, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., S. 30. 443 Richard Staffler, Handelschaft in Bozen vor 150 Jahren, in: Der Schlern 23 (1949/8), S. 334-335, hier: S. 335. 444 Heinz Braun, Beiträge zur Geschichte Bozens im 16. Jahrhundert (Schlern-Schriften 33), Innsbruck 1936, S. 51.

87 Geschäfte im Raum zwischen Oberitalien und Süddeutschland. Für diese Entwicklung nennt Demo mehrere Gründe. Einerseits war die Wirtschaftspolitik der Grafen von Tirol auf die Vergrößerung der Bozner Märkte ausgelegt, andererseits bedurfte es auch einer Reihe äußerer Umstände, die zum Erfolg der Bozner Stadtherren führten. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Verona und den süddeutschen Handelszentren Augsburg, München und Regensburg intensivierten sich im 15. Jahrhundert. Bozen lag, wie auch die Märkte Neumarkt und Meran, in diesem Zusammenhang geographisch günstig in der Nähe des Übergangs vom Wasserweg auf die Brennerroute und wurde dadurch zum Dreh- und Angelpunkt entlang der verschiedenen Fernhandelswege im Umkreis. Demo spricht für das Spätmittelalter von vier Messen zu vier festen Terminen im Jahreskreis: zu Mittfasten, zu Fronleichnam, zu St. Genesius (oder auch St. Ägidius oder St. Bartholomäus) und St. Andreas.445 Muth berichtet von der Einführung eines vierten Marktes durch den Bozner Rat, der Corporis- Domini- oder Pfingstmarkt hieß und wahrscheinlich in Konkurrenz zum Meraner Pfingstmarkt stand.446 Rausch macht 1996 den Ausbau des Kunterswegs im frühen 14. Jahrhundert für den Bedeutungsgewinn Bozens als Handelsstadt zum Schaden der Meraner Märkte verantwortlich.447 Nicht nur Meran musste die Vormachtstellung der Bozner Märkte zur Kenntnis nehmen, in der gesamten Umgebung, in Trient, Neumarkt, Kaltern und Tramin gab es ebenfalls konkurrierende Jahrmärkte, die jedoch nie mit der Bedeutung der Bozner Märkte gleichziehen konnten.448

Das Bozner Stadtrecht von 1437 gibt interessanterweise einen jarmarkht zu Aller sellen tag an, an dem „Vieh, Ochsen, Rind und Schwein nur auf den Grieß unnder den Mayrhof zum Verkauf feilgeboten werden [dürfen]“449. Dies gilt für die ersten vier Tage des Jahrmarkts, danach darf noch unverkauftes Vieh in der ganzen Stadt verkauft werden. Da die Forschungsliteratur außer der vier oben genannten Jahrmärkte keinen anderen nennt, ist die Nennung eines Jahrmarktes zu Allerseelen wahrscheinlich mit dem mittelalterlichen Allerseelenfest zur Osterzeit in Verbindung zu bringen. Seit dem frühen Mittelalter wurde zur Osterzeit – beispielsweise am Pfingstmontag – ein Sammelfest für alle Verstorbenen gefeiert. Seit dem 9. Jahrhundert wurde zwar eine Verlagerung des Allerseelentages auf den 2. November beschlossen, dennoch wurde Ostern über Jahrhunderte hinweg weiterhin als Fest der Toten bezeichnet.450 Daher handelte es sich möglicherweise um den

445 Demo, Veroneser Händler auf den Bozner Messen, S. 247-250. 446 Muth, Die Bozner Messe, S. 15. 447 Rausch, Jahrmärkte, Messen und Stadtentwicklung, S. 173. 448 Muth, Die Bozner Messe, S. 16. 449 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79, Nr. 996. 450 Allerseelen. Gedenktage für alle Verstorbenen, o. D., [https://www.festjahr.de/de/das- jahr/weitere_feste_und_zeiten_im_kirchenjahr/allerseelen.html], eingesehen am 19.12.2018.

88 Pfingstmarkt, der in die liturgische Osterzeit fiel. In Ermangelung von Belegen können hier jedoch nur Vermutungen angestellt werden.

Über den mutmaßlichen Austragungsort der Bozner Messen gibt die Forschungsliteratur erstaunlich wenig Auskunft. Haidacher gibt 1999 die Laubengasse sowie die Plätze der Stadt als Schauplätze der Messen an.451 Loose nennt ebenfalls 1999 den Oberen Platz, der ab dem 14. Jahrhundert als Hauptplatz der Stadt diente, als wichtig für die Messen.452 Mehr Informationen gibt es zu den anwesenden Kaufleuten sowie zur Ware, die in Bozen angeboten und verkauft wurde.

Im Gegensatz zu den Wochenmärkten lagen die Bozner Messen weitgehend in der Hand nicht in Bozen ansässiger Kaufleute. Über die Art und Herkunft der Waren auf den Bozner Messen gibt Muth 1968 Auskunft. Die Herkunft der Waren auf den Messen des Spätmittelalters waren der Orient, das Oberitalien und die süddeutsche Region. Die am häufigsten verkauften Waren waren südländische Spezereien, gewerbliche Erzeugnisse, Textilien, Wein, Nüsse und Kastanien, Fische und Öl, Vieh, Getreide sowie Kupfer und Zinn. Regionaler Herkunft waren auf den Messen Wein, Vieh und Getreide. Neben den Spezereiwarenhändlern und den Kramern zählt Muth die Tuchhändler zu den bedeutendsten Händlergruppen auf den frühen Bozner Messen.453

3.7.2. Der Textilhandel auf den Bozner Messen Nach dem Niedergang der Champagnemessen in Frankreich gewann der Brennerweg an Bedeutung für den europäischen Textilhandel, der innerhalb der mitteleuropäischen Wirtschaft einen der bedeutendsten Sektoren darstellte. Auch in Tirol gehörte der Tuchhandel zu den wichtigsten Handelszweigen, wobei Bozen wiederum die Rolle als Vermittler zwischen Norden und Süden spielte. Laut Armin Torggler diente Bozen mit Beginn des 13. Jahrhunderts als Basisstation für ausländische Textilhändler, die hier unter anderem Wolltuch aus Flandern, Leinen aus Süddeutschland und Tirol und lokal produzierte Stoffe vertrieben. Der Absatzmarkt für diese Waren war vor allem der Süden, zum Beispiel Trient.454 Doch der Handel verlief nicht nur von Norden nach Süden, sondern in beide Richtungen. Neben Holz- und Lederwaren verkauften die Veroneser Händler in Bozen auch Stoffe. Im 16. Jahrhundert kam die Seidenspinnerei hinzu. Diese fand in

451 Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S. 46. 452 Loose, Wohnen und Wirtschaften, S. 117. 453 Muth, Die Bozner Messe, S. 20-24. 454 Armin Torggler, Von grauem Loden und farbigen Tuchen. Überlegungen zu Tuchhandel und Textilverarbeitung in Tirol, in: Verona-Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), S. 199-245, hier: S. 201-219.

89 Bozen dermaßen großen Anklang, dass die Veroneser Händler die Bozner Märkte zwischenzeitlich zum Stützpunkt ihrer internationalen Geschäfte machten.455 Das eigentliche Zentrum für den Handel und die Veredelung von Textilien war im 15. Jahrhundert das südlich gelegene Neumarkt. Es waren jedoch die Bozner Messen, zu denen Lieferungs- und Zahlungstermine festgelegt wurden.456 Den Erfolg und die Bedeutung der Bozner Messen als Zentrum des internationalen Textilhandels beschreibt Demo folgendermaßen:

„Bozen funktionierte also als eine Art Brückenkopf, der äußerst nützlich dazu war, mit höchstmöglicher Effizienz die mitteleuropäischen Märkte zu versorgen. Diese bedeutsame, bereits im 15. Jahrhundert errungene Funktion gewinnt im Laufe des 16. Jahrhunderts zusätzlich an Bedeutung, und zwar aufgrund des durchschlagenden Erfolgs der oberitalienischen Seidenwaren auf den deutschen Märkten. Und diese so wichtige Brückenfunktion behalten die Bozner Messen noch über das gesamte 17. und 18. Jahrhundert.“457 Der Textilhandel im Rahmen der Bozner Märkte kann durch schriftliche und archäologische Quellen belegt werden. Im Laubenhaus 60 wurden bei Ausgrabungen sogenannte Tuchplomben aus Blei gefunden, die zum Versiegeln von Tuchballen dienten.458 Im Bozner Stadtrecht von 1437 gab es zwei Artikel, die sich auf den Tuchhandel im Besonderen beziehen. In Artikel 80 wurde der Tuchhandel durch nicht in Bozen ansässige Händler reglementiert, in Artikel 88 hingegen gab es Richtlinien zum Messen der Stoffe.459

3.7.3. Der Weinhandel in Bozen Ein Wirtschaftszweig, der zwar in Muths Kategorisierung der bedeutendsten Händlergruppen auf den Bozner Messen nicht vorkommt, aber dennoch nicht unerwähnt bleiben sollte, ist der Handel mit Wein. Christian Hagen bezeichnet den Tiroler Wein 2015 als wichtigstes Exportgut im mittelalterlichen Tirol. Die Städte waren Zentren für Schank und Verkauf, der Vertrieb seit dem 14. Jahrhundert landesherrlich gesteuert.460

Im Großraum Bozen wurde bereits im Frühmittelalter Weinbau betrieben. Im Jahr 827 belegt die sogenannte Quartinus-Urkunde die Existenz der Bozner Weingärten und ihren Bekanntheitsgrad diesseits und jenseits der Alpen. Der Verfasser Quartinus übergibt darin dem Kloster zum hl.

455 Demo, Veroneser Händler auf den Bozner Messen, S. 251-256. 456 Torggler, Von grauem Loden und farbigen Tuchen, S. 219-227. 457 Demo, Veroneser Händler auf den Bozner Messen, S. 266. 458 Torggler, Von grauem Loden und farbigen Tuchen, S. 219. 459 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 79. 460 Hagen, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe, S. 31.

90 Kandidus in Innichen seinen Besitz, der im Südtiroler Raum verteilt ist.461 In der Auflistung seiner Landgüter wird auch ein Stück Land ad Bauzana in vico Suczano cum vineis et silvis, cum pratis ed agris462 genannt. Nössing berichtet 1997 über einen heftigen Streit um Weingüter zwischen den Bischöfen von Freising und Trient im 9. Jahrhundert, der durch königliche Hand geschlichtet werden musste.463 Betrachtet man die dazugehörige Quelle aus dem Jahr 855, so ist bereits der in Majuskeln geschriebene Titel aussagekräftig genug: De vineis a Pauzanam464. Diese Quelle gibt jedoch einen weiteren interessanten Hinweis, zu dem in der Forschungsliteratur weitere Informationen gefunden werden können. Wie Nössing 1996 anmerkt, waren die Weingutbesitzer zunächst nur in höchst seltenen Fällen Bozner, sondern nicht in Bozen Ansässige: die Bischöfe von Augsburg, Freising und Salzburg und Trient, Adelige aus Süddeutschland und Bayern sowie süddeutsche Klöster.465 Es handelte sich bei den Besitzern der Anbauflächen vor allem um süddeutsche Adelige und Geistliche. Davon ausgehend bezeichnet Andreolli im Jahr 1996 den mittelalterlichen Weinbau in Bozen als ein Politikum. Süddeutsche Bistümer sicherten sich durch den Erwerb von Weingütern nicht nur eine weitere Einnahmequelle und die Erweiterung ihres Besitzes, sondern bauten durch einen Standpunkt im geostrategisch interessanten Bozen gleichzeitig auch ihre Machtposition aus. 466 Der Weinbau als örtlich gebundene Wirtschaftsform, welche eine hohe Zahl an Arbeitskräften forderte und durch kleine Besitzgrößen charakterisiert ist, hatte zwangsläufig eine dichte Siedlungsweise zur Folge. Dies ist die Prämisse dafür, dass, wie es Mitterauer 1980 formuliert, „die Weinwirtschaft als Monokultur den Marktmittelpunkten ganz besondere Akzente ver[lieh] und so einen wirtschaftlichen Markttypus ausbildet[e].“467 Nössing behauptet 1991 sogar, dass im Hochmittelalter fast alle Bozner Kaufleute zusätzlich zu ihrer Haupttätigkeit auch Wein vertrieben.468

Doch zunächst sollen kurz die Gründe für den Erfolg des Weinbaus in Bozen erläutert werden. Leidlmair erklärt 1991 die besonders guten Anbaubedingungen durch die hervorragenden klimatischen Bedingungen in der inneralpinen Trockenzone und die geschützte Lage im Bozner

461 Anselm Sparber, Die Quartinus-Urkunde von 827/28 (Schlern-Schriften 12), Innsbruck 1927, S. 176-185, hier: S.180. 462 Sparber, Die Quartinus-Urkunde von 827/28, S. 178. 463 Josef Nössing, Die Bedeutung der Tiroler Weine im Mittelalter, in: Christhard Schrenk / Hubert Weckbach, Weinwirtschaft im Mittelalter. Zur Verbreitung, Regionalisierung und wirtschaftlichen Nutzung einer Sonderkultur aus der Römerzeit (Weinwirtschaft im Mittelalter 9), Heilbronn 1997, S. 193-203, hier: 194. 464 Huter, TUB, Bd. I/1, S. 10, Nr. 14. 465 Josef Nössing, Bozens Weinhandel im Mittelalter und in der Neuzeit, in: Ferdinand Opll (Hrsg.), Stadt und Wein (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 14), Linz/Donau 1996, S. 181-191, hier: S. 182. 466 Bruno Andreolli, Caratteri e svillupo della vitivinicoltura nell'Alto Adige del Due-/Trecento, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 173-185, hier: S. 174f. 467 Mitterauer, Markt und Stadt im Mittelalter, S. 302. 468 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 331.

91 Talkessel.469 Nössing stimmt mit dieser Argumentation 1996 überein und fügt hinzu, dass dem Weinbaugebiet, das sich von Bozen in südlicher Richtung über 200 Kilometer bis in die Poebene erstreckte, in nördlicher Richtung ein großes Absatzgebiet gegenüberstand. Das Bozner Gebiet war also den Abnehmern in Süddeutschland verhältnismäßig nahe, sodass geringe Transportwege einen weiteren Vorteil boten.470 Die Produktion von Wein und der Handel mit Wein waren also ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, durch den die Stadt Bozen Erfolg und Ansehen im überregionalen Raum gewinnen konnte. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Gründe, aus denen der Weinhandel in Bozen eine besondere Rolle gespielt hat und aus denen sich das Festhalten an diesem Wirtschaftszweig in Bozen erklärt. Einerseits war Wein aus Bozen und Umgebung neben dem Salz eines der wenigen Exportprodukte, über die Tirol im Mittelalter verfügte. Andererseits war es das einzige Produkt, von dem die Bozner Bevölkerung nicht nur profitierte, sondern dessen Vertrieb vollständig in Bozner Hand lag. Eine Rechtsweisung des Trienter Lehenhofes aus dem Jahre 1210 gibt Auskunft darüber: Für Wein, der von Bozanenses auf ihren eigenen Gütern produziert wurde, mussten ad partes Bauzani keine Zollgebühren entrichtet werden, für zum Wiederverkauf bestimmten eingeführten Wein wurde jedoch Zoll angefordert.471 Das Bozner Stadtrecht von 1437 geht noch einen Schritt weiter und gibt vor, das khain gast frembd hie wein einlegen soll zu verkhauffen472. So wurde das Exportgut Wein vor Konkurrenz von außen geschützt. Der restliche überregionale Handel wurde von oberdeutschen und italienischen Kaufleuten beherrscht.473 War der Weinbau zunächst im Frühmittelalter an den Hängen neben Getreideanbau und Weideflächen zu finden, so spricht Andreolli für das Hoch- und Spätmittelalter von regelrechten Monokulturen in einigen Zonen unmittelbar um die Stadt Bozen herum. Gries, Kristplun, St. Justina, Kampill, Wintel, Schibidat, Weineck und Kortlag sind solche Gebiete. Auch in der weitläufigeren Umgebung Bozens, in Algund, Girlan, Schreckbichl, Eppan und Kaltern, breiteten sich die Weingüter aus, von deren Produktion Bozen ebenfalls als regionales Zentrum des Weinhandels profitierte. Die Gebiete von Girlan und Schreckbichl befanden sich in der Hand der deutschen Klöster, in Eppan und Kaltern waren die Besitzer der Weingüter vornehmlich Trientner Stiftsherren.474

469 Adolf Leidlmair, Zur geographischen Lage von Bozen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 7-15, hier: S. 12. 470 Nössing, Bozens Weinhandel im Mittelalter und in der Neuzeit, S. 181. 471 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 1, S. 81, Nr. 1. 472 Ders., Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996, hier: S. 82. 473 Haidacher, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen, S.46. 474 Andreolli, Caratteri e svillupo della vitivinicoltura, S. 177.

92 Selbst die architektonischen Eigenheiten der Bozner Laubenhäuser weisen zum Teil auf die starke Verwurzelung des Weinhandels in der Stadt hin. Grabungen im Stadtzentrum förderten bis zu fünf Meter tiefe Keller unterhalb der Laubenhäuser zu Tage, die mit großer Wahrscheinlichkeit zur Lagerung von Wein verwendet wurden.475 Auch Nössing betrachtet 1991 die tiefen Keller der Altstadt als Beleg für die Lagerung und den Vertrieb von Wein.476 Im Stadtrecht von 1437 wird der Verkauf, der Ausschank und das Messen von Wein in mehreren Artikeln reglementiert, was ebenfalls die Bedeutung des Weinhandels belegt.477

3.7.4. Die moneta de Buzano: Regionale und fremde Münzen in Bozen Auch wenn Rizzolli, der eine Reihe von Publikationen zur Münzgeschichte im Tiroler Raum vorgelegt hat, eher die weltlich-landesherrliche Herrschaft ab 1276 als die Bozner Messen als entscheidenden Faktor für die überregionale Verbreitung der lokalen Münzen einschätzt478, ist die Fülle und Varietät der Münzfunde im Bozner Raum ein interessanter Indikator für die Internationalität des Messeortes.

Im 13. Jahrhundert bildete der Bozner Raum ein Grenzgebiet zwischen dem süddeutschen und dem venezianisch-veronesischen Währungsraum. Bis knapp nördlich vor Bozen galt die Augsburger Münze, südlich davon der Berner.479 Zusätzlich waren in Bozen die Trienter Grossi und die Meraner Adlergroschen im Umlauf. Die Münzprägung war ein Instrument der Machtsicherung und der Schwächung der politischen Gegner, sodass die Trienter Bischöfe und die Tiroler Grafen sich stets durch neue Prägungen zu überbieten versuchten.480 Rizzolli bezeichnet die Münzpolitik in Tirol zwischen 1253 und 1274 als „Münzkrieg[…] zwischen dem Bischof von Trient und Graf Meinhard“, der „zu Gunsten der weltlichen Macht ausgegangen [ist].“481

Zumindest für die Verbreitung der in Meran geprägten Münzen war die Bozner Messe von großer Bedeutung. Der am Ende des 13. Jahrhunderts auftretende neue Meinhardzwanziger, der wegen seines Doppelkreuzes Kreuzer genannt wurde, erhielt zu Beginn des 14. Jahrhunderts sogar den Namen moneta de Buzano.482 Im Gegensatz zum Meraner Adler-Grossus, dessen Umlaufbereich nicht über die Fürstentümer Trient und Oberitalien hinausging, kursierte der Meinhardzwanziger

475 Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen, S. 12-18. 476 Nössing, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 331. 477 Obermair, Bozen Süd – Bolzano Nord, Bd. 2, S. 79-83, Nr. 996. 478 Helmut Rizzolli, Die Rolle Bozens im hochmittelalterlichen Münzwesen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 233-236, hier: S. 233. 479 Ebd., S. 234. 480 Ebd., S. 236. 481 Rizzolli, Münzgeschichte des alttirolischen Raumes im Mittelalter, Bd. 1, Bozen 1991, S. 160. 482 Ders., Die Rolle Bozens im hochmittelalterlichen Münzwesen, S. 236.

93 auch im süddeutschen Gebiet. Karl Moeser macht 1925 die wirtschaftliche Bedeutung der Meraner und Bozner Märkte dafür verantwortlich.483 Dort entstand auch der Name chreutzer für die Münze, da zwischen den verschiedenen Groschenmünzen differenziert werden musste. Im Ursprungsgebiet selbst war so ein Beiname nicht notwendig und kommt daher in den Quellen erst viel später vor.484 Dass Meran Bozen gegenüber als Umschlagplatz der Meraner Münzen im 14. Jahrhundert an Bedeutung verlor, führt Rizzolli 1999 auf den Ausbau des Kuntersweg und das Zollprivileg von 1314 zurück.485

Münzfunde im Keller eines Laubenhauses belegen die internationalen Geschäfte im mittelalterlichen Bozen: Neben den meinhardinischen Grossi konnte ein hoher Anteil an Fremdmünzen festgestellt werden. Ihre Herkunftsgebiete sind Verona, Mantua, Venedig, Padua, Ferrara, Schwäbisch Hall, Wien, Böhmen und Krakau.486

In Folge der florierenden Geldwirtschaft entwickelte sich auch das Bankwesen in Tirol. In Bozen befand sich zu Meinhards Zeiten eine von sechs Pfandleihbanken in Tirol, welche erstaunliche 55% des gesamten tirolischen Bankumsatzes erbrachte. Der Sitz dieser casana ist im landesfürstlichen Schloss bei St. Afra, also außerhalb der Stadt und wahrscheinlich in der Nähe der Eisackbrücke, von 1293 bis 1380 nachgewiesen. Diese Lage außerhalb der Stadt begründet Rizzolli mit der Existenz einer bischöflichen casana im Bereich der bischöflichen Burg. Bereits kurze Zeit nach der Stadtgründung und der Einführung der Jahrmärkte brachte Bozen also 55% des Gewinns der Tiroler Pfandleihanstalten ein.487

483 Karl Moeser, Die Entstehung und Verbreitung des Namens „Kreuzer“ für den Meraner Zwainziger-Grossus (Schlern- Schriften 9), Innsbruck 1925, S. 235-245, hier: S. 235f. 484 Ebd., S. 240-242. 485 Helmut Rizzolli, Bozens Bedeutung für das Tiroler Münz- und Bankwesen vor dem Jahre 1363, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 229-240, hier: S. 233. 486 Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen, S. 40. 487 Rizzolli, Bozens Bedeutung für das Tiroler Münz- und Bankwesen, S. 232f.

94 4. Zusammenfassung Die frühe Siedlungsgeschichte Bozens belegt die Attraktivität des Standorts Bozen für die Niederlassung von Adeligen, Geistlichen und Kaufleuten. Bereits im Mesolithikum war die Gegend um Sigmundskron bewohnt, die Römer errichteten die Mansion pons Drusi. Im Frühmittelalter besteht eine weitläufige Siedlungskammer mit dem Namen Castellum Bauzanum, die frühchristliche Kirche, die sich am Standort der späteren Marienkirche befand, dient als Dingstätte, als Ort der Rechtssprechung und der Handelstätigkeit. Die verkehrsgeographische Lage als Knotenpunkt zweier Nord-Süd-Verbindungen favorisiert den frühen Ausbau von Fernhandelsstraßen. Im 14. Jahrhundert wird die logistische Situation durch den Bau des Kunterswegs noch erheblich verbessert. Bozen war also ein Ort, der vor allem geographisch gesehen über eine Zentralfunktion verfügte. Gleichzeitig war Bozen allerdings auch ein Ort, der für die Bestrebungen des Adels zur Erweiterung ihres Einflussbereiches hochinteressant war, was am jahrhundertelangen Kampf um die Grafschaft und um die Stadt erkennbar ist. Zu Beginn der vorliegenden Diplomarbeit wurden drei Forschungsfragen formuliert. Die Erste der drei betraf den Entstehungzeitpunkt und die Genese Bozens, diese sollten so genau wie möglich bestimmt und nachvollzogen werden. Diese Frage konnte nur teilweise beantwortet werden, es wurden jedoch einige Erkenntnisse gewonnen: Der Entstehungs- und Gründungszeitpunkt der Stadt Bozen kann noch immer nicht restlos geklärt werden. Auch wenn Obermairs These in der neueren Forschungsliteratur Anklang findet, sind Hyes Einwände berechtigt und seine These ist nicht widerlegt worden. Aufgrund der Quellenlage und der Entwicklungskurve der Städte im mitteleuropäischen Raum im 12. Jahrhundert, erscheint Obermairs These jedoch nach derzeitigem Stand der Forschung wohl etwas wahrscheinlicher. Die Genese der Stadt Bozen kann jedoch in vielen Punkten sehr präzise nachvollzogen werden. Als der begrenzte Raum innerhalb der Stadtmauern im 13. Jahrhundert zu knapp wurde, entstanden Straßenzüge außerhalb der Stadtmauern. Interessant ist im Fall Bozens die Heterogenität der Herrschaftsbereiche, die auch nach dem Intervenieren Meinhards II. noch komplex blieb. Zwar ging die Gerichts- und Steuerhoheit des Bistums Trient an Meinhard über, das nun gewachsene Stadtgebiet blieb aber weiterhin in drei Gerichte aufgeteilt: Das Bozner Stadtgericht, das Wangener Gericht und das Landgericht Gries. Auch die Stadtmauer war im Zuge der Machtübernahme durch Meinhard geschliffen worden. Die Symbolik dieses Aktes, der einen Rechtsverlust impliziert, bezieht sich hier auf den Bischof, der seine Rechte als Stadtherr an die Grafen von Tirol verlor. Im Gegensatz

95 zur Mauer blieb der ursprünglich dazugehörige Stadtgraben noch lange Zeit bestehen und wurde in das Stadtbild intergriert, was sich durch in den Quellen überlieferte Ortsangaben und Namensgebungen feststellen lässt. Bozen erlebte im Wesentlichen eine für eine mitteleuropäische Stadt des Hoch- und Spätmittelalters typische Genese. Die ersten Straßenzüge, die unmittelbar außerhalb der Mauern entstanden, bezeichnen die Quellen als burgum novum, also als Neustadt, die ursprüngliche Gründung wird damit zum burgum vetus. Die Neustadt wird in den Quellen manchmal auch als suburbium, also als Vorstadt, bezeichnet. Bevor diese Straßen immer weiter verbaut wurden und so immer mehr mit der Stadt verschmolzen, gab es in dort Weinberge, die sich im Besitz des Stadtadels oder der Kirche befanden. Dieses Phänomen kam im mitteleuropäischen Raum zu dieser Zeit häufig vor. Einen zentralen Platz gibt es im mittelalterlichen Bozen im klassischen Sinne nicht, die Plätze entstehen zum Großteil eher zufällig und an peripheren Standorten. Nach dem Stand der Forschung ist lediglich der Musterplatz ein geplanter Platz. In der frühen Zeit der Stadt diente der Kornplatz als politisches, wirtschaftliches und soziales Zentrum, im späten Mittelalter verlagert sich dieses zum Oberen Platz, dem heutigen Obstmarkt, wo sich von nun an der Adel bevorzugt ansiedelt und das erste Rathaus entsteht. Trotzdem kann zumindest in der frühen Zeit der Stadt durchaus von einem Nebeneinander mehrerer Stadtkerne und einer dezentralen Organisation gesprochen werden. Bozen verfügt somit über ein Kriterienbündel, das einige Merkmale einer typischen mittelalterlichen Stadt im mitteleuropäischen Raum beinhaltet. Dies führt uns bereits zur zweiten Fragestellung. Das zweite Vorhaben dieser Diplomarbeit war es, die Genese und das mittelalterliche Erscheinungsbild Bozens damit zu vergleichen, was die Forschung als typisch für die europäische Stadt des Mittelalters erachtet und zu ergründen, welche Merkmale der mittelalterlichen Stadt Bozen aufweist, welche Merkmale vielleicht untypisch sind oder gänzlich fehlen. Es handelt sich um eine Gründungsstadt, die dem hochmittelalterlichen Grundrisstyp des durch zwei Tore abgeschlossenen Straßenmarkts mit einer ebenfalls häufig vorkommenden Erweiterung um einen Herrensitz mit einem zusätzlichen Tor entspricht. Dieser Straßenmarkt ist von einer Stadtmauer und einem Wassergraben umgeben. Der Bozner Stadtmauer kann aufgrund ihrer Breite mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Wehrfunktion zugewiesen werden, es ist eher davon auszugehen, dass sie die Funktion einer Abgrenzung im rechtlichen Sinne hatte. Diese Grenze verlor durch die politischen Veränderungen, die mit der Schleifung der Stadtmauer 1276/77 einhergingen, ihre Bedeutung.

96 Das Nebeneinander mehrerer Stadtkerne, sowohl im architektonischen, als auch im verwaltungsgeschichtlichen Sinn, ist ebenfalls ein typisches Merkmal der mittelalterlichen Stadt, das Bozen aufweist. Auch die „homogen erscheinende Verbauung des Stadtkerns“488, die an der Marktstraße um die vierziger Jahre des 13. Jahrhunderts erreicht ist, ist typisch für das Erscheinungsbild der mittelalterlichen Stadt. Ebenso verhält es sich mit dem Standort der Dorfkirche. Die Marienpfarrkirche aus frühchristlicher Zeit, die auch nach der Gründung der Stadt Dorfkirche blieb, befand sich außerhalb der Stadt. Dass sie außerhalb der Stadtmauern gelegen war, ist typisch für eine Stadt in Tirol. Auch in Glurns, Sterzing, Lienz, Bruneck und Kitzbühel verhielt es sich so, wie Hye 1991 anmerkt.489 Die Stadt wurde also nicht um den sakralen Zentralort herumgebaut, sondern an einer anderen Stelle.

Mit einer Einwohnerzahl um die 2000 Personen zählt Bozen zu den mittelgroßen europäischen Städten des Mittelalters. Auch die hoch ausdifferenzierte Gesellschaft, die in den Quellen belegt ist, mit einer Fülle an verschiedenen Gewerben und Handwerken, Handelstreibenden aller Art und Größenordnung vom Krämer bis zum Fernhandelskaufmann, Adeligen und Geistlichen, gleicht jener einer Stadt. Die hohe soziale Mobilität, die im späten Mittelalter einsetzt und vielen einflussreichen Kaufmannsfamilien den Aufstieg in den Niederadel ermöglicht, ist ein weiteres Merkmal städtischer Gesellschaft. Zur Sozialtopographie des mittelalterlichen Bozen gibt es wenige Informationen. Zinsverzeichnisse und andere Quellen belegen eine heterogene Struktur in den meisten Vierteln der Stadt. Lediglich das burgum vetus mit der Erweiterung rund um den Oberen Platz herum kann als homogenes Kaufmannsviertel bezeichnet werden. Die Konzentration der einflussreichen, wohlhabenden Bevölkerung im Stadtzentrum und die damit verbundene Verschiebung der einfachen Bevölkerung an den Stadtrand ist ein Merkmal, dass viele mitteleuropäische Städte dieser Zeit gemeinsam haben. Außerdem gab es in Bozen ebenfalls Gewerbe, die aus betriebstechnischen, funktionalen oder Brandschutzgründen an den Stadtrand verlegt wurden, wie Metzger, Gerber, Müller, Bäcker, Ziegler und Schmiede.

Ein weiteres bedeutendes Merkmal und zugleich der Ursprung der Stadt ist der Markt. Darauf bezog sich auch die dritte Forschungsfrage, nämlich auf die Faktoren, welche Bozen eine Sonderrolle als bedeutende Handelsstadt ermöglichten. Reger Handel und die Lage an der Fernhandelsroute, als Verbindung zwischen Nord und Süd, bildeten die Grundvoraussetzungen für eine städtische Siedlung

488 Terzer, Stadtkerngrabung in Bozen, S. 10. 489 Hye, Die Gründung von Bozen, S. 195.

97 an diesem Standort. Auf den verschiedenen Plätzen der Stadt wurde Markt gehalten, der Wochenmarkt versorgte die Bevölkerung der Umgebung und die Stadtbewohner mit dem alltäglich Notwendigen, mehrmals im Jahr abgehaltene Messen lockten Kaufleute aus allen Himmelsrichtungen in die Stadt. Mit einer Dauer von zumindest acht Tagen sowie der Beteiligung ausländischer Kaufleute fallen die Bozner Jahrmärkte in Paulys Kategorisierung der mittelalterlichen Jahrmärkte in jedem Fall in den Typus der städtischen Jahrmärkte. Hinzu kommt die Internationalität der Bozner Messen, die nach den Charakterisierungen von Irsigler, Muth und van Houtte einen Messeort von einem Jahrmarktsort unterscheiden. Bozen war also eine bedeutende Messestadt mit internationalen Akteuren, was die Entwicklung der Stadt und ihrer Gesellschaft stark beeinflusste. Der Erfolg der Bozner Messen ist zu einem großen Teil sicherlich auf eine verkehrsgeographisch günstige Lage zurückzuführen. Als sogenanntes Nadelöhr an einer Passstraße gelegen, zusätzlich auf einer der meistbefahrenen Nord-Süd-Achsen der Zeit, hatte Bozen einen klaren Vorteil gegenüber anderen Städten der Gegend. Außerdem profierte Bozen im 15. Jahrhundert von einer Intensivierung der Handelsbeziehungen zwischen Verona und den süddeutschen Handelszentren Augsburg, München und Regensburg. Zusätzlich wurde die Messestadt Bozen durch die Tiroler Landesherren aktiv gefördert. Auch der komfortable Kuntersweg und die Nähe zur Wasserstraße Etsch taten das Ihrige. Hinzu kam der Wirtschaftsfaktor Weinhandel, der im Bozner Raum bereits im Mittelalter auf eine lange Tradition zurückblicken konnte. Das begehrteste Exportmittel Bozens wurde durch Steuererleichterungen gefördert und durch eigene Bestimmungen vor auswärtiger Konkurrenz geschützt. Neben Vieh und Getreide war der Wein die bedeutendste regionale Ware auf den Bozner Messen. Der Handel war Voraussetzung sowohl für die Gründung, als auch für das Florieren der Stadt Bozen. Als von einer Mauer umgebene Marktstraße aufgrund von politischen Interessen des Bischofs von Trient gegründet, wuchs die Stadt in wenigen Jahrzehnten stark an und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Messeorte der Zeit.

98 5. Unterrichtsmodul: Lebenswelt Stadt im Mittelalter 5.1. Rahmenrichtlinien

5.1.1. Bezug zu den Rahmenrichtlinien für die AHS-Unterstufe in Österreich Laut des neuen Lehrplans für die Hauptschulen, Neuen Mittelschulen und die AHS-Unterstufe, der mit dem Schuljahr 2016/17 in Kraft getreten ist, ist die Auseinandersetzung mit der Epoche des Mittelalters in Modul 3 der zweiten Klasse Unterstufe zu verorten.490 Durch den Themenbezug zur Lebenswelt Stadt und die einleitende Differenzierung der Lebenswelten Stadt, Land, Kloster und Burg werden, wie im Lehrplan vorgegeben, die Lebenswelten Stadt und Land differenzierend betrachtet.

Die Rahmenrichtlinien für die AHS-Unterstufe sehen eine Förderung der Historischen Fragekompetenz, Methodenkompetenz, Sachkompetenz und Orientierungskompetenz vor. Das vorgestellte Modul fördert die Historische Sachkompetenz, Methodenkompetenz und Orientierungskompetenz in altersgemäßer Form.

5.1.2. Bezug zu den Rahmenrichtlinien für die Grund- und Mittelschule in Südtirol Die Rahmenrichtlinien für die Grund- und Mittelschule in Südtirol sieht eine Auseinandersetzung mit der Epoche des Mittelalters im Laufe der 1. und 2. Klasse der Mittelschule – also zwischen der 6. und 7. Schulstufe – vor. Dabei soll besonderes Augenmerk auf „mittelalterliche und moderne geschichtliche Wurzeln vor Ort und auf Landesebene“491 gelegt werden. Die Lernenden sollen also Bezüge zu ihrer Region herstellen können und innerhalb ihrer Lebenswelt Beispiele für das Gelernte finden. Die vergleichende Untersuchung von Stadtansichten und Stadtplänen von Bozen und Brixen sowie die abschließende kurze Exkursion gehen auf diese Vorgabe ein. Außerdem ist in den Kompetenzzielen für den Abschluss der Mittelschule das Ziel „geschichtliche Zeugnisse erforschen, zu vorgegebenen Themen recherchieren, Zusammenhänge aufzeigen und präsentieren“492 enthalten. Auf dieses Kompetenzziel wird vor allem in der vierten und fünften Einheit des

490 Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung, 18.05.2016, [https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2016_II_113/BGBLA_2016_II_113.html], eingesehen am 16.01.2019. 491 Autonome Provinz Bozen Südtirol – Deutsches Schulamt, Rahmenrichtlinien des Landes für die Festlegung der Curricula für die Grundschule und die Mittelschule an den autonomen deutschsprachigen Schulen in Südtirol. Beschluss der Landesregierung vom 19.01.2009, Nr. 81, [http://www.provinz.bz.it/schulamt/kinder-schueler- eltern/mittelschule.asp], S. 86, eingesehen am 16.01.2019. 492 Ebd.

99 vorgestellten Unterrichtsmoduls hingearbeitet.

5.2. Rahmenbedingungen Das Unterrichtsmodul ist auf eine Schulklasse der 2. Klasse Unterstufe ausgerichtet. Sowohl an österreichischen als auch an Südtiroler Schulen entspricht dieses Modul den Anforderungen des Lehrplans und kann somit im Unterricht ohne Veränderungen eingesetzt werden. Es wird von einer dem Durchschnitt entsprechenden Klassengröße von circa 20 Schülerinnen und Schülern ausgegangen. Im Falle einer Abweichung der Gruppengröße kann das Unterrichtsmodul durch kleine Veränderungen leicht angepasst werden, indem zum Beispiel die Kurzreferate in größeren Gruppen gehalten oder einige Themen gesplittet werden.

Das Unterrichtsmodul besteht aus sechs Einheiten. Die ersten beiden Unterrichtseinheiten können im Klassenraum durchgeführt werden. Zur Durchführung der Unterrichtseinheiten 3 und 4 ist ein Computerraum notwendig, der zumindest so ausgestattet ist, dass die Lernenden alleine oder zu zweit einen PC zur Verfügung haben.

5.3. Methodisch-didaktischer Kommentar Zur Entwicklung eines altersgemäßen Geschichtsbewusstseins ist es notwendig, im Rahmen des Geschichtsunterrichts eine Reihe von Historischen und Politischen Kompetenzen zu fördern. Zu den Historischen Kompetenzen gehören nach dem Kompetenzmodell nach Christoph Kühberger493 die Fragekompetenz, die Methodenkompetenz, die Sachkompetenz und die Orientierungskompetenz mit ihren jeweiligen Teilkompetenzen. Jede der Unterrichtseinheiten, die im vorgestellten Unterrichtsmodul enthalten sind, hat das Ziel, eine dieser Kompetenzen vorrangig zu fördern.

Die erste Unterrichtseinheit dient vor allem der Förderung der Historischen Sachkompetenz. Das Hauptziel der Stunde ist neben einem Einstieg in die Welt des Mittelalters und einer Hinführung zum vertiefenden Thema Stadt die Auseinandersetzung mit wichtigen Begriffen und ihre Einordnung. Die Historische Sachkompetenz fördern bedeutet nicht nur Sachwissen zu vermitteln, sondern den Umgang mit und die Einordnung geschichtswissenschaftlicher Termini – in altergemäßem Umfang und Schwierigkeitsgrad – zu lehren.494 Die Idee für den Einstieg stammt von der Website des Projektes segu-Geschichte – selbstgesteuert-entwickelnder Geschichtsunterricht495. Dort ist die

493 Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Innsbruck 2009. 494 Ebd., S. 84. 495 Christoph Pallaske, segu. Lernplattform für offenen Geschichtsunterricht, o. D., [https://segu-

100 Methode als interaktives Onlinespiel konzipiert, die Idee wurde jedoch für den Klassenraum adaptiert, neue Bilder mit regionalem Bezug verwendet, das Begriffsrepertoire etwas erweitert. Der zweite Teil der Stunde dient der Förderung der Orientierungskompetenz. Die Schülerinnen und Schüler lernen potentiell Neues über die Standorte mittelalterlicher Städte und bringen dies mit der Gegenwart in Verbindung. Ihre mentalen Strukturen werden also erweitert.496

Die zweite Unterrichtseinheit widmet sich ganz der Re-Konstruktionskompetenz.497 Mit Hilfe von Bildquellen und Stadtplänen wird versucht, möglichst viel über die Vergangenheit herauszufinden. Dabei soll den Schülerinnen und Schülern klar werden, dass über Vieles nur Vermutungen angestellt werden können, dass Geschichte immer nur eine Konstruktion der Vergangenheit sein kann. Trotzdem sollen sie erfahren, dass dieser selbstständige Versuch einer Re-Konstruktion spannend und interessant sein kann. Durch die Beschäftigung mit Stadtplänen ist auch ein wenig Geographie im Unterricht enthalten. Wären die Schülerinnen und Schüler älter oder geübter im Umgang mit solchen Arbeitsaufträgen, wäre es eine Möglichkeit, die Lernenden selbst Fragen formulieren zu lassen, die sie an die Quelle – beziehungsweise an die Karte – stellen möchten und somit auch die Fragekompetenz zu fördern. Zu Beginn der Auseinandersetzung mit Aufgaben dieser Art ist jedoch ein klarer Leitfaden zielführender. Die Methode PARTNERPUZZLE, die in der zweiten Unterrichtseinheit angewandt wird, stammt aus dem Methodenkoffer Kooperatives Lernen, der auf IQES online zu finden ist.498 Die Methode fördert das schülergesteuerte, kooperative Lernen und stellt die Lehrperson in den Hintergrund. Die Aufgabe der Lehrperson ist hier eine unterstützende, die Schülerinnen und Schüler bewältigen die Aufgabenstellung jedoch unabhängig im Team. Daher ist es bei dieser Methode sinnvoll, leistungsheterogene Gruppen zu bilden, sodass die leistungsstärkeren Lernenden die leistungsschwachen unterstützen können. Die Lehrperson hat erst am Ende der Unterrichtseinheit eine aktive Rolle, in der das Bearbeitete noch einmal in der Großgruppe diskutiert und gefestigt wird.

geschichte.de/lebenswelt-mittelalter/?highlight=lebenswelt%20mittelalter], eingesehen am 06.01.2019. 496 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 102. 497 Ebd., S. 35. 498 Tobias Saum / Ludger Brüning, Methodenkoffer „Kooperatives Lernen 1“. Bewährte Instrumente für die tägliche Unterrichtspraxis, o. D., [https://www.iqesonline.net/index.cfm?id=af29f2bc-1517-6203-6006-347a242ea8ea], eingesehen am 16.01.2019.

101 102 103 Die dritte Unterrichtseinheit bedient sich eines sehr interessanten Tools, um die Historische Orientierungskompetenz zu fördern. Die virtuelle Stadt, in der sich die Lernenden online frei bewegen können, hält viele Entdeckungen bereit. Wiederum wird die Ausbildung neuer mentaler Strukturen gefördert. Allerdings wird sicherlich auch an bereits bestehendes Vorwissen angeknüpft, bereits bestehende mentale Strukturen werden also vertieft und erweitert. Vielleicht wird auch so manche falsche Annahme aus Filmen oder Fantasyliteratur revidiert, sodass es auch zu einer sogenannten Alteritätserfahrung kommen kann. In diesem Fall „muss das eigene Geschichtsbild in Frage gestellt werden und durch die neu erworbenen Erkenntnisse verändert werden“499.

Die Unterrichtseinheiten 4 und 5 beinhalten die Vorbereitung und Präsentation eines Kurzreferats in Zweierteams. Aufgrund des recht jungen Alters der Schülerinnen und Schüler werden in einem Leitfaden Tipps zu Recherche und Strukturierung gegeben. Die zur Auswahl stehenden Themen sind so gewählt, dass schon die Auseinandersetzung mit den Texten innerhalb der virtuellen Stadt ausreicht, um ein Kurzreferat zu halten. Dies ist vor allem für Schülerinnen und Schüler, die eine Lernschwäche haben oder in der deutschen Sprache noch nicht gefestigt sind, hilfreich, da so auch diese die Chance haben, eigenständig zu arbeiten. Das Präsentieren vor der Klasse sollte in kurzen Episoden immer wieder in den Unterricht integriert werden. Wichtig dabei ist ein Feedback nicht nur von Seiten der Lehrperson, sondern auch von Seiten der Gleichaltrigen.

Die abschließende kurze Exkursion soll noch einmal in eindringlicher Form den Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler herstellen. Durch das Übertragen des Gelernten auf eine lebendige Siedlung wird die Historische Orientierungskompetenz, ähnlich wie in der dritten Unterrichtseinheit, besonders gefördert.

499 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 103.

104 5.4. Modulplanung

Unterrichtseinheiten (UE): Quellen und Ablauf: Tätigkeiten der Lehrenden und Lernenden, Geförderte Teilkompetenz Stundenthema/Inhalte Darstellungen Sozialformen und Methoden (siehe 5.5) Lebenswelten des Schematische Arbeit in der Großgruppe. SuS erhalten Wortkarten, Hist. Sachkompetenz > Mittelalters: Darstellung mit Bild- die den vier Bildkarten, die im Raum verteilt sind. Begriffskompetenz, Lebenswelten Land, Burg, und Wortkarten Unklare und neue Begriffe werden geklärt. Strukturierungskompetenz Kloster und Stadt Partnerarbeit im Klassenraum. Es wird Günstige Standorte für eine Schaubild herausgearbeitet, welche Bedingungen für eine Hist. Stadt Stadtgründung von Vorteil waren. Zusammen werden Orientierungskompetenz > Beispiele aus der heutigen Zeit gesucht und in der Mentale Struktur Großgruppe besprochen. Die mittelalterlichen Städte Stadtansichten aus PARTNERPUZZLE im Klassenraum. Hist. Methodenkompetenz Brixen und Bozen: der frühen Neuzeit Die SuS arbeiten im Viererteam zu den Städten Bozen > Re- Die baulichen Merkmale Stadtpläne und Brixen (siehe Methodenblatt PARTNERPUZZLE) Konstruktionskompetenz der mittelalterlichen Stadt Als Leitlinie dienen A1, A3 und die Methodischen Arbeitsschritte im Buch (siehe 5.5.2.) Die SuS schreiben die Ergebnisse anschließend ins Heft.

105 Wir erkunden die Virtuelle Einzelarbeit im Computerraum. Die LP erklärt mittels Hist. mittelalterliche Stadt: mittelalterliche Stadt, Beamer die Möglichkeiten, sich in der virtuellen Stadt Orientierungskompetenz > Lebenswelt Stadt im Detail interaktives Lernspiel zu bewegen, Infotexte zu lesen und Aufgaben zu Mentale Struktur / selbst erkunden unter erfüllen. Außerdem informiert sie die SuS, dass sie am Alteritätserfahrung [https://www.planet- Ende der Stunde ein Thema aus dem Themenkatalog Individuelle schule.de/stadt-im- wählen müssen, das sie anschließend mit einem Schwerpunktsetzung mittelalter/], Partner bearbeiten. eingesehen am 03.01.2019

Kirche und Weltbild, Recht frei von den SuS Partnerarbeit im Computerraum. Die SuS bereiten ihr Hist. Methodenkompetenz und Ordnung, Handel, gewählt, LP schlägt für Thema aus dem Themenkatalog als Kurzreferat auf. > Re- Handwerk und vieles mehr die Onlinerecherche Ihnen stehen das Internet, das Schulbuch sowie die Konstruktionskompetenz – Recherche einige Texte aus dem interaktiven Lernspiel als Vorbereitung von Kindersuchmaschinen Recherchegrundlage zur Verfügung. Die LP gibt vor. Hilfestellung, wenn es notwendig oder gewünscht ist. Kurzreferaten zu einzelnen Aspekten der Die SuS erstellen auch ein Handout für ihre mittelalterlichen Stadt MitschülerInnen. Kirche und Weltbild, Recht Den SuS ist es Kurzreferate zusammen mit dem Partner. Hist. Methodenkompetenz und Ordnung, Handel, freigestellt, Fünf Minuten Redezeit pro Person sind als Richtlinie > Re- Handwerk und vieles mehr Bildquellen und vorgegeben. Anschließend kurzes Feedback zum Konstruktionskompetenz – Präsentation Darstellungen zu Referat durch SuS und LP, Fragen können gestellt und Halten von Kurzreferaten zu verwenden bzw. eine beantwortet werden. einzelnen Aspekten der Mindmap oder mittelalterlichen Stadt ähnliches zum (Doppelstunde oder zwei eigenen Thema zu aufeinanderfolgende erstellen. Stunden)

106 Die Spuren der Gebäude, Plätze und Kurze Exkursion. Hist. Vergangenheit entdecken Straßen in der Die SuS entdecken die Spuren der Vergangenheit Orientierungskompetenz > Exkursion in den eigenen Ortschaft / anhand einer lebendigen Ortschaft. Sie erkunden Mentale Struktur historischen Kern der der Ortschaft der Plätze und Straßen des Ortskerns, betrachten sie unter Ortschaft, in der sich die Schule Berücksichtigung des in der Klasse Erlernten und Schule befindet (auch Dorf) schaffen Verknüpfungen zur eigenen Lebensrealität. (Doppelstunde wäre ideal dafür)

107 5.5. Arbeitsmaterialien

5.5.1. UE Lebenswelten des Mittelalters • 4 Bildkarten (STADT, KLOSTER, BURG, LAND)

Abbildung 9: Stadtansicht Glurns 108

Abbildung 10: Kloster Neustift

109

Abbildung 11

110

Abbildung 12: Feldarbeit im Mittelalter, Bildausschnitt aus Les tres riches heures (März) 111 • 20 Wortkarten zum Zuordnen Marktplatz Zünfte Freiheitsrechte Rathaus Dom Nonnen Mönche Scriptorium Bibliothek Abt Bergfried Adel Ritter Turniere Kemenate Lehenswesen Pflug Dreifelderwirtschaft Leibeigene Meierhof

• Schaubild „Günstige Standorte für die Gründung einer Stadt“ aus dem Schulbuch „zeitreise 1“

Abbildung 13: Schaubild „Günstige Standorte zur Gründung einer Stadt“

112 5.5.2. UE Die mittelalterlichen Städte Brixen und Bozen • Doppelseite im Schulbuch „zeitreise 1“

Abbildung 14: zeitreise 1, S. 192

113

Abbildung 15: zeitreise 1, S. 193

114 • Stadtplan und Stadtansicht von Bozen

Abbildung 16: Stadtplan von Bozen 115 Abbildung 17: „Botzen“, Kupferstich von Matthäus Merian, 1649

116 5.5.3. UE Kirche und Weltbild, Recht und Ordnung, Handel, Handwerk und vieles mehr - Recherche • Themenkatalog für Kurzreferate

Abbildung 18: Themenkatalog

• Leitfaden für die Recherche und das Handout LEBENSWELT STADT IM MITTELALTER: Leitfaden für das Kurzreferat Recherche: • Schau im Themenkatalog: Welche Unterpunkte hat das Thema, das du gewählt hast? • Nutze die Texte, die du in der virtuellen Stadt aufrufen kannst. Du kannst sie dir auch ausdrucken. • Internetrecherche – Nutze folgende Suchmaschinen: www.blinde-kuh.de www.klexikon.de www.frag-finn.de

Handout: • Struktur: Nutze die Unterpunkte im Themenkatalog als Grundstruktur oder gliedere das Handout in andere sinnvolle Kapitel. • Auf das Handout sollen nur die wichtigsten Informationen. Halte dich kurz. • Schreibe in Stichworten oder sehr kurzen Sätzen. • Gib am Ende in einem kurzen Quellenverzeichnis deine Internet- oder Literaturquellen an.

117 6. Literaturverzeichnis Albertoni, Giuseppe, Strutture di potere nel Meranese tra X e XIII secolo, in: Pfeifer, Gustav (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 117-129

Andreolli, Bruno, Caratteri e svillupo della vitivinicoltura nell'Alto Adige del Due-/Trecento, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 173-185

Baeriswyl, Armand, Zähringerkreuz und Urparzelle – Stadtentstehung und –planung am Beispiel von „Zähringerstädten“ im Licht archäologischer Quellen, in: Dietl, Albert / Schöller, Wolfgang / Steuernagel, Dirk (Hrsg.), Utopie, Fiktion, Planung. Stadtentwürfe zwischen Antike und Früher Neuzeit, Regensburg 2014, S. 111-130

Baum, Wilhelm, Bozen in der politischen Konzeption Rudolfs IV., in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S.29-39

Brandstätter, Klaus, Bozen an der Wende zum 15. Jahrhundert, in: Siller, Max (Hrsg.), Hans Vintler: Die Blumen der Tugend (1411) (Schlern-Schriften 362), Innsbruck 2015, S. 55-69

Ders., Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient im späten Mittelalter (Studi Trentini di Scienze Storiche 75), Trient 1996

Ders., Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 127-172

Ders., Juden in Tirol in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Simon und Sarah in Bozen. Jüdische Präsenz in und außerhalb der Stadt bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 4), Bozen 2012, S. 13-35

Ders., Städtische Maßnahmen zur Verkehrsorganisation im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit: Der Anteil der Städte an der Erschließung der Alpenübergänge, in: Niederstätter, Alois (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 183-216

Braun, Heinz, Beiträge zur Geschichte Bozens im 16. Jahrhundert (Schlern-Schriften 33), Innsbruck 1936

118 Brunner, Karl, Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters, München 2012

Bückling, Gerhard, Die Bozener Märkte bis zum Dreißigjährigen Kriege (Staats- und Sozialwissenschaftliche Forschungen 124), Leipzig 1907

Conta, Gioia, La conca di Bolzano in età romana: elementi di geografia storica, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 69-81

Csendes, Peter, Die Stadt im Straßennetz, in: Niederstätter, Alois (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 55-65

Demo, Edoardo, Veroneser Händler auf den Bozner Messen des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Verona – Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 247-266

Denecke, Dietrich, Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung der spätmittelalterlichen Stadt. Problemstellungen, Methoden und Betrachtungsweisen der historischen Wirtschafts- und Sozialgeographie, in: Fleckenstein, Josef / Stackmann, Karl, Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1975-77, Göttingen 1980, S. 161-202

Ders., Zur Entstehung des Verkehrs, in: Niederstätter, Alois (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S.1-25

Ehmann, Eugen, Markt und Sondermarkt. Zum räumlichen Geltungsbereich des Marktrechts im Mittelalter (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 40), Nürnberg 1987

Engel, Evamaria, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Düsseldorf 2005

Finsterwalder, Karl, Die Ortsnamen in Tirol, in: Ders., Tiroler Ortsnamenkunde. Gesammelte Aufsätze und Arbeiten, Bd. 1, Innsbruck 1990, S. 57-69

Fuhrmann, Bernd, Die Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2006

119 Gritsch, Helmut, Zur Gründungsgeschichte des Dominikanerklosters in Bozen, in: Der Schlern 52 (1978/5), S. 271-279

Groten, Manfred, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2013

Gruber, Karl, Die Gestalt der deutschen Stadt. Ihr Wandel aus der geistigen Ordnung der Zeiten, München 1977

Haase, Carl, Die Entstehung der westfälischen Städte, Münster 1976

Hagen, Christian, Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe. Die Städte der Grafschaft Tirol im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 38), Innsbruck 2015

Haidacher, Christoph, Die wirtschaftliche Rolle der Stadt Bozen und ihre finanzielle Bedeutung für das Tiroler Landesfürstentum, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S.41-56

Ders., Verkehr am Oberen Weg im Mittelalter, in: Rainer Loose (Hrsg.), Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg, Innsbruck 2006, S. 67-86

Hardach, Gerd / Schilling, Jürgen, Das Buch vom Markt. Eine Wirtschafts- und Kulturgeschichte, Luzern 1980

Hauptmeyer, Carl-Hans, Städtische Wirtschaft im Längsschnitt – oder warum die mittelalterliche Stadt immer noch Modellcharakter besitzt, in: Holbach, Rudolf / Michel, Pauly (Hrsg.), Städtische Wirtschaft im Mittelalter. Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag, Köln 2011, S. 155-170

Hirschmann, Frank G., Die Stadt im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 84), München 2009

Ders., Leitlinien der Stadtgestaltung im 10. bis 12. Jahrhundert, in: Dietl, Albert / Schöller, Wolfgang / Steuernagel, Dirk (Hrsg.), Utopie, Fiktion, Planung. Stadtentwürfe zwischen Antike und Früher Neuzeit, Regensburg 2014, S. 93-110

Hoeniger, Karl Theodor, Das „Zinsverzeichnis der Herren von Wanga“ – ein Marktrechtsverzeichnis der Laubengasse, Der Schlern 19 (1938/1-2)

Ders., Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497, Innsbruck 1951

120 Houtte, Jan A. van, Messe (Handelsmesse, I Westl. Bereich), in: Lexikon des Mittelalters Bd. 6, Stuttgart 1993, Sp. 558-560

Hye, Franz-Heinz, Die Anfänge und die territoriale Entwicklung der Stadt Bozen, in: Der Schlern 52/2, Bozen 1978, S. 67-74

Ders., Die Gründung von Bozen – gesehen im Rahmen der hochmittelalterlichen Stadtgründungen in Tirol (mit Repliken auf die neuesten Theorien), in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 191-202

Irsigler, Franz, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa. Mittelalter und frühe Neuzeit, in: Ders. / Michel Pauly, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 5), Trier 2007, S. 1-24

Ders., Was machte eine mittelalterliche Siedlung zur Stadt? (Universitätsreden 51), Saarbrücken 2003, S. 17-44

Ders., Überlegungen zur Konstruktion und Interpretation mittelalterlicher Stadttypen, in: Johanek, Peter / Post, Franz-Joseph (Hrsg.), Vielerlei Städte. Der Stadtbegriff, Köln 2004, S. 107-120

Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Wien/Köln/Weimar 2012

Kaufhold, Karl Heinrich, Die Stadt als Verkehrsraum, in: Niederstätter, Alois (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 16), Linz/Donau 2001, S. 27-53

Kühberger, Christoph, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Innsbruck 2009

Kühebacher, Egon, Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte, Bd. 1, Bozen 1991

Laitempergher, Franco / Pacella, Gianni, Bolzano nel Trecento: la città contesa, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 187-202

121 Landi, Walter, Nationalkönige ohne Nation. Das Regnum Italiae und die Mark Trient zwischen dem Ende des 9. und den Anfängen des 11. Jahrhunderts, in: Verona-Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 49-106

Leidlmair, Adolf, Zur geographischen Lage von Bozen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 7-15

Loose, Rainer, Der Bozner Siedlungsraum vor der Stadtgründung. Zur früh- bis hochmittelalterlichen Siedlungsstruktur des heutigen Stadtgebietes, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 115-134

Ders., Wohnen und Wirtschaften in der Laubengasse. Versuch einer Sozialtopographie der Altstadt Bozen um 1350, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 105-126

Lunz, Reimo, Die Bozner Stadtbefestigung, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 241-255

Ders., Vorgeschichtliche Siedlungsspuren im Bozner Talkessel, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 39-67

Mahlknecht, Bruno, Bozen durch die Jahrhunderte. Bilder und Texte zur Kulturgeschichte von Bozen, Bozen 2006

Maschke, Erich, Soziale Gruppen in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, in: Fleckenstein, Josef / Stackmann, Karl, Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1975-77, Göttingen 1980, S. 127-145

Mitterauer, Michael, Markt und Stadt im Mittelalter. Beiträge zur historischen Zentralitätsforschung (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 21), Stuttgart 1980

Moeser, Karl, Die Entstehung und Verbreitung des Namens „Kreuzer“ für den Meraner Zwainziger- Grossus (Schlern-Schriften 9), Innsbruck 1925, S. 235-245

122 Mumelter, Norbert, Der Kuntersweg. Die Überwindung der Eisackschlucht „zwischen Botzen und Trostperch“, Bozen 1984

Muth, Eugen J., Die Bozner Messe (Beiträge zur alpenländischen Wirtschafts- und Sozialforschung 33), Innsbruck 1968

Nössing, Josef, Bozen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 327- 337

Ders., Bozens Weinhandel im Mittelalter und in der Neuzeit, in: Opll, Ferdinand (Hrsg.), Stadt und Wein (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 14), Linz/Donau 1996, S. 181-191

Ders., Die Bedeutung der Tiroler Weine im Mittelalter, in: Schrenk, Christhard / Weckbach, Hubert, Weinwirtschaft im Mittelalter. Zur Verbreitung, Regionalisierung und wirtschaftlichen Nutzung einer Sonderkultur aus der Römerzeit (Weinwirtschaft im Mittelalter 9), Heilbronn 1997, S. 193-203

Ders., Ein Gang durch Bozens Geschichte. Stadt und Bürger, in: Tiefenbrunner, Heinz / Seidner, Hubert / Mair, Gerald, Häusergeschichte von Altbozen, Bozen 2016, S. 7-22

Nothdurfter, Hans, Das spätantike und frühmittelalterliche Bozen und sein Umfeld aus der Sicht der Archäologie, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 105-113

Obermair, Hannes, „Bastard Urbanism“? - Vergangene Stadtformen im Tirol-Trentiner Alpenraum, in: Knittler, Herbert, Minderstädte. Kümmerformen. Gefreite Dörfer. Stufen zur Urbanität und das Märkteproblem, Linz 2006, S. 51-75

Ders., Bozner Urkundenwesen des Mittelalters und die Gründung der städtischen Siedlung Bozen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 159-190

Ders., Kirche und Stadtentstehung, Die Pfarrkirche Bozen im Hochmittelalter (11.-13. Jahrhundert), in: Der Schlern 69 (8/9), Bozen 1995, S. 449-474

Ders., Stadt und Territorium in Tirol. Streiflichter aus Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Flachenecker, Helmut / Heiss, Hans (Hrsg.), Franken und Südtirol. Zwei Kulturlandschaften

123 im Vergleich (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 34), Innsbruck 2013, S. 121- 131

Pauly, Michel, Der Beitrag der Messen und Märkte zur mittelalterlichen Integration Europas, in: Irsigler, Franz / Ders., Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 5), Trier 2007, S. 285-314

Plessow, Oliver, Die Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2013

Rasmo, Nicolò, Bolzano, Rovereto 1959

Rauch, Günther, Bozner Obstplatz. Historisches und Alltägliches, Bozen 2012

Rausch, Wilhelm, Jahrmärkte, Messen und Stadtentwicklung in den habsburgischen Ländern Österreichs, in: Johanek, Peter / Stoob, Heinz, Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit, Köln 1996, S. 171-187

Riedmann, Josef, Die Rolle der Tiroler Städte im Spätmittelalter (mit Fokus auf Meran), in: Pfeifer, Gustav (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 11-24

Ders., Eine von gemeinsamen Interessen getragene Nachbarschaft. Tirol und Verona im späten Mittelalter (13. Jahrhundert bis 1500), in: Verona-Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 133-156

Rizzolli, Helmut, Bozens Bedeutung für das Tiroler Münz- und Bankwesen vor dem Jahre 1363, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv Bozen 1999, S. 229-240

Ders., Die Rolle Bozens im hochmittelalterlichen Münzwesen, in: Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1991, S. 233-236

Ders. / Schneider, Walter, Jüdische Lebensbilder aus Bozen, in: Simon und Sarah in Bozen. Jüdische Präsenz in und außerhalb der Stadt bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 4), Bozen 2012, S. 69-148

Ders., Münzgeschichte des alttirolischen Raumes im Mittelalter, Bd. 1, Bozen 1991

124 Santifaller, Leo, Ein Zinsverzeichnis der Herren von Wanga in Bozen aus der Zeit um 1300 (Schlern- Schriften 9), Innsbruck 1925, S. 143-163

Sparber, Anselm, Die Quartinus-Urkunde von 827/28 (Schlern-Schriften 12), Innsbruck 1927, S. 176-185

Sprandel, Rolf, Markt (I Westl. Bereich), in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Stuttgart 1993, Sp. 308- 314.

Staffler, Richard, Handelschaft in Bozen vor 150 Jahren, in: Der Schlern 23 (1949/8), S. 334-335

Stolz, Otto, Geschichte des Landes Tirol, Innsbruck 1973

Ders., Politisch-historische Landesbeschreibung von Südtirol (Schlern-Schriften 40/2), Innsbruck 1938

Szabó, Thomas, Chi era responsabile delle strade nell’area alpina? in: Bergier, Jean-Franҫois / Coppola, Gauro (Hrsg.), Vie di terra e d’acqua. Infrastrutture viarie e sistemi di relazioni in area alpina (secoli XIII-XVI), Bologna 2007, S. 141-159

Terzer, Christian, Stadtkerngrabung in Bozen. Ein Keramikkomplex des 13. bis 16. Jahrhunderts aus der Laubengasse, Innsbruck 2004

Torggler, Armin, Von grauem Loden und farbigen Tuchen. Überlegungen zu Tuchhandel und Textilverarbeitung in Tirol, in: Verona – Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516, hrsg. von der Stiftung Bozner Schlösser (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 7), Bozen 2015, S. 199-245

Varanini, Gian Maria, Viste dalla pianura padana. Le città dell’area trentino-tirolese nel contesto comparativo del versante meridionale delle Alpi (secoli XIII-XV), in: Pfeifer, Gustav (Hrsg.), 1317 – Eine Stadt und ihr Recht. Meran im Mittelalter, Bozen 2018, S. 25-38

Voltelini, Hans, Die Bozner Eisakbrücke, (Schlern-Schriften 9), Innsbruck 1925, S. 164-169

Weber, Max, Die Stadt. Eine soziologische Untersuchung, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 47, Heft 3, 1921, S. 621-772, abgedruckt in: Nippel, Wilfried (Hrsg.), Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß (Max Weber Gesamtausgabe 5), Tübingen 1999

Zamboni, Carlofilippo, La Navigazione sull'Adige in rapporto al Commercio Veronese, Verona 2006

125 7. Quellenverzeichnis Hörmann, Julia, Die „Kuntersweg-Urkunden“ – Eine Quellenübersicht, in: Tiroler Heimat 67 (2003), S. 49-61.

Huter, Franz, Tiroler Urkundenbuch, Bd. I/1, Innsbruck 1937

Ders., Tiroler Urkundenbuch, Bd. I/2, Innsbruck 1949

Obermair, Hannes (Hrsg.), Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500, Bd. 1, Bozen 2005

Ders. (Hrsg.), Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500, Bd. 2, Bozen 2008

Stolz, Otto, Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden, Bd. 3/2, München-Berlin 1932

8. Verzeichnis der Internetquellen Allerseelen. Gedenktage für alle Verstorbenen, o. D., [https://www.festjahr.de/de/das- jahr/weitere_feste_und_zeiten_im_kirchenjahr/allerseelen.html], eingesehen am 19.12.2018.

Autonome Provinz Bozen Südtirol – Deutsches Schulamt, Rahmenrichtlinien des Landes für die Festlegung der Curricula für die Grundschule und die Mittelschule an den autonomen deutschsprachigen Schulen in Südtirol. Beschluss der Landesregierung vom 19.01.2009, Nr. 81, [http://www.provinz.bz.it/schulamt/kinder-schueler-eltern/mittelschule.asp], S. 86, eingsehen am 16.01.2019.

Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung, 18.05.2016, [https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2016_II_113/BGBLA_2016_II_11 3.html], eingesehen am 16.01.2019.

Freitag, Werner, Stadttypen, 01.09.2014 [http://testwww.uni- muenster.de/Staedtegeschichte/portal/einfuehrung/stadttypen/index.html], eingesehen am 17.03.2018

126 Obermair, Hannes / Stampfer, Helmut, Urbane Wohnkultur im spätmittelalterlichen Bozen, o. D., [https://www.comune.bolzano.it/UploadDocs/4666_BIBLIO_03.pdf], eingesehen am 20.12.2018

Saum, Tobias / Brüning, Ludger, Methodenkoffer „Kooperatives Lernen 1“. Bewährte Instrumente für die tägliche Unterrichtspraxis, o. D., [https://www.iqesonline.net/index.cfm?id=af29f2bc-1517-6203-6006-347a242ea8ea], eingesehen am 16.01.2019 segu. Lernplattform für offenen Geschichtsunterricht, o. D., [https://segu- geschichte.de/lebenswelt-mittelalter/?highlight=lebenswelt%20mittelalter], eingesehen am 06.01.2019

Südtirol in Zahlen, hrsg. von: Landesinstitut für Statistik, Bozen 2018, [https://astat.provinz.bz.it/downloads/Siz_2018(4).pdf], eingesehen am 26.12.2018

9. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 (Titelblatt) – Die fürstbischöfliche Marktgründung Bozen: Bassetti, Silvano, Dalla città fortificata alla città murata attraverso l’iterazione della casa mercantile su lotto gotico profondo, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 203-228, hier: S. 221

Abbildung 2 – Übersicht der mittelalterlichen Jahrmarkts- bzw. Messeorte in Mitteleuropa: Irsigler, Franz, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa. Mittelalter und frühe Neuzeit, in: Ders. / Michel Pauly, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 5), Trier 2007, S. 1-24, hier: S. 11

Abbildung 3 – Schweizerstadt: Grubers Beispiel für einen „durch zwei Tore abgeschlossenen Straßenmarkt“: Gruber, Karl, Die Gestalt der deutschen Stadt, München 1977, S. 51

Abbildung 4 – Die fürstbischöfliche Marktgründung Bozen: wie bei Abb. 1

Abbildung 5 – Grabenmauer und Turmfundament am Kornplatz: Lunz, Reimo, Die Bozner Stadtbefestigung, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 241-255, hier: S. 243.

127 Abbildung 6 – Das burgum novum: Bassetti, Silvano, Dalla città fortificata alla città murata attraverso l’iterazione della casa mercantile su lotto gotico profondo, in: Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern, hrsg. von der Stadt Bozen/Stadtarchiv, Bozen 1999, S. 203-228, hier: S. 219

Abbildung 7 – Skizze Bozens in Hoenigers „Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497: Hoeniger, Karl Theodor, Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497, Innsbruck 1951, S. 13

Abbildung 8 – Bozen im Jahre 1607 (Zeichnung von Ludwig Pfendter, Original im Staatsarchiv Wien): Website der Gemeinde Bozen, [https://www.gemeinde.bozen.it/UploadImgs/26606_Ludwig_Pfendter_1607_Museum_69 73_A.jpg], eingesehen am 20.12.2018

Abbildung 9 – Stadtansicht Glurns: sentres Südtirol, [https://www.sentres.com/de/glurns], eingesehen am 17.01.2019

Abbildung 10 – Kloster Neustift: Information, [https://www.valleisarco.info/en/holiday-areas/bressanone-brixen-and- environs/bressanone-brixen-and-environs/convent-novacella-neustift/], eingesehen am 17.01.2019

Abbildung 11 – Mittelalterliche Burg Burghausen: Wikimedia, [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hauptburg_Burghausen.JPG], eingesehen am 17.01.2019

Abbildung 12 – Feldarbeit im Mittelalter, Bildausschnitt aus Les tres riches heures (März): ZUM Unterrichten, [https://unterrichten.zum.de/wiki/Datei:Detail_of_Les_tres_riches_heures_- _March.jpg], eingesehen am 17.01.2019

Abbildung 13 – Schaubild „Günstige Standorte für die Gründung einer Stadt“: Christoffer, Sven u.a., zeitreise 1- Ausgabe für Südtirol, Stuttgart 2011, S. 191

Abbildung 14 – zeitreise 1, S. 192: Ebd., S. 192

Abbildung 15 – zeitreise 1, S. 193: Ebd., S. 193

128 Abbildung 16 – Stadtplan von Bozen: suedtirol.com, [https://www.suedtirol.com/media/2031/piantina_bolzano_citymap_complete.pdf], eingesehen am 17.01.2019

Abbildung 17 – „Botzen“, Kupferstich von Matthäus Merian, 1649: [https://www.zvab.com/buch- suchen/textsuche/botz/druckgrafik/foto/], eingesehen am 17.01.2019

Abbildung 18 – Themenkatalog: planet schule, [https://www.planet-schule.de/stadt-im- mittelalter/], eingesehen am 17.01.2019

129