www.wzb.eu 1 2 WZB 3 September 2013 4 5 Mitteilungen 141 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Weltpolitik Glo bal Governance 21 22 23 für das 21. Jahrhundert 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 Themen: Neue Akteure, Legitimität und Autorität, 55 ­Aufstrebende Mächte, Internet und Governance, 56 57 Welt-Forschungsraum, Einstellungen der Elite 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 WZB 1 Mitteilungen 2 Heft 141 Inhalt 3 September 2013 4 5 6 7 8 9 Titelfoto: Editorial Aus der aktuellen Forschung 10 Die Welt in – am Haus 11 der Kulturen der Welt. 5 Neue Welten 36 Für wen die Verantwortung zählt 12 [picture alliance/dpa] Jutta Allmendinger Was Deutschlands Entscheidungsträ- 13 gern wichtig ist und was sie antreibt 14 Elisabeth Bunselmeyer und 15 Marc Holland-Cunz 16 17 Titelthema 18 19 6 Die Welt regieren ohne Weltregierung 20 Staaten, Gesellschaften und Institutio- Aus dem WZB 21 nen wirken auf vielfältige Weise zu- 22 sammen 40 Denken jenseits der Ideologien 23 Michael Zürn A.SK Social Science Award 2013 für 24 den Ökonomen Paul Collier 25 10 Wenn die letzte Instanz fehlt Gabriele Kammerer 26 Die steigende Zahl internationaler In­ 27 stitutionen erleichtert es Staaten, 42 Markt, Mensch, Verbrechen 28 ­Regeln zu umgehen Vince Gilligan, Erfinder der TV-Serie 29 Benjamin Faude Breaking Bad, zu Gast im WZB 30 Paul Stoop 31 13 Neue Mächte 32 Aufstrebende Staaten gestalten die 44 Konferenzberichte 33 Weltpolitik mit 49 Personen 34 Matthew D. Stephen 52 Vorgestellt: Publikationen aus dem WZB 35 54 Nachlese: Das WZB im Dialog 36 17 Mehr Autorität, mehr Anforderungen 56 Vorschau: Veranstaltungen 37 Internationale Organisationen und der 38 Schutz von Menschenrechten 39 Monika Heupel und Gisela Hirschmann 40 41 21 Über den Tellerrand Zu guter Letzt 42 Zunehmend werden auch die Entschei- 43 dungen internationaler Institutionen 58 Election-free 44 öffentlich politisiert The UK as the shape of the future 45 Christian Rauh und Pieter de Wilde Otto I. Q. Besser-Wisser and 46 Theophilus Z. Prunk 47 24 Preventing global disaster 48 International governance of dual-use 49 sciences 50 Alexandros Tokhi 51 52 28 Globalisierung à la carte 53 Die politische Ökonomie der For- 54 schungskooperation mit China wird 55 sich ändern 56 Benjamin Becker und Ulrich Schreiterer 57 58 32 Governing a polyglot Internet 59 How decisions taken by the digital 60 technology industry shape the future 61 of languages 62 Thomas Petzold und Han-Teng Liao 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 3 68 69 70 1 2 Impressum WZB Aufgaben und Arbeiten 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 WZB-Mitteilungen Im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) betreiben rund 15 ISSN 0174-3120 160 deutsche und ausländische Wissenschaftler problemorientierte Grund­

16 Heft 141, September 2013 lagenforschung. Soziologen, Politologen, Ökonomen, Rechtswissenschaftler 17 und Historiker erforschen Entwicklungstendenzen, Anpassungsprobleme und 18 Herausgeberin Innovationsch­ ancen moderner Gesellschaften. Gefragt wird vor allem nach 19 Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums den Problemlösungskapazitäten gesellschaftlicher und staatlicher Institutionen. Berlin für Sozialforschung 20 Professorin Jutta Allmendinger Ph.D. Von besonderem Gewicht sind Fragen der Transnationalisierung und Globali­ 21 sierung. Die Forschungsfelder des WZB sind: 22 10785 Berlin Reichpietschufer 50 23 – Arbeit und Arbeitsmarkt 24 Telefon 030-25 491-0 – Bildung und Ausbildung 25 Telefax 030-25 49 16 84 – Sozialstaat und soziale Ungleichheit 26 – Geschlecht und Familie Internet: www.wzb.eu 27 – Industrielle Beziehungen und Globalisierung 28 Die WZB-Mitteilungen erscheinen viermal im – Wettbewerb, Staat und Corporate Governance 29 Jahr (März, Juni, September, Dezember) – Innovation, Wissen(schaft) und Kultur Bezug gemäß § 63, Abs. 3, Satz 2 BHO 30 unentgeltlich – Mobilität und Verkehr 31 – Migration, Integration und interkulturelle Konflikte 32 Redaktion – Demokratie Dr. Paul Stoop (Leitung) – Zivilgesellschaft 33 Gabriele Kammerer 34 – Internationale Beziehungen 35 Kerstin Schneider – Governance und Recht 36 Korrektorat 37 Martina Sander-Blanck Gegründet wurde das WZB 1969 auf Initiative von Bundestagsabgeordneten 38 ­aller Fraktionen. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. 39 Dokumentation 40 Ingeborg Weik-Kornecki 41 Übersetzung 42 Carsten Bösel 43 Teresa Go 44 Texte in Absprache mit 45 der Redaktion 46 frei zum Nachdruck

47 Auflage 48 10.000 49 Abonnements: [email protected] 50 51 Fotos S. 5 und S. 54: David Ausserhofer 52 Gestaltung 53 Kognito Gestaltung, Berlin 54 Satz und Druck 55 Bonifatius GmbH, Druck · Buch · Verlag, 56 Paderborn 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 4 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 1 2 Neue Welten 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Wir brauchen gut ausgebildete junge Frauen und Männer für unsere Zu- 14 15 kunft. Die Zahl der Studierenden steigt, ebenso die Zahl der Doktoran- 16 den und Postdoktoranden. In der Wissenschaft hat sich über die Jahre 17 18 die Ausbildung der Doktoranden verbessert, langsam laufen auch Pro- 19 gramme für die Postdocs an. Ein Code of Conduct für die Karriereförde- 20 21 rung, wie ihn das WZB entwickelt hat, bietet weitere Unterstützung. Un- 22 23 sere jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr erfolgreich; in 24 den letzten Jahren erhielten viele von ihnen Rufe an Hochschulen. 25 26 27 28 Aber eines ist dabei klar: Selbst die beste Karriereförderung darf nicht 29 mehr ausschließlich auf eine Laufbahn in der Wissenschaft ausgerichtet 30 31 sein. Von allen gut qualifizierten Postdocs erhält gerade mal ein Drittel 32 33 eine Professur. Deutschland stellt zu wenige unbefristete Stellen im 34 Wissenschaftssystem bereit. Daran muss sich etwas ändern. Und die 35 36 Karriereförderung muss sich weiter entwickeln. Wir dürfen nicht län- 37 ger primär für die Wissenschaft ausbilden; das wäre fahrlässig. Wir 38 39 müssen uns für andere Sektoren öffnen und den Kontakt zu Wirtschaft, 40 41 Verwaltung, Politik, Medien und Verbänden suchen. 42 43 44 Das WZB startet ein solches Programm. In großen Konzernen, in Verwal- 45 46 tungen, in Unternehmensberatungen und in Verlagen werden wir Mög- 47 lichkeiten für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, sich in 48 49 neuen Welten einzuarbeiten und deren Kultur kennenzulernen. Die 50 51 meisten werden staunen. Irritationen werden unausweichlich sein – 52 auf beiden Seiten. Nach einiger Zeit kommen die Wissenschaftler dann 53 54 ans WZB zurück. Manche von ihnen werden ihren Forscherblick erwei- 55 tert haben, manche auch neue berufliche Optionen sehen. Alle aber 56 57 werden ihre Erfahrungen ins WZB hineintragen und so die Unkenntnis 58 59 über unterschiedliche Arbeitskulturen für uns alle ein Stück weit ab- 60 bauen. Für das WZB ist das ein großer Gewinn. 61 62 63 64 Jutta Allmendinger 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 5 68 69 70 1 2 Die Welt regieren ohne Weltregierung 3 4 5 Staaten, Gesellschaften und Institutionen 6 7 8 wirken auf vielfältige Weise zusammen 9 10 Michael Zürn 11 12 13 14 15 Summary: Glo bal issues ask for glob- Klimawandel, Verlust an Biodiversität, weltweit operierender Terrorismus, Ban- 16 ally coordinated governance. A di- ken-, Währungs- und Finanzkrisen – solche globalen Probleme sind nicht mehr 17 verse and still only partial system of von Nationalstaaten allein zu lösen. Eine mit Gewaltmonopol und Legitimität 18 global governance is developing by ausgestattete zentrale Weltregierung existiert nicht. In Entwicklung begriffen 19 interaction of national governments, ist aber ein System globalen Regierens, das die Politikwissenschaft als Global 20 international institutions, and non- Governance bezeichnet. Es umfasst die Gesamtheit der kollektiven Regelungen, 21 state actors. Efficient global gover- die auf globale Problemlagen oder Sachverhalte zielen. Governance umfasst da- 22 nance can reach deep into national bei den Regelungsinhalt wie auch die Normen, die den Prozess beschreiben, 23 societies. Given the lack of coordina- über den eine Regelung zustande kommt und durchgesetzt wird. Die beteiligten 24 tion, legitimacy, and equity in global Akteure rechtfertigen Governance mit dem Anspruch, dem gemeinsamen Inter- 25 governance, resistance is growing; in- esse eines Kollektivs oder – stärker noch – dem Gemeinwohl zu dienen, obgleich 26 ternational politics are being politi- sich dahinter zu oft andere Motive verstecken. 27 cized. 28 Nationale Regierungen spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Sie koordinie- 29 Kurz gefasst: Die Lösung grenzüber- ren und harmonisieren ihre Politik, gegebenenfalls beziehen sie auch nicht- 30 schreitender und oft weltweiter Prob- staatliche Akteure ein. Die wechselseitige Verpflichtung, auf eine diskriminie- 31 leme erfordert internationale Rege- rende Handelspolitik zu verzichten, ist ein Beispiel für dieses globale Regieren 32 lungen. Global Governance entwickelt durch gemeinsames Regierungshandeln. 33 sich durch das Zusammenwirken von 34 internationalen Institutionen, Regie- Es haben sich zunehmend auch Formen transnationalen Regierens entwickelt: 35 rungen und Zivilgesellschaft. Wenn Gesellschaftliche Gruppierungen wirken grenzüberschreitend zusammen und 36 die Regelungen effektiv sind, greifen geben sich selbst Regeln. Die Domain-Namen im Internet zum Beispiel werden 37 sie dabei tief in vormals nationale durch ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) vergeben, 38 Angelegenheiten ein. Angesichts der ohne dass Regierungen formal beteiligt sind. In einer Mischform werden Staa- 39 Koordinations-, Legitimations- und ten in sogenannten Public-Private-Partnerships Teil eines transnationalen Ar- 40 Gerechtigkeitsprobleme von Global rangements, wie dies etwa die International Commission on Large Dams (ICOLD) 41 Governance regt sich inzwischen ist, die sich seit über 90 Jahren mit Problemen großer Talsperren befasst. 42 auch Widerstand gegen globale Rege- 43 lungen – die internationale Politik ist Es ist das Gesamtarrangement dieser verschiedenen Steuerungsformen, die 44 stärker politisiert. Global Governance ausmacht. Mit der Entwicklung solcher Steuerungsformen hat 45 sich die internationale Politik grundlegend gewandelt. Es entsteht nämlich in- 46 ternationale politische Autorität: Staaten erkennen formal oder de facto an, dass 47 Entscheidungen auf der internationalen Ebene getroffen werden können, die die 48 eigene Jurisdiktion betreffen und selbst dann als bindend anzusehen sind, wenn 49 sie den eigenen nationalstaatlichen Regelungen und Prioritäten widersprechen. 50 Das Delegieren einer Entscheidungskompetenz an den internationalen Strafge- 51 richtshof oder die Bereitschaft, Mehrheitsentscheidungen des Sicherheitsrats 52 der UNO zu akzeptieren, sind Beispiele für die Entstehung politischer Autorität 53 jenseits des Nationalstaats. 54 55 Damit wird das kennzeichnende Strukturmerkmal traditioneller internationaler 56 Politik untergraben: Internationale Politik ist nicht mehr nur horizontale Politik 57 zwischen Staaten, sondern besitzt nun auch vertikale Komponenten zwischen 58 internationalen Institutionen einerseits und Staaten sowie Individuen anderer- 59 seits. Global Governance wirkt damit tief und machtvoll in nationale Gesellschaf- 60 ten hinein, ohne dass dies durch die nationale Regierung einfach unterbunden 61 werden kann. 62 63 Der Begriff Global Governance und die damit verbundenen politischen Abläufe 64 werden längst auch kritisch beäugt. Der Politikwissenschaftler Claus Offe be- 65 66 67 68 6 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 klagt zum Beispiel die Subjektlosigkeit des Governancebegriffs, der sich etwa im 1 Vergleich zum Begriff des Regierens ergibt: „Es geschieht etwas, aber niemand 2 hat es getan.“ Die politischen Prozesse, die aus der Perspektive der Global Gover- 3 nance analysiert werden, machen es in der Tat schwer, bestimmten Politikergeb- 4 nissen Verantwortlichkeiten zuzuschreiben. Global Governance – so wie hier 5 verwendet – ist aber kein politisches Programm, sondern ein analytischer Be- 6 griff. In diesem Sinne dient es nicht der Rechtfertigung globaler Verhältnisse – 7 wie das frühen, politisch benutzten Verwendungen des Begriffs vorgeworfen 8 werden konnte –, sondern der kritischen Analyse globaler politischer Prozesse. 9 Aus einer solchen kritischen Perspektive sind drei Strukturprobleme der Global 10 Governance besonders augenfällig. 11 12 Koordination: Global Governance setzt sich aus einem unübersichtlichen Flick- Michael Zürn ist Direktor der Abteilung Global 13 werk von internationalen Institutionen zusammen, die zumeist sektoral, manch- Governance und Professor für Internationale Bezie- 14 mal aber auch regional begrenzt sind. Die Begrenzungen sind zumeist unscharf. hungen an der Freien Universität Berlin. Außerdem 15 ist er Koleiter des WZB Rule of Law Centers.  Es gibt fast immer unvollständige Überlappungen, was die Mitglieder wie auch 16 (Foto: David Ausserhofer) die Themen betrifft. Die Welthandelsorganisation ist für den Handel zuständig, 17 die Weltgesundheitsorganisation für die Gesundheit. Was aber geschieht mit ge- [email protected] 18 sundheitsrelevanten Handelsfragen – oder handelt es sich dann doch um han- 19 delsrelevante Gesundheitsfragen? 20 21 Das Fehlen von Mechanismen zur Koordination von Governance, wie sie auf der 22 nationalstaatlichen Ebene vor allem von Regierungschefs (Richtlinienkompe- 23 tenz beim Streit zwischen Ministerien), Verfassungsgerichten (Ist eine Sicher- 24 heitsmaßnahme vereinbar mit den Freiheitsrechten?) und der öffentlichen Mei- 25 nung (Wollen wir Wachstum oder Umweltschutz?) bereitgestellt wird, verweist 26 auf einen ersten strukturellen Mangel von Global Governance. Zwar interagieren 27 die unterschiedlichen internationalen Institutionen miteinander und passen 28 sich dabei kontinuierlich einander an, aber eine prinzipienorientierte Gesamt- 29 koordination bleibt weitestgehend aus. 30 31 Insofern es überhaupt derartige Koordinationsleistungen gibt – am ehesten 32 noch bei den G-8/20-Treffen – weisen sie eine stark exklusive Mitgliedschaft 33 auf. Die Koordinationsleistungen der globalen Mehrebenen-Governance erwei- 34 sen sich also als beschränkt und zugleich zufällig. 35 36 Es fehlen problemfeldübergreifende Instanzen, die Kollisionen zwischen Teilbe- 37 reichen der Global Governance grundwerteorientiert behandeln – solche Instan- 38 zen zu haben, ist für eine konstitutionelle Ordnung zentral. Auch das Verhältnis 39 zwischen internationalen und nationalen Regeln bleibt häufig unbestimmt und 40 variiert je nach den nationalen Verfassungen der beteiligten Länder. Manche 41 Länder lassen eine De-facto-Suprematie internationaler Verträge zu und befür- 42 worten die Ausbildung eines völkerrechtlichen ius cogens, eines zwingenden 43 Rechts, das nicht durch andere Verträge abbedungen werden kann. Andere Län- 44 der beharren dagegen bedingungslos auf ihrer nationalen Souveränität. Das 45 zeigt sich deutlich am Konflikt um die Entwicklung des Internationalen Strafge- 46 richtshofs. 47 48 Auch das Verhältnis zwischen transnationalen Regimen und nationaler Rechts- 49 lage ist nicht selten nebulös. Während nationale Gerichte die lex mercatoria, das 50 gewohnheitsbasierte internationale Handelsrecht, zu stützen scheinen, werden 51 die von transnationalen Sportverbänden ausgesprochenen Sperren von Sport- 52 lern zunehmend von nationalen Gerichten infrage gestellt. 53 54 Im Ergebnis erweist sich Global Governance als äußerst fragmentiert. Die ver- 55 schiedenen Bausteine fügen sich nicht zu einer kohärenten Ordnung zusam- 56 men. Somit bleibt die Sicherung von Grundrechten fragil und letztlich den Nati- 57 onalstaaten überlassen (s. den Beitrag von Benjamin Faude, S. 10-12). 58 59 Legitimation: Global Governance erzeugt auch Legitimationsprobleme. Solange 60 sich internationale Institutionen auf das bloße Interdependenzmanagement be- 61 schränkten, welches das Einverständnis jedes Mitgliedstaats voraussetzte, stellte 62 sich das Legitimationsproblem kaum. Das ändert sich jedoch durch die zuneh- 63 mende Autorität internationaler Institutionen. Nun wird auch deren Demokrati- 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 7 68 69 70 1 sierung gefordert. Manche halten aber einen demokratischen Prozess jenseits 2 des Nationalstaats für strukturell ausgeschlossen, da die EU und die anderen in- 3 ternationalen Organisationen die sozialen Vorbedingungen für Demokratie nicht 4 erfüllen. Diese Skeptiker halten demokratische Legitimität nur im Rahmen eines 5 demos für möglich, also einer politischen Gemeinschaft mit dem Potenzial für 6 demokratisches Selbstregieren, wie es sich nur im Konzept der modernen Nation 7 finden lässt. Jenseits des Nationalstaats fehlten demnach die sozialen Vorausset- 8 zungen für eine demokratische politische Gemeinschaft: der politische Raum. 9 Das Zusammenfallen von Nation und Demokratie sei nicht historisch zufällig, 10 sondern stelle einen systematischen und unauflösbaren Zusammenhang dar. 11 12 Es gibt aber auch eine optimistischere Deutung internationaler Institutionen. In 13 demokratischen Kategorien gedacht sind demnach internationale Institutionen 14 eine vernünftige Antwort auf Probleme, denen Demokratien in Zeiten der Glo- 15 balisierung gegenüberstehen. Sie tragen nämlich dazu bei, die Inkongruenz zwi- 16 schen sozialem und politischem Raum abzubauen. Theoretisch hilft das Auf- 17 kommen von denationalisierten Governance-Strukturen all jenen, die von 18 externen politischen Entscheidungen betroffen sind, aber dort keine Stimme 19 haben. In diesem Sinne sind die internationalen Institutionen nicht das Problem, 20 sondern Teil der Lösung für die Probleme der modernen Demokratie. Gleichwohl 21 wird auch von Vertretern dieser Position keineswegs bestritten, dass die beste- 22 henden internationalen Institutionen erhebliche Demokratiedefizite aufweisen, 23 die kurzfristig kaum zu beheben sind. 24 25 So entsteht ein wachsendes Bedürfnis nach anderen Formen der direkten Legi- 26 timierung internationaler Entscheidungen. Auf dieses Bedürfnis reagieren in- 27 ternationale Institutionen teilweise, indem sie neue legitimationsstiftende Ver- 28 fahren wie etwa zum Schutz der Menschenrechte einrichten (vgl. den Beitrag 29 von Monika Heupel und Gisela Hirschmann, S. 17-20). Allerdings können solche 30 Mechanismen nicht den gesamten Legitimationsbedarf abdecken. So führt die 31 Ausübung von Autorität auf der internationalen Ebene zu einem wachsenden 32 Bewusstsein für die Bedeutung internationaler Institutionen, zur Mobilisierung 33 gesellschaftlicher Interessen zum Zwecke ihrer Beeinflussung und zu einer zu- 34 nehmenden Umstrittenheit – kurz zu ihrer Politisierung (vgl. Pieter de Wilde 35 und Christian Rauh, S. 21-23). 36 37 Internationale Institutionen werden dabei nicht nur von transnationalen Nicht- 38 regierungsorganisationen wie ATTAC oder Greenpeace politisiert, sondern auch 39 von aufstrebenden Mächten wie China, Indien und Brasilien (siehe Matthew Ste- 40 phen, S. 13-16). Dass solche Länder ihre Kritik am Status quo inzwischen weni- 41 ger an die Adresse der amerikanischen Regierung, sondern an internationale 42 Institutionen richten, ist Ausdruck von Global Governance. 43 44 Liberaler Bias: Ein weiteres strukturelles Defizit von Global Governance betrifft 45 die systematische Bevorzugung der Liberalisierung. Zum einen fällt es dem Na- 46 tionalstaat in einer globalisierten Welt zunehmend schwer, die gewohnten Sozi- 47 alstandards aufrechtzuerhalten. Im Zuge der Konkurrenz um mobiles Kapital hat 48 sich eine Situation ergeben, in der die Vertreter der Sozialpolitik einer ver- 49 schärften Begründungspflicht unterliegen – und dies obwohl in vielen westli- 50 chen Industrieländern das Gefälle zwischen Arm und Reich größer geworden ist. 51 Dieser Verlust an nationalstaatlicher Effektivität auf dem Gebiet der Sozialpoli- 52 tik konnte bisher nicht durch die Schaffung internationaler Institutionen aufge- 53 fangen werden. Internationale Institutionen scheinen wenig geeignet, um redis- 54 tributiv in transnationale Märkte einzugreifen. 55 56 Zum anderen haben die meisten internationalen Institutionen selbst einen libe- 57 ralisierenden Impetus. Ob es um die Beseitigung von Handelsbarrieren geht, die 58 Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen oder die Schaffung einheitlicher 59 Bilanzierungsstandards: Der angestrebte Effekt ist meist die Schaffung offener 60 Weltmärkte, um Effizienzgewinne einfahren zu können. Viel seltener geht es um 61 die Regulierung der Märkte mit dem Ziel, Stabilität zu schaffen und unerwünsch- 62 te Effekte zu verhindern. So wurde die Schwäche des internationalen Finanzre- 63 gimes schon lange vor der Finanzkrise beklagt. Die mangelnde Regulation trug 64 dann zumindest eine erheblich Mitschuld an der Krise. 65 66 67 68 8 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Dieser weltmarktschaffende Impetus internationaler Institutionen ist zwar in 1 jüngster Zeit relativiert und durch Marktinterventionen ergänzt worden. Aber 2 trotz einiger Regeln in Bereichen der Umwelt, der Menschenrechte und jetzt 3 auch bei Steuerfragen bleibt der Effekt der globalen Liberalisierung bestehen. 4 Das ist auch eine der wesentlichen Kritiken seitens der aufstrebenden Mächte 5 an den bestehenden internationalen Institutionen (siehe dazu Matthew Stephen, 6 S. 13-16). 7 8 Die genannten Defizite von Global Governance sind also längst mehr als latente 9 Strukturprobleme. Sie manifestieren sich in sozialem Widerstand gegen und in 10 der Instrumentalisierung von Global Governance. Insofern steht das globale Re- 11 gieren vor einem grundlegenden Dilemma: Es sind in der Sache oft globale Maß- 12 nahmen erforderlich, die aber im gegebenen institutionellen Rahmen und vor 13 dem Hintergrund bestehender Legitimationsanforderungen schwerlich durch- 14 gesetzt werden können. Ob die zunehmende Manifestierung dieses Dilemmas 15 und die damit verbundene Politisierung einen Weg aus dem Dilemma bahnt, 16 bleibt abzuwarten. 17 18 19 Literatur 20 Hooghe, Liesbet/Marks, Gary: „Types of Multi-Level Governance“. In: Henrik Ender- 21 lein/Sonja Wälti/Michael Zürn (Eds.): Handbook on Multi-Level Governance. Chel- 22 tenham: Edward Elgar 2010, pp. 17-31. 23 24 Kahler, Miles/Lake, David A. (Eds.): Governance in a Global Economy. Political Autho- 25 rity in Transition. Princeton N.J: Princeton University Press 2003. 26 27 Scharpf, Fritz W.: „Legitimität im europäischen Mehrebenensystem“. In: Leviathan, 28 2009, Jg. 37, H. 2, S. 244-280. 29 30 Zürn, Michael/Ecker-Ehrhardt, Matthias (Hg.): Die Politisierung der Weltpolitik. Um- 31 kämpfte internationale Institutionen. Berlin: Suhrkamp 2013. 32 33 Zürn, Michael: „Global Governance as Multi-Level Governance“. In: David Levi-Faur 34 (Ed.), Oxford Handbook of Global Governance. Oxford: Oxford University Press 2012, 35 pp. 730-744. 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 9 68 69 70 1 2 Wenn die letzte Instanz fehlt Die stei­ 3 4 5 gende Zahl internationaler Institutionen 6 7 8 erleichtert es Staaten, Regeln zu umgehen 9 10 Benjamin Faude 11 12 13 14 15 Summary: Glo bal Governance consists Wer hat das letzte Wort, wenn es um interinstitutionelle Entscheidungsprozesse 16 of a multitude of public and private auf globaler Ebene geht? Wer ist dann die entscheidende Autorität in der Global 17 international institutions which pos- Governance? Diese sollte im Idealfall kohärent, effektiv und legitim sein – ein 18 sess authority only for a limited issue Unterfangen, das durch ihre flickwerkartige Grundstruktur erschwert wird. 19 area. Their regulatory efforts are not Denn Global Governance besteht aus einer Vielzahl privater und öffentlicher in- 20 coordinated by a central instance. ternationaler Institutionen, die nur für abgegrenzte Themenbereiche Autorität 21 However, the decisions taken by these besitzen und deren Regelungsaktivitäten nicht durch eine zentrale Koordinati- 22 international institutions have impli- onsinstanz aufeinander abgestimmt werden. Im Gegensatz zum Nationalstaat 23 cations in issue areas beyond their und zur Europäischen Union (EU) fehlt es auf globaler Ebene an einer Autorität, 24 own. This situation creates new stra- die bei Konflikten zwischen verschiedenen Politikfeldern vermittelt und am 25 tegic opportunities for states, which Ende eine Entscheidung trifft – sozusagen eine Kompetenz-Kompetenz hat. 26 in turn evokes a demand for inter-in- 27 stitutional coordination that must be Dies ist vor allem deshalb relevant, weil die Zahl internationaler Institutionen 28 met by the interdependent institu- stetig zunimmt und deren Entscheidungen häufig Auswirkungen in den Rege- 29 tions themselves. lungsbereichen anderer Institutionen haben. Zwei Beispiele illustrieren dies: 30 Die handelsbeschränkenden Regelungen verschiedener internationaler Umwelt­ 31 Kurz gefasst: Global Governance be- institutionen stehen im Gegensatz zum Ziel der Welthandelsorganisation (WTO), 32 steht aus einer Vielzahl internationa- den internationalen Handel auf Basis des Prinzips der Nichtdiskriminierung zu 33 ler Institutionen, die nur für abge- liberalisieren. Die Stärkung des internationalen Schutzes geistiger Eigentums- 34 grenzte Themenbereiche Autorität rechte durch das im Rahmen der WTO verabschiedete TRIPS-Abkommen (Trade- 35 besitzen. Ihre Regelungsaktivitäten Related Aspects of Intellectual Property Rights) generiert in armen Teilen der 36 werden nicht durch eine zentrale Ko- Welt Probleme für die öffentliche Gesundheit und dringt auf diese Weise in den 37 ordinationsinstanz aufeinander abge- Regelungsbereich der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein. Dies ist darauf 38 stimmt. Gleichwohl haben die Ent- zurückzuführen, dass der gestärkte Patentschutz pharmazeutischer Produkte zu 39 scheidungen, die eine zunehmende steigenden Arzneimittelpreisen führt, was in armen Teilen der Welt den Zugang 40 Zahl internationaler Institutionen in zu essenziellen Arzneimitteln erschwert. 41 ihren Regelungsbereichen treffen, 42 häufig Auswirkungen auf die Rege- Diese Situation der überlappenden Regelungsbereiche internationaler Instituti- 43 lungsbereiche anderer Institutionen. onen hat Konsequenzen für das Handeln von Staaten. Sie bietet diesen die Mög- 44 Hieraus ergeben sich für Staaten neue lichkeit, zur Verfolgung ihrer Interessen auf neue Formen strategischen Han- 45 Möglichkeiten strategischen Handelns, delns zurückzugreifen. Insbesondere haben Staaten die Möglichkeit zum forum 46 die wiederum einen Bedarf an inter- shopping: Wenn mehrere internationale Institutionen sich mit einem (politik- 47 institutioneller Koordination begrün- feldübergreifenden) Themenbereich befassen, können Staaten die jeweils 48 den, der von den interdependenten ­opportun erscheinende Institution auswählen, um ihre politischen Ziele zu ver- 49 Institutionen selbst gedeckt werden folgen. Staaten verfolgen ihre politischen Ziele also nicht mehr institutionen- 50 muss. spezifisch in einzelnen internationalen Institutionen, die als separat wahrge- 51 nommen werden. Vielmehr richten sie ihr Verhalten an einer fragmentierten 52 Institutionenlandschaft aus und nutzen interinstitutionelle Einflussbeziehun- 53 gen zur Verfolgung politischer Ziele aus. Beispielsweise schufen die Staaten, die 54 den internationalen Handel mit genmodifizierten Organismen restriktiv regu- 55 lieren wollen, mit dem Cartagena-Protokoll zur Biosicherheit im Rahmen der 56 Biodiversitätskonvention eine Konkurrenzinstitution zur WTO, die liberal regu- 57 liert. Mit dem Cartagena-Protokoll, das wesentlich restriktiver reguliert, setzte 58 man die WTO interinstitutionell unter Wettbewerbsdruck. Damit verfolgten die- 59 se Länder das Ziel, die WTO zu einer restriktiveren Regulierung des internatio- 60 nalen Handels mit genmodifizierten Organismen – und damit zu einer Anpas- 61 sung ihrer Regeln – zu drängen. 62 63 Zwei Arten des forum shopping illustrieren, wie sich Staaten die fragmentierte 64 Institutionenlandschaft auf internationaler Ebene zunutze machen können: Bei 65 66 67 68 10 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 der inhaltlichen Umsetzung internationaler Regeln können Staaten im Fall von 1 Regelinkonsistenzen auswählen, welche institutionellen Regeln sie für ihr Ver- 2 halten als maßgeblich ansehen. Sie haben also die Möglichkeit, kollektiv verein- 3 barte und allgemein verbindliche Regeln selektiv umzusetzen. Dabei können sie 4 auf die Regeln konkurrierender Institutionen verweisen. Genau diese Möglich- 5 keit wollten diejenigen Länder, die den internationalen Handel mit genmodifi- 6 zierten Organismen restriktiv regulieren möchten, durch den Abschluss des 7 Cartagena-Protokolls schaffen. Staaten bestimmen durch ihre selektive Umset- 8 zung, inwiefern konträr zueinander liegende Regelungen – und damit gleicher- 9 maßen als legitim anerkannte Interessen – ausbalanciert werden. Schränkt die 10 Mehrzahl der Staaten also aus Umweltschutzgründen – und in Widerspruch zu 11 den Regeln der WTO – den internationalen Handel ein, werden die Umweltschut- 12 zinteressen betont. Widersetzt sich die Mehrzahl der Staaten hingegen auf der 13 Umsetzungsebene den handelsbeschränkenden Regelungen internationaler 14 Umweltinstitutionen, so gewinnen die Liberalisierungs- und Wirtschaftsinteres- 15 sen die Oberhand. Benjamin Faude ist seit 2011 wissenschaftlicher Mit- 16 arbeiter der Abteilung Global Governance. Er forscht 17 Eine weitere Art des forum shopping ist die aktuelle Tendenz von Staaten, unter- über institutionelle Komplexe und institutionelle 18 Wechselwirkung, die Verrechtlichung und Konstituti- schiedliche Streitschlichtungsmechanismen zur Lösung desselben Streitfalls 19 onalisierung der internationalen Politik sowie Fragen oder inhaltlich zusammenhängender Streitfälle anzurufen. Beispielsweise sind regionaler Integration. [Foto: Udo Borchert] 20 in der internationalen Handelspolitik verschiedene Streitfälle nacheinander so- 21 wohl dem Streitschlichtungsorgan eines regionalen Integrationsprojektes (au- [email protected] 22 ßerhalb Europas) als auch dem Streitschlichtungsmechanismus der globalen 23 WTO zur Entscheidung vorgelegt worden. Entscheidungen unterschiedlicher 24 Streitschlichtungsorgane stehen dadurch bestenfalls nebeneinander und 25 schlechtestenfalls im direkten Widerspruch zueinander. Die Lösung eines zwi- 26 schenstaatlichen Streitfalls durch die Streitschlichtungsmechanismen interna- 27 tionaler Institutionen wird so erschwert und bei zwei widersprüchlichen Ent- 28 scheidungen sogar blockiert. 29 30 Überlappende Kompetenzbereiche haben somit nicht nur für Staaten, sondern 31 auch für die Institutionen selbst Konsequenzen. So kann es zu Kompetenzstrei- 32 tigkeiten (turf wars) zwischen ihnen kommen. Jede Institution ist daran interes- 33 siert, dass ihre Regeln für staatliches Verhalten maßgeblich sind, und ist ver- 34 sucht, die Regelungskompetenzen des inhaltlichen Überlappungsbereichs zu 35 monopolisieren – ein Phänomen, das wir aus dem Nationalstaat bereits kennen. 36 In Deutschland werden uns Kompetenzstreitigkeiten beispielsweise in Zusam- 37 menhang mit der sogenannten Energiewende zwischen dem Umwelt- und dem 38 Wirtschaftsministerium vor Augen geführt. 39 40 Kompetenzstreitigkeiten zwischen internationalen Institutionen führen an ih- 41 ren Schnittstellen daher zur Herausbildung interinstitutionellen Wettbewerbs 42 um Regelungskompetenzen und finanzielle Ressourcen. Internationale Instituti- 43 onen haben ein Interesse daran, Regelungsfunktionen dauerhaft auszuüben und 44 die dafür notwendigen Ressourcen von Staaten zu bekommen. Wenn nun Staa- 45 ten bestimmte Regelungstätigkeiten einer Institution nicht mehr nachfragen, 46 weil diese Tätigkeiten von einem institutionellen Wettbewerber besser erfüllt 47 werden, droht der Verlust dieser Ressourcen. So verlor beispielsweise die WHO 48 in den 1990er Jahren als Folge einer wahrgenommenen Ineffizienz Teile ihres 49 von den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellten Budgets an die Weltbank, von 50 der sich die Staaten eine bessere Bearbeitung des Themenbereichs Weltgesund- 51 heit versprachen. 52 53 Internationale Institutionen müssen also darauf achten, für die sie tragenden 54 Mitgliedsstaaten relevant zu bleiben. Insofern impliziert interinstitutioneller 55 Wettbewerb dauerhaften Anpassungsdruck für die konkurrierenden Institutio- 56 nen. Wir können davon ausgehen, dass der interinstitutionelle Wettbewerb so 57 lange bestehen bleibt, wie es Kompetenzstreitigkeiten zwischen den konkurrie- 58 renden Institutionen und somit Möglichkeiten zum forum shopping gibt. Der 59 Wettbewerb dürfte umso ausgeprägter sein, je inkompatibler die Regelungsziele 60 der konkurrierenden Institutionen sind. 61 62 Aus der Ordnungsperspektive des Forschungsprogramms Global Governance be- 63 steht die wichtigste negative Konsequenz interinstitutionellen Wettbewerbs in 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 11 68 69 70 1 der Neigung staatlicher Akteure, sich weniger konsequent an internationale Re- 2 geln zu halten. Deshalb müssten die Regelungsaktivitäten der einzelnen Institu- 3 tionen so koordiniert werden, dass die Regelwerke Bestandteile einer kohären- 4 ten Global Governance werden und den Staaten weniger Schlupflöcher und 5 Ausweichmöglichkeiten bieten, die durch forum shopping ausgenutzt werden 6 können. Es wäre also hilfreich, wenn es eine zentrale Koordinationsinstanz ge- 7 ben würde, die an den Schnittstellen internationaler Institutionen Kohärenz 8 herstellen kann. 9 10 Aber auf internationaler Ebene fehlt eine hierarchische Koordinationsinstanz, 11 die mit Entscheidungskompetenz ausgestattet ist. Somit muss der Koordinati- 12 onsbedarf durch die überlappenden internationalen Institutionen selbst gedeckt 13 werden. Dies vollzieht sich am häufigsten durch die Herausbildung einer (nicht 14 formalisierten) Arbeitsteilung zwischen internationalen Institutionen in einem 15 Prozess spontaner Ordnungsbildung: Eine der konkurrierenden Institutionen 16 spezialisiert sich auf die Erfüllung eines Teils der im Überlappungsbereich zu 17 erfüllenden Regelungstätigkeiten und überlässt andere Regelungstätigkeiten 18 den Konkurrenten, die sich entsprechend spezialisieren. So hat sich beispiels- 19 weise die WTO im erwähnten Überlappungsbereich mit internationalen Umwelt­ 20 institutionen davon zurückgezogen, die spezifischen Bestimmungen der Han- 21 delsrestriktionen aus Umweltschutzgründen bestimmen zu wollen. Sie hat sich 22 stattdessen auf die Ausarbeitung allgemeiner Kriterien für die Anwendung die- 23 ser Handelsrestriktionen konzentriert und dabei betont, dass diese den interna- 24 tionalen Handel so wenig wie möglich einschränken sollten. Komplementär dazu 25 haben sich die internationalen Umweltschutzinstitutionen darauf konzentriert, 26 im Rahmen dieser allgemeinen Kriterien die spezifischen Ausgestaltungen der 27 Literatur Handelsrestriktionen aus Umweltschutzgründen festzulegen, und dabei die von 28 Faude, Benjamin: „Paradoxe Verrechtlichtung. Wie der WTO entwickelten allgemeinen Kriterien akzeptiert. 29 Streitschlichtungsmechanismen interagieren“. In: 30 Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 2011, Solche Prozesse spontaner Ordnungsbildung haben Vor- und Nachteile. Zum ei- 31 Jg. 18, Nr. 1, S. 77-108. nen kann auf diese Weise Kohärenz zwischen den Regelungsbemühungen un- 32 terschiedlicher internationaler Institutionen hergestellt werden. Die Ergebnisse 33 Faude, Benjamin: Die Herausbildung inter-insti- empirischer Forschung sind in dieser Hinsicht sogar sehr ermutigend. In mei- 34 tutioneller Ordnungsstrukturen internationalen ner Dissertation konnte ich zeigen, dass die Tendenz zur Ausbildung einer insti- 35 Regierens. Wie aus Konkurrenz Arbeitsteilung tutionalisierten Arbeitsteilung auch dann zu beobachten ist, wenn dem starke 36 entsteht. Unveröffentlich­ te Dissertationsschrift. Interessengegensätze zwischen staatlichen Akteuren entgegenstehen. Das wäre 37 Universität Bamberg 2013. eigentlich nicht zu erwarten, weil Staaten gerade bei starken Interessengegen- 38 sätzen an der Aufrechterhaltung der Möglichkeiten zum forum shopping interes- 39 Gehring, Thomas/Faude, Benjamin: „The Dynam- siert sind; sie können dann weiterhin unliebsame internationale Verpflichtun- 40 ics of Regime Complexes: Microfoundations and gen interinstitutionell umgehen. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass es 41 Systemic Effects“. In: Global Governance, 2013, eine generelle Tendenz zur Ausbildung einer Arbeitsteilung zwischen konkur- 42 Vol. 19, No. 1, pp. 119-130. rierenden internationalen Institutionen gibt, die wir als eine neue (interinstitu- 43 tionelle) Dimension politischer Ordnungsbildung auf internationaler Ebene be- 44 Gehring, Thomas/Faude, Benjamin: A Theory of greifen können. 45 Emerging Order within Institutional Complexes. 46 How Inter-Institutional Competition Leads To In- Ein bedeutender Nachteil dieses Prozesses spontaner Ordnungsbildung zwi- 47 stitutional Specialization and Interlocking Gov- schen internationalen Institutionen ist seine Exklusivität: Sehr häufig wird die 48 ernance Structures. Unveröffentliches Arbeitspa- Frage, wie genau zwischen zwei Politikbereichen koordiniert werden soll, von 49 pier, 2013. staatlichen Repräsentanten und Experten der einzelnen Institutionen entschie- 50 den; einen begleitenden öffentlichen Diskussionsprozess auf transnationaler 51 Zürn, Michael/Faude, Benjamin: „On Fragmenta- Ebene gibt es meist nicht. Die Rückbindung an öffentlich geteilte Grundwerte, 52 tion, Differentiation, and Coordination“. In: Global demokratische Beteiligungsrechte oder andere Legitimitätsquellen können die- 53 Environmental Politics, 2013, Vol. 13, No. 3, pp. se Prozesse stärken und die so vorangetriebene Koordination legitimatorisch 54 119-130. besser stützen. 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 12 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Summary: Risi ng powers want leadership positions in global Kurz gefasst: Aufstrebende Staaten wollen größeren Einfluss governance, but this is stalled by conflicts with established auf die internationale Politik erlangen – ein Wunsch, dem die powers. Consequently, two forms of institutional change are Interessen der Großmächte, die seit Jahrzehnten die internatio- emerging: a resurgence of great power bargaining outside of nalen Institutionen beherrschen, entgegenstehen. Dies hat dazu formalised institutions, and the proliferation of new, alterna- geführt, dass die Großmächte zunehmend außerhalb der Insti- tive institutions on a regional basis. The re-emergence of a tutionen ihren Einfluss geltend machen. Außerdem entstehen balance of power may also have salutary effects by containing vermehrt alternative regionale Zusammenschlüsse. Diese Neu- the excesses of each of the major powers, particularly the ordnung des globalen Machtgefüges könnte auf Dauer die Do- . minanz der Großmächte, vor allem der USA, eindämmen.

Neue Mächte Aufstrebende Staaten gestalten­ die ­Welt­politik mit

Matthew D. Stephen

Macht und Wohlstand sind in Bewegung. Das rasante Wirtschaftswachstum in vielen aufstrebenden Groß- und Mittelmächten führt zu einer globalen Neuver- teilung des Wohlstands, auch wenn diese Länder noch weit zurückliegen, was das Pro-Kopf-Vermögen und die gesellschaftliche Entwicklung betrifft. Staaten wie China und Indien verfügen heute über größere Ressourcen als früher und haben sich stärker nach außen geöffnet. Brasilien ist in eine neue Phase starken Wirtschaftswachstums eingetreten, und Russland ist dabei, nach einer Zeit öko- nomischer und politischer Krisen in den 1990er Jahren zu alter Stärke zurück- zufinden. Hinzu kommt, dass der Wirtschaftsboom in den Schwellenländern zu- sammenfällt mit in einer Phase ökonomischer Krisen und Stagnation in den USA und Europa; so beschleunigt sich die relative Verschiebung des globalen Einkommens noch. China wird voraussichtlich die USA bald als weltgrößte Volkswirtschaft ablösen, dicht gefolgt von Indien. Die europäischen Länder wer- den von großen Entwicklungsländern aus der ersten Riege der Weltmächte ver- drängt. Kurzum: Die Weltwirtschaft wird multipolar.

Wie wird sich der Aufstieg der neuen Mächte auf die internationale Politik auswir- ken? Hier gibt es skeptische und optimistische Prognosen. Die Skeptiker befürch- ten eine Erosion der westlich geprägten Weltordnung. Ihrer Ansicht nach reprä- sentieren die bestehenden internationalen Institutionen wie die Welthandelsorga- nisation (WTO), der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank die Interessen der USA und der liberalen Marktwirtschaft. Folglich werden neue Mäch- te diese Institutionen nicht akzeptieren, was zu einer Auseinandersetzung um die Regeln und Normen globalen Regierens führen wird. Die Skeptiker sehen in den innenpolitischen Ordnungen Chinas und Russlands zudem eine Rehabilitierung autoritärer und nicht liberaler Alternativen zur westlichen Gesellschaftsordnung.

Optimisten richten den Blick auf eine andere Entwicklung. Aus ihrer Sicht be- steht die Genialität der von den USA geführten Weltordnung gerade darin, dass sie den dominanten wie den aufstrebenden Mächten ein gemeinsames Interesse an der Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung vermittelt. Dies geschieht, indem die USA ihre Macht in ein Netzwerk militärischer Bündnisse einbinden, anderen Ländern durch Freihandel und offene Kapitalmärkte wirtschaftliche Entwicklungsoptionen eröffnen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich in die bestehenden internationalen Institutionen zu integrieren und dort ihren Ein- fluss zu vergrößern.

Ob am Ende die Optimisten oder die Skeptiker recht behalten, wird in hohem Maße davon abhängen, welche Entscheidungen die aufstrebenden Mächte tref-

WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 13 1 fen. Wir müssen uns also mit der Frage beschäftigen, was die aufstrebenden 2 Mächte eigentlich wollen. Das ist jedoch gar kein Geheimnis. Analysieren wir ihr 3 Verhalten in den letzten Jahren, so ergeben sich klare Hinweise auf die Weltord- 4 nung, auf die sie hinarbeiten. Die Ergebnisse werden die Optimisten wahr- 5 scheinlich enttäuschen, aber auch die Pessimisten könnten eine Überraschung 6 erleben. 7 8 Die aufstrebenden Mächte wollen den etablierten Großmächten deren privile- 9 gierte Stellung in globalen Regierungsinstitutionen streitig machen. Denn ob- 10 wohl die Weltwirtschaft multipolarer geworden ist und sich die internationale 11 Machtverteilung verschoben hat, werden die wichtigsten Institutionen der Welt- 12 ordnungspolitik noch immer von den USA, Europa und Japan dominiert. Der IWF 13 und die Weltbank – zentrale Institutionen der Geld- und Finanzpolitik – haben 14 noch immer Abstimmungsregeln, die die westlichen Industrieländer privilegie- 15 ren und den USA sogar das Privileg eines faktischen Vetorechts zubilligen. Dass 16 auch die Leitungspositionen ausschließlich an Amerikaner und Europäer verge- 17 ben werden, macht die Sache aus Sicht der Schwellenländer nur noch schlim- 18 mer. 19 20 Der Status des US-Dollars als globale Leitwährung ermöglicht es den USA zudem, 21 umfangreiche Kredite aufzunehmen, ohne dafür Zinsen zahlen zu müssen (Seig- 22 niorage). Sie sind damit immun gegen die Marktdisziplin geworden, die die Poli- 23 tik anderer Staaten prägt. Multilaterale Handelsverhandlungen werden traditio- 24 nell von einer kleinen Gruppe Industrieländer dominiert, die so der ganzen Welt 25 ihre Handelsregeln diktieren können. Und im UN-Sicherheitsrat bemühen sich 26 bislang ausgeschlossene Mächte wie Indien, Brasilien und Südafrika um Füh- 27 rungspositionen als neue ständige Mitglieder. In all diesen Bereichen fordern 28 die aufstrebenden Mächte eine Neuverteilung von Führungspositionen, eine 29 bessere Positionierung in diesen Institutionen und ein Ende der westlichen Do- 30 minanz. So gesehen geht es ihnen also um eine Integration in das bestehende 31 System, und die Optimisten können sich bestätigt fühlen. 32 33 Allerdings sind diese Integrationsversuche bisher nur zum Teil erfolgreich. In 34 vielen multilateralen Kontexten lässt sich daher ein Wiederaufleben direkter 35 Verhandlungen zwischen den Großmächten beobachten. Im Handelssektor zum 36 Beispiel kritisieren Länder wie Indien und Brasilien die Exklusivität, mit der 37 Entscheidungen bislang getroffen wurden, sind aber gleichzeitig selbst Teil ei- 38 nes neuen Kerns großer Handelsmächte geworden: der G 6, gemeinsam mit Aus- 39 tralien, der EU, Japan, und den USA. Die Reformen von IWF und Weltbank berüh- 40 ren nicht die Substanz dieser Institutionen, verlaufen schleppend und werden 41 zudem durch die Weigerung der US-Regierung blockiert, die jüngsten Reformen 42 zu ratifizieren. 43 44 Die aufstrebenden Mächte konzentrieren sich daher jetzt auf die Gruppe der 45 zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20), die zum bevorzug- 46 ten Forum für wirtschaftliche Zusammenarbeit avanciert ist. In der G 20 gibt es 47 keine formalen Regeln; sie ist ein reines Verhandlungsforum für die Groß- und 48 Mittelmächte. Und so wurden auf einen Schlag 90 Prozent aller Länder von der 49 Mitbestimmung an der Weltwirtschaftsordnung ausgeschlossen. Die universelle 50 Mitgliedschaft und das Stimmrechtssystem von IWF und Weltbank bewirkten 51 zumindest, dass kleinere Länder nicht völlig ausgeschlossen wurden. Ein funk- 52 tionelles Äquivalent zu direkten Großmachtverhandlungen könnte in der weite- 53 ren Formalisierung der prozeduralen Ungleichheit innerhalb der internationa- 54 len Institutionen bestehen, wie etwa bei den ständigen Sitzen im 55 UN-Sicherheitsrat, doch dies wird sowohl durch die Souveränitätsbedenken an- 56 derer Länder als auch durch den Unwillen der etablierten Mächte blockiert, die 57 für die Integration erforderlichen Kompromisse einzugehen. 58 59 Eine Alternative zur Reform bestehender Institutionen ist die Schaffung völlig 60 neuer Institutionen. Dies ist das zweite Resultat des Aufstiegs der neuen Mächte. 61 Am deutlichsten zeigt sich dieser Prozess im Handel. Nachdem die Doha-Runde 62 der WTO, die 2001 auf ihrer vierten Konferenz in Doha den Anstoß zu einer ge- 63 meinsamen Handels- und Entwicklungsagenda gab, vorerst am Wettbewerbs- 64 druck der Mitglieder untereinander gescheitert ist, versuchen die Großmächte 65 66 67 68 14 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 ihre Alternativen zu einer Verhandlungslösung zu verbessern. Dies geschieht 1 zumeist in Form eines regionalen Nabe-Speiche-Systems, wobei jede Groß- 2 macht über bilaterale Abkommen ihre eigene Freihandelsregion unterhält. 3 4 Freihandelsabkommen zwischen den Großmächten sind dagegen die Ausnahme: 5 Nur Südafrika und Europa sowie der südamerikanische Mercosur und Indien 6 haben Freihandelsabkommen geschlossen. Infolgedessen läuft der Großteil des 7 weltweiten Handels heute über die gegenseitige Gewährung von Vorzugsbedin- 8 gungen, die zwar mit den WTO-Regeln kompatibel sind, aber mit dem ursprüng- 9 lichen multilateralen Konzept der Nichtdiskriminierung im Widerspruch stehen. 10 Ähnlich sieht es in der Finanzpolitik aus: Hier haben die BRIC-Länder eine eige- 11 ne Entwicklungsbank und eigene Zins- und Währungstauschvereinbarungen als 12 Alternativen zu den Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank vorgeschla- 13 gen. Somit geht der Aufstieg der neuen Mächte wahrscheinlich mit einer star- 14 ken Zunahme regionaler Alternativen zu den universalen Organisationen ein- 15 her. Eine ausgeglichenere Machtverteilung könnte sich als Motor institutioneller Matthew D. Stephen ist wissenschaftlicher Mitarbei- 16 Komplexität erweisen (s. den Beitrag von Benjamin Faude, S. 10-12). ter der Abteilung Global Governance. Er forscht über 17 internationale politische Ökonomie, Theorien der in- 18 ternationalen Beziehungen und aufstrebende Mächte. Dieser Streit um das Institutionengefüge speist sich offenbar primär aus der 19 [Foto: privat] Frustration über den Ausschluss der aufstrebenden Länder von Führungspositi- 20 onen und weniger aus einer prinzipiellen Ablehnung der bestehenden Regeln [email protected] 21 und Normen. Nur eine stärkere Kompromissbereitschaft der etablierten Mächte 22 wie Europa und die USA würden verhindern, dass es zu einer grundsätzlichen 23 Ablehnung der bestehenden institutionellen Ordnung kommt. Das Problem da- 24 bei ist, dass internationale Institutionen sich nur schwer verändern lassen, so- 25 bald sie einmal geschaffen wurden. Verschiebungen im zugrunde liegenden 26 Mächtegleichgewicht lassen sich nur schwer abbilden. Zum Leidwesen der Ver- 27 teidiger des bestehenden Systems haben die etablierten Mächte bislang mehr 28 durch Obstruktion als durch Entgegenkommen geglänzt, wenn es darum ging, 29 die alten Institutionen an neue Realitäten anzupassen. Das Resultat ist eine 30 Rückkehr zu Großmachtpolitik und institutionellem Pluralismus. So gesehen be- 31 stätigt sich die Prognose der Pessimisten. 32 33 Eine letzte Gemeinsamkeit in der Sichtweise der aufstrebenden Mächte ist die 34 Skepsis gegenüber einer weitergehenden Institutionalisierung liberaler Regeln 35 und Vereinbarungen. Dies trifft sogar für Wachstumsländer wie Indien, Brasilien 36 und Südafrika zu, von denen wir aufgrund ihrer liberal-demokratischen Verfas- 37 sung und des gemeinsamen westlichen Erbes am wenigsten vermuten würden, 38 dass sie die bestehende liberale Ordnung infrage stellen. Der Stand der inneren 39 Entwicklung in Ländern wie den BRICs liegt weit unter dem der etablierten 40 Mächte, und ihr ökonomischer Erfolg fußt auf Varianten des Kapitalismus, die 41 deutlich weniger liberal geprägt sind als die der USA und Europas. Sie sind da- 42 her entsprechend weniger gewillt, ihre wirtschaftliche Autonomie aufzugeben 43 und ihre Wirtschaftspolitik an liberale Regime zu koppeln. Dies kommt auch in 44 ihrer zurückhaltenden Einstellung zur liberalen Ideologie der Menschenrechte 45 und dem kosmopolitischen Konzept der konditionalen Souveränität zum Aus- 46 druck, demzufolge zur staatlichen Souveränität auch Pflichten gegenüber der 47 internationalen Gemeinschaft gehören. Die aufstrebenden Mächte haben er- 48 kannt, was konditionale Souveränität bedeutet: Souveränität hängt von den Inte- 49 ressen der USA ab, nicht von objektiven Kriterien in Bezug auf die Menschen- 50 rechte oder demokratische Reformen. 51 52 Was bedeuten diese großen Trends zusammengefasst? Es ist zu erwarten, dass 53 die gegenwärtige Ordnung globalen Regierens weniger liberal und stärker regi- 54 onal geprägt sein wird und mehr als zuvor auf direkten Verhandlungen zwi- 55 schen den Großmächten basieren wird – wohl eine Reaktion auf den Einfluss 56 und die Forderungen der aufstrebenden Mächte. Eine solche Entwicklung ist 57 jedoch immer noch kompatibel mit den Grundstrukturen des bestehenden Sys- 58 tems. Regionale Handelsvereinbarungen zum Beispiel stehen alle im Einklang 59 mit den von der WTO festgelegten Regeln. Der Aufstieg der neuen Mächte ist 60 überdies zutiefst mit ihrer Integration in den globalen Kapitalismus verbunden. 61 Dies erzeugt eine wirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft unter den Großmäch- 62 ten und erzwingt internationale Regeln und Vereinbarungen zur dauerhaften 63 Gewährleistung einer politischen Infrastruktur für ein globales Wirtschaftssys- 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 15 68 69 70 1 tem. Obwohl sie den Führungsanspruch der etablierten Mächte bei der Festle- 2 gung dieser Regeln nicht länger hinnehmen, sind die aufstrebenden Mächte 3 doch auf die Existenz von Regeln angewiesen, wenn ihre Entwicklung weiterhin 4 erfolgreich verlaufen soll. 5 6 Die Nachrichten sind daher nicht nur schlecht. Eine Verringerung des westli- 7 chen Einflusses könnte sogar genau das richtige Rezept sein. Wer die korrum- 8 pierenden Auswirkungen konzentrierter Macht fürchtet, sollte ein neues Mäch- 9 tegleichgewicht zwischen den USA und ihren Freunden begrüßen. Eine 10 ausgeglichenere Weltordnung könnte dem System Stabilität zurückgeben und 11 die Großmächte davon abhalten, ihre führende Stellung auszunutzen. Ein neues 12 Mächtegleichgewicht für das 21. Jahrhundert könnte sehr viel stabiler sein als 13 das, welches Anfang des 20. Jahrhunderts zusammenbrach. Alle Groß- und Mit- 14 telmächte sind sich heute einig über Gesetze und Normen gegen Krieg und ter- 15 ritoriale Expansion; Atomwaffen bieten Schutz vor militärischen Abenteuern; 16 der transnationale Kapitalismus ermöglicht ökonomisches Wachstum auch ohne 17 territoriale Herrschaft. Der Pragmatismus und Nichtinterventionismus der auf- 18 strebenden Mächte ist zudem ein willkommenes Gegenmittel gegen liberale 19 Kreuzzüge und kann dazu beitragen, das Aufkommen neuer ideologischer Kon- 20 flikte zwischen den Großmächten zu verhindern. Politiker und Wissenschaftler 21 sind vielerorts besorgt angesichts eines drohenden Verlusts westlichen Einflus- 22 ses und suchen Wege, die westliche Dominanz zu verlängern. Die hier dargestell- 23 ten Tendenzen sollten ihnen zu denken geben. 24 25 26 Literatur 27 Ikenberry, G. John: „The Future of the Liberal World Order“. In: Foreign Affairs, 2011, 28 Vol. 90, pp. 56–62. 29 30 Nau, Henry/Ollapally, Deepa (Eds.): Worldviews of Aspiring Powers. Oxford: Oxford 31 University Press 2012. 32 33 Stephen, Matthew D.: „Rising Regional Powers and International Institutions: The 34 Foreign Policy Orientations of India, Brazil and South Africa“. In: Global Society, 35 2012, Vol. 26, No. 3, pp. 289-309. 36 37 Stephen, Matthew D.: Pivotal Rising Powers: India, Brazil and South Africa and Con- 38 testation in Global Governance. Doctoral Dissertation. Otto Suhr Institute of Political 39 Science, Freie Universität Berlin 2013. 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 16 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Summary: In ternational organizations increasingly exercise Kurz gefasst: Internationale Organisationen üben immer mehr 1 authority that restrains the rights and lives of individuals. This Herrschaft aus. Damit geht die Erwartung einher, dass sich 2 has raised demands that certain standards should apply to auch globales Regieren an gewissen Standards orientieren 3 global governance. Organizations such as the United Nations, sollte. Internationale Organisationen, die das Leben und die 4 the European Union, the North Atlantic Treaty Organization, Rechte von Individuen stark beeinflussen, reagieren auf diese 5 the World Bank and the International Monetary Fund reacted Anforderungen, indem sie – unterschiedlich ausgereifte – Ver- 6 to these demands by establishing human rights protection fahren zum Schutz der Menschenrechte etablieren. Drei Pfade, 7 provisions. Three pathways, like-minded institution-building, like-minded institution-building, hegemonic institution-building 8 hegemonic institution-building and judicial institution-building und judicial institution-building, führten dazu, dass Vereinte Na- 9 account for the development of these provisions. tionen, Europäische Union, Nordatlantikpakt-Organisation, 10 Weltbank und Internationaler Währungsfonds Schutzmaßnah- 11 men eingerichtet haben. 12 13 14 15 16 17 18 Mehr Autorität, mehr Anforderungen 19 20 21 ­Internationale Organisationen und der 22 23 24 Schutz von Menschenrechten 25 26 Monika Heupel und Gisela Hirschmann 27 28 29 30 31 Der Einfluss internationaler Organisationen auf das Leben von Bürgern hat in 32 den letzten zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen. Viele Aufgaben, die frü- 33 her primär den Befugnissen von Nationalstaaten zugerechnet wurden, werden 34 nun auch von internationalen Organisationen durchgeführt. Dabei kann es 35 durchaus vorkommen, dass Menschenrechte verletzt werden. Die umfassenden 36 Sanktionen der Vereinten Nationen (UN) gegen den Irak beispielsweise zogen 37 gravierende humanitäre Probleme nach sich. Bei der Entsendung von Friedens- 38 operationen durch die UN oder die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) kam es 39 zu sexuellen Übergriffen durch Angehörige der entsandten Truppen. Auch Pro- 40 jekte der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben massive 41 Auswirkungen auf die Lebensgrundlage zahlreicher Bürger. 42 43 Die Tatsache, dass internationale Organisationen direkte Herrschaft ausüben 44 und dabei Menschenrechte verletzen können, verstärkt auch die Erwartung, 45 dass diese Organisationen genau wie Staaten Menschenrechte respektieren und 46 schützen. Die wichtigsten Organisationen haben darauf reagiert und Verfahren 47 zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet. Das aktuelle DFG-Forschungspro- 48 jekt „Internationale Organisationen und der Schutz fundamentaler Rechte von 49 Individuen“ am WZB untersucht, wie es zur Etablierung dieser Verfahren kommt. 50 Durch eine Analyse von zehn Fällen, die sich mit Rechtsverletzungen im Kontext 51 von UN- und EU-Sanktionen, UN- und NATO-Friedensoperationen und Weltbank- 52 und IWF-Strukturanpassungsmaßnahmen befassen, identifizieren wir drei Pfa- 53 de für die Einrichtung von Schutzverfahren: durch eine Koalition gleichgesinn- 54 ter Akteure (like-minded institution-building), eine Großmacht (hegemonic 55 institution-building) oder Gerichte (judicial institution-building). 56 57 58 Gleichgesinnte engagieren sich 59 60 Akteure mit ähnlichen normativen Zielvorstellungen – Staaten, nicht staatliche 61 Organisationen (NGOs) und einzelne Personen – treiben die Etablierung von 62 Schutzverfahren voran, indem sie Rechtsverletzungen dokumentieren und das 63 Fehlen verlässlicher Schutzverfahren skandalisieren (like-minded institution- 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 17 68 69 70 1 building). Zugleich unterbreiten sie einer internationalen Organisation Vorschlä- 2 ge, wie angemessene Schutzverfahren aussehen könnten. Das geschieht nicht in 3 jedem Fall schwerer Menschenrechtsverletzungen. Entscheidend ist, ob im Zu- 4 sammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen Kampagnen mobilisierbar 5 sind, etwa wenn eine Empathie erzeugende Darstellung von Opfern physischer 6 Gewalt möglich ist, die zudem Tätern direkt zugeordnet werden kann. 7 8 Seit Beginn der 2000er Jahre wurden Fälle sexueller Ausbeutung durch UN-Frie- 9 denstruppen in internationalen Medien und Berichten von NGOs dokumentiert 10 und skandalisiert. Durch Berichte über Hunderte von Vergewaltigungen durch 11 UN-Blauhelmsoldaten in der Demokratischen Republik Kongo drohte die Effek- 12 tivität und Legitimität von Friedensoperationen insgesamt Schaden zu nehmen. 13 Daraufhin setzte das UN-Sekretariat Untersuchungskommissionen ein, die Re- 14 formvorschläge entwickeln sollten. In Zusammenarbeit mit NGOs, wie z.B. Save 15 the Children UK, wurden in mehreren Schritten Präventions- und Beschwerde- 16 Monika Heupel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin verfahren entwickelt, die zum Teil in spätere Resolutionen des UN-Sicherheits- 17 der Abteilung Global Governance. Die promovierte rats integriert wurden. 18 Politikwissenschaftlerin forscht unter anderem über die Internationalisierung des Rule of Law, internatio- 19 Auch Verfahren zum Menschenrechtsschutz beim Umgang mit Häftlingen in nale Sicherheitspolitik und globale Menschenrechts- 20 politik. [Foto: privat] Friedensoperationen entstanden als Reaktion auf starke Kritik und Vorschläge 21 seitens verschiedener NGOs sowie anderer internationaler Organisationen. Ver- 22 [email protected] besserungen wurden insbesondere auf der Ebene der UN- und NATO-Operatio- 23 nen im Kosovo erzielt. Die UN-Übergangsverwaltung richtete dort zunächst den 24 Posten einer Ombudsperson ein und später das Human Rights Advisory Panel, um 25 Beschwerden gegen die UN-Verwaltung zu ermöglichen. Beide Verfahren beruh- 26 ten auf Vorschlägen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in 27 Europa (OSZE) und des Europarats. Auch die NATO reagierte auf Kritik an den 28 Haftpraktiken der KFOR-Truppe, verweigerte sich allerdings jeglicher unabhän- 29 giger Beschwerdeverfahren. 30 31 Vergleichbare Koalitionen gleichgesinnter Akteure erreichten die Einrichtung 32 von humanitären Schutzverfahren in der UN-Sanktionspolitik. Zahlreiche NGOs, 33 Wissenschaftler, aber auch UN-Gremien selbst skandalisierten die negativen 34 Folgen der breiten UN-Sanktionen gegen den Irak in den 1990er Jahren und 35 setzten den UN-Sicherheitsrat unter Druck. Außerdem praktizierten NGOs zivi- 36 len Ungehorsam; Ärzte lieferten unter Missachtung der Sanktionen humanitäre 37 Güter in den Irak. Daraufhin richtete der Sicherheitsrat eine informelle Arbeits- 38 gruppe ein, die regelmäßig von externen Experten beraten wurde. Dies trug 39 dazu bei, dass sich der Sicherheitsrat in zunehmendem Maße bereitfand, Verfah- 40 ren zu entwickeln, die präventiv der Verletzung von Subsistenzrechten entge- 41 genwirken sollten. 42 43 Auch die zögerlichen Bemühungen des IWF, Verfahren einzurichten, um die sozialen 44 und vor allem armutsrelevanten Folgen der von ihm geförderten Projekte abzufe- 45 dern, sind auf das Zusammenwirken gleichgesinnter Akteure zurückzuführen. Die 46 durch den IWF geförderten Strukturanpassungsprogramme lösten massive Protes- 47 te aus. NGOs wie Oxfam International aber auch Wissenschaftler sowie das IWF- 48 Führungspersonal nahmen sich des Themas an und entwickelten – in Kooperation 49 mit der Weltbank – das Instrument der Poverty and Social Impact Analysis (PSIA). 50 51 52 Die Macht des dominanten Mitgliedsstaats 53 54 Menschenrechtsschutzverfahren werden außerdem durch den Einfluss eines do- 55 minanten Mitgliedsstaats innerhalb einer internationalen Organisation initiiert 56 und durchgesetzt (hegemonic institution building). Dieser Hegemon greift dabei 57 auf unterschiedliche Machtressourcen zurück. Zum einen profitiert er von Ent- 58 scheidungsregeln, die seine Position privilegieren, wie z.B. Vetorechten im UN- 59 Sicherheitsrat. Zum anderen kann er finanzielle Zuwendungen an entsprechende 60 Bedingungen knüpfen oder indirekt über den Einsatz seiner soft power die Ein- 61 richtung von Schutzverfahren voranbringen. Ein entscheidender Faktor ist da- 62 bei die innenpolitische Situation des Hegemons: Wenn dessen Regierung von 63 einer starken Legislative unter Druck gesetzt wird, kann dies den Einsatz für die 64 Einrichtung von Schutzverfahren in der internationalen Organisation stärken. 65 66 67 68 18 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Die Einführung von Schutzverfahren bei Operationen der Weltbank beruht auf 1 einer proaktiven Politik des Hegemonialstaats USA. Aufgrund der Berichte 2 transnational vernetzter NGOs über negative ökologische und soziale Folgen 3 von Weltbank-Projekten, insbesondere eines Straßenbauprojekts im brasiliani- 4 schen Amazonas und eines Staudammprojekts in Indien, bestand der US-Kon- 5 gress bei der Freigabe finanzieller Zuwendungen an die Weltbank auf verbesser- 6 te Sozial- und Umweltstandards und die Einrichtung eines Besch­ werde­mecha­ 7 nism­ us. Durch die Legislative unter Druck geraten, drängte der amerikanische 8 Exekutivdirektor der Weltbank gegenüber anderen Mitgliedsstaaten und dem 9 Management auf entsprechende Reformen. Viele Empfängerstaaten, die sich 10 ebenso wie große Teile der Verwaltung zunächst gegen Reformen gesträubt hat- 11 ten, stimmten schließlich verbesserten Sozial- und Umweltstandards sowie der 12 Einrichtung eines Inspection Panels zu. Gisela Hirschmann ist wissenschaftliche Mitarbeite- 13 rin der Abteilung Global Governance. Si e befasst sich 14 Auch innerhalb der NATO trieben die USA gemeinsam mit Norwegen die Einfüh- unter anderem mit Theorien institutionellen Wandels 15 in internationalen Organisationen. In ihrer Disserta- rung von Schutzmaßnahmen im Bereich der Friedensoperationen voran. Be- 16 tion analysiert sie Accountability-Strukturen in mul- richte über die Verstrickung von US-Truppen in Korea und NATO-Soldaten auf tilateralen Friedensoperationen. [Foto: Peter Himsel] 17 dem Balkan in Menschenhandel veranlassten den US-Kongress, eigene Untersu- 18 chungen einzuleiten. Angesichts der Brisanz der Thematik erließ der US-Präsi- [email protected] 19 dent eine nationale Direktive, die eine Politik der Null-Toleranz hinsichtlich 20 Menschenhandel auf nationaler Ebene sowie im Kontext von militärischen Ope- 21 rationen vorgab. Vor diesem Hintergrund fiel es dem amerikanischen Botschaf- 22 ter bei der NATO leicht, zusammen mit seinem norwegischen Kollegen ähnliche 23 Regeln für die NATO zu initiieren. Anders als im Fall der Weltbank gelang es den 24 beiden Botschaftern auch ohne Ausübung materiellen Drucks, die anderen Mit- 25 gliedsstaaten von der Notwendigkeit und der Angemessenheit der Zero Toleran- 26 ce Policy on Combating Human Trafficking zu überzeugen. 27 28 29 Gerichte als neue Autoritäten 30 31 Ein dritter Weg zur Einführung von Schutzmechanismen führt über Gerichte. 32 Immer mehr internationale Gerichte nehmen Klagen von Individuen an, die sich 33 gegen Organisationen oder deren Mitgliedsstaaten richten, die mit einem inter- 34 nationalen Mandat handeln. Angesichts der starken Autorität von Gerichten fällt 35 es internationalen Organisationen schwer, Gerichtsurteile zu ignorieren. Rich- 36 ter werden dadurch zu wichtigen Akteuren. Voraussetzung für eine richterliche 37 Machtentfaltung ist allerdings, dass das verletzte Recht justiziabel, also vor Ge- 38 richt einklagbar ist. Während die Einklagbarkeit von wirtschaftlichen und sozi- 39 alen Rechten umstritten ist, werden bürgerliche und politische Rechte als justi- 40 ziabel anerkannt. 41 42 Die Schutzverfahren, die von der EU im Zusammenhang mit gezielten Sanktio- 43 nen gegen Terrorverdächtige und andere Individuen und Gruppen geschaffen 44 wurden, können zum Großteil auf die Rechtsprechung von nationalen Gerichten 45 und insbesondere des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurückgeführt werden. 46 Vor allem das EuGH-Urteil im Fall Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran 47 (OMPI) v. Rat der EU veranlasste den EU-Ministerrat, die Listungs- und Aufhe- 48 bungsverfahren zu modifizieren. 49 50 Auch die Fortentwicklung von Schutzverfahren innerhalb der UN wurde durch 51 Urteile des EuGH beeinflusst. Ausschlaggebend hierfür war die Rechtsprechung 52 des EuGH im Fall Yassin Abdullah Kadi/Al Barakaat International Foundation v. Rat 53 und Kommission der EU, in der sich das Gericht als kompetent erachtete, über die 54 Implementierung von UN-Sicherheitsratsresolutionen in der EU zu befinden 55 und die Implementierung der Sanktionen gegen Kadi untersagte. In Reaktion 56 darauf verbesserte der UN-Sicherheitsrat seine Verfahren, mit Hilfe derer Indi- 57 viduen und Gruppen auf die Sanktionslisten gesetzt und von ihnen gelöscht 58 werden und legte fest, welche Rechte dabei zu beachten sind. 59 60 Die Einrichtung von Verfahren zum Schutz von Menschenrechten durch inter- 61 nationale Organisationen ist zwar ein Resultat gestiegener normativer Erwar- 62 tungen, mit denen autoritative internationale Organisationen konfrontiert sind. 63 Ob jedoch die jeweiligen Pfade zur Einrichtung von anspruchsvollen, im Sinne 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 19 68 69 70 1 von umfassenden, oder einfachen, weniger entwickelten Schutzverfahren füh- 2 ren, hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Auch ist mit der Existenz von 3 Verfahren zum Schutz von Menschenrechten noch keine Garantie für deren Re- 4 spektierung gegeben. 5 6 Die Ergebnisse unserer Forschung zeigen, dass die Initiative gleichgesinnter Ak- 7 teure dann zu anspruchsvollen Schutzverfahren führt, wenn die jeweilige Orga- 8 nisation aufgrund ihrer Identität durch kritische Kampagnen verletzt werden 9 kann und eine Organisationskultur besitzt, die Lernprozessen zuträglich ist. Die 10 Einführung von Schutzmechanismen durch das Engagement einer Hegemonial- 11 macht führt zu anspruchsvollen Verfahren, wenn diese Macht dadurch nicht we- 12 sentlich an Souveränität einbüßt. Die Rechtsprechung von Gerichten wiederum 13 erzeugt anspruchsvolle Schutzverfahren, wenn die Urteile von internationalen 14 Gerichten und nicht lediglich von nationalen Gerichten gefällt werden. In den 15 von uns untersuchten Fällen kommt es mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu 16 anspruchsvollen Schutzverfahren, wenn sich ein internationales Gericht oder 17 der dominante Mitgliedsstaat der Organisation für solche Verfahren einsetzt. 18 Gleichgesinnte Akteure können in den untersuchten Fällen zumeist lediglich 19 einfache Schutzverfahren erwirken. 20 21 Der Trend zur stärkeren Einhegung der gewachsenen Autorität internationaler 22 Organisationen ist jedoch nicht linear; vielmehr gibt es Diskontinuitäten und 23 Am DFG-Forschungsprojekt „Internationale Brüche. In politischen Aushandlungsprozessen müssen Widerstände innerhalb 24 ­Organisationen und der Schutz fundamentaler der Organisation und in den Mitgliedsstaaten überwunden werden. Rückschrit- 25 Rechte von Individuen“, aus dem hier erste te sind dabei in allen Pfaden möglich. Für die Legitimierung von Autorität im 26 ­Ergebnisse präsentiert werden, arbeiten seit Sinne einer Bindung an rule of law-Standards ist es jedoch unerlässlich, quali- 27 ­November 2010 am WZB Michael Zürn, Monika tativ hochwertige Menschenrechtsschutzverfahren einzuführen und zu festi- 28 Heupel, Gisela Hirschmann und Theresa Reinold. gen. 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 20 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 1 Über den Tellerrand Zu nehmend werden 2 3 4 auch die Entscheidungen internationaler 5 6 7 Institutionen öffentlich politisiert 8 9 Christian Rauh und Pieter de Wilde 10 11 12 13 14 Der G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 machte nicht so sehr wegen seiner Be- Summary: In ternational decisions are 15 schlüsse, sondern vor allem wegen der massenhaften Proteste breiter gesell- no longer only negotiated behind 16 schaftlicher Gruppen Schlagzeilen. Auch der Konflikt zwischen Unternehmer- closed doors but begin to figure 17 verbänden und Gewerkschaften zur europäischen Dienstleistungsrichtlinie prominently in the public discourse. 18 wurde in Diskussionsveranstaltungen, durch Gastbeiträge in den Medien und This politicization of governance be- 19 nicht zuletzt auf Massendemonstrationen in vielen europäischen Städten aus- yond the nation state is both, a chance 20 getragen. Und jüngst fand die Forderung Brasiliens, die Vereinten Nationen soll- and a risk: It may enhance the demo- 21 ten im amerikanischen Überwachungsskandal vermitteln, eine breite öffentli- cratic quality of international deci- 22 che Resonanz. Das sind nur drei Beispiele für eine wachsende öffentliche sions but also complicates global 23 Umstrittenheit inter- und supranationaler Entscheidungen. Grenzübergreifen- problem-solving. Until now, only scat- 24 de Politik findet heute nicht mehr nur hinter verschlossenen Türen internatio- tered insights on the underlying soci- 25 naler Gipfeltreffen, in technokratischen Expertengremien oder in juristisch etal dynamics exist. Two WZB-projects 26 komplexen Verfahren statt. Sie wird vielmehr zunehmend öffentlich sichtbar, thus address the empirical patterns of 27 trifft auf eine ausdifferenzierte öffentliche Meinung und erlaubt es politischen public contestation on political mat- 28 Eliten, gesellschaftliche Gruppen zu Themen außerhalb des nationalen Kontextes ters in the global realm. 29 zu mobilisieren. 30 Kurz gefasst: Internationale Entschei- 31 Diese Entwicklungen lassen sich als „Politisierung des Regierens jenseits des dungen werden heute nicht mehr nur 32 Nationalstaats“ beschreiben. Neu ist dabei nicht, dass inter- und supranationale hinter verschlossenen Türen ausge- 33 Entscheidungen gesellschaftliche und politische Relevanz haben. Die drän- handelt, sondern sie sind zunehmend 34 gendsten Herausforderungen moderner Gesellschaften machen schon lange Teil eines öffentlichen Diskurses. Die- 35 nicht mehr an nationalen Grenzen halt. Neu ist aber sehr wohl, dass sich die se Politisierung des Regierens jenseits 36 betroffenen Gesellschaften in ungekanntem Ausmaß über diese Relevanz und des Nationalstaates ist Chance und Ri- 37 über die Rolle von Institutionen jenseits des Nationalstaats bewusst werden und siko zugleich: Sie kann die demokrati- 38 öffentliche politische Auseinandersetzungen darüber stattfinden. Die Politisie- sche Qualität internationaler Ent- 39 rung verspricht eine Demokratisierung internationaler Politik, indem sie Wil- scheidungen verbessern, andererseits 40 lensbildungsprozesse öffentlich macht und breiteren Schichten der Zivilgesell- erschwert sie die Kompromissfindung 41 schaft eine Teilhabe ermöglicht. Andererseits drohen aber auch erhebliche zur Lösung globaler Probleme. Bisher 42 Reibungsverluste und das Risiko, dass ausbalancierte Verhandlungslösungen liegen zu den relevanten gesellschaft- 43 oder unabhängige Expertise durch kurzfristige politische Erwägungen oder na- lichen Dynamiken nur vereinzelte Er- 44 tionale Egoismen unterminiert werden. Bevor wir allerdings Aussagen über kenntnisse vor. Zwei WZB-Projekte 45 ihre Effekte treffen können, müssen wir die Politisierung als umfassenden Pro- widmen sich deshalb den empiri- 46 zess verstehen, der sich in wechselseitig abhängigen Arenen abspielt. schen Mustern der gesellschaftlichen 47 Umstrittenheit von Entscheidungen 48 So zeigen Meinungsumfragen, dass das öffentliche Wissen über die Existenz und im globalen Kontext. 49 die Autorität von Institutionen jenseits des Nationalstaats zunimmt. Die Bevöl- 50 kerung nimmt beispielsweise Institutionen wie das Europäische Parlament oder 51 den Internationalen Strafgerichtshof immer stärker wahr. Und obwohl der An- 52 teil ambivalenter oder gleichgültiger Bürger nach wie vor hoch ist, können wir 53 beobachten, dass immer mehr Menschen eine dezidierte Meinung zu einzelnen 54 internationalen Institutionen haben und für sich beantworten können, welche 55 Kompetenzen auf die internationale Ebene verlagert werden sollen und ob ihr 56 eigenes Land Teil solcher Institution sein sollte. 57 58 Auch Journalisten reagieren auf die wachsende Bedeutung von Entscheidungen, 59 die auf internationaler Ebene getroffen werden. Treffen zwischen Regierungs- 60 vertretern in Foren wie den G 8 oder dem Europäischen Rat haben einen großen 61 Neuigkeitswert. Entscheidungen, die dort getroffen werden, beeinflussen das 62 tägliche Leben vieler Menschen und sind oft konfliktgeladen. Oft werden diese 63 Kontroversen als Konflikte zwischen den Regierungschefs der betroffenen Staa- 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 21 68 69 70 1 ten personalisiert. Überschriften wie „Chirac wettert gegen Blair“, „Merkel ist 2 noch immer zornig auf die Griechen“ und „G 8: Obama warnt China: Bei Nordko- 3 rea nicht wegschauen“ eignen sich inzwischen als Aufmacher. Zudem können 4 wir zeigen, dass Online-Nachrichtenportale immer intensivere Diskussionen 5 zwischen ihren Lesern aufweisen, in denen zum Beispiel die Vor- und Nachteile 6 der Europäischen Integration diskutiert werden. 7 8 Das spiegelt sich nicht zuletzt auch im Handeln der politischen Eliten wieder. Im 9 Gegensatz zu den meisten anderen Ländern galt zum Beispiel in Deutschland 10 lange Zeit ein proeuropäischer und prointernationalistischer Konsens. Die jüngst 11 erfolgte Gründung der Partei „Alternative für Deutschland“ institutionalisiert 12 nun auch hier eine Oppositionshaltung gegenüber supranationalem Regieren. 13 Pieter de Wilde ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Auch etablierte Parteien wie SPD und CDU sind diesbezüglich kritischer gewor- 14 Abteilung Global Governance und des Brückenpro- den, zum Teil als Antwort auf solche Protestparteien und das von ihnen genutzte 15 jekts Die Politische Soziologie des Kosmopolitismus Mobilisierungspotenzial. In anderen europäischen Ländern ist dieses Phänomen und des Kommunitarismus. Seine Doktorarbeit an der 16 älter und stärker ausgeprägt, da hier rechtspopulistische, aber auch kommunis- Universität Oslo hat er über die Politisierung der eu- 17 ropäischen Integration geschrieben. tische Parteien die Autorität und Legitimität von Institutionen wie der Europäi- 18 [Foto: David Ausserhofer] schen Union oder der Welthandelsorganisation WTO infrage stellen. Oft geht die- 19 se Kritik Hand in Hand mit der Verurteilung anderer Globalisierungsaspekte wie [email protected] 20 etwa der Einwanderung oder der internationalen Freihandelspolitik. 21 22 Die bisher wenigen systematisch vergleichbaren Daten bestätigen die Erwar- 23 tung, dass die Politisierung supranationaler Entscheidungen für die Europäische 24 Union am stärksten ausgeprägt ist, wobei ähnliche Trends auch für internatio- 25 nale Organisationen wie zum Beispiel die WTO oder die Vereinten Nationen fest- 26 stellbar sind. Solche Vergleiche zwischen Institutionen wie auch unsere Längs- 27 schnittdaten, die die Entwicklungen in der EU im Zeitraum 1990-2012 28 wiedergeben, legen eine Erklärung nahe: Die Politik internationaler Institutio- 29 nen wird umso stärker gesellschaftlich politisiert, je höher ihre politische Auto- 30 rität ist. Wird einer Institution also große Handlungskompetenz zugestanden, 31 können wir mehr öffentliche Sichtbarkeit und das Potenzial zu einer öffentli- 32 chen Polarisierung und Mobilisierung beobachten. 33 34 Dieser Zusammenhang muss allerdings nicht direkt wirken, sondern wird durch 35 verschiedene Faktoren vermittelt. Nationale Unterschiede im Grad der Politisie- 36 rung lassen sich zunächst über die direkte Betroffenheit von internationaler 37 Autorität erklären. Das drückt sich zum Beispiel durch Proteste in solchen Län- 38 dern aus, die aufgrund von Strukturprogrammen des Internationalen Wäh- 39 rungsfonds Massenentlassungen im öffentlichen Sektor oder ähnliche Maßnah- 40 men vornehmen müssen. Der Zusammenhang zwischen internationaler 41 Autorität und Politisierung wird allerdings auch durch historische Eigenheiten 42 nationaler politischer Systeme vermittelt. Beispiele sind etwa der institutiona- 43 lisierte Parteienwettbewerb im Fall der UK Independence Party in Großbritanni- 44 en, der das Potenzial für Politisierung erhöht, oder das Narrativ der Westbindung 45 im Falle Deutschlands, das dieses Potenzial eher verringert. 46 47 Schwankungen im Zeitverlauf sind dagegen von Ereignissen wie Gipfeltreffen, 48 Ratifikationen internationaler Verträge oder durch Schockerfahrungen getrie- 49 ben. Für die EU zeigt sich zum Beispiel, dass insbesondere die Ratifikation des 50 Maastricht-Vertrags 1992/93, der Verfassungskonvent zwischen 2004 und 2005 51 sowie die Finanz- und Währungskrise seit 2008 zu Politisierungsspitzen geführt 52 haben. Gerade die jüngste Krise hat einer breiten Öffentlichkeit die politische 53 Relevanz von Entscheidungen jenseits des Nationalstaats deutlich gemacht. Ei- 54 nerseits hat sie gezeigt, dass die Europäischen Staaten bereits untrennbar mit- 55 einander verflochten sind. Anderseits gibt es auf supranationaler Ebene ver- 56 schiedene politische Optionen – in diesem Fall zugespitzt auf den Konflikt 57 zwischen Fiskaldisziplin und Konjunkturprogrammen –, deren Kosten und Nut- 58 zen ungleich zwischen den, aber auch innerhalb der europäischen Gesellschaf- 59 ten verteilt sind. Nicht zuletzt deshalb zeigen unsere Daten ein bisher unge- 60 kanntes Ausmaß an öffentlicher Sichtbarkeit, polarisierter öffentlicher Meinung 61 und aktiver Mobilisierung zu EU-Themen in den letzten drei Jahren. 62 63 Gerade an diesem Beispiel wird deutlich, warum die gesellschaftliche Politisie- 64 rung des Regierens jenseits des Nationalstaats eine genauere Betrachtung wert 65 66 67 68 22 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 ist. Geht man davon aus, dass die meisten gesellschaftlichen Probleme heute 1 kaum noch durch einzelne Regierungen allein bewältigt werden können, ist die 2 Politisierung inter- und supranationaler Entscheidungen drängende Herausfor- 3 derung und vielversprechende Chance zugleich. 4 5 Einerseits erschweren stärkere Kontrollen durch Medien, parteipolitischer Wett- 6 bewerb und offene gesellschaftliche Proteste die Ausarbeitung von grenzüber- 7 greifenden Kompromissen. Einige Beobachter sehen in der Politisierung inter- 8 nationaler Entscheidungen deshalb vor allem das Risiko, dass internationale 9 Institutionen Probleme nicht mehr effektiv lösen können. Andererseits ermög- 10 lichen es öffentliche Debatten aber auch erst, dass die betroffenen Interessen 11 überhaupt identifiziert und gehört werden können. Zudem zeigen frühere Un- 12 tersuchungen, dass supra- und internationale Organisationen durchaus auf ihre Christian Rauh ist Verwaltungswissenschaftler und 13 neue Öffentlichkeit reagieren. So haben die Proteste in Seattle 1999 die WTO zu Politologe und arbeitet als wissenschaftlicher Mitar- 14 einer Transparenzinitiative veranlasst. In einer ganzen Reihe von weiteren in- beiter in der Abteilung Global Governance. Er forscht 15 über gesellschaftliche Politisierung europäischer und ternationalen Organisationen haben zivilgesellschaftliche Akteure nach und 16 internationaler Steuerung. [Foto: David Ausserhofer] nach besseren Zugang zu den Entscheidungsprozessen erhalten. Und wir kön- 17 nen zeigen, dass die Europäische Kommission ihre Gesetzgebungsvorschläge [email protected] 18 nach öffentlichem Druck zugunsten breit gestreuter gesellschaftlicher Interes- 19 sen anpasst. Die Politisierung kann deshalb auch als eine notwendige Vorausset- 20 zung für eine demokratischere Qualität des supranationalen Regierens gesehen 21 werden. 22 23 Verlässliche empirische Forschung ist nötig, um diese Dynamik und ihre Impli- 24 kationen erklären zu können. Aber genau wie für die reale Politik ist das stei- 25 gende öffentliche Interesse an internationalen Fragen auch für die sozialwis- 26 senschaftliche Forschung Chance und Herausforderung zugleich. Um zu 27 aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, gilt es, die Theorien und Methoden 28 der internationalen Beziehungen und der Europastudien mit denen der Verglei- 29 chenden Politikwissenschaft und der Politischen Soziologie zu kombinieren. Am 30 WZB arbeiten wir deshalb am entsprechend interdisziplinären Forschungspro- 31 jekt „Die politische Soziologie des Kosmopolitismus und Kommunitarismus“. In 32 diesem Projekt untersuchen wir Muster, die zur Unterstützung oder Ablehnung 33 supranationalen Regierens in der öffentlichen Meinung, der Meinung der Eliten, Literatur 34 der Massenmedien und der politischen Parteien führen. De Wilde, Pieter: „No Polity for Old Politics? A 35 Framework for Analyzing the Politicization of 36 In einem weiteren Projekt mit dem Titel „Gesellschaftliche Politisierung inter- European Integration“. In: Journal of European 37 nationaler Institutionen im Längs- und Querschnitt“ arbeiten wir zudem daran, Integration, 2011, Vol. 33, No. 5, pp. 559-575. 38 ein Set von über Zeit und Institutionen vergleichbaren Indikatoren für Politisie- 39 rung zu entwickeln. Die hauptsächlich aus automatisierten Medienanalysen und Hooghe, Liesbet/Marks, Gary: „A Postfunctionalist 40 Umfragedaten gewonnenen Zeitreihen zu öffentlicher Sichtbarkeit, Meinungs- Theory of European Integration: From Permis- 41 polarisierung und Mobilisierung bieten ein empirisches Fundament, um die Hy- sive Consensus to Constraining Dissensus“. In: 42 pothesen zu den Treibern und Effekten der Politisierung zu testen und zu ver- British Journal of Political Science, 2009, Vol. 39, 43 feinern. Langfristig erlauben es diese Projekte, die tatsächlichen Chancen und No. 1, pp. 1-23. 44 Risiken der Politisierung inter- und supranationaler Politik einzuschätzen. 45 Nullmeier, Frank/Biegoń, Dominika/Gronau, Jen- 46 nifer/Nonhoff, Martin/Schmidtke, Henning/ 47 Schneider, Steffen: Prekäre Legitimitäten. Recht- 48 fertigung von Herrschaft in der postnationalen 49 Konstellation. Frankfurt a. M.: Campus Verlag 50 2010. 51 52 Rauh, Christian: Politicisation, Issue Salience, and 53 Consumer Policies of the European Commission: 54 Does Public Awareness and Contestation of Su- 55 pranational Matters Increase the Responsiveness 56 of Europe’s Central Agenda-Setter? PhD Thesis, 57 Department of Political and Social Sciences, Ber- 58 lin: Freie Universität 2012. 59 60 Zürn, Michael/Ecker-Ehrhardt, Matthias (Eds.): 61 Die Politisierung der Weltpolitik. Umkämpfte in- 62 ternationale Institutionen. Berlin: Suhrkamp 63 2013. 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 23 68 69 70 1 Summary: Nucl ear fission can power cities or kill millions. It Kurz gefasst: Die Kernspaltung kann Städte mit Strom versor- 2 is an inherent dual-use science, as biology or chemistry, suita- gen oder millionenfachen Tod bringen. Kernforschung ist typi- 3 ble for both civilian and military purposes. In order to mini- sche dual use-Forschung, die militärischen wie zivilen Zwe- 4 mize the security threats posed by the proliferation of nuclear cken dienen kann. Um die Gefahren militärischen Missbrauchs 5 or biological weapons, states have designed international in- zu mindern, wurden internationale Vertragswerke entwickelt, 6 stitutions to regulate these sciences. The Nuclear Non-Prolifer- wie der Atomwaffensperrvertrag und die Toxinwaffenkonven- 7 ation Treaty (NPT) and the Biological and Toxic Weapons Con- tion (BTWC). Staaten und internationale Institutionen wie die 8 vention (BTWC) are two treaties that try to avoid the Internationale Atomenergie-Organisation arbeiten dabei eng 9 weaponization of science. zusammen. 10 11 12 13 14 15 16 Preventing global disaster International 17 18 19 governance of dual-use sciences 20 21 Alexandros Tokhi 22 23 24 25 26 Albert Einstein and Leó Szilárd intended to develop a new refrigeration system 27 by pumping liquid metals through tubes with the help of electromagnetic fields. 28 But their invention, though patented, did not have any commercial success. In- 29 stead, it was employed in 1942 in the Manhattan Project, the U.S. program to 30 develop the first nuclear bomb. This example illustrates the dual-use character 31 of technology: features of a primarily civilian technology are used for a military 32 end. And of course, dual-use features are not confined to technological applica- 33 tions as such but extend, most importantly, to hazardous material like enriched 34 uranium or plutonium – used to power cities or fuel nuclear weapons. 35 36 More than in nuclear physics, the dual-use dilemma is an almost pervasive fea- 37 ture of the life sciences. The same knowledge and research that can save and 38 improve human lives can serve to build weapons capable of killing millions. The 39 deadliest and most frightening weapons in human history – Weapons of Mass 40 Destruction (WMD) – have been developed with insights from nuclear physics, 41 biology and chemistry, and have been used as weapons of deterrence or on the 42 battlefield in international conflicts. The intricate question is how to regulate 43 these dual-use sciences while enabling scientific progress yet preventing the 44 production of WMD. Some Manhattan Project physicists came up with a response 45 several decades ago: international control and regulation. 46 47 In recent decades, international governance schemes have been developed to 48 forestall the proliferation of WMD. Two important international treaties – the 49 Nuclear Non-Proliferation Treaty (NPT) and the Biological and Toxin Weapons 50 Convention (BTWC) – share a common objective: to prevent weaponization of 51 nuclear energy and biology. The institutional approaches to achieve this end 52 differ considerably and generate different challenges for peace and security in 53 inter-state relations. 54 55 Nuclear destruction of Hiroshima and Nagasaki surpassed any previously held 56 beliefs about the destructive capabilities of weapons. Soon thereafter, initia- 57 tives to regulate nuclear energy on an international level materialized in the 58 United Nations Atomic Energy Commission of 1946, which was given the task 59 of working on recommendations for “the elimination from national armaments 60 of atomic weapons and of all other major weapons adaptable to mass destruc- 61 tion.” Confronted with an ever-increasing risk of the spread of nuclear weap- 62 ons to other states, the United States, United Kingdom and Soviet Union took 63 the lead in negotiating the NPT, adopted in 1968. The NPT’s objective is to pre- 64 vent the further spread of nuclear weapons. In effect, the treaty freezes distri- 65 66 67 68 24 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 bution of nuclear weapons in the world. States that detonated a nuclear device 1 before 1967 are officially recognized as Nuclear-Weapon States (NWS) and may 2 retain their nuclear arsenals (these include the USA, Russia, the UK, France, and 3 China). 4 5 All other states that join the treaty – also known as non-nuclear weapon states 6 – are obliged to forego development, production or other acquisition of nuclear 7 weapons. In addition, these states commit to monitoring by the International 8 Atomic Energy Agency (IAEA) “for the exclusive purpose of verification of the 9 fulfillment of ... [their] obligations assumed under this Treaty with a view to 10 preventing diversion of nuclear energy from peaceful uses to nuclear weapons.” 11 The IAEA is mandated to examine whether all nuclear material within nuclear 12 facilities is used for peaceful purposes, or if indications of concealed weapons Alexandros Tokhi is research fellow at the WZB 13 development exist in a non-nuclear weapon state. In turn, non-nuclear weapon ­research unit Global Governance. His research focus- 14 states are encouraged to develop nuclear energy for peaceful purposes and co- es on issues of nuclear non-proliferation, which he 15 covered in his dissertation on the Middle East, inter- operate with other states to this end – by exchanging material, technology, and 16 national institutions, and authoritarian regimes. relevant knowledge. However, the IAEA’s most prominent role lies in the domain [photo: Udo Borchert] 17 of non-proliferation verification. Verification is the process of arriving at a 18 judgment about the consistency between a state’s treaty obligations and its ac- [email protected] 19 tivities. For this purpose, the IAEA developed a system of rules and procedures 20 that aim to prevent the diversion of nuclear material from civilian applications 21 to military activities: the so-called ‘safeguards’. These are contained in a 22 sub-agreement to the NPT and are compulsory for all non-nuclear weapon 23 states. The IAEA’s verification work is based upon the fact that nuclear material 24 suitable for weapons production, i.e. enriched uranium and plutonium, does not 25 occur naturally. It is human-made and involves specific and identifiable pro- 26 cesses, material and facilities. Therefore, the IAEA monitors the steps of the 27 nuclear fuel cycle with particular emphasis on those steps relevant for nuclear 28 weapons production. The nuclear fuel cycle comprises all activities and techno- 29 logical processes that use uranium (or other fissionable elements) to generate 30 electricity. The enrichment and reprocessing phases are of high dual-use rele- 31 vance, since the technological processes and knowledge to produce nuclear fuel 32 for power plants or for atomic weapons is virtually the same. 33 34 A non-nuclear weapons state party to the NPT is required to report all its rele- 35 vant nuclear materials and facilities each year to the IAEA correctly, completely 36 and in a timely manner. The IAEA verifies the submitted information through 37 on-site inspections, remote and satellite surveillance, environmental sampling 38 and other monitoring instruments. A considerable discrepancy might be a rea- 39 son of concern, especially when the involved state party cannot provide accurate 40 evidence to explain the discrepancy (as happened with the Iranian nuclear pro- 41 gram). Furthermore, the IAEA monitors the design of nuclear facilities to assess 42 whether a nuclear installation serves the declared purposes or not. On-site in- 43 spections, as well as remote monitoring techniques (satellite surveillance), are 44 employed in that process. However, the effectiveness of the IAEA safeguards 45 systems was severely challenged by Iraq’s secret nuclear weapons program at 46 the end of the 1980s. Iraq entertained huge weaponization activities on its Tu- 47 waitha site, which IAEA inspectors visited regularly – but only locations that 48 Iraq itself designated for inspections. As a result, the IAEA examined only three 49 facilities on Tuwaitha, while most of the weaponization activities were done in 50 the majority of the other locations at that same site. As a reaction, the IAEA de- 51 veloped a strengthened safeguards system that provided additional inspection 52 rights, broadened state parties’ reporting obligations and extended monitoring 53 activities to cover nuclear research and development activities as well. These 54 rules and procedures are contained in a novel agreement, the so-called Addi- 55 tional Protocol. States can ratify this protocol on a voluntary basis. The Addition- 56 al Protocol expands the verification mandate of the IAEA, and more information 57 is available to assess material, technology and state intentions with regard to 58 nuclear energy. Confidence in the peaceful application of the nuclear dual-use 59 science should increase through closer and systematic control of sensitive ac- 60 tivities and material. 61 62 However, the major challenge to address in the next years is the situation in the 63 Middle East, where a renaissance of nuclear power is burgeoning and where few 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 25 68 69 70 1 states are willing to adhere to the Additional Protocol. Most notably, Iran, Egypt 2 and Syria concealed nuclear material and proliferation-relevant activities. Until 3 this day, these states refuse to adopt the Additional Protocol. 4 5 In contrast to nuclear weapons, the agents used to build biological weapons oc- 6 cur naturally. These agents comprise living organisms such as bacteria, para- 7 sites and viruses that are highly infectious and often lethal. While there is no 8 consensual international catalogue of hazardous biological agents, the World 9 Health Organization (WHO) defined four risk groups of microorganisms, depend- 10 ing on their contagiousness and whether treatment is available. Anthrax, bu- 11 bonic plague, Ebola and yellow fever are classified as agents in higher risk 12 groups capable of serving as payloads in biological weapons. However, the WHO 13 risk groups serve rather as points of orientation, since the object of regulation, 14 living organisms, is difficult to capture. 15 16 The multiplicity of pathogenic microorganisms and their ability to mutate in the 17 future due to chance and human design aggravate the composition of an inter- 18 national and consensual list of all potential biological weapons agents. Advances 19 in the life sciences bear the potential to quickly outdate such a catalogue. In 20 addition, research on lethal microorganisms, such as Ebola, does not necessarily 21 have a military take, but often serves in the development of appropriate vac- 22 cines and treatments. To account both for this intrinsic dual-use character and 23 the uncertainties of future scientific advances, the Biological and Toxin Weapons 24 Convention (BTWC) establishes as the first multilateral disarmament treaty a so- 25 called General Purpose Criterion. Instead of indexing and banning specific mi- 26 croorganisms, the BTWC outlaws the intention of hostile use of biological agents. 27 28 The General Purpose Criterion decouples substances that are subject to techno- 29 logical innovations from purposes that are subject to state decisions. States 30 agree to forego production or other acquisition of biological agents “of types 31 and quantities that have no justification for prophylactic, protective or other 32 peaceful purposes.” In short, states may retain and use biological agents for 33 medical research and defensive purposes. At the same time, the above rule pro- 34 hibits any activities involving the same biological agents toward hostile ends, 35 such as producing anthrax in industrial quantities and putting it into projectiles. 36 The General Purpose Criterion is seen as an institutional innovation, since the 37 treaty applies to all current and future biological agents. 38 39 However, the flexibility introduced by the General Purpose Criterion is impre- 40 cise when it comes to the definition of what constitutes peaceful activity. The 41 lack of standards and rules that delimit permitted actions from prohibited ones 42 supplements the inherent difficulty of verifying biological dual-use activities. In 43 contrast to the nuclear case, where the steps toward atomic weapons are known 44 and identifiable, routes to biological weapons are difficult to recognize. Material 45 accountancy measures, like in the nuclear safeguards system, are difficult in the 46 biological field, because quantity thresholds cannot be defined generically. Fur- 47 thermore, military biological weapon activities can be concealed in seemingly 48 civilian laboratories, requiring, in terms of verification, higher degrees of in- 49 spection intrusiveness; most states perceive this as strongly conflicting with 50 the free exchange of scientific knowledge and material guaranteed in the BTWC, 51 and more importantly, with the commercial interests of their biotechnology 52 industries. 53 54 Eventually, the problem of balancing the protection of proprietary and national 55 security interests on the one side and detecting clandestine activities on the 56 other drove negotiations on a draft verification protocol in 2001 to a dead end. 57 As a result, the BTWC lacks a centralized and international verification system 58 that produces reliable information about treaty-relevant activities in the state 59 parties. When the treaty was drafted at the end of the 1960s, the negotiators 60 considered the threats from biological weapons to be marginal and did not in- 61 clude a binding verification protocol. However, advances in bioengineering and 62 the life sciences make the dual-use dilemma pervasive and increase the risk of 63 proliferation to state and non-state actors alike. It has become cheap and tech- 64 nologically less demanding to design lethal microorganisms. 65 66 67 68 26 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Unlike the highly legalized and formalized verification system of the IAEA, a 1 series of auxiliary and decentralized measures is put into place to raise aware- 2 ness among scientists and policy-makers about hazardous biological agents. 3 State parties share information about biological research and development on a 4 voluntary basis. In regular and scheduled meetings they adopt common under- 5 standings and procedures addressing biological agents, protective measures 6 against bioweapons or update their knowledge on recent biotechnological de- 7 velopments. 8 9 In addition, BTWC state parties seek cooperation from other international organ- 10 izations, such as the WHO or the Food and Agriculture Organization, in order to 11 build early warning systems for disease surveillance or to adopt safety and se- 12 curity provisions for handling hazardous biological material. These develop- 13 ments suggest that the BTWC is becoming part of a larger international regula- 14 tory network concerned with public health and security (on inter-institutional 15 relations, see Benjamin Faude’s article, pp. XX–XX). It remains to be seen wheth- 16 er this networked approach, the few binding regulations and continuously rais- 17 ing awareness can keep up with the new security challenges posed by the con- 18 siderable progress in the life sciences. 19 20 21 Literature 22 Lilienthal, David E./Barnard, Chester I./Thomas, Charles A./Oppenheimer, J. Robert/ 23 Winne, Harry A.: A Report on the International Control of Atomic Energy. Washing- 24 ton D.C.: U.S. Government Printing Office1946. 25 26 Nixdorff, Kathryn: „Biological Weapons Convention“. In: Rudolf Avenhaus/Nicholas 27 Kyriakopoulos/Michel Richard/Gotthard Stein (Eds.): Verifying Treaty Compliance. 28 Limiting Weapons of Mass Destruction and Monitoring Kyoto Protocol Provisions. 29 Berlin/Heidelberg: Springer 2006, pp. 107-134. 30 31 Szilard, Leo: „His Version of the Facts“. In: Bulletin of the Atomic Scientist, March 32 1979, Vol. 35, No. 3, pp. 55-59. 33 34 Tucker, Jonathan (Ed.): Innovation, Dual Use, and Security: Managing the Risks of 35 Emerging Biological and Chemical Technologies. Cambridge, MA: MIT Press 2012. 36 Dai, Xinyuan: „Information Systems in Treaty Regimes“. In: World Politics, 2002, Vol. 37 54, No. 4, pp. 405-436. 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 27 68 69 70 1 2 Globalisierung à la carte Die politische 3 4 5 ­Ökonomie der Forschungskooperation 6 7 8 mit China wird sich ändern 9 10 Benjamin Becker und Ulrich Schreiterer 11 12 13 14 15 Summary: By massively investing in Auch in der Wissenschaft grassiert das Globalisierungsfieber. Mit dem fulminan- 16 their research infrastructure, emerg- ten Auftritt neuer Player und der rasanten Zunahme internationaler Forschungs- 17 ing economies like China close the kooperationen und Kopublikationen ist ein globaler wissenschaftlicher Wettbe- 18 gap to the established science power- werb entbrannt: Chinesische Forscher publizierten 2010 viermal so viele 19 houses of the West. Collaborative pro- Beiträge in Journalen, die im Science Citation Index (SCI) gelistet sind, wie 2000. 20 jects between European and Chinese Und während 1996 ein knappes Viertel aller Aufsätze in internationalen Zeit- 21 researchers are on the rise. Does this schriften multinationale Koautoren hatte, waren es 2011 bereits 35 Prozent. 22 development lead to a corresponding 23 globalization of the norms and stand- Auf der Jagd nach neuen Herausforderungen, attraktiven Projekten und Koope- 24 ards of scientific work and its under- rationschancen blicken auch deutsche Wissenschaftler inzwischen weit über Eu- 25 lying motives and objectives? A series ropa und Nordamerika hinaus auf die Schwellenländer Ost-, Süd- und Südostasi- 26 of expert interviews with researchers ens. Viele davon unternehmen erhebliche Anstrengungen, Spitzenforschung zu 27 from both China and Europe suggests fördern und ihren wissenschaftlichen Arbeiten weltweite Anerkennung zu ver- 28 otherwise. Today, research collabora- schaffen. Das setzt voraus, dass sie auf Englisch publiziert werden. So erscheinen 29 tions with China seem powered by neue potenzielle Forschungspartner auf dem Schirm westlicher Wissenschaftler. 30 differences rather than commonali- Zugleich werden Länder wie China in dem Maße als Wissenschaftsstandort at- 31 ties. As of yet, a shared scientific traktiver, indem sie Wissenschaft und Forschung finanziell üppig ausstatten. Die 32 ethos has neither developed nor be- Zukunftsmusik, scheint es, spielt in Asien. 33 come necessary. 34 Die „exakten Wissenschaften“ beanspruchen für ihre Methoden und Ergebnisse 35 Kurz gefasst: Durch den Auftritt neuer seit jeher Objektivität und universelle Gültigkeit. Doch wie belastbar ist dieser 36 Player in Süd-, Ost- und Südostasien Anspruch angesichts der zunehmenden Globalisierung der Wissenschaft? Ge- 37 wird die Wissenschaft zunehmend winnt sie durch das Aufeinandertreffen von Forschern aus ganz unterschiedli- 38 global. Vor allem China investiert chen Kulturen keine neue Gestalt? Stoßen ihre westlich geprägten Praktiken und 39 massiv in seine Forschungsinfra- Regularien, Bewertungsmaßstäbe und Sichtweisen in der globalen Forschungs- 40 strukturen und wird aus deutscher kollaboration nicht auf Grenzen oder Widerstände, die ihre Hegemonie in Frage 41 Sicht als Partner für Kooperationspro- stellen? Bedeutet gemeinsame Forschungsarbeit mit Kollegen aus China nur 42 jekte immer attraktiver. Geht damit mehr vom Gleichen, oder prallen darin vielleicht ganz unterschiedliche persön- 43 eine Globalisierung von Herangehens- liche Motivationen, politische Ziele und Wissenschaftsverständnisse aufeinan- 44 weisen, Verhaltensnormen und Moti- der? 45 vationen einher? Eine Befragung von 46 45 kooperationserfahrenen Wissen- Um solche Fragen geht es im WZB-Projekt „Globalisierte Forschung“. Was erfah- 47 schaftlern beider Seiten lässt Zweifel ren wir aus den Kooperationen westlicher (Natur-)Wissenschaftler mit chinesi- 48 zu. Die Triebfeder deutsch-chinesi- schen Kollegen über die Bedingungen der Möglichkeit globalisierter Wissen- 49 scher Forschungskooperationen liegt schaft? Dafür haben wir in China, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz 50 derzeit noch eher in der Ungleichzei- 45 leitfadengestützte Interviews mit hochkarätigen Forschern geführt, die über 51 tigkeit beider Länder als in einem ge- langjährige Erfahrungen in west-östlichen Kooperationen verfügen, und mit 52 meinsamen wissenschaftlichen Ethos. zwei Dutzend Vertretern von Förderagenturen, Stiftungen und Ministerien bei- 53 der Seiten gesprochen. Wir fragten sie nach den Erfahrungen in und mit derarti- 54 gen Projekten, nach Kooperationsmotiven und -zielen, eventuellen Spannungen 55 sowie nach den besonderen Stärken, Schwächen und Leistungspotenzialen der 56 jeweils anderen Seite. 57 58 Bei aller gebotenen Vorsicht gegenüber einfachen Verallgemeinerungen fügen 59 sich die diversen bunten Einzelberichte in einigen Punkten zu einem erstaunlich 60 klaren Bild. Danach hat die Globalisierung der Forschung, soweit es Arbeitsstile 61 und Motivationen, Interessen und Vorgehensweisen von Wissenschaftlern be- 62 trifft, in China nur einige eng umrissene Bereiche erfasst, andere dagegen völlig 63 unangetastet gelassen. Was dort passiert, ist eine selektive Globalisierung. So 64 speist sich die Dynamik europäisch-chinesischer Forschungsprojekte bisher 65 66 67 68 28 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 weniger aus gleichen Interessen und Fähigkeiten als aus typischen Unterschie- 1 den und Ungleichgewichten der beiden Seiten. Das oft wiederholte Bekenntnis zu 2 Kooperation auf gleicher Augenhöhe erscheint insofern als Ausdruck politisch 3 korrekten Wunschdenkens, das an der politischen Ökonomie der real existieren- 4 den Beziehungen haarscharf vorbeizielt. 5 6 Über welche Unterschiede sprechen wir? Zum Beispiel über die jeweiligen Grün- 7 de, aus denen sich Forscher überhaupt auf ein Kooperationsprojekt einlassen, 8 das doch für die meisten komplettes Neuland darstellt. Über eine so große räum- 9 liche und kulturelle Distanz zusammenzuarbeiten, kostet viel Zeit und Mühe und 10 birgt große Risiken, weil man den Erfolg und Nutzen eines Investments vorab 11 nicht genau kalkulieren kann. Unseren Interviewpartnern aus Europa ging und 12 Ulrich Schreiterer befasst sich als wissenschaftlicher geht es, von einer generellen Neugier auf das unbekannte Reich der Mitte einmal 13 Mitarbeiter am WZB vor allem mit der Internationali- abgesehen, hauptsächlich darum, Zugang zu attraktiven Daten zu finden. Das sind sierung der Forschungs- und Hochschulpolitik und 14 zunächst Forschungsobjekte, die in China liegen oder dort eine besondere Be- mit institutionellen Entwicklungen im tertiären Sek- 15 schaffenheit aufweisen, seien es Schwebstofffrachten des Jangtse, die erstaunli- tor. [Foto: David Ausserhofer] 16 che Biodiversität einzelner Provinzen oder lange Reihen epidemiologischer Be- [email protected] 17 funde. Noch wichtiger aber sind die Gewinne an personellen und materiellen 18 Ressourcen, der Zugriff auf Scharen hoch motivierter, hart arbeitender Wissen- 19 schaftler und Laborkräfte, leistungsfähige Geräte, Labors für arbeitsaufwendige 20 Untersuchungen oder opulente Materialsammlungen. Technisch komplizierte 21 Untersuchungen und Datenauswertungen lassen sich in China so rasch, gut und 22 kostengünstig erledigen, wie es an deutschen, niederländischen und schweizeri- 23 schen Instituten schlechterdings unmöglich wäre. 24 25 So waren unsere europäischen Interviewpartner voll des Lobs über den Arbeits- 26 eifer ihrer chinesischen Kollegen, die sich selbst unter kürzesten Zeitvorgaben 27 mit vollem Einsatz auf neue Projekte stürzen und methodischen Schwierigkeiten 28 mit allen nur erdenklichen Mitteln begegnen würden. Zurückhaltender äußerten 29 sie sich allerdings über die Leistungsfähigkeit der chinesischen Kooperations- 30 partner, soweit es unkonventionelle Denkansätze, Theorien und Methoden be- 31 trifft. Chinesen seien, tönte es geradezu stereotyp, nicht wirklich neugierig und 32 scheuten meist davor zurück, bekannte Pfade zu verlassen. Sie entwickelten gro- 33 ße Ausdauer und viel Talent, um Lösungen für existierende Probleme inkremen- 34 tell zu perfektionieren, interessierten sich aber nicht für die Forschung um ihrer 35 selbst willen. In dieser Präferenz für das Abarbeiten von Programmen und für 36 inkrementelle Verbesserung spiegeln sich neben kulturellen Traditionen 37 ­vermutlich auch die aktuellen Bewertungs- und Belohnungsstrukturen des chi- 38 nesischen Wissenschaftssystems: Eine selbstbewusste scientific community, 39 wettbe­ werbliche Projektförderung und peer review sind darin nur bloße Rand­ 40 erscheinungen. 41 42 Was chinesische Wissenschaftler über ihre Kooperationsmotive und ihre westli- 43 chen Kollegen berichten, hört sich ganz anders an. Nach dem Ende der Kulturre- 44 volution habe man 1978 in der Forschung wieder bei null anfangen müssen; der 45 Kontakt zur westlichen Welt sei anfangs eine schlichte Notwendigkeit gewesen, 46 um Wissen und Fähigkeiten nach China zu holen. Inzwischen habe die chinesi- 47 sche Wissenschaft in der Spitze längst aufgeschlossen und könnte den Westen 48 schon bald überholen – würde sie nicht stets von Europäern und Amerikanern 49 ausgebremst, die den Zugang zur wichtigsten Reputationsquelle, den hochkaräti- 50 gen internationalen Zeitschriften, kontrollieren. Wolle ein chinesischer Wissen- 51 schaftler darin veröffentlichen, komme er um Kooperationsprojekte nicht her- 52 um; er brauche die westlichen Partner als Steigbügelhalter, um die 53 Diskriminierungen zu umgehen. Auch für die chinesische Seite dreht sich bei 54 internationalen Forschungsprojekten also (fast) alles um Zugangschancen – 55 wenn auch nicht zu materiellen und personellen Ressourcen oder zu Daten, son- 56 dern darum, in angesehenen Zeitschriften publizieren zu können, um die eigene 57 Positionierung im globalen Wissenschaftswettbewerb zu verbessern. 58 59 Diese bedingungslose Akzeptanz von Publikationen in Top-Journals als Maß aller 60 Dinge ist ein besonders auffälliges Element der selektiven Globalisierung der 61 chinesischen Wissenschaft. Sie sei dem „Fluch der Zahlen“ verfallen, formulierte 62 es ein Sozialwissenschaftler aus Dalian. Wissenschaftler und Institutionen defi- 63 nieren ihren (Selbst-)Wert so gut wie ausschließlich durch Publikationslisten und 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 29 68 69 70 1 Impact-Faktoren, Zitationsindizes und Rankings. Ungefragt verkünden alle, wo 2 sie in fünf Jahren stehen wollen. Über ihre persönlichen Motive und Interessen 3 für die Forschungsarbeit erzählen sie so gut wie nichts; ihr Verhältnis dazu er- 4 scheint als leidenschaftslos, rein instrumentell. In der Bereitschaft zur extrem 5 kompetitiven, strikt karriereorientierten Arbeit und zur vollständigen Identifi- 6 kation mit vermeintlichen Anforderungen der globalen Wissenschaft machen sie 7 sich deren Zumutungen vollkommen zu eigen. 8 9 Kooperation ist das Mittel der Wahl, um im gnadenlosen Wettbewerb zu obsiegen 10 und China nach vorn zu bringen. Nicht wenige chinesische Forscher träumen 11 von der Etablierung eigener Journale, die denen des angelsächsischen Raums 12 eines Tages den Rang ablaufen könnten. Dass man die chinesische Gesellschaft 13 Benjamin Becker ist seit 2011 wissenschaftlicher häufig als „kollektivistisch“ beschrieben hat, beeinträchtigt jedenfalls nicht den 14 Mitarbeiter in der Projektgruppe der Präsidentin. Er Siegeszug einer globalisierten Wissenschaft, in der jeder ständig mit knallharten 15 befasst sich vor allem mit Wissenschaftspolitik, Bandagen um seinen Platz kämpfen und die anderen ausstechen muss. 16 Globali­sie­rung und Soziolinguistik. [Foto: Udo Borchert] 17 [email protected] Andere Elemente eines globalen, westlich geprägten Skripts moderner Wissen- 18 schaft spielen dagegen in China und für China keine Rolle. So betonten die euro- 19 päischen Interviewpartner ungefragt, wie wichtig und unverzichtbar Freiheit 20 und institutionell garantierte Eigenverantwortlichkeit für gute Forschung seien. 21 Einflussnahmen seitens der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft auf die 22 Wissenschaft müssten unterbleiben oder strikt begrenzt werden. Die enge Bin- 23 dung der chinesischen Forscher an Staat und Partei sei problematisch und der 24 Qualität ihrer Arbeit kaum zuträglich. 25 26 In China stieß diese Auffassung auf absolutes Unverständnis. Die Konzentration 27 auf anwendungsbezogene Forschung und die politische Steuerung aller For- 28 schungsaktivitäten seien vollkommen legitim, denn gute Wissenschaft müsse 29 relevant sein und dem Land dienen. Wer dabei mitmachen wolle, brauche einen 30 direkten Draht zur Macht. Dass Forschungsgebiete politisch gesetzt und Projekt- 31 mittel aufgrund persönlicher Verbindungen zu Ministerien usw. verteilt werden, 32 empfanden daher nur ganz wenige unserer Gesprächspartner als fragwürdig. 33 Nur der wissenschaftlichen Neugier zu folgen, über Dinge zu forschen und Pro- 34 jekte zu finanzieren, von denen niemand wisse, wozu sie vielleicht einmal gut 35 sein könnten, bezeichneten die meisten dagegen als frivole Vergeudung von Res- 36 sourcen. 37 38 Durch die selektive Übernahme des westlichen Skripts für gute Wissenschaft 39 stellt sich die aktuelle Lage der chinesischen Forschung als eine Art Hybrid dar. 40 Auf der einen Seite sind ihre Protagonisten eifrig darauf bedacht, den Verhei- 41 ßungen der modernen Wissenschaft bezüglich Innovation, Fortschritt und Ent- 42 wicklung zu glauben, und sie wollen sich durch die bereitwillige Nachahmung 43 globaler Normen einen Platz an der Sonnenseite der großen Wissenschaftsnatio- 44 nen dieser Welt sichern. Auf der anderen Seite verstehen sie Wissenschaft nicht 45 als ein Funktionssystem, das eigenen Zwecken folgt und bestimmter Freiheits- 46 grade für „ziellose“ Forschung bedarf, um erfolgreich und für die Gesellschaft 47 von Nutzen zu sein. Stattdessen vertraut man lieber auf Ziele, die von oben vor- 48 gegeben werden und die man Schritt für Schritt abarbeiten will. 49 50 Daher wird Wissenschaft in China zumindest auf mittlere Sicht noch deutlich 51 anders funktionieren und aussehen als Wissenschaft in der westlichen Welt – 52 jedenfalls soweit es ihre Organisationsform und Arbeitsweisen, Ziele und inne- 53 ren Triebkräfte angeht. Sollte gute Wissenschaft tatsächlich auf normativen 54 Prinzipien und Verhaltensstandards beruhen, die eine hohe Affinität zu denen 55 liberaler Demokratien aufweisen, wie Robert K. Merton, einflussreicher Groß- 56 meister der Wissenschaftssoziologie, 1942 vermutet hatte, ist von derartigen po- 57 litischen Ko-Transfer-Effekten in China nicht viel zu bemerken. 58 59 Anders als es Wissenschaftsfunktionäre und Förderorganisationen auf beiden 60 Seiten gern behaupten, beruhen die Erfolgschancen deutsch-chinesischer For- 61 schungskooperationen momentan vor allem auf Ungleichzeitigkeit und Ungleich- 62 heit. Chinesische und europäische Wissenschaftler mögen sich technisch auf 63 Augenhöhe befinden und an denselben institutionellen Normen orientieren, ver- 64 folgen aber ganz unterschiedliche Ziele. Europäer kommen nicht nach China, um 65 66 67 68 30 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 neue kreative Fragestellungen und wissenschaftliche Inspiration zu finden. Was 1 die Kooperation aus ihrer Sicht rechtfertigt und befeuert – der Zugang zu einem 2 großen Reservoir technisch sehr guter Wissenschaftler und einzigartigen Res- 3 sourcen –, beruht in erster Linie auf komparativen Kostenvorteilen. Je rascher 4 sich die Wissenschaft Chinas entwickelt und je ähnlicher ihr Betriebssystem dem 5 in westlichen Ländern wird, desto unattraktiver wird diese Möglichkeit zur Nut- 6 zung von Kostenvorteilen – und desto weniger brauchen chinesische Forscher 7 westliche Partner für den Zugang zu hochkarätigen Journalen. Globale Wissen- 8 schaft, so scheint es, kommt derzeit ohne globalisierte, überall gleich getaktete 9 Verhaltensnormen, Governance-Formen und Praktiken aus, indem sie unter- 10 schiedliche Interessenlagen kapitalisiert. Gleichen sich diese einmal an oder aus, 11 muss die politische Ökonomie globalisierter Forschung neu austariert werden. 12 13 14 Literatur 15 Heintz, Bettina/Werren, Tobias: „Wie ist Globalisierung möglich? Zur Entstehung 16 globaler Vergleichshorizonte am Beispiel von Wissenschaft und Sport“. In: Kölner 17 Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 2011, Jg. 63, H. 3, S. 359-394. 18 19 Hofstede, Geerd: Cultures and Organizations - Software of the Mind. London: Mc- 20 GrawHill 1991. 21 22 Hvistendahl, Mara: “China’s Scientific Output Rises — To Some Consternation”. Sci- 23 enceInsider 2011, online: http://news.sciencemag.org/scienceinsider/2011/04/ 24 chinas-scientific-output-risesto.html (Stand: 10.07.2013). 25 26 National Natural Science Foundation of China: “今年中央财政对国家自然科学基金 27 投入将超150亿”. Pressemitteilung vom 28.03.2012, online: http://www.nsfc.gov. 28 cn/Portal0/InfoModule_375/37962.html (Stand 10.07.2013). 29 30 The Royal Society: Knowledge, Networks and Nations: Global Scientific Collaboration 31 in the 21st Century. London: The Royal Society 2011. 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 31 68 69 70 1 Summary: The digital technology industry is facing a trade- Kurz gefasst: Die Digitalindustrie steht vor einem Zielkonflikt: 2 off: the five-percent gamble. By supporting five percent of all dem Fünf-Prozent-Wagnis. Indem sie fünf Prozent aller ge- 3 spoken languages in its popular applications and tools it sprochenen Sprachen in ihren populären Anwendungen un- 4 reaches most of the world’s population, yet ninety-five per- terstützt, erreicht sie zwar das Gros der Weltbevölkerung. Je- 5 cent of all languages are left out. This dilemma requires inno- doch bleiben dabei 95 Prozent aller Sprachen außen vor. Für 6 vative solutions. When decisions made by the digital technolo- diesen Zielkonflikt sind innovative Lösungen gefordert. Denn 7 gy industry carry more weight for language development than wenn der Fortbestand gesprochener Sprachen noch stärker 8 those of nation-states, then providing proper language sup- von der Digitalindustrie beeinflusst werden kann als von nati- 9 port must be regarded as more than a business or market de- onalen Staaten, dann darf die digitale Unterstützung von Spra- 10 cision, and as a fundamental aspect of media-related govern- chen nicht nur Business- und Marktentscheidungen unterlie- 11 ance. gen, sondern muss zu einem wichtigen Aspekt von 12 medienbezogener Governance werden. 13 14 15 16 17 18 Governing a polyglot Internet How deci­ 19 20 21 sions taken by the digital technology 22 23 24 ­industry shape the future of languages 25 26 Thomas Petzold and Han-Teng Liao 27 28 29 30 31 We are witnessing a historical infrastructure shift: from a monolingual-only to 32 a multilingual-ready Internet. Take the Web giants Wikipedia and Google as ex- 33 amples: They currently support around 300 languages. Compare this number to 34 traditional broadcasting media, such as the BBC World Service currently serving 35 28 languages. Nonetheless, 300 is only around five percent of the over 6,500 lan- 36 guages in the world. Clearly each language and its speakers benefit unequally 37 from this multilingual shift. We call this situation a five-percent gamble made by 38 the digital technology industry on global information markets. The gamble is to 39 assume that it is sufficient to reach the majority of the world’s population by sup- 40 porting five percent of the world's languages. Or, to put it more bluntly, to cover 41 42 43 Inside U.S.

44 Outside U.S. 45

46 100% 47 Latin America 48 90 % Middle East, 49 80 % 34% Africa 50 8% 70 % 9% 51 60 % 52 87% 42% North 14% 53 50 % America 54 40 %

55 30 % 66% 56 27% 57 20 % 58 10 % Europe 13% 59 0% 60 1996 2012 61 62 Figure 1 63 The evolution of the Internet population, and its current distribution 64 (December 2012; comscore 2013) 65 66 67 68 32 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 most of the existing markets and users worldwide. Thus more than ninety-five 1 percent of the world’s languages remain unsupported. 2 3 To improve the situation, we need further social and technical innovations to 4 enable better provisions and governance of language support in the digital en- 5 vironment. 6 7 To be fair to the industry, the five-percent gamble has allowed more people 8 outside of the US to become new Internet users, the majority of whom demand 9 support for languages other than English. Figure 1 shows not only the contrast 10 in the world’s Internet population between 1996 and 2012, but also the most 11 recent reality: almost 90 percent of all Internet users live outside of the US, with 12 a large proportion of Internet traffic in 2012 generated outside North America. Thomas Petzold is a social technology analyst, TED 13 speaker and professor of media management at 14 The five-percent gamble marks a historical achievement in internationalizing HMKW – University of Applied Sciences for Media, 15 Communication and Management in Berlin, Germany. the Internet, an American invention. Before the mono-to-multilingual infra- 16 As a research fellow at the WZB (2011–2013), he led a structure shift occurred, an American linguist asked the question: “Will the In- project on languages and big data in social technolo- 17 ternet always speak English?” Many politicians and entrepreneurs followed by gy. [photo: David Ausserhofer] 18 criticizing the prevalence of English in the early Internet environment. The 19 [email protected] French president at the time, Jacques Chirac, spoke of a “major risk for human- 20 ity” which would eventually lead to linguistic and cultural uniformity. The direc- 21 tor of a Russian Internet provider pointed to the existing lack of Russian lan- 22 guage content and described the resulting difference between English-speaking 23 and non-English-speaking users as “the ultimate act of intellectual colonialism.” 24 English has been the language-of-power from the beginning, but quite a con- 25 tested one. 26 27 Recognizing the issue in the late 1990s, the Internet Engineering Task Force 28 (IETF)—the main international technical community dealing with Internet ar- 29 chitecture and related standards—declared that the “Internet is international” 30 and thus it is “an absolute requirement to interchange data in a multiplicity of 31 languages which (…) utilize a bewildering number of characters.” Standardiza- 32 tion efforts in encoding (that is, representing language symbols in computer 33 digit codes) were the key driver for such a development. Encoding standards 34 are crucial for the digitization of language texts. The main coordination body 35 was a non-profit organization called the Unicode Consortium, with full mem- 36 bers coming primarily from major computing and Internet companies. The 37 consortium’s work resulted in an international industry standard called the 38 Unicode Standard, to deliberate and deliver a universal character set for every 39 language in the world. The Unicode Consortium also maintains a unique repos- 40 itory that provides key components for building software that helps to auto- 41 matically define the user’s language, country, local date and time, local curren- 42 cy and other settings. These specifications are relevant for major software and 43 Internet companies so that they can provide software and Web services which 44 meet the different language, regional and technical requirements of a target 45 market. 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 33 68 69 70 1 Besides the aspect of encoding, there are other requirements to allow users to 2 read and write in the digital environment. Take text processing as a tangible 3 example, where learning to use keyboards is essential. The figures show the 4 respective layouts of an American English, Arabic and Taiwanese Chinese key- 5 board. Since English had a head start regarding character allocation on key- 6 boards (which dates back to the age of the typewriter), other languages have to 7 adapt to and repurpose an existing industry standard (also known as QWERTY). 8 These other languages basically need to cram their characters on keyboards to 9 be digitally ready. 10 11 Because of the investment needed in language support and digital literacy, the 12 five-percent gamble can be seen as the direct outcome of the Return on Invest- 13 ment calculated by the software and Internet industry in the overall context of 14 internationalization and localization. Internationalization of a certain piece of 15 software means that its linguistic and regional aspects are designed and devel- 16 oped without regional limitations: parameters that define language and geo- 17 graphic aspects. Thus, internationalization prepares a piece of software to be 18 independent from configurations of a certain language and/or region, so that it 19 can be repurposed to serve other languages and/or regions. Localization, on the 20 other hand, refers to repurposing already-internationalized technologies for 21 specific locations. The internationalization process ensures that a piece of soft- 22 ware is built language-neutral. The localization process then allows implemen- 23 tation of different kinds of language- and region support. Viewing these 24 achievements, the five-percent gamble marks an important step towards multi- 25 lingual support. 26 27 However, the benefits delivered and received by different language users vary 28 greatly. The cost-benefit analysis of language support and digital literacy favors 29 either languages that are relatively cheaper to support, for example languages 30 using Latin alphabets, or languages that have huge market benefits, such as Chi- 31 nese and Arabic. Thus, the absolute requirement to interchange data in a multi- 32 plicity of languages is at best only partially fulfilled by the industry. A consider- 33 able gap remains. It is, perhaps, also for this reason that Google recently replaced 34 the term “knowledge” with “information” in its mission statement: “… to organize 35 the world’s information and make it universally accessible and useful.” The cur- 36 rent trade-off between ‘knowledge diversity’ and ‘market efficiency’ is made at 37 the expense of the former and in favor of the latter. 38 39 As decisions made by the digital technology industry at times carry more weight 40 on language development than nation-states, providing proper language sup- 41 port should not be regarded as simply a business or market decision, but rather 42 as an important and fundamental aspect of media/Internet governance. For in- 43 stance, aiming to digitally represent the Universal Declaration of Human Rights 44 (UDHR) in multiple languages, the UDHR in Unicode project emphasizes the di- 45 mension of linguistic and cultural rights of language support online. Or, han- 46 dling user proposals to open or close a language project, the Wikimedia Founda- 47 tion Language Committee demonstrates an alternative language governance 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 34 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 model beyond cost-benefit market strategies: a do-it-yourself model that re- 1 quires active user contribution. These practices provide valuable grounds for 2 social and technical innovation in alternative decision-making processes of dig- 3 ital language support. 4 5 The digital technology industry should not be satisfied with the current five-per- 6 cent gamble. At the very least, they should allow more users of languages of 7 small populations to serve themselves with user-contributed content, tools and 8 social networking for the sake of technological capacity-building for a better 9 “international platform” than that of competition. In addition, online language 10 support and digital literacy efforts can be reframed as invaluable public service 11 or corporate social responsibility. Cultural institutions such as galleries, librar- 12 ies, archives and museums may invest more in better language and content Han-Teng Liao is a summer fellow at the Alexander 13 support to bridge the gap between institutional content and user-generated von Humboldt Institute for Internet and Society (HIIG) 14 content online. Overall, opportunities are abundant for both private and public and a doctoral candidate at the Oxford Internet Insti- 15 tute (OII). His research focus is on user-generated players to try innovative social and technical measures, for instance through 16 content and data, Web analytics (webometrics), Chi- crowd-sourcing and open standards/technologies to serve more users in more nese Internet Research and integrated digital re- 17 meaningful ways. Thus language barriers are turned into valuable resources. We search designs (both qualitative and quantitative). 18 must recognize that the provisional state of the current multilingual Internet [photo: private] 19 environment is neither satisfactory nor innovative enough to unleash the vast [email protected] 20 potential of human knowledge. We need to utilize the full potential of an unprec- 21 edented infrastructure for language support. 22 23 Literature 24 Nunberg, Geoffrey: “Will the Internet Always Speak English?”. In: The American 25 Prospect, 2002, November 30, online: http://bit.ly/1c2ujhX (accessed August 2013). 26 27 Petzold, Thomas: “36 Million Language Pairs – How to Unleash the True Momentum 28 of Knowledge”. TEDx Berlin, 23 November 2012, online: http://bit.ly/17tsW4b (ac- 29 cessed August 2013). 30 31 Liao, Han-Teng: Needing to Have a Voice: Linguistic Grouping in the Digital Net- 32 worked Environment. ISD Working Papers in New Diplomacy, Institute for the Study 33 of Diplomacy. Washington, DC: Georgetown University 2011, online: http://isd. 34 georgetown.edu/files/Needing%20to%20Have%20a%20Voice.pdf (accessed August 35 2013). 36 37 Specter, Michael: “Computer Speak; World, Wide, Web: 3 English Words”. In: The New 38 York Times, 1996, April 14, online: http://nyti.ms/cA2mt (accessed August 2013). 39 The Unicode Consortium: About the Unicode Standard, Version 6.2.0. Mountain View, 40 CA: The Unicode Consortium 2012, online: http://bit.ly/6S7mLO (accessed August 41 2013). 42 43 Dunne, Keiran: Perspectives on Localization. American Translators Association 44 Scholarly Monograph Series XIII. Amsterdam & Philadelphia: John Benjamins Pub- 45 lishing 2006. 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 35 68 69 70 1 2 Aus der aktuellen Forschung 3 4 5 Für wen die Verantwortung zählt 6 7 8 Was Deutschlands Entscheidungsträgern 9 10 wichtig ist und was sie antreibt 11 12 13 Elisabeth Bunselmeyer und Marc Holland-Cunz 14 15 16 17 18 Kurz gefasst: Die Befragung von 354 In Krisenzeiten mehren sich die Rufe nach leadership. Gefragt sind die Spitzen 19 höchsten Entscheidungsträgern in von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die Orientierung geben, für grundlegen- 20 Deutschland zeigt, dass die Führungs- de Werte stehen und richtungsweisende Entscheidungen treffen sollen. Es sind 21 schicht keineswegs entkoppelt von aber gerade diese Entscheider, die zum Teil als Verursacher der gegenwärtigen 22 gesamtgesellschaftlichen Problemla- Finanz- und Währungskrise in der Kritik stehen; man spricht auch von einer 23 gen ist. Der Weg an die Spitze ist zwar Vertrauenskrise zwischen Eliten und Bevölkerung. Hinter der Kritik steckt oft 24 nur teilweise bewusst geplant und die Idee, dass hohe Führungskräfte, deren Entscheidungen große Auswirkungen 25 eher selten getragen vom Wunsch, die auf die gesellschaftliche Entwicklung haben können, mehr Verantwortung für 26 Gesellschaft zu verändern. Vielmehr die Gesamtgesellschaft übernehmen sollen. 27 sind die jeweils konkreten Gestal- 28 tungsmöglichkeiten in Spitzenämtern Auch in der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung wird dieser Impuls aufge- 29 attraktiv. Dennoch wird gesellschaft- nommen. Neben das Konzept der Funktionseliten, das lange vorherrschte, tre- 30 liche Verantwortung als persönlicher ten andere Elitenmodelle wie Verantwortungseliten oder Reflexionseliten. Diese 31 Beweggrund für die Übernahme von könnten Korrektive einer reinen Leistungsorientierung und des persönlichen 32 Führungspositionen betont, anderen Erfolgsstrebens sein. Nur – wir haben wenig gesicherte Erkenntnisse darüber, 33 Entscheidungsträgern jedoch eher ab- was Eliten eigentlich antreibt. Warum nehmen sie zentrale Positionen in der 34 gesprochen. Gesellschaft ein und setzen sich den damit verbundenen gesellschaftlichen An- 35 sprüchen aus? 36 Summary: Our study of 354 of top 37 decision-makers in Germany un- Aufschluss über diese Frage gibt die WZB-Studie „Entscheidungsträger in 38 derscores that this elite is not deta- Deutschland: Werte und Einstellungen“ als erste sektorübergreifende und ge- 39 ched from social problems. Their way samtstaatliche Erhebung zu deutschen Führungskräften nach 1995. Zwischen 40 to the top has been mostly unintended Oktober 2011 und Oktober 2012 wurden 354 Inhaber von Spitzenpositionen aus 41 and rarely driven by the will for wider zentralen Bereichen der Gesellschaft in standardisierten Interviews befragt. In 42 social change. The main impulses for der Untersuchung war neben klassischen Themen der Elitenforschung wie po- 43 leaders are the creative and produc- litische Einstellungen und Elitenintegration auch die subjektive Einschätzung 44 tive potentials their position offers. der Laufbahn von Interesse. Denn abgesehen von den Befunden zu objektiven 45 Nevertheless, social responsibility is Karrieremustern oder zum Zugang in die obere Führungsschicht wurde die 46 emphasized as a personal motive as Rolle von Motivation und subjektiven Orientierungen auf dem Weg nach oben 47 well. Interestingly, this is not menti- bisher selten betrachtet. Hochrelevant für das Elitenverständnis ist dabei die 48 oned when asked about the motives of Frage, welchen Stellenwert Verantwortungsgefühl gegenüber dem sozialen Gan- 49 other decision-makers. zen einnimmt und wie gesellschaftliche Problemlagen zur eigenen Position in 50 Beziehung gesetzt werden. 51 52 53 Eliten wollen gestalten und Verantwortung tragen 54 55 56 Zunächst scheinen viele Entscheidungsträger beim Aufstieg in Spitzenpositio- 57 nen keinem inneren Masterplan gefolgt zu sein. Nur ein Drittel der Befragten 58 beschreibt die Erlangung einer Führungsfunktion als angestrebtes Ziel. Für die 59 Hälfte hingegen hat sich der Weg zur Leitungsposition eher im Laufe der Zeit 60 ergeben. Dies betrifft insbesondere Vertreter der Justiz sowie Politiker und 61 Politikerinnen, deren Laufbahnen in hohem Maße von Wählergunst oder poli- 62 tischen Umbrüchen bestimmt werden. Reines Glück als Karrierefaktor spielt in 63 den subjektiven Erzählungen zwar nur eine untergeordnete Rolle, anders als Be- 64 rufserfahrung, Seniorität und persönliche Förderer. Jedoch erachten auch ziel- 65 66 67 68 36 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 strebige Entscheidungsträger den geplanten Aufstieg in die Spitze ohne gewisse 1 Aus der aktuellen Forschung (zufällige) Gelegenheiten eher als unwahrscheinlich. Oder wie ein Befragter mit 2 Seneca sagt: „Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“ 3 Die Bereitschaft für höhere Aufgaben muss also, auch bei weniger Zielstrebi- 4 Für wen die Verantwortung zählt gen, vorhanden sein und dem Umfeld zudem signalisiert werden. Die fachliche 5 Eignung wird in den Beschreibungen der Karriereentwicklung meist implizit 6 vorausgesetzt. 7 Was Deutschlands Entscheidungsträgern 8 Was aber sind die Motive, diese Herausforderungen anzustreben und anzuneh- 9 wichtig ist und was sie antreibt men? Persönlicher Ehrgeiz steht nach Aussage der Führungskräfte nur bedingt 10 hinter ihrer beruflichen Orientierung, er wird nur von knapp einem Drittel als 11 wichtigster oder zweitwichtigster Grund für die Ausübung eines Spitzenam- Marc Holland-Cunz arbeitete von 2012 bis 2013 12 in der Projektgruppe der Präsidentin und war dort Elisabeth Bunselmeyer und Marc Holland-Cunz tes genannt (bei fünf Antwortmöglichkeiten). Als bedeutend stärkere Motivati- 13 für das Projekt „Entscheidungsträger in Deutsch- on wird Gestaltungswille eingeschätzt, der von fast allen Entscheidungsträgern land: Werte und Einstellungen“ zuständig. Seine 14 (91 Prozent) genannt wird. Obwohl sich dahinter je nach Sektor verschiedene Forschungsinteressen liegen unter anderem in der 15 Aspekte von Einflussnahme verbergen können, ist dies eine grundlegende Moti- Theorie der Migration und damit verbundenen insti- 16 vation für die Ausübung von Führungsfunktionen, die zudem sektorunabhängig tutionellen Wandlungsprozessen. [Foto: Udo Borchert] 17 Kurz gefasst: Die Befragung von 354 In Krisenzeiten mehren sich die Rufe nach leadership. Gefragt sind die Spitzen wirkt. [email protected] 18 höchsten Entscheidungsträgern in von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die Orientierung geben, für grundlegen- 19 Deutschland zeigt, dass die Führungs- de Werte stehen und richtungsweisende Entscheidungen treffen sollen. Es sind Bemerkenswert ist die Tatsache, dass zwei Drittel der Interviewten gesellschaft- 20 schicht keineswegs entkoppelt von aber gerade diese Entscheider, die zum Teil als Verursacher der gegenwärtigen liche Verantwortung als wichtiges Motiv nennen – damit die zweithäufigste 21 gesamtgesellschaftlichen Problemla- Finanz- und Währungskrise in der Kritik stehen; man spricht auch von einer Antwort. Allerdings gibt es sektorale Unterschiede bei der Gewichtung. Vertre- 22 gen ist. Der Weg an die Spitze ist zwar Vertrauenskrise zwischen Eliten und Bevölkerung. Hinter der Kritik steckt oft ter der Politik sowie der Gewerkschaften nennen erwartungsgemäß besonders 23 nur teilweise bewusst geplant und die Idee, dass hohe Führungskräfte, deren Entscheidungen große Auswirkungen oft Verantwortung und selten persönlichen Ehrgeiz. Im Gegensatz zu anderen 24 eher selten getragen vom Wunsch, die auf die gesellschaftliche Entwicklung haben können, mehr Verantwortung für Sektoren, in denen bekennende Ehrgeizige auch eher angeben, Führungsposi- 25 Gesellschaft zu verändern. Vielmehr die Gesamtgesellschaft übernehmen sollen. tionen angestrebt zu haben, werden die zielstrebigen Personen in der Politik 26 sind die jeweils konkreten Gestal- gleichermaßen durch Verantwortung für das Ganze zum Aufstieg motiviert. 27 tungsmöglichkeiten in Spitzenämtern Auch in der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung wird dieser Impuls aufge- Selbstlosigkeit und Bescheidenheit sind hier in gewissem Maße Teil der pro- 28 attraktiv. Dennoch wird gesellschaft- nommen. Neben das Konzept der Funktionseliten, das lange vorherrschte, tre- fessionellen Anforderungen, die wohl auch in der Befragungssituation wirksam 29 liche Verantwortung als persönlicher ten andere Elitenmodelle wie Verantwortungseliten oder Reflexionseliten. Diese sind. Die Einnahme einer Führungsposition wird von einer Befragten folglich als 30 Beweggrund für die Übernahme von könnten Korrektive einer reinen Leistungsorientierung und des persönlichen bloße Konsequenz dieses „Prinzips Verantwortung“ beschrieben. 31 Führungspositionen betont, anderen Erfolgsstrebens sein. Nur – wir haben wenig gesicherte Erkenntnisse darüber, 32 Entscheidungsträgern jedoch eher ab- was Eliten eigentlich antreibt. Warum nehmen sie zentrale Positionen in der In der Wirtschaft wie auch in der öffentlichen Verwaltung und der Wissen- 33 gesprochen. Gesellschaft ein und setzen sich den damit verbundenen gesellschaftlichen An- schaft wird hingegen vergleichsweise oft Ehrgeiz als Motiv angegeben. Diese 34 sprüchen aus? Bereiche sind der öffentlichen Wahrnehmung eher entzogen bzw. haben an- 35 Summary: Our study of 354 of top dere Aufstiegssanforderungen hinsichtlich der persönlichen Orientierung als 36 decision-makers in Germany un- Aufschluss über diese Frage gibt die WZB-Studie „Entscheidungsträger in das Feld Politik. Insbesondere im Wirtschaftssektor werden Zielstrebigkeit und 37 derscores that this elite is not deta- Deutschland: Werte und Einstellungen“ als erste sektorübergreifende und ge- Erfolgsorientierung durchaus positiv wahrgenommen. Jedoch fällt auch hier die 38 ched from social problems. Their way samtstaatliche Erhebung zu deutschen Führungskräften nach 1995. Zwischen Bewertung finanzieller Anreize vergleichsweise niedrig aus. In den Worten ei- 39 to the top has been mostly unintended Oktober 2011 und Oktober 2012 wurden 354 Inhaber von Spitzenpositionen aus nes Befragten hat dies mit dem „Grenzwert des Geldes“ zu tun, das von einem 40 and rarely driven by the will for wider zentralen Bereichen der Gesellschaft in standardisierten Interviews befragt. In gewissen Positionsniveau an seine besondere Anreizfunktion verliere und so 41 social change. The main impulses for der Untersuchung war neben klassischen Themen der Elitenforschung wie po- eher selbstverständliche Kompensation für die Belastung sei. 42 leaders are the creative and produc- litische Einstellungen und Elitenintegration auch die subjektive Einschätzung 43 tive potentials their position offers. der Laufbahn von Interesse. Denn abgesehen von den Befunden zu objektiven Durch die relativ geringe Bewertung gesellschaftlicher Verantwortung ähnelt 44 Nevertheless, social responsibility is Karrieremustern oder zum Zugang in die obere Führungsschicht wurde die die Verwaltung hinsichtlich des Motivprofils eher der Wirtschaft als der Poli- 45 emphasized as a personal motive as Rolle von Motivation und subjektiven Orientierungen auf dem Weg nach oben tik. Dies ist besonders relevant im Hinblick auf die notwendige Zusammenar- 46 well. Interestingly, this is not menti- bisher selten betrachtet. Hochrelevant für das Elitenverständnis ist dabei die beit von politischen und administrativen Akteuren. Dabei dürfte sich auswir- 47 oned when asked about the motives of Frage, welchen Stellenwert Verantwortungsgefühl gegenüber dem sozialen Gan- ken, dass die Hälfte der Verwaltungsbeamten aus Familien mittlerer bzw. hoher 48 other decision-makers. zen einnimmt und wie gesellschaftliche Problemlagen zur eigenen Position in Beamter oder leitender Angestellter stammt, während sich in der Politik auch 49 Beziehung gesetzt werden. viele Aufsteiger finden. Ähnliche Muster zeigen sich im Bereich Justiz, der sich 50 zur Hälfte aus Beamtenhaushalten vom mittleren Dienst aufwärts rekrutiert. 51 Im Vergleich ist das Motiv sozialer Verantwortung auch im Justizbereich nicht 52 Eliten wollen gestalten und Verantwortung tragen überdurchschnittlich verbreitet, wobei diesem Sektor interessanterweise in 53 Umfragen von der Bevölkerung am meisten Vertrauen entgegengebracht wird. 54 55 Zunächst scheinen viele Entscheidungsträger beim Aufstieg in Spitzenpositio- Finanzielle Anreize und familiäre Tradition spielen in der Selbsteinschätzung 56 nen keinem inneren Masterplan gefolgt zu sein. Nur ein Drittel der Befragten der Entscheidungsträger nur eine untergeordnete Rolle. Für die Hälfte der Frau- 57 beschreibt die Erlangung einer Führungsfunktion als angestrebtes Ziel. Für die en (deren Anteil insgesamt bei 12 Prozent liegt) sind finanzielle Anreize am un- 58 Hälfte hingegen hat sich der Weg zur Leitungsposition eher im Laufe der Zeit wichtigsten, während nur ein Viertel ihrer männlichen Kollegen diesen Faktor 59 ergeben. Dies betrifft insbesondere Vertreter der Justiz sowie Politiker und als irrelevant einschätzen. Bemerkenswert ist auch der deutliche Unterschied 60 Politikerinnen, deren Laufbahnen in hohem Maße von Wählergunst oder poli- zwischen der Benennung des persönlichen Ehrgeizes als Hauptmotiv von 31 61 tischen Umbrüchen bestimmt werden. Reines Glück als Karrierefaktor spielt in Prozent der Männer und nur 23 Prozent der Frauen. Auch wenn man die unglei- 62 den subjektiven Erzählungen zwar nur eine untergeordnete Rolle, anders als Be- che Verteilung von Frauen und Männern auf die diversen Sektoren berücksich- 63 rufserfahrung, Seniorität und persönliche Förderer. Jedoch erachten auch ziel- tigt, zeigen sich hier unterschiedliche Motivstrukturen. 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 37 68 69 70 1 2 gesellschaftliche Verantwortung Gestaltungswille 3 persönlicher Ehrgeiz finanzielle Anreize 4 5 Einschätzung anderer Selbsteinschätzung Entscheidungsträger 6 7 Gesamt 8 9 10 Justiz 11 12 13 Politik 14 15 Verwaltung 16 17 18 Wirtschaft 19 20 21 Wissenschaft 22 23 100% 80% 60% 40% 20% 0% 20%0% 40% 60% 80% 100% 24 25 26 Einschätzung der zwei wichtigsten Motive für die Ausübung einer 27 Führungsfunktion nach Sektoren (Selbstbild und Bild von den Anderen). 28 29 30 Die Entscheidungsträger wurden auch nach ihrer Einschätzung anderer Füh- 31 rungspersonen hinsichtlich deren Motivation für Führungsaufgaben befragt. 32 Die Perspektive auf andere Eliten unterscheidet sich erheblich von der Selbst- 33 einschätzung. So sprechen im Allgemeinen nur 22 Prozent der Befragten an- 34 deren Führungspersonen in ihrem Bereich gesellschaftliche Verantwortung 35 als wichtigstes oder zweitwichtigstes Karrieremotiv zu. Das ist ein erheblicher 36 Unterschied zu den zwei Dritteln, die dies als eigenes wichtiges Motiv nennen. 37 Stattdessen werden für andere Ehrgeiz und auch finanzielle Anreize als aus- 38 schlaggebend eingeschätzt, wobei Gestaltungswille mit 69 Prozent auch die häu- 39 figste Nennung bei der Einschätzung anderer Führungspersonen bleibt. 40 41 Auch hier zeigen sich sektorale Unterschiede: Nur Politik, Militär, Gewerkschaf- 42 ten und Kirche halten gesellschaftliche Verantwortung auch für andere Ent- 43 scheidungsträger wichtig. Frauen schreiben anderen Entscheidungsträgern 44 eher gesellschaftliche Verantwortung zu als Männer (30 zu 21 Prozent). Auch 45 Gestaltungswille und Ehrgeiz schätzen sie höher ein; finanzielle Anreize werden 46 von Männern doppelt so oft wie von Frauen auch für andere Führungspersonen 47 genannt. 48 49 Insgesamt ist es auffallend, dass die Entscheidungsträger bei sich selbst vor 50 allem positive Motive angeben, ihren Mitstreitern diese jedoch absprechen. Eine 51 negative Wahrnehmung der Motivation von Spitzenkräften als wenig gesell- 52 schaftsbezogen dominiert demnach nicht nur in der breiten Bevölkerung, son- 53 dern auch unter den Eliten selbst. 54 55 Bei der Auskunft über die eigene Motivation ist anzunehmen, dass soziale Er- 56 wünschtheit und spezifische Erwartungen das Antwortverhalten beeinflussen. 57 Dies wird von einigen Befragten auch explizit geäußert und ist angesichts der 58 enormen Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung naheliegend. 59 Trotz dieser Verzerrung ist der Frage nachzugehen, wie vor dem Hintergrund 60 der Motivaussagen gesellschaftliche Problemlagen und deren Gestaltbarkeit 61 wahrgenommen werden. 62 63 Die Entscheidungsträger konnten die drei ihrer Meinung nach wichtigsten ge- 64 sellschaftspolitischen Probleme in Deutschland nennen. Es zeigt sich, dass die 65 66 67 68 38 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Nennungen zwar je nach Sektor leicht unterschiedlich, aber relativ unabhängig 1 gesellschaftliche Verantwortung Gestaltungswille davon sind, ob gesellschaftliche Verantwortung als Motiv angeben wurde. Sie 2 persönlicher Ehrgeiz finanzielle Anreize verteilen sich generell vor allem auf die Herausforderungen durch den demo- 3 grafischen Wandel, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise und in ge- 4 Einschätzung anderer ringerem Maße auf soziale Ungleichheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt, 5 Selbsteinschätzung Entscheidungsträger Umweltthemen und die Zukunft Europas. Interessanter ist jedoch die daraufhin 6 gestellte Frage, ob sich die Entscheidungsträger in ihrer Position von diesen 7 Gesamt Problemen gefordert sehen. Dies bejahen 91 Prozent, also auch ein Großteil je- 8 ner, die soziale Verantwortung nicht als wichtiges Motiv nennen. 9 Justiz 10 Es zeigen sich jedoch markante Unterschiede bei der Frage, wie und von wem 11 diese als Herausforderungen interpretiert werden. Im Bereich der Justiz, in Elisabeth Bunselmeyer war von 2009 bis 2013 in 12 der Projektgruppe der Präsidentin tätig, zuletzt als Politik dem nur die Hälfte der Befragten sich durch diese Problemlagen gefordert 13 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Ent- sieht, wird meist auf die formale Trennung zwischen Rechtsprechung und den scheidungsträger in Deutschland: Werte und Ein- 14 gestaltenden politischen Institutionen hingewiesen. Durch gesellschaftliche 15 Verwaltung stellungen“. Sie ist seit April 2013 Doktorandin am Verantwortung motivierte Richter nehmen sich allerdings eher der sozialen German Institute of Global and Area Studies (GIGA) 16 Anforderungen an. Insgesamt sieht ein Großteil der Befragten den Bezug zu in Hamburg und forscht zu der Verbindung von 17 Vergangenheitsaufarbeitung und Demokratisierung Wirtschaft gesellschaftlichen Problemen jedoch eher im direkten Verantwortungsbereich 18 in Nachkriegsgesellschaften. [Foto: David Ausserhofer] oder in einer Vorbildfunktion der geführten Organisation als etwa im Einfluss 19 auf Politik. Insbesondere Vertreter der Wirtschaft verstehen gesellschaftliche [email protected] 20 Wissenschaft Problembearbeitung vor allem als Managementaufgabe bzw. als Anpassung des 21 eigenen Unternehmens. 22 100% 80% 60% 40% 20% 0% 20%0% 40% 60% 80% 100% 23 Hohe Führungspositionen reizen vor allem durch ihre Gestaltungsmöglichkei- 24 ten, wobei sie selten bewusst angestrebt werden. Es zeigen sich aber abhängig 25 Einschätzung der zwei wichtigsten Motive für die Ausübung einer von Wirkungsbereich und persönlichen Merkmalen unterschiedliche Gewich- 26 Führungsfunktion nach Sektoren (Selbstbild und Bild von den Anderen). tungen anderer Motivationsfaktoren. Gesellschaftliche Verantwortung wird 27 zwar als eigener Beweggrund stark betont, jedoch anderen Eliten eher abge- 28 sprochen. Im Großen und Ganzen nimmt die deutsche Führungsschicht sek- 29 Die Entscheidungsträger wurden auch nach ihrer Einschätzung anderer Füh- torübergreifend gesamtgesellschaftliche Probleme dennoch ernst. Allerdings 30 rungspersonen hinsichtlich deren Motivation für Führungsaufgaben befragt. werden diese unterschiedlich auf die eigenen Gestaltungsräume und die eigene 31 Die Perspektive auf andere Eliten unterscheidet sich erheblich von der Selbst- Position bezogen. Dabei spielt die Motivation durchaus eine Rolle, determiniert 32 einschätzung. So sprechen im Allgemeinen nur 22 Prozent der Befragten an- jedoch nicht, ob gesellschaftspolitische Probleme als relevant und gestaltbar 33 deren Führungspersonen in ihrem Bereich gesellschaftliche Verantwortung eingeschätzt werden. 34 als wichtigstes oder zweitwichtigstes Karrieremotiv zu. Das ist ein erheblicher 35 Unterschied zu den zwei Dritteln, die dies als eigenes wichtiges Motiv nennen. 36 Stattdessen werden für andere Ehrgeiz und auch finanzielle Anreize als aus- Literatur 37 schlaggebend eingeschätzt, wobei Gestaltungswille mit 69 Prozent auch die häu- Bohlken, Elke: Die Verantwortung der Eliten. Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten. 38 figste Nennung bei der Einschätzung anderer Führungspersonen bleibt. Frankfurt a.M./New York: Campus 2011. 39 40 Auch hier zeigen sich sektorale Unterschiede: Nur Politik, Militär, Gewerkschaf- Bunselmeyer, Elisabeth/Dribbisch, Katrin/Holland-Cunz, Marc: Projektbericht „Ent- 41 ten und Kirche halten gesellschaftliche Verantwortung auch für andere Ent- scheidungsträger in Deutschland: Werte und Einstellungen“, WZB Discussion Paper 42 scheidungsträger wichtig. Frauen schreiben anderen Entscheidungsträgern P 2013-001. 43 eher gesellschaftliche Verantwortung zu als Männer (30 zu 21 Prozent). Auch 44 Gestaltungswille und Ehrgeiz schätzen sie höher ein; finanzielle Anreize werden Buß, Eugen: Die deutschen Spitzenmanager. Wie sie wurden, was sie sind. Herkunft, 45 von Männern doppelt so oft wie von Frauen auch für andere Führungspersonen Wertvorstellungen, Erfolgsregeln. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2007. 46 genannt. 47 48 Insgesamt ist es auffallend, dass die Entscheidungsträger bei sich selbst vor 49 allem positive Motive angeben, ihren Mitstreitern diese jedoch absprechen. Eine 50 negative Wahrnehmung der Motivation von Spitzenkräften als wenig gesell- 51 schaftsbezogen dominiert demnach nicht nur in der breiten Bevölkerung, son- 52 dern auch unter den Eliten selbst. 53 54 Bei der Auskunft über die eigene Motivation ist anzunehmen, dass soziale Er- 55 wünschtheit und spezifische Erwartungen das Antwortverhalten beeinflussen. 56 Dies wird von einigen Befragten auch explizit geäußert und ist angesichts der 57 enormen Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung naheliegend. 58 Trotz dieser Verzerrung ist der Frage nachzugehen, wie vor dem Hintergrund 59 der Motivaussagen gesellschaftliche Problemlagen und deren Gestaltbarkeit 60 wahrgenommen werden. 61 62 Die Entscheidungsträger konnten die drei ihrer Meinung nach wichtigsten ge- 63 sellschaftspolitischen Probleme in Deutschland nennen. Es zeigt sich, dass die 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 39 68 69 70 1 Aus dem WZB 2 3 4 Denken jenseits der Ideologien  5 6 7 A.SK ­Social Science Award 2013 für den 8 9 10 ­Ökonomen Paul Collier 11 12 Gabriele Kammerer 13 14 15 16 17 „Die Lektüre soll Spaß machen.“ Es gehört Selbstbewusstsein dazu, im Vorwort 18 eines wissenschaftlichen Buches über die ärmsten Länder der Welt einen sol- 19 chen Satz zu schreiben. Paul Collier hat dieses Selbstbewusstsein – und er hat 20 eine Mission: Der Ökonom will zur Lösung der drängendsten globalen Probleme 21 beitragen und ein breites Publikum erreichen. Denn irgendwann, schreibt Colli- 22 er, werde sein Sohn ihn angesichts des Scheiterns der ärmsten Länder fragen, 23 was er als Wissenschaftler getan habe, um es zu verhindern. 24 25 Der diesjährige A.SK Social Science Award geht an einen Forscher und Vermitt- 26 ler. Paul Collier ist Professor für Ökonomie und Public Policy an der Blavatnik 27 School of Government und Direktor des Centre for the Study of African Econo- 28 mies an der Universität Oxford. Und er ist gefragter Politikberater. Von 1998 bis 29 2003 war er Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank, 2008 wurden seine 30 Verdienste um die britische Entwicklungspolitik mit dem Order of the British 31 Empire gewürdigt. Das Magazin Foreign Policy hat ihn schon zwei Mal in die Lis- 32 te der „top global thinkers“ aufgenommen. 33 34 International bekannt wurde Paul Collier mit seinem 2007 erschienenen Buch 35 „The Bottom Billion“, in dem er den Teufelskreis von Gewalt und Armut in den 36 ärmsten Ländern der Welt untersucht. Warum hängen rund 60 Länder trotz in- 37 ternationaler Hilfe in ihrer Entwicklung fest? Collier identifiziert eine Reihe 38 möglicher Gründe wie Bürgerkriege, Streit um Rohstoffe, fehlenden Küstenzu- 39 gang oder schlechte Regierungsführung. Bei der Erörterung von Gegenstrategi- 40 en schreckt Collier vor Provokationen nicht zurück. So kritisiert er die gängige 41 der Entwicklungshilfe, sieht Demokratie nicht per se als beste Regie- 42 rungsform und staatliche Souveränität nicht als höchsten Wert. In bestimmten 43 Fällen plädiert er für militärische Interventionen. Diese Thesen führt er zwei 44 Jahre später in seinem Hauptwerk zur Demokratie „Wars, Guns, and Votes: Demo- 45 cracy in Dangerous Places“ aus. Statt Wahlen zu fördern und damit doch nur de- 46 mokratische Fassaden aufzubauen, müssten die reichen Industriestaaten den 47 ärmsten Ländern mehr internationale Sicherheit bieten und ihre humanitäre 48 und militärische Einmischung grundsätzlich überdenken, fordert Collier. 49 50 Mit dem Streit um Rohstoffe beschäftigt sich Paul Collier im Buch „The Plundered 51 Planet: Why we Must – and How we Can – Manage Nature for Global Prosperity“. 52 Collier hat hier nicht nur Fragen der lokalen und internationalen Friedenssiche- 53 rung im Blick, sondern auch die Gefahren des Klimawandels. Und wieder wagte 54 er sich zwischen die Fronten. Den grünen Traum von ökologischer Selbstversor- 55 gung hält er für romantisch naiv. Kommerzialisierung der Landwirtschaft und 56 Ausbau der Gentechnik sind seine Rezepte: ein kalkulierter Spagat zwischen 57 technischer Innovation und Ressourcenschonung – möglich nur mit Hilfe inter- 58 nationaler Regelungen wie etwa weltweit kollektiven Anreizen für Individuen, 59 Firmen und Staaten, zum Beispiel zur CO2-Reduktion. 60 61 „Colliers Stärke ist, dass er seine Thesen aus empirischen Daten ableitet – ohne 62 Rücksicht darauf, ob sie ihm selbst gefallen oder nicht“, schrieb einmal das Han- 63 delsblatt. In der Tat ist der Ökonom Collier bekennender Zahlenfan: „Statistiken 64 widerlegen die grob gerasterten Bilder, die uns oft glauben machen, wir wüssten 65 66 67 68 40 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 über die Welt Bescheid Bei der Auseinandersetzung mit Paul Colliers Thesen 1 tragen die bekannten ideologischen oder disziplinären Raster nicht weit. Der 2 politische Ökonom regt an, selbst zu denken – was er wecken will, ist nach eige- 3 nem Bekunden eine Verbindung aus „Mitgefühl und aufgeklärtem Eigennutz“. 4 Denn zur Rettung der Welt, da ist sich der Akademiker sicher, braucht es eine 5 kritische Masse informierter Bürger. 6 7 Mit einem Preisgeld von 100.000 Euro gehört der A.SK Social Science Award zu 8 den höchstdotierten internationalen Auszeichnungen in den Sozialwissenschaf- 9 ten. Gestiftet wird er von dem chinesischen Unternehmerpaar Angela und Shu 10 Kai Chan; er wird alle zwei Jahre verliehen. Die Preisverleihung findet am 19. 11 Oktober 2013 am WZB statt. Neben dem Preis vergibt die Jury Postdoc-Stipendi- 12 en, die neue Impulse in der Forschung zu Reformen im Bereich von Wirtschaft 13 und Regierung fördern sollen. 2013 erhalten zwei junge Wissenschaftlerinnen 14 und drei Wissenschaftler diese Unterstützung und Auszeichnung. 15 Paul Collier, Ök onom und Afrika-Experte an der Uni- 16 Die gegenwärtig an der Hauser Global Law School der New York University als versity of Oxford. [Foto: dpa/picture alliance] 17 Fellow forschende Juristin Theresa Reinold untersucht die Entwicklung von 18 Rechtsstaatlichkeit in afrikanischen Regionen. Im besten Falle erhöhen regiona- 19 le Institutionen die Akzeptanz globaler Normen und Rechtssätze. Es muss jedoch 20 auch damit gerechnet werden, dass das Plädoyer für Wertepluralismus und regi- 21 onale Autonomie zur deren Auflösung beiträgt. Am Beispiel Afrikas will Theresa 22 Reinold nachvollziehen, wie universelle Regeln auf lokaler Ebene legitimiert 23 werden und wo es Widerstände gibt. . 24 25 Daniel Tischer vom Manchester University’s Centre for Research on Socio-Cul- 26 tural Change untersucht im deutsch-britischen Vergleich, welche Antwort ko- 27 operativ und ethisch wirtschaftende Banken auf die Finanzkrise geben können. 28 In der Krise gewannen alternative Institute Kunden hinzu, doch sie waren mit 29 denselben Einschränkungen durch regulatorische Eingriffe konfrontiert wie die 30 herkömmlichen Banken. Daniel Tischer will die Position der alternativen Ban- 31 ken in ihrem jeweiligen nationalen Kontext und im neuen internationalen Sys- 32 tem bestimmen. Er erhofft sich Anstöße für sozial und wirtschaftlich sinnvolle 33 Alternativen zum traditionellen Bankenwesen und für deren Regulierung. 34 35 Rami Zeedan aus Haifa geht der Frage nach, was Kommunalregierungen stabil 36 macht. Dabei untersucht er die lokale Politik, die nationale Politik und den jewei- 37 ligen sozioökonomischen Rahmen. Das Projekt soll wirtschaftliche und politi- 38 sche Reformen auf lokaler Ebene, aber in globaler Perspektive anregen. Ziel ist 39 eine Erneuerung der Beziehung zwischen Zentral- und Lokalregierungen, die es 40 den Gemeinden ermöglicht, ihren Bürgern verlässliche Leistungen anzubieten. 41 42 Olga Ulybina vom Cambridge Central Asian Forum, University of Cambridge, 43 unterzieht die Forstwirtschaft in Zentralasien einer näheren Betrachtung. Die 44 Region blüht seit dem Ende des Sowjetsystems wirtschaftlich und politisch auf, 45 internationale Entwicklungsagenturen treten auf den Plan. Olga Ulybina unter- 46 sucht einen der Schlüsselbereiche internationaler Förderung: die Forstwirt- 47 schaft. Sie will die Ergebnisse der internationalen Programme studieren, die 48 dezentrale Projekte fördern. Sie erhofft sich Antworten auf die Frage, wie demo- 49 kratischer Wandel durch die Unterstützung lokaler Initiativen möglich ist. 50 51 Mit einer demokratietheoretischen Frage beschäftigt sich Josef Hien vom Köl- 52 ner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Indem er die Hinwendung 53 der Christdemokratie zu liberaleren Wirtschaftsvorstellungen analysiert, will 54 Josef Hien Erkenntnisse über das Verhältnis von Religion und Politik gewinnen. 55 Bedeutet die Liberalisierung der christlichen Demokraten eine Abwendung vom 56 Katholizismus hin zum Protestantismus, der schon immer dem Ordoliberalis- 57 mus verpflichtet war? Oder passen sich die Christdemokraten damit der Globa- 58 lisierung an, die politischen Akteuren immer weniger Macht gegenüber den Gabriele Kammerer ist Medienreferentin im Referat 59 Märkten einräumt? Information und Kommunikation des WZB. 60 61 62 63 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 41 68 69 70 1 2 Markt, Mensch, Verbrechen 3 4 5 Vince Gilligan, Erfinder der TV-Serie 6 7 8 Breaking Bad, zu Gast im WZB 9 10 Paul Stoop 11 12 13 14 15 Fernsehen? Ja richtig: Fernsehen. Und zwar eine Fernsehserie, nicht immer ein 16 kulturell gehobenes Genre. Im WZB, wo sonst über Theorien und Methoden, über 17 Forschungsdesign und Empirie gesprochen wird, war am 26. August TV-Zeit. Zu 18 Gast war der Erfinder und Produzent der im Januar 2008 gestarteten amerika- 19 nischen Serie Breaking Bad, Vince Gilligan, deren letzte Staffel gerade angelau- 20 fen ist. 21 22 Für Fans der Serie, die im Laufe der Jahre ein großes internationales Publikum 23 gewann, war es egal, wo Gilligans einziger öffentlicher Auftritt in Deutschland 24 stattfand. Für Steffen Huck, Direktor der WZB-Abteilung Ökonomik des Wandels, 25 gab es aber außer seiner persönlichen Begeisterung für BrBa einen wissen- 26 schaftlichen Grund, Gilligan einzuladen. „Breaking Bad ist wie ein sozialwissen- 27 schaftliches Laboratorium“, sagte Huck in seiner Einführung. „Es geht um sozia- 28 le Beziehungen, ökonomische Rahmenbedingungen, um Entscheidungen des 29 Einzelnen und um moralischen Wandel.“ In den Wirtschaftswissenschaften sei 30 die Vorstellung nicht mehr beherrschend, der Mensch verhalte sich durchweg 31 rational und sei kalkulierbar, weil er sich nicht wesentlich verändert. „Der Che- 32 mielehrer Walter White, der nach seiner Krebsdiagnose beschließt, die ökonomi- 33 sche Zukunft seiner Familie durch den Einstieg in die Drogenproduktion zu si- 34 chern, wandelt sich dramatisch.“ Und Whites aktiver Eintritt in den Drogenmarkt 35 schaffe ganz neue Bedingungen. „Experimente wie die von WZB-Fellow Nora 36 Szech zeigen, dass Menschen gegen ihre eigentlichen Überzeugungen handeln, 37 wenn sie sich in einer Marktsituation befinden“, sagte Huck. 38 39 Die wissenschaftliche Herangehensweise an das Markt- und-Entscheidungs- 40 Thema leuchtet Gilligan ein. Sein Film handele vom Wandel, sagte er. Nicht nur 41 die Hauptfigur Walter White entwickele sich weiter, sondern auch dessen Frau 42 Skyler, die von einem bestimmten Zeitpunkt an Walters kriminelle Geschäfte 43 deckt, oder auch Jesse Pinkman, der White alias „Heisenberg“ assistiert und am 44 Ende aussteigt, erschüttert durch die Gewaltverbrechen, derer sich die unglei- 45 chen Drogenköche und -dealer schuldig gemacht haben. Aber TV ist nicht The- 46 orie oder Experiment, es ist ein visuelles Medium, in 47 dem dann auch, wie der emeritierte Opernintendant 48 Sir Peter Jonas als dritter Dialogpartner in der Runde 49 bemerkt, Wandel auch in manchen charakteristischen 50 Details zum Ausdruck kommt – etwa in der zuneh- 51 menden Zahl kurzgeschorener Männerköpfe in der 52 ­Serie. 53 54 Breaking Bad, eine dramatisierte Darstellung der ame- 55 rikanischen Gesellschaft? Kapitalismuskritik? Auch bei 56 diesen Fragen zögert der Erfinder und Chefproduzent 57 der Serie. „Es kommen grundlegende Probleme der 58 amerikanischen Gesellschaft zur Sprache, nicht zuletzt 59 das Gesundheits- und das Rechtssystem. Wer nicht 60 reich ist, hat keine Chance. Aber im Vordergrund ste- 61 hen doch der einzelne Mensch und seine Wandlungen“, 62 beharrt Gilligan. „Die Serie ist eine Charakterstudie, die 63 Darstellung eines Mannes, der sich extrem wandelt - 64 Sir Peter Jonas, früherer Opernintendant und bekennender TV-Series-Fan zum Negativen.“ 65 66 67 68 42 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Walter White musste nicht kriminell werden. Er hatte 1 die Chance auf einen nichtkriminellen Ausweg aus sei- 2 ner Zukunftspanik, als seine ehemalige Freundin Gret- 3 chen – reich geworden mit der Firma, aus der White 4 vor vielen Jahren gegen ein Trinkgeld Abschied nahm 5 – die Übernahme seiner Krebstherapie anbot. „Thanks 6 … but no thanks“, antwortete er auf das großzügige An- 7 gebot. Die Chance war vertan, White entschied sich für 8 den Weg des Verbrechens. 9 10 White geht seinen Weg, konsequent und kompetent. 11 Konsequent ist er als Lügner, der seine Taten als wohl- 12 tätiges Werk für die Zukunft seiner Familie rationali- 13 siert: „Es sind Lippenbekenntnisse zu den Familienwer- 14 ten, die wir dauernd von White hören“, sagt Gilligan. 15 Das Lügen und seine Tarnung sind die Eigenschaften, 16 die er am besten beherrscht. Kompetent ist der Che- 17 mielehrer als Drogenproduzent, der dem Markt ein im- Vince Gilligan, Produzent, Drebuchautor, Regisseur [Fotos: Peter Himsel] 18 mer reineres Produkt liefert. Verbrecherischer Ehrgeiz, 19 Perfektionismus und Größenwahn bestimmen sein Leben, und Männlichkeits- 20 wahn. „Ein Mann muss seine Familie versorgen“, redet White sich ein - eine 21 Einstellung, in der ihn sein Großabnehmer Gus Fring, der ihn zeitweise prak- 22 tisch angestellt hat, bestärkt. Es ist die Psychologie von Marktteilnehmern im 23 Kampf um Profit, Marktanteile, Absatzgebiete. 24 25 Applaus im WZB für einen nach- und mitdenkenden Serienentwickler, Produ- 26 zent und Regisseur, der mit einem herausragenden Team von Autoren, Musikex- 27 perten und Requisiten-Managern in die letzte kurze Saison geht. Es durfte spe- 28 kuliert werden, ob White am Ende der letzten Staffel entkommt, nachdem sein 29 Schwager, der Drogenfahnder Hank Schrader, ihm auf die Schliche gekommen 30 ist. Das wurde nach dem Dialog vor vollem Haus denn auch kräftig getan. Über- 31 lebt White? Spekulationen machten unter den Zuhörern die Runde. Gretchen, die 32 eine bisher nur vage angedeutete Rolle in der Vorgeschichte Walter Whites ge- 33 spielt hat, könnte eine Schlüsselrolle spielen. Walter White, wenn er denn nicht 34 durch den Krebs zu Tode käme, könnte aber auch in einer ironischen Wendung 35 durch einen läppischen Alltagsunfall sterben. Oder von seinem Sohn Walter Jr., 36 der von Autos begeistert ist, versehentlich überfahren werden. 37 38 Alles möglich – Vince Gilligan schweigt natürlich. Er arbeitet an der Idee einer 39 neuen Serie rund um die Figur des agilen Rechtsanwalts Saul Goodman herum 40 (“Better call Saul“). Aber da könnte im Kontext des globalen Wettbewerbs und 41 angesichts der menschlichen Möglichkeiten zum Guten und zum Bösen wohl 42 noch allerlei dazwischen kommen. 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 Zum Mitschnitt der Veranstaltung: 63 http://www.youtube.com/WZBlive Steffen Huck, Direktor der WZB-Abteilung Ökonomik des Wandels 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 43 68 69 70 Aus dem WZB Konferenzberichte

Bleibend aktuell: Subsidiarität am WZB, das Subsidiaritätsprinzip als elemen- tar für Gegenwart und Zukunft des demokrati- Patrick J. Droß und Christian Schreier schen Gesellschaftsmodells. Aktuelle Zentrali- sierungstendenzen ständen einer selbstver- antwortlichen Bürgergesellschaft entgegen. Räume gesellschaftlicher Selbstorganisation Tagung „Subsidiarität als Zukunftsmodell“, 14. würden zunehmend politisiert und damit ver- Juni 2013, veranstaltet vom WZB und der Hans staatlicht. Böckler Stiftung, organisiert von der WZB- Projektgruppe Zivilengagement, dem Maece- Traditionell ist das Subsidiaritätsprinzip in nata Institut an der Humboldt-Universität zu Deutschland fest in der Sozialgesetzgebung Berlin und dem Zentrum für zivilgesellschaft- verankert und bildet damit ein zentrales Kon- liche Entwicklung Freiburg/Hamburg. stitutionsprinzip des Dritten Sektors. Die his- torischen Ursprünge seiner Verwirklichung Der Charakter des Staats wandelt sich, die Zi- in der Sozialpolitik sieht Thomas Klie, Zent- vilgesellschaft entwickelt sich weiter. Was be- rum für zivilgesellschaftliche Entwicklung deutet das für das Subsidiaritätsprinzip? Muss Freiburg/Hamburg, anders als gemeinhin an- es angepasst werden? Wie würde eine zeitge- genommen, bereits in den Reformationsbe- mäße, neu konzipierte Subsidiarität aussehen? wegungen der frühen Neuzeit. Gleichwohl Dies waren zentrale Fragen der Tagung „Subsi- wird das Subsidiaritätsprinzip zumeist der diarität als Zukunftsmodell“. In seiner enga- katholischen Kirche und ihrer Soziallehre zu- gierten Einführung bezeichnete Kurt Bieden- gerechnet. So hat Oswald von Nell-Breuning, kopf, ehemaliger Ministerpräsident des Landes katholischer Theologe, Sozialphilosoph und Sachsen und seit 2011 Forschungsprofessor Berater von Papst Pius XI., das Subsidiaritäts-

Nicht alles muss der Bund machen, nicht alles muss der Staat anbieten: Zivilgesellschaftliche Orga- nisationen übernehmen nach dem Konzept der Subsidiarität wichtige soziale und kulturelle Aufgaben auf lokaler Ebene. Das Kinderhilfswerk „Plan“ lud anlässlich seines 75. Geburtstags weltweit Kinder ein – in Hamburg spielten Kinder am Jubiläumstag im März 2012 in den Räumen des Musicals „König der Löwen“. [Foto: dpa / Daniel Bockwoldt]

44 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 prinzip als tragenden sozialphilosophischen wiesen und versucht diese mittels hochregu- 1 2 Grundsatz beschrieben: Was der Einzelmensch lierter Quasimärkte nutzbar zu machen. Drit- 3 aus eigener Initiative und seinen eigenen te-Sektor-Organisationen stehen infolgedes- 4 Kräften leisten kann, darf ihm nicht entzogen sen erheblich unter Veränderungsdruck. Die 5 und dem staatlichen Handeln zugewiesen Einführung marktförmiger Anreize löst struk- 6 werden. turelle Veränderungen aus (zum Beispiel in 7 Form wirtschaftlicher Ausgründungen). Die 8 9 Das Subsidiaritätsprinzip ist in Deutschland Organisationen richten ihr Tätigkeitsspektrum 10 ein Organisationsmuster, das vor allem dem stärker an ökonomischen Kriterien aus und 11 sozialen Bereich vorbehalten ist, führte Rupert setzen vermehrt auf betriebswirtschaftliche 12 Graf Strachwitz vom Maecenata Institut aus. In Arbeitsweisen. Gerade die aktuellen Formen 13 anderen Gesellschaftsbereichen, wie etwa der staatlicher Leistungsbewertung und -abrech- 14 Forschung und Bildung, sei es bis heute nicht nung tragen durch ihre starke Fokussierung 15 16 wirklich umgesetzt worden. Im Gegenteil, es auf Effizienzkriterien zu dieser Entwicklung 17 werde vielfach sinnverkehrt angewandt und bei, erläuterten Priller und Droß, unterschätzen 18 Privates nur dort zugelassen, wo der Staat den aber die Breite des Wirkungsspektrums und 19 Bedarf nicht decken kann. Der Staat hat sich die Nachhaltigkeit der Beiträge des Dritten 20 durch Spenden-, Zuwendungs- und Gemein- Sektors für die Gesellschaft. 21 nützigkeitsrecht immer mehr Eingriffs- und 22 23 Kontrollmechanismen geschaffen – bei gleich- Mit einer gewissen Skepsis gegenüber der Zu- 24 zeitigem Ruf nach mehr Bürgerengagement. kunftsfähigkeit des Subsidiaritätskonzepts nä- 25 Dies kommentiert Strachwitz als Zeichen, dass herte sich schließlich Sigrid Betzelt (Hochschu- 26 Zivilgesellschaft von staatlicher Seite in erster le für Wirtschaft und Recht Berlin) dem Thema 27 Linie als Ergänzungsfunktion zur Bereitstel- der Tagung. Bereits historisch sei im Subsidia- 28 lung preisgünstiger Dienstleistungen gesehen ritätskonzept ein paternalistisches Politikver- 29 30 wird. ständnis angelegt, das mit einem konservativen 31 Ehe- und Familienmodell und einer ge- 32 Wilhelm Schmidt, Präsident der Arbeiterwohl- schlechtsspezifischen Segmentation des Ar- 33 fahrt und des Deutschen Vereins für öffentli- beitsmarkts einhergeht und die Regeln gesell- 34 che und private Fürsorge, blickte durchaus schaftlicher Teilhabe stark an die 35 selbstkritisch auf die Rolle der Verbände. Er Erwerbstätigkeit koppelt. Im postindustriellen 36 verwies jedoch gleichermaßen auf die Grenzen Wohlfahrtsstaat stehe Subsidiarität nun vor al- 37 38 staatlicher Anforderungen bei der Ausgestal- lem für die Verantwortungsverlagerung vom 39 tung subsidiärer Strukturen. In diesem Zusam- Staat auf die Bürgerschaft bei der Absicherung 40 menhang sei etwa an den Wechsel von einer gegen soziale Risiken, sagte Betzelt. Das berge 41 institutionellen zu einer projektbezogenen die Gefahr wachsender sozialer Ungleichheiten. 42 Förderpraxis staatlicher Stellen oder an die Anstelle der gängigen sozialpolitischen Akti- 43 Einführung der Pflegeversicherung zu denken. vierungsrhetorik schlägt Betzelt daher den Be- 44 45 Derartige Entwicklungen haben dazu geführt, griff der „Autonomie“ als geeigneteres Konzept 46 dass die bürokratisch-korrekte Dokumentation zur Analyse des sozialstaatlichen Wandels und 47 oft wichtiger wird als die primäre Aufgabe des zugleich als neues Leitbild für einen modernen 48 Dienstes am Menschen. In den Verbandsgremi- Sozialstaat vor. Auch Susanne Kümpers (Hoch- 49 en wird daher sogar eine Umkehrung des Sub- schule Fulda) sieht starke Verbindungslinien 50 sidiaritätsprinzips diskutiert. Unter den gege- zwischen dem neuen Wohlfahrtsprinzip der 51 52 benen Umständen werden die Wohlfahrtsorga- Aktivierung und dem Subsidiaritätsverständ- 53 nisationen wohl künftig nicht mehr alle nis einer selbstverantwortlichen Bürgergesell- 54 sozialen Aufgaben übernehmen. schaft. Anhand von diskursiven Leitbildern zu 55 Gesundheit und Autonomie im Alter gab sie ei- 56 Auch Eckhard Priller und Patrick J. Droß (beide nen Einblick in ein konkretes Feld aktivieren- 57 WZB) konstatierten einen zunehmenden Wan- der Sozialstaatspolitik. 58 59 del im subsidiären Verhältnis zwischen Staat 60 und Drittem Sektor. Durch Veränderungen hin Zusammenfassend zeigte die Tagung, dass das 61 zu einer „neuen Staatlichkeit“ ist eine Praxis Thema Subsidiarität ausgesprochen aktuell ist 62 und Rhetorik der Indienstnahme der Dritte- und Kernfragen der zukünftigen Gestaltung 63 Sektor-Organisationen zu beobachten. Die Or- demokratischer Gesellschaften berührt, insbe- 64 ganisationen werden dadurch zu kompensato- sondere Fragen nach den Zuständigkeiten und 65 66 rischen Instanzen für ein staatlicherseits Verantwortlichkeiten bei der Bewältigung so- 67 finanziell begrenztes Wohlfahrtssystem. zialer Herausforderungen. Grundsätzlich be- 68 steht weiterer Klärungsbedarf zur Balance 69 Tanja Klenk (Universität Potsdam) bezeichnet zwischen öffentlichen und zivilgesellschaftli- 70 dies als Übergang vom „Wohlfahrtskorporatis- chen Kapazitäten. Es sind Fragen zu beantwor- mus zum Wohlfahrtsmarkt“: Zur Bewältigung ten, welche Seite wozu verpflichtet ist und neuer sozialer Risiken ist der Staat zunehmend welche Gestaltungsmacht und welche Ressour- auf die Ressourcen des Dritten Sektors ange- cen ihr dabei zukommen sollen.

WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 45 Rule of law beyond the nation ars today often adopt a much more critical view. There was broad agreement that contes- state tation and contestability are important ele- Monika Heupel ments for legitimate rules. In the discussion, however, views differed regarding the rela- tionship between coherence and fragmenta- tion of international law on the one hand and Workshop “The Rule of Law in Global Govern- the emergence of the rule of law beyond the ance”, 28 and 29 June 2013, organized by The- nation state on the other hand. Third, the diffu- resa Reinold, Monika Heupel, Gisela sion of the rule of law is shaped by the politics Hirschmann and Michael Zürn (research unit of legitimacy: Power holders try to legitimize Global Governance). Cooperation partner: Am- themselves by binding themselves to rule of sterdam Center for International Law law standards, but the ways how the rule of law is institutionalized in international institu- The rule of law is commonly closely associated tions often themselves lack procedural legiti- with the nation-state. As authority has started macy. Again, participants agreed on the impor- to shift from the national to the global level, so, tance of evaluating the mechanisms through too, has the rule of law. International organiza- which the rule of law emerges at the global tions, transnational corporations and non-gov- level, but differed as regards the normative ernmental organizations are today also expect- evaluation of specific mechanisms such as he- ed to abide by rule of law standards and gemonic or judicial law-making. increasingly take steps to meet such expecta- tions. This begs the question how rule of law standards diffuse, what causal mechanisms underlie this process, and how different public authorities interact in promoting the rule of Ein Anfang mit Vorgeschichte law in global governance. Simon Teune The conference addressed these issues in the- matic panels which covered different dimen- sions of the subject matter: the contribution of secondary rules to promoting the rule of law Auftaktkonferenz „Viel Bewegung – wenig beyond the nation-state; the increasingly com- Forschung?“ des Instituts für Protest- und Be- mon demand upon international organizations wegungsforschung am 19. und 20. Juni im to comply with international human rights WZB standards; the relationship between accounta- bility and the international rule of law; and the Braucht die Welt noch ein Forschungsinstitut? downward and upward diffusion of the rule of Für die Wissenschaftler und Wissenschaftle- law, focusing on processes of contestation at rinnen, die eine solche Einrichtung gründen the national level. Three panels directly related wollen, stellt sich diese Frage in der Regel to projects that are currently conducted at the nicht. Aber wie sehen das Außenstehende? Am WZB and the Amsterdam Center for Interna- 19. und 20. Juni 2013 fand die Auftaktkonfe- tional Law (ACIL), namely the projects “Interna- renz des Instituts für Protest- und Bewegungs- tional Organizations and the Violation of Fun- forschung (ipb) statt, das nach dem Ende dieses damental Rights of Individuals” (WZB), “Rule of Forschungszweigs am WZB mit Unterstützung Law Promotion and Legalization beyond the von WZB und TU Berlin entsteht. Auf der Konfe- Nation-State” (WZB) and “Interfaces between renz sollten Sinn und Ausrichtung des Instituts International and National Legal Orders” (ACIL). diskutiert werden. Dazu waren im Geist der public sociology nicht nur einschlägig arbeiten- The debate highlighted several themes that de Forscherinnen ins WZB eingeladen, sondern played a role in many of the papers presented auch Interessierte, die in anderen Bereichen at the conference. First, the concepts of mul- tätig sind, etwa in der politischen Bildung, in ti-level and multi-polar governance can help den Medien oder in politischen Initiativen. account for the various actors and dynamics relevant for the diffusion of the rule of law be- Beim Nachdenken über die Rolle der Wissen- yond the nation-state. The contributions point- schaft in der gesellschaftlichen Diskussion ed to the effects of national law and institu- über Proteste und soziale Bewegungen man- tions for changing international law. Second, gelte es nicht an aktuellen Bezügen – von der the emergence of the rule of law in global gov- Einschränkung der Demonstrationsfreiheit bei ernance is not a functional response to norma- den Blockupy-Protesten in Frankfurt bis zu tive needs but a heavily contested political den Auseinandersetzungen um den Istanbuler process. While ten years ago most researchers Gezi-Park. Unter dem Eindruck dieser Ent- were concerned with the question of how to wicklungen sprachen 120 Teilnehmer und Teil- make international law more effective, schol- nehmerinnen in verschiedenen Foren über ein

46 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 solches Institut und die Ansprüche, die sie dar- Einfluss auf das öffentliche Bild von Protesten 1 2 an haben. Der Andrang wäre noch größer ge- und Protestierenden. 3 wesen, wenn es die räumlichen Kapazitäten 4 des WZB erlaubt hätten: 70 weiteren Interes- Die Diskussionen der Tagung haben einmal 5 sierten musste das Organisationsteam absa- mehr deutlich gemacht, dass Wissenschaft kein 6 gen. wertfreies Unterfangen ist, das sich von den 7 Diskussionen in anderen gesellschaftlichen Be- 8 9 Das offene Format der Tagung spiegelte pro- reichen abkoppeln kann. Ob beabsichtigt oder 10 grammatisch die Ausrichtung des Instituts wi- nicht, bestimmen Forscherinnen und Forscher 11 der. Protestforschung wird von den Initiatorin- die Wahrnehmung und damit die Dynamik ih- 12 nen als öffentliche Wissenschaft verstanden res Gegenstands mit. Das bedeutet nicht, dass 13 und soll auch für Interessierte jenseits des die Eigenlogik der Wissenschaft, nämlich die 14 akademischen Felds zugänglich sein. Dieser methodisch kontrollierte und für Dritte nach- 15 16 Anspruch wurde am ersten Tag der Konferenz vollziehbare Analyse zugunsten einer dem Ak- 17 auch von den Teilnehmenden geäußert. In ei- tualitätsfetisch gehorchenden Kommentierung 18 nem World Café wurden deren unterschiedliche aufgegeben werden sollte. Es gibt auch keinen 19 Blickwinkel auf Wissenschaft deutlich. Je nach Anlass, Allmachtsfantasien zu entwickeln und 20 Perspektive soll Protestforschung für Medien daran zu glauben, dass die Entwicklung des Pro- 21 aktuelle Entwicklungen einordnen, For- testgeschehens von der eigenen Analyse ab- 22 23 schungsergebnisse für die politische Bildung hängt. Aber die öffentliche Rolle der Wissen- 24 zielgruppenorientiert übersetzen und Protest- schaft verlangt den Forschern und Forscherin- 25 gruppen die Reflexion der eigenen Praxis er- nen wenigstens ab, die Ausrichtung ihrer 26 möglichen. Arbeit zu reflektieren und sich der potenziellen 27 Wirkung von Äußerungen bewusst zu sein. 28 Die Vorstellungen über die Ausrichtung des In- 29 30 stituts variierten dabei zwischen einer ein- Nicht nur die gesellschaftliche Rolle von Wis- 31 greifenden Forschung zugunsten derer, die in senschaft, sondern auch die Veränderung ihres 32 politischen Kämpfen aktiv sind, bis zu einer Gegenstands erfordern Antworten des entste- 33 distanzierten Expertise. Einigkeit bestand al- henden Instituts. Diskussionen dieser Art be- 34 lerdings darüber, dass die Reflexion über die stimmten den zweiten Tag der Konferenz. So 35 eigene Position in der Forschung unerlässlich hat etwa die Digitalisierung die Organisation 36 sei. In der Medienberichterstattung zum Bei- und Mobilisierung von Protest verändert. Wo 37 38 spiel wird Protestforschern die privilegierte früher langlebige Organisationen und Netz- 39 Rolle der „Experten“ eingeräumt. In einem Feld, werke ihr Umfeld zu Demonstrationen aufrie- 40 das an gesicherten empirischen Informatio- fen, entstehen Proteste heute zunehmend aus 41 nen eher arm ist, haben sie damit durchaus spontanen Zusammenschlüssen, die sich um 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

Proteste beeinflussen öffentliche Debatten und Meinungsbildungsprozesse, langfristig auch gesell- schaftliche Einstellungen und die Politik. In Indien protestierten Aktivisten im Juni 2013 gegen die verbreitete Duldung sexualisierter Gewalt gegen Frauen. [Foto: picture alliance/dpa]

WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 47 Facebook-Gruppen oder Twitter-Hashtags keinen dauerhaften Ort und bleibt auf die Initi- gruppieren. Das hat nicht nur Auswirkungen ative Einzelner angewiesen. auf die Strategiefähigkeit sozialer Bewegun- gen, sondern auch auf Beziehungen zwischen Das Institut für Protest- und Bewegungsfor- den Protestierenden. schung soll ein Schritt sein, um diesen Mangel zu beheben. Die Initiative zur Gründung des Der Titel der Tagung legt nahe, dass der Pro- Instituts strebt eine enge Kooperation mit den testforschung angesichts der jüngsten Protest- an verschiedenen Orten verstreut forschen- wellen von Stuttgart 21 über den arabischen den Kolleginnen und Kollegen an. So kann die Frühling bis zu den Platzbesetzungen der Stoff Sichtbarkeit dieses Forschungszweigs erhöht nicht ausgeht. Nach wie vor klafft eine Lücke und der wissenschaftliche Nachwuchs unter- zwischen dem Bedürfnis, solche Prozesse zu stützt werden. Dass es einen Bedarf an einer verstehen und den Kapazitäten für systemati- engeren Zusammenarbeit gibt, war auf der sche Analysen. Angesichts der komplexen Dy- Auftaktkonferenz Konsens. namik einer Politik „von unten“ und der rasan- ten Veränderungen, denen sie unterliegt, war Das Programm, ein ausführlicher Konferenzbe- für die Teilnehmenden die Notwendigkeit ver- richt und die Aufzeichnung der Podiumsdis- stärkter Forschung zu diesen Themen offen- kussion „Konflikte in der Stadt“ finden sich auf sichtlich. Zurzeit hat sie an Universitäten und der Internetseite des ipb: außeruniversitären Forschungseinrichtungen www.protestinstitut.eu/auftaktkonferenz

48 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 der Fakultät für Soziologie der len finanziellen Regulierung, Vom 1. Oktober bis 30. No- Universität Bielefeld, ist von der politischen Ökonomie der vember 2013 wird Rainer Mai bis Dezember 2013 Gast industriellen Innovation und Schmalz-Bruns, Professor für Personen in der Forschungsgruppe Wis- dem Management der globa- Politikwissenschaft an der senschaftspolitik. Sie wird an len Risiken beschäftigen. Leibniz Universität Hannover, dem vom Bundesministerium Gast in der Abteilung Global für Bildung und Forschung Professor George Pavlich Ph.D., Governance sein. Er forscht zu geförderten Projekt „Die Her- Inhaber des Research den Themen „Internationale stellung und Darstellung von Chair in Social Theory, Culture Institutionen und transnatio- Wissen unter Medialisierungs- and Law und Professor of Law naler Konstitutionalismus“ so- Gastwissenschaftler bedingungen“ arbeiten. Ihre and Sociology an der Univer- wie zur europäischen Integ- Forschungsinteressen liegen sity of Alberta, wird als Gast ration und zu Demokratiethe- in der Wissenschaftsforschung. des Rule of Law Center, im orien. Am WZB wird er neben Ayca Arkilic ist von September Ein besonderer Schwerpunkt September und Oktober 2013 der Zusammenarbeit mit der 2013 bis Januar 2014 Gast der ist die wissenschaftliche Pub- mit Professor Mattias Kumm, Abteilung Global Governance Abteilung Migration, Integrati- likationspraxis im fachkultu- Forschungsprofessur Rule of insbesondere mit dem Brü- on, Transnationalisierung. Sie rellen Vergleich. Law in the Age oft Globalizati- ckenprojekt „Die politische ist Doktorandin an der Uni- on, zusammenarbeiten. Soziologie des Kosmopolitis- versity of Texas at Austin und Professor Carlos Huneeus, In- mus und des Kommunitaris- arbeitet während ihrer Zeit stituto de Estudios Internaci- Constanza Sanhueza Petrar- mus“ kooperieren. am WZB an ihrer Dissertation. onales, Universidad de Chile, ca wird vom 15. Juli bis 31. Sie beschäftigt sich dabei mit ist im September 2013 Gast Dezember 2013 Gast in der Berufungen vergleichender Politikwissen- der Abteilung Demokratie und Emmy-Noether-Nachwuchs- schaft und untersucht, wie Demokratisierung. Sein For- gruppe Einwanderungspolitik sich die Konfrontation oder schungsthema lautet „Transi- im Vergleich, geleitet von Dr. Dr. Marc Helbling, Leiter der Konvergenz von Regierungs- tion from Autocratic Rule and Marc Helbling, sein. Während Emmy-Noether-Nachwuchs- politik in der Türkei und in den Ensuing Democratic Consoli- ihrer Zeit am WZB wird sie an gruppe Einwanderungspolitik jeweiligen Gastgeberländern dation within the Framework ihrer Dissertation arbeiten, in im Vergleich, wurde als Mit- auf türkisch-muslimische Ge- of Democracy and Democrati- glied des Lehrkörpers der Ber- meinschaften in Deutschland zation, with a Focus on Latin lin Graduate School of Social und Frankreich auswirkt. Im America“. Sciences (BGSS) an der Hum- Fokus steht insbesondere die boldt-Universität zu Berlin Frage, wie Verbindungen zum Jenny Oltersdorf, M. A., wissen- aufgenommen. Er erwirbt da- Herkunftsland den Willen der schaftliche Mitarbeiterin an mit das Recht, im Rahmen der

Migrantinnen und Migranten der Fakultät für Soziologie an Inge Weik-Kornecki] [Foto: Promotionsordnung der Phi- zur Integration beeinflussen der Universität Bielefeld, ist losophischen Fakultät III der und wie sich diese angesichts von Mai bis Dezember 2013 Humboldt-Universität Dokto- entgegengesetzter politischer Gast in der Forschungsgrup- randen zur Promotion zu füh- Entscheidungen in Gastgeber- pe Wissenschaftspolitik. Sie ren. und Herkunftsland positionie- hat Informationswissenschaft Constanza Sanhueza Petrarca ren. und evangelische Theologie Dr. Dagmar Simon, Leiterin an der Humboldt-Universität der sie sich mit der Frage der der Forschungsgruppe Wis- Janin Bredehoeft, M. A., Dok- zu Berlin studiert und wird in Repräsentation von Migran- senschaftspolitik, ist zur Ko- torandin im Department of dem vom Bundesministerium ten in den Parlamenten von Geschäftsführerin des TU-Cam- Political Economy, University für Bildung und Forschung Frankreich, Deutschland und pus EUREF, einem Institut der of Sydney, Australien, ist von geförderten Projekt „Die Her- Großbritannien auseinander- Technischen Universität Berlin, Juli bis November 2013 Gast stellung und Darstellung von setzt. berufen worden. Der TU-Cam- in der Forschungsgruppe Wis- Wissen unter Medialisierungs- pus entwickelt neue Formen senschaftspolitik. Sie hat Eu- bedingungen“ forschen. Professor Gary S. Schaal, Pro- der interdisziplinären Fort- ropastudien an der Hambur- fessor für Politische Theorie und Weiterbildung im Bereich ger Universität für Wirtschaft Von Mitte September bis Mit- an der Helmut-Schmidt-Uni- der Energie-, Infrastruktur- und Politik studiert und Inter- te Dezember 2013 erhält Pro- versität der Bundeswehr Ham- und Mobilitätsforschung und nationale Beziehungen an der fessor Louis Pauly, Research burg, wird von Anfang August widmet sich vor allem innova- Macquarie University, Sydney. Chair in Globalization and bis Ende September 2013 Gast tiven Formen der Kooperation Sie ist Stipendiatin des „WZB- Governance und Professor der Abteilung Demokratie und zwischen Wissenschaft und Sydney-Scholarship“-Aus- of Political Science an der Demokratisierung sein. Seine Wirtschaft. tauschprogramms und arbei- Munk School of Global Af- Forschung widmet sich ins- tet an ihrer Dissertation zum fairs, University of Toronto, besondere den Themen der Professor Michael Zürn, Di- Thema „The Transformation of Kanada, die diesjährige Karl- Postdemokratie und der „Digi- rektor der Abteilung Global the University System and its W.-Deutsch-Professur. Er ist tal Humanities“ (Text-Mining). Governance, wurde von der Impact on Academic Labour“. während seines Aufenthalts Während seines Aufenthalts Versammlung der Kuratoren in Berlin Gast der Abteilung am WZB wird er ein Paper zu des Instituts für Europäische Dr. Martina Franzen, wissen- Global Governance. Hier wird „e-Democracy“ schreiben. Politik (IEP) für weitere drei schaftliche Mitarbeiterin an er sich mit der internationa- Jahre zum Persönlichen Mit-

WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 49 1 glied des Wissenschaftlichen von karriererelevanten So- senschaftspolitik zum Thema mit sozialer Ungleichheit vor 2 Direktoriums gewählt. Eben- zial- und Führungskompe- „Entwicklung eines Evaluati- allem im Bildungsbereich, mit 3 falls wurde er von der Mitglie- tenzen im Mittelpunkt. Des onskonzepts für das Vorha- Konflikten zwischen ethni- 4 derversammlung der Deut- Weiteren hat sich Lena Hipp ben ‚Forschungscampus: Mo- schen Gruppen und Fremden- 5 schen Gesellschaft für Aus- erfolgreich für das Early Car- bility2Grid‘“. Er war bereits feindlichkeit sowie Methoden 6 wärtige Politik e.V. im Juni für eer Work and Family Scholars 2007/2008 wissenschaftlicher der empirischen Sozialfor- 7 drei Jahre in das Präsidium Program (ECS) des Work and Mitarbeiter in dieser For- schung auseinander. 8 der DGAP aufgenommen Family Researchers Network schungsgruppe und arbeitete 9 (WFRN) beworben. damals mit in dem Projekt Autumn Lockwood Payton, 10 Promotionen „Urteilsbildung im Peer Re- wissenschaftliche Mitarbei- 11 Justin Valasek Ph.D., wissen- view. Internationale Fallstudi- terin in der Abteilung Global 12 schaftlicher Mitarbeiter der en zur Evaluation von wissen- Governance, hat das WZB Ende 13 Jenny Oltersdorf, von Mai bis Abteilung Ökonomik des Wan- schaftlichen Einrichtungen“. 14 Dezember 2013 Gast in der For- dels, hat zusammen mit seiner Danach promovierte er an 15 schungsgruppe Wissenschafts- Koautorin Jenny Simon den der Universität Hannover zum 16 politik, hat am 9. Juli 2013 Klaus Liebscher Award der Ös- Thema „Leistungsorientierte 17 ihre Dissertation zum Thema terreichischen Nationalbank Vergütung in der Wissenschaft [Foto: Udo Borchert] [Foto: 18 „Publikationen: Funktion und erhalten. Der Preis wird an - Eine theoretische und empi- 19 Repräsentation – Präsenz von Nachwuchsökonomen verge- rische Analyse der neuen Pro- 20 Kommunikationskanälen der ben, die sich in ihrer Arbeit fessorenbesoldung“. 21 deutschen Kunstgeschichte in mit Themen der ökonomi- 22 bibliographischen Nachweis- schen und monetären Union Lukas Graf hat zum 1. Au- 23 instrumenten“ erfolgreich an sowie mit dem Europäischen gust 2013 das WZB verlassen, 24 der Humboldt-Universität zu Integrationsprozess ausein- um an der Université du Lu- Autumn Lockwood Payton 25 Berlin verteidigt. andersetzen. Der Titel des so xembourg eine Postdokto- 26 gewürdigten Papers lautet randenstelle in Sociology of August 2013 verlassen, um an 27 Matthew D. Stephen, wissen- „Efficient Fiscal Spending by Education anzutreten und im der Alfred University, New 28 schaftlicher Mitarbeiter der Supranational Unions“. Bereich „Education & Soci- York State, eine Position als 29 Abteilung Global Governance, ety: Historical, Political, and Assistant Professor zu über- 30 hat am 1. Juli 2013 seine Dis- Personalien Sociological Perspectives“ zu nehmen. 31 sertation zum Thema „Pivotal forschen. Am WZB arbeitete er 32 Rising Powers: India, Brazil, von 2008 an in der Abteilung Yann Lorenz, M. A., arbeitet 33 South Africa and Contestation Mareike Alscher hat ihre Tätig- Ausbildung und Arbeitsmarkt seit Juni 2013 als wissen- 34 in Global Governance“ erfolg- keit als wissenschaftliche Mit- und seit 2009 in dem Projekt schaftlicher Mitarbeiter in der 35 reich verteidigt. arbeiterin in der Projektgrup- „Internationalization of Voca- Schumpeter-Nachwuchsgrup- 36 pe Zivilengagement zum 31. tional and Higher Education pe Positionsbildung in der EU- 37 Alexandros Tokhi, wissenschaft- Juli 2013 beendet. Sie hat die Systems in Transition“. Im Kommission. Als studentische 38 licher Mitarbeiter der Abtei- Arbeit als wissenschaftliche Zentrum seiner Dissertation Hilfskraft arbeitete er bereits 39 lung Global Governance, hat Mitarbeiterin am Wirtschafts- stand die Frage nach den ins- von Januar 2011 bis März 40 seine Dissertation zum Thema und Sozialwissenschaftlichen titutionellen Bedingungen für 2013 in dem Projekt mit. 41 „The Credibility of Authorita- Institut der Hans Böckler Stif- die Schaffung erhöhter Durch- 42 rian Commitments. WMD Non- tung (WSI) im August 2013 lässigkeit zwischen (dualer) Theresa Reinold, wissen- 43 proliferation Compliance in the Berufsausbildung und Hoch- schaftliche Mitarbeiterin in 44 Middle East“ am 8. Juli 2013 er- schulbildung in Deutschland, der Abteilung Global Gover- 45 folgreich verteidigt. Österreich und der Schweiz. nance, ist vom 1. September 46 Er beschäftigte sich in diesem 2013 bis zum 31. Mai 2014 47 Zusammenhang u.a. mit den Hauser-Fellow an der New

Ehrungen / Preise Udo Borchert] [Foto: 48 Auswirkungen gegenwärtiger York University. Sie wird sich 49 Europäisierungsprozesse im dort mit dem Thema „Rule of 50 Lena Hipp Ph.D., Leiterin der Bildungsbereich. Law in African Regionalism“ 51 Nachwuchsgruppe Arbeit und beschäftigen. Ab Juni bis Ende 52 Fürsorge, ist in das Fast-Track- Joscha Legewie Ph.D. ist seit 2014 wird sie als A.SK-Fellow 53 Programm für Nachwuchswis- dem 1. Juli 2013 wissen- ihre Forschungen am WZB in 54 senschaftlerinnen der Robert schaftlicher Mitarbeiter in der der Abteilung Global Gover- Mareike Alscher 55 Bosch Stiftung aufgenommen Abteilung Ungleichheit und So- nance fortsetzen. 56 worden. Fast Track unterstützt begonnen und wird dort an zialpolitik. Zuvor war er Ph.D.- 57 herausragende Wissenschaft- ihrer Dissertation zum Thema Student an der Columbia Uni- Matthew Stephen, wissen- 58 lerinnen darin, sich für eine „Engagement von Jugendli- versity und hat im Mai 2013 schaftlicher Mitarbeiter in der 59 Führungsaufgabe zu qualifi- chen“ weiterarbeiten. seine Dissertation zu dem Abteilung Global Governance, 60 zieren und fördert sie indivi- Thema „School Context, Peers wird von Anfang September 61 duell zwei Jahre lang. Neben Dr. Christoph Biester arbeitet and the Educational Achie- bis Anfang November 2013 62 strategischen Netzwerken und seit Juni 2013 als wissen- vement of Girls and Boys“ im Rahmen des WZB-Sydney- 63 einem Stipendium stehen vier schaftlicher Mitarbeiter in abgeschlossen. In seiner For- Fellowships an der University 64 Intensivseminare zum Erwerb der Forschungsgruppe Wis- schung am WZB setzt er sich of Sydney forschen. 65 66 67 68 50 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 glied des Wissenschaftlichen von karriererelevanten So- senschaftspolitik zum Thema mit sozialer Ungleichheit vor Nora Szech, Professorin für hen. Die Studie zeigt, dass Jürgen Richter Eine seiner Leidenschaften 1 Direktoriums gewählt. Eben- zial- und Führungskompe- „Entwicklung eines Evaluati- allem im Bildungsbereich, mit Industrieökonomik an der beim Handeln auf Märkten 1958 – 2013 war das kreative Arbeiten am 2 falls wurde er von der Mitglie- tenzen im Mittelpunkt. Des onskonzepts für das Vorha- Konflikten zwischen ethni- Universität Bamberg, wird ethische Werte untergraben Wenn WZB-Forscher ein be- Computer. Von Jürgen Rich- 3 derversammlung der Deut- Weiteren hat sich Lena Hipp ben ‚Forschungscampus: Mo- schen Gruppen und Fremden- als WZB-Fellow die Arbeit werden können. In einem nötigtes Buch nicht im ei- ters gestalterischem Talent 4 schen Gesellschaft für Aus- erfolgreich für das Early Car- bility2Grid‘“. Er war bereits feindlichkeit sowie Methoden des WZB begleiten, als Dia- genen Haus finden, hilft die hat das WZB immer wieder 5 wärtige Politik e.V. im Juni für eer Work and Family Scholars 2007/2008 wissenschaftlicher der empirischen Sozialfor- logpartnerin und assoziier- WZB-Bibliothek aus: Über die profitiert. Auch seine Sprach- 6 drei Jahre in das Präsidium Program (ECS) des Work and Mitarbeiter in dieser For- schung auseinander. tes Mitglied der von Steffen Fernleihe ist so gut wie jedes begabung war häufig gefragt, 7 der DGAP aufgenommen Family Researchers Network schungsgruppe und arbeitete Huck geleiteten Abteilung privat] [Foto: Werk irgendwo zu finden und wenn es galt, schwer zugäng- 8 (WFRN) beworben. damals mit in dem Projekt Autumn Lockwood Payton, Ökonomik des Wandels. Die zu besorgen. Seit vielen Jah- liche Literatur aus dem Aus- 9 10 Promotionen „Urteilsbildung im Peer Re- wissenschaftliche Mitarbei- Forscherin befasst sich vor ren war Jürgen Richter dann land zu finden und zu entlei- Justin Valasek Ph.D., wissen- view. Internationale Fallstudi- terin in der Abteilung Global allem mit Auktionstheorie, der hilfreiche Ansprechpart- hen. Zuletzt betreute Jürgen 11 schaftlicher Mitarbeiter der en zur Evaluation von wissen- Governance, hat das WZB Ende Wettbewerb und Marktver- ner im Bereich Bibliothek und Richter die Fernleihdienste in 12 13 Jenny Oltersdorf, von Mai bis Abteilung Ökonomik des Wan- schaftlichen Einrichtungen“. sagen. Sie arbeitet mit ortho- Nora Szech wissenschaftliche Information. der Bibliothek – und war mit Dezember 2013 Gast in der For- dels, hat zusammen mit seiner Danach promovierte er an doxen ebenso wie mit neuen Jürgen Richter war, mit nur we- seiner Beharrlichkeit, seinem 14 schungsgruppe Wissenschafts- Koautorin Jenny Simon den der Universität Hannover zum verhaltensökonomischen The- Experiment konnten Proban- nigen kurzfristigen Unterbre- Einfallsreichtum und seinem 15 politik, hat am 9. Juli 2013 Klaus Liebscher Award der Ös- Thema „Leistungsorientierte orien. Nora Szech verbindet den wählen zwischen einer chungen, kontinuierlich seit Spürsinn bei der Literaturbe- 16 ihre Dissertation zum Thema terreichischen Nationalbank Vergütung in der Wissenschaft Theorie mit experimentellen geringen Entlohnung und der Juni 1986 am WZB beschäftigt. schaffung die Rettung für For- 17 [Foto: Udo Borchert] [Foto: „Publikationen: Funktion und erhalten. Der Preis wird an - Eine theoretische und empi- Arbeiten. Vor kurzem erreg- Rettung einer Maus. Während dieser Zeit nahm er scherinnen und Forscher, die 18 Repräsentation – Präsenz von Nachwuchsökonomen verge- rische Analyse der neuen Pro- te sie mit dem Artikel „Mo- vor allem Aufgaben in der ein entlegenes Werk suchten. 19 Kommunikationskanälen der ben, die sich in ihrer Arbeit fessorenbesoldung“. rals and Markets“, gemein- WZB-Bibliothek wahr. Eine Am 18. Juni ist Jürgen Richter 20 deutschen Kunstgeschichte in mit Themen der ökonomi- sam mit Armin Falk verfasst Zeitlang war er auch im Pres- nach längerer Krankheit ge- 21 bibliographischen Nachweis- schen und monetären Union Lukas Graf hat zum 1. Au- und von Science veröffent- sereferat tätig. storben. 22 instrumenten“ erfolgreich an sowie mit dem Europäischen gust 2013 das WZB verlassen, licht, internationales Aufse- 23 24 der Humboldt-Universität zu Integrationsprozess ausein- um an der Université du Lu- Autumn Lockwood Payton Berlin verteidigt. andersetzen. Der Titel des so xembourg eine Postdokto- 25 gewürdigten Papers lautet randenstelle in Sociology of August 2013 verlassen, um an 26 Matthew D. Stephen, wissen- „Efficient Fiscal Spending by Education anzutreten und im der Alfred University, New 27 schaftlicher Mitarbeiter der Supranational Unions“. Bereich „Education & Soci- York State, eine Position als 28 Abteilung Global Governance, ety: Historical, Political, and Assistant Professor zu über- 29 30 hat am 1. Juli 2013 seine Dis- Personalien Sociological Perspectives“ zu nehmen. sertation zum Thema „Pivotal forschen. Am WZB arbeitete er 31 Rising Powers: India, Brazil, von 2008 an in der Abteilung Yann Lorenz, M. A., arbeitet 32 South Africa and Contestation Mareike Alscher hat ihre Tätig- Ausbildung und Arbeitsmarkt seit Juni 2013 als wissen- 33 in Global Governance“ erfolg- keit als wissenschaftliche Mit- und seit 2009 in dem Projekt schaftlicher Mitarbeiter in der 34 reich verteidigt. arbeiterin in der Projektgrup- „Internationalization of Voca- Schumpeter-Nachwuchsgrup- 35 pe Zivilengagement zum 31. tional and Higher Education pe Positionsbildung in der EU- 36 Alexandros Tokhi, wissenschaft- Juli 2013 beendet. Sie hat die Systems in Transition“. Im Kommission. Als studentische Politikfeld Internet - 37 licher Mitarbeiter der Abtei- Arbeit als wissenschaftliche Zentrum seiner Dissertation Hilfskraft arbeitete er bereits neue Projektgruppe am WZB 38 lung Global Governance, hat Mitarbeiterin am Wirtschafts- stand die Frage nach den ins- von Januar 2011 bis März 39 seine Dissertation zum Thema und Sozialwissenschaftlichen titutionellen Bedingungen für 2013 in dem Projekt mit. In der Politikwissenschaft wächst das Interesse 40 „The Credibility of Authorita- Institut der Hans Böckler Stif- die Schaffung erhöhter Durch- an der Frage, wie neue Politikfelder entstehen. 41 rian Commitments. WMD Non- tung (WSI) im August 2013 lässigkeit zwischen (dualer) Theresa Reinold, wissen- Ein neues Politikfeld, das auch in der öffent- 42 proliferation Compliance in the Berufsausbildung und Hoch- schaftliche Mitarbeiterin in lichen Diskussion als solches wahrgenommen 43 Middle East“ am 8. Juli 2013 er- schulbildung in Deutschland, der Abteilung Global Gover- wird, formiert sich um das Internet herum. Wie 44 folgreich verteidigt. Österreich und der Schweiz. nance, ist vom 1. September sich Internetpolitik auf der nationalen und in- 45 Er beschäftigte sich in diesem 2013 bis zum 31. Mai 2014 ternationalen Ebene herausbildet, wird vom 1. 46 Zusammenhang u.a. mit den Hauser-Fellow an der New Oktober 2013 an die neue WZB-Projektgruppe Jeanette Hofmann 47

Ehrungen / Preise Udo Borchert] [Foto: Auswirkungen gegenwärtiger York University. Sie wird sich Internet und Politik untersuchen. Zwei Dimen- [Foto: videobuero.de] 48 Europäisierungsprozesse im dort mit dem Thema „Rule of sionen stehen dabei im Vordergrund: Erstens Internet, Informationsgesellschaft und Wandel 49 Lena Hipp Ph.D., Leiterin der Bildungsbereich. Law in African Regionalism“ die Institutionalisierung von öffentlichen und des Urheberrechts forscht. Sie ist außerdem 50 Nachwuchsgruppe Arbeit und beschäftigen. Ab Juni bis Ende privaten Regulierungskompetenzen und ent- Direktorin des 2012 gegründeten Humboldt 51 Fürsorge, ist in das Fast-Track- Joscha Legewie Ph.D. ist seit 2014 wird sie als A.SK-Fellow sprechender Akteurskonstellationen; zweitens Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG), 52 Programm für Nachwuchswis- dem 1. Juli 2013 wissen- ihre Forschungen am WZB in die Verfestigung kollektiver Ideen, Problem- das vom WZB als Gründungsgesellschafter 53 senschaftlerinnen der Robert schaftlicher Mitarbeiter in der der Abteilung Global Gover- wahrnehmungen und politischer Diskurse. Die gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu 54 Mareike Alscher Bosch Stiftung aufgenommen Abteilung Ungleichheit und So- nance fortsetzen. Untersuchung von Internetpolitik verspricht Berlin und der Universität der Künste Berlin 55 worden. Fast Track unterstützt begonnen und wird dort an zialpolitik. Zuvor war er Ph.D.- einen allgemeinen konzeptionellen Beitrag zur getragen wird. 56 herausragende Wissenschaft- ihrer Dissertation zum Thema Student an der Columbia Uni- Matthew Stephen, wissen- Politikfeldanalyse und bietet empirische Be- 57 lerinnen darin, sich für eine „Engagement von Jugendli- versity und hat im Mai 2013 schaftlicher Mitarbeiter in der gleitforschung zu einem zunehmend wichtiger Jeanette Hofmann hat Politikwissenschaft an 58 Führungsaufgabe zu qualifi- chen“ weiterarbeiten. seine Dissertation zu dem Abteilung Global Governance, werdenden politischen Handlungsbereich. der Freien Universität Berlin studiert und war 59 zieren und fördert sie indivi- Thema „School Context, Peers wird von Anfang September eine der drei Gründerinnen der Projektgruppe 60 duell zwei Jahre lang. Neben Dr. Christoph Biester arbeitet and the Educational Achie- bis Anfang November 2013 Geleitet wird die Projektgruppe von Dr. Jea- Kulturraum Internet, die 1994 am WZB damit 61 strategischen Netzwerken und seit Juni 2013 als wissen- vement of Girls and Boys“ im Rahmen des WZB-Sydney- nette Hofmann, die bisher am WZB in der Ab- begann, eine sozial- und kulturwissenschaft- 62 einem Stipendium stehen vier schaftlicher Mitarbeiter in abgeschlossen. In seiner For- Fellowships an der University teilung Kulturelle Quellen von Neuheit zu den liche Perspektive auf das Netz zu entwickeln. 63 Intensivseminare zum Erwerb der Forschungsgruppe Wis- schung am WZB setzt er sich of Sydney forschen. Themen Global Governance, Regulierung des 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 51 68 69 70 1 2 3 Vorgestellt 4 5 6 Publikationen aus dem WZB 7 8 9 10 11 12 Die gelingende Energiewende Weert Canzler, 13 Andreas Knie Die Energiewende muss radikal neu gedacht und konse- 14 quent umgesetzt werden. Das fordern die Mobilitätsforscher Weert Canzler und 15 Andreas Knie. Dabei spielt die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle: Bürger, Initiativen, 16 Kommunen, Genossenschaften, kleine und mittlere Betriebe, die schon heute in er- 17 heblichem Umfang erneuerbare Energie erzeugen. Nur: Die Netze (Wärme, Strom und 18 Mobilität) müssen zu einem Gesamtsystem verknüpft werden. Energie muss dort ge- 19 speichert werden, wo sie produziert und dann gebraucht wird, anstatt sie aufwendig 20 durch das Land zu befördern, wie dies heute geschieht. Verkehr spielt dabei – als ein 21 Hauptverbraucher unserer Primärenergie – eine bisher zu wenig beachtete Rolle. 22 E-Autos, besonders Carsharing-Flotten, können auch als Speicher genutzt werden, 23 um bei Bedarf wieder Strom in die Netze abgeben und so zur Netzstabilität beitragen 24 zu können. Die Autoren präsentieren nicht nur Thesen und Analysen, sondern auch 25 verschiedene Zukunftsszenarien, die zeigen, wie das gesellschaftliche und private 26 Leben unter den Vorzeichen einer gelungenen Energiewende aussehen könnte. Weert 27 Canzler/Andreas Knie: Schlaue Netze. Wie die Energie- und Verkehrswende gelingt. 28 München: oekom verlag 2013. 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 Windkrafträder sind zum Symbol für die Energiewende geworden: ein Windpark neben dem 50 Leuchtturm Dicke Berta in Cuxhaven. [Foto: Bildagentur Huber, dpa/picture-alliance] 51 52 Wahlen und Wähler – Analysen zur Bundestagswahl 2009 53 54 Bernhard Weßels, Harald Schoen, Oscar W. Gabriel (Hg.) 55 Die Bundestagswahl 2009 war eine „ungewöhnliche Wahl“, schreiben die Herausgeber Bernhard 56 Weßels, Harald Schoen und Oscar W. Gabriel in ihrem Vorwort zu diesem Band. Es offenbarte sich nicht 57 nur eine Schwäche der großen Parteien mit massiven Stimmverlusten für CDU/CSU und SPD, sondern 58 auch die niedrigste Wahlbeteiligung aller bisherigen Bundestagswahlen. Die Beiträge des Bands prä- 59 sentieren neue Ergebnisse der Wahlforschung. Sie umfassen unter anderem Analysen zur Wahlbetei- 60 ligung, zur Rolle der Kandidaten, zu den Einstellungen der Wähler wie zu einzelnen Parteien. Weitere 61 Themen sind die Rolle von Wahlprogrammen und Koalitionspräferenzen. Deutlich wird, wie schwer 62 sich die CDU/CSU, vor allem aber die SPD damit taten, ihre Wähler zu mobilisieren, was den kleineren 63 Parteien wie den Grünen besser gelang. Außerdem wählten viele Wähler strategisch, und das Stim- 64 mensplitting zwischen Erst- und Zweistimme war weit verbreitet. Bernhard Weßels/Harald Schoen/ 65 Oscar W. Gabriel (Hg.): Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 2009. Wiesbaden: 66 Springer VS 2013. 67 68 52 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 1 Empfehlungen motivieren Spender Maja Adena, 2 Steffen Huck, Imran Rasul Karitative Organisationen empfehlen Spen- 3 dern oft eine bestimmte Beitragshöhe, wenn sie um Spenden für ein bestimmtes Projekt 4 werben. Welche Wirkungen haben aber solche Empfehlungen? Maja Adena, Steffen Huck 5 und Imran Rasul haben diese Frage in einem randomisierten Feldexperiment anhand eines 6 Spendenaufrufs der Bayerischen Staatsoper untersucht. Die Oper warb um die Unterstüt- 7 zung für ein Sozialprojekt, das Kinder und Jugendliche aus niedrigen Einkommensgruppen 8 für klassische Musik gewinnen will. Es wurden Spendenbriefe mit Spendenempfehlungen 9 von 100 und 200 Euro verschickt und solche ohne Angaben. Das Ergebnis ist: Höhere Emp- 10 fehlungen haben zur Folge, dass die durchschnittliche Spende der Opernbesucher höher 11 ausfällt. Allerdings gab es keinen signifikanten Effekt auf die Gesamthöhe der Spendenein- 12 nahmen. Maja Adena/Steffen Huck/Imran Rasul: Charitable Giving and Nonbinding. Contri- 13 bution-Level Suggestions. Evidence from a Field Experiment. WZB-Discussion-Paper SP II 14 2013-304, July 2013. 15 Geld gegen Zeit Marcel Raab, Thomas Leopold 16 Eltern sind im Alter oft auf die Hilfe ihrer erwachsenen Kinder angewiesen. Welches 17 Kind innerhalb einer Familie sich mehr um ein pflegebedürftiges Elternteil kümmert, 18 haben Marcel Raab und Thomas Leopold mit Hilfe amerikanischer Daten untersucht. 19 Offenbar spielen frühere Finanzspritzen der Eltern eine entscheidende Rolle. So sind 20 Kinder, die im Gegensatz zu ihren Geschwistern in den zurückliegenden zehn Jahren 21 von den Eltern größere Geldgeschenke (im Wert von 5.000 Dollar und mehr) erhalten 22 hatten, später eher bereit, für die Eltern da zu sein. Allerdings beschränkt sich die 23 Unterstützung auf Hilfe im Alltag; die Pflege der Eltern übernehmen diese Kinder auch 24 nicht häufiger. Thomas Leopold/Marcel Raab: „The Temporal Structure of Intergeneratio- 25 nal Exchange: A Within-Family Analysis of Parent-Child Reciprocity“. In: Journal of Aging 26 Studies, 2013, Vol. 27, No. 3, pp. 252-263. 27 Online-Debatten über Europa Pieter de Wilde, 28 29 Asimina Michailidou, Hans-Jörg Trenz Wie bewer- 30 ten Politiker und Bürger die Europäische Union und den europäischen Integrati- 31 onsprozess? Welche Anforderungen stellen sie an die demokratische Repräsen- 32 tation in der EU? Die Autoren haben öffentliche Debatten während der Wahlen 33 zum Europäischen Parlament im Jahr 2009 analysiert und über eine detaillierte 34 Inhaltsanalyse von Online-Medien die direkten Reaktionen der Bürger auf Nach- 35 richtenartikel erfasst. Die Analyse zeigt, welche Diskurse in den EU-Ländern 36 geführt werden, und gibt damit Aufschluss über den Grad der Euroskepsis in der 37 Europäischen Union. Pieter de Wilde, Asimina Michailidou, Hans-Jörg Trenz: Con- 38 testing Europe: Exploring Euroscepticism in Online Media Coverage. Colchester: 39 ECPR Press 2013. 40 Wie das Einkommen durch Jobverlust sinkt Martin Ehlert 41 Arbeitslosigkeit geht mit sinkendem Haushaltseinkommen einher. Doch welche gesellschaftlichen 42 Schichten sind besonders von Einkommensverlusten betroffen? Martin Ehlert vergleicht in seinem 43 Beitrag die Situation von Haushalten mit unterschiedlichen Einkommenssituationen in Deutschland 44 und den USA vor der Arbeitslosigkeit und deren Veränderung durch die Arbeitslosigkeit. Dabei unter- 45 sucht er, welche Rolle dabei der Arbeitsmarkt, die Haushaltskonstellation und der Wohlfahrtsstaat bei 46 der Abfederung der Verluste spielen. Ein Ergebnis ist: In den USA sind diejenigen am stärksten von 47 Einkommenseinbußen nach Arbeitsplatzverlusten betroffen, die vorher schon zum ärmeren Teil der 48 Bevölkerung gehörten. In Deutschland hingegen sind die Verluste in der Mittelschicht am stärksten 49 ausgeprägt. Zwar trifft in beiden Ländern der Jobverlust zunächst die unteren Einkommensschichten 50 härter, was auf ungünstige Arbeitsmarktchancen und Haushaltskonstellationen zurückgeführt werden 51 kann, doch in Deutschland gleicht der Wohlfahrtsstaat die Verluste der ärmeren Haushalte stärker aus. 52 Martin Ehlert: „Job Loss among Rich and Poor in the United States and Germany. Who Loses More In- 53 come“. In: Research in Social Stratification and Mobility, 2013, Vol. 32, Special Issue „Social Mobility and 54 Inequality in the Life Course. Exploring the Relevance of Context“, pp. 85-103. 55 56 57 58 59 60 61 62 63 Weitere Publikationen unter: wzb.eu/vorgestellt/pdf 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 53 68 69 70 1 2 3 Nachlese Das WZB 4 5 6 im Dialog: 7 8 9 Medien, Podien und 10 11 Begegnungen 12 13 Paul Stoop 14 15 16 17 18 19 20 Im WZB tut sich viel: öffentlich durch Publikationen, Vorträge Vorlese 21 und Diskussionen, auf wissenschaftlichen Fachkonferenzen 22 und in Workshops, durch persönlichen Austausch. WZB-For- Der Themenschwerpunkt der nächsten WZB-Mitteilungen, die 23 scherinnen und -Forscher bringen auf vielfältige Weise ihre Anfang Dezember erscheinen, ist „Migration und Integration“. 24 Expertise ein. Wir lassen einige Begegnungen, Stellungnah- 25 men und Reaktionen Revue passieren. 26 Eine Alternative zum Mikrokredit 27 28 Im Land der Bösen Das Modell der Mikrokredite, für das Muhammad Yunus 2006 29 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist nicht unumstrit- 30 Autonome seien die Autoren, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzen- ten. Die Abzahlung der kleinen Kredite könne die Kreditneh- 31 de Renate Künast Anfang August in Berlin bei einer Buchvor- mer wegen sehr hoher Zinsen in einer Situation der Abhän- 32 stellung. Gemeint waren die Forscher Andreas Knie (WZB/In- gigkeit belassen, lautet die Kritik. In Afrika, wo die durch Yunus 33 novationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, und seine Gramny Bank bekannt gewordenen Kredite keinen 34 InnoZ) und Weert Canzler (WZB), die mit dieser Charakterisie- großen Anklang gefunden haben, werden andere Modelle um- 35 rung gut leben können. Sie weiten die Energiediskussion, die oft gesetzt. Günther Schmid, emeritierter WZB-Direktor und Ar- 36 bei Einzelaspekten wie Kraftwerklaufzeiten, Förderungs- und beitsmarktforscher, engagiert sich gemeinsam mit seiner Frau 37 Steuerfragen stehen bleibt, erheblich aus. Die Energiewende Barbara Schmid-Heidenhain in der gemeinsam gegründeten 38 müsse mit einer Verkehrswende einhergehen. Ihre Vision von Stiftung Child Development Fund (childdevelopmentfund.com) 39 der Umsetzung der Energiewende formulierten Canzler und für die Verbreitung und Umsetzung der Idee „Sparen und Lei- 40 Knie in dem 130-Seiten-Buch „Schlaue Netze – Wie die Ener- hen“, vor allem in der Region um Mount Kenya. Die Stiftungs- 41 gie- und Verkehrswende gelingt“, erschienen im oekom Verlag gründer haben in einem Buch dieses Mikrofinanzierungsmo- 42 (s. auch Seite 52). Der Denkanstoß der beiden Forscher sei ein dell vorgestellt. Das Grundprinzip ist einfach: Eine Gruppe von 43 „schlauer Beitrag“, vorgebracht von selbstbewussten Autoren, Menschen ohne Kapital spart gemeinsam kontinuierlich kleins- 44 sagte Künast. „Im Untertitel heißt es nicht etwa, so ,könnte‘ die te Beträge, die sich zu beachtlichen Beträgen summieren. Damit 45 Energiewenden gelingen, sondern ganz einfach, dass sie gelin- können sich Mitglieder der Grupp Geld leihen, um zum Beispiel 46 gen wird.“ Künast hatte auch schon einen Vorschlag für den Tiere oder Getreide zu kaufen. Der Zinssatz ist bescheiden, der 47 Nachfolgeband: „Darin könnte näher ausgeführt werden, wie geliehene Betrag und die Zinsen können leichter zurückgezahlt 48 eine bessere Versorgungssicherheit dann auch für den Bürger werden, der Kapitalstock wächst, wenn die erstandenen Güter 49 bezahlbar gewährleistet werden kann“, und fügte hinzu: „Über mit Gewinn weiterverkauft werden. „Sparen und Leihen“ kann 50 die Energiefragen, durch kreative Netz-, Verkehrs- und Ener- die soziale Lage in ländlichen Regionen verbessern helfen. Es 51 giepolitik werden die Grünen dann ja auch stärker eine Wirt- gibt keine Abhängigkeit von wildfremden Gläubigern wie bei 52 schaftspartei.“ Ein Umdenken forderte Co-Autor Weert Canzler Mikrokrediten, stattdessen solidarisches und diszipliniertes 53 auch beim Selbstbild, das Deutschland von sich hat. In Umwelt- Ansparen und eine größere Unabhängigkeit des einzelnen Kre- 54 fragen spiele Deutschland überhaupt keine Vorreiterrolle: „Von ditnehmers. Das Buch „Sparen und Leihen“ von Günther Schmid 55 wegen! Wir sind nicht die Guten, sondern meist die Bösen. Aus- und Barbara Schmid-Heidenhain ist über editionpamoja.de zu 56 gerechnet Deutschland blockiert eine Reform des C02-Zertifi- bestellen (137 Seiten, 9,90 Euro). 57 katehandels. Und bei der Arbeit an der intelligenten Verknüp- 58 fung von Strom, Wärme- und Mobilitätsnetzen ist Japan schon 59 weit vorangeschritten.“ Neoliberalismus 60 61 Einen Blick auf Entwicklungen des neoliberalen Denkens in 62 den USA wirft Dieter Plehwe in einem Essay in der Frankfurter 63 Allgemeinen Zeitung (18. Juni 2013). Er knüpft dabei an kritische 64 Äußerungen des stramm konservativen Publizisten Ramesh 65 66 67 68 54 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 69 70 Ponnuru (American Enterprise Institute) an. Dieser hatte seiner Blog 1 Partei, den Republikanern, vor kurzem die Leviten gelesen: Sie 2 Die Abteilung Demokratie und Demokratisierung hat Ende Au- drohe in einer Orthodoxie zu erstarren, die den Staat als das 3 Nachlese Das WZB gust ein Blog gestartet. Aktuelle wie grundlegende Fragen der Grundübel betrachtet. In der Geschichte des neoliberalen Den- 4 Demokratie werden aus (politik-)wissenschaftlicher Perspekti- kens identifiziert Plehwe Phasen der Erneuerung wie des Still- 5 ve zur Diskussion gestellt. Ein erster Schwerpunkt wird zwar die im Dialog: stands. „Neoliberalismus“, schreibt Plehwe, „wurde eigentlich 6 Bundestagswahl sein, aber im WZB werden D&D-Fragen immer immer dann produktiv, wenn er sich um reale Probleme und 7 bezogen auf Entwicklungen in aller Welt: Diktaturen, hybride Widersprüche kapitalistischer Entwicklung kümmerte. Das gilt 8 Regime, Transitionsprozesse, Rule of Law auf allen Kontinenten Medien, Podien und für den ersten, sozialliberalen Neoliberalismus ebenso wie für 9 werden erforscht. Das Blog democracy.blog.wzb.eu/ gesellt sich den zweiten der Rechtsliberalen Hayek, Röpke, Friedman oder 10 zu dem schon länger aktiven Blog der WZB-Abteilung Kulturelle Buchanan. Die reflexartige Wiederholung veralteter Paradigmen 11 Begegnungen Quellen von Neuheit: culturalsourcesofnewness.net . lastet dagegen wie ein Alb auf der Debatte, weil sich der Kapita- 12 lismus nach wie vor dynamisch entwickelt.“ Paul Stoop 13 14 Umzug 15 Nachgefragt: Ökonomische WZB-Forschung 16 1988 war ein besonderes Jahr für das WZB. Damals bezog das 17 Gute Noten für das WZB. Discussion Papers und WZBriefe sind Institut, das nach der Aufbauphase in den 1970er Jahren auf 18 nicht nur über die eigene Website abzurufen, sie finden sich vier Standorte in West-Berlin verteilt war, erstmals ein ge- 19 auch auf dem Open-Access-Volltextserver EconStor, einem An- meinsames Gebäude: das ehemalige Reichsversicherungsamt Im WZB tut sich viel: öffentlich durch Publikationen, Vorträge Vorlese 20 gebot der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissen- am Landwehrkanal, das von den Architekten James Stirling und und Diskussionen, auf wissenschaftlichen Fachkonferenzen 21 schaften (ZBW). Und dort zeigt sich, dass das WZB, das ja kein Michael Wilford renoviert und um neue Gebäudeteile ergänzt und in Workshops, durch persönlichen Austausch. WZB-For- Der Themenschwerpunkt der nächsten WZB-Mitteilungen, die 22 reines Wirtschaftsforschungsinstitut ist, in der ersten Liga der wurde, die einen großen Innenhof umschlossen. In den letz- scherinnen und -Forscher bringen auf vielfältige Weise ihre Anfang Dezember erscheinen, ist „Migration und Integration“. 23 Wirtschaftswissenschaften mitspielt: Unter allen auf EconStor ten Jahrzehnten ist das WZB größer geworden, und nun ist der Expertise ein. Wir lassen einige Begegnungen, Stellungnah- 24 verfügbaren Dokumenten – insgesamt fast 60.000 – wurden die Raummangel so akut geworden, dass ein Ausweichen auf ande- men und Reaktionen Revue passieren. 25 WZB-Angebote im bisherigen Verlauf des Jahres 2013 (bis En- re Räume nötig wurde. Seit Mitte August hat die Forschungs- Eine Alternative zum Mikrokredit 26 deJuli) über 73.000 Mal abgerufen. Das ist der dritte Platz hinter gruppe Wissenschaftspolitik neue Büros auf dem Gelände des 27 dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (Bonn) mit fast Europäischen Energie-Forums (EUREF) am Schöneberger Gaso- Im Land der Bösen Das Modell der Mikrokredite, für das Muhammad Yunus 2006 28 170.000 und dem Institut für Weltwirtschaft (Kiel) mit 116.000 meter bezogen. Im Neubau mit dem Namen „Green Building“ mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist nicht unumstrit- 29 Downloads. Diese beachtlichen Werte erreicht das WZB mit ei- widmet sich die Gruppe Fragen der Wissenschaftsforschung. Autonome seien die Autoren, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzen- ten. Die Abzahlung der kleinen Kredite könne die Kreditneh- 30 ner bescheidenen Zahl an Dokumenten: Jeder WZB-Text wird Der neue Standort bietet ein urbanes Umfeld, in dem sich Leh- de Renate Künast Anfang August in Berlin bei einer Buchvor- mer wegen sehr hoher Zinsen in einer Situation der Abhän- 31 im Schnitt 50,8 Mal heruntergeladen. Die Download-Zahlen sind re, Forschung und Anwendung treffen. Die neue Adresse lautet: stellung. Gemeint waren die Forscher Andreas Knie (WZB/In- gigkeit belassen, lautet die Kritik. In Afrika, wo die durch Yunus 32 einigermaßen verlässlich, denn bei der Zählung wurde der in- Torgauerstraße 12-15, 10829 Berlin. Aber im vertrauten rosa- novationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, und seine Gramny Bank bekannt gewordenen Kredite keinen 33 ternational anerkannte Standard COUNTER angewandt, der ech- blauen Bau wird werden die Mitglieder der Forschungsgruppe InnoZ) und Weert Canzler (WZB), die mit dieser Charakterisie- großen Anklang gefunden haben, werden andere Modelle um- 34 te Downloads identifiziert, also maschinelle Abrufe weitgehend weiterhin regelmäßig präsent sein. rung gut leben können. Sie weiten die Energiediskussion, die oft gesetzt. Günther Schmid, emeritierter WZB-Direktor und Ar- 35 herausrechnet. bei Einzelaspekten wie Kraftwerklaufzeiten, Förderungs- und beitsmarktforscher, engagiert sich gemeinsam mit seiner Frau 36 Steuerfragen stehen bleibt, erheblich aus. Die Energiewende Barbara Schmid-Heidenhain in der gemeinsam gegründeten Hausaufgaben 37 müsse mit einer Verkehrswende einhergehen. Ihre Vision von Stiftung Child Development Fund (childdevelopmentfund.com) 38 der Umsetzung der Energiewende formulierten Canzler und für die Verbreitung und Umsetzung der Idee „Sparen und Lei- Mitlese 39 Ein Interview der Deutschen Presseagentur (dpa) mit WZB- Knie in dem 130-Seiten-Buch „Schlaue Netze – Wie die Ener- hen“, vor allem in der Region um Mount Kenya. Die Stiftungs- 40 Das Septemberheft der vom WZB mit herausgegebenen Zeit- Präsidentin und Bildungssoziologin Jutta Allmendinger über gie- und Verkehrswende gelingt“, erschienen im oekom Verlag gründer haben in einem Buch dieses Mikrofinanzierungsmo- 41 schrift Leviathan befasst sich unter anderem mit dem Philo- das Thema „Hausaufgaben“ (28. Juli 2013) hatte ein unerwartet (s. auch Seite 52). Der Denkanstoß der beiden Forscher sei ein dell vorgestellt. Das Grundprinzip ist einfach: Eine Gruppe von 42 sophen und Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker. Dieser hat starkes Echo. Online- und Printmedien, Hörfunk- und Fernseh- „schlauer Beitrag“, vorgebracht von selbstbewussten Autoren, Menschen ohne Kapital spart gemeinsam kontinuierlich kleins- 43 lange Zeit verschwiegen, dass er in jungen Jahren am Versuch sender nahmen das Thema sofort auf. Es gab Kritik aus kon- sagte Künast. „Im Untertitel heißt es nicht etwa, so ,könnte‘ die te Beträge, die sich zu beachtlichen Beträgen summieren. Damit 44 beteiligt war, für Nazi-Deutschland eine Plutoniumbombe zu servativen Lehrerverbänden – und breiten Zuspruch. Regional- Energiewenden gelingen, sondern ganz einfach, dass sie gelin- können sich Mitglieder der Grupp Geld leihen, um zum Beispiel 45 bauen. Er, der nach dem Schock von Hiroshima öffentlich ge- zeitungen berichteten über Beispiele von Ganztagsschulen, die gen wird.“ Künast hatte auch schon einen Vorschlag für den Tiere oder Getreide zu kaufen. Der Zinssatz ist bescheiden, der 46 gen die militärische Nutzung der Atomkraft auftrat, schwieg, schon länger die Hausaufgaben als Lernaufgaben erledigen: Am Nachfolgeband: „Darin könnte näher ausgeführt werden, wie geliehene Betrag und die Zinsen können leichter zurückgezahlt 47 weil er sich einredete, die Nachgeborenen könnten das erste Nachmittag, in Gruppen, mit Lehrern. In der Bild-Zeitung plä- eine bessere Versorgungssicherheit dann auch für den Bürger werden, der Kapitalstock wächst, wenn die erstandenen Güter 48 Kapitel der deutschen atomaren Geschichte ohnehin nie wirk- dierte Jutta Allmendinger am 7. August 2013 noch einmal für bezahlbar gewährleistet werden kann“, und fügte hinzu: „Über mit Gewinn weiterverkauft werden. „Sparen und Leihen“ kann 49 lich verstehen. Wolf Schäfer nennt von Weizsäcker deshalb in eine Abschaffung von Hausaufgaben: „1. In Lerngruppen, unter- die Energiefragen, durch kreative Netz-, Verkehrs- und Ener- die soziale Lage in ländlichen Regionen verbessern helfen. Es 50 seinem Aufsatz einen Bremser des gesellschaftlichen Lern- stützt von Lehrern, lernt es sich am besten. Lehrer können eine giepolitik werden die Grünen dann ja auch stärker eine Wirt- gibt keine Abhängigkeit von wildfremden Gläubigern wie bei 51 prozesses. Weitere Leviathan-Themen sind das Bundesverfas- Rückmeldung geben. Auch stärkere Schüler lernen viel: Sie hel- schaftspartei.“ Ein Umdenken forderte Co-Autor Weert Canzler Mikrokrediten, stattdessen solidarisches und diszipliniertes 52 sungsgericht und seine Europa-Rechtsprechung, mit dem sich fen den Schwächeren. 2. Eltern sind nicht die besten Lehrer. auch beim Selbstbild, das Deutschland von sich hat. In Umwelt- Ansparen und eine größere Unabhängigkeit des einzelnen Kre- 53 Benjamin Werner befasst („Ein zahnloser Tiger?“) und Kom- Die eigene Schulzeit liegt Jahrzehnte zurück, Inhalte und Lern- fragen spiele Deutschland überhaupt keine Vorreiterrolle: „Von ditnehmers. Das Buch „Sparen und Leihen“ von Günther Schmid 54 munikationshegemonie, die Reinhard Blomert beleuchtet. Die methoden sind heute ganz anders. Nachhilfelehrer können sich wegen! Wir sind nicht die Guten, sondern meist die Bösen. Aus- und Barbara Schmid-Heidenhain ist über editionpamoja.de zu 55 2 Globalisierung hat, wie jetzt die NSA-Affäre zeigt, die interna- nur wenige leisten. 3. Der Stress mit den Hausaufgaben ist Gift gerechnet Deutschland blockiert eine Reform des C0 -Zertifi- bestellen (137 Seiten, 9,90 Euro). 56 tionalen Hierarchien keineswegs aufgehoben oder auch nur für das Familienleben. Allen fehlt es an echter Familienzeit, am katehandels. Und bei der Arbeit an der intelligenten Verknüp- 57 in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt. Die USA üben weiterhin Austausch, an Möglichkeiten, sozial und kulturell zu lernen.“ In- fung von Strom, Wärme- und Mobilitätsnetzen ist Japan schon 58 hegemoniale Herrschaft aus, nur eben über die Erschließung zwischen planen Lehrer- und Schülervertretungen in Sachsen, weit vorangeschritten.“ Neoliberalismus 59 von Märkten und Kommunikationskontrolle – ein Imperium Sachsen-Anhalt und Thüringen eine länderübergreifende Initi- 60 ohne permanente Besatzungskosten. Weit in der Vergangenheit ative für ein Schülerleben mit Lernaufgaben, die in der Schule Einen Blick auf Entwicklungen des neoliberalen Denkens in 61 erscheint das Diktum des amerikanischen Diplomaten und Po- gemacht werden. (Mitteldeutsche Zeitung , 23. August 2913). den USA wirft Dieter Plehwe in einem Essay in der Frankfurter 62 litikers Henry Stimson (1867-1950), das Blomert zitiert: „Gent- Allgemeinen Zeitung (18. Juni 2013). Er knüpft dabei an kritische 63 lemen lesen nicht die Briefe anderer Leute.“ Äußerungen des stramm konservativen Publizisten Ramesh 64 65 66 67 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 55 68 69 70 Vorschau Veranstaltungen

11. bis 14. September 2013 19. September 2013 School-to-Work Transitions in Times Subjektives Wohlbefinden in der of Economic Crisis: Causes, Conse- Lebensqualitätsforschung. Ergeb- quences and Remedies Workshop Young people are among those who tend to suffer most heavi- nisse vor dem Hintergrund einer ly from the economic crisis. The consequences, however, vary der considerably across countries and across social groups. Institu- neu belebten Diskussion Tagung Sektion Soziale Indikatoren der Deutschen Gesellschaft für So- tional factors play a crucial role in how they catalyze the crisis’ ziologie. Die Messung subjektiven Wohlbefindens spielt interna- impacts. Among others, the workshop will discuss the following tional eine immer stärkere Rolle. So hat die OECD im März 2013 topics: What are the consequences of the crisis for young peop- hierzu „guidelines“ vorgestellt, die die Verwendung von Mess- les’ lives? Which role do institutions and policy measures play instrumenten unterstützen und Hinweise für Analysen und Be- in buffering or fostering the severe consequences? Veranstal- richterstattung geben sollen. Damit kann die amtliche Statistik ter: Dr. Christian Brzinsky-Fay, Paula Protsch und Diana Lange (alle bessere Voraussetzungen für die Einbeziehung des subjektiven WZB); Informationen bei [email protected] Wohlbefindens in ihre Erhebungen und letztendlich in den poli- tischen Prozess schaffen. Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise stellt sich die Frage, ob und wie solche Entwicklungen das sub- jektive Wohlbefinden beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund wird die Sektion Soziale Indikatoren über „subjektives Wohlbe- finden“ diskutieren.Veranstalter: Dr. Roland Habich, Zentrales Da- tenmanagement am WZB; Informationen: [email protected]

14. Oktober 2013 Entschleunigung! Entschleunigung? Zur Zukunft von Evaluationen in der Wissenschaft Vortrag von Professor Stefan Hornbostel im Rahmen der Kolloquienreihe des INCHER-Kassel und der WZB-Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik. Evalua- Europäisierung durch die Krise: Für junge Südeuropäer werden tionen in der Wissenschaft gelten als ein Instrument der Be- Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland attraktiv. Auf Initiative der schleunigung. In der öffentlichen Debatte wird oft kritisiert, das Handwerkskammer werden spanische Jugendliche in Ulmer Be- Zählen von Publikationen und Drittmitteln erhöhe den Output, trieben ausgebildet. Eine Gruppe dieser neuen Migranten betrach- trage aber nicht unbedingt zur Steigerung der Qualität von For- tete im Juni 2013 ein Modell ihrer neuen Heimatstadt. schungsleistungen bei. In dem Kolloquium soll über die Effekte [Foto: Picture alliance / dpa] und Nebeneffekte von Evaluationen diskutiert werden. Führen sie tatsächlich zu Fehlsteuerungen und Fehlanreizen? Und wie wären sie zu gestalten, um einerseits das Interesse von Politik und Gesellschaft an Wissenschaft und Forschung zu bedienen, 13. September 2013 andererseits aber die Qualitätsmaßstäbe und Standards der Fachgemeinschaften zu bewahren? Oder gibt es Alternativen? Power, Finance, and the Crisis Veranstalter: International Centre for Higher Education Research (INCHER-Kassel) und Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik des Podiumsdiskussion Vertreter aus Wissenschaft, WZB; Informationen bei Bettina Kausch, E-Mail: bettina.kausch@ Politik und der Finanzbranche diskutieren über die Frage: Wie wzb.eu beeinflusst die Finanzbranche die Politik seit der Finanzkrise? Die Veranstaltung findet im Rahmen einer dreitägigen Konferenz der European Cooperation in Science and Technology (COST) Ak- tion „World Financial Crisis, Systemic Risks, Financial Crisis and Credit“ in Zusammenarbeit mit der WZB-Projektgruppe Modes of Economic Governance statt. Veranstalter: Sigurt Vitols Ph.D. (WZB); Informationen bei Stefanie Roth, E-Mail: [email protected]

56 WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 1 Vorschau 28. und 29. Oktober 2013 8. und 9. November 2013 2 3 Advances on the Political Econo- Politische und epistemische Auto- 4 5 Veranstaltungen my of Conflict and Redistribution II rität Workshop Politische Entscheidungen sind 6 heute ohne Berufung auf Expertise kaum noch denkbar. Dies 7 8 Konferenz In keeping with the Lasswellian definition, lässt sich auch anhand der Vervielfältigung von Expertennetz- i.e, “Politics is a question of who gets what, when and how”, the 9 werken, Rating-Agenturen und Wissenschaftsbehörden auf 10 topics to be covered in the conference are broad and diverse. inter- und transnationaler Ebene ablesen. Zugleich zeigt sich 11 11. bis 14. September 2013 Themes that will receive attention include, for example, prefe- angesichts grenzüberschreitender Probleme – von der Kern- 12 19. September 2013 rences regarding efforts at redistribution, fiscal mechanisms energie über BSE bis hin zum Klimawandel –, dass Expertise 13 that have an impact on redistributing income, and the mul- gerade dort auf öffentliche Skepsis trifft, wo sie am stärksten 14 School-to-Work Transitions in Times 15 Subjektives Wohlbefinden in der tifarious ways in which coercion and violence are connected nachgefragt wird. Auch wenn diese Widersprüche im Verhält- of Economic Crisis: Causes, Conse- to the question of redistribution. Veranstalter: Dr. Thomas R. 16 Lebensqualitätsforschung. Ergeb- nis von epistemischer und politischer Autorität zunehmend das 17 Cusack, Professor Kai A. Konrad (beide WZB), Professor Karl Ove (Tages-)Geschehen prägen, werden ihre Ursachen und Folgen 18 quences and Remedies Workshop Moene (Centre for the Study of Equality, Social Organization, and für demokratische Legitimations- und Entscheidungsprozesse 19 Young people are among those who tend to suffer most heavi- nisse vor dem Hintergrund einer Performance, Oslo); Informationen bei Nina Bonge, E-Mail: nina. bislang kaum verstanden – vor allem, weil die Thematik quer zu 20 ly from the economic crisis. The consequences, however, vary der [email protected] etablierten Forschungsfeldern und Disziplinen liegt. Der Work- 21 considerably across countries and across social groups. Institu- neu belebten Diskussion Tagung Sektion Soziale Indikatoren der Deutschen Gesellschaft für So- shop mit Politik- und Verwaltungswissenschaftlern wie Vertre- 22 tional factors play a crucial role in how they catalyze the crisis’ 23 ziologie. Die Messung subjektiven Wohlbefindens spielt interna- tern der Science and Technology Studies wird die Mechanismen, impacts. Among others, the workshop will discuss the following 24 tional eine immer stärkere Rolle. So hat die OECD im März 2013 Bedingungen und Folgen eines Wandels im Verhältnis von Ent- topics: What are the consequences of the crisis for young peop- 25 hierzu „guidelines“ vorgestellt, die die Verwendung von Mess- scheidungs- und Deutungsmacht ausloten. Veranstalter: Arbeits- 26 les’ lives? Which role do institutions and policy measures play instrumenten unterstützen und Hinweise für Analysen und Be- kreis Politik, Wissenschaft und Technik der Deutschen Vereinigung 27 in buffering or fostering the severe consequences? Veranstal- richterstattung geben sollen. Damit kann die amtliche Statistik für Politische Wissenschaft, WZB-Abteilung Kulturelle Quellen von 28 ter: Dr. Christian Brzinsky-Fay, Paula Protsch und Diana Lange (alle bessere Voraussetzungen für die Einbeziehung des subjektiven Neuheit, Forschungsprojekt „Studying the Changing Orders of Poli- 29 WZB); Informationen bei [email protected] 30 Wohlbefindens in ihre Erhebungen und letztendlich in den poli- tical Expertise“ (SCOPE); Informationen bei Dr. Holger Straßheim, 31 tischen Prozess schaffen. Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise E-Mail: [email protected] 32 stellt sich die Frage, ob und wie solche Entwicklungen das sub- 33 jektive Wohlbefinden beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund 34 wird die Sektion Soziale Indikatoren über „subjektives Wohlbe- 35 finden“ diskutieren.Veranstalter: Dr. Roland Habich, Zentrales Da- 36 5. und 6. Dezember 2013 37 tenmanagement am WZB; Informationen: [email protected] 38 Sozial- und Raumwissenschaften 39 40 auf dem Weg zu einem neuen Trans- 41 42 14. Oktober 2013 ferverständnis Konferenz Das Thema Wis- 43 senstransfer ist hochaktuell, wissenschaftspolitisch wie 44 Entschleunigung! Entschleunigung? wissenschaftssoziologisch. Anders als bei den Natur- und In- 45 genieurwissenschaften gibt es für die Sozial- und Raumwis- 46 Zur Zukunft von Evaluationen in der 47 senschaften keine Analysen des Wissens- und Technologie- 48 Wissenschaft Vortrag von Professor Stefan transfers. In diesen Disziplinen ist umstritten, ob Transfer in 49 Hornbostel im Rahmen der Kolloquienreihe des INCHER-Kassel außerwissenschaftliche Bereiche überhaupt zum Kanon guter 50 und der WZB-Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik. Evalua- Wissenschaft gehört. Dementsprechend sind Transferaktivi- 51 Europäisierung durch die Krise: Für junge Südeuropäer werden tionen in der Wissenschaft gelten als ein Instrument der Be- täten in den sozial- und raumwissenschaftlichen Disziplinen 52 Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland attraktiv. Auf Initiative der schleunigung. In der öffentlichen Debatte wird oft kritisiert, das bisher gering institutionalisiert und kaum sichtbar. Im Projekt 53 Handwerkskammer werden spanische Jugendliche in Ulmer Be- 54 Zählen von Publikationen und Drittmitteln erhöhe den Output, „Unbekanntes Terrain“, das mit dieser Konferenz abgeschlossen 55 trieben ausgebildet. Eine Gruppe dieser neuen Migranten betrach- trage aber nicht unbedingt zur Steigerung der Qualität von For- wird, wurden hierzu Formate des Wissenstransfers in den Sozi- 56 tete im Juni 2013 ein Modell ihrer neuen Heimatstadt. schungsleistungen bei. In dem Kolloquium soll über die Effekte al- und Raumwissenschaften analysiert und systematisiert. Es 57 [Foto: Picture alliance / dpa] und Nebeneffekte von Evaluationen diskutiert werden. Führen wurden Hemmnisse und Erfolgsbedingungen identifiziert sowie 58 sie tatsächlich zu Fehlsteuerungen und Fehlanreizen? Und wie erste Lösungsansätze zur Förderung der Kommunikation zwi- 59 wären sie zu gestalten, um einerseits das Interesse von Politik schen Wissenschaft und Praxis konzipiert. Veranstalter: Dr. Dag- 60 und Gesellschaft an Wissenschaft und Forschung zu bedienen, Ungleichheit ist in den Städten (hier die Schloßstraße in Berlin- mar Simon, Dr. Anna Froese, Julia Böttcher (alle WZB); Informatio- 61 62 13. September 2013 andererseits aber die Qualitätsmaßstäbe und Standards der Steglitz) allgegenwärtig. Armut und Marginalisierung hat nicht nen bei Anna Froese, E-Mail: [email protected] 63 Fachgemeinschaften zu bewahren? Oder gibt es Alternativen? nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Kosten, die in der 64 Power, Finance, and the Crisis Veranstalter: International Centre for Higher Education Research öffentlichen Diskussion manchmal ausgeklammert bleiben. Dies 65 (INCHER-Kassel) und Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik des ist eines der Themen der Konferenz Ende Oktober. 66 Podiumsdiskussion Vertreter aus Wissenschaft, WZB; Informationen bei Bettina Kausch, E-Mail: bettina.kausch@ [Foto: Picture alliance / dpa] 67 Politik und der Finanzbranche diskutieren über die Frage: Wie wzb.eu 68 beeinflusst die Finanzbranche die Politik seit der Finanzkrise? 69 Die Veranstaltung findet im Rahmen einer dreitägigen Konferenz 70 der European Cooperation in Science and Technology (COST) Ak- tion „World Financial Crisis, Systemic Risks, Financial Crisis and Credit“ in Zusammenarbeit mit der WZB-Projektgruppe Modes of Economic Governance statt. Veranstalter: Sigurt Vitols Ph.D. (WZB); Informationen bei Stefanie Roth, E-Mail: [email protected]

WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 57 Zu guter Letzt Election-free ­democracy The UK as the shape of the future

Professor Dr. Otto I. Q. Besser-Wisser and Dr. Theophilus Z. Prunk, Central Institute for Questions and Answers, University of the Arctic Circle

Official reports show that the proportion of on the electoral register bothered to vote, Summary: De velopments in citizens on the UK electoral register has been while 10 percent of the population was not British elections over the past falling steadily over the past fifty years from even on the electoral register to start with. By fifty years or so show impor- 96 percent in 1949/50 to 95.2 percent in 1991 recent standards the Conservatives had a good tant trends that have, curi- and 90.5 percent in 2006. In 2010 about 10 election in 2010. They took 36.1 percent of the ously, never been noticed by percent of citizens in the UK could not vote be- poll, but only 65.1 percent of those on the elec- political commentators. Yet cause they were not on the electoral register. toral register voted, and another 10 percent of these have remarkable and This adds up to about 4.5 million people – more citizens were not registered, meaning that the far-reaching consequences. than half the population of London. The rate of party secured the political support of one in They show that Britain, the decline is accelerating. five adult citizens. pioneer of elected parliamen- tary government in the nine- Voting turnout of those on the electoral regis- In sum, the percentage of citizens on the elec- teenth century, now leads the ter is also declining, and at a faster rate than toral register has fallen from 96 percent in 1950 world towards a superior registration. The figures show a fall from 80.5 to 90 percent in 2012, the voting turnout of the form of democracy for the percent in the elections of the 1950s to 61.9 progressively smaller percentages on the elec- twenty-first century that percent in the elections of 2000-2010, a de- toral register has fallen from 80.5 percent in the works perfectly well without cline of 18.2 percent. The decrease in the three 1950s to 62 percent in the 2000s, and the com- parties, elections and citizen most recent elections was a particularly steep bined voting support for the two main parties involvement. of 12.5 percent. Whereas, more than eight out has collapsed from 91.8 percent of those voting of every ten on the electoral register voted in in the 1950s to 68.3 percent in the 2000s. the 1950s, barely more than six out of ten did so in the 2000s. The long term decline of two-party support will have momentous results: if things contin- The percentage of votes cast for the two main ue at their present rate, by the year 2040, and parties forming the heart of government has probably earlier, not a single citizen in Britain also declined in the same period, and at a much will vote for any of the major parties of gov- faster rate than turnout and registration. As ernment. Even if all the winning and opposi- table 2 shows, the Conservatives averaged 46.2 tion candidates vote for the majority party, percent of the poll in the 1950s; by the 2000s support for the winning party will be as close this had slumped to 33.4 percent. Labour’s to zero as makes no difference. share of the poll fell from 45.6 percent to 34.9 percent in the same period, and the party re- Is this a good or a bad thing? The answer de- Tabellecorded only 1 29.0und percent 2 WM of 141the poll in the most pends on whether one regards declining voting recent election of 2010. In that year Labour se- turnout and party support as good or bad. Some cured the support of less than one third of argue that it indicates political malaise, cyni- those who voted, and only two thirds of those cism, hopelessness, alienation, dissatisfaction and loss of trust. Others claim, on the contrary, Table 1: that it shows citizens are so satisfied with gov- Turnout as a percentage of the electoral register ernment and its performance that they see no need to vote. They point out that people are not decade turnout in percent by nature political animals, and life free of po- 1950s 80,5 litical involvement leaves more time for the truly important things of life – reading (Hello!) 1960s 76,5 magazine, football, shopping, getting drunk, 1970s 74,4 over-eating, sleeping and watching TV.

1980s 74,0 The latter theory is obviously the one that ap- 1990s 74,5 plies to the UK. Apart from a few small hiccups with the economy, life is getting better; people 2000s 61,9 are living longer, the working week is getting

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Labour and conservative percentages of the poll

decade conservative percent of the poll labour percent of the poll

1950s 46,2 45,6

1960s 46,7 44,2

1970s 42,9 40,0

1980s 42,3 29,2

1990s 36,3 38,8

2000s 33,4 34,9

1 Tabelle 1 und 2 WM 141

Turnout as a percentage of the electoral register

decade turnout in percent

1950s 80,5

1960s 76,5

1970s 74,4

1980s 74,0

1990s 74,5

2000s 61,9

Table 2: 1 2 Labour and conservative percentages of the poll 3 4 decade conservative percent of the poll labour percent of the poll 5 6 1950s 46,2 45,6 7 8 1960s 46,7 44,2 9 10 1970s 42,9 40,0 11 12 1980s 42,3 29,2 13 1990s 36,3 38,8 14 15 2000s 33,4 34,9 16 17 18 shorter, students are working less and getting to achieve regime change in Iraq and destroy 19 better exam results, ownership of large cars is its weapons of mass destruction, down to the 20 increasing, the population is getting fatter, and last battered pick-up truck. Together they have 21 sales of champagne, luxury goods and fashion successfully established peace and stable de- 22 23 labels are stronger than ever. The demand for mocracy in Afghanistan and are doing the 24 luxury housing and foreign holidays is boom- same in other parts of the world. The Brits and 25 ing. The marinas are full of yachts. If they do their American cousins are playing the key 26 not earn enough to buy whatever they want, role in winning the drugs war, smashing inter- 27 the British have adopted the simple strategy of national crime, solving the problems of global 28 borrowing from the banks. And the govern- poverty, hunger and warming and bringing 29 ment has decided that banks cannot go bank- 30 whistleblowers and leakers of secret intelli- 31 rupt so it borrows more money to keep them gence to justice. 32 afloat. What could be better? 33 In modern Britain life is good and life is easy. 34 As British governments have repeatedly point- As a result, the British are about to be set free 35 ed out, their statistics show that the country of the burdensome business of being good cit- 36 has the best schools and universities in the izens and the annoying matter of voting. They 37 38 world, the finest hospitals, the most advanced are on the verge of a new politics-free utopia 39 training and research facilities, the most effec- without the irksome duties of civic responsi- 40 tive motorway and railway networks, the low- bilities. There will be no need for keeping up 41 est unemployment and inflation figures, the with the news, joining parties, involvement in 42 tallest, most beautiful and happiest people, the community affairs, forming sensible and in- 43 funniest comedians, and the finest food, beer formed choices about policies and, above all, 44 45 and weather in the world. The present govern- the monstrous waste of time going to the vot- 46 ment is rapidly dismantling social and welfare ing stations to cast a ballot once every five 47 services, showing how little need there is for years. 48 such things nowadays. The British are the envy 49 of the sporting world with the best cricket, What few seem to realise is that the historical Literature 50 darts and pushpenny teams in the universe. To of democracy culminates, like the his- Electoral Commission: The 51 1 52 top all this, the Royal wedding of Kate and Wills torical dialectic of the state, with the end of Completeness and Accuracy of 53 was a spectacular world-wide attraction and politics, parties and elections. In this sense the Electoral Registers in Great 54 the prospects of a Royal baby brings joyous Fukuyama was wrong: we are not witnessing Britain. London: The Electoral 55 pleasure to the whole world. the end of history and the universal accept- Commission 2010. 56 ance of democracy, but the end of any need for 57 In international affairs the country is sitting democracy at all. Kenny, Charles: Getting Better. 58 59 pretty. The Americans have helped the British New York: Basic Books 2011. 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

WZB Mitteilungen Heft 141 September 2013 59 Wo sind sie geblieben? Nach Angaben der Deutschen Bundesbank sind immer noch DM-Scheine und DM-Münzen im Wert von rund 6,5 Mrd. Euro im Umlauf, oder besser gesagt: im Ruhestand. Im WZB wurde jetzt ein Teil der Münzen gefunden: sortiert nach Wert, liebevoll in einer gefröbel ten Karton-Parktasche gestapelt, mit Klebeband fixiert. Den akribisch notierten Wertangaben zufolge sind es zusammengerech- net 25,84 DM. Allerdings haben sich auch noch einige lose Pfennigmünzen und amerikanische Cents dazugesellt. Das kleine objet-trouvé-Kunstwerk wurde 2012 nach der Räumung eines Ar beitszimmers im WZB gefunden: Es war vor vielen Jahren das Büro von Lars Hendrik Röller, 13 Jahre Direktor der Abtei- lung Wettbewerbsfähigkeit und industrieller Wandel. Röller war Forscher, EU-Chefökonom und Hoch- schulpräsident, ehe er 2011 seine heutige Tätigkeit aufnahm; er ist der wichtigste Wirtschaftsberater („Sherpa“) der Bundeskanzlerin. [Fotos: Jan Flickschu]

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