Vom Fischernetz zum Kinderhut : neolithische und bronzezeitliche Gewebe und Geflechte

Autor(en): Rast-Eicher, Antoinette

Objekttyp: Article

Zeitschrift: AS : Archäologie Schweiz : Mitteilungsblatt von Archäologie Schweiz = Archéologie Suisse : Bulletin d'Archéologie Suisse = Archeologia Svizzera : Bollettino di Archeologia Svizzera

Band (Jahr): 38 (2015)

Heft 1

PDF erstellt am: 11.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-587435

Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber.

Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind.

Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH , Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch

http://www.e-periodica.ch as. 38.2015.1 16 iSeeufersiedlungen

In den luftdicht abgeschlossenen Schichten der Seeufersiedlungen überdauern verschiedenste Geflechte und Gewebe aus dem Neolithikum und der Bronzezeit die Jahrhunderte. Im Kanton Zürich sind es bis 2014 die stattliche Zahl von über 1100 Objekten. Sie sind alle aus pflanzlichen Fasern her- gestellt, während die tierischen Fasern sich in die- sen Schichten generell nicht erhalten haben. Die Funde widerspiegeln ganz verschiedene Objekte aus dem täglichen Leben der Dorfbewohner, vom einfachen Faden bis zum Korb ist alles dabei.

Rohmaterial und Verarbeitung

Bastfasern (Baumbaste und Stängelbaste wie Lein) sind die am frühesten verarbeiteten Roh- Stoffe; Baumbaste wurden schon im Paläolithikum zu Schnüren, z.B. für Harpunen, und zu Seilen gedreht. Mit den ersten Bauern im Neolithikum kam der angebaute Lein (L/num us/faf/ss/mum) als Faser dazu. Baumbaste, allen voran Linden-, Eichen- und Weidenbast, konnten entweder als Streifen verarbeitet werden, quasi direkt vom Vom Fischernetz zum Baum, oder als fein gelöste Faser. Das Spektrum reicht vom Seil oder Geflecht aus Bastbahnen bis Kinderhut neolithische und zum feinen Faden für Gewebe aus Lindenbast. - Lindenbast weist unter den benutzten Baumbas- bronzezeitliche Gewebe und ten die längsten Fasern auf und ist sehr resistent gegen Nässe. In Nordeuropa wurde Lindenbast Geflechte noch bis ins 20. Jh. für verschiedene Geflechte, aber auch für Gewebe verwendet. Antoinette Rast-Eicher Lein wurde interessanterweise nicht mit fein auf- gelösten Fasern versponnen, sondern eigentlich wie Baumbast verarbeitet. Feine Bahnen wurden Die neolithischen und bronzezeitlichen Gewebe und vom grünen oder leicht gerösteten Stengel abge- Geflechte aus den Alpenvorlandseen gehören international löst und aneinandergefügt. Diese Technik wird als Spleissen bezeichnet. Zwei Fäden aus solchen zu den wichtigsten prähistorischen Textilfunden. Die Leinenbaststreifen wurden anschliessend mit der fragilen Fragmente und Objekte geben Hinweise auf Spindel versponnen. Der Faden sieht wie ein Zwirn Kleidung und Alltagsgegenstände. Die ältesten Funde sind aus, besteht aber aus breiteren Faserbahnen. Diese Technik des Spieissens ist auch in Ägypten in die (um 4300 v.Chr.) datiert, die Egolzwil-Kultur jüngsten bis rund 600 v.Chr. (und vermutlich weit herum im sind spätbronzezeitlich (um 850 v.Chr.) Mittelmeerraum) für zum Teil feinste Leinenfäden belegt. Leinen wurde zu dünnen Fäden von meist Abb. 1 die ganz in die Rillen von Gefässen der Horgener Sieb aus Uetikon-Schifflände Kultur (ca. 3200/3100 v.Chr.) eingelassen und (, ca. 3200-3000 v.Chr.). innen im Gefäss mit Lehm überstrichen sind. Ein Tam/'s de Ltefi/con-Scfi/ff/äncte ähnliches Fragment ist aus -/ (cu/fure de Horgen, env. 3200-3000 av. J.-CJ. Vorderfeld dokumentiert. Bei einem Gefäss der Setaccio proveniente da Uetikon- Pfyner Kultur (ca. 3650 v.Chr.) aus Meilen-Schel- Schifflände (cultura di Horgen, ca. len (ZH) ist eine Schnur wie ein breiter Kragen 3200-3000 a.C.) um den Hals gebunden. Das Gefäss ist recht Abb. 2 bauchig, so dass die Schnur auf dem Feuer Gespleisster Faden aus Zürich- kaum verbrennen konnte. Will man ein schwe- Breitingerstrasse (ca. 2700-2600 res Gefäss aus der Glut heben, muss wie v.Chr.) mit sichtbaren Streifen man, aus Leinenbast, Aufnahme am eigene Erfahrungen mit solch stark gemagertem Rasterelelektronenmikroskop. Gefässen gezeigt haben, mit gleichmässigem Fragments de 07 de Zurief/- Druck die Keramik herausheben, sonst bricht 2700-2600 ßre/t/'ngersfrasse (env. av. ein Teil des Randes ab. Der Kragen aus Schnur J.-C.J avec des br/'ns en fibre de fin. 200|jm Pr/se de vue à /'a/de du m/'croscope oder eine in der Randleiste eingefädelte Bast- à ba/ayage e/ecfron/gue. bahn, eventuell mit kleinen Henkeln versehen, Filo ritorto proveniente da Zurigo- kann das Problem elegant lösen. Breitingerstrasse (ca. 2700-2600 0.2-1 mm verarbeitet und als Eintragsfäden bei Einzelne Objekte stellen etwas Besonderes dar a.C.) con strisce in fibra di lino. Foto- Geflechten verwendet. und wurden wohl kaum wie grafia realizzata con il microscopio zufällig so gebunden, elettronico a scansione. Schafwolle, die vermutlich seit dem 3. Jahrtau- zum Beispiel der umgebogene und zusammen- send v.Chr. versponnen wurde, hat sich wegen gebundene Ast von Meilen-Schellen (Abb. 4). Ein des basischen Bodens in den Ufersiedlungen sehr ähnlich hergestelltes Objekt wurde noch im nicht erhalten. 19. Jh. in Sibirien verwendet, um das Fell von Mardern (Baummarder, Zobel, Hermelin etc.) auf- zuspannen, indem die beiden Enden in die Vor- Binden: Faden, Schnüre, Seile derpfoten des abgezogenen und umgedrehten Fells gesteckt wurden, damit es trocknen konnte. Baumbaste und Lein sind die wesentlichen Roh- Wie Hose, Jacke und Mütze von «Ötzi» und die Stoffe für die meisten Geflechte und für Gewebe. Hose vom Schnidejoch zeigen, waren Felle ein Abgesehen von der möglichen Verarbeitung des wichtiger Teil der Kleidung, die in unserem Klima Rohstoffs, stellt die Herstellung eines Fadens oder sicher auch im winterlichen Mittelland und nicht Abb. 3 einer Schnur den ersten Schritt zur weiteren Ver- nur in den Alpen getragen wurden. Randfragment eines Horgener wendung dar, entweder direkt als Faden oder Topfes (ca. 3200-3100 v.Chr.) aus Schnur zum Binden oder dann als Bestandteil eines Zug-Riedmatt mit Baststreifen in der Randleiste. Geflechts oder Gewebes. Feine Fäden erhalten sich

Fragment de bord d'un pot du meist nur verkohlt auf Spindeln oder als Knäuel. Seile Horgen (env. 3200-3100 av. J.-C.) sind aus mehreren Schnüren geschlagen. de avec provenant Zoug-R/'edmaff, Fragmente von Schnüren sind häufig klein und des restes d'un cordon de suspen- In s/on en fibres végétâtes extra/tes du ihre Funktion ist nicht klar. Einzelfällen sind fiber. sie klaren Funktionen zuzuweisen, so etwa als Frammento di bordo di un vaso délia Schnur an einem Angelhaken (Arbon TG), an cultura di Horgen (ca. 3200-3100 einer Harpune oder um einen Beilholm gebun- a.C.) proveniente da Zugo-Riedmatt den; oder auch Schnüre in Kera- con i resti di una corda in fibra vege- gelochten taie sotto l'orlo. mikleisten bzw. -rändern wie aus Zug-Riedmatt, as. 38.2015.1 18 Seeufersiedlungen

Bauen: Matten an den Hauswänden den Seeboden, sodass das Netz wie ein Vorhang im See stand. Die Fische verfingen sich mit ihren Aus Schichten der Schnurkeramik-Kultur (ca. Kiemen darin. In der Maschengrösse spiegelt 2750-2400 v.Chr.) von mehreren Fundstellen des sich in etwa die Grösse der zu fangenden Fische: Kantons Zürich stammen etliche Fragmente einer Felchen brauchten eine Maschengrösse von starren Matte aus Schilfhalmen oder seltener aus 35-40 mm, Forellen 50-60 mm. Die Konstruktion feinen Haselzweigen, die mit Lindenbaststreifen in solcher Netze mit einer dicken Randschnur sowie Köper 2/2 zusammengebunden sind. Die Matten Netzschwimmern aus Holz und Netzsenkern aus aus Zürich-Mozartstrasse wurden im Randbereich Stein unterscheiden sich kaum von Netzen aus der Häuser dokumentiert, und der Fund grosser dem 19. Jh. Flächen solcher Matten in Wädenswil-Vorder Au Die Netze mit kleinen Maschen und groben Fäden bestätigte die Vermutung einer Verwendung im sind schwierig zu interpretieren, da sie funktional Hausbau. Die Schilfstengel sind zudem zu brü- verschieden eingesetzt werden können. Hier gibt chig, um sie als Bodenmatten zu verwenden. es solche mit verschiebbaren Knoten und solche Zickzack-Muster der Bindung (gebrochener mit Fischernetzknoten. Möglicherweise wurden Köper-Grat) lassen auf verzierte Elemente der sie für Kescher, korbähnliche Geräte mit einem Hauswände (innen oder aussen) schliessen, die, Stiel mit denen Fische herausgeholt werden wenn sie aussen angebracht waren, von weitem konnten, verwendet. Dann sind aber auch Reu- gut sichtbar und sicher dekorativ waren. sen denkbar, die statt ganz mit Ästen geflochten

Abb. 4 Umgebogener und zusammenge- Fischen und Fangen: die Netze bundener Ast aus Meilen-Schellen (Pfyner Schicht, ca. 3750 v.Chr.). Aus dem Bereich der Fischerei können aus den Branche rep//ée dont /es exfrem/fes sont //'ées, m/se au your à /We//en- Seeufersiedlungen eine ganze Reihe Objekte Sche//en (cu/fure de P/yn, genannt werden. Schnüre an Angelhaken oder env. 3750 av. J.-CJ. Harpunen stellen seltenere Funde dar, gehören Ramo sé stesso ripiegato su e legato aber chronologisch zu den ältesten Verwen- scoperto a Meilen-Schellen (cultura di Pfyn, ca. 3750 a.C.). düngen mit Textilien. Die Netze mit Knoten sind an den Seeufern gut belegt. Man kann verschie- dene Typen bestimmen: Die einen haben recht dicke Fäden und eine kleine Distanz zwischen den Knoten, die andern sehr feine Fäden (unter einem Millimeter) und eine weite Distanz. Dann können zwei verschiedene Knotentypen beschrieben werden, der einfache, der verschiebbar ist, und der Fischernetzknoten, der den Faden klemmt, also nicht verschiebbar ist und immer aus Lein geknüpft ist. Der verschiebbare Knoten kommt Abb. 5 nur bei der groben Netzvariante vor. Die feinen Leinennetz aus dem 19. Jh. aus Netze mit Fischernetzknoten, an denen manchmal Estland. Netzschwimmer noch angehängt sind, wurden als F//ef en //'n du 79" s/èc/e, provenant d'Esfon/'e. Stellnetze eingesetzt. Die Netzschwimmer hielten das Netz auf der einen Seite der Oberfläche, Rete di lino del XIX sec. proveniente an dall'Estonia. Netzsenker aus Stein zogen es auf der andern auf (wie es sie auch gibt), aus einem Netzschlauch über die Jagd genaue Angaben zu solchen Net- bestehen, der in regelmässigen Abständen mit zen (Kynegetikos, II; ca. 350 v.Chr.): Sie sollen Ästen aufgespannt wird. Die Fische können hinein aus Lein bestehen, die kleineren aus 9-fachem schwimmen, finden aber den Weg hinaus nicht Zwirn und die grossen aus 12-, bzw. 16-fachem mehr. In Frage käme auch eine Art Reuse für Zwirn mit einer Maschengrösse von rund 6 Zoll Vögel: Sie wird korbähnlich aufgestellt und, wenn (ca. 18 cm). Die Länge beträgt 12 bis 24 Fuss Tiere sich darin befinden, mit einer Randschnur bei den kleineren Netzen, 60 bis 120 Fuss bei schnell zugezogen. Solche Vogelfallen sind auf den grossen. Von solchen Netzen mit dieser ägyptischen Wandmalereien dargestellt, wie die Fadenqualität gibt es bisher in den neolithischen Vogeljagd von Chnumhotep II, Beni Hasan, 12. Siedlungen keine Belege. Dynastie, ca. 1900 v. Chr. Jagdnetze für grössere Tiere müssten gemäss ethnographischen Vergleichen sehr grosse Tragen und Aufbewahren: Beutel, grobe Maschen aufweisen und so solide sein, dass Netze, Taschen und Körbe der Stoss des Tieres aufgefangen werden kann. Der griechische Dichter Homer bezeichnet im Es gibt diverse Behälter, ganz einfache netzartige 8. Jh. v.Chr. solche Netze als «Leinen, der alles und festere, die geflochten sind. Sehr wichtig ist einfängt» (Homer, II. V, 487). Der griechische dabei die Zwirnbindung, mit der rund ein Viertel Schriftsteller Xenophon gibt in seinem Werk der Zürcher Geflechte hergestellt wurden. Die

Abb. 6 Geflochtener Beutel aus Egolzwil (LU) mit Muscheln und Abschlägen aus Feuerstein (Egolzwil, ca. 4300 v.Chr.).

Pet/'f sac en vannerie de Ego/zw/7 (LU), accompagné de cogu(//ages et d'éc/ate de s/'/ex (Ego/zw/7, e/?v. 4300 av. J.-C.j.

Borsa intrecciata scoperta a Egolzwil (LU) con conchiglie e schegge di selce (Egolzwil, ca. 4300 a.C.). aS. 38.2015.1 20 Seeufersiedlungen

lockeren, netzartigen sind mit einem fortlaufenden det wurden, muss weiter untersucht werden. Faden mit eingehängten Maschen hergestellt (ähn- Ein frühneolithischer Fund aus einem Brunnen lieh einer Häkelarbeit) oder mit Zwirnbindung mit in Kückhofen (D) weist auf letzteres hin. Sol- weiten Abständen der Einträge. Ein solcher Beutel che Wassertaschen müssten mit Wachs oder wurde in der Siedlung Egolzwil 3 (LU) gefunden, einer anderen Substanz abgedichtet worden in dem sich Anhänger aus Gehäusen der grossen sein, was bisher allerdings nicht nachgewiesen Meeresschnecken (Triton/um bucc/naîL/m) befan- werden konnte. Ein Grund dafür liegt mögli- den (Abb. 6), offensichtlich Kostbarkeiten aus dem cherweise in der Verkohlung der Geflechte, fernen Süden. mit der solche Substanzen wegschmelzen. Wird ein Maschenstoff aus breiten, unverspon- In einer Hülle aufbewahrt wurden Klingen von nenen Bastbahnen hergestellt wie ein Fund- Messern oder sonstigen Geräten. Aus Meilen Objekt aus Greifensee-Storen/Wildsberg (ZH), FeldmeilenA/orderfeld gibt es eine geflochtene entsteht ein sehr grobmaschiges Netz, das Messer(?)scheide, technisch sehr ähnlich der vermutlich zum Tragen benutzt wurde und das Messerscheide, die «Ötzi» bei sich trug. Die einem heutigen Heunetz ähnlich sieht. Taschen Messerscheide ist in einem Stück mit einer Öff- aber sind dicht geflochten. Der Boden wird nung geflochten und unten dekorativ mit einem rund oder länglich geflochten (Meilen-Schel- kleinen Zopf abgeschlossen. len, Zürich Kanalisation-Seefeld), die Tasche In den neolithischen Schichten, besonders aus entsteht in einem Stück. In einem Fall, einem den älteren Kulturen (Cortaillod, Pfyn, ca. 3900- Fragment aus Zürich-Mozartstrasse, weist der 3550 v.Chr.) gibt es recht viele Körbe in Wulsttech-

Abb. 7 obere Rand eine Öse für einen Tragriemen nik. Ein Wulst, der meistens aus Gräsern besteht, Korb aus Zürich-Alpenquai auf. Im Neolithikum setzte man offensichtlich wird mit einem dünnen Baststreifen spiralförmig (Spätbronzezeit, ca. 1040-840 v.Chr.). auf solche flexiblen, praktisch zu tragenden vom Zentrum aus zusammengenäht. Aufgrund Corbe/7/e de Zur/ch-A/penqua/' Taschen. Dies deutet auf Personen, die Nüsse, der Krümmung von manchen Fragmenten gehen (Bronze fina/, env. 7040-840 av. J.-CJ. Beeren oder andere Pflanzen pflückten und die wir bei unseren Funden von einem Behälter aus. Cesto proveniente da Zurigo- Taschen als brauchten. Ob In käme auch eine wie sie Alpenquai (Bronzo finale, ca. 1040- Sammelbehälter Frage Sitzmatte, aus 840 a.C.) solche Taschen auch zum Wasserholen verwen- dem Mesolithikum in Holland gefunden wurde (Dm. über 1 m) und in ethnographischem Kontext gut belegbar ist. In der Bronzezeit scheint es hier einen grundsätz- liehen Wechsel zu geben. Neu kommen in dieser Zeit Körbe in Stangenflechterei auf, die aus fei- nen Ruten, meist Weide, geflochten sind. Diese Körbe sehen wie unsere heutigen Weidenkörbe aus. Sie waren aber unpraktisch für eine mobile Sammeltätigkeit. Zu vermuten ist deshalb, dass diese Körbe hingestellt wurden, um das Sam- melgut hineinzulegen und gewisse Früchte so gelagert wurden. Inwieweit das Aufkommen die- ser starren Körbe auch auf eine Ernte näher bei den Häusern deutet, ist im Moment noch unklar. Reich sind bei Homer im 8. Jh. v.Chr. jene, die grosse Weizenfelder, grosse Obstgärten mit schönen Baumreihen und riesige Herden besit- zen (Homer II, 14, 122). in Wulsttechnik genäht, der innere Teil besteht aus einem Geflecht, bei dem sich die Stränge so kreuzen, dass sie fixiert sind und das entstandene Loch sich nicht verschieben kann. Für Käse wäre diese Lochgrösse zu gross, aber zum Trocknen von Pflanzen geradezu ideal. Noch vor wenigen Jahren sah die Autorin in einem Bauernhaus im Toggenburg solche «Siebe», die aufeinander gestapelt waren und zum Dörren verschiedener (Blüten-)Pflanzen (Kamille, Goldmelisse) dienten. Das lockere und feine Geflecht lässt die Luft gut zirkulieren.

Abb. 8 Sieben/Trocknen: kleine Körbe und Siebe Kleidung Gewebe mit Streifenmusterung aus Wetzikon-Robenhausen (vermutlich Ebenfalls in die technische der Stan- Die Textilien Wetzikon-Robenhausen (ZH), Pfyn, ca. 3700 v.Chr.). Kategorie aus gengeflechte gehören feine Körbchen aus die zum Teil in der zweiten Hälfte des Fragment de t/'ssu avec un motif ganz grossen de bandes découvert à Wetz/fron- Birkenruten, die aus bronzezeitlichen Schichten 19. Jh. gefunden wurden, haben bezüglich der Robenhausen (probab/emenf cu/fure stammen. Sie waren aufgrund der Feinheit für Leinengewebe immer noch einen besonderen de Pfyn, env. 3700 av. J.-C.J. das Aufbewahren von sehr leichtem Sammel- Stellenwert und bildeten die Grundlage für Emil Tessuto motivo strisce con a prove- gut geeignet. Eine andere Option ist die Funk- Vogts Arbeit zu den Geweben und Geflechten der niente da Wetzikon-Robenhausen (probabilmente attribuibile alla tion als Käsesieb. Der römische Schriftsteller Steinzeit. An diesem Ort sind sehr feine und zum cultura di Pfyn, ca. 3700 a.C.). Columella nennt kleine Körbchen (f/sce//ae) Teil raffiniert gemusterte Gewebe zum Vorschein für die Herstellung von Ziegenkäse (Col. De re gekommen. Sie sind so fein und schön, dass nur rustica, 7, 8, 3). Sehr ähnliche Körbchen wie die Verwendung als Kleidung möglich erscheint. die bronzezeitlichen, feinen Körbchen aus Bir- Da Leinen schwierig zu färben ist, wurden Muster kenruten werden in Süditalien noch heute für mit Strukturen und nicht mit Farben gestaltet: drei- die Herstellung von Schafkäse verwendet. Auf fache statt zweifache Leinenfäden für feine Strei- der Käserinde ist der Abdruck dieser Körbchen fen oder Einträge in einer andern Bindung, um zu sehen. Die Untersuchung von Lipiden in breitere Streifenmuster zu erzielen. Aus Pfäffikon- neolithischer Keramik zeigt, dass die Käsepro- Egenhausen, einem Fundort unweit von Wetzikon, duktion an den Seeufersiedlungen schon früh - stammt das berühmte gemusterte Gewebe, das schon im Neolithikum - ein wichtiges Mittel zur mittels C14-Analyse in die späte Frühbronzezeit Nahrungsmittelkonservierung war. Die Verwen- datiert wurde. Es ist bestickt und nicht mit einer dung solcher Objekte bei der Käseherstellung Abb. 9 ist deshalb naheliegend. Detail der einen Seitenkante des Ein mögliches Sieb stellt auch ein Geflecht aus Umhangs aus Zürich- grossen Zürich-Kleiner Hafner dar, das in der Mitte mit Parkhaus Opéra (Pfyn, ca. 3700 v.Chr.). Zwirnbindung, der Rand in Wulsttechnik, gefloch-

Défa/7 d'une des bordures d'un ten wurde. Auch hier könnte man sich eine Ver- grand manteau découvert à Zur/cb- wendung als Käsesieb vorstellen, zumal auf den Parkhaus Opéra (cu/fure de Pfyn, Fäden noch eine unbestimmte Substanz vorhan- env. 3700 av. J.-C.j. den ist. Siebähnlich hergestellt wurde ein Objekt Dettaglio del bordo di un ampio Uetikon-Schifflände (ZH) (Abb. 1). Aussen mantello scoperto a Zurigo-Parkhaus aus Opéra (cultura di Pfyn, ca. 3700 a.C.). ist es wie beim Sieb aus Zürich-Kleiner Hafner as. 38.2015.1 I 22 Seeufersiedlungen

bis zum Aufkommen der Wolle im ausgehenden Neolithikum und in der Bronzezeit stellen Felle und Textilien aus Baumbasten die wichtigsten Bestandteile der Bekleidung dar. Wie wichtig dann Wolle wird, zeigen die Funde aus den bron- zezeitlichen Eichensärgen in Nordeuropa, insbe- sondere in Dänemark. Ein Leinengewebe aus den Ufersiedlungen gibt bezüglich seiner Funktion noch Rätsel auf: Es han- p delt sich um schmale Bänder von rund 10 cm Breite, die in verschiedenen Ufersiedlungen der Schweiz gefunden wurden (Twann BE, Pfyn TG, Zürich-Utoquai, Wetzikon-Robenhausen ZH). Sie sind mit drei verstärkten Kanten gewebt, am Ende mit Fransen abgeschlossen. Aus den frühbronze- zeitlichen Schichten von Ledro (Trentino, I) ist ein ähnliches Band am einen Ende noch mit speziell gewebter Bindung (Rautenköper) gewebt wor- den. Die Verwendung ist unklar. Für Wadenbin- den braucht man keine Fransenabschlüsse oder sonstige Verzierungen. Handelt es sich um einen dekorativen Gurt für spezielle Gelegenheiten? Aber keines dieser Fragmente weist einen brauch- baren Verschluss auf, der Gurt müsste in diesem Fall drapiert gewesen sein. Für den Oberkörperbereich sind Umhänge aus Bast nachgewiesen, die meist sehr schön und Abb. 10 Webtechnik gemustert. Inwieweit tatsächlich far- regelmässig geflochten wurden. Es gibt solche Hut mit dicker Florschicht aus bige Leinenfäden verwendet wurden, ist unklar. Umhänge, resp. Fragmente davon, aus den mei- Zürich-Parkhaus Opéra (Horgen, Stickerei ist auch im frühbronzezeitlichen Mate- sten und einen auch dem 3175-3157 v.Chr.). Ufersiedlungen aus rial von Ledro (Trentino, I) belegt, dort verziert ein Eis des Schnidejochs (BE). Ein besonders Chapeau garn/' d'une épa/'sse couche gross de fibres végéfa/es fi'ssées. Zurich- Wollfaden ein Leinengewebe (einer der frühesten Par/c/iaus Opéra fcu/fure c/e Horgen, Nachweise eines Wollfadens in Europa). 3175-3157 av. J.-C.J. Kleidung aus Leinen ist in Europa belegt: Aus Cappello con uno strato di fibre vege- frühbronzezeitlichen Schichten sind fast voll- tali tessute, proveniente da Zurigo- in Parkhaus Opéra (cultura di Horgen, ständige tunika-artige Leinenkleider Spanien 3175-3157 a.C.). gefunden worden. Ein weiteres Indiz für Kleider- Stoffe im Neolithikum ist aus Zürich-Kanalisation/ Abb. 11 Fragmente einer Sandale aus Zurich- Seefeld mit einem Gewebe dokumentiert, das Utoquai (Horgen, ca. 3360-3000 v.Chr.). 28 Kettfäden pro Zentimeter und eine angenähte Fragments d'une sanda/e en van- Kante mit Öse aufweist. Aus verschiedenen Sied- nerie de de Zurich-C/fogua/ (cu/fure lungen sind zudem Knöpfe aus Hirschgeweih Horgen, env. 3360-3000 av. J.-C.j. belegt, die als Verschluss von Leinenkleidern gut Frammenti di sandalo rinvenuti a würden. Dennoch sind Leinenkleider Zurigo-Utoquai (cultura di Horgen, passen nur ca. 3360-3000 a.C.). während der wärmsten Jahreszeit denkbar, und erhaltenes Fragment stammt aus Zürich-Parkhaus Résumé Opéra, es konnte durch die Restauratorin aus- Les f/'ssus ef vanneries du /Véo/ifb/'gue ef c/e /'âge einander gefaltet werden. Erhalten sind auch die du ßranze issus des stations pa/af/'ffigues des /acs beiden seitlichen Kanten mit Fransen und der Hals- préa/p/ns constituent des découvertes d'/'mpor- ausschnitt. Bei einigen Umhängen sind auf einer tance infernaf/'ona/e pour /'riisfoire des texfi/es. Seite Florbüschel eingehängt worden, damit der Les pius de 7 700 artefacts du canton de Zurieb Umhang wasserabweisend ist. Einen ähnlichen /i/usfrenf à eux seu/s foute /a diversité des fecri- Umhang trug «Ötzi», doch sind solche Umhänge niques mises en œuvre pour fabriquer des ob/efs aus Bast oder Gras in Nordamerika noch bis ins à partir de végétaux. Les découvertes /es p/us 20. Jh. getragen worden, um Leder- und Fellbe- anc/ennes apparf/ennenf à /a cu/ture d'Ego/zw/7 kleidung vor Nässe zu schützen. (vers 4300 av. J.-C.J, /es p/us récentes remontent Zur Kleidung gehören verschiedene Accès- à /a f/ri de /'âge du Bronze (vers 850 av. d.-C.J. soires wie Hüte und Sandalen. Hutfragmente Les fexfi/es (vanneries ef f/'ssus,) faisaient partie sind aus den neolithischen Schichten von See- du quotidien, c'est pourquoi i/s nous apprennent ufersiediungen recht zahlreich. Sie sind u.a. an tant de choses sur /a vie des gens qui /es ont der Florschicht erkennbar, die an der Aussen- fabriqués. | seite den Hut dachziegelartig bedeckte. In ein- zelnen Fällen sind (fast) vollständige Hüte gefun- Riassunto den worden, so kürzlich aus Zürich-Parkhaus I tessuti e gli intrecci del neolitico e dell'età del Bronzo Opéra. Sofern man nicht von einem dekorativen rinvenuti negli insediamenti lacustri dell'area preal- Hütchen ausgehen will, sind sie wegen der klei- pina costituiscono dei ritrovamenti d'importanza nen Grösse nicht für Erwachsene gemacht, son- internazionale per la storia dei tessili. Gli oltre 1100 Dank dem passen auf Kinderköpfe. Man kann sich reperti scoperti solo nel Canton Zurigo testimoniano Publiziert mit Unterstützung der gut vorstellen, dass grössere Babies, die noch l'ampia gamma di tecniche di lavorazione utilizzate Kantonsarchäologie Zürich. getragen wurden, damit vor Sonne und Regen per la realizzazione di manufatti in fibra vegetale. I rin- geschützt wurden. venimenti più antichi si datano alla cultura di Egolzwil Erscheint im September 2015: Sandalen aus beständigem Eichenbast sind aus (verso il 4300 a.C.) i più recenti al Bronzo finale (verso

mehreren Fundorten bekannt. In Nordeuropa wur- l'850 a.C.). I tessili (intrecci e tessuti) erano utilizzati Neolithische und bronzezeitliche Gewebe und Geflechte den noch bis vor kurzem sehr ähnliche Sommer- nella vita quotidiana, la loro funzione ci permette schuhe aus Lindenbast gefertigt. quindi di capire meglio la vita delle persone che Ii hanno realizzati ed adoperati. |

Vom Fischernetz zur Sandale: Gewebe und Geflechte der Pfahlbauer Bibliographie M. Gieba, U. Mannering (eds.), Textiles and Textile Production in 6. September 2015 bis 19. Februar 2016 Europe, Oxford 2012. Museum Wetzikon U. Leuzinger, A. Rast-Eicher, Rax processing in the Neolithic and Farbstrasse 1 Bronze Age pile-dwelling settlements of eastern . Veget. 8620 Wetzikon Hist. Archaeobot., Article 286, Journal 334, 2011, 535-542. Tel. 044 931 23 78 A. Rast-Eicher, A., Dietrich, Die neolithischen und bronzezeitlichen [email protected] Abbildungsnachweise Gewebe und Geflechte aus dem Kanton Zürich. Zürich/Egg 2015. www.museum-wetzikon.ch KA ZH: M. Bachmann (Abb. 1, 7,10,11) A. Hafner (Hrsg.), Schnidejoch und Lötschenpass. Archäologie Öffnungszeiten : 1. und 3. Sonntag im Monat 14-17h A. Rast-Eicher (Abb. 2, 3, 5, 9) der prähistorischen, römischen und mittelalterlichen Passüber- Führungen auch ausserhalb der Öffnungszeiten SNM Zürich (Abb. 4, 8) gänge in den Berner Alpen. Band 1. Bern, im Druck. Eintritt gratis! KA LU (Abb. 6) E. Vogt, Gewebe und Geflechte der Steinzeit, Basel 1937.