Städtebauliches Leitbild Wettingen: Grundlagen

1. Ausgangslage Mit den vorliegenden Grundlagen soll das Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt sind ei- Verständnis für die Strukturen und Spielre- nem steten Wandel unterworfen. Zum Teil geln, nach denen gebaut wurde und nach werden Veränderungen gewünscht und von denen heute gebaut oder verdichtet werden selbst herbeigeführt, zum Teil muss auf über- kann, gefördert werden. Gestützt auf städte- geordnete Einflüsse reagiert werden. Beides bauliche Analysen und Grundlagen sollen trifft auch auf die bauliche Entwicklung unse- mittelfristig Teilleitbilder mit konkreten Vor- rer Gemeinde zu. stellungen für einzelne Quartiere erarbeitet werden (vgl. hierzu auch Kapitel 4). Wettingen ist die grösste Gemeinde im Kan- ton und Teil des kantonalen Haupt- 3. Analyse zentrums Baden-Wettingen. Wir gehören aber 3.1 Allgemeines auch zum prosperierenden Wirtschaftsraum Wettingen in seiner heutigen Form ist vor al- . Die Nachfrage nach attraktiven Woh- lem während der letzten 200 Jahre gebaut nungen und Arbeitsplätzen ist gross. Wettin- worden. Bauherren waren in der Regel jene gen ist als Wohn- und Arbeitsstandort be- Bürger, die für ihre eigenen Bedürfnisse in- gehrt. vestierten. Sie haben sich mit Ihrem Haus ge- genüber der Öffentlichkeit exponiert und identi- Auch bei einer hohen Bautätigkeit müssen fiziert. Ihre Wertvorstellungen sind noch heu- die Qualitäten Wettingens dauerhaft gesi- te erkennbar: Sie orientierten ihre Häuser auf chert werden. Der Gemeinderat will den Cha- den öffentlichen Raum und gestalteten deren rakter von Wettingen als Gartenstadt zwi- Fassaden. Das Volumen stimmten sie auf die schen Lägern und erhalten und für Nachbargebäude ab, und der Vorgarten wur- alle Einwohner eine hohe Lebensqualität ge- de zur Zierde des gemeinsamen öffentlichen währleisten. Dabei ist eine differenzierte Be- Raumes bepflanzt. trachtung der einzelnen Teilgebiete erforder- lich, denn unsere Quartiere und Ortsteile ha- Wir fühlen uns auch heute noch wohl in den ben unterschiedliche, eigenständige Identitä- Strukturen von Wettingen, weil der Respekt ten. Dieser Ausgangslage muss bei der Erar- der damaligen Bauten gegenüber dem öf- beitung von Entwicklungsvorstellungen Rech- fentlichen Raum noch immer klar zur Geltung nung getragen werden. kommt, noch immer ausstrahlt – und weil die Einzelbauten begrünte Ensembles bilden, die 2. Zweck und Zielgruppe mit der Siedlungsstruktur übereinstimmen. Wenn heute Quartiere in Wettingen verdich- tet werden, damit mehr Menschen in den 3.2 Historie Genuss der guten Wohnsituation kommen, Der Besiedlungsursprung liegt im alten Dorf stellt sich die Frage, wie bauliche Reserven am Dorfbach und beim Kloster Wettingen. aktiviert werden können, ohne dass Wettin- gen und seine Quartiere insgesamt an Quali- tät verlieren.

Die Gesetzmässigkeiten bzw. die Spielregeln, die den städtebaulichen Strukturen zu Grun- de liegen, betreffen uns alle: Die Menschen, welche in Wettingen wohnen und arbeiten, die Grundeigentümer, Investoren und Bau- fachleute, die Um- und Neubauten beantra- gen, und die Baubehörden (Gemeinderat, X14252_28A_081125_modell_michaeliskarte.jpg Planungskommission, Ortsbildkommission, Abb. 1: Baukommission, Bauverwaltung), welche Bau- Stadt Baden, Dorf Wettingen und Kloster, Modell der Michaelis- Karte 1837 - 1843 gesuche beurteilen und bewilligen.

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 1 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc Im 19. Jahrhundert bildeten drei Schwerpunk- Limmatschlaufe von Baden sind beengt. Die te den Siedlungsraum: das Kloster Wettingen zugezogenen Fabrikarbeiter, meist aus Ita- in der Limmatschleife, das Dorf Wettingen am lien, finden ihren Wohnraum häufig auf dem Bergfuss der Lägern und die Stadt Baden als Gemeindegebiet von Wettingen. Es entstehen regionales und kantonales Zentrum. Einfamilienhausquartiere. Sie folgen der Ty- pologie der Gartenstadt, vorerst als Schöpf- lihüser (Schrebergärten) und dann als eigent- liche Einfamilienhäuser mit Umschwung (Selbstversorgergärten).

1931

x14252_28A_081127_ michaeliskarte.jpg Abb. 2: Dorf Wettingen und Kloster, Michaelis-Karte 1837 - 1843

x14252_28A_081124_hist_1931.jpg Die Kantonsstrasse von Zürich führt direkt Abb. 4: nach Baden abseits von Kloster und am Dorf Stadt Baden, Dorf Wettingen und Kloster 1931 Wettingen vorbei. Die neu erstellte Eisenbahn hält beim Kloster und in der Stadt Baden. Nochmals 35 Jahre später ist der weitaus grösste Teil der offenen Landwirtschaftsflä- chen zwischen Kloster, der Stadt Baden und dem Dorf Wettingen bis zu den Waldrändern 1881 der Lägern relativ locker überbaut.

1966

x14252_28A_081124_hist_1881.jpg Abb. 3: Stadt Baden, Dorf Wettingen und Kloster 1881

Der nachfolgende Planausschnitt zeigt Wet- x14252_28A_081124_hist_1966.jpg tingen 50 Jahre später. Ab Ende des 19. Jahr- Abb. 5: hunderts führt die Industrialisierung in Baden Stadt Baden, Gemeinde Wettingen und Kloster 1966 auch in Wettingen zu einem hohen Sied- lungswachstum. Für den technologischen Knapp 40 Jahre später ist die Siedlungsstruk- Aufbruch steht die Motoren-, Generatoren- tur an sich unverändert, die Siedlungsfläche und Turbinenfabrik Brown, Boveri & Cie. aber weitgehend ausgeschöpft. Die Verdich- (heute: ABB). Die Platzverhältnisse in der tung erfolgt vor allem in Richtung Ost-Südost.

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 2 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc schaftseinrichtungen, öffentliche Plätze und 2003 eine grosszügige Durchgrünung waren von Bedeutung.

Die Gartenstadt-Idee war das erste Modell ei- ner planmässigen Stadtentwicklung in der Agglomeration und wollte die Trennung von Stadt und Land aufheben.

x14252_28A_081124_hist_2003.jpg Abb. 6: Stadt Baden, Gemeinde Wettingen und Kloster 2003

Wettingen heute: Im Siedlungsinneren wer- den bisher noch freie Einzelparzellen über- baut. Die grossen, zusammenhängenden Ein- familienhausquartiere mit Gartenstadtcharak- ter sind auch heute noch klar ablesbar. Eine X 14252_28A_081127_HochfeldLudwigshafen.jpg Abb. 7: markante Erweiterung des Siedlungsangebo- Gartenstadt-Entwurf aus dem frühen 20. Jahrhundert für Lud- tes sind vereinzelte Hochhäuser mit Wohn- wigshafen-Hochfeld (Deutschland) und Arbeitsnutzungen. Quelle: wikipedia.org

Es ist kein Zufall, dass sich die Gartenstadt- Wettingen und Baden sind heute zu einem Idee teilweise auch in Wettingen widerspie- Siedlungsgefüge verwoben. Gleichwohl sind gelt: Die ausgeprägte Industrialisierung in der die beiden Gemeinden politisch und admi- Nachbarstadt Baden spielt hierbei eine grosse nistrativ unabhängige Einheiten. Als kantona- Rolle. Mit dem Erfolg der damaligen BBC wa- les Zentrum dominiert das kleinere Baden, ren die Reserven an Wohnbauland in Baden sein Selbstverständnis ist städtisch. Wettingen bald erschöpft. Die weite Ebene von Wettin- fühlt sich als grosse Gemeinde, obwohl es mit gen bot sich als ideale Möglichkeit an, um die über 20‘000 Einwohnern grösser als Baden ist vielen Fabrikarbeiter unter humanen Bedin- und die zweitgrösste Gemeinde im Kanton gungen ansiedeln zu lassen. Viele Einfamili- Aargau bildet. enhäuser mit Selbstversorgergärten entstan-

den. Zu einer eigentlichen Gartenstadtgrün- 3.3 Gartenstadt dung mit urbaner Infrastruktur reichte es Die Gartenstadt-Idee war eine Reaktion auf nicht, aber es bildeten sich durchgrünte Quar- die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse tiere mit hohem Wohnwert. Die Gartenstadt und die steigenden Bodenpreise (Bodenspe- Wettingen zeichnet sich durch kleinräumige kulation) in den industriell geprägten Gross- Quartiere mit engen Strassen und parallel da- städten Englands Ende des 19. Jahrhunderts. zu aufgereihten Einfamilienhäusern aus. Der

hohe Anteil an Privatgärten prägt das Er- Gründungsvater Ebenezer Howard forderte scheinungsbild von Wettingen wesentlich. die Ausmerzung aller Übel der industriellen

Revolution, die Beseitigung der Slums und Heute haben die Gartenstadtquartiere nach der übervölkerten Arbeiterviertel. Howard wie vor einen hohen Wohnwert, sind aber sprach von der Verpflanzung der Arbeiterbe- auch Problemen ausgesetzt. Die heutigen völkerung aufs Land und der Erstellung von Wohnbedürfnisse erfordern grössere und an- Fabriken in einer unverdorbenen Landschaft. ders zugeschnittene Wohnungsgrundrisse als Howard wollte neue Städte im Umland gros- früher. Individuelle Lösungen der Abstellplät- ser Städte gründen, propagierte Nutzungs- ze im Vor- und Hauptgarten gefährden die trennung und die Konzentration öffentlicher Qualität der ganzen Nachbarschaft. Gemein- Einrichtungen im Siedlungszentrum. Gemein-

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 3 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc schaftslösungen (wie z.B. kleine Einstellhal- 3.4 Übergeordnete Bezüge len) könnten die Beeinträchtigungen mini- mieren, sind jedoch für den Einzelnen viel- Landschaft und Naturraum fach finanziell nicht tragbar und rechtlich Das Siedlungsgebiet von Wettingen liegt auf schwierig durchsetzbar. einem Plateau, das gegen die von Südosten nach Nordwesten verlaufende Limmat hin ab- fällt. Der Geländeeinschnitt der Limmat trennt Wettingen von Baden und Neuenhof. Im Norden erhebt sich der Höhenzug der Lä- gern, im Osten der Sulperg. Aus zwei Tälern der Hügellandschaft im Norden und Osten fliessen der Wettinger Dorfbach und der Lugibach, welche sich beide jeweils kurz vor der Einmündung in die Limmat ins Plateau einschneiden. Bewaldet sind die Hänge der Höhenzüge sowie zum Teil das Flussufer der Limmat und die beiden Bachgräben. Der Kan- ton Aargau möchte langfristig die Höhenzü- ge mit den Uferpartien der Limmat verbin- den. Eisenbahngleise und eine Nationalstrasse stehen diesem Vorhaben jedoch im Weg.

Verkehrsinfrastruktur Y 14252_28A_081127_luftbild_1996.jpg An den öffentlichen Fern- und Regionalbahn- Abb. 8: Luftbild Grenzbereich Wettingen - Baden 1996 verkehr ist Wettingen mit einem Bahnhof an- Quelle: Des Air 24.05.1996 gebunden. Der regionale und lokale Busver- kehr wird durch die Regionale Verkehrsbe- In vielen Quartieren in Wettingen lässt sich triebe Baden-Wettingen (RVBW) betrieben. das überlagernde Konzept der Gartenstadt ablesen. Es dominieren hier die Gebäudetypo- Die Autobahn A1 von Zürich nach bzw. logien Punkthaus und Zeilenbau. Im Verbund verläuft entlang der Limmat, quert diese mit grossen Gärten bilden sie das charakteris- kurz vor der Siedlung von Wettingen und ver- tische Muster einer Gartenstadt. Der Grünan- läuft in einem Bogen auf der gegenüberlie- teil beträgt 50 – 80% der Parzellenfläche. Die genden Seite der Limmat, um schliesslich im öffentlichen Räume beschränken sich in der Bareggtunnel Richtung Westen zu verschwin- Regel auf die Quartiersstrassen. den. Wettingen ist an das Schweizer Fern- strassennetz durch zwei Autobahnanschlüsse (Wettingen Ost, Neuenhof) sehr gut ange- bunden. Lokalstrassen verlaufen Richtung Os- ten nach , Richtung Südosten nach Würenlos, Richtung Süden nach Neuenhof, Richtung Nordwesten nach Baden und Rich- tung Norden nach . Die Land- strasse ist die alte Verbindung zwischen Ba- den und Zürich.

Die Strassengeometrie in Wettingen ist in der Regel auf dem 90°-Winkel aufgebaut (ortho- gonales Erschliessungssystem). In den Rand- zonen wird sie durch topographische Gege-

Quelle: wikipedia.orgX14252_28A_081125_gartenstadt_wettingen.jpg benheiten verzogen. Eine wichtige Bedeu- Abb. 9: tung vor allem für den Langsamverkehr ha- Wettingen heute: eine durchgrünte Siedlung mit Lebensqualität ben diagonal verlaufende Wege, wie z.B. die

Verbindung Gottesgraben / Altenburgstrasse.

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 4 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc Siedlungsraumachsen und Teilgebiete Siedlungsraumachsen sind die Hauptadern einer Siedlung. Sie erfüllen viele wichtige Funktionen (z.B. als Erlebnis- und Spielraum für Kinder, als Einkaufsstrassen, als attraktives Wohn- und Arbeitsumfeld, als Erholungsräu- me, als Verkehrswege, als Grünräume, als iden- titätsstiftende Räume). Die Raumfolgen ent- lang von Siedlungsraumachsen sind in einem übergeordneten Konzept bzgl. Funktion, Nut- zung und Gestaltung auszuweisen. Einzelne räumliche Hauptachsen sollten besonders the- x 14252_28A_081226_strassensystem.jpg matisiert werden (z.B. Landstrasse, Zent- Abb. 10: Raster-Strassensystem, mit Diagonale Altenburgstrasse ralstrasse). Siedlungsraumachsen bilden ein Netz, das einzelne Siedlungs- und Land- schaftskammern miteinander verbindet und Öffentliche Zonen gleichzeitig den Übergang zwischen einzel- nen Quartieren herstellt. Jede einzelne Kam- Ein Patchwork öffentlicher Zonen verteilt sich über das Wettinger Siedlungsgebiet. Der mer, jedes Teilgebiet hat unterschiedliche Ei- Landbesitz der Gemeinde ist ein wertvolles genschaften mit einem eigenständigen Cha- rakter. Das Zusammenspiel der Teilgebiete ist Kapital für zukünftige Entwicklungen. Öf- fentliche Zonen könnten allerdings zum Teil wichtig für eine Siedlung. Die Teilräume stif- auch anderen Nutzungen zugeführt werden, ten Identität und fügen sich zu einem Orts- sofern kein Bedarf vorhanden ist. Anderseits bild zusammen. Es ist von grosser Bedeutung, sollte das Netz an öffentlichen Zonen wo das Netzwerk aus öffentlichen Zonen, Quar- tieren und Teilgebieten, die durch Siedlungs- möglich und sinnvoll gestärkt werden. Diese Zonen sollen durch attraktive und sichere raumachsen verbunden sind, zu verstehen Verbindungen für den Langsamverkehr mit- und schrittweise weiterzuentwickeln. einander verknüpft werden. Abb. 11: Siedlungsraumachsen, öffentliche Zonen und die einzelnen Teil- gebiete / Quartiere bilden ein strukturelles Netzwerk

Quelle: Feddersen & Klostermann (1990): Gemeinde Wettingen. Städtebaulicher Entwicklungsbericht (14252_25A_081216_Netzwerke.pc).

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 5 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc 3.5 Baustruktur und Gebäudetypo- • Die nächst höhere Verdichtungsstufe ist logie der Zeilenbau. Die einzelnen Teilbereiche der Siedlung gliedern sich in Quartiere und Nachbar- schaften. Diese sind durch die Gebäudetypo- logien des klassischen Städtebaus charakte- risiert.

Die Gebäudetypologien stellen in der fol- genden Reihenfolge das Verdichtungsprin- zip dar:

• Im klassischen Städtebau ist das Punkt- haus die geringste Nutzung (z.B. Einfamili- enhaus).

x14252_28A_081125_fo_zeile.jpg Abb. 14: Zeilenbau in der Halbartenstrasse

14252_28A_081125_fo_punkthaus.jpg Abb. 12: Punkthaus an der Sportstrasse

x14252_28A_081125_sp_zeile.png Abb. 15: Zeilenbau im Schwarzplan, Wettingen Südwest

• Die nächst höhere Verdichtungsstufe ist der Winkelbau (zusammengebaute Zeilen- bauten).

14252_28A_081125_sp_punkthaeuser.png

Abb. 13: Punkthäuser im Schwarzplan, Auquartier

X14252_28A_081201_fo_winkelbau2.jpg Abb. 16: Beispiel eines Winkelbaus an der Jurastrasse

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 6 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc Ca. 95% der Siedlungsfläche in Wet- tingen sind Standard-Bauformen in Wohn- und Arbeitszonen. Die oben aufgeführten Gebäudetypologien des klassi- schen Städtebaus können diesen zugeord- net werden. Einzelhäuser und Zeilen domi- nieren dabei rund vier Fünftel der Sied- lungsfläche. Gebäude mit winkel- und hof- artigen Ansätzen von Blockrändern bilden die Ausnahme; am ehesten sind sie noch entlang der Landstrasse vertreten. Die Ge- schosszahlen sind mit überwiegend zwei bis vier Geschossen niedrig. X14252_28A_081125_sp_winkelbau.png Abb. 17: Ca. 5% der Siedlungsfläche sind Son- Winkelbauten im Schwarzplan von Wettingen derbauformen mit in der Regel öf-

fentlichen Sondernutzungen (v.a. Schu- • Als höchste Verdichtungsstufe gilt der len, Sportanlagen, Rathaus, Bahnhof, Kir- Blockrand. In Wettingen kommt die reine chen, Klosteranlage). Sondernutzungen be- Blockrandbebauung, im Gegensatz zum Bei- nötigen Sonderbauformen. Sie bilden ein spiel zur Nachbarstadt Baden, nicht vor. eigenes, übergeordnetes Netz von gesell- schaftlich wichtigen Einrichtungen und Be- zugsorten. Sie ermöglichen die Lektüre des Siedlungskörpers – sie stiften Identität.

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 7 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc nutzt werden, um die Identifikation des Or- tes oder auch die Vielfalt des Wohnungsan- gebots zu stärken.

14252_28A_081125_wohnturm.jpg Abb. 21: Wohntürme an der Zentralstrasse X14252_28A_081125_kirche_anton.jpg Abb. 19: Sonderbauform mit Sondernutzung: Kirche St. Anton 3.6 Städtebauliche Verdichtung Verdichtung im städtebaulichen Sinne darf nicht allein von quantitativen Forderungen ausgehen, sondern vielmehr sollten qualita- tive Entwicklungsmöglichkeiten in den Vor- dergrund gestellt werden. Ausgangslage ist immer der Bestand. Die Wettinger Quartiere sind historisch gewachsen. Sie entstanden aus dem jeweiligen Zeitgeist heraus (z.B. Gartenstadt, Hochhausquartier).

Eine bauliche Verdichtung gegen Innen setzt Antworten auf städtebauliche Frage- stellungen voraus: - Welches sind die Gesetzmässigkeiten einer inneren Verdichtung? - Ist die Landstrasse mit ihren zentralen Funktionen baulich und strukturell etwas anderes als die angrenzenden Wohnquartie- re? - Wie passen z.B. das Kloster, die Gemeinde- verwaltung (Rathaus) oder der Dorfkern in

X14252_28A_081125_kirche_sebastian.jpg das Ortsbild von Wettingen? Abb. 20: Sonderbauform mit Sondernutzung: Kirche St. Sebastian Der maximale Rahmen von Nachverdichtun- Wettingen kennt auch Sonderbauformen gen wird mit den bau- und planungsrechtli- für gewöhnliche Nutzungen, zum Beispiel chen Vorschriften grundeigentümerverbind- Geschäfts- und Wohnhochhäuser oder das lich geregelt. Oft ist eine Nachverdichtung Einkaufszentrum Centerpassage. Diese Son- davon abhängig, ob eine, zwei oder mehre- derbauformen widerspiegeln eine architek- re Nachbarparzellen zusammengelegt wer- tonisch-städtebauliche Grundhaltung aus den können. Je nach Grenz- und Gebäude- früheren Jahrzehnten. Eine sorgfältige Sa- abständen sind auf engstem Raum unter- nierung dieser Sonderbauformen (z.B. der schiedliche Szenarien der Nachverdichtung Wohnhochhäuser) könnte als Chance ge- denkbar.

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 8 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc Bei Verdichtungen sind insbesondere drei Stück für Stück aneinandergefügt. Dies wird Grundprinzipien zu beachten: insbesondere am Beispiel des Wettinger Au- • Art des städtebaulichen Ordnungsprinzips quartiers deutlich (vgl. hierzu auch Planaus- • Kleinmassstäblichkeit und Individualität schnitte aus den Jahren 1914 - 1982). • Freiraumstruktur

x14252_28A_081201_add1914.pct x14252_28A_081201_add1964.pct

X14252_28A_081201_add1931.pct x14252_28A_081201_add1982.pct Quelle: Feddersen & Klostermann (1993): Innere Verdichtung? Entwicklungsmöglichkeiten für ein Wohnquar- Abb. 22 - 25: tier Das Auquartier in Wettingen ist additiv gewachsen. Schwarz- plan 1914, 1931, 1964 und 1982. Kleinmassstäblichkeit und Individualität zeigen sich in der architektonischen Struktur Mit Art des Ordnungsprinzips ist ein städ- tebauliches Grundkonzept oder Muster ge- und in den Aussenbereichen. Gebäude und meint, nach welchem sich ein Quartier im Freiräume sind individuell gestaltet. Klein- Laufe der Zeit entwickelt hat. In Wettingen teilige Strukturen sorgen für Abwechslung. herrscht überwiegend ein additives Ord- Freistehende Wohnhäuser sind in der Regel nungsprinzip vor. Es haben sich hier häufig vertikal organisiert, und die kleinräumigen freistehende Gebäudeeinheiten mit ent- Gärten sind der Wohneinheit direkt zuge- sprechend zugeordneten Aussenräumen ordnet.

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 9 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc Die Freiraumstruktur eines Quartiers wird Auf neue, übergeordnete Gesamtvorstel- durch die Parzellengrössen, die Parzellenzu- lungen im Sinne eines Gesamtleitbilds wird schnitte, Art und Mass der Bebauung sowie aus praktischen Überlegungen verzichtet. das Erschliessungssystem massgeblich beein- flusst. Freiräume können ein zusammen- a) Allgemeine Zielsetzungen hängendes Netz oder vereinzelte kleine In- • Schaffung von zusätzlichem Raum für seln bilden. Es ist zwischen öffentlichen und Wohnen und Arbeiten an geeigneten, mit privaten Freiräumen zu unterscheiden. In öffentlichen Verkehrsmitteln gut bis sehr welchem Masse Freiräume akzeptiert wer- gut erschlossenen Lagen den, hängt wesentlich von den Nutzergrup- pen sowie den Nutzungs- und Gestaltungs- • Hohe Wohn- und Arbeitsqualität trotz hö- qualitäten ab. herer Dichte (Verdichtung als Chance be- Charakter und Identität der Freiräume un- greifen und nutzen) terscheiden sich von Quartier zur Quartier, auch innerhalb einer Siedlung. • Das attraktive Patchwork unterschiedlicher Jede räumliche Einheit erfordert demnach Bebauungsmuster weiter kultivieren, als massgeschneiderte Lösungen, unter Berück- vielfältiges Angebot im Markt sichtigung der individuellen Situation und der angestrebten Identität. • Verbesserung der Qualität der Aussen- räume (öffentliche / halböffentliche / pri- 4. Ziele des Gemeinderats vate)

Aufgrund der Analyse der historischen Ent- • Steigerung der Qualität der Siedlungsaus- wicklung, des Gartenstadtcharakters von rüstung (Schulen, Sportanlagen, Erholungs- Wettingen als Leitidee, der übergeordneten räume) Bezüge und der Siedlungsstruktur, der Bau- struktur sowie des Themenfelds der städte- • Aufwertung der Landstrasse als städtebau- baulichen Verdichtung, werden innerhalb liche Mitte des Wettinger Siedlungsgebiets einzelne Teilgebiete mit besonderer Qualität oder • Abstimmung von Art und Mass der Nut- besonderem Handlungsbedarf abgegrenzt. zung auf die Erschliessungsanlagen Für diese Teilgebiete (siehe Abb. 26) sollen mittelfristig schrittweise konkrete Leitvor- Abb. 26: Teilgebiete mit besonderer Qualität oder besonderem Hand- stellungen entwickelt werden, die dann lungsbedarf, für die mittelfristig konkrete Leitvorstellungen pragmatisch umgesetzt werden können. erarbeitet werden (14252_28A_090107_teilgebiete.pct)

Gemeinderat Wettingen, Januar 2009 / revidiert Juli 2017 - 10 - 14252_05A_170710_A_Grundl_neu.doc b) Ziele zur Gartenstadt 5. Grundlagendokumente Der Gemeinderat vertritt die Auffassung, dass eine differenzierte Sichtweise über die «Planungen und Projekte der Gemeinde einzelnen Quartiere von Wettingen im Zu- Wettingen»; Absichten des Gemeinderats sammenhang mit dem Gartenstadtcharakter (2011) richtig und wichtig ist. Die Struktur von Wettingen ist unterschiedlich gewachsen. Freiraumkonzept (Juli 2013) Diesen Unterschieden soll Rechnung getra- gen werden, indem beispielsweise für die Kommunaler Gesamtplan Verkehr, KGV Zentrumszone entlang der Landstrasse ein (Juni 2016) tieferer Grünflächenanteil verlangt wird, im Gegenzug der Anteil aber in den Wohn- Inventarpläne „Siedlung“ und „Landschaft“ quartieren erhöht wird. Der bestehende (2000) Grüncharakter in den einzelnen Quartieren soll nach Möglichkeit und unter Berücksich- Masterplan Landstrasse (Juli 2014) tigung der planerischen Grundsätze und Ge- setze erhalten werden. Richtlinie für Bauvorhaben in der Zone

Landstrasse (Juli 2017) c) Ziele zur baulichen Verdichtung

Die wertvollsten Teile der Gartenstadt sollen Vollzugsrichtlinie zur Aussenwerbung (Sep- im vielfältigen Wohnungsangebot von Wet- tember 2016) tingen durch geeignete Massnahmen erhal- ten werden. Als Kompensation sollen weni- Richtlinie zur Gestaltung und Einordnung ger intakte und schwach genutzte Quartier- bereiche von Wettingen als eigentliche Ver- von Solaranlagen (November 2014) dichtungszonen ausgeschieden werden können. Ihre Qualität ist durch entspre- Richtlinie für die Gestaltung von Neu-, Um- chende Massnahmen (städtebauliche Wett- und Ersatzbauten in der 2-geschossigen bewerbsverfahren) abzusichern. Für die Hangwohnzone HW2 (Februar 2007) Landstrasse sind differenzierte Bau- und Nutzungsvorschriften sowie Richtlinien im Richtlinie für die Gestaltung von Neu-, Um- Sinne von Handlungsempfehlungen zur und Ersatzbauten im Gebiet gemäss § 13 baulichen Verdichtung nötig. BNO (Dezember 2005)

Es soll ein Leitsatz für künftige Entwicklun- «Innere Verdichtung? Entwicklungsmöglich- gen sein, dass mit jeder baulichen Verdich- keiten für ein Wohnquartier». Städtebauli- tung auch eine Qualitätsverbesserung (für che und planerische Untersuchung am Bei- die Aussenräume, die Erschliessungssituati- spiel des Au-Quartiers; Feddersen & Klos- on oder bzgl. der Wohn- bzw. Arbeitsplatz- termann, Zürich (1993) situation) einhergeht. Es ist wichtig, dass bei allen Veränderungen baulicher Art das be- Gemeinde Wettingen. Städtebaulicher Ent- stehende Siedlungsmuster und die Gebäu- wicklungsbericht; Feddersen & Klostermann, detypologien erkannt und respektiert wer- Zürich (1990) den, der Gartenstadt-Charakter von Wettin- gen gepflegt wird und die einzelnen Quar- tiere als Teilgebiete mit eigener Identifika- tion weiterentwickelt werden. Eine diffe- renzierte, d.h. räumlich und inhaltlich unter- schiedliche Betrachtungsweise für die ein- zelnen Teilgebiete schafft Spielräume für eine behutsame Weiterentwicklung von Wettingen.

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