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Die Region Mainfranken hat sich zu einem kulinarischen Paradies entwickelt, das auf seine Entdeckung wartet.

TEXT Hans-Peter Siebenhaar

er geht von Ost nach rants im malerischen Sommerhausen in ckelt, das auf seine Entdeckung wartet. Eine West spielerisch mit der die Ferne. Als Vorbild nennt er Hans Haas, Generation ambitionierter Küchen wie fränkischen Landschaft um. der seit über zwei Dekaden im Münchner ­»Philipp« in Sommerhausen oder »Reisers« Die Kimbern sprachen einst vom »Moine«, »­Tantris« am Herd steht. »Ich bin gelernter in Würzburg, aber auch viele traditionelle Dwas so viel bedeutet wie »gekrümmte Schlan­ Metzgermeister und sollte eigentlich den ­Familiengasthöfe, wie beispielsweise die ge«. Tatsächlich mäandert der Fluss unaufge­ ­elterlichen Betrieb übernehmen«, sagt der »Brücke« in , der »Schwan« in regt vorbei am Steigerwald, durch den Spes­ heute 39-Jährige. Doch durch einen Bekann­ Cas­tell oder »Falken« in , sart gen Frankfurt. Das Maindreieck rund ten seiner Eltern kam er schließlich zu einer ­bilden eine ungeahnte Genussregion links um Würzburg ist das Herzstück Mainfran­ Kochlehre in den damals legendären, heute und rechts der Autobahn von Frankfurt kens. Tourismusmanager, denen die von zen­ längst geschlossenen »Schweizer Stuben« im nach Nürnberg. tralistischen Politikern im fernen München fränkischen . Unter der Der Aufschwung ist sehr eng mit dem Auf­ erfundene Verwaltungseinheit Unterfranken Regie des Zwei-Sterne-Kochs Fritz Schilling stieg des Frankenweins verbunden. Lange zu dröge war, haben zu Werbezwecken das lernte er das Handwerk der Haute Cuisine. galt die barock-bauchige Bocksbeutelflasche »Fränkische Weinland« erfunden. Bei den »Das war für mich eine völlig neue Welt«, als Synonym für einen in die Jahre gekom­ Einheimischen löst dieser Kunstbegriff aber schwärmt der aus dem Würzburger Vorort menen Altherrenwein. Doch diese Zeiten nur Achselzucken aus. Sie machen traditio­ Gerbrunn stammende Gastronom. Seine sind passé. Der fränkische Rebsaft, allen nell um ihr Paradies kein großes Aufheben. ­wachen blauen Augen leuchten. ­voran Silvaner und Spätburgunder, die auf Zu Unrecht. Heute zählt Michael Philipp zu den inno­ so unterschiedlichen Böden wie Keuper, Denn die Flusslandschaft mit ihrem fast vativsten und handwerklich besten Köchen ­Muschelkalk und Buntsandstein reifen, spielt schon mediterranen Klima ist seit jeher eine Mainfrankens. Dabei setzt er weder auf heute in der bundesweiten Spitzengruppe gesegnete Landschaft. Der Main mit seinen selbstverliebte Spielereien noch auf eine mit. Die mainfränkische Weinbautradition Seitenarmen dient als Fischlieferant, die ­Orgie an Gewürzen, und dennoch ist jedes reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück. Missio­ fruchtbaren Talböden bieten Gemüse und seiner Gerichte ein Aromakunstwerk. In nierende Mönche sorgten bereits 777 in Obst, auf den oft steilen Muschelkalkhängen fränkischer Bescheidenheit definiert er das der Nähe von Hammelburg für den ersten gedeihen Frankens beste Silvanerreben. Lu­ Ziel seiner im Grunde genommen klassischen ­professionellen Weinbau, schon im Jahr kullische Genüsse haben in Mainfranken seit französischen Küche mit lokalem Einschlag: 790 folgte Würzburg. Eine Erfolgsgeschichte Jahrhunderten Tradition. Denn geizig waren »Der Eigengeschmack des Produkts muss bei nahm ihren Anfang. Heute ist die Traube die Kirchenfürsten nie, das merkt man Dör­ jedem Gericht klar erkennbar sein.« Bei den ­Silvaner der ganze Stolz der Region. Für eine fern und Städten wie , , Produkten kann er in der Region aus dem Renaissance haben nicht zuletzt neugierige, wein & küche: Sulzfeld, Frickenhausen, Sommerhausen und Vollen schöpfen. Der Blondschopf zählt auf: bisweilen auch sture Pioniere wie Johann Veitshöchheim bis heute an. Üppig und Bachsaibling aus dem waldreichen , Ruck aus , Richard Östreicher aus prächtig sollte alles sein, vor allem in Würz­ Lamm und Wild aus der rauen Rhön, Spar­ , Gerhard Roth aus , burg. Die Residenz der Fürstbischöfe, das gel, Kirschen, Zwetschgen und Beeren aus Rainer Sauer in Escherndorf oder Schloss Hauptwerk des fränkischen Barock-Baumeis­ Sommerhausen. »Saisonalität ist für meine Sommerhausen gesorgt. Übrigens: Mit dem franken ters , ist als imposantes Küche ganz wichtig.« Die Region hat aber fast 600 Jahre alten Schloss Sommerhausen, Denkmal absolutistischer Macht mit den auch ihre Grenzen. »Es gibt keine Meefischli dem Weingut von Martin Steinmann, hat opulenten Fresken des Venezianers Giovanni aus dem Main mehr«, stellt er nüchtern fest. ­Michael Philipp eine wunderbar leichte Battista Tiepolo und einem labyrinthartigen Die in Paniermehl und Ei gewälzten, gold­ ­Cuvée aus dreierlei Reben kreiert. Der Win­ trumpft auf Weinkeller von der UNESCO als Weltkultur­ braun gebratenen Meefischli, vor allem zer und der Koch sind quasi Nachbarn. erbe geschützt. ­Rotaugen und Ukeleis, sind eine kulinarische Als der damals 26-jährige Koch mit seiner Michael Philipp ist einer, der seine frän­ Legende. Frau Heike vor 13 Jahren sein Feinschme­ ildagentur Huber kische Heimat liebt. Nie zog es den Koch Mainfranken hat sich längst zu einem ver­ ckerlokal gründete, war das alles andere oto: B F und Eigentümer des gleichnamigen Restau­ wunschenen kulinarischen Paradies entwi­ als einfach. »Es war eine harte Aufbau­ >

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Ein 400 Jahre altes Patrizierhaus beherbergt nun das Ludwig Knoll zu den besten Adressen in zeugung. Den Wechsel an den Main hat der »Restaurant Philipp« Würzburg gehört. Der Waller und der Zander polyglotte Allgäuer nie bereut. Vor über zehn kommen tatsächlich noch aus dem Main. Jahren hat er im benachbarten Rothenburg »Unsere Küche ist eine Tagesküche. Es wird ob der seine Sterneküche im dama­ gekocht, was wir auf dem Markt bekom­ ligen »Louvre« an den Nagel gehängt. »Es ist men«, beschreibt der umtriebige Koch und mir langweilig geworden«, sagt er heute. Auf Unternehmer seine Philosophie. Das Essen Anregung des Winzers Ludwig Knoll zog er soll bezahlbar sein. Sein Lieblingsprodukt ist in die Traumlage am Stein oberhalb Würz­ Reh, das er in Top-Qualität von Jägern aus burgs. Mittlerweile besitzt der 46-Jährige ein »Landgasthof zur Brücke«: dem Spessart und Steigerwald bekommt. »Es kleines Gastronomieimperium ohne Stan­ mit seiner Muschelkalk- ist wichtig, dass ein Tier beim Tod keinen dardgerichte. Im Sommer betreibt ein Team fassade ein fränkischer Bilderbuch-Gasthof Stress hat. Das schmeckt man«, sagt Reiser. von 45 Festangestellten plus 30 freien Mit­ Deshalb bezieht er weiteres Fleisch von einem arbeitern zwei Restaurants – »Reisers am Bauern in der Rhön, der noch die traditionelle Stein« und »Reisers am Golfplatz« (am Stadt­ Wiesenschlachtung betreibt. Von der Terrasse rand in Heidingsfeld) – sowie ein Catering­ hausgemachten Wildschweinbratwürste mit seines modern-minimalistischen Res­taurants unternehmen samt Kochschule im nahen Steigerwälder Steinpilzen und Kartoffel-Selle­ aus kann der Gast seinen Blick über die stei­ ­Dettelbach, das der marketingerfahrene rie-Püree. In Franken gilt noch immer die len Weinberge unterhalb der mächtigen Fes­ ­Reiser schlicht »Eventmanufaktur« nennt. Bratwurstkunst als ein Gradmesser für die tung Marienberg oder die vielen barocken Angesichts seiner vielfältigen Aktivitäten Leistungsfähigkeit einer Landküche. Kirchtürme links und rechts des Mains ­inklusive Lehrtätigkeit kommt der aus einer »Die Bedeutung der Lieferanten aus der schweifen lassen. Ein Ort zum Träumen. Kaufmannsfamilie stammende Kochkünstler Region nimmt zu«, betont Bernd Fischer Reiser ist Realist. Er weiß, was seine Gäste kaum noch dazu, selbst am Abend hinter dem vom »Landgasthof zur Brücke« in Wiesen­ wollen. »Qualität, Qualität, Qualität«, sagt Herd zu stehen. theid, dem kleinen Residenzort der Grafen der einstige Lufthansa-Koch aus tiefster Über­ Bei Markus Lösch im malerischen Castell von Schönborn. Doch es sei nicht immer ein­ ist es genau umgekehrt. Ohne ihn geht in der fach, die entsprechenden Mengen in gleich­ Küche seines »Gasthauses zum Schwan« bleibender Qualität zu organisieren. Deshalb > arbeit«, erinnert sich der Vielarbeiter. Eigentümer und Mix aus internatio­nal nichts. Der Franke ist einer, der sich trotz sei­ kann und will er sich nicht auf fränkische »Doch wir haben unser Konzept nie verän­ ränkische Köche müssen Chefkoch Michael und regional im »Gast- nes gastronomischen Ehrgeizes nie verbogen Waren beschränken. »Für mich ist aus­ dert«, sagt der Franke, der trotz seiner Kü­ Philipp mit haus zum Schwan« hat. Sein Gasthof ist noch ein echter Gasthof. schlaggebend, dass ich ein hochwertiges Pro­ nicht in internationale seiner Crew chenleistung bescheiden geblieben ist. Durch F Die betagte Mutter hilft heute noch in der dukt bekomme«, sagt der 52-Jährige, der im Zufall konnte das junge Paar ein 400 Jahre Häuser. Sie beweisen ihr Küche mit, der Vater steht am Tresen und Bamberger Traditionshaus »Messerschmitt« altes Patrizierhaus kaufen, das über Genera­ ­Können am liebsten zu Hause. schenkt Silvaner aus. Der Stammtisch nach gelernt hat. »Doch ich brauche keinen Spar­ tionen im Ort als Arztpraxis gedient hatte. In dem sonntäglichen Kirchgang ist keine Fol­ gel aus Südchina.« Seine Gäste schätzen den heimeligen, minimalistischen Räumen, klore, sondern ein Treffpunkt. Der mit Holz Nüsschen vom Steigerwaldreh im Gewürz­ deren Wände mit zahlreichen Bildern der In der Schule der »Schweizer Stuben« von vertäfelte Gastraum aus den Sechzigerjahren mantel mit Steinpilzsauce oder ganz einfach Würz­burger Künstlerin Barbara Schaper-­ Fritz Schilling hat auch Markus Lösch aus des vorigen Jahrhunderts ist originalgetreu Scheiben vom Schwäbisch-Hällischen Land­ Oeser ­geschmückt sind, serviert Michael dem Winzerdörfchen Castell zu Füßen des erhalten. Es gibt eigenen Wein und selbst schwein in Landbiersauce mit geschmelzten ­Philipp ein weltoffenes siebengängiges Steigerwalds gelernt. Ähnlich wie Philipp ­gebrannten Mirabellen-Obstbrand. Kartoffelklößen, aber auch Jakobsmuscheln Degustationsmenü,­ das sich auf Wunsch um zog es den heute 46-jährigen Küchenmeister Wie bei seinem Würzburger Kollegen Rei­ im Gewürzlachsmantel auf Erbsenmousse­ zwei Gänge reduzieren lässt. Das ist auch nicht groß in die Welt hinaus. Nach Lehrjah­ ser gilt die Liebe von Lösch den heimischen line. ­Fischers »Brücke« in Nachbarschaft schon die ganze Speisekarte. Aromatische ren in Wertheim und einem Ausflug in die Produkten. Er verfügt über ein Netz von zum Schönborn’schen Schlossgarten ist mit Harmonie, handwerkliche Perfektion im Sterneküche Oberbayerns übernahm er lieber ­Lieferanten. Einer seiner Klassiker sind die seiner für die Region so typischen Muschel­ ­Umgang mit Thunfisch, Schwertfisch, Ja­ den elterlichen Betrieb, den traditionsreichen kalkfassade ein fränkischer Bilderbuchgast­ kobsmuscheln oder dem heimischen Rhön- »Gasthaus zum Schwan« in Nachbarschaft hof. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1996 hat Rehrücken samt ­Artischocken und Portwein des fürstlichen Schlosses. Sein Urgroßvater Ecke, sein Bio-Kalb stammt aus Bindlach bei sich der zurückhaltende Franke eine treue sowie exzellente Produkte machen das »Phi­ gründete in der ehemaligen Poststation und Bayreuth, das Schweinefleisch von der seit Fangemeinde weit über die Region hinaus lipp« zur ersten Adresse im Maindreieck. Brauerei vor über einem Jahrhundert die fünf Genera­tionen existierenden Prichsen­ erkocht. Seine Frau Ute sorgt für den Service ­Seine charmante Frau, eine erfahrene Som­ Wirtschaft. »Meine Eltern haben Haus­ städter Metz­gerei Bausewein. Die Weine in der modern-rustikalen Gaststube, Bruder melière, serviert eine moderne Auswahl an mannskost auf gutem Niveau gekocht«, er­ sind von Spitzenwinzern aus den Nachbard­ Joa­chim liefert vom eigenen, nur fünf Hek­ fränkischen Weiß- und Rotweinen, ergänzt innert sich Lösch. Das änderte der Filius, der örfern wie Gerhard Roth aus Wiesenbronn tar großen Weingut die Silvaner, und ­Vater um gute Flaschen aus Frankreich und Spa­ vor zwanzig Jahren die Regie in der Küche und Weltner aus Rödelsee oder ganz einfach Martin stellt die exzellenten Obstbrände her. nien. Lediglich zwischen den Hauptessens­ übernahm, schnell. »Meine Philo­sophie ist von der Verwandtschaft, dem Casteller Wein­ Die »Brücke« ist bis heute ein echter Fami­ zeiten am Nachmittag offeriert der zurück­ die Verfeinerung unserer Produkte aus der gut Brügel. lienbetrieb geblieben, der die Liebe zum hei­ haltende Franke auf seiner im Juli 2012 Region«, erklärt er ­seine fränkische Küche »Bei uns kommen 70 Prozent der Produkte mischen Wein pflegt. Darin liegt generell das eröffneten Gartenterrasse­ an der Hauptstra­ mit mediterranem Einschlag. Seine Forellen aus der Region«, sagt Bernhard Reiser, der »­Reisers am Stein« ist ein Geheimnis, weshalb Mainfranken zu ­einer ße des Winzerdörfchens­ auch ein Drei-Gän­ kommen aus dem nahen , die mit seinem Restaurant »Reisers am Stein« als Teil des Weinguts am Stein kulinarischen Region ersten Ranges aufge­ von Ludwig Knoll otos: beigestellt ge-Menü – für ihn noch ein Experiment. Pilze aus dem Steigerwald gleich um die Teil des angesehenen Weinguts am Stein von F stiegen ist. <

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