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HEIMAT 28. Jahrgang Nr. i/März 1978
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Beuron, Klosterprospekt. Kupferstich von Job. Franck, um 1700. Im Oval Bildnis des Abtes Georg Kurz O.S. Aug. (1682-1704) FUrstl. Hohenz. Hofbibliothek Sigmaringen
P. MAURUS PFAFF OSB.
Das ehemalige Augustiner^Chorherrenstift Beuron 1077-1977
Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Beuron an der die Vorgänger nahezu vergessen lassen. Etwas mehr als oberen Donau könnte heute auf 900 Jahre seiner Ge- hundert Jahre benediktinischen Wirkens im oberen Do- schichte zurückblicken. Den geschichtlichen Abläufen nautal haben zu der Meinung geführt, daß Beuron und entsprechend hat das Chorherrenstift 725 Jahre existiert, seine Landschaft schon immer von benediktinischer Tra- als es mit dem Zusammenbruch der Deutschen Reichskir- dition geprägt gewesen seien. Die neue Benediktinerabtei che 1803 säkularisiert wurde. Das Auftreten der Bene- in Beuron war im 19. Jahrhundert die erste benediktini- diktiner im alten Chorherrenstift hat die Erinnerung an sche Klostergründung außerhalb Bayerns im Bereich der nord- und süddeutschen Staaten. Als jüngere Schwester wirklich einer einfachen schwäbischen Ritterfamilie an- der französischen Abtei Solesmes wurde das Donautalklo- gehört haben, so wäre dann doch zu fragen, ob nicht ster für das 19. und 20. Jahrhundert der Ausgangspunkt hinter ihm einer der bedeutenderen Machtträger jener in einer religiös-liturgischen Erneuerung und hat nachhaltig schwäbischen Landen hochbewegten Zeit gestanden mit seinem monastischen Wollen die weitere Zukunft des hat... Bei aller Wertung der Tatsache, daß ein weltab- Mönchtums bestimmt. Außer der rein lokalen Kontinui- geschiedener Platz einer Mönchsniederlassung willkom- tät bestehen zwischen dem alten Chorherrenstift und den men war, spielt doch gerade für die hochmittelalterli- Benediktinern keine Zusammenhänge. chen Klostergründungen der politische Faktor eine ent- Das Chorherrenstift Beuron reicht in seinen Anfängen in scheidende Rolle. Wir dürfen nicht vergessen, daß die das letzte Viertel des 11. Jahrhunderts zurück. Eine Ur- Klöster des 11. und 12. Jahrhunderts zur planmäßigen kunde aus St. Gallen erwähnt bereits um 861 den Na- Erschließung und Sicherung des Landes kaum weniger men Purron im Bereich des oberen Donautals. Als eine wichtig waren als die Gründung von Städten und die Gründung im Zeitpunkt der hochpolitischen Auseinan- seit der Jahrhundertwende üblich gewordene Erbauung dersetzungen zwischen Papsttum und deutschem König- von Bergburgen in unserem südwestdeutschen Räume. tum im Investiturstreit gewinnt das Kloster zusammen Hier muß die Gründung des Augustinerklosters Beuron irgendwie eingeordnet werden." Man wird deshalb der mit anderen Klöstern im südwestdeutschen Raum zeitge- Frage nach der Beuroner Klostergründung näher kom- schichtliche Bedeutung. Beuron gehört zu den ältesten men, wenn die Teilfragen aufgehellt werden. Von der Chorherrenstiftungen überhaupt. Kanoniker-Reformbewegung der damaligen Zeit muß Die neue Gemeindeordnung hat den Namen des alten gesagt werden, daß sie vor allem ein Angriff auf die Chorherrenstifts Beuron für die in der Großgemeinde Verweltlichung im kirchlichen Bereich gewesen ist. zusammengeschlossenen Ortsteile des oberen Donautals Seit 1077 stand der Konstanzer Bischofssitz im Brenn- beibehalten. Mehrere Nachbarorte haben ebenfalls ihrer punkt der Auseinandersetzungen zwischen päpstlicher 900jährigen Geschichte gedacht und damit auch der ge- und königlicher Gewalt. Schon 1075 erhielt der Kon- genseitigen geschichtlichen Verbundenheit Ausdruck ge- stanzer Bischof Otto I. durch den reformbewußten Papst geben. Die volkstümliche Geschichtsschreibung des späte- Gregor VII. eine scharfe Zurechtweisung. Die Vorwürfe ren Mittelalters und auch der neueren Zeit hat die An- bezogen sich auf die Mißachtung der römischen Bestim- fänge des Klosters im Tal - umrahmt von der Legende mungen bezüglich Simonie (Kauf geistlicher Ämter) und - aus dem geschichtlichen Dunkel heraustreten lassen. Priesterehe. Papst Gregor VII. holte 1080 zum entschei- Die geschichtlichen Quellen sind äußerst sparsam. Ge- denden Schlag aus. Er beauftragte seinen pästlichen Le- schichtlich richtig ist natürlich, daß ein Stiftungsakt mit gaten, den Bischof Altmann von Passau, mit der Einset- der Übergabe des Dotationsguts stattgefunden hat. Da- zung eines neuen Bischofs in Konstanz. Erst 1084 ge- für wird das Jahr 1077 angenommen. Feststeht, daß langte die Bischofsstadt in die Hand der Anhänger Gre- einer der Zeugen des Stiftungsaktes, nämlich Graf Mane- gors VII. und noch im Dezember 1084 weihte der päpst- gold von Altshausen-Veringen, um 1077 in den Quellen liche Legat Odo - der spätere Papst Urban II. - den genannt wird, als bedeutender Verbindungsmann zwi- Hirsauer Mönch Gebhard von Zähringen zum Bischof in schen Papst Gregor VII. und den im Frühjahr 1077 in der Klosterkirche zu Petershausen. Gebhard III. baute Ulm versammelten deutschen Fürsten. Als zweiter Zeuge seine Bischofsstadt zu einer Hochburg der päpstlichen beim Beuroner Stiftungsakt wird ferner Graf Burkhard Richtung aus. Man hat mit Recht vermutet, daß bei der von Nellenburg (Stockach) genannt, dessen Vater der Beuroner Klostergründung Einflüsse durch Altmann von Stifter des Allerheiligenklosters in Schaffhausen ist. Das Passau vorhanden sind. Das Donautalkloster scheint also bei dem Stiftungsakt übergebene Stiftungsgut erstreckte tatsächlich ein Chorherrenstift der ersten Stunde zu sein. sich vom Füllental (heute St. Maurus im Feld) bis zum Von Gebhard III. wissen wir, daß er im Bereich seiner Sperberloch gegen Fridingen. Zum Stiftungsgut des Diözese nicht weniger als 30 Kirchen und Altäre ge- Chorherrenstifts gehören die beiden Höfe an der Leiber- weiht hat. Damit würde übereinstimmen, daß er 1105 tinger Steige und auf dem Reinfeld. An dem Stiftungs- möglicherweise auf der Reise nach Marbach (Elsaß) die akt sollen zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten aus beiden Klosterkirchen, Beuron und Marbach, geweiht den Kreisen der päpstlichen Reformbewegung teilgenom- hat. Der Beuroner Kirchturm kann in seinem ältesten men haben. Die Gründung des Donautalklosters steht Teil noch in den Anfang des 12. Jahrhunderts datiert also vollständig in der Linie anderer Gründungen wie werden. Hirsau, St. Georgen im Schwarzwald, St. Blasien, Aller- heiligen in Schaffhausen und Zwiefalten. Der Inhaber Von Anfang an stand das Chorherrenstift Beuron unter des Konstanzer Bischofsstuhls war seit 1070 ein Anhän- der Leitung eines Propstes. Während St. Märgen im ger König Heinrichs IV. Schwarzwald und Kreuzlingen bei Konstanz schon früh Die Chorherrenstifte der Reformkanoniker treten in der den Abtstitel führen, blieb Beuron bis ins letzte Viertel politisch hochgespannten Epoche des Investiturstreits an des 17. Jahrhunderts bei der Präpositur-Verfassung. In zahlreichen Orten ins Leben. Die Anfänge dieses neuen Deutschland war der Propsttitel auch traditionsgemäß Ordens sind sehr verschiedener Natur. Der Rechtshisto- allgemein üblich. Die älteste Beuroner Urkunde von riker und Kenner der territorialstaatlichen Entwicklun- Papst Urban II. (1097) ist an den damaligen Propst ge- gen im deutschen Südwesten des 11. Jahrhunderts richtet. Aus weiteren päpstlichen Urkunden geht hervor, kommt zu folgenden Ergebnissen: „Gerade die Auswahl daß im Chorherrenstift Beuron nicht nur die Marbacher des Platzes war schon die Tat des im 11. Jahrhundert le- Statuten (frühestens nach 1096), sondern auch die soge- benden Stifters. Wir erkennen in ihm schon vor dem nannte dritte Augustinus-Regel (spätestens vor 1145) Eindringen in die geschichtlichen Einzelheiten einen vorhanden sind. Zwischen 1300 und 1400 hat das Chor- weitblickenden, klug berechnenden Organisator, und wir herrenstift seinen geistigen und wirtschaftlichen Höhe- werden uns zu fragen haben, ob der Klostergründer ne- punkt erreicht. Mit der Schirmvogtei der Enzberger ben dem geistlichen Ziele, das mit der Klostergründung Schirmvögte, die aus dem Kraichgau zugewandert waren naturgemäß verbunden ist, nicht auch noch größere poli- und sich in Mühlheim a. D. einen neuen Stammsitz ge- tische Ziele verfolgte ... Sollte Peregrin - so bezeichnet schaffen hatten, begann der Abstieg des Klosters. Die die Papsturkunde von 1097 den Stifter des Klosters - Lnzberger haben ihren schirmherrlichen Auftrag wenig
2 rühmlich erfüllt. Unter dem Druck der bischöflichen das vom Gerüst befreite Bauwerk besichtigen wollte, Kurie von Konstanz kam es 1615 zu einem Ausgleich, traf ihn ein herabfallender Ziegelstein tödlich. Am 12. indem die Enzberger für immer auf die Schirmvogtei Juli wurde der Abt als erster in der von ihm erbauten verzichteten. Stiftskirche beigesetzt. Der Konstanzer Weihbischof Da die territorialen Verhältnisse sich in der Landschaft Franz Anton v. Sirgenstein vollzog am 28. September bereits verfestigt hatten, konnte der Beuroner Klosterbe- 1738 die Weihe der neuen Stiftskirche. Sein Nachfolger, zirk sich organisch nicht mehr erweitern. Das Chorher- Abt Martin II., ließ 1741 die große Orgel aufstellen. renstift hatte jedoch rechts und links der Donau beacht- Schließlich konnte 1751 das Dorf Bärenthal mit dem lichen Streubesitz. Der links der Donau gelegene Besitz Schlößchen Ensisheim käuflich erworben werden. erstreckte sich zwischen den Flüssen Donau, Neckar und Prälat Rudolf III. Reichel war ein Rottenburger. Er Lauchert mit der nördlichen Grenze bei Hechingen. Der konnte auf dem bisher Erreichten weiterbauen. Am 17. rechts der Donau gelegene Grundbesitz war auffallend Dezember 1759 schloß er mit Josef Anton Feuchtmayer weitgestreut und erstreckte sich bis nach Oberschwaben aus Mimmenhausen bei Salem einen Vertrag über die und in die Bodenseelandschaft. Im südlichen Bereich Gestaltung des Hochaltars. Die Ausführung des Bau- gruppierten sich die Güter um Mengen, Biberach und 111— werks erfolgte 1760/61 unter Mitwirkung der Brüder mensee. In Sipplingen befand sich eine Art Umsatzsta- Johann Georg und Franz Anton Dirr. In Bärenthal ließ tion für die Gütertransporte nach Beuron. Propst Vitus der Prälat eine neue Kirche bauen. Die Elementarschule Hainzmann aus Sigmaringen (1574-1614) führte am in Beuron wurde zu einer Lateinschule erweitert. Rudolf Ende des Mittelalters einen kurzen, jedoch beachtlichen III. konnte seine zahlreichen persönlichen Beziehungen Aufschwung des Klosters herbei. Die kriegerischen Er- für das Stift nutzbar machen. Mit Unterstützung des eignisse der Zeit haben jedoch diesen Aufbau wieder zer- Syndikus des Schwäbischen Reichsprälaten-Kollegiums, stört. Propst Vitus Hainzmann resignierte 1614 und zog Josef v. Schott, erlangte der Prälat für sein Stift die sich endgültig in das Schaffnei-Haus in Egesheim zu- Reichsunmittelbarkeit, wie sie für die Reichskartause rück. Er starb am 28. Februar 1622. Buxheim und das Stift Ottobeuren bereits bestand. Ru- Propst Sigmund Marbeck (1660-1682) kam aus dem dolf III. starb als Priesterjubilar am 21. September 1790 Stift Rottenbuch im Ammergau über Kreuzlingen nach und fand im Mittelgang der Klosterkirche seine Ruhe- Beuron. Sein Aufenthalt war anfänglich mehr als Aushil- stätte. fe gedacht. Als er die Leitung des Klosters übernommen Der aus Rottweil am Neckar stammende Dominicus hatte, war er besonders darauf bedacht, die Schulden zu Mayer war der letzte Prälat des Reichsstifts Beuron. Er verringern. Er verkaufte deshalb zur Hebung der wirt- hatte unruhige Zeiten vor sich. Trotzdem war er bemüht, schaftlichen Lage am 11. Juni 1668 die entfernt liegen- seinen Gotteshausleuten ein Vorbild zu sein und sie zu den, aber sehr schönen Besitzungen des Stifts im Breis- besserer Sitte und tieferer Religiosität anzuhalten. Die gau. Der landgräflich fürstenbergische Rat Dr. iur. Fi- Auswirkungen der Französischen Revolution von 1789 scher, Oberamtmann in Meßkirch, zeigte an dem Kauf machten sich im südwestdeutschen Raum deutlich be- großes Interesse. Die Schaffneien des Klosters in Krozin- merkbar. Die Revolutionsheere verwüsteten die Vor- gen und Freiburg i. Br. umfaßten folgende Güter: in derösterreichischen Lande in einem unerhörten Ausmaß. Krozingen einen Hof mit Haus und Scheune - St. Ul- Wiederholt durchzogen französische Truppen das obere richshof oder Glöcklehof -, in Opfingen am Tuniberg Donautal. Noch im April 1801 plünderten sie Kloster einen Hof mit Zubehör, in Pfaffenweiler vier Jauchert und Nachbarorte. Der Friede von Luneville am 9. Fe- Weingärten am Batzenberg, einen weiteren Hof bei bruar 1801 brachte den Abschluß der französischen Re- Staufen und alle Güter in Kirchhofen, Tunsei, Merdin- volutionskriege. Mit der Abtretung des linken Rhein- gen und Gottenheim. Auch die in Freiburg und Umge- ufers an Frankreich wurde den deutschen Fürsten eine bung gelegenen Güter mit Weinbergen, Wiesen und Äk- Entschädigung „aus dem Schoß des Reiches" zugespro- kern, einschließlich der St. Michaelskapelle an der nörd- chen. Zur Durchführung dieser Neuregelung wurde auf lichen Stadtmauer wurden zum Verkauf angeboten. Dr. den 2. Oktober 1801 nach Regensburg die außerordentli- Fischer gab seinerseits an das Kloster die verpfändeten che Reichsdeputation einberufen. Die totale Säkularisa- Höfe in Talheim und Leibertingen wieder zurück. Der tion der Deutschen Reichskirche wurde beschlossen und Besitz des Chorherrenstifts im Breisgau wird bereits in durch die kaiserliche Unterschrift vom 27. April 1803 einer Urkunde vom 23. Oktober 1278 erwähnt. als Reichsgesetz erklärt. Bereits am 15. Oktober 1802 er- Die Zeit der Äbte brachte nach dem dreißigjährigen hielten Abt und Konvent in Beuron die Mitteilung, daß Krieg noch einmal einen beachtenswerten Aufschwung. das Stift dem Fürsten Anton Aloys von Hohenzollern- Wenn das Kloster im Donautal nach der Mitte des Sigmaringen als Entschädigung für in den Niederlanden 18. Jahrhunderts die Auszeichnung eines reichsfreien verlorenen Besitz übereignet sei. Stifts erlangte, so war das doch verlöschender Glanz am Ende eines Zeitalters. 1682 wurde der Chorherr Georg Am 23. Oktober ging das Chorherrenstift rechtlich in Kurz aus Kreuzlingen als Abt nach Beuron erbeten. Un- den Besitz des Hauses Hohenzollern über. Die Zahl der ter ihm erfolgte 1687 aufgrund eines Immediatgesuchs Untertanen betrug damals in Bärenthal 391 Personen, an den Papst die Erhebung des Stifts zur Abtei. Abt auf dem Steighof 13 und auf dem Reinfelderhof 14. In Kurz ließ durch den Kirchenbaumeister Franz Beer Beuron waren es der Prälat und 15 Chorherren, ferner (t 1726) einen Klosterplan entwerfen. Für die Innenaus- weitere 93 Personen, die im Dienst des Klosters standen. stattung konnte er Johann Michael Feuchtmayer gewin- Die Vereidigung der Untertanen fand am 17. Dezember nen. Abt Georg Kurz starb am 18. Mai 1704 und fand statt. Ein Dekret des Fürsten regelte die Pensionen des seine Grabstätte auf der Reichenau. Abt Rudolf II. v. Prälaten und der Kapitularen. Dem Abt blieb weiterhin Strachwiz ist der Erbauer der 1738 vollendeten Kirche. eine gewisse Disziplinargewalt über die Chorherren, fer- 1732 hatte er mit dem Rottweiler Baumeister Matthäus ner die Aufsicht über die Seelsorge in den bisher verwal- Scharpf einen Bauvertrag abgeschlossen. Einheimische teten Pfarreien. Der letzte Kanzleidirektor und sein Se- Werkleute, Wessobrunner Stukkateure und der Riedlin- kretär wurden in das fürstliche Obervogteiamt übernom- ger Freskomaler Ignaz Weegschaider haben an dem Kir- men. Die Pfarrei Bärental wurde seit 1818 von einem chenbau gearbeitet. Als Abt Rudolf II. am 10. Juli 1738 Weltpriester betreut. Der Beuroner Chorherr Romuald Bock verließ 1820 das Stift und übernahm in Liggers-
3 dorf die Marienkaplanei. 1828 zog er sich in seine Hei- schweigender Duldung der neuen Klostergemeinschaft mat Ochsenhausen zurück, wo er als letzter der Beu- durch Peter Lenz zerstört. roner Chorherren am 19. April 1835 starb. Der Prälat Im April 1862 schrieb Fürst Karl Anton von Hohenzol- Dominicus Mayer verschied in Beuron am 7. Oktober lern-Sigmaringen aus Düsseldorf an Erzbischof Hermann 1823. Seine Grabstätte befindet sich in der Stiftskirche v. Vicari in Freiburg i. Br., daß es ihm ein „Herzensbe- rückwärts im Mittelgang. Ein Epitaph am letzten Süd- dürfnis" sei, wenn das alte Kloster wieder seiner Bestim- pfeiler hält die Erinnerung an ihn fest. Bereits am 3. mung zurückgegeben werden könnte. Die Augustiner- November 1807 hatte die katholische Kirchengemeinde Chorherren sind allerdings nicht wieder gekommen, aber St. Jakob in Pfullendorf die große Orgel des Klosters die neuen Benediktiner in Beuron haben mit der Betreu- käuflich erworben. 1823 erfolgte die Auflösung der Klo- ung der näheren und weiteren Landschaft ein altes Erbe sterbibliothek. Angeblich unbrauchbare Bücher wurden im Geist der Augustiner-Chorherren übernommen. als Makulatur gewichtweise verkauft. Ein Rest wanderte Abb. S. 1 ist, mit freundlicher Genehmigung des Verlags, dem nach Sigmaringen. Schließlich wurde am 12. August Band „Hohenzollern in alten Ansichten", Jan Thorbecke Ver- 1872 der Hochaltar J. A. Feuchtmayers unter still- lag Sigmaringen, entnommen.
KARL SIEGFRIED BADER
Die Burg Wildenstein Ursprünge — Sinnwechsel - Vermächtnis*
Die dem Zürcher Rechtshistoriker zugedachte Aufgabe, Neckarraum mehrere Burgen „Wildenstein" und das anläßlich der Neunhundert-Jahrfeier über die Burg Wil- Kennwort „wild" begegnet uns, wir kommen noch kurz denstein zu sprechen, führte den Redner keineswegs in darauf zurück, bei einer längst abgegangenen Nachbar- Neuland. In der benachbarten Baar aufgewachsen, ist er burg, der Burgstelle „Wildenfels" - eine Namengebung, früh, als Donaueschinger Gymnasiast, als Feriengast bei die im wildzerklüfteten oberen Donautal nicht zu über- den Meßkircher Bekannten und als zeitweiliger Musik- raschen braucht. Für die größere Heuberglandschaft ist schüler in Beuron mit dem Wildenstein und seinen dama- der Name „Wildenstein" aber nicht bestimmend gewor- ligen Wirtsleuten in Berührung gekommen. Mit der Ge- den, auch wenn sich im Laufe der Zeit um die Burg her- schichte der Zimmerischen Herrschaft Meßkirch hatte er um eine kleine „Herrschaft Wildenstein" - mit Leiber- sich als langjähriger Archivar des Hauses Fürstenberg, tingen, Lengenfeld und Kreenheinstetten - als An- des damaligen Burgbesitzers, häufig auseinanderzusetzen, hängsel zur Herrschaft Gutenberg bzw. zur Herrschaft ebenso mit Quellen- und Stellenwert der berühmtberüch- Meßkirch bildete. Die ältesten Zeugnisse sprechen von tigten, erst in den letzten Jahrzehnten in ihrer ganzen der „Goldineshuntare", einem schwer deutbaren Raum- kulturhistorischen Bedeutung erkannten Zimmerischen gebilde; im 11. Jahrhundert, also in der Zeit, in der un- Chronik, und nicht zuletzt einige prächtige Gestalten ser Wildenstein genannt wird, gehört der Raum zum so- aus dem Hause Fürstenberg-Meßkirch, Erbe der Grafen genannten „pagus Ratoldi" („Ratoldsbuch"), der aber und Herren von Zimmern zogen den Blick des Landeshi- bald wieder verschwindet und dem Namen einer „Graf- storikers auf sich. So brauchte es sich nicht darum zu schaft Rohrdorf" Platz macht. Zu einem Rechtsbegriff handeln, in aller Eile umfangreiche neue Studien anzu- „Heuberg" ist es nie gekommen, vermutlich schon des- stellen. Da aber gewünscht worden war, neben der Burg wegen, weil es an Heubergen im Donau-Neckarraum die Gemeinde Leibertingen nicht ganz außer acht zu auch sonst nicht mangelt. Überhaupt haftet unserem lassen, so lag es nahe, die Ausführungen unter ein dem Raum in der politischen Zuteilung, wie ich jüngst bei Anlaß entsprechendes Motto zu stellen und dem Titel einem Meßkircher Vortrag darlegte, etwas Unbestimmtes „Die Burg Wildenstein" den Untertitel „Ursprünge, an, er hat sich bald mehr dem Bodensee-, bald dem Sinnwandel, Vermächtnis" beizufügen. Das wird davor Raum der Schwäbischen Alb genähert. Das herrschaftli- bewahren, in übereiliger Verkürzung eine Vielzahl von che Durcheinander, das uns in der vorzimmerischen Zeit Daten und Namen, Irrungen und Wirrungen, aneinander des Spätmittelalters begegnet, geht zum Teil auf diese zu reihen, und dazu zwingen, aus der Sicht des Verfas- Schwankungen zurück. sungs- und Landeshistorikers den Verbund mit der die Burg umgebenden Landschaft herzustellen. Nun vollzieht sich rund um das Jahr 1000 eine in vielen Beziehungen auffällige Entwicklung. Große und kleine Als der Name der Burg Wildenstein vor 900 Jahren erst- Herren, Grafen, freie Herren und ihre Dienstleute, ver- mals einem uns erhaltenen schriftlichen Zeugnis anver- lassen ihren gutsherrlichen Hof im Rahmen der Dorf- traut wurde, war der Gegenstand selbst, eben die Burg, siedlung und begeben sich auf einen Berg, die Zeit der schon da. Das ist ja bei den meisten Ortsjubiläen, an de- sogenannten „Höhenburgen" hat begonnen. Dafür gibt nen es unserer Zeit nicht mangelt, so - und nicht zu- es in der Forschung mehrere Gründe: der wichtigste ist letzt darin liegt für den Historiker die Schwierigkeit, die zweifelsohne strategischer und wehrgeschichtlicher Art. wirklichen Ursprünge zu erkennen: wird eine Burg, eine Das Rittertum trennt sich vom Bauernstand, verläßt den Stadt, ein Dorf oder ein Hof urkundlich erwähnt, dann engen Dorfraum und siedelt sich, wo es die natürlichen geht es so gut wie nie um den eigentlichen Gründungs- Verhältnisse nur je zulassen, auf Bergnasen, Felsvor- vorgang, sondern bereits um eine Funktion - und sei es sprüngen oder sonst zur Verteidigung geeigneten Hoch- auch nur, wie in unserem Fall, die, einen Grenzpunkt für sitzen an. Das geschieht häufig nicht vom Einzelfall her: den Sprengel des alten Augustiner-Chorherrenstifts Beu- wir finden am Rande größerer Täler ganze Burgsysteme, ron herzugeben. Nicht einmal der Name gibt besonders teils aufeinander zu, teils gegeneinander gerichtet. Dies viel her: es gibt zwischen dem Alpenvorland und dem ist auch in unserem Donautal der Fall; nur läßt die so-
4 Burg Wildenstein. Gemälde aus der Ausstellung zur 900-Jahr-Feier. Foto: Schwäbische Zeitung Sigmaringen, L. Frick
eben schon angedeutete Unsicherheit der politisch-herr- a qua", als älterer Herrensitz läßt sich der so nahe gele- schaftlichen Bezüge die Zuordnung schwer erkennen. Bei gene, alte ingen-Ort, Leibertingen, erkennen. Es gehört unserem „Wildenstein" jedenfalls bleibt es unsicher, wel- zu den jüngsten Erkenntnissen der verfassungsgeschicht- chem größeren Herrschaftsgebilde sich die Erbauer, die lich ausgerichteten Burgenforschung, wie sie neuerdings ältest bezeugten Herren von Wildenstein, zuzählten - in dem großen Burgenwerk des Konstanzer Kreises für vielleicht der genannten Herrschaft der Grafen von mittelalterliche Geschichtsforschung erbracht worden Rohrdorf-Meßkirch, vielleicht waren sie sogar Einzel- sind, daß eine Adelsfamilie nicht völlig frei über den gänger, wozu ihnen immerhin ihr edelfreier Stand die Standort ihrer Burg zu bestimmen hatte. Wenn sie aus Möglichkeit bot. Zusammenhänge kann man für die Zeit dem genossenschaftlichen Markverband mit seinen agrar- der Jahrtausendwende oft an den Namen - zu ergän- rechtlichen Bindungen, der auch für sie gültigen Zelgen- zen: Vornamen, denn eigentliche feste Geschlechtsnamen wirtschaft, ausscheren wollte, mußte sie nutzungsrechtli- gab es nocht nicht - erkennen. Unsere Herren von Wil- ches Randgebiet, Wald- und Weidland, in Anspruch denstein tragen merkwürdige Namen wie Adilgot-Algot nehmen und sich dabei mit der Dorfgenossenschaft ver- oder Eigelhart, und wenn einmal einer der älteren Fried- tragen. So wurde dann ein sogenannter Einfang oder Bi- rich heißt, läßt sich damit so wenig anfangen wie bei fang geschaffen, der vom Beweidungsrecht der Nutzge- den zahllosen „Hinz und Kunz", den Heinrichen und nossen ausgenommen wurde. Zur Burg Wildenstein ge- Rudolfen unseres schwäbischen Adels. Die gegenwärtige hört noch Jahrhunderte hindurch neben dem grundherr- Forschung, die sich mit der sogenannten Adelsherrschaft lichen Hof der Kirchensatz mit dem Wittum, dem beschäftigt, findet da also noch einiges zu tun. Pfründgut, zu Leibertingen eben ein solcher Bifang, und Eindeutig ist, was die Herren mit dem Bau ihrer Bergfe- die Ortsherrschaft, die mit einem solchen Hof mit ste auf dem „wilden Stein" bezweckten; eindeutig damit Zwing und Bann verbunden war, „hört", wie die Quel- aber auch die ursprüngliche Bedeutung einer räumlich len sagen, „in die Burg zu Wildenstein". Sie machte auch eingeengten, aber besonders sicher abgeschützten Burg: getreulich die Teilungen mit, die später den Burgbesitz Schutz für sich selbst und für politische Freunde in der zersplitterten, die Verbindung als solche aber blieb beste- fehdereichen Zeit des Investiturstreites, wo alles in zwei hen. Lagern, dem päpstlichen oder kaiserlichen, stand; Schutz Inzwischen war die den Herren von Wildenstein be- wohl auch für Leute ihrer Ortsherrschaft, soweit für die- schiedene Zeit abgelaufen, ihr Erbe traten die Herren se Platz vorhanden war. Dies führt dann alsbald zu von Justingen an, die Familie der „Anshelme" - ein einer Doppelfrage: welche Orte gehörten zu diesem Vatersbruder hieß Anshelm, der Vater Anshelm nannte Schutzverband und (zweitens) von wo aus waren diese gleich zwei Söhne wieder Anshelm. Die Form des Über- ältesten Wildensteiner auf den Berg gezogen? Obwohl gangs ist uns nicht näher bekannt. Aber es beginnt sich unsere Quellen darüber schweigen, lassen sich doch be- eine neue Phase, Sinnwandel der Burg, abzuzeichnen: stimmte oder doch haltbare Antworten geben. Als „locus Wildenstein wird zur Nebenburg und nur eine der Lini-
5 en nennt sich nach dem Wildenstein. Große Heldentaten der Wildenstein in Notzeiten von Krieg, Aufruhr und haben die Justinger auf Wildenstein nicht vollbracht; Pest die Rolle der Zufluchtstätte. zur Ausstattung von Brüdern, die in den geistlichen Mehr im Vorbeigehen sei an etwas erinnert, das dem Ur- Stand traten, wurden Teile der Herrschaft, u. a. Güter kundenleser immer wieder Schwierigkeiten bereitet. in Leibertingen, an Kloster Beuron verkauft, und es ma- Durch fast zwei Jahrhunderte hindurch nennen sich jün- chen sich Anzeichen einer Spekulation mit Burgteilen be- gere Mitglieder des freiherrlichen Hauses Wartenberg, merkbar, die später, als die Justinger durch die von Gründer der Städte Tuttlingen und Geisingen und des Ramsberg abgelöst wurden, zum Hin- und Herschieben Klosters Amtenhausen, in Dutzenden von Urkunden von Burgteilen, zur Aufnahme von Mitgliedern weiterer Freiherren von Wartenberg-Wildenstein. Aber eigentli- Familien, zu Verpfändungen und Lehnsgeschäften führ- che Inhaber unserer Burg Wildenstein waren die War- ten. Eine wichtige urkundliche Nachricht ist aber aus tenberger, ehedem einmal Landgrafen in der Baar und der Anfangszeit der Justinger auf Wildenstein nachzu- nachmals Hofrichter an Stelle ihrer Verwandten, der tragen: man horcht, zumal in Kenntnis späterer Vorgän- Grafen von Sulz, nie. Einer ihrer Mannen saß auf der ge, auf, wenn 1275, wieder einmal in einen Prozeß zwi- Kleinfeste Wildenfels; mag sein, daß diese in der Nähe schen den Burginhabern und dem Beuroner Chorherren- von Thiergarten zu suchende Burgstatt einmal Depen- stift wegen der Grenzen im Gebiet des Berges Wilden- denz von Wildenstein war. Beziehungen zur alten Fami- stein, vom „mons Wildenstein cum suburbio" die Rede lie von Wildenstein sind nicht nachweisbar, immerhin ist. „Suburbium": das ist eine Vorburg stadtähnlichen gibt es bei den Wartenbergern Namen, die an jene Grün- Charakters, eine Burgerweiterung, die auf dem Felsenge- derfamilie erinnern, und ganz auszuschließen ist die lände selbst nicht möglich war. Dort stehen 1275 Häuser Möglichkeit nicht, daß ehedem einmal die Sulz-Warten- mit „hominibus ibidem locatis", d. h. auf dem Vorplatz berger mit den alten Wildensteinern ahnengeschichtlich angesiedelten Burgleuten, die Beuron den Zehnten zu ge- zu tun hatten. Wir erwähnen diese im Dunkel gehüllte ben haben. Man denke an die in das 17. Jahrhundert zu- Verbindung mehr, um zu zeigen, wie bei einer adligen rückgehende Ortssage, wonach Leibertingen einmal eine Familie der Beiname „von Wildenstein" fast so etwas Stadt gewesen sei, auch an den Bericht der Zimmerischen wie ein mythisches Symbol geworden ist. Chronik des 16. Jahrhunderts, daß Gottfried Wilhelm Über die Zimmerische Epoche unterrichtet den Besucher von Zimmern, der Bauherr, Leimsieder und Eigenbrötler, der heutigen Burg der hübsche kleine Führer - jeden anstelle der zunächst geplanten Neustadt-Anlage die historisch Interessierten ein reiches Schrifttum über die Burgvorbauten errichtet habe. Noch früher, 1416, wird Familie der Grafen von Zimmern. Daß darin die Zim- anläßlich eines Pfandgeschäfts, nun schon unter Beteili- merische Chronik eine beherrschende Rolle spielt, ist un- gung des Inhabers einer Burghälfte, des Hans von Zim- verkennbar und darf hier auch nochmals mit Nachdruck mern, die „Wiese genannt die Stat" einbezogen; die en- betont werden, weil unsere Burg neben dem damals be- gere Burghofstatt, d. h. der Platz der Burg selbst ist das scheidenen Schloß zu Meßkirch ja im Brennpunkt des nicht, denn es heißt, daß dazwischen Äcker gelegen sei- chronistischen Interesses steht. Die beiden letzten Gene- en. Für uns ergibt sich aus den Nachrichten, daß im rationen des gräflichen Geschlechts haben die Herrschaft 13. Jahrhundert, in einer Epoche der Gründung von Meßkirch konsolidiert und ihr den festen Platz in der Klein- und Kümmerstädten, ein suburbium, ein vorstadt- Vielzahl schwäbischer Kleinstaaten zugewiesen. Das gilt ähnliches Gebilde vorhanden war, und daß, als dieses für den Verfasser der Chronik, den Grafen Froben Chri- den Herrschaftswechseln, Fehden und Bränden zum Op- stoph, selbst; es gilt bei anderer Zielrichtung auch für fer gefallen war, immer wieder, bis in die späte zimmeri- den letzten Zimmern, den Grafen Wilhelm, mit dem ein sche Zeit, daran gedacht wurde, der drückenden Enge neuzeitlich-rationalistischer Zug in die Geschichte des des inneren Burgraumes zu entgehen und eine Vorstadt, Ländchens kommt. Erinnern wir uns nur daran, daß da- französisch fauburg, auf der Hochfläche anzulegen. Ge- mals zum ersten Mal an die industrielle Nutzung des worden oder geblieben ist daraus nichts; während an- Waldes gedacht und in Leibertingen eine für ihre Zeit derswo in der Nachbarschaft, erinnert sei an Mühlheim bemerkenswert leistungsfähige Glashütte betrieben wur- und Fridingen im Donautal oberhalb von Beuron, an de, die allerdings - gerade die Glashütten waren Tengen und Blumenfeld im nahen Hegau, solche Vor- „waldfressende" Gewerbe - den Wäldern schwer zu- städte, wenn auch Kümmerstädte im Sinne der Stadtge- setzte. Aus der Glashütte ist der Weiler Lengenfeld her- schichtsforschung, Bestand hatten, hat Gottfried Werner vorgegangen, sie hat auch das Naturbild der Landschaft von Zimmern das angesichts der Lage von Wildenstein bis heute beeinflußt. einzig richtige getan: die Burg selbst durch ein - da- mals hochmodernes - System von Bastionen und Gräben Liegt hier ein weiterer Sinnwandel der eng in die Ge- gegen die schwache Hochseite abzuschirmen. schehnisse einbezogenen Burg, dann setzt - nach dem kurzen helfensteinischen Zwischenspiel — der Übergang an das Haus Fürstenberg wiederum neue Noten. Wilden- Damit sind wir bereits bei der Zimmerischen Epoche, der stein ist im fürstenbergischen Staatswesen, zumal nach Hochzeit Wildensteins, angekommen und haben all die dem Aussterben der selbständigen Linie Fürstenberg- Zwischenglieder, die auf Justingen und Ramsberg folg- Meßkirch, immer mehr zu einer herrschaftlichen Rand- ten, die Schenken von Stauffenberg u. a., großzügig erscheinung geworden. Der Burgvogt, der auf Wilden- übergangen. Daß im Pfalzgrafenkrieg dem fernen Pfalz- stein saß, war nur ein nachgeordneter Beamter. Ihn grafen bei Rhein ein Lehnrecht eingeräumt werden muß- brauchte man als Hüter, wenn man in Kriegszeiten te, zeigt nur, wie stark Kräfte von außen her in den Schätze auf die sichere Burg Wildenstein flüchtete. Er Wirrwarr eingreifen konnten, um auch hier einen Fuß und sein bescheidenes soldatisches Gefolge konnten im im Trubel der Gan- und Teilerben drin zu haben. Dem Dreißigjährigen Krieg eine dauerhafte Besetzung durch Zimmerischen Geschick gelang es, die Wässer auf die die schwedische Partei verhindern. Sogar als Staatsge- eigene Mühle zu leiten: Das aus dem Neckarraum stam- fängnis hat die Burg nach 1745 ihre Rolle verloren, als mende, zunächst wenig bedeutende Geschlecht der Freien in Hüfingen ein - für damalige Verhältnisse modernes Herren von Zimmern baute sich, allen Widerständen — Zucht- und Arbeitshaus eingerichtet wurde; nur Un- von zollerischer und sonstiger Seite trotzend, die Herr- tersuchungsgefangene hat man in schwereren Kriminal- schaft Meßkirch aus, und selbst dieser gegenüber spielte fällen noch der Hut des Burgvogtes anvertraut. Mehr als
6 Burg Wildenstein. Gemälde von Doris Irmler-Stauss. Foto: Schwäbische Zeitung Sigmaringen, L. Frick einmal haben öde Rationalisten unter den fürstlichen ort selbst verbotene Kneipe gelegentlich in die Gastwirt- Oberbeamten mit dem Gedanken gespielt, das „unnüt- schaft auf Wildenstein verlegte, war man bereits Vorläu- ze", lediglich Baukosten verursachende Burgschloß fer der Jugendherberge. Von nun an gehörte die Burg im schleifen zu lassen. Es waren Mitglieder der Familie Für- funktionellen Sinne, wenn man so will, bereits der Ju- stenberg selbst, die das verhindert haben, auch wenn das gend. Es mag den altgewordenen Mann etwas zeitgenös- spät hinzuerworbene Werenwag als Nebenwohnsitz in sische Nostalgie ankommen, wenn er den Wildenstein im höherer Gunst stand. Wildenstein, seine Burgkapelle und neuen Gewand wiedersieht. Er wird dennoch nicht zö- das Werk des Meisters von Meßkirch sind in der Gedan- gern, dem Landesverband Schwaben des Deutschen Ju- kenwelt der fürstlichen Familie des 18. und 19. Jahrhun- gendherbergswerkes Dank und Anerkennung zu zollen derts zum Vermächtnis geworden. Zum Schutz gegen für den Entschluß, die Burg Wildenstein zu erwerben den Verfall wurde immer wieder das Nötige, wenn auch und zu einem Schmuckstück auszubauen - Dank zu sa- - in Anbetracht anderer Verpflichtungen, etwa gegen- gen auch dafür, daß der Verband, zusammen mit der über dem Prachtbau des Renaissance-Schlosses Heiligen- Gemeinde Leibertingen, das überkommene Vermächtnis berg - oft nur das Allernötigste vorgekehrt. Immerhin im Jubiläumsjahr 1977 in würdiger Weise gefeiert hat. wurden zu Anfang unseres Jahrhunderts, das auch die eigentliche Wiederentdeckung des Meisters von Meß- kirch und seines Wildensteiner Altars brachte, die Wand- * Vortrag von Professor Dr. Karl Siegfried Bader aus Zürich malereien aufgefrischt. anläßlich der 900-Jahrfeier der Burg Wildenstein/Donautal, veranstaltet vom Deutschen Jugendherbergswerk und der Als der Gymnasiast Bader mit seinen Donaueschinger Gemeinde Leibertingen, gehalten am 19. Mai 1977 im Burg- Kompenälern in den zwanziger Jahren die im Residenz- hof Wildenstein.
JOHANN ADAM KRAUS
Kay: Teil einer Burgbefestigung?
Als im Jahre 1438 das Kloster St. Georgen auf dem oder Wortformen Kay, Kai, Koi, Khai, Ghai, Gehei 3. Schwarzwald seine Güter in Owingen, Stetten, Grossel- Zwischen Schlatt und Beuren gibt es einen Ghaikopf, der fingen und Weildorf um 1700 rheinische Gulden an noch nicht untersucht ist. Dort liegende Güter wurden Konrad von Bubenhofen verkaufte 1, war auch der im im Jahre 1285 in einer Klosterurkunde von Stetten bei Bann von Stetten (nicht Weildorf) gelegene Kayhof Hechingen unter dem Namen Ghay erwähnt. Diese ört- dabei samt einem Hof zu Weildorf. Man fragt sich: Was lichkeit hat s. Z. Ludwig Schmid irrig in das Dorf Kayh war das für ein Hof, der Kayhof? bei Entringen-Tübingen verlegt. Sie hieß dann 1398 und Nach Karl Fr. Eisele habe hier das klösterliche Ortsge- 1475 Kay bei Beuren-Schlatt. Das genannte Dorf Kayh richt getagt2, doch begründet er diese Angabe nicht. enthält wohl den gleichen Wortstamm (ca. 1200 Gayh Vielleicht lassen sich aus dem Namen Kay Schlüsse zie- geschrieben), ebenso der 1360 genannte Hof Kayenberg hen. Man kennt dieses Wort in verschiedenen Schreib- im Bezirk Gaildorf und andere Kay-Namen bis ins Bay-
7 rische hinein. Ein Kay in unserer engeren Heimat ist Tatsache, daß der Begriff Kai oder cai (was ja nicht Zai 1406 in Nähe von Burladingen erwähnt 4, wo ein Hans gesprochen wird!) in uralte vorgermanische Zeit zurück- von Maigingen einen zollerischen Hof der früheren reicht und schon in früheren Sprachen vorkommt, so „Herren von Burladingen" innehatte und aus einer Wie- daß die Fortbildung Gehei zu Ghai bzw. Gehege zu Kay se „Uff Kay" jährlich 4 Schilling Heller zinste. Da diese nicht immer naheliegt, vielmehr die ältere Form durch- Wiese offenbar auf der Höhe lag, mag man sie bei der zuschimmern scheint. Sind doch im 8. Jahrhundert in ehemaligen Falkenburg über der Straße nach Stetten unserer Gegend (in Willmandingen) keltische Bevölke- vermuten. Ein Kaitli bei Gurtweil scheint wegen des T rungsreste als Relikte (oder aus Zwangsverpflanzung?) nicht hierher zu gehören, ebenso ein Weiler Kau bei Un- nachweisbar und in der Umgegend auch sonst zu vermu- ter-Meckenbeuren, dessen Name wohl aus Gehau, also ten. Badische Forscher (z. B. Kleiber) nehmen für abgele- Waldrodung, um 1780 entstand. Die Wälder „Gehae" gene Schwarzwaldtäler noch lange vorgermanische von 1293 5 scheinen gehegt bzw. eingezäunt gewesen zu Volksreste an. Im Altgallischen bedeutete das Wort caii sein. eine Schranke oder Barriere, im Altkeltischen caio eine Umwallung, im Altbretonischen caium im 5. Jahrhun- Sowohl Michel R. Buck 1880 als auch das Flurnamen- dert eine Schanzanlage oder Schutzwehr, das kornische buch der württembergischen Landesstelle für Volkskunde ke ein Gehege, das kymerische cae eine Zaunwehr, und 1958 bezeichnen die urkundliche Schreibung Kay, Kai, im Isländischen war hai ein Pfahl oder Palisade. Dane- Ghäu als falsch und nur Ghai als richtig, worauf das ben steht althochdeutsch haia (chaia, kaia) als Einfrie- Landesvermessungsamt Baden-Württemberg alle neuen dung, Bollwerk und Verhau. Aus dem keltischen caio Karten entsprechend umänderte. Infolgedessen findet wurde der französische Quai in der Bedeutung „Damm man jetzt bei Salmendingen in unmittelbarer Nähe der am Wasser" und daraus der Ufer-Kai der Seehäfen im 7 früheren Burg oberhalb des Dorfes den Namen Ghaihal- 17. Jahrhundert . Karl der Kahle hat im Jahr 864 in de, während die Stelle urkundlich um 1525/30 Kai und seinem Westreich den Befehl gegeben, daß alle castella et Kay, 1698 dann Khayh geschrieben ist 6, im Volksmund firmitates et hajae (Burgen, Festungen und Bollwerke), aber „Uf Koi" heißt. Auch im benachbarten Ringingen die ohne königliche Erlaubnis errichtet waren, geschleift ist noch 1677 der Name Khay für die Gegend direkt un- werden müßten! ter der ehemaligen Burg auf dem Nehberg, also bei den Häusern Nr. 88-90 unter dem Hohlweg überliefert, die Es besteht somit die Möglichkeit, ja der begründete Ver- „Im Khay" standen. dacht, daß das Khay an der Ringinger und Salmendin- ger Burgstelle und am Kayhof bei Stetten/Haigerloch und vielleicht anderswo nicht nur einen einfachen Hek- Nach den Flurnamenforschern Michel Buck, Remig kenzaun bedeutete, sondern eine regelrechte Bastion, ei- Vollmann (1925) und Josef Schnetz (1952) sei statt der nen Teil der Burgbefestigung. Darauf sollte auch der Bezeichnung Kai das mittelhochdeutsche Wort Hag über Kaykopf bei Schlatt einmal genauer untersucht werden, Gehege zu Gehai geworden und bedeute soviel als was für Heimatfreunde eine lohnende Aufgabe darstel- Schutzzaun, Einfriedung, Zufluchtsort, Schutzwehr. len könnte. Dasselbe gilt bezüglich des Kayhofes bei Welche Bedeutung im Einzelnen nun die zutrefffende Stetten, dessen Geschichte und genauer Standort näher wäre, ist heute schwer zu entscheiden. Der Kayhof bei zu erforschen wären. Stetten wird somit in besonders auffallender Weise ein umzäunter oder befestigter Hof gewesen sein, zumal er 1 Zollerheimat 1940, 1-3. 2 Eisele, Studien zur Gesch. d. außerhalb des Dorfes gesucht werden muß. Ein einfacher 3 4 Zaun wird schwerlich den Namen Kayhof verursacht Grafsch. Zollern 1956, 21. Hohz. Heimat 1972, 28. Bik- kelspergs zollerisches Lagerbuch 1941, 99. 6 Mon. Hohenbg. haben! Nr. 142. 6 HH 1963, 28. 7 Kluge-Mitzka, Etymol. WB d. Höchst interessant für die Schreibart Kay ist nun die dtsch. Sprache 1963, 280.
GERD SCHOLLIAN
Römischer Gutshof entdeckt
Auf der Suche nach den gebäulichen Uberresten von Querschläge die etwaige Größe der Anlage festzustellen. Weilern der im 13 bis 16. Jahrhundert in Stein begüter- Auch hier war das Ergebnis von besonderer Bedeutung. ten Adelsgeschlechter, der Walger, von Ow, von Stau- Die teilweise freigelegten Mauerreste des Hauptgebäudes fenberg u. a., die in den Gewannen Azelisgarten, Schön- „Portikus-Villa" ergaben eine Länge von ca. 70 m und rain Tufelbach vermutet wurden, ist Ortsvorsteher Gerd eine Breite von 53 m. Die Mauern sind in südlicher Rich- Schollian aus Hechingen-Stein im Jahre 1976 auf einen tung heute noch bis zu 2,50 m hoch; dies ist um so ver- der größten und besterhaltensten und bisher völlig un- blüffender, daß die Mauern nur wenige Zentimeter unter bekannten römischen Gutshof gestoßen. der Erdoberfläche liegen. Die merkwürdige terrassenförmige Bodenformation, die Ca. 100 m südlich des Hauptgebäudes entdeckte Schol- im oberen Teil durch gleichmäßig angeordnete Vertie- lian im Herbst 1976 ein Badehaus mit einer Größe von fungen endete, veranlaßte Schollian im dortigen Bereich 23 auf 20 m. Durch exakte Forschung dürfte neben den Grabungen durchzuführen. Der Erfolg war verblüffend bisher festgestellten weiteren 7 Nebengebäuden auf einer - Gebrauchskeramik, Terra sigillata in großen Mengen, Gesamtfläche von ca. 8 ha noch einiges zu finden sein. Gebrauchswerkzeuge aller Art, Mauern bis zu 1 m Dik- Aufgrund der zahlreichen Fundstücke sowie der immen- ke, kamen zutage. Nach Hinzuziehung des Landesdenk- sen Größe der Anlage hat sich das Landesdenkmalamt malamtes Tübingen wurde Schollian beauftragt, durch Tübingen entschlossen ab April dieses Jahres mit der
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Wasserversorgung?
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Grabungsgelände in Hechingen-Stein Zeichnung: G. Schollian
Freilegung des Hauptgebäudes zu beginnen. Stufenweise sollen dann je nach Grabungsfortschritt jährlich weitere Grabungen erfolgen. Der von Ortsvorsteher Schollian ins Leben gerufene „Förderverein zur Erforschung und Erhaltung der Kul- turdenkmale Stein" hat es sich zur Aufgabe gemacht, die freigelegten Gebäude zu restaurieren und zu konservie- ren, um sie der Nachwelt zu erhalten.
Wer waren die Römer, die hier gewohnt haben? Süddeutschland und weitere andere Gebiete galten als die Heimat der Kelten. Der Einfall der Römer und da- mit die Besetzung unseres Landes geschah unter Kaiser Domitian. Unter Kaiser Domitian wurden um 85 n. Chr. die beiden germanischen Heeresbezirke am Rhein, des unteren Heeres in die Provinz Niedergermanien und des oberen Bezirks in die Provinz Obergermanien mit Sitz des Statthalters in Mainz umgewandelt. Damit begann für das Land hinter dem Limes die Zivilverwaltung mit römischer Prägung. Eng verwandt dürfte die Anlage in Stein mit der Stadt „Sumelocenna", dem heutigen Rot- tenburg sein. Bei der Neubildung der Provinzen pflegten die Römer um die hier lebende Bevölkerung an die Art der römi- schen Verwaltung zu gewöhnen, dieser nach und nach eine Selbstverwaltung zu gestatten. Grund und Boden gehörten der kaiserlichen Domäne, konnte aber von den hiesigen Urbewohnern angepachtet und bewirtschaftet werden. Die freie Bevölkerung war Bürger mit römi- schem Bürgerrecht! Neben den Stadt- und dorfähnlichen Siedlungen, gab es Rom. Weinamphore, gefunden Oktober 1976 im röm. Gutshof eine weitere Siedlungsart, den Gutshof gen. Villa rustica. Stein (Westecke) Foto: Keidel
9 sel, Beschläge, Nägel, Glasteile aus Fenstern und Trink- bechern, Dach- und Wandziegel. Die im Abbild gezeigte Weinamphore wurde im Oktober 1976 gefunden und vom Landesdenkmalamt Tübingen komplett wieder zusammengefügt.
Religion Die Römer verehrten eine Vielzahl verschiedener Götter, u. a. Jupiter, Mars, Viktoria, Merkur, Herkules, Juno. Strenge Kultsätze regelten die einzelnen Formen der Op- ferbräuche, die von Gottheit zu Gottheit verschieden waren. Opferaltäre waren in jedem Gutshof unterge- bracht. Ob ein hier gefundenes Steinquadrat eine solche Kultstätte war, kann nicht eindeutig belegt werden. Rom. Kochkessel, gefunden am 18. 1. 1977 im Badehaus des röm. Gutshofs. Foto: Keidel Untergang des Gutshofes in Stein Der Gutshof in Stein dürfte in den Jahren 233 - ca. Was die Anlage in Stein betrifft, ist noch nicht endgültig 263 n. Chr. - durch Zerstörung und Brandschatzung geklärt um welche Art der Siedlung es sich hier handelt. untergegangen sein. Die Gutshöfe betrieben hauptsächlich Ackerbau, Vieh- zucht und oft das Töpferhandwerk. Die Höfe, so auch Unter Kaiser Severius Alexander wurden römische der in Stein, lagen zumeist an Südosthängen mit Wasser- Truppen zum Schutze der östlichen Reichsgrenze nach vorkommen und einer guten Sicht in die Flußtäler. Die Persien abgeordnet. Germanen an Nieder- und Mittel- Einzellage der Gutshöfe brachte es mit sich, daß die Be- rhein griffen daraufhin prompt die verlassenen Grenzen wohner die landwirtschaftlichen Produkte selbst verar- an. Dies reizte auch die Alemannen zum Gegenschlag. In beiteten z. B. Milch zu Käse, Fleisch zu Wurst u. a. Die breiter Front überrannten sie im Jahre 233 n. Chr. den für die Bearbeitung der Böden notwendigen Geräte wur- obergermanisch-rätischen Raum und drangen nach Westen den in eigenen Schmieden hergestellt und repariert. Mittelpunkt des Gutshofes war das Hauptgebäude, das nach dem Vorbild italienischer Baukunst jener Epoche - der Portikusvilla mit Eckrisaliten - erstellt wurde. Das Hauptgebäude in Stein sowie alle Nebengebäude sind mit Buntsandstein aufgemauert. Als Mörtel diente ein Sand-Kalkgemisch. Die Dächer waren alle mit roten, Selbstgebrannten Ziegeln belegt. Die Wände der Innen- räume waren sauber verputzt und mit verschiedenen Farben und Ornamenten versehen. Ziegel wurden auch für die Unterboden- und Wandheizung verwendet. Aus der Erkenntnis von Gesundheit und Hygiene hatten die Römer frühzeitig ein hochentwickeltes Badewesen. Die Badehäuser waren zumeist nach einem einheitlichen System gebaut - so auch das in Stein. Das Badehaus in Stein war versehen mit einer guten Wasserversorgung aus dem nahen Hangbereich sowie mit einem ausgeklügelten Heizungssystem - der Hypokaust- anlage. Gut sichtbar sind heute noch die Rundbögen, indem die Warmbäder untergebracht waren sowie der rote Wandverputz in allen Räumen.
Der Badevorgang der Römer lief wie folgt ab: 1. Betreten des Umkleideraumes 2. Kaltbad im südlich gelagerten Kaltwasserbecken 3. Aufsuchen des Schwitzbades (in den mittleren Räu- men untergebracht) 4. Abkühlung im Laubad 5. Erholung im Warmbad (3 Räume) 6. Rückkehr zum Kaltbad (eintauchen in Kaltwasserbek- ken)
7. Wiederholung des Vorganges oder Beendigung
Fundstücke Die bisherige Ausbeute an Funden der vorgenommenen Querschläge in den verschiedenen Gebäuden sind enorm. Gefunden wurden: Sicheln, Bolzen, Pflugschare, 1 bronzener Kochkessel Erste Fundstelle Sommer 19'/76. Hier fand man die Wem- 50 cm 0 30 hoch (sehr gut erhalten), Keramikfunde aller amphore, sowie Keramik alle;•r Art. Mauer noch ca. 150 cm hoch. Art mit Schriftzeichen, Haarnadeln, Stricknadeln, Schlüs- Foto: Deuchert
10 und Süden bis zu den Alpen vor. Der Überfall der Ale- den Einwohner dürften die Alemannen noch einige Zeit mannen auf das inzwischen hier friedfertige Volk hat hier verbracht haben. Was nicht zerstört wurde verfiel wie ein Schock gewirkt. Sie versuchten zu fliehen. Dieje- im Laufe der Zeit. Die hochstehende Kultur der Römer nigen, die es nicht schafften, dürften umgebracht worden aber ging unter und machte wieder primitiveren Lebens- sein. Noch einmal geriet unser Land in römische Herr- formen Platz. Die Stellen aber, an denen das Haupt- schaft. Diese mußte in den Jahren 259 bis 263 n. Chr. gebäude und das Badehaus standen, wurden bis zum heu- erneut Angriffe der Franken und Alemannen entgegense- tigen Tage von sämtlichen nachfolgenden Generationen hen. Wiederum waren Brandschatzungen an der Tages- gemieden. Lediglich zum Häuserbau im frühen Mittel- ordnung. alter sind vereinzelt Steine aus dem Hauptgebäude ge- brochen und verwendet worden. Dies dürften die letzten Tage römischer Besiedlung in Stein gewesen sein. Daß der Gutshof abgebrannt ist, zei- Es kann bis heute nicht das Gegenteil bewiesen werden, gen die vielen Brandspuren an den Grabungsstellen. daß meine These, der Name Stein rührt aus den ausge- Was geschah nachher? dehnten Steintrümmerfeldern der ehemaligen römischen Nach der Vertreibung bzw. Ermordung der hier leben- Siedlung her, nicht stimmen kann. Sch.
FRITZ SCHEERER
Werden der Markung Engstlatt
Eingebettet in eine geschützte Mulde des Wertenbachta- dem Wertenbach zu. Ried (Sumpf) heißen die rechten les, zwischen den Vorbergen der Schwäbischen Alb liegt Uferränder des Baches: Dorfteil „Ried", „Riedgärten" Engstlatt 522 m hoch. Der Name des Ortes wurde um 1600 am Abhang des Leimbergs, „Riedgasse" eine Dorf- 1130 erstmals urkundlich erwähnt: „Oudilhilde (Udil- straße, „Riedhalde" der langgestreckte, breite Nordhang hild), comtessa de Zolron", Gemahlin des Grafen Fried- zum Riedbach, namengebend für die einstige Zeige „Riet- rich von Zollern und Tochter des Grafen Egino II. von halde", „Riedweg" der untere Saum der Riedhalde. Das Urach, schenkte neben Kirchengeräten „unam huobam Ried zieht sich also weit herein in das heutige Dorf. An ad Stetin, unam ad Ingislatt, unam ad Harde, unam ad das „Ried" anstoßend ist „Brühlen", die Eisweiherwiesen Striche, duas ad Danheim" (eine Hube zu Stetten bei der einstigen Kronenbrauerei. Ein „Brühl" sind immer Haigerloch, eine zu Engstlatt, eine zu Hard, eine zu wasserreiche Wiesen, meistens im Besitz eines Orts- und Streichen, zwei zu Thanheim) an die St. Nikolauskapelle Grundherrn. Das Grundwort „slat" dürfte demnach klar des Klosters Zwiefalten Eine Hube war ein Bauernhof sein, nämlich „sumpfiges Gelände". Anders verhält es mit Gütern, dessen Ertrag eine Familie ernähren konnte. sich mit dem Bestimmungswort. Ob dies etwas mit „eng" „Harde" wird als zwischen Engstlatt und Streichen gele- zu tun hat oder mit dem Personennamen „Ingi", wie gen aufgeführt. Falls die Aufzählung geographisch ge- heute vielfach wegen der ursprünglichen Form des Orts- ordnet ist, wird es sich um Hard beim Ziegelwasen (bei namens (s. oben) angenommen wird, sei offen gelassen. Weilstetten) handeln, das um 1300 in einem St. Galler Dem Namen nach gehört Engstlatt nicht zu den älteren Rodel erwähnt wird und dann bald danach abgegangen Siedlungen. Die Altsiedlungen endigen auf „ingen" (Bi- ist. Wann diese Schenkungen dem Kloster Zwiefalten singen, Geislingen) und „heim" (Thanheim, Digisheim), verlorengingen und in welche Hände sie kamen, ist nicht bekannt. die der älteren Ausbauzeit auf „Stetten", „dorf" (Ost- dorf, Weildorf), „hofen" (Steinhofen, Bubenhofen) und „hausen" (Zillhausen, Anhausen) (s. unten). Wir haben es Name und Alter des Dorfes bei Engstlatt mit einer Stellenbezeichnung zu tun. 1273 wird der Name von Engstlatt in einer zollerischen Bis zur Reformation bestanden für Engstlatt starke Be- Urkunde „Engeslat" geschrieben. Eberhard von Ihlingen ziehungen zu Bisingen und Steinhofen. Diese beiden Orte (bei Horb) verkaufte hier einen Hof an das Kloster Of- waren ursprünglich auch nach Balingen orientiert. Sie fenhausen, wozu der Lehensherr Berthold von Falken- gebrauchten nicht das-Hechinger, sondern das alte Baiin- stein (bei Schramberg) das Obereigentumsrecht an das ger Meß (1 Viertel etwa 23 1) und das Burgmeß, also 2 Kloster übergehen ließ . In der Verkaufsurkunde der zwei Maßarten, die im Baiinger Raum herrschend wa- Schalksburgherrschaft von 1403 und im 14. Jahrhundert ren 3. Bei den Flüssigkeitsmaßen sind die gleichen Unter- in verschiedenen Schenkungen an das Kloster Stetten bei scheidungen zu beobachten. Die Kellerei Balingen hatte Hechingen heißt es immer „Engschlatt". Über die Be- noch 1560 zwei Güter zu Steinhofen mit 23 Jauchert deutung des Namens ist schon oft gerätselt worden. Dr. Äcker und 6,25 Mannsmahd Wiesen. Auch ihren Zollha- Veit erklärte den Namen mit „enge (angi) Schlucht" (sla- ber zahlten Steinhofen und Bisingen nach Balingen, wo- te zu schlagen) am Wertenbach. Bild und Tatsache stim- für sie auf dem Baiinger Markt zollfrei waren. men aber nicht ganz überein. Von einer Enge, einer Von der angrenzenden Markung Bisingen entrichtete der Senke zwischen „Rain" und „Kirchhügel" läßt sich wohl Zeig „Hofen" (s. unten) den Zehnten nach Engstlatt. noch reden, aber nicht von einer Schlucht. Das in Flur- Die Pfeffersche Erneuerung für die Grafschaft Zollern und Ortsnamen häufig vorkommende „Schlatt" (Schlatt erwähnt folgendes unter der Zehntbeschreibung für Bi- im Killertal, Schlattwiese, 1540 „Amschlatt" Markung singen: „117,75 Jauchert in einem öschlin, genannt auf Bisingen usw.) wird heute allgemein als Sumpfland ge- Hofen in der Zeig Hochstraß, gehört aller Zehnt gen deutet. Dies dürfte auch für Engstlatt stimmen. Engstlatt in den Laienzehnten". 1435 hatten württem- Innerhalb des Dorfes, am Fuße des Kirchhügels wendet bergische Untertanen zu Engstlatt (1403 württember- sich der Riedbach (Name!) nach Südwest und plätschert gisch) Besitz im benachbarten Zollerischen und die Bisin-
11 ger und Steinhofer waren ihrerseits auf der Engstiatter Wie im schwäbisch-alemannischen Raum fast allgemein Markung begütert 4. das angebaute Ackerland bei den Dörfern und Weilern Die Engstiatter St. Peterskirche mag der Entstehung in drei Zeige oder Esche eingeteilt war, die man zum rei- nach mit der Steinhofer Peterskirche zusammenhängen. bungslosen Ablauf der Dreifelderwirtschaft brauchte, so Ihr Alter ist zwar nicht bekannt. Sie könnte aber von ist dies auch in Engstlatt der Fall. Seit dem 14. Jahrhun- der Steinhofer Peterskirche aus gegründet worden sein dert waren drei feststehende Bezeichnungen üblich, die und wäre dann jünger als diese. Peterskirchen wurden jedoch heute kaum mehr angewandt werden: Zeig anderwärts schon nach 700 gegründet (Peterskirche Ran- „Neunzfeld" oder „Auf Steinen", „Hü&sten" („Hüsten") gendingen 795 genannt). Die Pfarrei Engstlatt, die zum und „Riethalde" im Osten vom Dorf. Das „Wagental" Landkapitel Haigerloch gehörte, wird 1275 erstmals er- war das Grenztal zur Zeig „Hürsten", der westwärts bis zur ehemaligen Balinger-Engstlatter Landstraße, der ein- wähnt. Sie umfaßte nur den Flecken Engstlatt, höchstens stigen „Baiinger Gaß", reichte. Zeig „Neunzfeld" war noch das abgegangene Rohr (s. unten). Anders war es bei der größte Esch. Zu ihm gehörte alles links der alten der Kirche zu Steinhofen, zu der die Kapelle St. Niko- Straße Balingen-Hechingen, mit Ausnahme von „Lauen" laus zu Bisingen (Kaplanei 1312 durch „Walgerns de Bi- (kleiner Wald), das zum Zeig „Hürsten" zählte (s. Zeich- singen und Hermanus dictus de Steinhofen" gestiftet) als nung). Filiale gehörte und zu der Teile von Thanheim, ausge- nommen 5 Höfe, eingepfarrt waren. Aus all dem darf angenommen werden, daß Engstlatt Abgegangene Siedlungen eine von Steinhofen oder Bisingen aus angelegte Ausbau- In den Außenbezirken der heutigen Markung stecken siedlung ist, die spätestens ums Jahr 1000, vielleicht auch verschiedene Stellen des Wirtschaftslandes abgegangener schon zwei bis drei Jahrhunderte früher gegründet wur- Siedlungen. Vielfach haben im Hochmittelalter etliche de und zunächst nur ein kleiner Weiler war. Zum Beweis Fluren nicht zur Markung Engstlatt gehört. Erst nach für eine solch späte Entstehungszeit sollen die Markung der spätmittelalterlichen Wüstungsperiode, dem Abgang Engstlatt und ihre Bebauung etwas genauer betrachtet von Siedlungen, haben die weiterbestehenden Siedlungs- werden. gemeinschaften das verödete Land in Besitz genommen und es nach althergebrachter Weise als Wiesen und Äcker Die Markung genützt oder auch in Gemeindeländereien umgewandelt. Der Kern des Ortes ist um die Kirche, die wie ein Wäch- Am Westrand der Markung fällt der Zeigfetzen „Hinter ter über dem Dorf thront, und an der alten Landstraße' Lauen" auf, dessen Ackerland zur Zeig „Hürsten" ge- zu suchen, der auch im Volksmund „Im Dorf" genannt hörte, jedoch von dieser durch einen Vorstoß der Zeig wird. Die Markung mit ihren 740 ha ergibt heute das „Neunzfeld" getrennt war. Bei diesem Zeigfetzen han- Bild einer Keule, deren Griff sich im Südosten befindet delt es sich um einen Teil des abgegangenen Weilers (s. Zeichnung). Durch den von Südost nach Nordwest Scblechtenfurt, der schon vor 1300 verschwunden sein verlaufenden Wertenbach wird sie in zwei nahezu muß. Die Lagerbücher des 16. Jahrhunderts lassen hier keinen Zweifel, daß unter Schlechtenfurt eine besondere gleichgroße Hälften geteilt. In reichem Maße wechseln 6 freisichtige Höhen, glatte Ebenen und mannigfach ge- Markung zu verstehen ist . Übrig geblieben ist von dem formte Erhebungen, so daß ein schmaler Ausschnitt aus Weiler nur die vor kurzer Zeit abgegangene Ostdorfer der Stufenlandschaft des Schwarzen und Braunen Jura Obere Mühle, wo eine Kläranlage hinkam. Die Nachbar- gebildet wird, der im Osten am Absturz des Hundsrück gemeinden Ostdorf und Engstlatt teilten, nachdem die und Geißbergs mit einem Waldgebiet in 760 m Höhe be- Bewohner die Siedlung verlassen hatten, den Zubehör ginnt und den tiefsten Punkt mit 476 m an der Werten- des Weilers auf. 1314 verkaufte Schenk Walter von Zell (= Andeck) die Mühle um 62 Pfd. an das Kloster Kirch- bachmündung in die Eyach erreicht, also fast 300 m Hö- 7 henunterschied hat. berg , das sie 1508 an die Baiinger Geistliche Verwal- tung abtrat. Viele Flurnamen lassen darauf schließen, daß große Teile der Markung einst Weide und Wald waren. Am auffal- In Engstlatt wird noch 1690 ein „Schlechtenfurter lend aufragenden Netzenberg (Name von etzen = wei- Mühlweg" und 1733 eine Wiese „bey schlechtenfurter den) findet sich am Nordhang die „Hubhalde" (Hub zu wuhr" genannt. Bis vor 90 Jahren führte hier keine hauen), am Südhang die „Hard" (= Weidewald). Nach Brücke über die Eyach, sondern nur eine Furt, bei der Norden folgen „Rauhe Äcker", „Ganze Häsel", „After- auf den harten Rätsandsteinen an der seichten, ebenen greutle" (Greute = das Gerodete), „Am Hägele", alles Stelle (schlecht bedeutet hier = eben, wie „Schlichte = Namen, die auf Weide und Wald, mindestens Buschwald Ebene) durchwatet und durchfahren werden konnte. hinweisen. Am Talbach (Unterlauf des Wertenbachs so Weitere Wüstungen, Rohr und Hofen, sind am Ostrand genannt) befindet sich das „Zwerenhölzle" (Name von der Engstiatter Markung. Am äußersten Südostzipfel überzwerch). Die Namen „Talgreutle" und „Blumenwie- finden sich noch heute die Flurnamen „Burgstall" und se" hinter dem alten Friedhof deuten auf Gerodetes und „Schlößlewald". Auf Bisinger Boden wird 1303 die Burg auf eingehegten Weidewald. In „Eselsloch" (Mühle in Rohr erwähnt, die aber schon 1342 ein Burgstall war, der Nähe), „Ohmesloch" (1534: Ameysloch") „Hunds- denn es heißt 1342 Cun der Truchseß von Urach zu loch" und in der Nähe „Hürsten" (Buschwald), „Hinter Ringingen (Erben der Walger) verkauft um 500 Pfd. hlr. Lauen" (1534: „hinter der lohen") steckt loh = Wald. (Heller) „Ror daz burgstal und Bisingin daz Dorfe", Das „Hölzle" beim „Optenbühl" (= ob dem Bühl) war Gut und Leute mit allem Zubehör zu Steinhofen, zu ein kleiner Nutzungswald. Grosselfingen oder anderswo, mit allen Rechten, die Rit- Wir sehen, die heutige Markung muß einst von einem ter Walger selig, seiner Schwester Mann, daran hatte, an 8 Waldgürtel begrenzt gewesen sein, der vom heutigen zu- den Grafen Ostertag von Zollern . sammenhängenden Waldgebiet niedersteigend den Süd- Als erstes Mitglied des Geschlechts der Walger findet rand der Markung umfaßte, durch das ganze Eyachtal sich „Badalbertus dapifer", der 1228 den Kirchensatz zu 9 ging und im Norden bis an den Klingenbach reichte. Thanheim an den Deutschorden verkauft . Das Gut Nur in der Zeig „Riedhalde" findet sich kein Waldna- Rohr verkaufte Friedrich von Zollern 1442 an das Klo- 10 me. ster Alpirsbach um 122 Pfd. hlr. . Dieser Kauf muß
12 orgen auftritt12. Eine Mühle wird hier schon 1263 er- wähnt. Vom Geschlecht der Walger von Bisingen wurde sie dem Kloster Kirchberg geschenkt13. Nachdem der Weiler, der auch eine Kapelle hatte, wahr- scheinlich durch eine Pestseuche entvölkert war, wurde seine Gemarkung mit denen der umliegenden Gemeinden verbunden, wobei Ostdorf den größten Teil bekam. Die Felder auf der Hochfläche rechts der Eyach unter den Namen „Oberanhausen" und „Rieten" fielen an Grossel- fingen und Steinhofen. „Oberanhausen" hatte etwa 108 Jauchert und gab noch im 16. Jahrhundert Fruchtzehn- ten an Engstlatt14. Die Gewanne „Aftertal" und „La- chen" fielen an Engstlatt. Nach einer Sage soll ein Fräu- lein von Anhausen die Engstiatter um freies Begräbnis gebeten haben. Sie hätten es aber verweigert, während die Ostdorfer einwilligten und dafür den Wald, also den größten Teil, geschenkt bekommen hätten 15.
Ziehen wir nun von der seit 1498 im heutigen Umfang bezeugten Engstiatter Markung die Ländereien ab, die erst nach 1300 infolge Abgangs der benachbarten Sied- lungen hinzugekommen sind, dann bleibt nur ein kleiner Bezirk übrig. Das hochmittelalterliche Engstlatt kann so nach dem zugehörigen Ackerland nicht viel größer als ein kleiner Weiler gewesen sein, der sich nur dadurch aber rückgängig gemacht worden sein, denn 1509 ist von den abgegangenen Siedlungen am heutigen Mar- Rohr wieder im Besitz der Zollern. Zur Burg gehörte kungsrand unterschieden hat, daß er zu Füßen der seit auch das Gut, das 1416 von Friedrich von Zollern um 1275 erwähnten Pfarrkirche St. Peter lag, die ringsum von einer festen Mauer umgeben war, die Schutz gebo- 120 Pfd. hlr. an den Baiinger Vogt Heinrich Sätzli ver- ten und die Siedlungskonzentration an dieser Stelle be- kauft wurde. günstigt hat. Hier entstand auch der erstmals 1390 ge- Eine Sage verbindet Rohr mit der Kirche in Engstlatt, so nannte Selhof des 1095 gegründeten Klosters Alpirsbach, daß angenommen werden darf, daß Rohr nach Engstlatt der wohl ein ehemaliger Maierhof war, und andere Le- 16 eingepfarrt war. Teile des Baufeldes sind wahrscheinlich henhöfe . Der Selhof war schon damals geteilt, war im 15. Jahrhundert der Markung Engstlatt einverleibt aber der bedeutendste Hof des Dorfes. Er könnte ur- worden u. sprünglich vielleicht zollerischer Besitz gewesen sein, der schon sehr früh an das Kloster Alpirsbach kam. Zwei Kilometer östlich von der Ortschaft Engstlatt an der Markungsgrenze gegen Bisingen wird 1496 und 1560 die Flur Hofen erwähnt, die sich teilweise mit dem Bi- 1 Mon. Zollerana (MZ) VIII Nr. 5. singer „Oschle" deckt. In derselben Gegend wird 1402 2 WUB 7, 225. (im Baiinger Vertragsbuch) „Fischers briehl" genannt. In 3 Lagerbuch der Kellerei Balingen 1560 fol. 334. den Trägerzetteln von 1825 heißt es: „Vor stockach, so 4 Bickelsperger Lagerbuch 51-79, 129-131. sich vor alters an des Fischers briegel geschrieben". Mit 5 Mhd. „wret" = erhöhtes, wasserfreies Land zwischen Sümp- dem eigentlichen Engstiatter Brühl nördlich des Ortes fen, auch „Word" geschrieben. hat dieser Brühl nichts zu tun. Es muß eine zugehörige 6 HStArch. Stuttgart B 462 U v. 1321 und 1324. Siedlung angenommen werden. In der Nähe findet sich 7 MZ 8 Nr. 65. auch der Flurname „Grafenhalde" (1775: „Äcker zu ho- 8 MZ I Nr. 294. 9 fen oder zu Grafenhalde"), der vielleicht auf ursprüng- WUB III Nr. 739. 10 FHDA Sigm. R 75 K 10 F 30 Nr. 10. lich zollerischen Besitz hinweist. Heute ist dort der 11 Name „Bisinger Oschle" üblich, der sich teilweise mit Heimatbuch Bisingen S. 62 ff. 12 Zeitschrift Geschichte des Oberrheins 9, 219. „zu hofen" deckt. Es besteht auch eine Sage von drei 13 Siehe Nr. 6. Halden: Grafen-, Sohn- und Mayerhalde. Die Engstlat- 14 Pfeffersche Erneuerung von 1590 FHDA Sigm. ter Zelgeneinteilung gibt zwar keinen Hinweis auf das 15 Kellerei Lagerbuch Balingen von 1496 und 1560. Wirtschaftsleben dieser Siedlung, doch „Brühl" (= gutes 16 Der Selhof umfaßte 1460 170 Jauchert Äcker und 38 Wiesenland) ist nachweislich in Händen von Orts- und Mannsmahd Wiesen. Grundherren. Über Alter und Dauer von Hofen können bei dem Mangel an urkundlichen Überlieferungen keine weiteren Angaben gemacht werden.
Auch im Norden wurde die Engstiatter Markung ver- größert. 1690 befanden sich über dem Klingenbach ne- Desiderius Lenz ben den Gewannen „Rauhe Äcker" oder „Millstaig" (Mühlsteige) die Allmenden „Aftertal" (= Tal hinten in Ausstellung in Haigerloch der Markung), „Lachen ob Anhauser Tal" und „Fauden- ländlein", die einst zum Zwing und Bann Anhausen ge- Zum Gedächtnis des 50. Todestages von P. Desiderius hörten. Der Weiler Anhausen ist um 1400 abgegangen. Lenz, des Begründers der Beuroner Kunst, findet in seiner Heute ist nur noch der Flurname „Anhauser Berg" vor- Heimatstadt Haigerloch eine Ausstellung statt (30. April handen. Anhausen ist erstmals 1095 erwähnt, als Mane- bis 11. Juni im Bürgerhaus). Wir werden in der nächsten gold de Ahusen bei einer Schenkung des Klosters St. Ge- Nummer Werk und Persönlichkeit von Lenz vorstellen.
13 MANFRED HERMANN
Zur Sebastianskapelle in Gammertingen^Feldhausen
In dem einst reichsritterlichen Herrschaftsgebiet Gam- Hettingen in einem Faszikel alter Urkunden 5. Aus ih- mertingen-Hettingen, das 1524 bis 1827 den Freiherrn nen geht hervor, daß die Kapelle nicht - wie 1973 an- Speth von Zwiefalten mit ursprünglichem Sitz in Het- genommen c - als eine direkte Stiftung der Freifrau lingen gehörte, entstanden ab 1582 in relativ dichter Dorothea Speth von Zwiefalten zu Hettingen, sondern Reihenfolge an vier Orten neben den Pfarrkirchen an- 1590/91 als Werk der Feld- und Harthauser Bürger ent- sehnliche Kapellen, die wie Schwestern wirken. 1582/83 standen ist. Beide Schultheiße Hans Andris von Feldhau- wurde in Hettingen die einst vor dem südlichen Stadttor sen und Hans Guldin (Guide) von Harthausen nahmen gelegene Marienkapelle mit kleinem Friedhof errichtet, zusammen mit dem Feldhauser Heiligenpfleger Hans Fe- 1590/91 in Feldhausen am östlichen Ortsrand die Seba- ger die Finanzierung der „Aufferpawung der Capellen stianskapelle mit Friedhof, 1591 in Neufra die Mutter- vnd des Gotts Ackhers" in die Hand. Sie sammelten in gottes-Kapelle mit Friedhof im Ebinger Tal und um Feldhausen 331 fl (Gulden) 3 kr (Kreuzer) und in Hart- 1595 der Neubau der sehr alten Michaelskapelle in hausen 156 fl 1 bz (Batzen), zusammen also 487 fl 7kr; Gammertingen am Nordostrand der Altstadt bei der eine Summe, die Bau- und Einweihungskosten von Ka- Wassermühle, einst neben einem alten Herrenhof pelle und Friedhof gerade deckte. Als Vorbild nahm
Die 1590/91 erbaute Sebastianskapelle in Feldhausen Foto: Locher
In allen vier Fällen ist eine starke Förderung der Neu- man, wie aus der Rechnung hervorgeht, als man Zehrko- bauten durch die damaligen Ortsherren zu vermuten; in sten anläßlich einer Besichtigung ansetzen mußte, Kapel- Neufra sind der Kauf des Grundstückes durch Freifrau le und Friedhof von Grüningen bei Riedlingen. Dorothea Speth von Zwiefalten, die Ehefrau des am Warum dachte man an die Errichtung von beiden, nach- 18. Nov. 1582 gestorbenen Philipp Dietrich Speth2, im dem doch um die Pfarrkirche ein Kirchhof zur Verfü- Jahr 1589 und der Bau durch deren Tochter Margare- gung stand? Offensichtlich war dieser zu eng geworden tha, verheiratet mit Hans Philipp Schad von Mittel-Bi- und bot nicht mehr Platz für alle Toten beider Gemein- berach zu Warthausen, im Jahr 1591 ausdrücklich be- den. Fortan unterschied das Feldhauser Totenbuch stets zeugt 8. Auch in Hettingen dürfte die dortige Kapelle zwischen dem „inneren" und „äußeren" Friedhof. Dem ziemlich klar auf die damals recht fromme Ortsherrin Besitzer des Kapellenstandortes, Sebastian Mayer, zahlte zurückgehen. man 1590 die ansehnliche Summe von 40 fl. Über die Entstehung der Sebastianskapelle in Feldhausen Die einzelnen Posten der Kapellen-Baurechnung aufzu- bestanden bisher nur Vermutungen 4. Überraschend fan- führen, hat wenig Sinn, da grundsätzlich keine Hand- den sich erst kürzlich die Baurechnungen im Pfarrarchiv werker- oder Künstler-Namen genannt werden. Die
14 gegossene Glocke vorhanden; sie ist 34 cm hoch und be- sitzt einen unteren Durchmesser von 40 cm. Sie trägt die Schulter-Inschrift: „O REX GLORIAE CHRISTE VENI NOBIS CVM PACE ANNO DOMINI 1592" (O König der Herrlichkeit, Christus; komm für uns mit Frieden - im Jahr des Herrn 1592). Leider wird kein Glockengießer-Name genannt, genausowenig wie auf der nicht mehr vorhandenen Glocke von 1596 der Gammer- tinger Michaelis-Kapelle zu lesen war 7a. Eine im Staats-Archiv Sigmaringen aufbewahrte Urkun- de 8, ausgestellt am 12. Mai 1592 durch „Schulthais Haimbürgen vnd gantze Gmaindten beeder Fleckhen Veldt- vnd Harthausen vff der Alb", berichtet uns über die Bemühungen der Ortsherrschaft, den von den Unter- tanen errichteten Bau bzw. dessen Unterhalt zu sichern. Auf sie näher einzugehen, erübrigt sich, da sie 1973 aus- führlich zitiert wurde. In der Zwischenzeit fand sich auch noch ein weiterer Beleg für die starke Förderung der Sebastiansverehrung, die bei der Ortsherrin Doro- thea Speth und ihren Kindern anzutreffen war. Im sel- ben Aktenfaszikel mit den Baurechnungen der Feldhau- ser Friedhofs-Kapelle befindet sich im Pfarrarchiv in Hettingen eine Abschrift der Statuten der Sebastians- Bruderschaft in Uttenweiler am Bussen von 1589. Offen- sichtlich planten Frau Dorothea und der damalige Het- tinger Pfarrer, Mag. Justinian Schleh 9, die Einführung einer solchen am Ort und möglicherweise auch in den übrigen Gemeinden der Herrschaft.
Zur Geschichte der Kapelle gehört auch noch ein Wort zur Ausstattung. Von den ursprünglichen Altären ist ]. Schiander: Hl. Wandel, 1723. Foto: Hermann nichts mehr erhalten geblieben. Restaurator Ernst Lorch fand bei der jüngsten Erneuerung im Spätherbst 1977 hinter einem Seitenaltar Spuren einer Baldachin-Bema- Aufwendungen für Ziegler und Maurer samt Zehrgelder lung, die darauf schließen läßt, daß die ersten Neben- anläßlich von Grundsteinlegung und Abrechnungen be- altäre einfach auf die Wand in Fresco-Technik aufgetra- liefen sich immerhin auf 307 fl 12 bz. Die Zimmerleute gen waren. erhielten 43 fl 8 bz, für Bretter und Schindeln zahlte Im Jahr 1723 kamen die jetzigen Seitenaltäre in die Ka- man 23 fl 10 bz 5 kr. Für den Altarstein und den Stein pelle. Sie zeigen einen schlichten Aufbau mit einem Säu- zum Sa&amentshäuslein - der Hochaltar hatte damals lenpaar im Haupt- und Oberteil mit schön geschnittenen noch keinen Tabernakel - gab man 5 fl 2 bz 5 kr. Der Kapitellen, darüber unterbrochene Segmentgiebel. Sicher Maler bekam für die heute noch teilweise erhaltenen stammen sie vom selben Schreiner, der auch den Altar Apostelkreuze (fünf von zwölf) den Betrag von 2 fl von 1722 in die Bronner Kapelle gemacht hat10. Von 13 bz 1 kr. Alle Ausgaben zusammen beliefen sich auf den ursprünglichen Gemälden sind nur noch jene des lin- 487 fl 7 kr, die auch in der Einnahme verzeichnet sind. ken Nebenaltars erhalten. Auf dem Hauptblatt sehen Beträge für die künstlerische Ausstattung der Kapelle wir genau das gleiche Motiv wie auf dem auf Holz ge- wurden dagegen nicht angeführt. Vielleicht deckte man malten Bild über der Kanzel, das vom selben Meister eine solche durch besondere Stiftungen. gleichzeitig angefertigt wurde: Maria und Josef, in deren Mitte den Jesusknaben, den sog. „hl. Wandel", damals In seiner schlichten Ausführung erinnert der Bau an die ein beliebtes Wallfahrts-Thema. Zu Füßen der Hl. Fami- 1595 wiedererstandene Gammertinger Michaelskapelle, lie sind die Stifter des Gemäldes dargestellt: Joseph Lei- an der wohl die gleichen Handwerker wie in Feldhausen pert in braunem, mit Silberknöpfen besetztem Rock, beschäftigt waren. Sehr viel reicher ist dagegen die schwarzem Halstuch, ockergelber Bundhose und mit gleichzeitig erbaute und wohl von dem Biberacher Bau- weißen Strümpfen. Links von ihm seine erste Frau Anna meister Hans Kutzberger ausgeführte Neufraer Mutter- Joachim, durch ein Kreuzchen über dem Kopf als tot gotteskapelle gegliedertImmerhin finden sich in Feld- bezeichnet; daneben die zweite Gattin Maria Magdalena hausen neben dem Eingang und auf der Südseite drei Hannerin in schwarzem Rock, blauem Schurz, brauner dort so charakteristische Nischen mit sogenannten Esels- Jacke und schwarzem Halstuch, den Kopf mit einer rücken-Bögen. Über dem Giebel sitzt wie bei den übri- schwarzen Rundhaube mit seitlichen Bändern bedeckt. gen Kapellen ein achteckiger Dachreiter mit welscher Unter dem Stifter die Jahreszahl „1723" und rechts un- Haube. Merkwürdigerweise schließt in Feldhausen der ten die Signatur: „Johannes Schiander pinx. ex Troch- Chor, der in der gleichen Breite wie das Langhaus mit telfingen 1723". seinen beiden Fensterachsen angelegt ist, nicht in drei Seiten des Achtecks; die vordere Wand hinter dem Mit diesem Bild haben wir endlich ein sicher belegtes Hochaltar ist nochmals, aber ungleichseitig gebrochen. Werk des Trochtelfinger Malersnachdem der Verfas- Im Innern werden Chor und Langhaus durch einen ein- ser das Ölberg-Gemälde in der Pfarrkirche Kettenacker gestellten, oben runden Chorbogen voneinander ge- (um 1720) und das Rundbild am Antependium des Bron- trennt. Leider ist auf der Nordseite des Chores das ehem. ner Altars (um 1719) mit der „Flucht nach Ägypten" Sakramentshaus bzw. dessen Nische nicht mehr erhalten. ihm nur zuschreiben konnte. Ein Vergleich zeigt jedoch Von der Ausstattung der Kapelle ist nur noch die 1592 ein und denselben Pinsel, dieselbe lebhafte Farbigkeit
15 und dieselbe Handschrift. Auch das Oberbild mit der 1 Vgl. Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns - Bd. II: Kreis Darstellung des über der Weltkugel schwebenden Gott Sigmaringen, bearb. v. F. Hossfeld, Hans Vogel u. Walther Genzmer, Stuttgart 1948. Vaters in Halbfigur, darunter die Hl. Geist-Taube, beide 2 in Verbindung mit dem Gottessohn auf dem Hauptblatt Sein Grabmal in der Hettinger Pfarrkirche. Wie Anm. 1, Abb. 157 u. 258. zu sehen, sprechen dieselbe Sprache. Übrigens sind auf 3 Vgl. Die Stiftungs-Inschrift über dem Seiteneingang der dem Bild über der Kanzel beide Themen in eins zusam- Kapelle. mengefaßt. Als Stifter sind dort „Joseph Eiselle Vatter", 4 M. Hermann, Zur Geschichte der Sebastianskapelle in Feld- darunter die beiden Söhne Joseph und Caspar, und Ma- hausen, HH 1973, 55-56. ria Schradin (oder Schrodin) „Muetter" mit den Töch- 5 Für die freundl. Bereitstellung der Urkunden danke ich tern Maria Rosa und Catharina in der nämlichen Tracht meinem Mitbruder Pfr. G. Scharm herzlich. abgebildet. Alle drei Gemälde zeugen von keinem Gele- 6 Wie Anm. 4. 7 genheits-Maler, vielmehr von einem Mann, der seine W. Genzmer, Die denkmalpflegerische Instandsetzung der Kunst durchaus verstand und der Bildqualität nach sei- Muttergotteskapelle in Neufra. Deutsche Kunst und Denk- nem Nachfolger Johann Baptist Bommer12 deutlich malpflege 23 (1965), 45-50 m. 6 Abb. 7a Deutscher Glockenatlas Württemberg-Hohenzollern, be- überlegen war. arb. v. Sigrid Thurm, München/Berlin 1959, Glocke Leider sind die Ölbilder des Altars auf der Gegenseite Nr. 1515 S 522. um 1910 durch allerdings ansprechende Arbeiten ersetzt 8 Ho 173. worden, wohl Gemälde des Gruoler August Pfister 9 Joh. Adam Kraus, Die Hettinger Seelsorger. HH 17 (1877-1931), die weder Signatur noch Datum tragen. (1967), 19 f. 10 Das Hauptblatt zeigt Christus als Erlöser der Armen Das von Frz. J. Spiegier signierte Gemälde mit der „Ver- Seelen im Fegfeuer, das Oberbild den Schmerzensmann mählung Mariens" ist mit 1722 datiert. 11 in Dreiviertelfigur. - Bei der letzten Restaurierung er- H. Hermann, Zum Barockmaler Johann Schiander in Trochtelfingen, HH 1975, S. 12 ff. hielten die Seitenaltäre wieder ihre alte in kräftigem 12 H. Hermann, Johann Baptist Bommer (1705-78), Barock- Braunrot und Blau gehaltene Marmorierung. maler in Trochtelfingen, HH 1976, 26 f. (Fortsetzung folgt)
REGISTER 1977 Seite Ilmensee, zum Kreis Sigmaringen 31 Jungingen, Annakapelle 60 Affelstetten a. d. Lauchert 61 Kettenacker, Seelsorger 43 Als noch das Holz im Ofen krachte 47 Kirchberg, ehemaliges Kloster 58 Auswandererschicksal (Grüningen b. Riedlingen) 30 Maier Nikolaus, Geistl. Rat (Nachruf) 14 Au, Franz Anton v. Au, Maler 18 Mercy Wilhelm, Pfarrer in Gruol 42 Au, Meinrad v. Au, Entwurfszeichnung für die Owingen, Seelsorger 55 Kirche von Bittelschieß 20 Pfullendorf, Gremiichhaus 23 Bohnerzgewinnung auf der Alb 29 Rangendingen, Kloster und Klosterkirche 7 Boll, Pfarrliste (Berichtigung) 29 Regierungspräsidenten (preußische) in Hohen- Burgstellen und Adel in Hohenzollern (Nachträge) 45 zollern 9 Burladingen, Thurn und Taxis'sche Postablage 27 Sigmaringen, Hl. Fidelis (Buchbesprechung) 16 Dent, Franz Ferdinand, Anbetung der Hirten, Sigmaringen, im Mittelalter 50 Melchingen (Abbildung) 49 Sigmaringen 1077, Erstnennung 33 Erntedank-Brauchtum 39 Sigmaringen 900 Jahre 36 Fränkische Zeit, von unseren Dörfern am Albrand 2 Spiegier, Franz Joseph, Altarbild in Feldhausen Frick, Geschichte einer Nonne 15 (Abbildung) 1 Grosselfingen, Urkunde zum Narrengericht 13 Stauferausstellung und Hohenzollern 22 Groß-Schwaben, Gedicht von Chr. Daikeler 64 Tübingen, Studenten aus Hechingen und Haigerloch 21 Haigerloch. Landkapitel, Einzugsliste des gemeinen Veringen das Dorf, Heimatbuch (Besprechung) 36 Pfennigs von 1497 53 Wanderpaß für Schuhmachergesellen Haigerloch, Pfarrei und mittelalterliche Stadt 36 (Rangendingen) 62 Heiligenzimmern, Ortsnamen 26 Weckenmann, Bildhauer und Ochsenwirt in Hohenzollern, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Haigerloch 59 Sozialstruktur im 19. Jahrhundert (Besprechung) 46 Zimmern bei Hechingen, Seelsorger 28
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Nummer: Redaktionsausschu ß: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. P. Maurus Pfaff OSB, Walther Frick, Journalist, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- Benediktiner-Kloster Beuron Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: (Tel. 07571/8341) Prof. Dr. Karl S. Bader, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Manfred Hermann, Pfarrer, Cäcilienstr. 5, CH-8032 Zürich 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. 7451 Neufra/Hohenz. Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Joh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R., (Tel. 07574/442) ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie Badstr. 8, 7800 Freiburg/Br. Die mit Namen versehenen Artikel geben will besonders die Bevölkerung in Hohen- Fritz Scheerer, Rektor i. R., die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der zollern und der angrenzenden Landesteile Am Heuberg 42, 7460 Balingen Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der mit der Geschicte ihrer Heimat vertraut Manfred Hermann, Pfarrer, Schriftleitung sind als solche gekenn- machen. Sie bringt neben fachhistorischen 7451 Neufra/Hz. zeichnet. auch populär gehaltene Beiträge. Gerd Schollian, Hechingen-Stein Manuskripte und Besprechungsexemplare Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich. werden an die Adresse des Schriftleiters Konten der „Hohenzollerischen Heimat": Schriftleitung: oder Redaktionsausschusses erbeten. 802 507 Hohz. Landesbank Sigmaringen Dr. med. Herbert Burkarth, Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol- 123 63 Postscheckamt Stuttgart 7487 Gammertingen (Telefon 07574/3: lerische Heimat" weiter zu empfehlen.
16 W 3828 F HÖH EN ZOLLERISCHE Herauegegeben oom Hohenzollcriedicn Gcechichteocrcin HEIMAT 28. Jahrgang Nr. s/Juni 1978
St. Mauruskapelle bei Beuron
Ein Hauptwerk der Beuroner Kunst, erbaut 1868-1870. Sie vereinigt Architektur, Malerei und Plastik von Desiderius Lenz. Unser Foto wurde 1889 von Baurat E. Eulenstein aus Sigmaringen aufgenommen. Die Kapelle war damals ein beliebtes Ausflugsziel der Sigmaringer. Die Eisengitter wurden vom Bruder Pförtner persönlich aufgeschlossen, der sich hier stolz dem Fotografen stellt. P. MAURUS PFAFF
Pater Desiderius Lenz. Gedenkwort zum fünfzigsten Todestag 25. Januar 1928
Als Peter Lenz im Jahre 1864/65 in sein Notizbuch geistlicher Verwandter war Pfarrer Johann Baptist schrieb, in ein Kunstwerk soll man sich eher hineinden- Lenz, der 1841 in Mingolsheim (Baden) starb. Der in ken als nur hineinfühlen können und Kunst sei überdies München lebende Maler und Musiker Bruno Lenz ist ein abstrakt, mußte eine solche Einstellung der zeitgenössi- naher Verwandter. Eine Charakteristik über diesen aus schen Kunstübung gegenüber als revolutionär erscheinen. Baden stammenden Künstler ist überaus bezeichnend: Es bedurfte noch dreier Jahrzehnte, bis die Befürworter „Ein untrügliches Gefühl für Maß und Angemessenheit der abstrakten Kunstrichtungen sich Geltung verschaffen kennzeichnet das Schaffen von Bruno Lenz. Nur am konnten. Peter Lenz hat noch vor seinem Eintritt in das Rande sei hier vermerkt, daß er mit dem Schöpfer der neuerstandene Benediktinerkloster im oberen Donautal hierarchisch (hieratisch) streng-klassizistischen Beuroner mit dem Bau der Maurus-Kapelle unweit von Beuron Kunst, Pater Desiderius Lenz, nahe verwandt ist. Der sein persönliches Programm vorgezeichnet und in einer Sinn für Maß erlaubt ihm den freien Ausgriff im thema- durchaus einmaligen Vollendung vorgestellt. Alles was tischen wie im formalen Bereich, an Grenzen zu treten, nach 1872 im Rahmen der im Entstehen begriffenen ohne sie zu übertreten" (J. Reisner). Beuroner Kunstschule noch geschaffen wurde, hat niemals A. Pöllmann hat den Stammbaum der Lenz-Sippe in mehr die Bedeutung dieses Erstlingswerkes erreicht. Es Haigerloch verfolgt: „In jeder Familie ist alle Geschich- war dem Meister auch nie mehr eine so einmalige Gele- te nur die Vorbereitung auf einen Einzelnen, und selt- genheit geboten worden, wie sie in dem Auftrag für den sam: wie die Sonne bei ihrem Untergang noch einmal Bau der Maurus-Kapelle vorlag. 50 Jahre waren der alle ihre Lichtmöglichkeiten zusammenfaßt. . ., so faßt Beuroner Kunstschule vergönnt, bis ihre zahlreichen Kar- die Metzgerdynastie Lenz in ihrem größten Vertreter tons im Altpapierkeller der Erzabtei verschwanden. Die just zur Zeit ihres Absterbens noch einmal alle ihre Zeit war über diese kirchliche Kunst hinweggegangen. zweijahrhundertalte Kraft zusammen, so zwar, daß ihre Das neuerwachte historische Interesse im Bereich der ganze Geschichte sich nur als eine Vorbereitung auf die- Kunstgeschichte an den Schöpfungen des 19. Jahrhun- sen Einzigen erweist; architektonisches Gefühl, tiefreli- derts hat auch die Beuroner religiöse Kunst, vor allem giöser Sinn, unbändige Lebenskraft, geschichtliches Be- das Werk des P. Desiderius Lenz, wieder in den Bereich wußtsein und unerbittliche Folgerichtigkeit sind die ernsthafter Betrachtung einbezogen. Es ist deshalb auch Grundpfeiler der Desiderianischen Kunst, deren Basis eine gerechte Verpflichtung, des Werkes des Meisters von vor mehr als zweieinhalb Jahrhunderten am Anfang der Beuron zu gedenken und damit auch eine Würdigung Geschichte dieser Metzgerdynastie deutlich erkennbar und Anerkennung zu verbinden. Die kunstgeschichtliche ist. (Ein familiärer Wandertrieb) muß neben dem uralt- Forschung hat in der Gegenwart mit Recht festgestellt, konservativen Zug in der Anlage des P. Desiderius mit- daß das 19. Jahrhundert aus verschiedenen Gründen her- gewertet werden: das rücksichtslos Revolutionäre, das aus keinen einheitlichen Stil besaß und daß trotzdem die die spießbürgerlichen Schranken durchbricht, wo klare Leistung dieses so fehlbeurteilten Jahrhunderts tatsäch- Erkenntnis es erfordert. Man weiß nicht, was man an lich nicht gering ist. Daß moderne Bewegungen wie diesem eigenartigen Mann mehr bewundern soll, seinen Wandervogel und auch ein Teil der sogenannten Jugend- tiefeingewurzelten Familienhang oder seine weltvergesse- bewegung sich antibourgeois gebärdeten und dem 19. ne Unbekümmertheit, die alle Bande hinter sich läßt, wo Jahrhundert nur Stillosigkeit im abwertenden Sinn vor- ein religiöser oder künstlerischer Beruf das erfor- warfen, kann heute nicht mehr abgenommen werden. dert ... P. Desiderius Lenz ist Sinn und Frucht einer Peter Lenz wurde am 12. März 1832 in Haigerloch ge- langen Familienüberlieferung" (in: Benediktinische Mo- boren. Das romantisch gelegene Städtchen an der Eyach natsschrift 1, 1919, 422/23). kann sich rühmen, drei Kirchen von künstlerischem Rang zu besitzen. Im Schatten dieser Bauwerke ist der Peter Lenz erlernte bei seinem Vater das Schreinerhand- junge Peter Lenz aufgewachsen. Seine Heimatstadt bot werk. Baurat Zobel in Haigerloch erteilte ihm den ersten für ihn ein von der Kunst und Schönheit der Landschaft Unterricht im Architekturzeichnen. Nach dem Tod des geprägtes Milieu, in dem die Lenz-Dynastie seit 250 Jah- Vaters Christian Lenz (1849) wollte der junge Schreiner- ren als Metzger und Wirte herrschte. Im 18. Jahrhundert geselle nach München übersiedeln. Das war für die Mut- war der Seidenhändler Josef Lechleitner aus Ischgl im ter bei den doch kleinen Familienverhältnissen keine Paznaunertal (Nordtirol) eingewandert. Er heiratete leichte Entscheidung. Peter besuchte in München zu- 1739 die Elisabeth Marmon. Thomas Josef Anton Lech- nächst einmal die Modellierschule am Polytechnikum. leitner war der älteste Sohn dieser Familie und später Einige Zeit später gelang ihm ohne Immatrikulation der Chorherr im Augustiner-Chorherrenstift Beuron. Er Einstieg in die Bildhauerklasse der Akademie. Am 9. starb 1797 in Beuron im Ruf der Heiligkeit. Die Groß- November 1852 jedoch konnte er die notwendige Imma- nichte des Chorherrn Lechleitner war Magdalena Lech- trikulation nachholen und damit vollgültiger Schüler der leitner, die sich 1828 mit dem Haigerlocher Schreiner Akademie der bildenden Künste in München werden. Christian Lenz (f 1849) vermählte. Unter den sieben Sein erster und wichtigster Lehrer war Prf. Max Widn- Kindern war Peter das dritte. Drei Kinder starben nach mann (1812-1895), der seit 1848 die Professur von der Geburt. Die Schwestern Valentine und Katharina Ludwig Schwanthaler (1802-1848) innehatte. Prof. sind älter als Peter. Der jüngste Bruder, der neben sei- Widnmanns Einfluß auf Peter Lenz bestand vor allem in nem handwerklichen Beruf auch gerne auf der Violine der Anleitung zum Studium der Antike, aber auch in der spielte, Martin Lenz, starb 1918. Er hatte Peter im Som- Einführung zu kunstgewerblichem Arbeiten. Mit der mer 1872 von Haigerloch nach Beuron begleitet. Ein Skulptur des „Triumphiernden David" - das war das Neffe der Mutter war Pfarrverweser in Trochtelfingen Thema der von der Akademie der bildenden Künste ge- und erreichte nur ein Alter von 34 Jahren. Ein weiterer stellten Preisaufgabe - schloß Peter Lenz 1857 seine Münchener Ausbildung ab. Die von Lenz gestaltete
18 Figur ist noch vom Klassizismus Thorwaldsens dieser Kapelle hat Peter Lenz sein ganzes Kunstpro- (1770-1844) beeinflußt. Lenz erhielt für seine Leistung gramm verwirklicht. 1870 reiste Lenz nach Berlin, um einen Preis. Aufgrund dieser Arbeit hat ihn 1859 Prof. sich weiteren Kunststudien zu widmen. Jakob Wüger August v. Kreling, der Schwiegersohn des Münchener trat sofort in Beuron ein. Lenz meldete sich 1872 wieder Akademiedirektors Wilhelm von Kaulbach, an die Kö- und hatte den Wunsch, als Hausoblate an der Ausgestal- nigliche Kunstgewerbeschule in Nürnberg berufen. Prof. tung von Kloster und Kirche mitzuarbeiten. Am 25. v. Kreling war Maler und hatte seit 1. November 1853 April 1876 nahm Abt Maurus Wolter den Kunstoblaten die Leitung des traditionsreichen Nürnberger Instituts Peter Lenz unter die Chorpostulanten auf. Da in Monte übernommen. Peter Lenz sollte die Bildhauerklasse füh- Cassino bereits Vorbereitungen für die Restauration der ren. Zu seinen Schülern gehörten damals schon die späte- Torretta im Gange waren, durfte Fr. Lenz nach dem Sü- ren Freunde Tobias Weiß und Johannes Schwendfür. den reisen und in Monte Cassino am 15. August 1877 1857 modellierte Lenz ein Gips-Medaillon, das die Heili- das kanonische Noviziat beginnen. 1878 legte er auf dem ge Familie darstellte. Die Arbeit sollte ein Beitrag zur heiligen Berg seine monastische Profeß ab. 1880 wurde „Ersten Deutschen Kunstausstellung" 1858 in München er nach Emaus/Prag gerufen, um an der Restaurierung sein. 1858 schuf er eine Pietä, die sich noch deutlich an der Abteikirche mitzuwirken. 1891 kam an Fr. Desi- spätgotische Vorbilder anlehnt. Die Nürnberger Lehrtä- tigkeit entsprach offenbar nicht ganz seinen Neigungen. Es gab Schwierigkeiten mit dem Direktor des Instituts. Aber eine mehr zufällige Begegnung mit Prof. Peter v. Cornelius (1783-1867) löste alle Probleme. Am 10. Ja- nuar 1862 erhielt Peter Lenz durch Vermittlung des an- gesehenen Professors ein Schreiben mit der Aufforde- rung, eine Eingabe um Unterstützung zu machen. Das Stipendium wurde gewährt und Lenz konnte Ende De- zember 1862 in Begleitung von Jakob Wüger nach Itali- en reisen. Während des Aufenthalts in Rom lernten die beiden Freunde auch die aus Bruchsal in Baden stam- mende Historienmalerin Amalie Friedericke Bensinger (1808-1889) kennen. Dabei tauchte zum erstenmal der Gedanke auf, ein Künstlerkloster einzurichten. Durch Vermittlung des Bildhauers Hermann Schubert (1831-1917) hatte Lenz in Rom auch Zugang zur Bi- bliothek der preußischen Gesandtschaft erlangen kön nen. Dort befand sich nämlich das gerade erschienene 12bändige Werk des Ägyptenforschers R. Lepsius „Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien" (1849-1859). Aus dessen 2. Band fertigte sich Lenz zahlreiche Pausen und war fasziniert über seine Entdeckung. Am Weih- nachtsabend 1864 entwarf Peter Lenz in Rom die Statu- ten für eine klösterliche Künstlergemeinschaft. Eine gro- ße Unruhe war über Lenz gekommen und seine bisherige künstlerische Tätigkeit schien ihm völlig in Frage ge- stellt. Da das Stipendium ohnehin auslief, entschloß er sich im Frühjahr 1865, Rom zu verlassen. Er hatte eine neue Betätigung gefunden in den Marmorsteinbrüchen von Laas im oberen Vintschgau in Tirol. Als Aufseher nahm er dort einen längeren Aufenthalt und vertiefte sich in den Schatz seiner zahlreichen ägyptischen Pausen. Im Winter reiste er gewöhnlich wieder nach Rom. Die Kunstauffassung der Ägypter hatte ihn überwältigt. 1865 entstand in Laas die Zeichnung einer Pietä, die Lenz zeitlebens als die tiefste aller seiner Kompositionen Beuroner Madonna mit Kugel (Foto Beuroner Kunstverlag) betrachtete. 1866 machte Lenz im Hause „Bürgle" auf der Reichenau anläßlich eines Heimatbesuchs die Be- kanntschaft mit dem Büchlein „Choral und Liturgie" derius das Anerbieten, in der Basilika zu Loreto/Italien von P. Benedikt Sauter. Frl. Amalie Bensinger hatte Be- die deutsche Kapelle auszugestalten. Die Oberen mußten ziehungen zur Fürstin Katharina v. Hohenzollern und in diesem Fall ablehnen, da P. Gabriel Wüger kaum zum Prior des neuen Klosters. Sie hatte eine Einladung mehr hätte mitwirken können. Der Auftrag ging deshalb an Peter Lenz vermittelt. Am 25. Januar 1868 stand Pe- an den Spätnazarener Ludwig Seitz in Rom. Am 9. Au- ter Lenz zum erstenmal an der Beuroner Klosterpforte. gust 1891 erhielt Fr. Desiderius zusammen mit anderen Sofort erhielt er den Auftrag zum Bau der Maurus-Ka- Mönchen in Beuron durch Bischof-Koadjutor Wilhelm v. pelle, deren Rohbau im Herbst 1868 bereits fertig war. Reiser aus Rottenburg die Subdiakonatsweihe. Erzabt Zusammen mit Jakob Wüger wurden im Winter in Rom Plazidus Wolter bestimmte 1892, daß Fr. Desiderius zu- die Kartons für die Bemalung entworfen. 1870 stand die künftig als „Pater" angesprochen werden soll. Noch vor Kapelle fertig da. K. Muth hat von ihr gesagt: „Diese der Jahrhundertwende wurde P. Desiderius nach Monte kleine Kapelle ist von so stiller, erhabener Schönheit wie Cassino gerufen, um die Arbeiten an der Krypta zu lei- kein weiteres Werk christlicher Kunst im 19. Jahrhun- ten. 1910 werden die Materialien der Künstler in einem dert, so daß sie als ein Nationalmonument von klassi- Eisenbahn-Waggon nach Beuron überführt. P. Desiderius schem Wert in Ehren gehalten zu werden verdient." In darf 1913 noch einmal auf den heiligen Berg von Cassi- no. Es war das letztemal. 1915 weilt er in St. Gabriel/
19 Prag, wo das Hochaltarbild mit der Marien-Krönung vollendet werden soll. 1917 kehrt er selbst endgültig nach Beuron zurück, immer noch voll Begeisterung für seine Kanon-Idee. An der zeitgenössischen Kunstent- wicklung hat der Meister seit der Jahrhundertwende kei- nen Anteil mehr genommen. P. Willibrord Verkade hat ihm 1918 noch etwas zur Seite gestanden bei der literari- schen Ausarbeitung eines kleinen Kanon-Textes. Im Sommer 1925 ging durch die Presse die Nachricht, der Beuroner Meister sei gestorben. 1926 drehte eine Stutt- garter Filmgesellschaft einen Streifen „Der Meister von Beuron", an dessen Ende der 94jährige Greis im Lehn- stuhl gezeigt wurde. Am 28. Januar 1928 starb infolge einer Lungenentzündung der ehrwürdige Patriarch. Die Beuroner Mönche trugen ihn am 31. Januar in ihre Gruft, wo er ganz nahe bei seinem Urgroßonkel, dem Chorherrn Thomas Lechleitner, von Mühsal seines Künstlerlebens ausruhen darf. Die Kunst des P. Desiderius Lenz ist seine ganz persönli- che Leistung geworden. P. Lenz war ein Meister des Ent- wurfs im kleinen Maßstab. Die von ihm gestalteten Räu- me wurden trotz gewisser Mängel in der Ausführung eine künstlerische Einheit. P. Desiderius hat sein persön- liches Arbeiten als eine Möglichkeit der Überwindung des krassen Naturalismus im 19. Jahrhundert verstanden. Er wollte dem religiösen Element in der Kunst den ge- bührenden Vorrang zuweisen und damit jeder Säkulari- sierung des Religiösen in der Kunst entgegenarbeiten. Lenz wollte das Ewige und Zeitlose zum Ausgangspunkt machen und so auch das Ewige und Zeitlose erfassen. Lenz glaubte, daß diese für ihn wesentlichen Elemente in besonderer Weise vorbildhaft in den Gestaltungstenden- Gnadenkapelle in Beuron 1898/99 zen der ägyptischen, später der griechisch-römischen und (Foto Beuroner Kunstverlag) frühchristlichen Kunstverwirklichung zu finden seien. K. Welt wiederherzustellen, sondern nur zu oft ein Mittel, Muth hat wohl sehr treffend die Leistung des P. Desi- das bloß sinnliche Element ästhetisch zu steigern und zu derius Lenz gewürdigt: „In Beuron ist ein Prophet da- sublimieren. Wie man auch immer die praktischen hingegangen, der Prophet einer Kunst, um die er gerun- Kunstleistungen der Beuroner Schule, deren Gründer P. gen hat und deren Geheimnis zu offenbaren ihm nicht Desiderius Lenz geworden ist, in zukünftigen Zeitaltern gelang, das er vielmehr in die Ewigkeit wieder mit hin- beurteilen wird, dieses eine große und wahrhafte Ver- übergenommen hat, von wo es stammt. Ein rückwärts dienst, den religiösen Grundcharakter aller Kunst, nicht und zugleich vorwärts gewandter Prophet, wie alle Pro- nur der religiösen im stofflichen Sinn wieder dem Be- pheten, ein prophetischer Künstler, in eine Zeit hineinge- wußtsein ihrer Zeit nahe gebracht und mit unbeugsamem boren, die das Wissen um das Wesen der Kunst verloren Wollen vorgebildet zu haben, wird ihr bleiben, man hat, weil ihr das erste und wesentlichste Kunstprinzip, wird daran anknüpfend weiterbauen, wenn auch nicht das Streben nach der Einheit von Sein und Erscheinung, im Stile der Beuroner, so doch in ihrem Geiste, von dem fremd geworden ist, weil sie in der Kunst nicht mehr ein ihr Stil als eine der vielen Ausdrucksmöglichkeiten ange- Mittel sieht, die durch den Bruch der Lebenseinheit zer- sehen werden kann" (in: Hochland 25,2, 1928, störte Harmonie zwischen der geistigen und materiellen 103-105, Zitat S. 103/04).
MANFRED HERMANN
Zur Geschichte der Sebastians^Kapelle in Gammertingen^Feldhausen (II)
Die Stiftung der Nebenaltäre durch Feld- und Harthau- 16 xr. Der damalige Harthauser Schultheiß brachte aus ser Bürger 1723 zeigt, wie sehr die Pfarrangehörigen die Wurmlingen drei Gibsfässer mit, wofür er einen Fuhr- Kapelle am Friedhof, zunächst allein dem hl. Sebastian, lohn von 11 fl bekam. Ansehnliche Beträge gingen an dem Patron für einen guten Tod, dann auch dem barok- den Ziegler von Hettingen (18 fl 46 xr) und wegen Zie- ken Viehheiligen St. Wendelin geweiht, schätzten und gelsteine an das Kloster Mariaberg. Zimmermeister Jo- ihr liebevolle Fürsorge zuwandten. Nach dem Neubau seph Kindler verdiente 14 fl. Der umfangreichste Lohn der Pfarrkirche St. Nikolaus 1738 durch Maurermeister von 127 fl 26 xr stand dem Riedlinger Maurermeister Melchior Schäntzle von Oberstetten und deren Ausstat- Johann Schneider zu, der wohl der bekannten Maurer- tung in den Jahren 1740-45 sollte auch die Kapelle im Familie Schneider in Baach bei Zwiefalten angehörte, die Geist des Rokoko erneuert werden. Die Heiligenpflege- mehrfach Zwiefalter Klosterbaumeister gestellt hat. Ver- Rechnung des Jahres 1750 enthält eine Fülle von An- mutlich ist er jedoch nicht mit Hans Martin Schneider gaben, die auf einen gründlichen Umbau schließen lassen. (1692-1760) identisch, der in der Regel nur als Martin Zunächst erhielt der Glaser für die neuen Fenster 22 fl erscheint.
20 Aufgabe des Riedlinger Maurers war es, im Innern als Dieser Altar ist für eine berühmte Plastik geschaffen Übergang von den Seitenwänden zur Decke eine von worden, die heute in der Pfarrkirche steht und von un- kräftigen Profilleisten gerahmte Hohlkehle anzulegen - schätzbarem Wert ist: die Reutlinger Madonna aus der sie ist nach der jüngsten Restaurierung rosa getönt - Zeit um 1500 von der Hand des berühmten Ulmer Bild- und die Decke im Langhaus und Chor mit einfachen hauers Gregor Erhart. Wie Dr. Herbert Burkarth schon Muschel- und Bandelwerk-Stukkaturen auszuzieren. Aus einmal in der Hohenzollerischen Heimat 1973 ausge- den zuweilen recht trocken, naiv wirkenden Formen zu führt hat, besteht noch in Feldhausen eine alte Tradi- schließen, hat Schneider dafür keinen eigenen Stukkateur tion, ein hiesiger Bauer habe eine Fuhre Holz nach Reut- beschäftigt, sie vielmehr selbst ausgeführt. lingen gebracht und dort einen Mann angetroffen, der An der Chordecke sitzt ein längsovaler Spiegel mit le- eben diese Madonna zersägen wollte. Er habe ihm dafür bendig geschwungener Muschelwerk-Umrahmung, rosa den ganzen Wagen Holz angeboten und die Figur auch getönt, blau gerandet mit zwei kleinen grünen Zierfel- wirklich erhalten. Voller Freude habe er sie in seine Hei- dern. Die Decke des Langhauses enthält einen großen, matgemeinde gebracht und sie der Kapelle gestiftet. Die- se Tradition muß in der Tat auf einem wirklichen Ge- rosagetönten Mittelspiegel in langgezogener, figurierter schehnis beruhen, denn weit und breit konnte sich keine Vierpaßform, von weißen Stuckleisten gesäumt, darum Gemeinde oder ein kleineres Kloster einen Altar mit ei- eine schmale ockergelbe Zone, von weißem Bandelwerk nem solchen Bildwerk leisten. Die Madonna stand sicher begrenzt, vorn und hinten mit Zierfeldern geschmückt. ursprünglich in der Reutlinger Marienkirche und wurde Über dem Chorbogen sitzt eine einfache Rokoko-Kartu- 1530 anläßlich der Reformation entfernt, als der dortige sche mit naivem Muschelwerk in Rosa und flankierenden Hochaltar zerstört wurde. grünen Palmetten: In der Mitte das von Dornen um- rankte Herz Jesu, zuseiten die ligierten Buchstaben der Die Kapelle wurde im 19. Jahrhundert einmal einer Namen Maria und Joseph. In den Ecken der Decke sind gründlichen Renovierung unterzogen, und zwar 1882. ebenfalls Rokoko-Kartuschen mit frei aufgetragenen Ro- Diese Jahreszahl ist auch über dem Giebel der Frontseite caillen zu sehen. Allerdings kommt die gesamte Decken- in römischen Ziffern in einen Stein eingemeißelt, der je- zier erst wieder seit der Erneuerung im Spätherbst 1977 doch von unten nur schwer entziffert werden kann. Of- zur vollen Geltung, wofür der Firma Ernst Lorch in Sig- fensichtlich wurde damals das gesamte Dach umgedeckt maringen aufrichtige Anerkennung gebührt. bzw. saniert. Wahrscheinlich ist jedoch im Innern außer Im Jahr 1760 kamen die 14 Kreuzweg-Stationen in die einer Ausmalung kaum etwas geändert worden. Dies Kapelle, die in kräftigen Farben gemalt sind und von muß dagegen um 1910 der Fall gewesen sein, als man blaumarmorierten Rahmen eingefaßt werden. Ohne Teile der Chorwände, vor allem auf der Nordseite, in Zweifel sind sie Arbeiten des Begründers der Gammer- Ordnung bringen mußte. Damals hat man wohl die Sa- tinger Malersippe, des Anton Reiser I, der jedoch kaum kramentsnische entfernt, als die Mauern schadhaft und über einfache Qualität' hinauskam und dessen Werke teilweise unter Verwendung von Zement neu aufgeführt mehr zur Volkskunst zu rechnen sind. 1876 renovierte wurden. sie laut Inschrift auf,der Rückseite der 14. Station ein R. Von der übrigen Ausstattung sollen hier noch zwei Öl- (oder B.) Buk, wohl ebenfalls aus Gammertingen. bilder angeführt werden, denen man jüngst keine beson- Der Hochaltar des Jahres 1791 ist mit seinem glatten, dere Aufmerksamkeit schenkte, da sich bei ihnen eine jedoch lebendigen Aufbau ein typisches Werk des Klassi- Restaurierung kaum lohne. Es dreht sich um Gemälde zismus. Eine große Mittelnische wird flankiert von ei- des Gammertinger Malers Constantin Hanner von 1882: nem Säulen- und außen von einem Pilasterpaar mit gut ein Herz-Jesu- und ein Herz-Mariä-Bild. Vor nicht all- geschnittenen Kapitellen. Uber dem verkröpften Gebälk zulanger Zeit waren sie innerhalb der Malerausstellung stehen klassizistische Vasen mit Lorbeer-Girlanden, die zu sehen, die Botho Walldorf den Gammertinger Mei- beidseitig durch Henkel gezogen sind. Im Altar-Oberteil stern widmete. Sollte nicht alles getan werden, daß ist ein querovales Gemälde zu sehen: die hl. Dreifaltig- sämtliche Werke dieses einheimischen Künstlers erhalten keit auf Wolken mit mehreren Puttenköpfen. Die Altar- bleiben? tisch-Verkleidung verjüngt sich nach unten und zeigt un- ten an der Altarplatte und über dem Fuß je eine Kehle, Unter einem großen Kostenaufwand hat die Stadt Gam- am Zierfeld in der Mitte ein Kreuz. Laut der Heiligen- mertingen dieses wertvolle Baudenkmal nun wiederher- pflege-Rechnung von 1791 fertigte Alois Eisele von gerichtet. Als Friedhofskapelle haben es die Feld- und Gammertingen um 70 fl 34 xr den Altaraufbau, der von Harthauser Bürger einstens erbaut und hier um einen gu- Ambros Reiser (1730-1815), dem bedeutendsten Vertre- ten Tod und für die Verstorbenen gebetet. Daß das Hei- ter der Gammertinger Malersippe, um 80 fl gefaßt und ligtum auch weiterhin als Aufbahrungsort für die Toten gemalt wurde; eingeschlossen ist das Gemälde im Auszug dienen darf, kann als glückliche Lösung der anstehenden des Altars. Probleme gewertet werden.
JOHANN ADAM KRAUS führlich beschrieben und skizziert worden. Im Junginger Heimatbuch von 1976 S. 39 wurden der Burgplatz noch- mal besprochen und einige inzwischen dort gemachte Frundspürglin und Eineck Funde aufgezählt. Den dortigen Ausführungen ist jedoch zu widersprechen, wenn der urkundliche Name Frund- spürglin angezweifelt wird. Die Stammsilbe Frund (an Die kleine Burgstelle auf der vom Heufeld-Seeheimer- anderer Stelle von 1545 als Freundsbürglin vorkom- berg gegen Jungingen ins Killertal vorspringenden Berg- mend) steckt auch in dem Burgnamen Frundeck (bei nase mit dem urkundlichen Namen „Frundspürglin" Ahldorf) und im Namen des Bauernjörgs Georg von (1545), volkstümlich auch „Eineck" genannt, ist sowohl Frundsberg. Die kleine Burg mit ca. 300 qm über dem in den Blättern des Schwäb. Albvereins 1950, 3-4 als Killertal hieß also Frundsburg oder Freundesburg. Der auch in „Hohenzollerische Heimat" 1961, 41-42 aus- volkstümliche Name Eineck, erst seit Jakob Barths Orts-
21 chronik von Ringingen nachweisbar, entstand durch den Heinrich Späth bzw. dessen Erben Hans Späth von irrigen Eintrag im Ringinger Jahrtagsbuch, wo von Granheim, dann 1508 tauschweise an den Grafen Eitel- „Heinrich Affenschmalz und Elisabeth von Eineck" die friedrich von Zollern gekommen, während die restlichen Rede ist. In Wirklichkeit hieß das Ehepaar in seiner drei Viertel über die Grafen von Werdenberg im J. 1534 Jahrtagsstiftung von 1406 Heinrich von Killer genannt an Fürstenberg übergingen (HJH 1938, 126). Demgemäß Affensschmalz und Elisabeth die Unraine von Ratzen- ist das Junginger Heimatbuch zu berichtigen. Nach Lau- ried (Hohz. JHeft 1954, 125 u. 135). Irrtümlich scheint ers Untersuchungen sei die Frundsburg schon um 1250 Heinrichs erste Frau Anna von Neuneck als „Eineck" durch Feuer abgegangen. Von einer frühgeschichtlichen hineingeraten und auf den Burgplatz übertragen worden Anlage daselbst kann schon wegen des beschränkten zu sein. Dieser gehörte allezeit zur Gemarkung Ringin- Umfangs keine Rede sein. Die Schanzanlage von 1704 gen, wie der weit unterhalb stehende Grenzstein von (Zollerheimat 1938, 33 f) hat alle alten Reste gründlich 1584 als Scheidepunkt für Killer, Ringingen und Jungin- gen beweist. Erst durch die lineare Grenzziehung der zerstört, so daß man keine Dachziegel mehr findet. Seite Vermessung von etwa 1834 kam die jetzige künstliche 36 ist im genannten Heimatbuch vallum nicht mit „Gra- Spitze zustande. Vgl. Zeichnung i. HH 1961, 42. Der ben", sondern mit Dreck- bzw. Trümmerhaufen zu über- Seeheimerberg mit einem Viertel von Ringingen ist im setzen; wodurch der Zustand der 1311 zerstörten Burg 15. Jahrhundert an Mettelhans Schwelhers Tochtermann Jungingen gekennzeichnet ist.
OTTO STOCHDORPH
Eine versteckte Miniaturvedute von Hechingen aus dem 16. Jahrhundert
Neben die geographische, von Gelehrten entworfene Karte trat im 16. Jahrhundert die topographische Erfas- sung kleinerer Räume. Sie wurde anfänglich weniger mit Grundrißkarten bewältigt als vielmehr mit der perspek- tivischen Darstellung der Gegend in sogenannten Land- tafeln. Als Beispiele aus dem süddeutschen Raum seien die Rottweiler Pürschgerichtskarte von David Rötlin, die Wangener Landtafel von Andreas Rauch und die im Fürstl. Archiv Sigmaringen vorhandene Landtafel des Ostrachtales genannt. Die Darstellung von Stadt- und Dorfansichten, von Bergen usw. auf den Landtafeln wurde - meist in schematischer Vereinfachung - dann auch in die Karten größeren Maßstabes übernommen und erst viel später durch Ortssignaturen bzw. Schraf- die auf „um 1700" datierte Karte des „Ducatus Wurten- fierung oder Höhenschichtlinien ersetzt. Letzte Nach- burgici" von G. Valk. klänge der Landtafelmalerei sind noch in der Signatu- Verkehrt ist bei der „Stauffenburg"-Eintragung sowohl rensprache der modernen Kartenwerke aufzuspüren, die Position NNO Hechingen als auch die Situation auf wenn etwa ein winziges Rad eine Wassermühle bezeich- einem hohen Berg. Gadner wußte offenbar etwas von net und Kreise oder hochgestellte Dreiecke je mit Schat- der Existenz einer Stauffenburg in der Nähe Hechin- tenstrich nach rechts Laub- oder Nadelwald anzeigen. gens, aber wie kam er zu der Darstellung eines Berges in Eine der ersten Karten größeren Maßstabes, die den ho- der erwähnten Position? Einen Fingerzeig gibt die Ver- henzollerischen Raum mit Einzelheiten darstellt, ist die tauschung der Ortsnamen „Tala" (Talheim) und „Me- Karte des „Wirtenberg. Ducatus", die Abraham Ortelius ßing" (Mössingen) weiter im Osten. Gadner hat seinen mit kaiserlichem Privileg von 1579 in sein „Theatrum Entwurf mit Sicherheit nicht überall auf eigener Erkun- Orbis Terrarum" aufnahm. Sie gibt einen Entwurf des dung oder gar Vermessung aufgebaut, sondern sich in herzoglich-württembergischen Oberrates Georg Gadner der damals allgemein gebräuchlichen Art fremder Kar- wieder, der später (1596) eine „Chorographia Ducatus tenvorlagen bedient, deren Inhalt er übernahm. Die Wirtenbergici" ausarbeitete. Nord-Süd-Vertauschung bei Talheim und Mössingen Auf der Gadner/Ortelius-Karte ist bei Städten, Dörfern läßt vermuten, daß er für die Gegend um Hechingen und Burgen um den Positionskreis, der die exakte Lage eine nicht nach Norden, sondern nach Süden orientierte angibt, jeweils eine kleine und schematisierte Ansicht Karte als Vorlage zur Verfügung hatte. Eine solche eingezeichnet. Hechingen ist an der Starzel zwischen Übernahme unter Drehung um 180 ° war für die Kar- „Stetten" und einer als „Wiesteagul" bezeichneten Müh- tenzeichner der damaligen Zeit bei Grundriß-Konfigura- lensignatur zu finden. Südostwärts liegt der „Zollern", tionen weiter kein Problem, wohl aber bei Aufrissen wie nordnordostwärts auf einem ebensohohen Berg eine bei Ortsansichten. Hier war ihnen sozusagen nur geläu- „Stauffenburg". Diese „Stauffenburg" etwa nördlich fig, daß eine Stadtsilhouette von Süden das Spiegelbild von Hechingen spielt in der Folgezeit die Rolle eines der Stadtsilhouette von Norden sei. Aus einer Ansichts- kartographischen Leitfossils: Bis ins ausgehende 17. darstellung von Norden war also durch spiegelbildliche Jahrhundert geben sich Karten von Schwaben, von Wiedergabe eine Ansicht von Süden abzuleiten. Württemberg usw. als letztlich aus der Gadner/Ortelius- Wendet man diese Überlegung auf die Wiedergabe von Karte abgeleitet zu erkennen, wenn sie die „Stauffen- Hechingen auf der Gadner/Ortelius-Karte an und repro- burg"-Eintragung enthalten, so z. B. die Württemberg- duziert sie seitenverkehrt, so wird eine Miniaturvedute Karte in Merians Schwaben-Topographie von 1643 oder „Hechingen und der Hohenzollern" sichtbar. Vor dem
22 Ausschnitt aus der Gadner/Ortelius-Karte »Wirtemberg. Ducatus« (Atlasband der Wurtt. Landesbibliothek Stuttgart), etwa zweieinhalbfach vergrößert. Teilausschnitt, seitenverkehrt. im Hintergrund mächtig aufragenden Berg liegt die auch „Lungingen") aus der nach Süden orientierten Vor- Stadt in vereinfachter Darstellung, links die Stiftskirche, lage übernommen, denn auch dort liegt der Positions- rechts der beherrschende Bau des Schlosses vor dem kreis auf dem falschen Starzelufer. Neubau von 1577-1595. In der Komposition besteht Wenn man von der nicht ganz außer Zweifel stehenden eine weitgehende Ähnlichkeit zu der von Merian in der Möglichkeit absieht, daß das Wandgemälde im Chor der Schwaben-Topographie von 1643 wiedergegebenen An- Kirche von Engstlatt unter anderem den Hohenzollern sicht; vielleicht entstanden beide in Anlehnung an eine wiedergibt, stammen nach M. Schefold (Hohenzollern in noch ältere Vorlage. - Der Positionskreis liegt jetzt alten Ansichten. J. Thorbecke-Verlag 1963) die bisher korrekterweise südlich der Starzel. Auch See und Mühle bekannt gewordenen Ansichten Hechingens und des Ho- weiter rechts finden sich bei Merian wieder: der wüste henzollerns frühestens aus dem 17. Jahrhundert. Die ver- Weiher und die Niederhechinger Mühlengruppe. Damit steckte Miniaturvedute auf der Gadner/Ortelius-Karte läßt sich auch „Wiesteagul" als verschrieben aus „Wüste- von 1579 ist dann trotz ihrer Kleinheit von heimatge- mühl" entziffern. Vermutlich ist auch Stetten (vielleicht schichtlichem Interesse.
J. GRONER
Pfullendorf im Spanischen Erbfolgekrieg. Warum wurde die Stadt am 27. Mai 1704 vom bayrischen Kurfürsten Max Emanuel nicht niedergebrannt?
Der Spanische Erbfolgekrieg: drei Herrscher kämpfen zu vermeiden, Max Emanuels kleinen Sohn Josef Ferdi- um mehr Macht. nand zum Erben eingesetzt, doch das Büblein starb schon Als am 1. November des Jahres 1700 der kinderlose Kö- 1699 mit neun Jahren. Damit war des Vaters Traum, nig Karl II., der letzte Habsburger auf dem spanischen sein Haus aus der bäuerlichen Ärmlichkeit seines Kur- Thron, gestorben war, entbrannte unter seinen nächsten fürstentums zur Macht und Würde einer Königskrone zu Verwandten der Kampf um seine Nachfolge, das heißt führen, ausgeträumt. Nun witterte der unbändig ehrgei- um den Besitz jenes Weltreiches, „in dem die Sonne zige Wittelsbacher eine Aufstiegsmöglichkeit im entbren- nicht unterging". Zwar hatte Karl kurz vor seinem Tod nenden Krieg um den spanischen Thron, und da ihm den Enkel seines Schwagers Ludwig XIV. von Frank- Ludwig XIV. mehr zu versprechen schien als sein reich, Philipp von Anjou, testamentarisch zum Erben Schwiegervater Leopold 2, schlug er sich auf die franzö- eingesetzt, doch diese Nachfolge wollte Kaiser Leo- sische Seite. Andererseits versuchte der Kaiser immer pold I. als Chef des Hauses Habsburg-Österreich nicht wieder, den Kurfürsten für sich zu gewinnen, um die eu- anerkennen und beanspruchte die spanischen Länder in ropäische Front gegen Ludwig zu stärken, jedoch ohne Europa und Amerika für seinen Sohn Karl (den späteren Erfolg. Der Krieg begann 1701 und dauerte bis 1714. Kaiser Karl VI., den Vater Maria Theresias) In diese Thronstreitigkeiten mischte sich noch ein Dritter: der Schlachtfeld Süddeutschland bayrische Kurfürst Max II. Emanuel, ehemals Statthalter In den ersten Jahren spielte sich der Kampf auf süddeut- Karls II. in den spanischen Niederlanden (dem heutigen schem Boden ab, weil Habsburg und seine Verbündeten Belgien) und Vater des ersten spanischen Thronerben. zunächst einmal Frankreichs „vorgeschobenen Posten", Tatsächlich hatte Karl II., um den befürchteten Krieg eben den Kurfürsten von Bayern, militärisch und poli- zwischen seinen Schwägern Leopold I. und Ludwig XIV. tisch unschädlich machen mußten. Nachdem Ludwig
23 XIV. dem Wittelsbacher schon 1703 mit Truppen zu nem Heimatort haben ergeben, daß es sich um Kaspar Hilfe gekommen war, rückte 1704 erneut ein französi- Ritter aus Andelsbuch bei Bregenz handelt, der 1692 mit sches Heer unter Marschall Tallard durch das Kinzigtal dem Namen „Leo" in die bayrische Provinz der Franzis- in Zielrichtung Bayern heran. Max Emanuel seinerseits kanerreformaten eingetreten war („Provinciae Bava- war inzwischen mit seiner Armee von Ulm aus die Do- riae"). Zwei Menschenalter zuvor (1624) war das verlas- nau hinaufmarschiert, um abmachungsgemäß den Fran- sene Dominikanerinnenklöster Hedingen bei Sigmaringen zosen entgegenzukommen. In Rietheim bei Villingen tra- von diesen Refor|nfranziskanern übernommen worden fen sich die beiden Feldherren, doch zur großen Enttäu- und gehörte somit zur bayrischen Provinz. Der Zufall schung des Kurfürsten durfte sich nur ein kleiner und wollte nun, daß P. Leo Ritter um 1700 nach Hedingen minderwertiger Teil der französischen Regimenter mit versetzt und mit der Seelsorgeaushilfe, vor allem als re- den Bayern vereinigen, während Tallard seine besseren gelmäßiger Beichtvater (confessarius „Ordinarius"), in Mannschaften selber ostwärts weiterführen wollte. Als Pfullendorf betraut wurde. Der Pater, der im Hedinger die Kaiserlichen die Operation Max Emanuels bemerk- Kloster den Rang eines Stellvertreters des Hausoberen ten, zogen sie ihre verstreuten Truppen bei Rottweil zu- („vicarius") bekleidete, machte seine Sache in der Stadt sammen und stießen unter dem Markgrafen Ludwig von anscheinend sehr gut und stand darum bei Magistrat und Baden nach Süden, um dem Kurfürsten den Weg nach Volk in hohem Ansehen. So hielt man ihn für den rech- Bayern abzuschneiden. Dieser wich daher gegen den Bo- ten Mann, um zusammen mit dem Bürgermeister Horn- densee aus in der Hoffnung, auf der Verbindung über stein und einigen Stadträten den bitteren Gang in den Stockach in sein Land zu entkommen. Tatsächlich gelang „Weißen Ochsen" zu tun. Und was der vereinigten es ihm, am 23. Mai die Stockacher Linien zu überwinden Geistlichkeit in Stockach nicht gelungen war, gelang und vor den Augen seiner Verfolger in das österreichi- dem schlichten Mut des Franziskaners in Pfullendorf. sche Städtchen einzudringen. Die Nacht zum 24. ver- Der Kurfürst, sonst gar nicht zimperlich und in morali- brachte die französisch-bayrische Armee zwar in Ge- bus der Sache der Gottesmänner keinsewegs immer ge- fechtsbereitschaft, doch zu einer ernsthaften Ausein- horsam, ließ sich vom Charme des braunen Barfüßers be- andersetzung kam es nicht. Vor allem schreckte Mark- zwingen und nahm seinen grausigen Befehl zurück. 19 graf Ludwig vor einer offenen Feldschlacht zurück, ob- Jahre nach diesem Ereignis starb P. Leo Ritter in Lands- wohl die strategischen Verhältnisse durchaus günstig für hut am Lech (8. Mai 1733). Als Retter Pfullendorfs von ihn standen und durch seinen etwaigen Sieg der Krieg 1704 steht er würdig neben dem Pfarrer Ulrich, dessen im Deutschen Reich rasch beendet worden wäre. Am Fürsprache bei König Friedrich II. der Aufstieg des Dor- Morgen des 25. Mai zog der Kurfürst weiter, ließ jedoch fes zur Stadt 1220 zu verdanken ist. beim Abmarsch aus Verärgerung über den Widerstand, den er vor Stockach angetroffen hatte, die Stadt erbar- Der Kurfürst verspielt sein bayrisches Land mungslos in Brand schießen. Dann schlug er unbehelligt Während nun Max Exmanuel am folgenden Tag, also seinen Weg über Pfullendorf - Saulgau - Steinhausen am 27. Mai, die Stadt Pfullendorf hinter sich ließ, waren - Biberach nach Wiblingen bei Ulm ein, während die die mit dem Kaiser verbündeten Engländer und Hollän- Kaiserlichen in Richtung Meßkirch - Krauchenwies der der unter General Marlborough in Richtung Ulm aufge- Donau zustrebten. brochen, um sich mit der Reichsarmee zu vereinigen. Dies geschah am 22. Juni bei Westerstetten. Am 2. Juli Max Emanuel zieht nach Pfullendorf prallten die feindlichen Heere an dem von den Bayern Einen Tag nachdem das alte Stockach oben auf dem befestigten Schellenberg bei Donauwörth aufeinander. Berg in Schutt und Asche gesunken war und damit sein Dreimal ließ Marlborough vergeblich stürmen, bis die historisches Gesicht für immer verloren hatte, traf Max 58 000 Aliierten schließlich die 11 000 Bayern unter dem Emanuel in Pfullendorf ein und nahm sogleich im Vor- Grafen Johann Bapt. von Arco aus ihren Stellungen hin- 3 stadtgasthaus „Zum weissen Ochsen" Quartier . Er auszuwerfen vermochten. Max Emanuel zog sich sodann brauchte auf dem Weg hierher zwar keinen militärischen nach Augsburg zurück, und bald darauf erschienen ihm Widerstand zu brechen, doch da die Reichsstadt zum gegenüber auf den Höhen von Friedberg die vereinigten Kaiser hielt, dachte ihr der immer noch erregte Kurfürst österreichischen-holländischen-englischen Truppen. das gleiche Schicksal wie Stockach zu. Allein da geschah, Nun versuchte man von kaiserlicher Seite den Konflikt was der Pfullendorfer Benefiziat Franz Andreas Rogg in nochmals gütlich zu lösen, d. h. den Kurfürsten für die seiner Chronik berichtet: „1704 (zu ergänzen wäre: 26. habsburgische Partei zu gewinnen. Doch was der unbän- Mai). In dem Spanischen Successionskrieg, da das Reich dige Mann aus Bayern wollte, ein großes Land und eine mit Kayserlichen, Frantzösischen, Bayrischen Völckhern Königskrone, wie sie seine Standeskollegen in Branden- überzogen läge, und damahls Stockach verbrennt wurde, burg und Sachsen bereits errungen hatten, konnte ihm ist Churfürst Maximilian aus Bayern mit seiner Mann- Leopold aus politischen Gründen nicht bieten. Schließ- schafft nacher Pfullendorff komen undt in der Vorstatt lich verlor Max Emanuel das Interesse an Verhandlun- zum weißen ochsen sich einlogiret, den Befelch ertheillt, gen. Erneut setzte er auf militärischen Sieg, zumal es in- auch Pfullendorff zu verbrennen. Wie dan schon die zwischen Marschall Tallard geglückt war, mit seinen 4 Soldaten mit den raubsäckhen über den rückhen im an- Hilfstruppen bis nach Bayern vorzudringen und zur marsch waren, zuerst das orth auszueblinderen, hernach kurfürstlichen Armee zu stoßen. Nach einigem Hin- und mit feuer anzusteckhen, da war Pater Leo, Vicarius in Hermanövrieren der feindlichen Heere kam es am Hödingen, Provinciae Bavariae, Ordinarius hirhero, zu 13. August 1704 zur Entscheidungsschlacht zwischen allem glückh allhier, der sich nebst den oberen der Statt Höchstädt und Blindheim an der Donau. Den umsichti- zu Ihro Churfürstlichen Durchlaucht begeben, fueßfellig geren Aliierten unter Marlborough und dem Prinzen Eu- nidergelassen und umb Pardon gebetten, auch solche er- gen gelang es hier, nach vielstündigem, verbissenem halten, der Soldadesca den Befelch zum abwich ertheillt Kampf schließlich den von Tallard kommandierten Flü- 5 haben" . gel einzudrücken und damit die gesamte bayrisch-fran- Ein Franziskaner rettet die Stadt zösische Front aufzurollen. Nach verlorener Schlacht Wer war nun dieser „Pater Leo"? Nachforschungen zog sich der unverzagte Kurfürst mit dem Rest seiner beim bayrischen Franziskanerarchiv München und in sei- Armee nach Ulm zurück, nicht ohne Lust, dem Feind
24 nochmals die Stirne zu bieten. Doch die demoralisierten ten des Streites, und so kam es zu den Friedensschlüssen Franzosen wollten nicht mehr mitmachen, und so blieb von Utrecht (1713), Rastatt und Baden in der Schweiz ihm nichts anderes übrig, als mit ihnen über den Rhein (1714). Das Ergebnis war dieses: Philipp von Anjou nach Frankreich zu fliehen. Erst dadurch erlangte der blieb als Philipp V. auf dem spanischen Thron, die spa- Sieg von Höchstädt seine volle Bedeutung. nischen Nebenländer Mantua, Neapel, Sardinien, Mai- land und die Niederlande fielen an Österreich, und Max Unser Chronist zögert nicht, dieses Ereignis in seinen Emanuel durfte als Kurfürst ins frühere Bayern zurück. Text nachträglich noch hineinzuflicken: „1704. 13. Au- gust: hat der Herzog von Marieburg nebst dem Printzen Der Schlußakt: Prinz Eugen in Pfullendorf Eugenio die Frantzosen totaliter geschlagen, dis geschähe Und nun berührt die große Geschichte, nachdem sich der ohnweit Hochstätt und dem Dorff Blindenheimb. Zum Ring der Ereignisse geschlossen hatte, nochmals unsere Angedeckhen hat gedachter Herzog seiner Herrschafft Stadt. „1714, 12. September, nach geschlossnem Frieden Woodstock in England einen prächtigen Pallast erbauen, zu Baaden in der Schweitz entzwischen dem Kayser und und den namen Blindenbeimb geben lassen." Frankreich", so vermeldet unser Berichterstatter Rogg, „sind S. Hochfürstliche Durchlaucht Printz Eugenius un- Max Emanuel darf zurück ter losgebendtem großen geschütz allhier angelangt und 6 Zehn Jahre lang lebte Max Emanuel, ein Fürst ohne beym rothen Ochsen" - das Gegenstück zu 1704! - Land und von Kaiser Joseph I. aus dem Reich versto- „von löblichem Magistrat empfangen und Beneventiret ßen, in Frankreich, ganz auf die Gnade Ludwigs XIV., (begrüßt) worden. Nach eingenommenem mittagsmahl des Schwiegervaters seiner Schwester, angewiesen. Zwar unter lösung des geschützes und 3 mahligem gegebnem bekam er öfters militärische Aufträge, doch das Glück Salve von gesambter Burgerschafft von hier nach Altsch- wollte sich nicht mehr mit ihm verbünden. Nach weite- hausen abgereist" 7. Das Bild des Prinzen Eugen im ren militärischen Niederlagen Frankreichs versiegten Amtszimmer des Bürgermeisters erinnert noch heute an schließlich die finanziellen Mittel der Hauptkontrahen- den Besuch des berühmten Feldherrn in unserer Stadt.
1 Sowohl Ludwig XIV. wie auch Leopold I. waren mit einer schössen), sondern widerspricht auch dem eindeutig lesbaren Schwester Karls II. verheiratet. Der tiefere Grund für den Text in beiden Rogg'schen Chroniken. Einspruch Leopolds gegen die Bourbonennachfolge in Spa- 5 In den Ratsprotokollen der Freien Reichsstadt Pfullendorf nien war die Furcht vor der Übermacht Frankreichs. Dieser finden sich keine Hinweise auf die Kriegsereignisse der Jah- Überlegung schlossen sich zahlreiche andere Mächte an, vor re 1702 und 1704. Für diese Zeit kommen 2 Protokollbü- allem England und Holland, was schließlich zur militäri- cher in Frage (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, schen Allianz gegen Ludwig führte. Abt. 70, Fasz. 475 und 476). In dem einen jedoch (Fasz. 2 Max Emanuel war in 1. Ehe mit der Tochter Leopolds, 476) ist in den 4 Protokollen zwischen dem 5. September Maria Antonia 1692), verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe und 11. Oktober 1702 nichts entsprechendes verzeichnet, ging der oben erwähnte Kurprinz Josef Ferdinand hervor. und zwischen dem 20. Mai und 3. Juni 1704 hat offenbar, 3 Das eindrucksvolle dreistöckige Gasthaus mit hohem goti- dem Schweigen des Protokollbuches nach zu schließen, kei- schen Giebel steht heute noch in alter Funktion in der ne Ratssitzung stattgefunden. Im anderen (Fasz. 475) be- „Vorstadt" an der uralten Straße, die von Stockach und steht eine Lücke vom 7. Mai bis zum 17. November 1704. Überlingen her über Aach-Linz westlich in die Stadt hinein- Diese Lücke wird zwar durch die Protokolle vom 20. Mai führt (heute: Überlinger Straße 19). Da die „Vorstadt" au- bis 23. Oktober 1704 des Fasz. 476 in etwa ergänzt, doch ßerhalb der Stadtmauern liegt, brauchte der Kurfürst zum auch hier ist für die Zeit vom 21. Mai bis zum 2. Juni keine Quartiernehmen also nicht einmal an das nächstliegende Aufzeichnung vorhanden und damit vom Erscheinen Max Stadttor (Engelinstor) zu klopfen. Bayrische Truppen Max Emanuels und der Gefahr für die Stadt keine Rede. Der Emanuels - 14 Bataillone Infanterie und 26 entsprechende Bericht des Benefiziaten Franz Andreas Rogg bildet also die Einheiten (Eskadronen) Kavallerie - lagen übrigens bereits einzige Quelle für die kriegerische Berührung Pfullendorfs um den 17. September 1702 einmal vor den Toren der Stadt im Spanischen Erbfolgekrieg im Jahr 1704. Da der ge- (auf dem Gelände vor dem Oberen Tor). Damals hatte schichtsbewußte Geistliche selbst den Ereignissen noch nahe Feldmarschall Johann Bapt. von Arco im Auftrag des Kur- stand - er wurde 1712 geboren - und sich jedenfalls fürsten den von Ludwig XIV. entsandten Hilfstruppen un- durch seinen Vater und andere unmittelbare Zeugen leicht ter Marschall Villars, der bei Weil den Rhein überqueren informieren konnte, steht die Zuverlässigkeit seiner Bericht- und dann den Oberrhein heraufziehen sollte, bis Stühlingen erstattung über allem Zweifel. entgegenzugehen. Doch da der Vormarsch Villars' nicht ab- 6 Das Gasthaus „Zum roten Ochsen", eines der mächtigsten machungsgemäß vonstatten ging, machte von Arco vor Bürgerhäuser der Stadt, an der Alten Postgasse, zugleich Pfullendorf halt und schickte zur Erkundigung einen Offi- Thum- und Taxissche Poststation, brannte 1882 ab. Der zier zu den Franzosen nach Straßburg, zugleich mit der Neubau ist durch eine Freitreppe gekennzeichnet. Drohung, der Kurfürst würde sich von Villars (seinem per- 7 Absteigequartier im Freien Reichsdorf Altshausen war die sönlichen Feind) desavouiert fühlen, falls dieser nicht nach Landkomturei des Deutschen Ordens (heute Schloß des übereingekommenem Plan weiteroperiere, und, wenn dies Herzogs von Württemberg). zutreffe, sogleich den Rückmarsch nach Bayern antreten. Hinweise : Tatsächlich zog Villars nach Überschreitung des Rheines De Vault-Pelet (Ed.) : Mémoires militaires rel. à la succession talabwärts nach Offenburg, um über den Schwarzwald d'Espagne, vol. II, Paris 1836. nach Bayern zu gelangen. Von Arco machte darum zur Gebhardt, Bruno: Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Überraschung der ahnungslosen Pfullendorfer plötzlich 9. Aufl. 1970. kehrt und verschwand mit allen seinen Truppen dahin, von Hiittl, Ludwig: Max Emanuel. Der Blaue Kurfürst wo er gekommen war. Dies ist der strategische Hintergrund 1679-1726. Eine politische Biographie. Südd. Verlag 1976. für die etwas unverständliche Darstellung von Joh. Schupp, - Mit ausführl. Quellen- und Literaturverzeichnis. der dafür die Notizen eines Pfullendorfer Augenzeugen be- Landmann, Karl: Kurfürst Max Emanuel. Regensburg 1908. nutzt („Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf" 1967, Landmann, Karl: Die Kriegsführung des Kurfürsten Max S. 346 ff.; vgl. De Vault-Pelet, Mémoires II, 574 ff.). Emanuel von Bayern 1703 und 1704. 1898. 4 Johann Schupp spricht an dieser Stelle von „Laubsäcken" Rogg, Franz Andreas: Locus triumphalis 1774. Handgeschrie- („Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf" 1967, S. 350). bene Chronik der weiland Freien Reichsstadt Pfullendorf. Dies hat jedoch nicht nur keinen Sinn (Ende Mai gab es Gemeindearchiv der Stadt Pfullendorf. kein dürres Laub mehr zum Häuseranzünden, und im übri- Wagner, Hans: Aus Stockachs Vergangenheit. Hegau-Biblio- gen wurden die Ortschaften durch Artillerie in Brand ge- thek Bd. 11. 1967.
25 ADOLF LIEB aus „beederwand" d. h. ein Stoff aus „beiderlei", Garn, Wolle u. Lein. Der 2. Teil des Wortes fiel weg, und aus Zur Sprache unserer Vorfahren. „beeder" wurde allmählich Peter. - Reinftle: das letzte Stück am Brotlaib, ahd. ramftl. - riebig: ruhig, mhd. Eine mundartliche Betrachtung aus Hettingen. ruowic, das Zeitwort ge - ruowen wird zu gruoben in Als kleiner Beitrag zu einer mundartlichen Plauderei der Bedeutung ausruhen. - Schindmähr: ein Schimpf- werden einige, bei der Hettinger Großelterngeneration wort, das soviel bedeutet wie „Mähre", altes Pferd, das noch vorhandene Wörter nach Form und Inhalt ausgelo- nur für den Schinder taugt. Warum der Sprechende nur tet oder besser belauscht. Dialekt ist Reichtum und ein an weibliche Wesen denkt, bleibt sicher ein Geheimnis, Mittel des natürlichen seelischen Ausdrucks. Wer einen zumindest eine Eigenwilligkeit männlicher Gemütsver- so ausdrucksvollen, bilderreichen Dialekt noch versteht, fassung. - Siach: Ein Schimpfwort: „dummer Siach", lebt fast zweisprachig wie ein Grenzländer und hat Zu- ursprünglich in der Bedeutung von krank. Im Hochdeut- gang zu einem Kulturbereich, zu welchem allen Men- schen noch vorhanden in den Wörtern dahinsiechen oder schen ohne Dialektverständnis die Antenne fehlt. Siechtum. Im Mittelalter gab es auch das Siechenhaus. - Die folgende Zusammenstellung soll eine kleine Kostpro- stauchaweiß: blaß d. h. so weiß wie die „stuche" oder be eines gedachten Wörterbuches der Albsprache sein, das Kopftuch einer Frau. - stet: langsam aus ahd. stati. wobei die Herkunftsbezeichnungen Althochdeutsch - sträla: von mhd. strälen in der Bedeutung von käm- (750-1050) oder Mittelhochdeutsch (1050-1300) in men. - triela: aus dem Mund träufeln, mhd. triel, be- folgender Weise abgekürzt werden: ahd und mhd. deutet die Lippe und auch der Mund. - vergeistert: alafinzig: schalkhaft, boshaft. Aus dem Italienischen verwirrt, mhd. vergalstern im Sinne von verzaubern. Ein alavanzo in der Bedeutung zum Vorteil, zum Betrug „Galster" ist ein Zaubergesang. - Waidag: Schimpf- beim Handeln, mhd. vanz der Schalk. - Bletz: Lappen, wort, mhd. wetac, bedeutet der Wehtag, d. h. die fallen- Fetzen, ahd. blezzo. - bära: Traggestell auf einem Kar- de Sucht. - Weihsang: Ein Kräuterbündel, von weihen ren. Dieses Wort ist im hochdeutschen noch vorhanden u. mhd. sänge im Sinne von Büschel von Ähren. - Zie- als Bahre. - Breme: Eine Bremse, ahd. bremo, die fer: ahd. zebar, was soviel bedeutet wie Opfertier z. B. Stechfliege. - bschnotta: dürftig, mhd. snoede im Sinne Hühner und Enten. Im Dialekt übertragen auch auf die von ärmlich, gering. - dengeln: hämmernd schärfen. Kinder. Im Hochdeutschen ist nur noch das Wort Unge Ein Wort aus der Bauernsprache. Die Sense wird „ge- - ziefer vorhanden, was soviel heißt wie unrein. Es kann dengelt" d. h. mit dem „tangol", ahd. Hammer, ge- daher nicht als Opfertier verwendet werden. klopft. - firben: Wenn eine Frau „firbt" kehrt sie den Hof oder die Stube, ahd. furbian. - gelta: Obst oder JOHANN ADAM KRAUS Wasser befindet sich in einer „gelta", in einer Holzwan- ne. ahd. gellita, mhd. gelte. - Gotte, Götte: Patin und Uralte Erzgewinnung Pate, ahd. in der Bedeutung Vater und Mutter vor Gott. In der Hohenzolllerischen Heimat 1977 S. 29 war die - gotzig: das Wort ist eine Zusammenziehung aus gotts- Rede vom Bohnerz unserer Alb, sowie den in Nord- einzig. Ein Begriff, der christl. Vorstellung entnommen, deutschland bekannten Rennfeuern, die man bei uns im einzig wie Gott, daher a gotzigsmol. - Grimma: Bauch- Schwäbischen Blauöfen nannte als Vorgängerinnen der weh, mhd. krimmen, im Sinne von mit Krallen fassen. Hüttenwerke und Hochöfen. Schon vor den Römern Ein phantasievolles Bild: das Gedärm wird wie von un- haben bei uns die Kelten das Erz zu schmelzen gewußt. sichtbaren Geisterkrallen gezwickt. - Grattel: Stolz, Im J. 1525 werden in Nähe des Monkberges und Korn- mhd. greten d. h. mit gespreizten Beinen gehen. - gro- bühls bei Salmendingen die Bläwinen genannt, wohl ab- nen: Von Kindern sagt man, daß sie gronen d. h. gedei- zuleiten von blaejen oder schmelzen, also Schmelzöfen hen, mhd. gruonen gleich grün werden. - Gschnuder: oder Schmelzhütten (Salmend. Heiligenrodel bzw. Bucks Wer Schnupfen hat, kämpft gegen eine gereizte Nasen- Flurnamenbuch: Bläjen). Zunächst in Erdlöchern, bald schleimhaut. d. h. mhd. snuder. - Gitterte: Verkleine- aber in Lehmbauten bis 150 cm Höhe mit Durchmesser rungsform für Gutter, eine Flasche oder ein Medizinglas. von 30-90 cm, hat man die Erze flüssig zu machen ge- Herkunft aus dem Lateinischen gutta, der Tropfen. Ein sucht. Die Bläjen wurden wegen der wichtigen Hang- Gefäß, in dem viele Tropfen gesammelt sind, ist ein gut- winde in der Regel an Talhängen in Wassernähe erbaut. tarium. - Häs: Kleidung, mhd. häz, der Rock. Bei Manche hatten unten an der Seite ein Loch zum Abstich Hartmann von Aue um 12 Hundert heißt es z. B.: er lei- der Schlacken und im Boden eine vorgesehene Ablauf- te an sin häse, er zog seinen Rock an. - helinga: mhd. rinne. Der Rennofen oder die Bläje bestand unten aus heimlich, Walther von der Vogelweide sagte in einem einem runden wannenartigen, in die Erde eingetieften Gedicht von der Liebe, sie sei ein „helinc", ein wohlbe- Herd, der mit Lehm ausgekleidet war. Daran schloß sich hütetes Geheimnis. - heina: weinen, mhd. honen oder nach oben ein etwas verjüngter Schacht an, auf dem hünen in der Bedeutung heulen von Hunden. - beiden: manchmal eine Lehmkuppel saß. Die Beschickungsöff- ein Faß schräg stellen, ein ahd. Wort heldan. - Ho- nung war ähnlich der eines Töpferofens. Sie wurde nach schtube: Abgeschliffen aus dem Wort Hofstube, in der der Füllung geschlossen. Die notwendige Luftzufuhr er- man sich versammelt. Man sagt daher „auf d'Hoschtube folgte durch seitliche Düsen oder Löcher. Hier ange- kommen". - Klär: Keller, mhd. kelre, lateinisch cel- setzte Blasbälge verstärkten den Schmelzvorgang. Ver- larium. Der Keller war nicht nur eine Sache des Hau- mutlich heizte man den Ofen zunächst unten im Herd ses, in Hettingen gab es z. B. manche Keller frei im Mar- mit Holzkohlen an und füllte ihn dann mit einem Ge- kungsbereich. Ein kaum erkennbarer in Richtung Her- misch aus Erz und Holzkohlen, wie die heutigen Schlak- mentingen oder im Tal der Brauereikeller, genannt kenfunde zeigen. In der Steiermark hat man darüber ver- „Brui's Kär". - Kumpf: Gefäß, in dem der Wetzstein schiedene Versuche angestellt. Zunächst wurden kleine steckt beim Mähen. Der plastischen Anschauung diente Stückchen kohlenstoffreines Eisen aus dem Erz geklopft, auch der Vergleich mit menschlichen Nasen. - losen: die durch das Kohlenstoffgas ziemlich schnell flüssig horchen, ahd. hlosen. - Nuschter: vom Rosenkranz, ab- wurden und in die tieferen Schichten hinabtropften und geleitet von pater noster. - Peterle: keineswegs nur die sich zu größeren Metallklötzen verbanden. Um Stahl zu Koseform von Peter. Peterle ist eine Jacke, entstanden erhalten ist allerdings der richtige Augenblick zu wählen,
26 andernfalls muß man den Klotz nachträglich im Holz- Neckar drei Tage lang blutfarbig sein. Dann ist die Rede kohlenfeuer „aufkohlen". Durch öffnen des Abstich- (S. 9) von streitenden frommen Prädikanten und Meß- loches kann man die Schlacken entfernen. Um das ver- pfaffen, von Ordnung der Planeten, Sonnenaufgängen, hüttete Eisen aus der Bläje zu erhalten, muß man freilich Schleifung der Engelsburg in Rom, Beschimpfungen des diese teilweise aufbrechen, also zerstören. Vom gewon- Papstes (S. 17), neidigen Nonnen, Mönchen und Geistli- nenen Eisen entfernte man die Schlacken, Erz- und Koh- chen, die selbst unter beiden Gestalten kommunizieren, lenreste und schmiedete es zu Spitzbarren in Doppelpyra- es aber den andern versagen! Dr. Martin Luthers Lehren midenform oder zu Eisenstangen. (Nach W. Werth in (S. 20) gegen Ablaß und Seelmessen werden herausge- Basler Geographische Hefte Nr. 15, 1977 S. 294). Auf stellt, so daß der Standpunkt des Verfassers eindeutig der vorderen Falkenburg bei Burladingen fand ich in den geklärt ist. Dann werden wieder Schlachten prophezeit 30er Jahren noch viele Eisenschlacken, offenbar Rück- bei Diessenhofen und im Filstal unweit des Sauerbrun- stände der Blä-Hütte des Burgschmieds oder gar noch nens und schließlich heißt es S. 24: „Getruckt zu Erd- aus späterer Zeit, da hier die Lüfte bzw. Aufwinde be- pfort", was der Katalog als Erfurt deutet, aber m. E. sonders stark zu sein pflegen. ebensogut ein Deckname sein kann, etwa für Reutlingen? Die noch im fürstl. hohenz. Archiv liegenden Protokolle etc. könnten vielleicht den vergessenen Propheten aus Hans Hospach * ein vergessener Killer näher beleuchten. Seine Familie wird dort schon „Prophet" aus dem Killertal 1544/48 genannt. Unser Landsmann, H. H. Josef Schülzle aus Burladingen, Das Rätsel Fehla Bibliothekar in Aarau (Schweiz), entdeckte im Katalog Fehla, antiquarisch auch Vehla geschrieben (wie Vestung 270 des Antiquariats INTERLIBRUM in Vaduz (Für- statt Festung), heißt bekanntlich ein Bach, der aus einer stentum Liechtenstein) als Nr. 179 ein hochinteressantes Büchlein, das im Jahre 1564 in Erfurt gedruckt wurde. starken Quelle innerhalb des Dorfes Burladingen ent- Mit steigendem Staunen liest man da: springt, die Orte Gauselfingen und Neufra durchfließt „Ein Neuwer Luoginsland. und zwischen Hettingen und Hermentingen in die Lau- diert mündet. Uber den Namen Fehla hat vor über Ein Wunderbarliche und wahrhafftige Weissagung zuo- 100 Jahren der gelehrte Dr. Michel R. Buck in den Mit- künfftiger Ding, so geschehen sollen von dem 1564 er Jar an bis auff das 1613.Jar. Es staht in diser Practica teilungen des Geschichtsvereins (1871,98) Betrachtungen geschriben / Wem sie in die hend wirt, der solls nit las- angestellt. Weil er jedoch keine ältere Wortform kannte, sen ligen / Und wirt darinn geschriben stahn / Wie es mußte sein Versuch unbefriedigt bleiben. Er postulierte soll in der gantzen Welt zuo gahn / Und wie sie wirt ein (auch in seinem Oberdeutschen Flurnamenbuch 1881) end han." eine nicht nachweisbare Form Felwa, Felwaha, das Unten steht: „Gestellet durch Hans Hochspach, den Felbenbach bedeuten würde. Aha und -ach wäre die man nennet Vogts Hans von Killer, im Killerthal gele- deutsche Form des lateinischen aqua -Wasser. Man kennt gen, in der Graffschafft Zoller." zwar eine Weidenart Felben, aber solche gibt es (wenig- In der Mitte des Titelblattes sieht man (laut Ablichtung) stens im Oberlauf der Fehla) heute nicht, obwohl die einen malerischen Titelholzschnitt, der einen Bauern zollerische Landesordnung seit 1600 immer wieder ein- oder Landmann in ländlicher Umgebung zeigt. Vor ihm schärfte, es müßten bei Burladingen am Bach Felben steht neben einem Bauernhaus ein großer vielästiger gepflanzt werden. Inzwischen haben sich jedoch alte Weidenbaum, im Hintergrund sieht man Büsche, Berge Wortformen der Fehla gefunden, die auf ganz andere und Hügel, zwischen denen ein Kirchturm hervorschaut. Herleitung deuten. Am Himmel steht (über dem Haus) das letzte Viertel Im Jahre 1444 lautete der Bachname „(an der) Welhan", des Mondes mit einem leuchtenden Hof, dazu zwölf bzw. Velhan, 1454 dann Feig, 1468, 1505 und 1584 Fel- Sterne herumgestreut und eine kleine Wolke. Der Bauer, ben, 1490 Felchen und ab 1600 Vellen und Fehl oder der mit der rechten Hand auf den Mond deutet, mit der Fella. Die anlautenden W, V und F sind sprachlich linken auf das Bauernhaus, trägt eine Pletschkappe, ein nächstverwandt, fast austauschbar. Aus diesen urkundli- gegürtetes Wams mit Schwert an der Linken und rechts chen Formen ergibt sich klar, daß das H nicht der Deh- einen Brotbeutel, dazu hohe Stiefel, deren obere Ränder nung des vorausgehenden Vokals diente, sondern als CH umgeschlagen sind. Das überaus seltene Büchlein enthält ursprünglich organisch war und hinter dem L seine Stel- nur 16 unnumerierte Papp-Blätter in Schmalquart. Die lung hatte. Erst nach 1500 erscheint es gelegentlich, aber Holzschnitte im Text zeigen die verschiedenen Mond- irrig, vor das L gerutscht. Otto Springer nennt in seinem phasen, wie andere in jener Zeit üblichen Voraussagun- Buch „Flußnamen in Württemberg-Baden" 1930,186 im gen. Es handelt sich um ein weithin unbekanntes Druck- Badischen einen Felgengraben, der zu obiger Form Feig stück, für das auch ein entsprechend hoher Preis ange- von 1454 paßt. Wiederum sind die Gaumenlaute G und setzt ist. Wetter- und Katastrophen-Voraussagen sind CH nächstverwandt und sind sogar im Lauf der Ortent- vermischt mit Krankheitsrezepten für Tiere und Men- wicklung gelegentlich ausgetauscht. Wir kennen die schen (z. B. Podagra-Gicht) und betreffen z. B. bis 1566 Krummhölzer, die man am Radkranz Felgen (schwäb. kommende Kriege, Religionsänderung, Verfolgung von Fealga) nennt. Falgen heißt man das Pflügen (Umwen- Geistlichen, Türkengefahr, Sturz des päpstlichen Stuhles, den) des Brachfeldes im Juni. Auch das Zeitwort walken Vertreibung des Papstes und der Seinen, Streit der Ge- bedeutet ursprünglich ein walzendes drehendes Hin- und lehrten, neue Ketzereien, 1588 dann Einfall der Wel- Herbewegen, wie schwäb. walen = sich wälzen. Somit schen und Kriegszug in die Schweiz, wo (in bezug auf liegt der Schluß nicht zu weit, daß die Fehla, oder ge- Klaus von Flüe) von einem alten grauen Schweizer mit schichtlich richtiger Felcha (Felch-ach), den Begriff des langem Bart die Rede ist. Ferner von einer Schlacht zwi- „sich windens, drehens, biegens" ausdrückt. Wer den schen Schweizern und Kaiserlichen in der Gegend von Bach vor 40-50 Jahren sah, dem sind sicher die vielen Tübingen und Rottenburg bei dem Busch, den man Windungen und Schleifen aufgefallen, die inzwischen Birckley nennet (gemeint ist zweifellos der in der OA teils begradigt sind. Nicht zufällig ist in einer Urkunde Beschreibung Rottenburg mehrfach erwähnte Grabhügel von 1468 die Rede von „Bugen" (Biegungen) in der Fel- Birchinleh-Bürglai bei Rottenburg). Dabei werde der hen, die somit „biegungsreicher Krummbach" bedeutet.
27 Lok 15, Tenderlokomotive. Stärkste und beste Lokomotive der Hohenzolleriscben Landesbahn. 1940 erworben, 1965 verschrottet. (Foto Botho Walldorf)
BOTHO WALLDORF
Museumslokomotiven in Hohenzollern
Zu den heute an vielen Orten betriebsfähig erhaltenen achsig, 1934-1975, und VT3 vierachsig, 1936-1968). Museumslokomotiven gehören auch vier Dampflokomo- Damit wurden die zweiachsigen Lokomotiven aus der tiven aus Hohenzollern. Zum besseren Verständnis, war- ErÖffnungszeit überflüssig; sie wurden bis 1958 alle ver- um gerade diese vier übrig blieben, soll hier ein kurzer schrottet bzw. verkauft. Abriß der Dampflokepoche in Hohenzollern gegeben Für den Güterverkehr wurden in den dreißiger und vier- werden. ziger Jahre noch weitere - meist gebrauchte - Dampf- Bei der Inbetriebnahme der Hohenzollerischen Landes- lokomotiven von der Reichsbahn erworben. Die stärk- bahn (HzL) von 1900-1912 wurden zunächst 8 zwei- ste von ihnen war die Nr. 15 „Tenderlokomotive für achsige Lokomotiven beschafft (Nr. ld-6d, Nr. lc-2c). Hohenzollern mit Gegendruckbremse und Ventilsteue- Mit steigendem Verkehrsaufkommen folgten vier- und rung", die im April 1940 fabrikneu von der Maschinen- fünf achsige Lokomotiven (Nr. 11 + 12 sowie fabrik Esslingen geliefert wurde. Nr. 21 + 22). Außer der HzL betrieb das fürstlich ho- Der Strukturwandel im Güterzugverkehr begann mit der henzollerische Hüttenwerk ab 1900 eine zweiachsige Lo- Beschaffung der beiden Diesellokomotiven V81 und V82 komotive, die mit ihren 43 Dienstjahren bereits auch wie- im Jahre 1957. Bis 1963 waren die Dampfloks noch oft „Margarete", gesellte. Beide Lokomotiven versahen bis im Dieselersatzverkehr zu sehen. In diesem Jahre wurde 1976 täglich Rangierdienst in Laucherthal. Zu diesem die dritte Diesellok V121 erworben. Die große Ausmu- Zeitpunkt beschaffte das Hüttenwerk eine Dieselkleinlo- sterungsaktion von Dampflokomotiven begann im Jahre komotive, die mit ihre 43 Dienstjahren bereits auch wie- 1957 (Lok 142), 1958 (Lok 6, 14, 22), 1962 (Lok 21), der ein Museumsstück ist. Die Lok „Margarete" wurde 1964 (Lok 12), 1965 (Lok 15, 141). für 5000 Mark an die Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen (GES), Stuttgart, verkauft, die sie Es waren die letzten Landesbahndampfloks, die zum weiterhin betriebsfähig erhalten will. Die Lok „Rosa" Verschrotten verkauft wurden. Die noch verbliebenen ging an Eisenbahnfreunde in Aschaffenburg. Loks Nr. 11 und 16 erregten zusammen mit den 9 Perso- nenwagen von der Jahrhundertwende zunehmend das Die reine Dampflokepoche bei der HzL endete 1934 mit Interesse von Eisenbahnfreunden, die etwa ein Dutzend Beschaffung der ersten Dieseltriebwagen (VT1 + 2 zwei- Sonderfahrten mit diesen Loks organisierten.
28 Älteste Lokomotive der Hohenzollerischen Landesbahn. Baujahr 1898. Um 1938 verschrottet. Lok 6d (das gleiche Modell) fuhr noch nach dem 2. Weltkrieg. (Repro B. Walldorf)
Im Jahre 1970 bzw. 1972 erwarb die Gesellschaft zur und Bingen. Von diesen ist noch ein einziger in Hechin- Erhaltung von Schienenfahrzeugen diese beiden Loko- gen betriebsfähig. Ein weiterer wird auf Bahnhof Gam- motiven sowie 3 historische Packwagen und die verblie- mertingen als technikgeschichtliches Denkmal erhalten benen 9 Personenwagen. In unermüdlichen Arbeitseinsät- bleiben. Bekohlungsanlagen gab es in Eyach, Haigerloch, zen werden die Fahrzeuge betriebsfähig erhalten. Hechingen, Burladingen, Gammertingen, Bingen und Sigmaringen. Von deren Existenz künden oft nur noch Von den 12 hohenzollerischen Dampflokomotiven, die schwarze Flächen zwischen den Gleisen. auf dem Höhepunkt der Dampflokepoche um 1930 Nachdem bei der Bundesbahn - angeblich aus Kosten- Dienst taten, sind also noch ein Drittel vorhanden, ein gründen - die Relikte der Dampflokzeit systematisch wahrhaft guter Durchschnitt für ein so kleines Land. beseitigt werden, ist die Bekohlungsanlage auf Bahnhof Mit dem Verschwinden der Dampflokomotiven sind Gammertingen weit und breit der einzige Ort, wo Dampf- plötzlich Einrichtungen der Bahnhöfe interessant gewor- loks noch wie in alten Zeiten Kohle fassen können; sie den, die bisher alltäglich waren: rußgeschwärzte Schup- wird jedoch auch bald dem geplanten Umbau der Be- pen (wie sie noch in Haigerloch und Gammertingen be- triebswerkstätte weichen müssen. stehen), Wasserkräne und Bekohlungsanlagen. Wasser- Mögen diese Veteranen als Zeugnisse des hohenzolleri- kranen gab es in Eyach, Haigerloch, Hechingen, Burla- schen Dampflokbetriebs noch möglichst lange betriebsfä- dingen, Gammertingen, Kleinengstingen, Sigmaringen hig erhalten bleiben.
JOHANN WANNENMACHER
Abgegangene Gipsbrüche und Gipsmühlen in Rangendingen
Die gewaltigen Fortschritte von Wissenschaft und Tech- die Wiesen und Felder ab mit dem „Wolfental" und dem nik - insbesondere seit Beginn dieses Jahrhunderts - „Owinger Berg". Oberhalb des Weges zum Owingerberg wirkten sich mit der Zeit auf alle Lebensgebiete und Ar- breitet sich ein langgezogener Hügelrücken aus. In seinen beitsweisen auch der bäuerlichen Bevölkerung und des Leib sind in einer Länge von etwa 250 Metern und in ei- Kleinhandwerkers aus. Alte Berufe gingen ein und ande- ner Breite von 100 Metern zahlreiche tiefe Gruben und re traten an ihre Stelle; herkömmliche Arbeitsweisen Löcher eingegraben. Dazwischen liegen mächtige Hau- verschwanden und wurden von der Technik überholt. fen, die mit einem dichten Graswuchs überzogen sind. Ein Beispiel hierfür liefern auch die ehemaligen Gipsbrü- Aber an den wenigen noch offenen Stellen ist deutlich che und Gipsmühlen von Rangendingen. erkennbar, daß hier einmal Steine gebrochen wurden. Der Volksmund bezeichnet diesen ganzen Flurabschnitt Westlich und südwestlich von Rangendingen schließen mit „Gipsbrüch". An diesem Platze wurden auch lange Zeiten hindurch einmal „Gipssteine" gebrochen. Der es ist zu bedenken, daß man zu damaliger Zeit für 10 Gipsstein ist ein schwefelsaurer Kalkstein, an dieser Stel- Pfennige beispielsweise ein halbes Liter besten Bieres le mit Ton vermischt - und lieferte ein wertvolles Dün- oder eine rote Wurst kaufen konnte. - Am Morgen gemittel. Wie verlief nun der Weg seiner Verarbeitung standen dann die beladenen Wagen oft in langen Schlan- und Verwendung? gen vor der Gipsmühle. In aller Frühe brachen die Fuhr- Gewöhnlich im Herbst, wenn die Arbeiten auf dem Fel- leute, insbesondere die aus den weitentfernten Orten auf de beendet waren, begab sich der Gipsmüller mit seinen und brachten ihre schwere Last heimwärts. Andere wie- Leuten in den Gipsbruch, um Steine zu brechen. Es war derum kamen, und es herrschte den ganzen Tag über ein eine harte und schwere Arbeit, denn vielfach mußte oft bewegtes und geschäftiges Treiben auf der Landstraße. meterhoher Abraum mit Schaufel und Schubkarren bei- - Der Rangendinger Gips war von den Albbauern sehr seite geschafft werden. Motore und Maschinen gab es zu geschätzt. Er wurde vor allen Dingen zum Düngen von damaliger Zeit noch nicht. Schutzlos war man auf der Esparsette und Klee, von Korn und Hafer verwendet. zugigen Höhe auch den rauhen Winden und dem Wetter Sogar Gipssteine wurden von den Rangendinger Gips- ausgesetzt. Das Brechen der Steine dauerte nahezu den brüchen in weit entfernt liegende Gipsmühlen geholt. ganzen Winter über an. Zwischendurch brachte man die In Rangendingen gab es um die Jahrhundertwende noch Steine mit Pferdefuhrwerken oder mit Schlitten zu der zwei Gipsmühlen. Die eine stand am Ortsausgang nach Gipsmühle im Orte, wo sie in deren Nähe zu hohen Hirrlingen und gehörte zu dieser Zeit den Gebrüdern Haufen aufgeschichtet wurden. Wenn man dann mit Anton und Matthias Widmaier. Später wurde dieser dem Brechen so ziemlich fertig war, begann in der Gips- Gipsmühle eine einfache Säge angegliedert. Von beiden mühle das „Stampfen". Dort war eine Vorrichtung mit Einrichtungen ist heute nichts mehr zu sehen. An deren etwa zehn mächtigen, eichenen Stempeln, die am Fuß Stelle erstand später das stattliche Anwesen und die mit einem schweren Eisen beschlagen waren. Die „Stemp- Werkstätte von Glasermeister Franz X. Widmaier. - fel", wie sie im Volksmund hießen, wurden durch Was- Die andere Gipsmühle befand sich gegenüber der heuti- serkraft abwechselnd hoch gehoben und fallen gelassen. gen Wirtschaft zur Krone, in dem Hause, das zuletzt ei- Wenn sie hoch gingen, warf ein Mann mit einer Schaufel gentümlich dem Landwirt u. Fuhrmann Thomas Dierin- immer wieder Steine unter und schaufelte nach, bis alles ger gehörte. Dieser Mühle war noch eine „Bluie" (Werg- kleingestampft war. Daneben stand ein Gatter, durch reibe), eine Ölmühle und eine Mosterei angeschlossen, den das gestampfte Material geworfen wurde. Das asch- was alles mit Wasserkraft betrieben wurde. Der vorletz- graue Gipsmehl fand dann in einem Raum nebenan seine te Inhaber dieses stattlichen Betriebes war Otto Dierin- Lagerung. Tag und Nacht wurde in der Gipsmühle ger; später ging er an seine Söhne Xaver und Hermann durchgearbeitet und wochenlang pochten und polterten Dieringer über. Sie sind heute alle nicht mehr am Leben. die schweren Stempfei in die stillen Nächte hinein. Bis Fast zu gleicher Zeit und aus mehr oder weniger dem zum Frühjahr sammelte sich dann in der Gipsmühle ein gleichen Anlaß stellten beide Rangendinger Gipsmühlen ganzer Berg von Gips an und wartete auf den Absatz. im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ihre Tätigkeit - Sobald der Schnee geschmolzen war und die März- ein. Der Hauptgrund hierfür war, daß um diese Jahre winde die Straßen und Wege trocknete, kamen dann herum der Kunstdünger aufkam. Bis dahin kannte man auch die Abnehmer aus allen Himmelsrichtungen zur landauf - landab als Düngemittel in bäuerlichen Betrie- Gipsmühle. Einmal waren es einheimische Bauern, die ben in der Hauptsache nur den Stallmist. War ein Acker Gips holten und ihn auf ihre Felder, hauptsächlich auf durch einen großen Ertrag zu stark ausgenützt, so ließ Klee- und Getreideäcker säten. Der meiste Gips jedoch man ihn einen Sommer über brach liegen, d. h., er durfte wurde nach auswärts abgesetzt. Ununterbrochen kamen ausruhen und neue Kräfte sammeln. Als erstes künstli- im Frühjahr die zwei-, drei- und vierspännigen Pferde- ches Düngemittel kam in unserer Gegend das „Thomas- fuhrwerke daher, vorwiegend aus den Albgemeinden, so mehl" auf. Viel bestaunt und beachtet wurde dessen An- aus Salmendingen, Trochtelfingen, Inneringen, Stetten wendung und die ersten Erfolge auf Äckern und Wiesen. u. H., Burladingen, Harthausen, Feldhausen und noch Rasch folgten andere Sorten, die sich schnell durchsetz- vielen anderen mehr. Die Fuhrleute, damals noch die ten. Die Folge war, daß die Abnehmer von Gips immer Herren der Landstraße, waren kernige, wetterharte Ge- mehr ausblieben. Dazu kamen in dieser Zeit die nie ab- stalten. Als Zeichen ihrer Zunft trugen sie ein blauge- reißenden Klagen der hiesigen Bevölkerung wegen der färbtes, halblanges Überhemd, mit rot eingesäumten beiden „Wehre" in der Starzel. Durch diese Wehre wur- Achselklappen. Stolz waren sie auf ihr Gespann und das de das Wasser in der Starzel gestaut und von dort aus in blanke „Geschirr". Manch prächtiges Pferd trug auf sei- die Kanäle geleitet, die zu den Gipsmühlen führten. So- nem Kummet ein schönes Dachsfell. Die Fuhrleute ka- bald die Starzel nun etwas Hochwasser brachte, was men größtenteils nicht mit leerem Wagen, sondern nicht selten vorkam, zog das Wasser nicht schnell genug brachten von dem Reichtum ihrer heimatlichen Buchen- ab, lief über seine Ufer und überflutete weit und breit wälder jeweils Holz mit. Dieses fuhren sie am ersten Felder und Wiesen, zumal das Bachbett damals auch Tage bis nach Haigerloch, wo sie es bei den Juden oder nicht die genügende Tiefe hatte. Im Jahre 1910 stellten auch bei der übrigen Bevölkerung absetzten. Am Abend dann die Gebrüder Dieringer das Gipsen ein; die andere kehrten sie dann nach Rangendingen zurück. Dort wur- Gipsmühle hatte schon etwas früher aufgehört. Die Ge- den die Wagen vor die Gipsmühle gestellt, die Pferde in meinde kaufte darauf den letzten Inhabern der Betriebe die Stallungen gebracht und übernachtet. Die Gasthäuser ihre Wasserrechte ab. Alsdann wurden im trockenen Adler, Rößle, Löwen und später auch die Krone waren Sommer 1911 alle zwei Wehre entfernt, die Kanäle ein- hierzu besonders eingerichtet. Bis spät in die Nacht hin- geebnet und das Starzelbett einer gründlichen Ausbesse- ein und schon wieder am frühen Morgen wurden die be- rung unterzogen. Die Herstellung von Gips als Dünge- reitgestellten Wagen vom Gipsmüller beladen. Zum Tra- mittel hatte damit in Rangendingen endgültig aufgehört. gen des Gipses benutzten die Männer eine eigens zu die- Ein altes Gewerbe ist damit eingegangen. Geblieben sind sem Zweck hergestellte „Barre". Auf einen Wagen lud die Namen und die alten Gipslager, die aber seither man durchweg 60 bis 80 Viertel Gips. (Das Viertel zu 18 nicht mehr ausgebeutet wurden. Die mächtigen Erdlö- Liter.) Ein Viertel Gips kostete um 1900 herum 10 Pfen- cher und Gruben hingegen sollen in absehbarer Zeit ver- nig. Es mag uns dies heute etwas wenig erscheinen, aber mutlich als Müllablagen Verwendung finden.
30 JOHANN ADAM KRAUS
Die Ringinger Seemühle 1685*1937
Schon im Jahre 1545 gab es einen von Ringingen gegen Als der Sohn Franz Xaver erwachsen war, ehelichte er Killer führenden Weg unter Hälschloch hinaus mit Na- 1773 die Ursula Mayer des Johann (Haus 67) und soll in men Mühlweg, wohin offenbar die Ringinger in alter 6 Jahren die Mühle samt Scheuerle erhalten. Im Jahre Zeit zur Mühle fahren durften. Im Jahre 1574 wird ge- 1788 war erstere mit Nr. 116 für 400 fl, die Scheuer gen den Müller zu Killer geklagt, er habe durch sein 116 a mit 100 fl im Brandkataster. Wegen Geldschwie- schlechtes Geschirr die Ringinger aus der Mühle vertrie- rigkeiten verkaufte jedoch Xaver mit Beizug der Frau ben. Seitdem aber das Dorf Ringingen 1584 ganz für- und des Johann Dorn als Beistand am 3. Juni 1792 an stenbergisch (durch einen Tausch mit Stetten) geworden, den ledigen Hans Martin Feßler des Franz von Beuren hat man auch seine Bewohner restlos in die herrschaftli- b. Hechg., zollerischen Untertan, die bis dato ingehabte che „Stadtmühle" nach Trochtelfingen gebannt. Ein Mühle samt Scheuer im Seeheimer Tal zwischen der Ge- Hans Alber von Ringingen (im Haus 7) wurde 1606 um meinde-Almand, so wie sie jetzt lauft. Dazu sind ver- 15 Pfund Heller bestraft, weil er in Dreivierteljahr nur sprochen worden: 2 Billen, 2 Zwaispitz, 4 Beutel, 4 Wan- zweimal nach Trochtelfingen, sonst aber in fremde Müh- nen, 1 Hebeisen, 1 Viertel, 1 Ihmi, 1 Halbihmi, 1 Meßle, len (vielleicht in seine Heimat Schlatt) gefahren war. 1 Halbmeßle, 2 Schaidsieb, 1 Muossieb und 1 Kernen- Auch Melchior Baur verfiel gleichzeitig der Strafe mit sieb. Aus der Mühle sind jährlich 8 Scheffel Mühlfrucht 4 Pfund 10 Schilling, da er einmal in Meldungen mahlen der Gemeinde Ringingen (und von ihr der Herrschaft ließ. Im Lauf der Zeit hatte die Gemeinde Ringingen in nach Trochtelfingen) zu entrichten. Der Verkauf geschah dem westlich gegen Killer-Jungingen liegenden Seehei- um 905 fl in bar. Hingegen hat der Käufer das Nut- mer Tal („Saia", Tal mit natürlicher Wasseransammlung zungsrecht sowohl von den 2 Gemeindeäckern als der im Gegensatz zu „Weiher") am Buchenbächle eine Müh- Gemeindewiese, muß jedoch dafür wie bisher für die le zu errichten geplant, wo früher die „Reutlinger 2 Acker je 4 Simri Frucht der Gemeinde liefern. Dem Straß" durchlief. (Die Wortendung „Heim" dürfte eine Xaver blieb in der Mühle gemäß seinem Leibgedingbrief alte Siedlung anzeigen!) Ein künstlicher Weiher war das Einwohnungsrecht vorbehalten. Es unterschrieben dort schon 1580 vorgesehen gewesen, der dann genau den Vertrag: Schulthaiß Gregor Daigger, Xaver Ste- 100 Jahre später verwirklicht wurde. Zugleich mit der cher, Michael Daigger für Hans Martin Feßler, Johann fürstlich fürstenbergischen Bauerlaubnis zur Mühle wur- Dorn und Michael Feßler (Staatsarch. Sigm.). Am glei- den 1685 eine jährliche Abgabe von acht Scheffeln chen Tag erwarb Stechers Frau das Haus Nr. 90a un- Mühlkernen (enthülsten Dinkel) an die Herrschaft auf- term Nähberg und Hohlweg für 300 fl, wohin sie nun erlegt und damit der Mühlbann nach Trochtelfingen si- zogen (90a wurde später mit Nr. 90 zusammengebaut!). stiert. Vielleicht war die Mühle ein Werk des Maurer- Der neue Müller Feßler heiratete im Jahr darauf die meisters Martin Küster von Stiefenhofen im Allgäu (da- Klara Kraus des Remig (von Haus 70), die ihm 320 fl mals Hintersäß zu Ringingen) der um 1695 die Killemer zubrachte. Wie es scheint, ging die Mühle gut. Mühle verfertigte und dann sich in Starzein niederließ. Im Jahre 1831 konnte der Sohn Franz Feßler die Maria Der erste Müller, den wir kennen, war Friedrich Stecher Anna Schuhmacherin aus Zimmern b. Hechg. heimfüh- mit Frau Margaretha und den Kindern Friedrich (1714 ren. Sie starb jedoch 1834 und er heiratete bald die Joh- mit Frau und Töchterchen ins Oberelsaß gezogen), Kuni- anna Schell von Bisingen, die nach seinem Ableben 1844 gunde (heiratete 1710 den Jerg Dorn im Haus Nr. 3) den Ambros Beck des Anton von Ringingen ehelichte, und Hansjerg, der um 1710 die Katharina Stahleckerin die 1867 im Äsental tot aufgefunden wurde. Im Jahre von Hönau heimführte. Nachdem die lutherische Familie 1847 hatte die Mühle 3 Gänge und eine Bei-Mühle katholisch geworden war, wurden die Eltern 1724 mit Nr. 145. Diese wurde um 1900 abgebrochen. Auch die den 5 Kindern Hansjerg, Michael 1712-83, Margareth, Scheuer wurde um 1852 beseitigt. Jedoch sehr hemmend Anna-Barbara und Gregor gefirmt. Die beiden Ältesten wirkte der häufige und langandauernde Wassermangel. waren 1783 im Soldatenleben und ersterer verschollen. Gebannte Kunden hatte die Mühle keine und die freiwil- Margareth heiratete einen Hans Weith in Hausen/Kil- ligen waren nicht zahlreich, teils wegen ungünstiger lertal. Die Mühle selber war 1728 dem „Hans Jerg Ste- Lage und schwierigen Wegverhältnissen. Die Mühlenein- cher, Sayhemer Müller", eigen, mit Wohnhaus zusam- richtung wird damals im Steuerkataster als mittelmäßig mengebaut und lag rings am Gemeindegut. Dazu hatte genannt. Alle Gänge konnten nicht gleichzeitig laufen, er von der Herrschaft noch eine Wiese gepachtet in Grö- denn zu schnell war der Mühlweiher leer. Das Milter be- ße eines Jauchert. Der Sohn Gregor lernte Schreinerei, stand im 16. Teil. Steuerkapital um 1837 wird für das kaufte jedoch 1739 bei seiner Verehelichung mit Anna Werk mit 1800 fl, für Verdienst 200 fl angegeben, aber Heldin (von Haus 118) die Mühle samt 2 beiliegenden im Jahre 1841 auf insgesamt 1500 fl herabgesetzt. Wiesen für 200 Gulden; davon bar 50 fl, Heiratsgut Nach einem Brand im Jahre 1853 wurde ein Neubau 50 fl, Rest in jährlichen Raten von 6 fl, Leibgeding der Nr. 135 erstellt, jedoch nicht an der gleichen Stelle, son- Eltern bis zum Tod 1755 bzw. der Mutter 1753. Erst dern mehr talwärts. Das am Bächle stehende kleine Bei- 1754 übernahm Gregor die Mühle und hatte zu zahlen: werk Nr. 145 ist um 1900 abgegangen. Ambros Beck gab für die Mutter 4 fl Hauptfall, für den Vater 6 fl, für um 1848 die Müllerei auf, zog ins Dorf herauf ins Lai beide Kleinfall 2 fl 17 kr, Kanzleitaxe 1 fl 30 und von ins neu erworbene Haus 155, das er als Maurer neu er- 442 fl 7 V2 kr Vermögen als Kanzleijura 4 fl 25 kr 3 hl. stellte. Gleichzeitig zog der protestantische Balthas Nach dem Tod der Anna Heldin, die den Kindern Xa- Schautt aus Tailfingen als Einundvierziger mit Frau Jo- ver und Elisabeth das Leben geschenkt, heiratete der sefa Miller als Müller auf. Sein Bruder betrieb die Mühle Witwer 1767 die Witwe Ursula Barth von Melchingen, im Weilertal oberhalb Hausen i. Killertal. Der 1836 ge- die ihm 366 fl brachte. Er selbst gab als sein Vermögen borene Sohn Konrad Schautt heiratete 1864 mit Rosina an: Mühle samt 3 J Acker, 2 Wiesen, 3 Kühe, 2 Stierle V2 Rist des Sebastian (aus Ringingen: Haus 134) und sein und 2 Kälble. Bruder Johann 1879 die Sophie Dorn des Anselm und
31 nach deren Tod mit Maria Guggenmoos aus Mühlhagen Die Kinder der Mühle hatten der Nähe und Bequemlich- (Murnau). Nachdem deren einzige Tochter, die um 1909 keit halber jeweils die Schule in Killer besucht. Von der geborene Paula, auf der Metzgerei Sautter in Eltingen letzten Tochter Paula erzählt der Volksmund: Als die bei Leonberg verheiratet war und Johann Schautt 1937 kleine Erdenbürgerin in festlichem Zug zur feierlichen das Zeitliche segnete, erstand in diesem Jahr Karl Welte Taufe in die Ringinger Pfarrkirche geleitet wurde, habe aus Erlaheim bei Balingen mit Frau Anna Bibiana Saile kein Lediger (wie es sonst üblich war) einige Freuden- das Anwesen von der Witwe Schautt, legte jedoch die schüsse losgebrannt, sondern der alte Riescherbeck am Mühle still. Der Anschluß an den elektrischen Strom er- Schmittenrain habe zum Fenster heraus gratuliert und folgte erst 1947. Den Mühlweiher hat eine Zeitlang der mangels eines Schießeisens mit dem „Stiefelhund" einige- Adlerwirt Alex Hochsticher als Fischteich benützt. Die mal kräftig an den Fensterladen geschlagen, sehr zur Er- Mühle im Seeheimer Tal aber klappert seitdem schon heiterung der Anwohner und besonders der begleitenden lange nicht mehr. Kinder.
JOHANN ADAM KRAUS
Seelsorger von Thanheim
Vorbemerkung 1665 Juni 1 wird Maximilian Miller auf die seit langem vakante „Kaplanei" Thanheim (Pfarrei Steinhofen an- Um 1134 schenkte die Gräfin Udilhild von Zolre 2 Höfe gebl.) angewiesen (HJH 1963, 163). Er ist 1671 noch zu Thanheim an die Nikolauskapelle zu Zwiefalten. Im hier, aber 1694 Kanonikus in Hechingen. Jahre 1228 verkaufte der Truchsess Baldebert des Gra- 1693-98 Laurentius Nann aus Gossenheim (Gosheim?), fen Friedrich von Zolre einen Hof samt Patronat der Kir- wird am 13. 2. 1693 als Pfarrer präsentiert. che von Thanheim an das Deutschordenshaus zu Ulm. 1698 ff. Johann Bapt. Frey, geb. 1665 in Konstanz, prä- Die Pfarrei wird im Jahr 1275 als minderbemittelt er- sent. 13. 2. 98, invest. 31. 1. 99. Erstfrüchte an den Bi- wähnt. schof 15 fl 54 kr. 1434 Okt. 16 wird 1 Verweser auf 1 Jahr angewiesen 1721 ff. Johann Sebastian Wohlhüter, präs. durch (Krebs, Invest. 841). Wirtbg. 3. April 1721. 1437 Nov. 13 ebenso. 1739, 1769 f. Konrad Vitallowitz, geb. Hechingen 1463 ebenso. 20. Nov. 1707, hat im Jahre 1769 28 Kommunikanten 1464 resigniert Pfr. Heinrich Pfüffer auf Thanheim (ist (über 14) und 3 Nichtkommunikanten. 1466 Kapl. i. Geislingen). 1787 Franz Anton Strobel. 1464 März 19 Johannes Bartholomäus wird als Pfr. prä- 1797-1805 Johann Nep. Schiroth, geb. Hechingen 14. sentiert durch den Grafen Eberhard von Wirtemberg Mai 1764; ging nach Owingen bis 1808. und verkündet. 1805-08 Franz Anton Reiner (vom 12. Juli bis Ca. 1485 Leutpriester Johannes Harnascher (Har- 3. Febr.), geb. Hechingen 4. 10. 66, Priester 1791, ging escher). 1808 nach Owingen, 1809 Steinhofen; f 18. 3. 1848. Bis 1522 Feb. 12 ist Pfr. in Thanheim ein Georg Flander. 1809-10 Johann Gg. F erber, geb. Hechingen Er tauscht unter diesem Datum mit dem bisherigen 29.4.1774, Pr. 1797, geht 17.7.10 nach Stetten/ Pfarrer von Margrethausen. Holst.; f Grosselfingen 17. Dez. 1827. Seit 1522 Feb. 12: Johannes Reß, bisher Margrethausen. 1810-13 P.Andreas Dionys Funk, vorher Guardian i. 1590 ist die Pfarrei vakant. St. Luzen, geht nach Jungingen, wo er 1816 starb. 1592 Mai 11 wird Johannes Ehrmann als Pfr. angewie- 1813-14 Alois Rager (14.7. bis 25.2), geb. Bisingen sen. 24. Aug. 1761, war 1792 Vikar i. Langenenslingen. 1612-15 nachweisbar: Pfr. Johannes Kretz aus Hayin- 1814-18 Johann Fried. Bulach, geb. Hechingen gen. 16.2.1769, Pr. 1792; bisher i. Steinhofen, starb mit 1651 ist die Pfarrei vakant (als Filiale von Steinhofen 48 J. am 7. Juni 1818. behandelt). Schluß in Heft 3
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Nummer: Schriftleitung: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Dr. med. Herbert Burkarth, Prof. Dr. J. Groner, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- 7487 Gammertingen (Telefon 07574/329) Adolf-Kolping-Str. 17, 7798 Pfullendorf Redaktionsausschuß: ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: Pfr. Manfred Hermann, 7451 Neufra/Hz. Walther Frick, Journalist, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. Pfr. ]. A. Kraus, Erzb. Archivar i. R., (Tel. 07571/8341) Badstraße 8, 7800 Freiburg Manfred Hermann, Pfarrer, Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Dr. Adolf Lieb, Oberstudiendirektor, 7451 Neufra/Hohenz. (Tel. 07574/442) ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie Bergstraße 9, 7310 Plochingen Die mit Namen versehenen Artikel geben will besonders die Bevölkerung in Hohen- die persönliche Meinung der Verfasser P. Maurus Pfaff OSB, zollern und der angrenzenden Landesteile wieder; diese zeichnen für den Inhalt der mit der Geschicte ihrer Heimat vertraut Benediktinerkloster 7792 Beuron Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der machen. Sie bringt neben fachhistorischen Prof. Dr. O. Stochdorph, Schriftleitung sind als solche gekenn- zeichnet. auch populär gehaltene Beiträge. Untertaxetweg 79, 8035 Gauting Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich. Botho Walldorf, Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters Lessingweg 7, 7487 Gammertingen Konten der „Hohenzollerischen Heimat": oder Redaktionsausschusses erbeten. 802 507 Hohz. Landesbank Sigmaringen Joh. Wannenmacher, Schulrat i. R., Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol- 123 63 Postscheckamt Stuttgart Goethestraße 19, 7487 Gammertingen lerische Heimat" weiter zu empfehlen.
32 W 3828 F HOHENZOLLERISCHE Herausgegeben uom Hohenzollerifchen Gefchichteoerein HEIMAT £8. Jahrgang Nr. 3/Sept. 1978
Kriegerdenkmal in Laiz von Professor Josef Henselmann Archiv Thorbecke Verlag Sigmaringen BRUNO EFFINGER
Professor Josef Henselmann * 80 Jahre
Vorbemerkung worte gaben der Veranstaltung den Rahmen einer Feier- Zum 80. Geburtstag des am 16. August 1898 in Laiz ge- stunde für den Jubilar. Der Landtagsabgeordnete und borenen Bildbauers, Professor Josef Henselmann hat die Landrat Dietmar Schlee drückte die Freude und den Hohenzollerische Landesbank Kreissparkasse Sigmarin- Stolz der Heimat aus, einen so bedeutenden Künstler als gen in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Sigmaringen Ehrenbürger von Laiz gewissermaßen zu den Bürgern des in einer Ausstellung eine Auswahl seiner Werke vorge- Kreises zählen zu dürfen. Die künstlerische Würdigung stellt. Bei der Eröffnung waren der Künstler und seine nahm der Saulgauer Kulturreferent Bruno Effinger vor, Gattin persönlich anwesend. Festansprachen und Gruß- die nachstehend wiedergegeben wird:
Die Kunst von Josef Henselmann hat zwei kräftige Gestaltung des Kunstwerks als Bollwerk gegen die Form- Wurzeln. Da ist zunächst einmal sein schwäbisches - auflösung durch die Impressionisten in der zweiten oberschwäbisches Naturtalent, das er seiner Herkunft Hälfte des 19. Jahrhunderts schon lange verlassen haben. verdankt, seine Bescheidenheit und Naivität, die Ehr- Über die Schule Hermann Hahns, zu der auch Hensel- furcht vor aller Kreatur, auch ein guter Schuß Bauern- mann neben anderen bedeutenden Bildhauern unseres schläue haben hier ihre Wurzeln. Zum anderen schöpft Jahrhunderts gehört, blieb aber der Einfluß Hildebrands er aus einer in der abendländischen Tradition wurzeln- immer noch lebendig. Die Schüler Hahns haben das We- den Bildung. Unserer Zeit der Einseitigkeiten - so klag- sentliche der bildhauerischen Aussage des Lehrers aufge- te schon Goethe in Wilhelm Meisters Wanderjahren 1820 nommen und trotzdem sich davon befreit: Ludwig Ka- - setzte er universalere Geisteshaltung entgegen. Seine sper mit seinen tektonisch gebauten Figuren ebenso wie humanistische Erziehung, womit nicht nur das Schulwis- der an archaischer Kunst inspirierte Toni Stadler, Hans sen gemeint ist, sondern auch vieles, das er sich selbst an- Wimmer lebt in Verbindung mit romanischer oder ost- eignete, wurde ihm zur lebensbildenden Kraft. Auch das asiatischer Formenreduktion, Kirchner begab sich radi- Herkommen und ein kritisches Verharren aus und im kal ins urtümlich Archaische und Hiller vereinfachte den angestammten Glauben müssen in seine Humanitas ein- Körperaufbau zu einem Gerüst oder zu kanonartigen bezogen werden. Gleichklängen der Glieder. Knappe grub eigenwillig ins Der Weg des Bildhauers Josef Henselmann führte über Material, um dieses als solches sprechen zu lassen. Bren- das Handwerk zur Kunst und diese Grundlage ist wich- ninger neigte später zur abstrakten Plastik. tig für die spätere Gediegenheit und Ehrlichkeit von In diesem Münchner Gesamtbild hat unser Josef Hensel- Henselmanns Werken. Aus der reichen bildhauerischen mann wiederum seinen ganz eigenen Weg eingeschlagen, Uberlieferung unserer oberschwäbischen Heimat schöp- es ist weniger die antike Tradition, als vielmehr das ein- fend, angefangen von den romanischen Kruzifixen und gewurzelte schwäbisch-bayrische Gespür für den Um- Madonnen bis zur Gotik, weniger zum Barock, aber gang des Schnitzmessers mit Hölzern. Als wahrer Bild- nicht nur für, sondern auch sonst in deutschen Landen hauer hat er seine Skulpturen selbst aus dem Holz oder konnte Josef Henselmann den Reichtum an Volkstum, dem Stein geschlagen. Später sind andere Materialien als Bildung, Menschlichkeit und Geist, Erlebnis und Wissen Werkstoffe hinzugekommen - Bronze, Ton, aber auch zu einem ganz persönlichen, künstlerisch aber durchaus hier entwickelte er jeweils das für diese Materialien we- in Allgemeine strebenden Ausdruck zusammenfassen, senhafte Gefühl. dessen Mitte wesentlich der Mensch als Bildnis und Eine Passage aus Schillers »Lied von der Glocke:« » . . . Schicksalsträger geblieben ist. denn wo das Strenge mit dem Zarten, wo Starkes sich Die Arbeit vollzieht sich bei Josef Henselmann in der und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang.« paßt traditionellen Form des Schauens, Erlebens und Sich-An- auf Henselmanns Werk. Dieser Zweiklang von Stärke eignens der Naturform. Das Naturmotiv, die Figur, das und Feinfühligkeit, von Härte und Milde prägt alle Tier, die Gruppe, ist ihm unerläßliche Voraussetzung im Bronzeplastiken dieses Bildhauers, die poetische Klein- Prozeß der Gestaltwerdung. Das geschieht aber nicht plastik ebenso wie die monumentalen Kultbilder. Die zi- etwa im Gewand der Verniedlichung, des Anekdotischen tierte, halb schon vergessene Ballade trifft auch den Kern oder Genrehaften bei den Kleinplastiken. Der Bildhauer insofern, als sie einführt in die Atmosphäre und den Be- wahrt hier und natürlich noch mehr in seinen großen reich der Werkstatt. Denn der souveräne Umgang mit Auftragswerken einen sicheren Abstand von gefälliger dem flüssigen Erz, mit den Prozessen, die den Guß vor- Vordergründigkeit und billiger individueller Anspielung. bereiten oder ihm folgen, d. h. die eminente Erfahrung Seine Figuren zielen eigentlich immer auf die Eindeutig- mit dem Material Bronze, ist ja auch eine der wesentli- keit der Erscheinung und holen das Lebendige aus der chen Voraussetzungen für Henselmanns bildnerisches immanenten vitalen Formendynamik. Werk. Daß es dazu kommen konnte, ist nicht allein seinem ste- Die ersten Versuche der bildhauerischen Tätigkeit voll- tigen Fleiß zuzuschreiben, sondern auch die Schule, seine zogen sich in unmittelbarer Auseinandersetzung mit der Schulung in München haben dazu bestimmt wesentlich Natur. Diese blieb dann auch über Jahrzehnte hinweg beigetragen. seine Lehrmeisterin. Der Weg des Experimentierens und Die Münchener Bildhauerei ist etwa gegenüber der Berli- Konstruierens, der Formenzertrümmerung und der Ab- ner traditionsgebundener, konservativer. Die Süddeut- straktion in der Plastik schien ihm wenig gangbar. Sei- schen blieben immer mehr und dichter bei der menschli- ner Auffassung nach ist der Rhythmus des menschlichen chen oder Tierform, auch wenn sie die Überlieferung Herzens zu allen Zeiten der gleiche geblieben. Durch von Hildebrand mit dem Aufruf zur architektonischen diesen Pulsschlag hindurch auf die eigene Stimme zu hö-
34 ren, zu warten, um wieder zu lauschen, hier liegt wohl Josef Henselmanns Auftrag in erster Linie, um den uner- müdlichen Versuch, sich dem Lebendigen als dem Wahr- haftigen künstlerisch zu nähern, um die einfache zwin- gende Aussage. Wie fest unser Künstler in dieser Welt wurzelt, zeigen seine Bildnisse. Sie sind von guter Charakteristik und echter Menschlichkeit erfüllt, dabei klare und bestimmte, wahrhafte Antlitze. Eine gute Bildnisplastik erschöpft sich nicht nur in der einfachen Wiedergabe des oder der Dargestellten. Sie ist ja weit mehr als bloße Nachbildung gegebener Formen. Im Kunstwerk der Bildnisbüste wird die Gesamtheit der physischen und geistigen Bezüge eines Menschen zur be- seelten Einheit verdichtet, zugespitzt auf den Ausdruck einer bestimmten Individualität, wie diese sich sonst nur im Zeitenablauf, in Bewegung, Geste und Gespräch kundgibt. Das Tektionische tritt als ordnendes Prinzip auf, das auch die Macht hat, allen jenen Zügen, die der Naturwahrheit entsprechen, Ausdruck und Dauer zu verleihen in der Analogie vom Sinnhaften und Bedeu- tungsmäßigen. Dem Wesen von Josef Henselmann entspricht es, seiner Bescheidenheit als Handwerker und dem lautlosen Zu- rücktreten hinter dem Werk, daß wir den einzelnen Ar- beiten gegenüber das Gefühl bekommen, etwas Gediege- nes vor uns zu haben, das ja auch die Werke etwa der mittelalterlichen Künstler erfüllt. Man sieht das Darge- stellte, empfindet seinen Ernst und fragt dann eigentlich nicht, wessen Hand das geschnitzt hat. Dieser Eindruck, die Empfindung gilt im Besonderen den vielen Werken gegenüber, die Josef Henselmann für Kirchen, für öf- fentliche Gebäude und auf öffentlichen Plätzen geschaf- Porträt von Professor Josef Henselmann fen hat. Die architektonisch bedingte Plastik lag seinem Foto: Rüdiger Hartmann, Scheer einfühlenden plastischen Empfinden ganz besonders. Die Sigmaringer Ausstellung konnte daher nur eine ganz be- schränkte Rechenschaft von der künstlerischen Spann- ne - der wesentliche Bereich seines Schaffens ver- weite des Gesamtwerkes geben. Eir oder - wie ich rm - schließt sich der Möglichkeit des Ausstellens: Standbil- der, Grabmale, Brunnen, Denkmale und große sakrale Arbeiten. An diesen Mangel mußte der Ausstellungsbe- sucher erinnert werden, denn die hohe Meisterschaft von Josef Henselmann, die Dinge zu ordnen und richtig zu stellen, wird eben in seinem Wirken in der Öffentlich- keit in gesteigertem Maße anschaulich. Henselmanns Plastiken stehen in der Ordnung eines gei- stigen Gefüges, das sich zur Mitteilung des Werkes schlechthin bedient und nicht vor allem und zunächst des Kunstwerkes bedarf. Wenn das handwerkliche Ver- mögen die Fähigkeit den Formen eine reiche Aussage- kraft zu verleihen, und die Disziplin, diese Formen selbst in einer ausgewogenen Gespanntheit zueinander zu set- zen, zum reinen Thematischen hinzukommt, und somit neben der geistigen Erfüllung des Werkes auch unser for- males und ästhetisches Verlangen Befriedigung findet, umso stärker wird es auf die Mitlebenden und Nachfol- genden wirken. Die Einfalt der Aussage, die ungekün- stelte Erscheinungsweise der Figuren, die expressive Form, die das Wesentliche der gestalteten Ereignisse be- sonders hervorkehrt, die Überschaubarkeit der sinnlichen Gesten - all diese Eigentümlichkeiten weisen der Kunst Josef Henselmanns in unserer Zeit einen Platz zu, der weit von jenem entfernt ist, auf dem es darum geht, ein besonderes Thema möglichst kunstvoll zu gestalten. Auch für einen Multscher, für einen Syrlin, für einen Grasser und Leinberger war das Kunstwerk nicht Sinn, nicht Absicht der plastischen Betätigung. Die Werke wurden Kunst.