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HEIMAT 28. Jahrgang Nr. i/März 1978

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Beuron, Klosterprospekt. Kupferstich von Job. Franck, um 1700. Im Oval Bildnis des Abtes Georg Kurz O.S. Aug. (1682-1704) FUrstl. Hohenz. Hofbibliothek Sigmaringen

P. MAURUS PFAFF OSB.

Das ehemalige Augustiner^Chorherrenstift Beuron 1077-1977

Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Beuron an der die Vorgänger nahezu vergessen lassen. Etwas mehr als oberen Donau könnte heute auf 900 Jahre seiner Ge- hundert Jahre benediktinischen Wirkens im oberen Do- schichte zurückblicken. Den geschichtlichen Abläufen nautal haben zu der Meinung geführt, daß Beuron und entsprechend hat das Chorherrenstift 725 Jahre existiert, seine Landschaft schon immer von benediktinischer Tra- als es mit dem Zusammenbruch der Deutschen Reichskir- dition geprägt gewesen seien. Die neue Benediktinerabtei che 1803 säkularisiert wurde. Das Auftreten der Bene- in Beuron war im 19. Jahrhundert die erste benediktini- diktiner im alten Chorherrenstift hat die Erinnerung an sche Klostergründung außerhalb Bayerns im Bereich der nord- und süddeutschen Staaten. Als jüngere Schwester wirklich einer einfachen schwäbischen Ritterfamilie an- der französischen Abtei Solesmes wurde das Donautalklo- gehört haben, so wäre dann doch zu fragen, ob nicht ster für das 19. und 20. Jahrhundert der Ausgangspunkt hinter ihm einer der bedeutenderen Machtträger jener in einer religiös-liturgischen Erneuerung und hat nachhaltig schwäbischen Landen hochbewegten Zeit gestanden mit seinem monastischen Wollen die weitere Zukunft des hat... Bei aller Wertung der Tatsache, daß ein weltab- Mönchtums bestimmt. Außer der rein lokalen Kontinui- geschiedener Platz einer Mönchsniederlassung willkom- tät bestehen zwischen dem alten Chorherrenstift und den men war, spielt doch gerade für die hochmittelalterli- Benediktinern keine Zusammenhänge. chen Klostergründungen der politische Faktor eine ent- Das Chorherrenstift Beuron reicht in seinen Anfängen in scheidende Rolle. Wir dürfen nicht vergessen, daß die das letzte Viertel des 11. Jahrhunderts zurück. Eine Ur- Klöster des 11. und 12. Jahrhunderts zur planmäßigen kunde aus St. Gallen erwähnt bereits um 861 den Na- Erschließung und Sicherung des Landes kaum weniger men Purron im Bereich des oberen Donautals. Als eine wichtig waren als die Gründung von Städten und die Gründung im Zeitpunkt der hochpolitischen Auseinan- seit der Jahrhundertwende üblich gewordene Erbauung dersetzungen zwischen Papsttum und deutschem König- von Bergburgen in unserem südwestdeutschen Räume. tum im Investiturstreit gewinnt das Kloster zusammen Hier muß die Gründung des Augustinerklosters Beuron irgendwie eingeordnet werden." Man wird deshalb der mit anderen Klöstern im südwestdeutschen Raum zeitge- Frage nach der Beuroner Klostergründung näher kom- schichtliche Bedeutung. Beuron gehört zu den ältesten men, wenn die Teilfragen aufgehellt werden. Von der Chorherrenstiftungen überhaupt. Kanoniker-Reformbewegung der damaligen Zeit muß Die neue Gemeindeordnung hat den Namen des alten gesagt werden, daß sie vor allem ein Angriff auf die Chorherrenstifts Beuron für die in der Großgemeinde Verweltlichung im kirchlichen Bereich gewesen ist. zusammengeschlossenen Ortsteile des oberen Donautals Seit 1077 stand der Konstanzer Bischofssitz im Brenn- beibehalten. Mehrere Nachbarorte haben ebenfalls ihrer punkt der Auseinandersetzungen zwischen päpstlicher 900jährigen Geschichte gedacht und damit auch der ge- und königlicher Gewalt. Schon 1075 erhielt der Kon- genseitigen geschichtlichen Verbundenheit Ausdruck ge- stanzer Bischof Otto I. durch den reformbewußten Papst geben. Die volkstümliche Geschichtsschreibung des späte- Gregor VII. eine scharfe Zurechtweisung. Die Vorwürfe ren Mittelalters und auch der neueren Zeit hat die An- bezogen sich auf die Mißachtung der römischen Bestim- fänge des Klosters im Tal - umrahmt von der Legende mungen bezüglich Simonie (Kauf geistlicher Ämter) und - aus dem geschichtlichen Dunkel heraustreten lassen. Priesterehe. Papst Gregor VII. holte 1080 zum entschei- Die geschichtlichen Quellen sind äußerst sparsam. Ge- denden Schlag aus. Er beauftragte seinen pästlichen Le- schichtlich richtig ist natürlich, daß ein Stiftungsakt mit gaten, den Bischof Altmann von Passau, mit der Einset- der Übergabe des Dotationsguts stattgefunden hat. Da- zung eines neuen Bischofs in Konstanz. Erst 1084 ge- für wird das Jahr 1077 angenommen. Feststeht, daß langte die Bischofsstadt in die Hand der Anhänger Gre- einer der Zeugen des Stiftungsaktes, nämlich Graf Mane- gors VII. und noch im Dezember 1084 weihte der päpst- gold von Altshausen-Veringen, um 1077 in den Quellen liche Legat Odo - der spätere Papst Urban II. - den genannt wird, als bedeutender Verbindungsmann zwi- Hirsauer Mönch Gebhard von Zähringen zum Bischof in schen Papst Gregor VII. und den im Frühjahr 1077 in der Klosterkirche zu Petershausen. Gebhard III. baute Ulm versammelten deutschen Fürsten. Als zweiter Zeuge seine Bischofsstadt zu einer Hochburg der päpstlichen beim Beuroner Stiftungsakt wird ferner Graf Burkhard Richtung aus. Man hat mit Recht vermutet, daß bei der von Nellenburg (Stockach) genannt, dessen Vater der Beuroner Klostergründung Einflüsse durch Altmann von Stifter des Allerheiligenklosters in Schaffhausen ist. Das Passau vorhanden sind. Das Donautalkloster scheint also bei dem Stiftungsakt übergebene Stiftungsgut erstreckte tatsächlich ein Chorherrenstift der ersten Stunde zu sein. sich vom Füllental (heute St. Maurus im Feld) bis zum Von Gebhard III. wissen wir, daß er im Bereich seiner Sperberloch gegen Fridingen. Zum Stiftungsgut des Diözese nicht weniger als 30 Kirchen und Altäre ge- Chorherrenstifts gehören die beiden Höfe an der Leiber- weiht hat. Damit würde übereinstimmen, daß er 1105 tinger Steige und auf dem Reinfeld. An dem Stiftungs- möglicherweise auf der Reise nach Marbach (Elsaß) die akt sollen zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten aus beiden Klosterkirchen, Beuron und Marbach, geweiht den Kreisen der päpstlichen Reformbewegung teilgenom- hat. Der Beuroner Kirchturm kann in seinem ältesten men haben. Die Gründung des Donautalklosters steht Teil noch in den Anfang des 12. Jahrhunderts datiert also vollständig in der Linie anderer Gründungen wie werden. Hirsau, St. Georgen im Schwarzwald, St. Blasien, Aller- heiligen in Schaffhausen und Zwiefalten. Der Inhaber Von Anfang an stand das Chorherrenstift Beuron unter des Konstanzer Bischofsstuhls war seit 1070 ein Anhän- der Leitung eines Propstes. Während St. Märgen im ger König Heinrichs IV. Schwarzwald und Kreuzlingen bei Konstanz schon früh Die Chorherrenstifte der Reformkanoniker treten in der den Abtstitel führen, blieb Beuron bis ins letzte Viertel politisch hochgespannten Epoche des Investiturstreits an des 17. Jahrhunderts bei der Präpositur-Verfassung. In zahlreichen Orten ins Leben. Die Anfänge dieses neuen Deutschland war der Propsttitel auch traditionsgemäß Ordens sind sehr verschiedener Natur. Der Rechtshisto- allgemein üblich. Die älteste Beuroner Urkunde von riker und Kenner der territorialstaatlichen Entwicklun- Papst Urban II. (1097) ist an den damaligen Propst ge- gen im deutschen Südwesten des 11. Jahrhunderts richtet. Aus weiteren päpstlichen Urkunden geht hervor, kommt zu folgenden Ergebnissen: „Gerade die Auswahl daß im Chorherrenstift Beuron nicht nur die Marbacher des Platzes war schon die Tat des im 11. Jahrhundert le- Statuten (frühestens nach 1096), sondern auch die soge- benden Stifters. Wir erkennen in ihm schon vor dem nannte dritte Augustinus-Regel (spätestens vor 1145) Eindringen in die geschichtlichen Einzelheiten einen vorhanden sind. Zwischen 1300 und 1400 hat das Chor- weitblickenden, klug berechnenden Organisator, und wir herrenstift seinen geistigen und wirtschaftlichen Höhe- werden uns zu fragen haben, ob der Klostergründer ne- punkt erreicht. Mit der Schirmvogtei der Enzberger ben dem geistlichen Ziele, das mit der Klostergründung Schirmvögte, die aus dem Kraichgau zugewandert waren naturgemäß verbunden ist, nicht auch noch größere poli- und sich in Mühlheim a. D. einen neuen Stammsitz ge- tische Ziele verfolgte ... Sollte Peregrin - so bezeichnet schaffen hatten, begann der Abstieg des Klosters. Die die Papsturkunde von 1097 den Stifter des Klosters - Lnzberger haben ihren schirmherrlichen Auftrag wenig

2 rühmlich erfüllt. Unter dem Druck der bischöflichen das vom Gerüst befreite Bauwerk besichtigen wollte, Kurie von Konstanz kam es 1615 zu einem Ausgleich, traf ihn ein herabfallender Ziegelstein tödlich. Am 12. indem die Enzberger für immer auf die Schirmvogtei Juli wurde der Abt als erster in der von ihm erbauten verzichteten. Stiftskirche beigesetzt. Der Konstanzer Weihbischof Da die territorialen Verhältnisse sich in der Landschaft Franz Anton v. Sirgenstein vollzog am 28. September bereits verfestigt hatten, konnte der Beuroner Klosterbe- 1738 die Weihe der neuen Stiftskirche. Sein Nachfolger, zirk sich organisch nicht mehr erweitern. Das Chorher- Abt Martin II., ließ 1741 die große Orgel aufstellen. renstift hatte jedoch rechts und links der Donau beacht- Schließlich konnte 1751 das Dorf Bärenthal mit dem lichen Streubesitz. Der links der Donau gelegene Besitz Schlößchen Ensisheim käuflich erworben werden. erstreckte sich zwischen den Flüssen Donau, Neckar und Prälat Rudolf III. Reichel war ein Rottenburger. Er Lauchert mit der nördlichen Grenze bei Hechingen. Der konnte auf dem bisher Erreichten weiterbauen. Am 17. rechts der Donau gelegene Grundbesitz war auffallend Dezember 1759 schloß er mit Josef Anton Feuchtmayer weitgestreut und erstreckte sich bis nach Oberschwaben aus Mimmenhausen bei Salem einen Vertrag über die und in die Bodenseelandschaft. Im südlichen Bereich Gestaltung des Hochaltars. Die Ausführung des Bau- gruppierten sich die Güter um Mengen, Biberach und 111— werks erfolgte 1760/61 unter Mitwirkung der Brüder mensee. In Sipplingen befand sich eine Art Umsatzsta- Johann Georg und Franz Anton Dirr. In Bärenthal ließ tion für die Gütertransporte nach Beuron. Propst Vitus der Prälat eine neue Kirche bauen. Die Elementarschule Hainzmann aus Sigmaringen (1574-1614) führte am in Beuron wurde zu einer Lateinschule erweitert. Rudolf Ende des Mittelalters einen kurzen, jedoch beachtlichen III. konnte seine zahlreichen persönlichen Beziehungen Aufschwung des Klosters herbei. Die kriegerischen Er- für das Stift nutzbar machen. Mit Unterstützung des eignisse der Zeit haben jedoch diesen Aufbau wieder zer- Syndikus des Schwäbischen Reichsprälaten-Kollegiums, stört. Propst Vitus Hainzmann resignierte 1614 und zog Josef v. Schott, erlangte der Prälat für sein Stift die sich endgültig in das Schaffnei-Haus in Egesheim zu- Reichsunmittelbarkeit, wie sie für die Reichskartause rück. Er starb am 28. Februar 1622. Buxheim und das Stift Ottobeuren bereits bestand. Ru- Propst Sigmund Marbeck (1660-1682) kam aus dem dolf III. starb als Priesterjubilar am 21. September 1790 Stift Rottenbuch im Ammergau über Kreuzlingen nach und fand im Mittelgang der Klosterkirche seine Ruhe- Beuron. Sein Aufenthalt war anfänglich mehr als Aushil- stätte. fe gedacht. Als er die Leitung des Klosters übernommen Der aus Rottweil am Neckar stammende Dominicus hatte, war er besonders darauf bedacht, die Schulden zu Mayer war der letzte Prälat des Reichsstifts Beuron. Er verringern. Er verkaufte deshalb zur Hebung der wirt- hatte unruhige Zeiten vor sich. Trotzdem war er bemüht, schaftlichen Lage am 11. Juni 1668 die entfernt liegen- seinen Gotteshausleuten ein Vorbild zu sein und sie zu den, aber sehr schönen Besitzungen des Stifts im Breis- besserer Sitte und tieferer Religiosität anzuhalten. Die gau. Der landgräflich fürstenbergische Rat Dr. iur. Fi- Auswirkungen der Französischen Revolution von 1789 scher, Oberamtmann in Meßkirch, zeigte an dem Kauf machten sich im südwestdeutschen Raum deutlich be- großes Interesse. Die Schaffneien des Klosters in Krozin- merkbar. Die Revolutionsheere verwüsteten die Vor- gen und Freiburg i. Br. umfaßten folgende Güter: in derösterreichischen Lande in einem unerhörten Ausmaß. Krozingen einen Hof mit Haus und Scheune - St. Ul- Wiederholt durchzogen französische Truppen das obere richshof oder Glöcklehof -, in Opfingen am Tuniberg Donautal. Noch im April 1801 plünderten sie Kloster einen Hof mit Zubehör, in Pfaffenweiler vier Jauchert und Nachbarorte. Der Friede von Luneville am 9. Fe- Weingärten am Batzenberg, einen weiteren Hof bei bruar 1801 brachte den Abschluß der französischen Re- Staufen und alle Güter in Kirchhofen, Tunsei, Merdin- volutionskriege. Mit der Abtretung des linken Rhein- gen und Gottenheim. Auch die in Freiburg und Umge- ufers an Frankreich wurde den deutschen Fürsten eine bung gelegenen Güter mit Weinbergen, Wiesen und Äk- Entschädigung „aus dem Schoß des Reiches" zugespro- kern, einschließlich der St. Michaelskapelle an der nörd- chen. Zur Durchführung dieser Neuregelung wurde auf lichen Stadtmauer wurden zum Verkauf angeboten. Dr. den 2. Oktober 1801 nach Regensburg die außerordentli- Fischer gab seinerseits an das Kloster die verpfändeten che Reichsdeputation einberufen. Die totale Säkularisa- Höfe in Talheim und Leibertingen wieder zurück. Der tion der Deutschen Reichskirche wurde beschlossen und Besitz des Chorherrenstifts im Breisgau wird bereits in durch die kaiserliche Unterschrift vom 27. April 1803 einer Urkunde vom 23. Oktober 1278 erwähnt. als Reichsgesetz erklärt. Bereits am 15. Oktober 1802 er- Die Zeit der Äbte brachte nach dem dreißigjährigen hielten Abt und Konvent in Beuron die Mitteilung, daß Krieg noch einmal einen beachtenswerten Aufschwung. das Stift dem Fürsten Anton Aloys von Hohenzollern- Wenn das Kloster im Donautal nach der Mitte des Sigmaringen als Entschädigung für in den Niederlanden 18. Jahrhunderts die Auszeichnung eines reichsfreien verlorenen Besitz übereignet sei. Stifts erlangte, so war das doch verlöschender Glanz am Ende eines Zeitalters. 1682 wurde der Chorherr Georg Am 23. Oktober ging das Chorherrenstift rechtlich in Kurz aus Kreuzlingen als Abt nach Beuron erbeten. Un- den Besitz des Hauses Hohenzollern über. Die Zahl der ter ihm erfolgte 1687 aufgrund eines Immediatgesuchs Untertanen betrug damals in Bärenthal 391 Personen, an den Papst die Erhebung des Stifts zur Abtei. Abt auf dem Steighof 13 und auf dem Reinfelderhof 14. In Kurz ließ durch den Kirchenbaumeister Franz Beer Beuron waren es der Prälat und 15 Chorherren, ferner (t 1726) einen Klosterplan entwerfen. Für die Innenaus- weitere 93 Personen, die im Dienst des Klosters standen. stattung konnte er Johann Michael Feuchtmayer gewin- Die Vereidigung der Untertanen fand am 17. Dezember nen. Abt Georg Kurz starb am 18. Mai 1704 und fand statt. Ein Dekret des Fürsten regelte die Pensionen des seine Grabstätte auf der Reichenau. Abt Rudolf II. v. Prälaten und der Kapitularen. Dem Abt blieb weiterhin Strachwiz ist der Erbauer der 1738 vollendeten Kirche. eine gewisse Disziplinargewalt über die Chorherren, fer- 1732 hatte er mit dem Rottweiler Baumeister Matthäus ner die Aufsicht über die Seelsorge in den bisher verwal- Scharpf einen Bauvertrag abgeschlossen. Einheimische teten Pfarreien. Der letzte Kanzleidirektor und sein Se- Werkleute, Wessobrunner Stukkateure und der Riedlin- kretär wurden in das fürstliche Obervogteiamt übernom- ger Freskomaler Ignaz Weegschaider haben an dem Kir- men. Die Pfarrei Bärental wurde seit 1818 von einem chenbau gearbeitet. Als Abt Rudolf II. am 10. Juli 1738 Weltpriester betreut. Der Beuroner Chorherr Romuald Bock verließ 1820 das Stift und übernahm in Liggers-

3 dorf die Marienkaplanei. 1828 zog er sich in seine Hei- schweigender Duldung der neuen Klostergemeinschaft mat Ochsenhausen zurück, wo er als letzter der Beu- durch Peter Lenz zerstört. roner Chorherren am 19. April 1835 starb. Der Prälat Im April 1862 schrieb Fürst Karl Anton von Hohenzol- Dominicus Mayer verschied in Beuron am 7. Oktober lern-Sigmaringen aus Düsseldorf an Erzbischof Hermann 1823. Seine Grabstätte befindet sich in der Stiftskirche v. Vicari in Freiburg i. Br., daß es ihm ein „Herzensbe- rückwärts im Mittelgang. Ein Epitaph am letzten Süd- dürfnis" sei, wenn das alte Kloster wieder seiner Bestim- pfeiler hält die Erinnerung an ihn fest. Bereits am 3. mung zurückgegeben werden könnte. Die Augustiner- November 1807 hatte die katholische Kirchengemeinde Chorherren sind allerdings nicht wieder gekommen, aber St. Jakob in Pfullendorf die große Orgel des Klosters die neuen Benediktiner in Beuron haben mit der Betreu- käuflich erworben. 1823 erfolgte die Auflösung der Klo- ung der näheren und weiteren Landschaft ein altes Erbe sterbibliothek. Angeblich unbrauchbare Bücher wurden im Geist der Augustiner-Chorherren übernommen. als Makulatur gewichtweise verkauft. Ein Rest wanderte Abb. S. 1 ist, mit freundlicher Genehmigung des Verlags, dem nach Sigmaringen. Schließlich wurde am 12. August Band „Hohenzollern in alten Ansichten", Jan Thorbecke Ver- 1872 der Hochaltar J. A. Feuchtmayers unter still- lag Sigmaringen, entnommen.

KARL SIEGFRIED BADER

Die Burg Wildenstein Ursprünge — Sinnwechsel - Vermächtnis*

Die dem Zürcher Rechtshistoriker zugedachte Aufgabe, Neckarraum mehrere Burgen „Wildenstein" und das anläßlich der Neunhundert-Jahrfeier über die Burg Wil- Kennwort „wild" begegnet uns, wir kommen noch kurz denstein zu sprechen, führte den Redner keineswegs in darauf zurück, bei einer längst abgegangenen Nachbar- Neuland. In der benachbarten Baar aufgewachsen, ist er burg, der Burgstelle „Wildenfels" - eine Namengebung, früh, als Donaueschinger Gymnasiast, als Feriengast bei die im wildzerklüfteten oberen Donautal nicht zu über- den Meßkircher Bekannten und als zeitweiliger Musik- raschen braucht. Für die größere Heuberglandschaft ist schüler in Beuron mit dem Wildenstein und seinen dama- der Name „Wildenstein" aber nicht bestimmend gewor- ligen Wirtsleuten in Berührung gekommen. Mit der Ge- den, auch wenn sich im Laufe der Zeit um die Burg her- schichte der Zimmerischen Herrschaft Meßkirch hatte er um eine kleine „Herrschaft Wildenstein" - mit Leiber- sich als langjähriger Archivar des Hauses Fürstenberg, tingen, Lengenfeld und Kreenheinstetten - als An- des damaligen Burgbesitzers, häufig auseinanderzusetzen, hängsel zur Herrschaft Gutenberg bzw. zur Herrschaft ebenso mit Quellen- und Stellenwert der berühmtberüch- Meßkirch bildete. Die ältesten Zeugnisse sprechen von tigten, erst in den letzten Jahrzehnten in ihrer ganzen der „Goldineshuntare", einem schwer deutbaren Raum- kulturhistorischen Bedeutung erkannten Zimmerischen gebilde; im 11. Jahrhundert, also in der Zeit, in der un- Chronik, und nicht zuletzt einige prächtige Gestalten ser Wildenstein genannt wird, gehört der Raum zum so- aus dem Hause Fürstenberg-Meßkirch, Erbe der Grafen genannten „pagus Ratoldi" („Ratoldsbuch"), der aber und Herren von Zimmern zogen den Blick des Landeshi- bald wieder verschwindet und dem Namen einer „Graf- storikers auf sich. So brauchte es sich nicht darum zu schaft Rohrdorf" Platz macht. Zu einem Rechtsbegriff handeln, in aller Eile umfangreiche neue Studien anzu- „Heuberg" ist es nie gekommen, vermutlich schon des- stellen. Da aber gewünscht worden war, neben der Burg wegen, weil es an Heubergen im Donau-Neckarraum die Gemeinde Leibertingen nicht ganz außer acht zu auch sonst nicht mangelt. Überhaupt haftet unserem lassen, so lag es nahe, die Ausführungen unter ein dem Raum in der politischen Zuteilung, wie ich jüngst bei Anlaß entsprechendes Motto zu stellen und dem Titel einem Meßkircher Vortrag darlegte, etwas Unbestimmtes „Die Burg Wildenstein" den Untertitel „Ursprünge, an, er hat sich bald mehr dem Bodensee-, bald dem Sinnwandel, Vermächtnis" beizufügen. Das wird davor Raum der Schwäbischen Alb genähert. Das herrschaftli- bewahren, in übereiliger Verkürzung eine Vielzahl von che Durcheinander, das uns in der vorzimmerischen Zeit Daten und Namen, Irrungen und Wirrungen, aneinander des Spätmittelalters begegnet, geht zum Teil auf diese zu reihen, und dazu zwingen, aus der Sicht des Verfas- Schwankungen zurück. sungs- und Landeshistorikers den Verbund mit der die Burg umgebenden Landschaft herzustellen. Nun vollzieht sich rund um das Jahr 1000 eine in vielen Beziehungen auffällige Entwicklung. Große und kleine Als der Name der Burg Wildenstein vor 900 Jahren erst- Herren, Grafen, freie Herren und ihre Dienstleute, ver- mals einem uns erhaltenen schriftlichen Zeugnis anver- lassen ihren gutsherrlichen Hof im Rahmen der Dorf- traut wurde, war der Gegenstand selbst, eben die Burg, siedlung und begeben sich auf einen Berg, die Zeit der schon da. Das ist ja bei den meisten Ortsjubiläen, an de- sogenannten „Höhenburgen" hat begonnen. Dafür gibt nen es unserer Zeit nicht mangelt, so - und nicht zu- es in der Forschung mehrere Gründe: der wichtigste ist letzt darin liegt für den Historiker die Schwierigkeit, die zweifelsohne strategischer und wehrgeschichtlicher Art. wirklichen Ursprünge zu erkennen: wird eine Burg, eine Das Rittertum trennt sich vom Bauernstand, verläßt den Stadt, ein Dorf oder ein Hof urkundlich erwähnt, dann engen Dorfraum und siedelt sich, wo es die natürlichen geht es so gut wie nie um den eigentlichen Gründungs- Verhältnisse nur je zulassen, auf Bergnasen, Felsvor- vorgang, sondern bereits um eine Funktion - und sei es sprüngen oder sonst zur Verteidigung geeigneten Hoch- auch nur, wie in unserem Fall, die, einen Grenzpunkt für sitzen an. Das geschieht häufig nicht vom Einzelfall her: den Sprengel des alten Augustiner-Chorherrenstifts Beu- wir finden am Rande größerer Täler ganze Burgsysteme, ron herzugeben. Nicht einmal der Name gibt besonders teils aufeinander zu, teils gegeneinander gerichtet. Dies viel her: es gibt zwischen dem Alpenvorland und dem ist auch in unserem Donautal der Fall; nur läßt die so-

4 Burg Wildenstein. Gemälde aus der Ausstellung zur 900-Jahr-Feier. Foto: Schwäbische Zeitung Sigmaringen, L. Frick

eben schon angedeutete Unsicherheit der politisch-herr- a qua", als älterer Herrensitz läßt sich der so nahe gele- schaftlichen Bezüge die Zuordnung schwer erkennen. Bei gene, alte ingen-Ort, Leibertingen, erkennen. Es gehört unserem „Wildenstein" jedenfalls bleibt es unsicher, wel- zu den jüngsten Erkenntnissen der verfassungsgeschicht- chem größeren Herrschaftsgebilde sich die Erbauer, die lich ausgerichteten Burgenforschung, wie sie neuerdings ältest bezeugten Herren von Wildenstein, zuzählten - in dem großen Burgenwerk des Konstanzer Kreises für vielleicht der genannten Herrschaft der Grafen von mittelalterliche Geschichtsforschung erbracht worden Rohrdorf-Meßkirch, vielleicht waren sie sogar Einzel- sind, daß eine Adelsfamilie nicht völlig frei über den gänger, wozu ihnen immerhin ihr edelfreier Stand die Standort ihrer Burg zu bestimmen hatte. Wenn sie aus Möglichkeit bot. Zusammenhänge kann man für die Zeit dem genossenschaftlichen Markverband mit seinen agrar- der Jahrtausendwende oft an den Namen - zu ergän- rechtlichen Bindungen, der auch für sie gültigen Zelgen- zen: Vornamen, denn eigentliche feste Geschlechtsnamen wirtschaft, ausscheren wollte, mußte sie nutzungsrechtli- gab es nocht nicht - erkennen. Unsere Herren von Wil- ches Randgebiet, Wald- und Weidland, in Anspruch denstein tragen merkwürdige Namen wie Adilgot-Algot nehmen und sich dabei mit der Dorfgenossenschaft ver- oder Eigelhart, und wenn einmal einer der älteren Fried- tragen. So wurde dann ein sogenannter Einfang oder Bi- rich heißt, läßt sich damit so wenig anfangen wie bei fang geschaffen, der vom Beweidungsrecht der Nutzge- den zahllosen „Hinz und Kunz", den Heinrichen und nossen ausgenommen wurde. Zur Burg Wildenstein ge- Rudolfen unseres schwäbischen Adels. Die gegenwärtige hört noch Jahrhunderte hindurch neben dem grundherr- Forschung, die sich mit der sogenannten Adelsherrschaft lichen Hof der Kirchensatz mit dem Wittum, dem beschäftigt, findet da also noch einiges zu tun. Pfründgut, zu Leibertingen eben ein solcher Bifang, und Eindeutig ist, was die Herren mit dem Bau ihrer Bergfe- die Ortsherrschaft, die mit einem solchen Hof mit ste auf dem „wilden Stein" bezweckten; eindeutig damit Zwing und Bann verbunden war, „hört", wie die Quel- aber auch die ursprüngliche Bedeutung einer räumlich len sagen, „in die Burg zu Wildenstein". Sie machte auch eingeengten, aber besonders sicher abgeschützten Burg: getreulich die Teilungen mit, die später den Burgbesitz Schutz für sich selbst und für politische Freunde in der zersplitterten, die Verbindung als solche aber blieb beste- fehdereichen Zeit des Investiturstreites, wo alles in zwei hen. Lagern, dem päpstlichen oder kaiserlichen, stand; Schutz Inzwischen war die den Herren von Wildenstein be- wohl auch für Leute ihrer Ortsherrschaft, soweit für die- schiedene Zeit abgelaufen, ihr Erbe traten die Herren se Platz vorhanden war. Dies führt dann alsbald zu von Justingen an, die Familie der „Anshelme" - ein einer Doppelfrage: welche Orte gehörten zu diesem Vatersbruder hieß Anshelm, der Vater Anshelm nannte Schutzverband und (zweitens) von wo aus waren diese gleich zwei Söhne wieder Anshelm. Die Form des Über- ältesten Wildensteiner auf den Berg gezogen? Obwohl gangs ist uns nicht näher bekannt. Aber es beginnt sich unsere Quellen darüber schweigen, lassen sich doch be- eine neue Phase, Sinnwandel der Burg, abzuzeichnen: stimmte oder doch haltbare Antworten geben. Als „locus Wildenstein wird zur Nebenburg und nur eine der Lini-

5 en nennt sich nach dem Wildenstein. Große Heldentaten der Wildenstein in Notzeiten von Krieg, Aufruhr und haben die Justinger auf Wildenstein nicht vollbracht; Pest die Rolle der Zufluchtstätte. zur Ausstattung von Brüdern, die in den geistlichen Mehr im Vorbeigehen sei an etwas erinnert, das dem Ur- Stand traten, wurden Teile der Herrschaft, u. a. Güter kundenleser immer wieder Schwierigkeiten bereitet. in Leibertingen, an Kloster Beuron verkauft, und es ma- Durch fast zwei Jahrhunderte hindurch nennen sich jün- chen sich Anzeichen einer Spekulation mit Burgteilen be- gere Mitglieder des freiherrlichen Hauses Wartenberg, merkbar, die später, als die Justinger durch die von Gründer der Städte Tuttlingen und Geisingen und des Ramsberg abgelöst wurden, zum Hin- und Herschieben Klosters Amtenhausen, in Dutzenden von Urkunden von Burgteilen, zur Aufnahme von Mitgliedern weiterer Freiherren von Wartenberg-Wildenstein. Aber eigentli- Familien, zu Verpfändungen und Lehnsgeschäften führ- che Inhaber unserer Burg Wildenstein waren die War- ten. Eine wichtige urkundliche Nachricht ist aber aus tenberger, ehedem einmal Landgrafen in der Baar und der Anfangszeit der Justinger auf Wildenstein nachzu- nachmals Hofrichter an Stelle ihrer Verwandten, der tragen: man horcht, zumal in Kenntnis späterer Vorgän- Grafen von Sulz, nie. Einer ihrer Mannen saß auf der ge, auf, wenn 1275, wieder einmal in einen Prozeß zwi- Kleinfeste Wildenfels; mag sein, daß diese in der Nähe schen den Burginhabern und dem Beuroner Chorherren- von Thiergarten zu suchende Burgstatt einmal Depen- stift wegen der Grenzen im Gebiet des Berges Wilden- denz von Wildenstein war. Beziehungen zur alten Fami- stein, vom „mons Wildenstein cum suburbio" die Rede lie von Wildenstein sind nicht nachweisbar, immerhin ist. „Suburbium": das ist eine Vorburg stadtähnlichen gibt es bei den Wartenbergern Namen, die an jene Grün- Charakters, eine Burgerweiterung, die auf dem Felsenge- derfamilie erinnern, und ganz auszuschließen ist die lände selbst nicht möglich war. Dort stehen 1275 Häuser Möglichkeit nicht, daß ehedem einmal die Sulz-Warten- mit „hominibus ibidem locatis", d. h. auf dem Vorplatz berger mit den alten Wildensteinern ahnengeschichtlich angesiedelten Burgleuten, die Beuron den Zehnten zu ge- zu tun hatten. Wir erwähnen diese im Dunkel gehüllte ben haben. Man denke an die in das 17. Jahrhundert zu- Verbindung mehr, um zu zeigen, wie bei einer adligen rückgehende Ortssage, wonach Leibertingen einmal eine Familie der Beiname „von Wildenstein" fast so etwas Stadt gewesen sei, auch an den Bericht der Zimmerischen wie ein mythisches Symbol geworden ist. Chronik des 16. Jahrhunderts, daß Gottfried Wilhelm Über die Zimmerische Epoche unterrichtet den Besucher von Zimmern, der Bauherr, Leimsieder und Eigenbrötler, der heutigen Burg der hübsche kleine Führer - jeden anstelle der zunächst geplanten Neustadt-Anlage die historisch Interessierten ein reiches Schrifttum über die Burgvorbauten errichtet habe. Noch früher, 1416, wird Familie der Grafen von Zimmern. Daß darin die Zim- anläßlich eines Pfandgeschäfts, nun schon unter Beteili- merische Chronik eine beherrschende Rolle spielt, ist un- gung des Inhabers einer Burghälfte, des Hans von Zim- verkennbar und darf hier auch nochmals mit Nachdruck mern, die „Wiese genannt die Stat" einbezogen; die en- betont werden, weil unsere Burg neben dem damals be- gere Burghofstatt, d. h. der Platz der Burg selbst ist das scheidenen Schloß zu Meßkirch ja im Brennpunkt des nicht, denn es heißt, daß dazwischen Äcker gelegen sei- chronistischen Interesses steht. Die beiden letzten Gene- en. Für uns ergibt sich aus den Nachrichten, daß im rationen des gräflichen Geschlechts haben die Herrschaft 13. Jahrhundert, in einer Epoche der Gründung von Meßkirch konsolidiert und ihr den festen Platz in der Klein- und Kümmerstädten, ein suburbium, ein vorstadt- Vielzahl schwäbischer Kleinstaaten zugewiesen. Das gilt ähnliches Gebilde vorhanden war, und daß, als dieses für den Verfasser der Chronik, den Grafen Froben Chri- den Herrschaftswechseln, Fehden und Bränden zum Op- stoph, selbst; es gilt bei anderer Zielrichtung auch für fer gefallen war, immer wieder, bis in die späte zimmeri- den letzten Zimmern, den Grafen Wilhelm, mit dem ein sche Zeit, daran gedacht wurde, der drückenden Enge neuzeitlich-rationalistischer Zug in die Geschichte des des inneren Burgraumes zu entgehen und eine Vorstadt, Ländchens kommt. Erinnern wir uns nur daran, daß da- französisch fauburg, auf der Hochfläche anzulegen. Ge- mals zum ersten Mal an die industrielle Nutzung des worden oder geblieben ist daraus nichts; während an- Waldes gedacht und in Leibertingen eine für ihre Zeit derswo in der Nachbarschaft, erinnert sei an Mühlheim bemerkenswert leistungsfähige Glashütte betrieben wur- und Fridingen im Donautal oberhalb von Beuron, an de, die allerdings - gerade die Glashütten waren Tengen und Blumenfeld im nahen Hegau, solche Vor- „waldfressende" Gewerbe - den Wäldern schwer zu- städte, wenn auch Kümmerstädte im Sinne der Stadtge- setzte. Aus der Glashütte ist der Weiler Lengenfeld her- schichtsforschung, Bestand hatten, hat Gottfried Werner vorgegangen, sie hat auch das Naturbild der Landschaft von Zimmern das angesichts der Lage von Wildenstein bis heute beeinflußt. einzig richtige getan: die Burg selbst durch ein - da- mals hochmodernes - System von Bastionen und Gräben Liegt hier ein weiterer Sinnwandel der eng in die Ge- gegen die schwache Hochseite abzuschirmen. schehnisse einbezogenen Burg, dann setzt - nach dem kurzen helfensteinischen Zwischenspiel — der Übergang an das Haus Fürstenberg wiederum neue Noten. Wilden- Damit sind wir bereits bei der Zimmerischen Epoche, der stein ist im fürstenbergischen Staatswesen, zumal nach Hochzeit Wildensteins, angekommen und haben all die dem Aussterben der selbständigen Linie Fürstenberg- Zwischenglieder, die auf Justingen und Ramsberg folg- Meßkirch, immer mehr zu einer herrschaftlichen Rand- ten, die Schenken von Stauffenberg u. a., großzügig erscheinung geworden. Der Burgvogt, der auf Wilden- übergangen. Daß im Pfalzgrafenkrieg dem fernen Pfalz- stein saß, war nur ein nachgeordneter Beamter. Ihn grafen bei Rhein ein Lehnrecht eingeräumt werden muß- brauchte man als Hüter, wenn man in Kriegszeiten te, zeigt nur, wie stark Kräfte von außen her in den Schätze auf die sichere Burg Wildenstein flüchtete. Er Wirrwarr eingreifen konnten, um auch hier einen Fuß und sein bescheidenes soldatisches Gefolge konnten im im Trubel der Gan- und Teilerben drin zu haben. Dem Dreißigjährigen Krieg eine dauerhafte Besetzung durch Zimmerischen Geschick gelang es, die Wässer auf die die schwedische Partei verhindern. Sogar als Staatsge- eigene Mühle zu leiten: Das aus dem Neckarraum stam- fängnis hat die Burg nach 1745 ihre Rolle verloren, als mende, zunächst wenig bedeutende Geschlecht der Freien in Hüfingen ein - für damalige Verhältnisse modernes Herren von Zimmern baute sich, allen Widerständen — Zucht- und Arbeitshaus eingerichtet wurde; nur Un- von zollerischer und sonstiger Seite trotzend, die Herr- tersuchungsgefangene hat man in schwereren Kriminal- schaft Meßkirch aus, und selbst dieser gegenüber spielte fällen noch der Hut des Burgvogtes anvertraut. Mehr als

6 Burg Wildenstein. Gemälde von Doris Irmler-Stauss. Foto: Schwäbische Zeitung Sigmaringen, L. Frick einmal haben öde Rationalisten unter den fürstlichen ort selbst verbotene Kneipe gelegentlich in die Gastwirt- Oberbeamten mit dem Gedanken gespielt, das „unnüt- schaft auf Wildenstein verlegte, war man bereits Vorläu- ze", lediglich Baukosten verursachende Burgschloß fer der Jugendherberge. Von nun an gehörte die Burg im schleifen zu lassen. Es waren Mitglieder der Familie Für- funktionellen Sinne, wenn man so will, bereits der Ju- stenberg selbst, die das verhindert haben, auch wenn das gend. Es mag den altgewordenen Mann etwas zeitgenös- spät hinzuerworbene Werenwag als Nebenwohnsitz in sische Nostalgie ankommen, wenn er den Wildenstein im höherer Gunst stand. Wildenstein, seine Burgkapelle und neuen Gewand wiedersieht. Er wird dennoch nicht zö- das Werk des Meisters von Meßkirch sind in der Gedan- gern, dem Landesverband Schwaben des Deutschen Ju- kenwelt der fürstlichen Familie des 18. und 19. Jahrhun- gendherbergswerkes Dank und Anerkennung zu zollen derts zum Vermächtnis geworden. Zum Schutz gegen für den Entschluß, die Burg Wildenstein zu erwerben den Verfall wurde immer wieder das Nötige, wenn auch und zu einem Schmuckstück auszubauen - Dank zu sa- - in Anbetracht anderer Verpflichtungen, etwa gegen- gen auch dafür, daß der Verband, zusammen mit der über dem Prachtbau des Renaissance-Schlosses Heiligen- Gemeinde Leibertingen, das überkommene Vermächtnis berg - oft nur das Allernötigste vorgekehrt. Immerhin im Jubiläumsjahr 1977 in würdiger Weise gefeiert hat. wurden zu Anfang unseres Jahrhunderts, das auch die eigentliche Wiederentdeckung des Meisters von Meß- kirch und seines Wildensteiner Altars brachte, die Wand- * Vortrag von Professor Dr. Karl Siegfried Bader aus Zürich malereien aufgefrischt. anläßlich der 900-Jahrfeier der Burg Wildenstein/Donautal, veranstaltet vom Deutschen Jugendherbergswerk und der Als der Gymnasiast Bader mit seinen Donaueschinger Gemeinde Leibertingen, gehalten am 19. Mai 1977 im Burg- Kompenälern in den zwanziger Jahren die im Residenz- hof Wildenstein.

JOHANN ADAM KRAUS

Kay: Teil einer Burgbefestigung?

Als im Jahre 1438 das Kloster St. Georgen auf dem oder Wortformen Kay, Kai, Koi, Khai, Ghai, Gehei 3. Schwarzwald seine Güter in Owingen, Stetten, Grossel- Zwischen Schlatt und Beuren gibt es einen Ghaikopf, der fingen und Weildorf um 1700 rheinische Gulden an noch nicht untersucht ist. Dort liegende Güter wurden Konrad von Bubenhofen verkaufte 1, war auch der im im Jahre 1285 in einer Klosterurkunde von Stetten bei Bann von Stetten (nicht Weildorf) gelegene Kayhof Hechingen unter dem Namen Ghay erwähnt. Diese ört- dabei samt einem Hof zu Weildorf. Man fragt sich: Was lichkeit hat s. Z. Ludwig Schmid irrig in das Dorf Kayh war das für ein Hof, der Kayhof? bei Entringen-Tübingen verlegt. Sie hieß dann 1398 und Nach Karl Fr. Eisele habe hier das klösterliche Ortsge- 1475 Kay bei Beuren-Schlatt. Das genannte Dorf Kayh richt getagt2, doch begründet er diese Angabe nicht. enthält wohl den gleichen Wortstamm (ca. 1200 Gayh Vielleicht lassen sich aus dem Namen Kay Schlüsse zie- geschrieben), ebenso der 1360 genannte Hof Kayenberg hen. Man kennt dieses Wort in verschiedenen Schreib- im Bezirk Gaildorf und andere Kay-Namen bis ins Bay-

7 rische hinein. Ein Kay in unserer engeren Heimat ist Tatsache, daß der Begriff Kai oder cai (was ja nicht Zai 1406 in Nähe von Burladingen erwähnt 4, wo ein Hans gesprochen wird!) in uralte vorgermanische Zeit zurück- von Maigingen einen zollerischen Hof der früheren reicht und schon in früheren Sprachen vorkommt, so „Herren von Burladingen" innehatte und aus einer Wie- daß die Fortbildung Gehei zu Ghai bzw. Gehege zu Kay se „Uff Kay" jährlich 4 Schilling Heller zinste. Da diese nicht immer naheliegt, vielmehr die ältere Form durch- Wiese offenbar auf der Höhe lag, mag man sie bei der zuschimmern scheint. Sind doch im 8. Jahrhundert in ehemaligen Falkenburg über der Straße nach Stetten unserer Gegend (in Willmandingen) keltische Bevölke- vermuten. Ein Kaitli bei Gurtweil scheint wegen des T rungsreste als Relikte (oder aus Zwangsverpflanzung?) nicht hierher zu gehören, ebenso ein Weiler Kau bei Un- nachweisbar und in der Umgegend auch sonst zu vermu- ter-Meckenbeuren, dessen Name wohl aus Gehau, also ten. Badische Forscher (z. B. Kleiber) nehmen für abgele- Waldrodung, um 1780 entstand. Die Wälder „Gehae" gene Schwarzwaldtäler noch lange vorgermanische von 1293 5 scheinen gehegt bzw. eingezäunt gewesen zu Volksreste an. Im Altgallischen bedeutete das Wort caii sein. eine Schranke oder Barriere, im Altkeltischen caio eine Umwallung, im Altbretonischen caium im 5. Jahrhun- Sowohl Michel R. Buck 1880 als auch das Flurnamen- dert eine Schanzanlage oder Schutzwehr, das kornische buch der württembergischen Landesstelle für Volkskunde ke ein Gehege, das kymerische cae eine Zaunwehr, und 1958 bezeichnen die urkundliche Schreibung Kay, Kai, im Isländischen war hai ein Pfahl oder Palisade. Dane- Ghäu als falsch und nur Ghai als richtig, worauf das ben steht althochdeutsch haia (chaia, kaia) als Einfrie- Landesvermessungsamt Baden-Württemberg alle neuen dung, Bollwerk und Verhau. Aus dem keltischen caio Karten entsprechend umänderte. Infolgedessen findet wurde der französische Quai in der Bedeutung „Damm man jetzt bei Salmendingen in unmittelbarer Nähe der am Wasser" und daraus der Ufer-Kai der Seehäfen im 7 früheren Burg oberhalb des Dorfes den Namen Ghaihal- 17. Jahrhundert . Karl der Kahle hat im Jahr 864 in de, während die Stelle urkundlich um 1525/30 Kai und seinem Westreich den Befehl gegeben, daß alle castella et Kay, 1698 dann Khayh geschrieben ist 6, im Volksmund firmitates et hajae (Burgen, Festungen und Bollwerke), aber „Uf Koi" heißt. Auch im benachbarten Ringingen die ohne königliche Erlaubnis errichtet waren, geschleift ist noch 1677 der Name Khay für die Gegend direkt un- werden müßten! ter der ehemaligen Burg auf dem Nehberg, also bei den Häusern Nr. 88-90 unter dem Hohlweg überliefert, die Es besteht somit die Möglichkeit, ja der begründete Ver- „Im Khay" standen. dacht, daß das Khay an der Ringinger und Salmendin- ger Burgstelle und am Kayhof bei Stetten/Haigerloch und vielleicht anderswo nicht nur einen einfachen Hek- Nach den Flurnamenforschern Michel Buck, Remig kenzaun bedeutete, sondern eine regelrechte Bastion, ei- Vollmann (1925) und Josef Schnetz (1952) sei statt der nen Teil der Burgbefestigung. Darauf sollte auch der Bezeichnung Kai das mittelhochdeutsche Wort Hag über Kaykopf bei Schlatt einmal genauer untersucht werden, Gehege zu Gehai geworden und bedeute soviel als was für Heimatfreunde eine lohnende Aufgabe darstel- Schutzzaun, Einfriedung, Zufluchtsort, Schutzwehr. len könnte. Dasselbe gilt bezüglich des Kayhofes bei Welche Bedeutung im Einzelnen nun die zutrefffende Stetten, dessen Geschichte und genauer Standort näher wäre, ist heute schwer zu entscheiden. Der Kayhof bei zu erforschen wären. Stetten wird somit in besonders auffallender Weise ein umzäunter oder befestigter Hof gewesen sein, zumal er 1 Zollerheimat 1940, 1-3. 2 Eisele, Studien zur Gesch. d. außerhalb des Dorfes gesucht werden muß. Ein einfacher 3 4 Zaun wird schwerlich den Namen Kayhof verursacht Grafsch. Zollern 1956, 21. Hohz. Heimat 1972, 28. Bik- kelspergs zollerisches Lagerbuch 1941, 99. 6 Mon. Hohenbg. haben! Nr. 142. 6 HH 1963, 28. 7 Kluge-Mitzka, Etymol. WB d. Höchst interessant für die Schreibart Kay ist nun die dtsch. Sprache 1963, 280.

GERD SCHOLLIAN

Römischer Gutshof entdeckt

Auf der Suche nach den gebäulichen Uberresten von Querschläge die etwaige Größe der Anlage festzustellen. Weilern der im 13 bis 16. Jahrhundert in Stein begüter- Auch hier war das Ergebnis von besonderer Bedeutung. ten Adelsgeschlechter, der Walger, von Ow, von Stau- Die teilweise freigelegten Mauerreste des Hauptgebäudes fenberg u. a., die in den Gewannen Azelisgarten, Schön- „Portikus-Villa" ergaben eine Länge von ca. 70 m und rain Tufelbach vermutet wurden, ist Ortsvorsteher Gerd eine Breite von 53 m. Die Mauern sind in südlicher Rich- Schollian aus Hechingen-Stein im Jahre 1976 auf einen tung heute noch bis zu 2,50 m hoch; dies ist um so ver- der größten und besterhaltensten und bisher völlig un- blüffender, daß die Mauern nur wenige Zentimeter unter bekannten römischen Gutshof gestoßen. der Erdoberfläche liegen. Die merkwürdige terrassenförmige Bodenformation, die Ca. 100 m südlich des Hauptgebäudes entdeckte Schol- im oberen Teil durch gleichmäßig angeordnete Vertie- lian im Herbst 1976 ein Badehaus mit einer Größe von fungen endete, veranlaßte Schollian im dortigen Bereich 23 auf 20 m. Durch exakte Forschung dürfte neben den Grabungen durchzuführen. Der Erfolg war verblüffend bisher festgestellten weiteren 7 Nebengebäuden auf einer - Gebrauchskeramik, Terra sigillata in großen Mengen, Gesamtfläche von ca. 8 ha noch einiges zu finden sein. Gebrauchswerkzeuge aller Art, Mauern bis zu 1 m Dik- Aufgrund der zahlreichen Fundstücke sowie der immen- ke, kamen zutage. Nach Hinzuziehung des Landesdenk- sen Größe der Anlage hat sich das Landesdenkmalamt malamtes Tübingen wurde Schollian beauftragt, durch Tübingen entschlossen ab April dieses Jahres mit der

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Wasserversorgung?

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Grabungsgelände in Hechingen-Stein Zeichnung: G. Schollian

Freilegung des Hauptgebäudes zu beginnen. Stufenweise sollen dann je nach Grabungsfortschritt jährlich weitere Grabungen erfolgen. Der von Ortsvorsteher Schollian ins Leben gerufene „Förderverein zur Erforschung und Erhaltung der Kul- turdenkmale Stein" hat es sich zur Aufgabe gemacht, die freigelegten Gebäude zu restaurieren und zu konservie- ren, um sie der Nachwelt zu erhalten.

Wer waren die Römer, die hier gewohnt haben? Süddeutschland und weitere andere Gebiete galten als die Heimat der Kelten. Der Einfall der Römer und da- mit die Besetzung unseres Landes geschah unter Kaiser Domitian. Unter Kaiser Domitian wurden um 85 n. Chr. die beiden germanischen Heeresbezirke am Rhein, des unteren Heeres in die Provinz Niedergermanien und des oberen Bezirks in die Provinz Obergermanien mit Sitz des Statthalters in Mainz umgewandelt. Damit begann für das Land hinter dem Limes die Zivilverwaltung mit römischer Prägung. Eng verwandt dürfte die Anlage in Stein mit der Stadt „Sumelocenna", dem heutigen Rot- tenburg sein. Bei der Neubildung der Provinzen pflegten die Römer um die hier lebende Bevölkerung an die Art der römi- schen Verwaltung zu gewöhnen, dieser nach und nach eine Selbstverwaltung zu gestatten. Grund und Boden gehörten der kaiserlichen Domäne, konnte aber von den hiesigen Urbewohnern angepachtet und bewirtschaftet werden. Die freie Bevölkerung war Bürger mit römi- schem Bürgerrecht! Neben den Stadt- und dorfähnlichen Siedlungen, gab es Rom. Weinamphore, gefunden Oktober 1976 im röm. Gutshof eine weitere Siedlungsart, den Gutshof gen. Villa rustica. Stein (Westecke) Foto: Keidel

9 sel, Beschläge, Nägel, Glasteile aus Fenstern und Trink- bechern, Dach- und Wandziegel. Die im Abbild gezeigte Weinamphore wurde im Oktober 1976 gefunden und vom Landesdenkmalamt Tübingen komplett wieder zusammengefügt.

Religion Die Römer verehrten eine Vielzahl verschiedener Götter, u. a. Jupiter, Mars, Viktoria, Merkur, Herkules, Juno. Strenge Kultsätze regelten die einzelnen Formen der Op- ferbräuche, die von Gottheit zu Gottheit verschieden waren. Opferaltäre waren in jedem Gutshof unterge- bracht. Ob ein hier gefundenes Steinquadrat eine solche Kultstätte war, kann nicht eindeutig belegt werden. Rom. Kochkessel, gefunden am 18. 1. 1977 im Badehaus des röm. Gutshofs. Foto: Keidel Untergang des Gutshofes in Stein Der Gutshof in Stein dürfte in den Jahren 233 - ca. Was die Anlage in Stein betrifft, ist noch nicht endgültig 263 n. Chr. - durch Zerstörung und Brandschatzung geklärt um welche Art der Siedlung es sich hier handelt. untergegangen sein. Die Gutshöfe betrieben hauptsächlich Ackerbau, Vieh- zucht und oft das Töpferhandwerk. Die Höfe, so auch Unter Kaiser Severius Alexander wurden römische der in Stein, lagen zumeist an Südosthängen mit Wasser- Truppen zum Schutze der östlichen Reichsgrenze nach vorkommen und einer guten Sicht in die Flußtäler. Die Persien abgeordnet. Germanen an Nieder- und Mittel- Einzellage der Gutshöfe brachte es mit sich, daß die Be- rhein griffen daraufhin prompt die verlassenen Grenzen wohner die landwirtschaftlichen Produkte selbst verar- an. Dies reizte auch die Alemannen zum Gegenschlag. In beiteten z. B. Milch zu Käse, Fleisch zu Wurst u. a. Die breiter Front überrannten sie im Jahre 233 n. Chr. den für die Bearbeitung der Böden notwendigen Geräte wur- obergermanisch-rätischen Raum und drangen nach Westen den in eigenen Schmieden hergestellt und repariert. Mittelpunkt des Gutshofes war das Hauptgebäude, das nach dem Vorbild italienischer Baukunst jener Epoche - der Portikusvilla mit Eckrisaliten - erstellt wurde. Das Hauptgebäude in Stein sowie alle Nebengebäude sind mit Buntsandstein aufgemauert. Als Mörtel diente ein Sand-Kalkgemisch. Die Dächer waren alle mit roten, Selbstgebrannten Ziegeln belegt. Die Wände der Innen- räume waren sauber verputzt und mit verschiedenen Farben und Ornamenten versehen. Ziegel wurden auch für die Unterboden- und Wandheizung verwendet. Aus der Erkenntnis von Gesundheit und Hygiene hatten die Römer frühzeitig ein hochentwickeltes Badewesen. Die Badehäuser waren zumeist nach einem einheitlichen System gebaut - so auch das in Stein. Das Badehaus in Stein war versehen mit einer guten Wasserversorgung aus dem nahen Hangbereich sowie mit einem ausgeklügelten Heizungssystem - der Hypokaust- anlage. Gut sichtbar sind heute noch die Rundbögen, indem die Warmbäder untergebracht waren sowie der rote Wandverputz in allen Räumen.

Der Badevorgang der Römer lief wie folgt ab: 1. Betreten des Umkleideraumes 2. Kaltbad im südlich gelagerten Kaltwasserbecken 3. Aufsuchen des Schwitzbades (in den mittleren Räu- men untergebracht) 4. Abkühlung im Laubad 5. Erholung im Warmbad (3 Räume) 6. Rückkehr zum Kaltbad (eintauchen in Kaltwasserbek- ken)

7. Wiederholung des Vorganges oder Beendigung

Fundstücke Die bisherige Ausbeute an Funden der vorgenommenen Querschläge in den verschiedenen Gebäuden sind enorm. Gefunden wurden: Sicheln, Bolzen, Pflugschare, 1 bronzener Kochkessel Erste Fundstelle Sommer 19'/76. Hier fand man die Wem- 50 cm 0 30 hoch (sehr gut erhalten), Keramikfunde aller amphore, sowie Keramik alle;•r Art. Mauer noch ca. 150 cm hoch. Art mit Schriftzeichen, Haarnadeln, Stricknadeln, Schlüs- Foto: Deuchert

10 und Süden bis zu den Alpen vor. Der Überfall der Ale- den Einwohner dürften die Alemannen noch einige Zeit mannen auf das inzwischen hier friedfertige Volk hat hier verbracht haben. Was nicht zerstört wurde verfiel wie ein Schock gewirkt. Sie versuchten zu fliehen. Dieje- im Laufe der Zeit. Die hochstehende Kultur der Römer nigen, die es nicht schafften, dürften umgebracht worden aber ging unter und machte wieder primitiveren Lebens- sein. Noch einmal geriet unser Land in römische Herr- formen Platz. Die Stellen aber, an denen das Haupt- schaft. Diese mußte in den Jahren 259 bis 263 n. Chr. gebäude und das Badehaus standen, wurden bis zum heu- erneut Angriffe der Franken und Alemannen entgegense- tigen Tage von sämtlichen nachfolgenden Generationen hen. Wiederum waren Brandschatzungen an der Tages- gemieden. Lediglich zum Häuserbau im frühen Mittel- ordnung. alter sind vereinzelt Steine aus dem Hauptgebäude ge- brochen und verwendet worden. Dies dürften die letzten Tage römischer Besiedlung in Stein gewesen sein. Daß der Gutshof abgebrannt ist, zei- Es kann bis heute nicht das Gegenteil bewiesen werden, gen die vielen Brandspuren an den Grabungsstellen. daß meine These, der Name Stein rührt aus den ausge- Was geschah nachher? dehnten Steintrümmerfeldern der ehemaligen römischen Nach der Vertreibung bzw. Ermordung der hier leben- Siedlung her, nicht stimmen kann. Sch.

FRITZ SCHEERER

Werden der Markung Engstlatt

Eingebettet in eine geschützte Mulde des Wertenbachta- dem Wertenbach zu. Ried (Sumpf) heißen die rechten les, zwischen den Vorbergen der Schwäbischen Alb liegt Uferränder des Baches: Dorfteil „Ried", „Riedgärten" Engstlatt 522 m hoch. Der Name des Ortes wurde um 1600 am Abhang des Leimbergs, „Riedgasse" eine Dorf- 1130 erstmals urkundlich erwähnt: „Oudilhilde (Udil- straße, „Riedhalde" der langgestreckte, breite Nordhang hild), comtessa de Zolron", Gemahlin des Grafen Fried- zum Riedbach, namengebend für die einstige Zeige „Riet- rich von Zollern und Tochter des Grafen Egino II. von halde", „Riedweg" der untere Saum der Riedhalde. Das Urach, schenkte neben Kirchengeräten „unam huobam Ried zieht sich also weit herein in das heutige Dorf. An ad Stetin, unam ad Ingislatt, unam ad Harde, unam ad das „Ried" anstoßend ist „Brühlen", die Eisweiherwiesen Striche, duas ad Danheim" (eine Hube zu Stetten bei der einstigen Kronenbrauerei. Ein „Brühl" sind immer Haigerloch, eine zu Engstlatt, eine zu Hard, eine zu wasserreiche Wiesen, meistens im Besitz eines Orts- und Streichen, zwei zu Thanheim) an die St. Nikolauskapelle Grundherrn. Das Grundwort „slat" dürfte demnach klar des Klosters Zwiefalten Eine Hube war ein Bauernhof sein, nämlich „sumpfiges Gelände". Anders verhält es mit Gütern, dessen Ertrag eine Familie ernähren konnte. sich mit dem Bestimmungswort. Ob dies etwas mit „eng" „Harde" wird als zwischen Engstlatt und Streichen gele- zu tun hat oder mit dem Personennamen „Ingi", wie gen aufgeführt. Falls die Aufzählung geographisch ge- heute vielfach wegen der ursprünglichen Form des Orts- ordnet ist, wird es sich um Hard beim Ziegelwasen (bei namens (s. oben) angenommen wird, sei offen gelassen. Weilstetten) handeln, das um 1300 in einem St. Galler Dem Namen nach gehört Engstlatt nicht zu den älteren Rodel erwähnt wird und dann bald danach abgegangen Siedlungen. Die Altsiedlungen endigen auf „ingen" (Bi- ist. Wann diese Schenkungen dem Kloster Zwiefalten singen, Geislingen) und „heim" (Thanheim, Digisheim), verlorengingen und in welche Hände sie kamen, ist nicht bekannt. die der älteren Ausbauzeit auf „Stetten", „dorf" (Ost- dorf, Weildorf), „hofen" (Steinhofen, Bubenhofen) und „hausen" (Zillhausen, Anhausen) (s. unten). Wir haben es Name und Alter des Dorfes bei Engstlatt mit einer Stellenbezeichnung zu tun. 1273 wird der Name von Engstlatt in einer zollerischen Bis zur Reformation bestanden für Engstlatt starke Be- Urkunde „Engeslat" geschrieben. Eberhard von Ihlingen ziehungen zu Bisingen und Steinhofen. Diese beiden Orte (bei Horb) verkaufte hier einen Hof an das Kloster Of- waren ursprünglich auch nach Balingen orientiert. Sie fenhausen, wozu der Lehensherr Berthold von Falken- gebrauchten nicht das-Hechinger, sondern das alte Baiin- stein (bei Schramberg) das Obereigentumsrecht an das ger Meß (1 Viertel etwa 23 1) und das Burgmeß, also 2 Kloster übergehen ließ . In der Verkaufsurkunde der zwei Maßarten, die im Baiinger Raum herrschend wa- Schalksburgherrschaft von 1403 und im 14. Jahrhundert ren 3. Bei den Flüssigkeitsmaßen sind die gleichen Unter- in verschiedenen Schenkungen an das Kloster Stetten bei scheidungen zu beobachten. Die Kellerei Balingen hatte Hechingen heißt es immer „Engschlatt". Über die Be- noch 1560 zwei Güter zu Steinhofen mit 23 Jauchert deutung des Namens ist schon oft gerätselt worden. Dr. Äcker und 6,25 Mannsmahd Wiesen. Auch ihren Zollha- Veit erklärte den Namen mit „enge (angi) Schlucht" (sla- ber zahlten Steinhofen und Bisingen nach Balingen, wo- te zu schlagen) am Wertenbach. Bild und Tatsache stim- für sie auf dem Baiinger Markt zollfrei waren. men aber nicht ganz überein. Von einer Enge, einer Von der angrenzenden Markung Bisingen entrichtete der Senke zwischen „Rain" und „Kirchhügel" läßt sich wohl Zeig „Hofen" (s. unten) den Zehnten nach Engstlatt. noch reden, aber nicht von einer Schlucht. Das in Flur- Die Pfeffersche Erneuerung für die Grafschaft Zollern und Ortsnamen häufig vorkommende „Schlatt" (Schlatt erwähnt folgendes unter der Zehntbeschreibung für Bi- im Killertal, Schlattwiese, 1540 „Amschlatt" Markung singen: „117,75 Jauchert in einem öschlin, genannt auf Bisingen usw.) wird heute allgemein als Sumpfland ge- Hofen in der Zeig Hochstraß, gehört aller Zehnt gen deutet. Dies dürfte auch für Engstlatt stimmen. Engstlatt in den Laienzehnten". 1435 hatten württem- Innerhalb des Dorfes, am Fuße des Kirchhügels wendet bergische Untertanen zu Engstlatt (1403 württember- sich der Riedbach (Name!) nach Südwest und plätschert gisch) Besitz im benachbarten Zollerischen und die Bisin-

11 ger und Steinhofer waren ihrerseits auf der Engstiatter Wie im schwäbisch-alemannischen Raum fast allgemein Markung begütert 4. das angebaute Ackerland bei den Dörfern und Weilern Die Engstiatter St. Peterskirche mag der Entstehung in drei Zeige oder Esche eingeteilt war, die man zum rei- nach mit der Steinhofer Peterskirche zusammenhängen. bungslosen Ablauf der Dreifelderwirtschaft brauchte, so Ihr Alter ist zwar nicht bekannt. Sie könnte aber von ist dies auch in Engstlatt der Fall. Seit dem 14. Jahrhun- der Steinhofer Peterskirche aus gegründet worden sein dert waren drei feststehende Bezeichnungen üblich, die und wäre dann jünger als diese. Peterskirchen wurden jedoch heute kaum mehr angewandt werden: Zeig anderwärts schon nach 700 gegründet (Peterskirche Ran- „Neunzfeld" oder „Auf Steinen", „Hü&sten" („Hüsten") gendingen 795 genannt). Die Pfarrei Engstlatt, die zum und „Riethalde" im Osten vom Dorf. Das „Wagental" Landkapitel Haigerloch gehörte, wird 1275 erstmals er- war das Grenztal zur Zeig „Hürsten", der westwärts bis zur ehemaligen Balinger-Engstlatter Landstraße, der ein- wähnt. Sie umfaßte nur den Flecken Engstlatt, höchstens stigen „Baiinger Gaß", reichte. Zeig „Neunzfeld" war noch das abgegangene Rohr (s. unten). Anders war es bei der größte Esch. Zu ihm gehörte alles links der alten der Kirche zu Steinhofen, zu der die Kapelle St. Niko- Straße Balingen-Hechingen, mit Ausnahme von „Lauen" laus zu Bisingen (Kaplanei 1312 durch „Walgerns de Bi- (kleiner Wald), das zum Zeig „Hürsten" zählte (s. Zeich- singen und Hermanus dictus de Steinhofen" gestiftet) als nung). Filiale gehörte und zu der Teile von Thanheim, ausge- nommen 5 Höfe, eingepfarrt waren. Aus all dem darf angenommen werden, daß Engstlatt Abgegangene Siedlungen eine von Steinhofen oder Bisingen aus angelegte Ausbau- In den Außenbezirken der heutigen Markung stecken siedlung ist, die spätestens ums Jahr 1000, vielleicht auch verschiedene Stellen des Wirtschaftslandes abgegangener schon zwei bis drei Jahrhunderte früher gegründet wur- Siedlungen. Vielfach haben im Hochmittelalter etliche de und zunächst nur ein kleiner Weiler war. Zum Beweis Fluren nicht zur Markung Engstlatt gehört. Erst nach für eine solch späte Entstehungszeit sollen die Markung der spätmittelalterlichen Wüstungsperiode, dem Abgang Engstlatt und ihre Bebauung etwas genauer betrachtet von Siedlungen, haben die weiterbestehenden Siedlungs- werden. gemeinschaften das verödete Land in Besitz genommen und es nach althergebrachter Weise als Wiesen und Äcker Die Markung genützt oder auch in Gemeindeländereien umgewandelt. Der Kern des Ortes ist um die Kirche, die wie ein Wäch- Am Westrand der Markung fällt der Zeigfetzen „Hinter ter über dem Dorf thront, und an der alten Landstraße' Lauen" auf, dessen Ackerland zur Zeig „Hürsten" ge- zu suchen, der auch im Volksmund „Im Dorf" genannt hörte, jedoch von dieser durch einen Vorstoß der Zeig wird. Die Markung mit ihren 740 ha ergibt heute das „Neunzfeld" getrennt war. Bei diesem Zeigfetzen han- Bild einer Keule, deren Griff sich im Südosten befindet delt es sich um einen Teil des abgegangenen Weilers (s. Zeichnung). Durch den von Südost nach Nordwest Scblechtenfurt, der schon vor 1300 verschwunden sein verlaufenden Wertenbach wird sie in zwei nahezu muß. Die Lagerbücher des 16. Jahrhunderts lassen hier keinen Zweifel, daß unter Schlechtenfurt eine besondere gleichgroße Hälften geteilt. In reichem Maße wechseln 6 freisichtige Höhen, glatte Ebenen und mannigfach ge- Markung zu verstehen ist . Übrig geblieben ist von dem formte Erhebungen, so daß ein schmaler Ausschnitt aus Weiler nur die vor kurzer Zeit abgegangene Ostdorfer der Stufenlandschaft des Schwarzen und Braunen Jura Obere Mühle, wo eine Kläranlage hinkam. Die Nachbar- gebildet wird, der im Osten am Absturz des Hundsrück gemeinden Ostdorf und Engstlatt teilten, nachdem die und Geißbergs mit einem Waldgebiet in 760 m Höhe be- Bewohner die Siedlung verlassen hatten, den Zubehör ginnt und den tiefsten Punkt mit 476 m an der Werten- des Weilers auf. 1314 verkaufte Schenk Walter von Zell (= Andeck) die Mühle um 62 Pfd. an das Kloster Kirch- bachmündung in die Eyach erreicht, also fast 300 m Hö- 7 henunterschied hat. berg , das sie 1508 an die Baiinger Geistliche Verwal- tung abtrat. Viele Flurnamen lassen darauf schließen, daß große Teile der Markung einst Weide und Wald waren. Am auffal- In Engstlatt wird noch 1690 ein „Schlechtenfurter lend aufragenden Netzenberg (Name von etzen = wei- Mühlweg" und 1733 eine Wiese „bey schlechtenfurter den) findet sich am Nordhang die „Hubhalde" (Hub zu wuhr" genannt. Bis vor 90 Jahren führte hier keine hauen), am Südhang die „Hard" (= Weidewald). Nach Brücke über die Eyach, sondern nur eine Furt, bei der Norden folgen „Rauhe Äcker", „Ganze Häsel", „After- auf den harten Rätsandsteinen an der seichten, ebenen greutle" (Greute = das Gerodete), „Am Hägele", alles Stelle (schlecht bedeutet hier = eben, wie „Schlichte = Namen, die auf Weide und Wald, mindestens Buschwald Ebene) durchwatet und durchfahren werden konnte. hinweisen. Am Talbach (Unterlauf des Wertenbachs so Weitere Wüstungen, Rohr und Hofen, sind am Ostrand genannt) befindet sich das „Zwerenhölzle" (Name von der Engstiatter Markung. Am äußersten Südostzipfel überzwerch). Die Namen „Talgreutle" und „Blumenwie- finden sich noch heute die Flurnamen „Burgstall" und se" hinter dem alten Friedhof deuten auf Gerodetes und „Schlößlewald". Auf Bisinger Boden wird 1303 die Burg auf eingehegten Weidewald. In „Eselsloch" (Mühle in Rohr erwähnt, die aber schon 1342 ein Burgstall war, der Nähe), „Ohmesloch" (1534: Ameysloch") „Hunds- denn es heißt 1342 Cun der Truchseß von Urach zu loch" und in der Nähe „Hürsten" (Buschwald), „Hinter Ringingen (Erben der Walger) verkauft um 500 Pfd. hlr. Lauen" (1534: „hinter der lohen") steckt loh = Wald. (Heller) „Ror daz burgstal und Bisingin daz Dorfe", Das „Hölzle" beim „Optenbühl" (= ob dem Bühl) war Gut und Leute mit allem Zubehör zu Steinhofen, zu ein kleiner Nutzungswald. Grosselfingen oder anderswo, mit allen Rechten, die Rit- Wir sehen, die heutige Markung muß einst von einem ter Walger selig, seiner Schwester Mann, daran hatte, an 8 Waldgürtel begrenzt gewesen sein, der vom heutigen zu- den Grafen Ostertag von Zollern . sammenhängenden Waldgebiet niedersteigend den Süd- Als erstes Mitglied des Geschlechts der Walger findet rand der Markung umfaßte, durch das ganze Eyachtal sich „Badalbertus dapifer", der 1228 den Kirchensatz zu 9 ging und im Norden bis an den Klingenbach reichte. Thanheim an den Deutschorden verkauft . Das Gut Nur in der Zeig „Riedhalde" findet sich kein Waldna- Rohr verkaufte Friedrich von Zollern 1442 an das Klo- 10 me. ster Alpirsbach um 122 Pfd. hlr. . Dieser Kauf muß

12 orgen auftritt12. Eine Mühle wird hier schon 1263 er- wähnt. Vom Geschlecht der Walger von Bisingen wurde sie dem Kloster Kirchberg geschenkt13. Nachdem der Weiler, der auch eine Kapelle hatte, wahr- scheinlich durch eine Pestseuche entvölkert war, wurde seine Gemarkung mit denen der umliegenden Gemeinden verbunden, wobei Ostdorf den größten Teil bekam. Die Felder auf der Hochfläche rechts der Eyach unter den Namen „Oberanhausen" und „Rieten" fielen an Grossel- fingen und Steinhofen. „Oberanhausen" hatte etwa 108 Jauchert und gab noch im 16. Jahrhundert Fruchtzehn- ten an Engstlatt14. Die Gewanne „Aftertal" und „La- chen" fielen an Engstlatt. Nach einer Sage soll ein Fräu- lein von Anhausen die Engstiatter um freies Begräbnis gebeten haben. Sie hätten es aber verweigert, während die Ostdorfer einwilligten und dafür den Wald, also den größten Teil, geschenkt bekommen hätten 15.

Ziehen wir nun von der seit 1498 im heutigen Umfang bezeugten Engstiatter Markung die Ländereien ab, die erst nach 1300 infolge Abgangs der benachbarten Sied- lungen hinzugekommen sind, dann bleibt nur ein kleiner Bezirk übrig. Das hochmittelalterliche Engstlatt kann so nach dem zugehörigen Ackerland nicht viel größer als ein kleiner Weiler gewesen sein, der sich nur dadurch aber rückgängig gemacht worden sein, denn 1509 ist von den abgegangenen Siedlungen am heutigen Mar- Rohr wieder im Besitz der Zollern. Zur Burg gehörte kungsrand unterschieden hat, daß er zu Füßen der seit auch das Gut, das 1416 von Friedrich von Zollern um 1275 erwähnten Pfarrkirche St. Peter lag, die ringsum von einer festen Mauer umgeben war, die Schutz gebo- 120 Pfd. hlr. an den Baiinger Vogt Heinrich Sätzli ver- ten und die Siedlungskonzentration an dieser Stelle be- kauft wurde. günstigt hat. Hier entstand auch der erstmals 1390 ge- Eine Sage verbindet Rohr mit der Kirche in Engstlatt, so nannte Selhof des 1095 gegründeten Klosters Alpirsbach, daß angenommen werden darf, daß Rohr nach Engstlatt der wohl ein ehemaliger Maierhof war, und andere Le- 16 eingepfarrt war. Teile des Baufeldes sind wahrscheinlich henhöfe . Der Selhof war schon damals geteilt, war im 15. Jahrhundert der Markung Engstlatt einverleibt aber der bedeutendste Hof des Dorfes. Er könnte ur- worden u. sprünglich vielleicht zollerischer Besitz gewesen sein, der schon sehr früh an das Kloster Alpirsbach kam. Zwei Kilometer östlich von der Ortschaft Engstlatt an der Markungsgrenze gegen Bisingen wird 1496 und 1560 die Flur Hofen erwähnt, die sich teilweise mit dem Bi- 1 Mon. Zollerana (MZ) VIII Nr. 5. singer „Oschle" deckt. In derselben Gegend wird 1402 2 WUB 7, 225. (im Baiinger Vertragsbuch) „Fischers briehl" genannt. In 3 Lagerbuch der Kellerei Balingen 1560 fol. 334. den Trägerzetteln von 1825 heißt es: „Vor stockach, so 4 Bickelsperger Lagerbuch 51-79, 129-131. sich vor alters an des Fischers briegel geschrieben". Mit 5 Mhd. „wret" = erhöhtes, wasserfreies Land zwischen Sümp- dem eigentlichen Engstiatter Brühl nördlich des Ortes fen, auch „Word" geschrieben. hat dieser Brühl nichts zu tun. Es muß eine zugehörige 6 HStArch. Stuttgart B 462 U v. 1321 und 1324. Siedlung angenommen werden. In der Nähe findet sich 7 MZ 8 Nr. 65. auch der Flurname „Grafenhalde" (1775: „Äcker zu ho- 8 MZ I Nr. 294. 9 fen oder zu Grafenhalde"), der vielleicht auf ursprüng- WUB III Nr. 739. 10 FHDA Sigm. R 75 K 10 F 30 Nr. 10. lich zollerischen Besitz hinweist. Heute ist dort der 11 Name „Bisinger Oschle" üblich, der sich teilweise mit Heimatbuch Bisingen S. 62 ff. 12 Zeitschrift Geschichte des Oberrheins 9, 219. „zu hofen" deckt. Es besteht auch eine Sage von drei 13 Siehe Nr. 6. Halden: Grafen-, Sohn- und Mayerhalde. Die Engstlat- 14 Pfeffersche Erneuerung von 1590 FHDA Sigm. ter Zelgeneinteilung gibt zwar keinen Hinweis auf das 15 Kellerei Lagerbuch Balingen von 1496 und 1560. Wirtschaftsleben dieser Siedlung, doch „Brühl" (= gutes 16 Der Selhof umfaßte 1460 170 Jauchert Äcker und 38 Wiesenland) ist nachweislich in Händen von Orts- und Mannsmahd Wiesen. Grundherren. Über Alter und Dauer von Hofen können bei dem Mangel an urkundlichen Überlieferungen keine weiteren Angaben gemacht werden.

Auch im Norden wurde die Engstiatter Markung ver- größert. 1690 befanden sich über dem Klingenbach ne- Desiderius Lenz ben den Gewannen „Rauhe Äcker" oder „Millstaig" (Mühlsteige) die Allmenden „Aftertal" (= Tal hinten in Ausstellung in Haigerloch der Markung), „Lachen ob Anhauser Tal" und „Fauden- ländlein", die einst zum Zwing und Bann Anhausen ge- Zum Gedächtnis des 50. Todestages von P. Desiderius hörten. Der Weiler Anhausen ist um 1400 abgegangen. Lenz, des Begründers der Beuroner Kunst, findet in seiner Heute ist nur noch der Flurname „Anhauser Berg" vor- Heimatstadt Haigerloch eine Ausstellung statt (30. April handen. Anhausen ist erstmals 1095 erwähnt, als Mane- bis 11. Juni im Bürgerhaus). Wir werden in der nächsten gold de Ahusen bei einer Schenkung des Klosters St. Ge- Nummer Werk und Persönlichkeit von Lenz vorstellen.

13 MANFRED HERMANN

Zur Sebastianskapelle in Gammertingen^Feldhausen

In dem einst reichsritterlichen Herrschaftsgebiet Gam- Hettingen in einem Faszikel alter Urkunden 5. Aus ih- mertingen-Hettingen, das 1524 bis 1827 den Freiherrn nen geht hervor, daß die Kapelle nicht - wie 1973 an- Speth von Zwiefalten mit ursprünglichem Sitz in Het- genommen c - als eine direkte Stiftung der Freifrau lingen gehörte, entstanden ab 1582 in relativ dichter Dorothea Speth von Zwiefalten zu Hettingen, sondern Reihenfolge an vier Orten neben den Pfarrkirchen an- 1590/91 als Werk der Feld- und Harthauser Bürger ent- sehnliche Kapellen, die wie Schwestern wirken. 1582/83 standen ist. Beide Schultheiße Hans Andris von Feldhau- wurde in Hettingen die einst vor dem südlichen Stadttor sen und Hans Guldin (Guide) von Harthausen nahmen gelegene Marienkapelle mit kleinem Friedhof errichtet, zusammen mit dem Feldhauser Heiligenpfleger Hans Fe- 1590/91 in Feldhausen am östlichen Ortsrand die Seba- ger die Finanzierung der „Aufferpawung der Capellen stianskapelle mit Friedhof, 1591 in Neufra die Mutter- vnd des Gotts Ackhers" in die Hand. Sie sammelten in gottes-Kapelle mit Friedhof im Ebinger Tal und um Feldhausen 331 fl (Gulden) 3 kr (Kreuzer) und in Hart- 1595 der Neubau der sehr alten Michaelskapelle in hausen 156 fl 1 bz (Batzen), zusammen also 487 fl 7kr; Gammertingen am Nordostrand der Altstadt bei der eine Summe, die Bau- und Einweihungskosten von Ka- Wassermühle, einst neben einem alten Herrenhof pelle und Friedhof gerade deckte. Als Vorbild nahm

Die 1590/91 erbaute Sebastianskapelle in Feldhausen Foto: Locher

In allen vier Fällen ist eine starke Förderung der Neu- man, wie aus der Rechnung hervorgeht, als man Zehrko- bauten durch die damaligen Ortsherren zu vermuten; in sten anläßlich einer Besichtigung ansetzen mußte, Kapel- Neufra sind der Kauf des Grundstückes durch Freifrau le und Friedhof von Grüningen bei Riedlingen. Dorothea Speth von Zwiefalten, die Ehefrau des am Warum dachte man an die Errichtung von beiden, nach- 18. Nov. 1582 gestorbenen Philipp Dietrich Speth2, im dem doch um die Pfarrkirche ein Kirchhof zur Verfü- Jahr 1589 und der Bau durch deren Tochter Margare- gung stand? Offensichtlich war dieser zu eng geworden tha, verheiratet mit Hans Philipp Schad von Mittel-Bi- und bot nicht mehr Platz für alle Toten beider Gemein- berach zu Warthausen, im Jahr 1591 ausdrücklich be- den. Fortan unterschied das Feldhauser Totenbuch stets zeugt 8. Auch in Hettingen dürfte die dortige Kapelle zwischen dem „inneren" und „äußeren" Friedhof. Dem ziemlich klar auf die damals recht fromme Ortsherrin Besitzer des Kapellenstandortes, Sebastian Mayer, zahlte zurückgehen. man 1590 die ansehnliche Summe von 40 fl. Über die Entstehung der Sebastianskapelle in Feldhausen Die einzelnen Posten der Kapellen-Baurechnung aufzu- bestanden bisher nur Vermutungen 4. Überraschend fan- führen, hat wenig Sinn, da grundsätzlich keine Hand- den sich erst kürzlich die Baurechnungen im Pfarrarchiv werker- oder Künstler-Namen genannt werden. Die

14 gegossene Glocke vorhanden; sie ist 34 cm hoch und be- sitzt einen unteren Durchmesser von 40 cm. Sie trägt die Schulter-Inschrift: „O REX GLORIAE CHRISTE VENI NOBIS CVM PACE ANNO DOMINI 1592" (O König der Herrlichkeit, Christus; komm für uns mit Frieden - im Jahr des Herrn 1592). Leider wird kein Glockengießer-Name genannt, genausowenig wie auf der nicht mehr vorhandenen Glocke von 1596 der Gammer- tinger Michaelis-Kapelle zu lesen war 7a. Eine im Staats-Archiv Sigmaringen aufbewahrte Urkun- de 8, ausgestellt am 12. Mai 1592 durch „Schulthais Haimbürgen vnd gantze Gmaindten beeder Fleckhen Veldt- vnd Harthausen vff der Alb", berichtet uns über die Bemühungen der Ortsherrschaft, den von den Unter- tanen errichteten Bau bzw. dessen Unterhalt zu sichern. Auf sie näher einzugehen, erübrigt sich, da sie 1973 aus- führlich zitiert wurde. In der Zwischenzeit fand sich auch noch ein weiterer Beleg für die starke Förderung der Sebastiansverehrung, die bei der Ortsherrin Doro- thea Speth und ihren Kindern anzutreffen war. Im sel- ben Aktenfaszikel mit den Baurechnungen der Feldhau- ser Friedhofs-Kapelle befindet sich im Pfarrarchiv in Hettingen eine Abschrift der Statuten der Sebastians- Bruderschaft in Uttenweiler am Bussen von 1589. Offen- sichtlich planten Frau Dorothea und der damalige Het- tinger Pfarrer, Mag. Justinian Schleh 9, die Einführung einer solchen am Ort und möglicherweise auch in den übrigen Gemeinden der Herrschaft.

Zur Geschichte der Kapelle gehört auch noch ein Wort zur Ausstattung. Von den ursprünglichen Altären ist ]. Schiander: Hl. Wandel, 1723. Foto: Hermann nichts mehr erhalten geblieben. Restaurator Ernst Lorch fand bei der jüngsten Erneuerung im Spätherbst 1977 hinter einem Seitenaltar Spuren einer Baldachin-Bema- Aufwendungen für Ziegler und Maurer samt Zehrgelder lung, die darauf schließen läßt, daß die ersten Neben- anläßlich von Grundsteinlegung und Abrechnungen be- altäre einfach auf die Wand in Fresco-Technik aufgetra- liefen sich immerhin auf 307 fl 12 bz. Die Zimmerleute gen waren. erhielten 43 fl 8 bz, für Bretter und Schindeln zahlte Im Jahr 1723 kamen die jetzigen Seitenaltäre in die Ka- man 23 fl 10 bz 5 kr. Für den Altarstein und den Stein pelle. Sie zeigen einen schlichten Aufbau mit einem Säu- zum Sa&amentshäuslein - der Hochaltar hatte damals lenpaar im Haupt- und Oberteil mit schön geschnittenen noch keinen Tabernakel - gab man 5 fl 2 bz 5 kr. Der Kapitellen, darüber unterbrochene Segmentgiebel. Sicher Maler bekam für die heute noch teilweise erhaltenen stammen sie vom selben Schreiner, der auch den Altar Apostelkreuze (fünf von zwölf) den Betrag von 2 fl von 1722 in die Bronner Kapelle gemacht hat10. Von 13 bz 1 kr. Alle Ausgaben zusammen beliefen sich auf den ursprünglichen Gemälden sind nur noch jene des lin- 487 fl 7 kr, die auch in der Einnahme verzeichnet sind. ken Nebenaltars erhalten. Auf dem Hauptblatt sehen Beträge für die künstlerische Ausstattung der Kapelle wir genau das gleiche Motiv wie auf dem auf Holz ge- wurden dagegen nicht angeführt. Vielleicht deckte man malten Bild über der Kanzel, das vom selben Meister eine solche durch besondere Stiftungen. gleichzeitig angefertigt wurde: Maria und Josef, in deren Mitte den Jesusknaben, den sog. „hl. Wandel", damals In seiner schlichten Ausführung erinnert der Bau an die ein beliebtes Wallfahrts-Thema. Zu Füßen der Hl. Fami- 1595 wiedererstandene Gammertinger Michaelskapelle, lie sind die Stifter des Gemäldes dargestellt: Joseph Lei- an der wohl die gleichen Handwerker wie in Feldhausen pert in braunem, mit Silberknöpfen besetztem Rock, beschäftigt waren. Sehr viel reicher ist dagegen die schwarzem Halstuch, ockergelber Bundhose und mit gleichzeitig erbaute und wohl von dem Biberacher Bau- weißen Strümpfen. Links von ihm seine erste Frau Anna meister Hans Kutzberger ausgeführte Neufraer Mutter- Joachim, durch ein Kreuzchen über dem Kopf als tot gotteskapelle gegliedertImmerhin finden sich in Feld- bezeichnet; daneben die zweite Gattin Maria Magdalena hausen neben dem Eingang und auf der Südseite drei Hannerin in schwarzem Rock, blauem Schurz, brauner dort so charakteristische Nischen mit sogenannten Esels- Jacke und schwarzem Halstuch, den Kopf mit einer rücken-Bögen. Über dem Giebel sitzt wie bei den übri- schwarzen Rundhaube mit seitlichen Bändern bedeckt. gen Kapellen ein achteckiger Dachreiter mit welscher Unter dem Stifter die Jahreszahl „1723" und rechts un- Haube. Merkwürdigerweise schließt in Feldhausen der ten die Signatur: „Johannes Schiander pinx. ex Troch- Chor, der in der gleichen Breite wie das Langhaus mit telfingen 1723". seinen beiden Fensterachsen angelegt ist, nicht in drei Seiten des Achtecks; die vordere Wand hinter dem Mit diesem Bild haben wir endlich ein sicher belegtes Hochaltar ist nochmals, aber ungleichseitig gebrochen. Werk des Trochtelfinger Malersnachdem der Verfas- Im Innern werden Chor und Langhaus durch einen ein- ser das Ölberg-Gemälde in der Pfarrkirche Kettenacker gestellten, oben runden Chorbogen voneinander ge- (um 1720) und das Rundbild am Antependium des Bron- trennt. Leider ist auf der Nordseite des Chores das ehem. ner Altars (um 1719) mit der „Flucht nach Ägypten" Sakramentshaus bzw. dessen Nische nicht mehr erhalten. ihm nur zuschreiben konnte. Ein Vergleich zeigt jedoch Von der Ausstattung der Kapelle ist nur noch die 1592 ein und denselben Pinsel, dieselbe lebhafte Farbigkeit

15 und dieselbe Handschrift. Auch das Oberbild mit der 1 Vgl. Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns - Bd. II: Kreis Darstellung des über der Weltkugel schwebenden Gott Sigmaringen, bearb. v. F. Hossfeld, Hans Vogel u. Walther Genzmer, Stuttgart 1948. Vaters in Halbfigur, darunter die Hl. Geist-Taube, beide 2 in Verbindung mit dem Gottessohn auf dem Hauptblatt Sein Grabmal in der Hettinger Pfarrkirche. Wie Anm. 1, Abb. 157 u. 258. zu sehen, sprechen dieselbe Sprache. Übrigens sind auf 3 Vgl. Die Stiftungs-Inschrift über dem Seiteneingang der dem Bild über der Kanzel beide Themen in eins zusam- Kapelle. mengefaßt. Als Stifter sind dort „Joseph Eiselle Vatter", 4 M. Hermann, Zur Geschichte der Sebastianskapelle in Feld- darunter die beiden Söhne Joseph und Caspar, und Ma- hausen, HH 1973, 55-56. ria Schradin (oder Schrodin) „Muetter" mit den Töch- 5 Für die freundl. Bereitstellung der Urkunden danke ich tern Maria Rosa und Catharina in der nämlichen Tracht meinem Mitbruder Pfr. G. Scharm herzlich. abgebildet. Alle drei Gemälde zeugen von keinem Gele- 6 Wie Anm. 4. 7 genheits-Maler, vielmehr von einem Mann, der seine W. Genzmer, Die denkmalpflegerische Instandsetzung der Kunst durchaus verstand und der Bildqualität nach sei- Muttergotteskapelle in Neufra. Deutsche Kunst und Denk- nem Nachfolger Johann Baptist Bommer12 deutlich malpflege 23 (1965), 45-50 m. 6 Abb. 7a Deutscher Glockenatlas Württemberg-Hohenzollern, be- überlegen war. arb. v. Sigrid Thurm, München/Berlin 1959, Glocke Leider sind die Ölbilder des Altars auf der Gegenseite Nr. 1515 S 522. um 1910 durch allerdings ansprechende Arbeiten ersetzt 8 Ho 173. worden, wohl Gemälde des Gruoler August Pfister 9 Joh. Adam Kraus, Die Hettinger Seelsorger. HH 17 (1877-1931), die weder Signatur noch Datum tragen. (1967), 19 f. 10 Das Hauptblatt zeigt Christus als Erlöser der Armen Das von Frz. J. Spiegier signierte Gemälde mit der „Ver- Seelen im Fegfeuer, das Oberbild den Schmerzensmann mählung Mariens" ist mit 1722 datiert. 11 in Dreiviertelfigur. - Bei der letzten Restaurierung er- H. Hermann, Zum Barockmaler Johann Schiander in Trochtelfingen, HH 1975, S. 12 ff. hielten die Seitenaltäre wieder ihre alte in kräftigem 12 H. Hermann, Johann Baptist Bommer (1705-78), Barock- Braunrot und Blau gehaltene Marmorierung. maler in Trochtelfingen, HH 1976, 26 f. (Fortsetzung folgt)

REGISTER 1977 Seite Ilmensee, zum Kreis Sigmaringen 31 Jungingen, Annakapelle 60 Affelstetten a. d. Lauchert 61 Kettenacker, Seelsorger 43 Als noch das Holz im Ofen krachte 47 Kirchberg, ehemaliges Kloster 58 Auswandererschicksal (Grüningen b. Riedlingen) 30 Maier Nikolaus, Geistl. Rat (Nachruf) 14 Au, Franz Anton v. Au, Maler 18 Mercy Wilhelm, Pfarrer in Gruol 42 Au, Meinrad v. Au, Entwurfszeichnung für die Owingen, Seelsorger 55 Kirche von Bittelschieß 20 Pfullendorf, Gremiichhaus 23 Bohnerzgewinnung auf der Alb 29 Rangendingen, Kloster und Klosterkirche 7 Boll, Pfarrliste (Berichtigung) 29 Regierungspräsidenten (preußische) in Hohen- Burgstellen und Adel in Hohenzollern (Nachträge) 45 zollern 9 Burladingen, Thurn und Taxis'sche Postablage 27 Sigmaringen, Hl. Fidelis (Buchbesprechung) 16 Dent, Franz Ferdinand, Anbetung der Hirten, Sigmaringen, im Mittelalter 50 Melchingen (Abbildung) 49 Sigmaringen 1077, Erstnennung 33 Erntedank-Brauchtum 39 Sigmaringen 900 Jahre 36 Fränkische Zeit, von unseren Dörfern am Albrand 2 Spiegier, Franz Joseph, Altarbild in Feldhausen Frick, Geschichte einer Nonne 15 (Abbildung) 1 Grosselfingen, Urkunde zum Narrengericht 13 Stauferausstellung und Hohenzollern 22 Groß-Schwaben, Gedicht von Chr. Daikeler 64 Tübingen, Studenten aus Hechingen und Haigerloch 21 Haigerloch. Landkapitel, Einzugsliste des gemeinen Veringen das Dorf, Heimatbuch (Besprechung) 36 Pfennigs von 1497 53 Wanderpaß für Schuhmachergesellen Haigerloch, Pfarrei und mittelalterliche Stadt 36 (Rangendingen) 62 Heiligenzimmern, Ortsnamen 26 Weckenmann, Bildhauer und Ochsenwirt in Hohenzollern, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Haigerloch 59 Sozialstruktur im 19. Jahrhundert (Besprechung) 46 Zimmern bei Hechingen, Seelsorger 28

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Nummer: Redaktionsausschu ß: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. P. Maurus Pfaff OSB, Walther Frick, Journalist, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- Benediktiner-Kloster Beuron Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: (Tel. 07571/8341) Prof. Dr. Karl S. Bader, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Manfred Hermann, Pfarrer, Cäcilienstr. 5, CH-8032 Zürich 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. 7451 Neufra/Hohenz. Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Joh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R., (Tel. 07574/442) ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie Badstr. 8, 7800 Freiburg/Br. Die mit Namen versehenen Artikel geben will besonders die Bevölkerung in Hohen- Fritz Scheerer, Rektor i. R., die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der zollern und der angrenzenden Landesteile Am Heuberg 42, 7460 Balingen Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der mit der Geschicte ihrer Heimat vertraut Manfred Hermann, Pfarrer, Schriftleitung sind als solche gekenn- machen. Sie bringt neben fachhistorischen 7451 Neufra/Hz. zeichnet. auch populär gehaltene Beiträge. Gerd Schollian, Hechingen-Stein Manuskripte und Besprechungsexemplare Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich. werden an die Adresse des Schriftleiters Konten der „Hohenzollerischen Heimat": Schriftleitung: oder Redaktionsausschusses erbeten. 802 507 Hohz. Landesbank Sigmaringen Dr. med. Herbert Burkarth, Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol- 123 63 Postscheckamt Stuttgart 7487 Gammertingen (Telefon 07574/3: lerische Heimat" weiter zu empfehlen.

16 W 3828 F HÖH EN ZOLLERISCHE Herauegegeben oom Hohenzollcriedicn Gcechichteocrcin HEIMAT 28. Jahrgang Nr. s/Juni 1978

St. Mauruskapelle bei Beuron

Ein Hauptwerk der Beuroner Kunst, erbaut 1868-1870. Sie vereinigt Architektur, Malerei und Plastik von Desiderius Lenz. Unser Foto wurde 1889 von Baurat E. Eulenstein aus Sigmaringen aufgenommen. Die Kapelle war damals ein beliebtes Ausflugsziel der Sigmaringer. Die Eisengitter wurden vom Bruder Pförtner persönlich aufgeschlossen, der sich hier stolz dem Fotografen stellt. P. MAURUS PFAFF

Pater Desiderius Lenz. Gedenkwort zum fünfzigsten Todestag 25. Januar 1928

Als Peter Lenz im Jahre 1864/65 in sein Notizbuch geistlicher Verwandter war Pfarrer Johann Baptist schrieb, in ein Kunstwerk soll man sich eher hineinden- Lenz, der 1841 in Mingolsheim (Baden) starb. Der in ken als nur hineinfühlen können und Kunst sei überdies München lebende Maler und Musiker Bruno Lenz ist ein abstrakt, mußte eine solche Einstellung der zeitgenössi- naher Verwandter. Eine Charakteristik über diesen aus schen Kunstübung gegenüber als revolutionär erscheinen. Baden stammenden Künstler ist überaus bezeichnend: Es bedurfte noch dreier Jahrzehnte, bis die Befürworter „Ein untrügliches Gefühl für Maß und Angemessenheit der abstrakten Kunstrichtungen sich Geltung verschaffen kennzeichnet das Schaffen von Bruno Lenz. Nur am konnten. Peter Lenz hat noch vor seinem Eintritt in das Rande sei hier vermerkt, daß er mit dem Schöpfer der neuerstandene Benediktinerkloster im oberen Donautal hierarchisch (hieratisch) streng-klassizistischen Beuroner mit dem Bau der Maurus-Kapelle unweit von Beuron Kunst, Pater Desiderius Lenz, nahe verwandt ist. Der sein persönliches Programm vorgezeichnet und in einer Sinn für Maß erlaubt ihm den freien Ausgriff im thema- durchaus einmaligen Vollendung vorgestellt. Alles was tischen wie im formalen Bereich, an Grenzen zu treten, nach 1872 im Rahmen der im Entstehen begriffenen ohne sie zu übertreten" (J. Reisner). Beuroner Kunstschule noch geschaffen wurde, hat niemals A. Pöllmann hat den Stammbaum der Lenz-Sippe in mehr die Bedeutung dieses Erstlingswerkes erreicht. Es Haigerloch verfolgt: „In jeder Familie ist alle Geschich- war dem Meister auch nie mehr eine so einmalige Gele- te nur die Vorbereitung auf einen Einzelnen, und selt- genheit geboten worden, wie sie in dem Auftrag für den sam: wie die Sonne bei ihrem Untergang noch einmal Bau der Maurus-Kapelle vorlag. 50 Jahre waren der alle ihre Lichtmöglichkeiten zusammenfaßt. . ., so faßt Beuroner Kunstschule vergönnt, bis ihre zahlreichen Kar- die Metzgerdynastie Lenz in ihrem größten Vertreter tons im Altpapierkeller der Erzabtei verschwanden. Die just zur Zeit ihres Absterbens noch einmal alle ihre Zeit war über diese kirchliche Kunst hinweggegangen. zweijahrhundertalte Kraft zusammen, so zwar, daß ihre Das neuerwachte historische Interesse im Bereich der ganze Geschichte sich nur als eine Vorbereitung auf die- Kunstgeschichte an den Schöpfungen des 19. Jahrhun- sen Einzigen erweist; architektonisches Gefühl, tiefreli- derts hat auch die Beuroner religiöse Kunst, vor allem giöser Sinn, unbändige Lebenskraft, geschichtliches Be- das Werk des P. Desiderius Lenz, wieder in den Bereich wußtsein und unerbittliche Folgerichtigkeit sind die ernsthafter Betrachtung einbezogen. Es ist deshalb auch Grundpfeiler der Desiderianischen Kunst, deren Basis eine gerechte Verpflichtung, des Werkes des Meisters von vor mehr als zweieinhalb Jahrhunderten am Anfang der Beuron zu gedenken und damit auch eine Würdigung Geschichte dieser Metzgerdynastie deutlich erkennbar und Anerkennung zu verbinden. Die kunstgeschichtliche ist. (Ein familiärer Wandertrieb) muß neben dem uralt- Forschung hat in der Gegenwart mit Recht festgestellt, konservativen Zug in der Anlage des P. Desiderius mit- daß das 19. Jahrhundert aus verschiedenen Gründen her- gewertet werden: das rücksichtslos Revolutionäre, das aus keinen einheitlichen Stil besaß und daß trotzdem die die spießbürgerlichen Schranken durchbricht, wo klare Leistung dieses so fehlbeurteilten Jahrhunderts tatsäch- Erkenntnis es erfordert. Man weiß nicht, was man an lich nicht gering ist. Daß moderne Bewegungen wie diesem eigenartigen Mann mehr bewundern soll, seinen Wandervogel und auch ein Teil der sogenannten Jugend- tiefeingewurzelten Familienhang oder seine weltvergesse- bewegung sich antibourgeois gebärdeten und dem 19. ne Unbekümmertheit, die alle Bande hinter sich läßt, wo Jahrhundert nur Stillosigkeit im abwertenden Sinn vor- ein religiöser oder künstlerischer Beruf das erfor- warfen, kann heute nicht mehr abgenommen werden. dert ... P. Desiderius Lenz ist Sinn und Frucht einer Peter Lenz wurde am 12. März 1832 in Haigerloch ge- langen Familienüberlieferung" (in: Benediktinische Mo- boren. Das romantisch gelegene Städtchen an der Eyach natsschrift 1, 1919, 422/23). kann sich rühmen, drei Kirchen von künstlerischem Rang zu besitzen. Im Schatten dieser Bauwerke ist der Peter Lenz erlernte bei seinem Vater das Schreinerhand- junge Peter Lenz aufgewachsen. Seine Heimatstadt bot werk. Baurat Zobel in Haigerloch erteilte ihm den ersten für ihn ein von der Kunst und Schönheit der Landschaft Unterricht im Architekturzeichnen. Nach dem Tod des geprägtes Milieu, in dem die Lenz-Dynastie seit 250 Jah- Vaters Christian Lenz (1849) wollte der junge Schreiner- ren als Metzger und Wirte herrschte. Im 18. Jahrhundert geselle nach München übersiedeln. Das war für die Mut- war der Seidenhändler Josef Lechleitner aus Ischgl im ter bei den doch kleinen Familienverhältnissen keine Paznaunertal (Nordtirol) eingewandert. Er heiratete leichte Entscheidung. Peter besuchte in München zu- 1739 die Elisabeth Marmon. Thomas Josef Anton Lech- nächst einmal die Modellierschule am Polytechnikum. leitner war der älteste Sohn dieser Familie und später Einige Zeit später gelang ihm ohne Immatrikulation der Chorherr im Augustiner-Chorherrenstift Beuron. Er Einstieg in die Bildhauerklasse der Akademie. Am 9. starb 1797 in Beuron im Ruf der Heiligkeit. Die Groß- November 1852 jedoch konnte er die notwendige Imma- nichte des Chorherrn Lechleitner war Magdalena Lech- trikulation nachholen und damit vollgültiger Schüler der leitner, die sich 1828 mit dem Haigerlocher Schreiner Akademie der bildenden Künste in München werden. Christian Lenz (f 1849) vermählte. Unter den sieben Sein erster und wichtigster Lehrer war Prf. Max Widn- Kindern war Peter das dritte. Drei Kinder starben nach mann (1812-1895), der seit 1848 die Professur von der Geburt. Die Schwestern Valentine und Katharina Ludwig Schwanthaler (1802-1848) innehatte. Prof. sind älter als Peter. Der jüngste Bruder, der neben sei- Widnmanns Einfluß auf Peter Lenz bestand vor allem in nem handwerklichen Beruf auch gerne auf der Violine der Anleitung zum Studium der Antike, aber auch in der spielte, Martin Lenz, starb 1918. Er hatte Peter im Som- Einführung zu kunstgewerblichem Arbeiten. Mit der mer 1872 von Haigerloch nach Beuron begleitet. Ein Skulptur des „Triumphiernden David" - das war das Neffe der Mutter war Pfarrverweser in Trochtelfingen Thema der von der Akademie der bildenden Künste ge- und erreichte nur ein Alter von 34 Jahren. Ein weiterer stellten Preisaufgabe - schloß Peter Lenz 1857 seine Münchener Ausbildung ab. Die von Lenz gestaltete

18 Figur ist noch vom Klassizismus Thorwaldsens dieser Kapelle hat Peter Lenz sein ganzes Kunstpro- (1770-1844) beeinflußt. Lenz erhielt für seine Leistung gramm verwirklicht. 1870 reiste Lenz nach Berlin, um einen Preis. Aufgrund dieser Arbeit hat ihn 1859 Prof. sich weiteren Kunststudien zu widmen. Jakob Wüger August v. Kreling, der Schwiegersohn des Münchener trat sofort in Beuron ein. Lenz meldete sich 1872 wieder Akademiedirektors , an die Kö- und hatte den Wunsch, als Hausoblate an der Ausgestal- nigliche Kunstgewerbeschule in Nürnberg berufen. Prof. tung von Kloster und Kirche mitzuarbeiten. Am 25. v. Kreling war Maler und hatte seit 1. November 1853 April 1876 nahm Abt Maurus Wolter den Kunstoblaten die Leitung des traditionsreichen Nürnberger Instituts Peter Lenz unter die Chorpostulanten auf. Da in Monte übernommen. Peter Lenz sollte die Bildhauerklasse füh- Cassino bereits Vorbereitungen für die Restauration der ren. Zu seinen Schülern gehörten damals schon die späte- Torretta im Gange waren, durfte Fr. Lenz nach dem Sü- ren Freunde Tobias Weiß und Johannes Schwendfür. den reisen und in am 15. August 1877 1857 modellierte Lenz ein Gips-Medaillon, das die Heili- das kanonische Noviziat beginnen. 1878 legte er auf dem ge Familie darstellte. Die Arbeit sollte ein Beitrag zur heiligen Berg seine monastische Profeß ab. 1880 wurde „Ersten Deutschen Kunstausstellung" 1858 in München er nach Emaus/Prag gerufen, um an der Restaurierung sein. 1858 schuf er eine Pietä, die sich noch deutlich an der Abteikirche mitzuwirken. 1891 kam an Fr. Desi- spätgotische Vorbilder anlehnt. Die Nürnberger Lehrtä- tigkeit entsprach offenbar nicht ganz seinen Neigungen. Es gab Schwierigkeiten mit dem Direktor des Instituts. Aber eine mehr zufällige Begegnung mit Prof. Peter v. Cornelius (1783-1867) löste alle Probleme. Am 10. Ja- nuar 1862 erhielt Peter Lenz durch Vermittlung des an- gesehenen Professors ein Schreiben mit der Aufforde- rung, eine Eingabe um Unterstützung zu machen. Das Stipendium wurde gewährt und Lenz konnte Ende De- zember 1862 in Begleitung von Jakob Wüger nach Itali- en reisen. Während des Aufenthalts in Rom lernten die beiden Freunde auch die aus Bruchsal in Baden stam- mende Historienmalerin Amalie Friedericke Bensinger (1808-1889) kennen. Dabei tauchte zum erstenmal der Gedanke auf, ein Künstlerkloster einzurichten. Durch Vermittlung des Bildhauers Hermann Schubert (1831-1917) hatte Lenz in Rom auch Zugang zur Bi- bliothek der preußischen Gesandtschaft erlangen kön nen. Dort befand sich nämlich das gerade erschienene 12bändige Werk des Ägyptenforschers R. Lepsius „Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien" (1849-1859). Aus dessen 2. Band fertigte sich Lenz zahlreiche Pausen und war fasziniert über seine Entdeckung. Am Weih- nachtsabend 1864 entwarf Peter Lenz in Rom die Statu- ten für eine klösterliche Künstlergemeinschaft. Eine gro- ße Unruhe war über Lenz gekommen und seine bisherige künstlerische Tätigkeit schien ihm völlig in Frage ge- stellt. Da das Stipendium ohnehin auslief, entschloß er sich im Frühjahr 1865, Rom zu verlassen. Er hatte eine neue Betätigung gefunden in den Marmorsteinbrüchen von Laas im oberen Vintschgau in Tirol. Als Aufseher nahm er dort einen längeren Aufenthalt und vertiefte sich in den Schatz seiner zahlreichen ägyptischen Pausen. Im Winter reiste er gewöhnlich wieder nach Rom. Die Kunstauffassung der Ägypter hatte ihn überwältigt. 1865 entstand in Laas die Zeichnung einer Pietä, die Lenz zeitlebens als die tiefste aller seiner Kompositionen Beuroner Madonna mit Kugel (Foto Beuroner Kunstverlag) betrachtete. 1866 machte Lenz im Hause „Bürgle" auf der Reichenau anläßlich eines Heimatbesuchs die Be- kanntschaft mit dem Büchlein „Choral und Liturgie" derius das Anerbieten, in der Basilika zu Loreto/Italien von P. Benedikt Sauter. Frl. Amalie Bensinger hatte Be- die deutsche Kapelle auszugestalten. Die Oberen mußten ziehungen zur Fürstin Katharina v. Hohenzollern und in diesem Fall ablehnen, da P. Gabriel Wüger kaum zum Prior des neuen Klosters. Sie hatte eine Einladung mehr hätte mitwirken können. Der Auftrag ging deshalb an Peter Lenz vermittelt. Am 25. Januar 1868 stand Pe- an den Spätnazarener Ludwig Seitz in Rom. Am 9. Au- ter Lenz zum erstenmal an der Beuroner Klosterpforte. gust 1891 erhielt Fr. Desiderius zusammen mit anderen Sofort erhielt er den Auftrag zum Bau der Maurus-Ka- Mönchen in Beuron durch Bischof-Koadjutor Wilhelm v. pelle, deren Rohbau im Herbst 1868 bereits fertig war. Reiser aus Rottenburg die Subdiakonatsweihe. Erzabt Zusammen mit Jakob Wüger wurden im Winter in Rom Plazidus Wolter bestimmte 1892, daß Fr. Desiderius zu- die Kartons für die Bemalung entworfen. 1870 stand die künftig als „Pater" angesprochen werden soll. Noch vor Kapelle fertig da. K. Muth hat von ihr gesagt: „Diese der Jahrhundertwende wurde P. Desiderius nach Monte kleine Kapelle ist von so stiller, erhabener Schönheit wie Cassino gerufen, um die Arbeiten an der Krypta zu lei- kein weiteres Werk christlicher Kunst im 19. Jahrhun- ten. 1910 werden die Materialien der Künstler in einem dert, so daß sie als ein Nationalmonument von klassi- Eisenbahn-Waggon nach Beuron überführt. P. Desiderius schem Wert in Ehren gehalten zu werden verdient." In darf 1913 noch einmal auf den heiligen Berg von Cassi- no. Es war das letztemal. 1915 weilt er in St. Gabriel/

19 Prag, wo das Hochaltarbild mit der Marien-Krönung vollendet werden soll. 1917 kehrt er selbst endgültig nach Beuron zurück, immer noch voll Begeisterung für seine Kanon-Idee. An der zeitgenössischen Kunstent- wicklung hat der Meister seit der Jahrhundertwende kei- nen Anteil mehr genommen. P. Willibrord Verkade hat ihm 1918 noch etwas zur Seite gestanden bei der literari- schen Ausarbeitung eines kleinen Kanon-Textes. Im Sommer 1925 ging durch die Presse die Nachricht, der Beuroner Meister sei gestorben. 1926 drehte eine Stutt- garter Filmgesellschaft einen Streifen „Der Meister von Beuron", an dessen Ende der 94jährige Greis im Lehn- stuhl gezeigt wurde. Am 28. Januar 1928 starb infolge einer Lungenentzündung der ehrwürdige Patriarch. Die Beuroner Mönche trugen ihn am 31. Januar in ihre Gruft, wo er ganz nahe bei seinem Urgroßonkel, dem Chorherrn Thomas Lechleitner, von Mühsal seines Künstlerlebens ausruhen darf. Die Kunst des P. Desiderius Lenz ist seine ganz persönli- che Leistung geworden. P. Lenz war ein Meister des Ent- wurfs im kleinen Maßstab. Die von ihm gestalteten Räu- me wurden trotz gewisser Mängel in der Ausführung eine künstlerische Einheit. P. Desiderius hat sein persön- liches Arbeiten als eine Möglichkeit der Überwindung des krassen Naturalismus im 19. Jahrhundert verstanden. Er wollte dem religiösen Element in der Kunst den ge- bührenden Vorrang zuweisen und damit jeder Säkulari- sierung des Religiösen in der Kunst entgegenarbeiten. Lenz wollte das Ewige und Zeitlose zum Ausgangspunkt machen und so auch das Ewige und Zeitlose erfassen. Lenz glaubte, daß diese für ihn wesentlichen Elemente in besonderer Weise vorbildhaft in den Gestaltungstenden- Gnadenkapelle in Beuron 1898/99 zen der ägyptischen, später der griechisch-römischen und (Foto Beuroner Kunstverlag) frühchristlichen Kunstverwirklichung zu finden seien. K. Welt wiederherzustellen, sondern nur zu oft ein Mittel, Muth hat wohl sehr treffend die Leistung des P. Desi- das bloß sinnliche Element ästhetisch zu steigern und zu derius Lenz gewürdigt: „In Beuron ist ein Prophet da- sublimieren. Wie man auch immer die praktischen hingegangen, der Prophet einer Kunst, um die er gerun- Kunstleistungen der Beuroner Schule, deren Gründer P. gen hat und deren Geheimnis zu offenbaren ihm nicht Desiderius Lenz geworden ist, in zukünftigen Zeitaltern gelang, das er vielmehr in die Ewigkeit wieder mit hin- beurteilen wird, dieses eine große und wahrhafte Ver- übergenommen hat, von wo es stammt. Ein rückwärts dienst, den religiösen Grundcharakter aller Kunst, nicht und zugleich vorwärts gewandter Prophet, wie alle Pro- nur der religiösen im stofflichen Sinn wieder dem Be- pheten, ein prophetischer Künstler, in eine Zeit hineinge- wußtsein ihrer Zeit nahe gebracht und mit unbeugsamem boren, die das Wissen um das Wesen der Kunst verloren Wollen vorgebildet zu haben, wird ihr bleiben, man hat, weil ihr das erste und wesentlichste Kunstprinzip, wird daran anknüpfend weiterbauen, wenn auch nicht das Streben nach der Einheit von Sein und Erscheinung, im Stile der Beuroner, so doch in ihrem Geiste, von dem fremd geworden ist, weil sie in der Kunst nicht mehr ein ihr Stil als eine der vielen Ausdrucksmöglichkeiten ange- Mittel sieht, die durch den Bruch der Lebenseinheit zer- sehen werden kann" (in: Hochland 25,2, 1928, störte Harmonie zwischen der geistigen und materiellen 103-105, Zitat S. 103/04).

MANFRED HERMANN

Zur Geschichte der Sebastians^Kapelle in Gammertingen^Feldhausen (II)

Die Stiftung der Nebenaltäre durch Feld- und Harthau- 16 xr. Der damalige Harthauser Schultheiß brachte aus ser Bürger 1723 zeigt, wie sehr die Pfarrangehörigen die Wurmlingen drei Gibsfässer mit, wofür er einen Fuhr- Kapelle am Friedhof, zunächst allein dem hl. Sebastian, lohn von 11 fl bekam. Ansehnliche Beträge gingen an dem Patron für einen guten Tod, dann auch dem barok- den Ziegler von Hettingen (18 fl 46 xr) und wegen Zie- ken Viehheiligen St. Wendelin geweiht, schätzten und gelsteine an das Kloster Mariaberg. Zimmermeister Jo- ihr liebevolle Fürsorge zuwandten. Nach dem Neubau seph Kindler verdiente 14 fl. Der umfangreichste Lohn der Pfarrkirche St. Nikolaus 1738 durch Maurermeister von 127 fl 26 xr stand dem Riedlinger Maurermeister Melchior Schäntzle von Oberstetten und deren Ausstat- Johann Schneider zu, der wohl der bekannten Maurer- tung in den Jahren 1740-45 sollte auch die Kapelle im Familie Schneider in Baach bei Zwiefalten angehörte, die Geist des Rokoko erneuert werden. Die Heiligenpflege- mehrfach Zwiefalter Klosterbaumeister gestellt hat. Ver- Rechnung des Jahres 1750 enthält eine Fülle von An- mutlich ist er jedoch nicht mit Hans Martin Schneider gaben, die auf einen gründlichen Umbau schließen lassen. (1692-1760) identisch, der in der Regel nur als Martin Zunächst erhielt der Glaser für die neuen Fenster 22 fl erscheint.

20 Aufgabe des Riedlinger Maurers war es, im Innern als Dieser Altar ist für eine berühmte Plastik geschaffen Übergang von den Seitenwänden zur Decke eine von worden, die heute in der Pfarrkirche steht und von un- kräftigen Profilleisten gerahmte Hohlkehle anzulegen - schätzbarem Wert ist: die Reutlinger Madonna aus der sie ist nach der jüngsten Restaurierung rosa getönt - Zeit um 1500 von der Hand des berühmten Ulmer Bild- und die Decke im Langhaus und Chor mit einfachen hauers Gregor Erhart. Wie Dr. Herbert Burkarth schon Muschel- und Bandelwerk-Stukkaturen auszuzieren. Aus einmal in der Hohenzollerischen Heimat 1973 ausge- den zuweilen recht trocken, naiv wirkenden Formen zu führt hat, besteht noch in Feldhausen eine alte Tradi- schließen, hat Schneider dafür keinen eigenen Stukkateur tion, ein hiesiger Bauer habe eine Fuhre Holz nach Reut- beschäftigt, sie vielmehr selbst ausgeführt. lingen gebracht und dort einen Mann angetroffen, der An der Chordecke sitzt ein längsovaler Spiegel mit le- eben diese Madonna zersägen wollte. Er habe ihm dafür bendig geschwungener Muschelwerk-Umrahmung, rosa den ganzen Wagen Holz angeboten und die Figur auch getönt, blau gerandet mit zwei kleinen grünen Zierfel- wirklich erhalten. Voller Freude habe er sie in seine Hei- dern. Die Decke des Langhauses enthält einen großen, matgemeinde gebracht und sie der Kapelle gestiftet. Die- se Tradition muß in der Tat auf einem wirklichen Ge- rosagetönten Mittelspiegel in langgezogener, figurierter schehnis beruhen, denn weit und breit konnte sich keine Vierpaßform, von weißen Stuckleisten gesäumt, darum Gemeinde oder ein kleineres Kloster einen Altar mit ei- eine schmale ockergelbe Zone, von weißem Bandelwerk nem solchen Bildwerk leisten. Die Madonna stand sicher begrenzt, vorn und hinten mit Zierfeldern geschmückt. ursprünglich in der Reutlinger Marienkirche und wurde Über dem Chorbogen sitzt eine einfache Rokoko-Kartu- 1530 anläßlich der Reformation entfernt, als der dortige sche mit naivem Muschelwerk in Rosa und flankierenden Hochaltar zerstört wurde. grünen Palmetten: In der Mitte das von Dornen um- rankte Herz Jesu, zuseiten die ligierten Buchstaben der Die Kapelle wurde im 19. Jahrhundert einmal einer Namen Maria und Joseph. In den Ecken der Decke sind gründlichen Renovierung unterzogen, und zwar 1882. ebenfalls Rokoko-Kartuschen mit frei aufgetragenen Ro- Diese Jahreszahl ist auch über dem Giebel der Frontseite caillen zu sehen. Allerdings kommt die gesamte Decken- in römischen Ziffern in einen Stein eingemeißelt, der je- zier erst wieder seit der Erneuerung im Spätherbst 1977 doch von unten nur schwer entziffert werden kann. Of- zur vollen Geltung, wofür der Firma Ernst Lorch in Sig- fensichtlich wurde damals das gesamte Dach umgedeckt maringen aufrichtige Anerkennung gebührt. bzw. saniert. Wahrscheinlich ist jedoch im Innern außer Im Jahr 1760 kamen die 14 Kreuzweg-Stationen in die einer Ausmalung kaum etwas geändert worden. Dies Kapelle, die in kräftigen Farben gemalt sind und von muß dagegen um 1910 der Fall gewesen sein, als man blaumarmorierten Rahmen eingefaßt werden. Ohne Teile der Chorwände, vor allem auf der Nordseite, in Zweifel sind sie Arbeiten des Begründers der Gammer- Ordnung bringen mußte. Damals hat man wohl die Sa- tinger Malersippe, des Anton Reiser I, der jedoch kaum kramentsnische entfernt, als die Mauern schadhaft und über einfache Qualität' hinauskam und dessen Werke teilweise unter Verwendung von Zement neu aufgeführt mehr zur Volkskunst zu rechnen sind. 1876 renovierte wurden. sie laut Inschrift auf,der Rückseite der 14. Station ein R. Von der übrigen Ausstattung sollen hier noch zwei Öl- (oder B.) Buk, wohl ebenfalls aus Gammertingen. bilder angeführt werden, denen man jüngst keine beson- Der Hochaltar des Jahres 1791 ist mit seinem glatten, dere Aufmerksamkeit schenkte, da sich bei ihnen eine jedoch lebendigen Aufbau ein typisches Werk des Klassi- Restaurierung kaum lohne. Es dreht sich um Gemälde zismus. Eine große Mittelnische wird flankiert von ei- des Gammertinger Malers Constantin Hanner von 1882: nem Säulen- und außen von einem Pilasterpaar mit gut ein Herz-Jesu- und ein Herz-Mariä-Bild. Vor nicht all- geschnittenen Kapitellen. Uber dem verkröpften Gebälk zulanger Zeit waren sie innerhalb der Malerausstellung stehen klassizistische Vasen mit Lorbeer-Girlanden, die zu sehen, die Botho Walldorf den Gammertinger Mei- beidseitig durch Henkel gezogen sind. Im Altar-Oberteil stern widmete. Sollte nicht alles getan werden, daß ist ein querovales Gemälde zu sehen: die hl. Dreifaltig- sämtliche Werke dieses einheimischen Künstlers erhalten keit auf Wolken mit mehreren Puttenköpfen. Die Altar- bleiben? tisch-Verkleidung verjüngt sich nach unten und zeigt un- ten an der Altarplatte und über dem Fuß je eine Kehle, Unter einem großen Kostenaufwand hat die Stadt Gam- am Zierfeld in der Mitte ein Kreuz. Laut der Heiligen- mertingen dieses wertvolle Baudenkmal nun wiederher- pflege-Rechnung von 1791 fertigte Alois Eisele von gerichtet. Als Friedhofskapelle haben es die Feld- und Gammertingen um 70 fl 34 xr den Altaraufbau, der von Harthauser Bürger einstens erbaut und hier um einen gu- Ambros Reiser (1730-1815), dem bedeutendsten Vertre- ten Tod und für die Verstorbenen gebetet. Daß das Hei- ter der Gammertinger Malersippe, um 80 fl gefaßt und ligtum auch weiterhin als Aufbahrungsort für die Toten gemalt wurde; eingeschlossen ist das Gemälde im Auszug dienen darf, kann als glückliche Lösung der anstehenden des Altars. Probleme gewertet werden.

JOHANN ADAM KRAUS führlich beschrieben und skizziert worden. Im Junginger Heimatbuch von 1976 S. 39 wurden der Burgplatz noch- mal besprochen und einige inzwischen dort gemachte Frundspürglin und Eineck Funde aufgezählt. Den dortigen Ausführungen ist jedoch zu widersprechen, wenn der urkundliche Name Frund- spürglin angezweifelt wird. Die Stammsilbe Frund (an Die kleine Burgstelle auf der vom Heufeld-Seeheimer- anderer Stelle von 1545 als Freundsbürglin vorkom- berg gegen Jungingen ins Killertal vorspringenden Berg- mend) steckt auch in dem Burgnamen Frundeck (bei nase mit dem urkundlichen Namen „Frundspürglin" Ahldorf) und im Namen des Bauernjörgs Georg von (1545), volkstümlich auch „Eineck" genannt, ist sowohl Frundsberg. Die kleine Burg mit ca. 300 qm über dem in den Blättern des Schwäb. Albvereins 1950, 3-4 als Killertal hieß also Frundsburg oder Freundesburg. Der auch in „Hohenzollerische Heimat" 1961, 41-42 aus- volkstümliche Name Eineck, erst seit Jakob Barths Orts-

21 chronik von Ringingen nachweisbar, entstand durch den Heinrich Späth bzw. dessen Erben Hans Späth von irrigen Eintrag im Ringinger Jahrtagsbuch, wo von Granheim, dann 1508 tauschweise an den Grafen Eitel- „Heinrich Affenschmalz und Elisabeth von Eineck" die friedrich von Zollern gekommen, während die restlichen Rede ist. In Wirklichkeit hieß das Ehepaar in seiner drei Viertel über die Grafen von Werdenberg im J. 1534 Jahrtagsstiftung von 1406 Heinrich von Killer genannt an Fürstenberg übergingen (HJH 1938, 126). Demgemäß Affensschmalz und Elisabeth die Unraine von Ratzen- ist das Junginger Heimatbuch zu berichtigen. Nach Lau- ried (Hohz. JHeft 1954, 125 u. 135). Irrtümlich scheint ers Untersuchungen sei die Frundsburg schon um 1250 Heinrichs erste Frau Anna von Neuneck als „Eineck" durch Feuer abgegangen. Von einer frühgeschichtlichen hineingeraten und auf den Burgplatz übertragen worden Anlage daselbst kann schon wegen des beschränkten zu sein. Dieser gehörte allezeit zur Gemarkung Ringin- Umfangs keine Rede sein. Die Schanzanlage von 1704 gen, wie der weit unterhalb stehende Grenzstein von (Zollerheimat 1938, 33 f) hat alle alten Reste gründlich 1584 als Scheidepunkt für Killer, Ringingen und Jungin- gen beweist. Erst durch die lineare Grenzziehung der zerstört, so daß man keine Dachziegel mehr findet. Seite Vermessung von etwa 1834 kam die jetzige künstliche 36 ist im genannten Heimatbuch vallum nicht mit „Gra- Spitze zustande. Vgl. Zeichnung i. HH 1961, 42. Der ben", sondern mit Dreck- bzw. Trümmerhaufen zu über- Seeheimerberg mit einem Viertel von Ringingen ist im setzen; wodurch der Zustand der 1311 zerstörten Burg 15. Jahrhundert an Mettelhans Schwelhers Tochtermann Jungingen gekennzeichnet ist.

OTTO STOCHDORPH

Eine versteckte Miniaturvedute von Hechingen aus dem 16. Jahrhundert

Neben die geographische, von Gelehrten entworfene Karte trat im 16. Jahrhundert die topographische Erfas- sung kleinerer Räume. Sie wurde anfänglich weniger mit Grundrißkarten bewältigt als vielmehr mit der perspek- tivischen Darstellung der Gegend in sogenannten Land- tafeln. Als Beispiele aus dem süddeutschen Raum seien die Rottweiler Pürschgerichtskarte von David Rötlin, die Wangener Landtafel von Andreas Rauch und die im Fürstl. Archiv Sigmaringen vorhandene Landtafel des Ostrachtales genannt. Die Darstellung von Stadt- und Dorfansichten, von Bergen usw. auf den Landtafeln wurde - meist in schematischer Vereinfachung - dann auch in die Karten größeren Maßstabes übernommen und erst viel später durch Ortssignaturen bzw. Schraf- die auf „um 1700" datierte Karte des „Ducatus Wurten- fierung oder Höhenschichtlinien ersetzt. Letzte Nach- burgici" von G. Valk. klänge der Landtafelmalerei sind noch in der Signatu- Verkehrt ist bei der „Stauffenburg"-Eintragung sowohl rensprache der modernen Kartenwerke aufzuspüren, die Position NNO Hechingen als auch die Situation auf wenn etwa ein winziges Rad eine Wassermühle bezeich- einem hohen Berg. Gadner wußte offenbar etwas von net und Kreise oder hochgestellte Dreiecke je mit Schat- der Existenz einer Stauffenburg in der Nähe Hechin- tenstrich nach rechts Laub- oder Nadelwald anzeigen. gens, aber wie kam er zu der Darstellung eines Berges in Eine der ersten Karten größeren Maßstabes, die den ho- der erwähnten Position? Einen Fingerzeig gibt die Ver- henzollerischen Raum mit Einzelheiten darstellt, ist die tauschung der Ortsnamen „Tala" (Talheim) und „Me- Karte des „Wirtenberg. Ducatus", die Abraham Ortelius ßing" (Mössingen) weiter im Osten. Gadner hat seinen mit kaiserlichem Privileg von 1579 in sein „Theatrum Entwurf mit Sicherheit nicht überall auf eigener Erkun- Orbis Terrarum" aufnahm. Sie gibt einen Entwurf des dung oder gar Vermessung aufgebaut, sondern sich in herzoglich-württembergischen Oberrates Georg Gadner der damals allgemein gebräuchlichen Art fremder Kar- wieder, der später (1596) eine „Chorographia Ducatus tenvorlagen bedient, deren Inhalt er übernahm. Die Wirtenbergici" ausarbeitete. Nord-Süd-Vertauschung bei Talheim und Mössingen Auf der Gadner/Ortelius-Karte ist bei Städten, Dörfern läßt vermuten, daß er für die Gegend um Hechingen und Burgen um den Positionskreis, der die exakte Lage eine nicht nach Norden, sondern nach Süden orientierte angibt, jeweils eine kleine und schematisierte Ansicht Karte als Vorlage zur Verfügung hatte. Eine solche eingezeichnet. Hechingen ist an der Starzel zwischen Übernahme unter Drehung um 180 ° war für die Kar- „Stetten" und einer als „Wiesteagul" bezeichneten Müh- tenzeichner der damaligen Zeit bei Grundriß-Konfigura- lensignatur zu finden. Südostwärts liegt der „Zollern", tionen weiter kein Problem, wohl aber bei Aufrissen wie nordnordostwärts auf einem ebensohohen Berg eine bei Ortsansichten. Hier war ihnen sozusagen nur geläu- „Stauffenburg". Diese „Stauffenburg" etwa nördlich fig, daß eine Stadtsilhouette von Süden das Spiegelbild von Hechingen spielt in der Folgezeit die Rolle eines der Stadtsilhouette von Norden sei. Aus einer Ansichts- kartographischen Leitfossils: Bis ins ausgehende 17. darstellung von Norden war also durch spiegelbildliche Jahrhundert geben sich Karten von Schwaben, von Wiedergabe eine Ansicht von Süden abzuleiten. Württemberg usw. als letztlich aus der Gadner/Ortelius- Wendet man diese Überlegung auf die Wiedergabe von Karte abgeleitet zu erkennen, wenn sie die „Stauffen- Hechingen auf der Gadner/Ortelius-Karte an und repro- burg"-Eintragung enthalten, so z. B. die Württemberg- duziert sie seitenverkehrt, so wird eine Miniaturvedute Karte in Merians Schwaben-Topographie von 1643 oder „Hechingen und der Hohenzollern" sichtbar. Vor dem

22 Ausschnitt aus der Gadner/Ortelius-Karte »Wirtemberg. Ducatus« (Atlasband der Wurtt. Landesbibliothek Stuttgart), etwa zweieinhalbfach vergrößert. Teilausschnitt, seitenverkehrt. im Hintergrund mächtig aufragenden Berg liegt die auch „Lungingen") aus der nach Süden orientierten Vor- Stadt in vereinfachter Darstellung, links die Stiftskirche, lage übernommen, denn auch dort liegt der Positions- rechts der beherrschende Bau des Schlosses vor dem kreis auf dem falschen Starzelufer. Neubau von 1577-1595. In der Komposition besteht Wenn man von der nicht ganz außer Zweifel stehenden eine weitgehende Ähnlichkeit zu der von Merian in der Möglichkeit absieht, daß das Wandgemälde im Chor der Schwaben-Topographie von 1643 wiedergegebenen An- Kirche von Engstlatt unter anderem den Hohenzollern sicht; vielleicht entstanden beide in Anlehnung an eine wiedergibt, stammen nach M. Schefold (Hohenzollern in noch ältere Vorlage. - Der Positionskreis liegt jetzt alten Ansichten. J. Thorbecke-Verlag 1963) die bisher korrekterweise südlich der Starzel. Auch See und Mühle bekannt gewordenen Ansichten Hechingens und des Ho- weiter rechts finden sich bei Merian wieder: der wüste henzollerns frühestens aus dem 17. Jahrhundert. Die ver- Weiher und die Niederhechinger Mühlengruppe. Damit steckte Miniaturvedute auf der Gadner/Ortelius-Karte läßt sich auch „Wiesteagul" als verschrieben aus „Wüste- von 1579 ist dann trotz ihrer Kleinheit von heimatge- mühl" entziffern. Vermutlich ist auch Stetten (vielleicht schichtlichem Interesse.

J. GRONER

Pfullendorf im Spanischen Erbfolgekrieg. Warum wurde die Stadt am 27. Mai 1704 vom bayrischen Kurfürsten Max Emanuel nicht niedergebrannt?

Der Spanische Erbfolgekrieg: drei Herrscher kämpfen zu vermeiden, Max Emanuels kleinen Sohn Josef Ferdi- um mehr Macht. nand zum Erben eingesetzt, doch das Büblein starb schon Als am 1. November des Jahres 1700 der kinderlose Kö- 1699 mit neun Jahren. Damit war des Vaters Traum, nig Karl II., der letzte Habsburger auf dem spanischen sein Haus aus der bäuerlichen Ärmlichkeit seines Kur- Thron, gestorben war, entbrannte unter seinen nächsten fürstentums zur Macht und Würde einer Königskrone zu Verwandten der Kampf um seine Nachfolge, das heißt führen, ausgeträumt. Nun witterte der unbändig ehrgei- um den Besitz jenes Weltreiches, „in dem die Sonne zige Wittelsbacher eine Aufstiegsmöglichkeit im entbren- nicht unterging". Zwar hatte Karl kurz vor seinem Tod nenden Krieg um den spanischen Thron, und da ihm den Enkel seines Schwagers Ludwig XIV. von Frank- Ludwig XIV. mehr zu versprechen schien als sein reich, Philipp von Anjou, testamentarisch zum Erben Schwiegervater Leopold 2, schlug er sich auf die franzö- eingesetzt, doch diese Nachfolge wollte Kaiser Leo- sische Seite. Andererseits versuchte der Kaiser immer pold I. als Chef des Hauses Habsburg-Österreich nicht wieder, den Kurfürsten für sich zu gewinnen, um die eu- anerkennen und beanspruchte die spanischen Länder in ropäische Front gegen Ludwig zu stärken, jedoch ohne Europa und Amerika für seinen Sohn Karl (den späteren Erfolg. Der Krieg begann 1701 und dauerte bis 1714. Kaiser Karl VI., den Vater Maria Theresias) In diese Thronstreitigkeiten mischte sich noch ein Dritter: der Schlachtfeld Süddeutschland bayrische Kurfürst Max II. Emanuel, ehemals Statthalter In den ersten Jahren spielte sich der Kampf auf süddeut- Karls II. in den spanischen Niederlanden (dem heutigen schem Boden ab, weil Habsburg und seine Verbündeten Belgien) und Vater des ersten spanischen Thronerben. zunächst einmal Frankreichs „vorgeschobenen Posten", Tatsächlich hatte Karl II., um den befürchteten Krieg eben den Kurfürsten von Bayern, militärisch und poli- zwischen seinen Schwägern Leopold I. und Ludwig XIV. tisch unschädlich machen mußten. Nachdem Ludwig

23 XIV. dem Wittelsbacher schon 1703 mit Truppen zu nem Heimatort haben ergeben, daß es sich um Kaspar Hilfe gekommen war, rückte 1704 erneut ein französi- Ritter aus Andelsbuch bei Bregenz handelt, der 1692 mit sches Heer unter Marschall Tallard durch das Kinzigtal dem Namen „Leo" in die bayrische Provinz der Franzis- in Zielrichtung Bayern heran. Max Emanuel seinerseits kanerreformaten eingetreten war („Provinciae Bava- war inzwischen mit seiner Armee von Ulm aus die Do- riae"). Zwei Menschenalter zuvor (1624) war das verlas- nau hinaufmarschiert, um abmachungsgemäß den Fran- sene Dominikanerinnenklöster Hedingen bei Sigmaringen zosen entgegenzukommen. In Rietheim bei Villingen tra- von diesen Refor|nfranziskanern übernommen worden fen sich die beiden Feldherren, doch zur großen Enttäu- und gehörte somit zur bayrischen Provinz. Der Zufall schung des Kurfürsten durfte sich nur ein kleiner und wollte nun, daß P. Leo Ritter um 1700 nach Hedingen minderwertiger Teil der französischen Regimenter mit versetzt und mit der Seelsorgeaushilfe, vor allem als re- den Bayern vereinigen, während Tallard seine besseren gelmäßiger Beichtvater (confessarius „Ordinarius"), in Mannschaften selber ostwärts weiterführen wollte. Als Pfullendorf betraut wurde. Der Pater, der im Hedinger die Kaiserlichen die Operation Max Emanuels bemerk- Kloster den Rang eines Stellvertreters des Hausoberen ten, zogen sie ihre verstreuten Truppen bei Rottweil zu- („vicarius") bekleidete, machte seine Sache in der Stadt sammen und stießen unter dem Markgrafen Ludwig von anscheinend sehr gut und stand darum bei Magistrat und Baden nach Süden, um dem Kurfürsten den Weg nach Volk in hohem Ansehen. So hielt man ihn für den rech- Bayern abzuschneiden. Dieser wich daher gegen den Bo- ten Mann, um zusammen mit dem Bürgermeister Horn- densee aus in der Hoffnung, auf der Verbindung über stein und einigen Stadträten den bitteren Gang in den Stockach in sein Land zu entkommen. Tatsächlich gelang „Weißen Ochsen" zu tun. Und was der vereinigten es ihm, am 23. Mai die Stockacher Linien zu überwinden Geistlichkeit in Stockach nicht gelungen war, gelang und vor den Augen seiner Verfolger in das österreichi- dem schlichten Mut des Franziskaners in Pfullendorf. sche Städtchen einzudringen. Die Nacht zum 24. ver- Der Kurfürst, sonst gar nicht zimperlich und in morali- brachte die französisch-bayrische Armee zwar in Ge- bus der Sache der Gottesmänner keinsewegs immer ge- fechtsbereitschaft, doch zu einer ernsthaften Ausein- horsam, ließ sich vom Charme des braunen Barfüßers be- andersetzung kam es nicht. Vor allem schreckte Mark- zwingen und nahm seinen grausigen Befehl zurück. 19 graf Ludwig vor einer offenen Feldschlacht zurück, ob- Jahre nach diesem Ereignis starb P. Leo Ritter in Lands- wohl die strategischen Verhältnisse durchaus günstig für hut am Lech (8. Mai 1733). Als Retter Pfullendorfs von ihn standen und durch seinen etwaigen Sieg der Krieg 1704 steht er würdig neben dem Pfarrer Ulrich, dessen im Deutschen Reich rasch beendet worden wäre. Am Fürsprache bei König Friedrich II. der Aufstieg des Dor- Morgen des 25. Mai zog der Kurfürst weiter, ließ jedoch fes zur Stadt 1220 zu verdanken ist. beim Abmarsch aus Verärgerung über den Widerstand, den er vor Stockach angetroffen hatte, die Stadt erbar- Der Kurfürst verspielt sein bayrisches Land mungslos in Brand schießen. Dann schlug er unbehelligt Während nun Max Exmanuel am folgenden Tag, also seinen Weg über Pfullendorf - Saulgau - Steinhausen am 27. Mai, die Stadt Pfullendorf hinter sich ließ, waren - Biberach nach Wiblingen bei Ulm ein, während die die mit dem Kaiser verbündeten Engländer und Hollän- Kaiserlichen in Richtung Meßkirch - Krauchenwies der der unter General Marlborough in Richtung Ulm aufge- Donau zustrebten. brochen, um sich mit der Reichsarmee zu vereinigen. Dies geschah am 22. Juni bei Westerstetten. Am 2. Juli Max Emanuel zieht nach Pfullendorf prallten die feindlichen Heere an dem von den Bayern Einen Tag nachdem das alte Stockach oben auf dem befestigten Schellenberg bei Donauwörth aufeinander. Berg in Schutt und Asche gesunken war und damit sein Dreimal ließ Marlborough vergeblich stürmen, bis die historisches Gesicht für immer verloren hatte, traf Max 58 000 Aliierten schließlich die 11 000 Bayern unter dem Emanuel in Pfullendorf ein und nahm sogleich im Vor- Grafen Johann Bapt. von Arco aus ihren Stellungen hin- 3 stadtgasthaus „Zum weissen Ochsen" Quartier . Er auszuwerfen vermochten. Max Emanuel zog sich sodann brauchte auf dem Weg hierher zwar keinen militärischen nach Augsburg zurück, und bald darauf erschienen ihm Widerstand zu brechen, doch da die Reichsstadt zum gegenüber auf den Höhen von Friedberg die vereinigten Kaiser hielt, dachte ihr der immer noch erregte Kurfürst österreichischen-holländischen-englischen Truppen. das gleiche Schicksal wie Stockach zu. Allein da geschah, Nun versuchte man von kaiserlicher Seite den Konflikt was der Pfullendorfer Benefiziat Franz Andreas Rogg in nochmals gütlich zu lösen, d. h. den Kurfürsten für die seiner Chronik berichtet: „1704 (zu ergänzen wäre: 26. habsburgische Partei zu gewinnen. Doch was der unbän- Mai). In dem Spanischen Successionskrieg, da das Reich dige Mann aus Bayern wollte, ein großes Land und eine mit Kayserlichen, Frantzösischen, Bayrischen Völckhern Königskrone, wie sie seine Standeskollegen in Branden- überzogen läge, und damahls Stockach verbrennt wurde, burg und Sachsen bereits errungen hatten, konnte ihm ist Churfürst Maximilian aus Bayern mit seiner Mann- Leopold aus politischen Gründen nicht bieten. Schließ- schafft nacher Pfullendorff komen undt in der Vorstatt lich verlor Max Emanuel das Interesse an Verhandlun- zum weißen ochsen sich einlogiret, den Befelch ertheillt, gen. Erneut setzte er auf militärischen Sieg, zumal es in- auch Pfullendorff zu verbrennen. Wie dan schon die zwischen Marschall Tallard geglückt war, mit seinen 4 Soldaten mit den raubsäckhen über den rückhen im an- Hilfstruppen bis nach Bayern vorzudringen und zur marsch waren, zuerst das orth auszueblinderen, hernach kurfürstlichen Armee zu stoßen. Nach einigem Hin- und mit feuer anzusteckhen, da war Pater Leo, Vicarius in Hermanövrieren der feindlichen Heere kam es am Hödingen, Provinciae Bavariae, Ordinarius hirhero, zu 13. August 1704 zur Entscheidungsschlacht zwischen allem glückh allhier, der sich nebst den oberen der Statt Höchstädt und Blindheim an der Donau. Den umsichti- zu Ihro Churfürstlichen Durchlaucht begeben, fueßfellig geren Aliierten unter Marlborough und dem Prinzen Eu- nidergelassen und umb Pardon gebetten, auch solche er- gen gelang es hier, nach vielstündigem, verbissenem halten, der Soldadesca den Befelch zum abwich ertheillt Kampf schließlich den von Tallard kommandierten Flü- 5 haben" . gel einzudrücken und damit die gesamte bayrisch-fran- Ein Franziskaner rettet die Stadt zösische Front aufzurollen. Nach verlorener Schlacht Wer war nun dieser „Pater Leo"? Nachforschungen zog sich der unverzagte Kurfürst mit dem Rest seiner beim bayrischen Franziskanerarchiv München und in sei- Armee nach Ulm zurück, nicht ohne Lust, dem Feind

24 nochmals die Stirne zu bieten. Doch die demoralisierten ten des Streites, und so kam es zu den Friedensschlüssen Franzosen wollten nicht mehr mitmachen, und so blieb von Utrecht (1713), Rastatt und Baden in der Schweiz ihm nichts anderes übrig, als mit ihnen über den Rhein (1714). Das Ergebnis war dieses: Philipp von Anjou nach Frankreich zu fliehen. Erst dadurch erlangte der blieb als Philipp V. auf dem spanischen Thron, die spa- Sieg von Höchstädt seine volle Bedeutung. nischen Nebenländer Mantua, Neapel, Sardinien, Mai- land und die Niederlande fielen an Österreich, und Max Unser Chronist zögert nicht, dieses Ereignis in seinen Emanuel durfte als Kurfürst ins frühere Bayern zurück. Text nachträglich noch hineinzuflicken: „1704. 13. Au- gust: hat der Herzog von Marieburg nebst dem Printzen Der Schlußakt: Prinz Eugen in Pfullendorf Eugenio die Frantzosen totaliter geschlagen, dis geschähe Und nun berührt die große Geschichte, nachdem sich der ohnweit Hochstätt und dem Dorff Blindenheimb. Zum Ring der Ereignisse geschlossen hatte, nochmals unsere Angedeckhen hat gedachter Herzog seiner Herrschafft Stadt. „1714, 12. September, nach geschlossnem Frieden Woodstock in England einen prächtigen Pallast erbauen, zu Baaden in der Schweitz entzwischen dem Kayser und und den namen Blindenbeimb geben lassen." Frankreich", so vermeldet unser Berichterstatter Rogg, „sind S. Hochfürstliche Durchlaucht Printz Eugenius un- Max Emanuel darf zurück ter losgebendtem großen geschütz allhier angelangt und 6 Zehn Jahre lang lebte Max Emanuel, ein Fürst ohne beym rothen Ochsen" - das Gegenstück zu 1704! - Land und von Kaiser Joseph I. aus dem Reich versto- „von löblichem Magistrat empfangen und Beneventiret ßen, in Frankreich, ganz auf die Gnade Ludwigs XIV., (begrüßt) worden. Nach eingenommenem mittagsmahl des Schwiegervaters seiner Schwester, angewiesen. Zwar unter lösung des geschützes und 3 mahligem gegebnem bekam er öfters militärische Aufträge, doch das Glück Salve von gesambter Burgerschafft von hier nach Altsch- wollte sich nicht mehr mit ihm verbünden. Nach weite- hausen abgereist" 7. Das Bild des Prinzen Eugen im ren militärischen Niederlagen Frankreichs versiegten Amtszimmer des Bürgermeisters erinnert noch heute an schließlich die finanziellen Mittel der Hauptkontrahen- den Besuch des berühmten Feldherrn in unserer Stadt.

1 Sowohl Ludwig XIV. wie auch Leopold I. waren mit einer schössen), sondern widerspricht auch dem eindeutig lesbaren Schwester Karls II. verheiratet. Der tiefere Grund für den Text in beiden Rogg'schen Chroniken. Einspruch Leopolds gegen die Bourbonennachfolge in Spa- 5 In den Ratsprotokollen der Freien Reichsstadt Pfullendorf nien war die Furcht vor der Übermacht Frankreichs. Dieser finden sich keine Hinweise auf die Kriegsereignisse der Jah- Überlegung schlossen sich zahlreiche andere Mächte an, vor re 1702 und 1704. Für diese Zeit kommen 2 Protokollbü- allem England und Holland, was schließlich zur militäri- cher in Frage (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, schen Allianz gegen Ludwig führte. Abt. 70, Fasz. 475 und 476). In dem einen jedoch (Fasz. 2 Max Emanuel war in 1. Ehe mit der Tochter Leopolds, 476) ist in den 4 Protokollen zwischen dem 5. September Maria Antonia 1692), verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe und 11. Oktober 1702 nichts entsprechendes verzeichnet, ging der oben erwähnte Kurprinz Josef Ferdinand hervor. und zwischen dem 20. Mai und 3. Juni 1704 hat offenbar, 3 Das eindrucksvolle dreistöckige Gasthaus mit hohem goti- dem Schweigen des Protokollbuches nach zu schließen, kei- schen Giebel steht heute noch in alter Funktion in der ne Ratssitzung stattgefunden. Im anderen (Fasz. 475) be- „Vorstadt" an der uralten Straße, die von Stockach und steht eine Lücke vom 7. Mai bis zum 17. November 1704. Überlingen her über Aach-Linz westlich in die Stadt hinein- Diese Lücke wird zwar durch die Protokolle vom 20. Mai führt (heute: Überlinger Straße 19). Da die „Vorstadt" au- bis 23. Oktober 1704 des Fasz. 476 in etwa ergänzt, doch ßerhalb der Stadtmauern liegt, brauchte der Kurfürst zum auch hier ist für die Zeit vom 21. Mai bis zum 2. Juni keine Quartiernehmen also nicht einmal an das nächstliegende Aufzeichnung vorhanden und damit vom Erscheinen Max Stadttor (Engelinstor) zu klopfen. Bayrische Truppen Max Emanuels und der Gefahr für die Stadt keine Rede. Der Emanuels - 14 Bataillone Infanterie und 26 entsprechende Bericht des Benefiziaten Franz Andreas Rogg bildet also die Einheiten (Eskadronen) Kavallerie - lagen übrigens bereits einzige Quelle für die kriegerische Berührung Pfullendorfs um den 17. September 1702 einmal vor den Toren der Stadt im Spanischen Erbfolgekrieg im Jahr 1704. Da der ge- (auf dem Gelände vor dem Oberen Tor). Damals hatte schichtsbewußte Geistliche selbst den Ereignissen noch nahe Feldmarschall Johann Bapt. von Arco im Auftrag des Kur- stand - er wurde 1712 geboren - und sich jedenfalls fürsten den von Ludwig XIV. entsandten Hilfstruppen un- durch seinen Vater und andere unmittelbare Zeugen leicht ter Marschall Villars, der bei Weil den Rhein überqueren informieren konnte, steht die Zuverlässigkeit seiner Bericht- und dann den Oberrhein heraufziehen sollte, bis Stühlingen erstattung über allem Zweifel. entgegenzugehen. Doch da der Vormarsch Villars' nicht ab- 6 Das Gasthaus „Zum roten Ochsen", eines der mächtigsten machungsgemäß vonstatten ging, machte von Arco vor Bürgerhäuser der Stadt, an der Alten Postgasse, zugleich Pfullendorf halt und schickte zur Erkundigung einen Offi- Thum- und Taxissche Poststation, brannte 1882 ab. Der zier zu den Franzosen nach Straßburg, zugleich mit der Neubau ist durch eine Freitreppe gekennzeichnet. Drohung, der Kurfürst würde sich von Villars (seinem per- 7 Absteigequartier im Freien Reichsdorf Altshausen war die sönlichen Feind) desavouiert fühlen, falls dieser nicht nach Landkomturei des Deutschen Ordens (heute Schloß des übereingekommenem Plan weiteroperiere, und, wenn dies Herzogs von Württemberg). zutreffe, sogleich den Rückmarsch nach Bayern antreten. Hinweise : Tatsächlich zog Villars nach Überschreitung des Rheines De Vault-Pelet (Ed.) : Mémoires militaires rel. à la succession talabwärts nach Offenburg, um über den Schwarzwald d'Espagne, vol. II, Paris 1836. nach Bayern zu gelangen. Von Arco machte darum zur Gebhardt, Bruno: Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Überraschung der ahnungslosen Pfullendorfer plötzlich 9. Aufl. 1970. kehrt und verschwand mit allen seinen Truppen dahin, von Hiittl, Ludwig: Max Emanuel. Der Blaue Kurfürst wo er gekommen war. Dies ist der strategische Hintergrund 1679-1726. Eine politische Biographie. Südd. Verlag 1976. für die etwas unverständliche Darstellung von Joh. Schupp, - Mit ausführl. Quellen- und Literaturverzeichnis. der dafür die Notizen eines Pfullendorfer Augenzeugen be- Landmann, Karl: Kurfürst Max Emanuel. Regensburg 1908. nutzt („Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf" 1967, Landmann, Karl: Die Kriegsführung des Kurfürsten Max S. 346 ff.; vgl. De Vault-Pelet, Mémoires II, 574 ff.). Emanuel von Bayern 1703 und 1704. 1898. 4 Johann Schupp spricht an dieser Stelle von „Laubsäcken" Rogg, Franz Andreas: Locus triumphalis 1774. Handgeschrie- („Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf" 1967, S. 350). bene Chronik der weiland Freien Reichsstadt Pfullendorf. Dies hat jedoch nicht nur keinen Sinn (Ende Mai gab es Gemeindearchiv der Stadt Pfullendorf. kein dürres Laub mehr zum Häuseranzünden, und im übri- Wagner, Hans: Aus Stockachs Vergangenheit. Hegau-Biblio- gen wurden die Ortschaften durch Artillerie in Brand ge- thek Bd. 11. 1967.

25 ADOLF LIEB aus „beederwand" d. h. ein Stoff aus „beiderlei", Garn, Wolle u. Lein. Der 2. Teil des Wortes fiel weg, und aus Zur Sprache unserer Vorfahren. „beeder" wurde allmählich Peter. - Reinftle: das letzte Stück am Brotlaib, ahd. ramftl. - riebig: ruhig, mhd. Eine mundartliche Betrachtung aus Hettingen. ruowic, das Zeitwort ge - ruowen wird zu gruoben in Als kleiner Beitrag zu einer mundartlichen Plauderei der Bedeutung ausruhen. - Schindmähr: ein Schimpf- werden einige, bei der Hettinger Großelterngeneration wort, das soviel bedeutet wie „Mähre", altes Pferd, das noch vorhandene Wörter nach Form und Inhalt ausgelo- nur für den Schinder taugt. Warum der Sprechende nur tet oder besser belauscht. Dialekt ist Reichtum und ein an weibliche Wesen denkt, bleibt sicher ein Geheimnis, Mittel des natürlichen seelischen Ausdrucks. Wer einen zumindest eine Eigenwilligkeit männlicher Gemütsver- so ausdrucksvollen, bilderreichen Dialekt noch versteht, fassung. - Siach: Ein Schimpfwort: „dummer Siach", lebt fast zweisprachig wie ein Grenzländer und hat Zu- ursprünglich in der Bedeutung von krank. Im Hochdeut- gang zu einem Kulturbereich, zu welchem allen Men- schen noch vorhanden in den Wörtern dahinsiechen oder schen ohne Dialektverständnis die Antenne fehlt. Siechtum. Im Mittelalter gab es auch das Siechenhaus. - Die folgende Zusammenstellung soll eine kleine Kostpro- stauchaweiß: blaß d. h. so weiß wie die „stuche" oder be eines gedachten Wörterbuches der Albsprache sein, das Kopftuch einer Frau. - stet: langsam aus ahd. stati. wobei die Herkunftsbezeichnungen Althochdeutsch - sträla: von mhd. strälen in der Bedeutung von käm- (750-1050) oder Mittelhochdeutsch (1050-1300) in men. - triela: aus dem Mund träufeln, mhd. triel, be- folgender Weise abgekürzt werden: ahd und mhd. deutet die Lippe und auch der Mund. - vergeistert: alafinzig: schalkhaft, boshaft. Aus dem Italienischen verwirrt, mhd. vergalstern im Sinne von verzaubern. Ein alavanzo in der Bedeutung zum Vorteil, zum Betrug „Galster" ist ein Zaubergesang. - Waidag: Schimpf- beim Handeln, mhd. vanz der Schalk. - Bletz: Lappen, wort, mhd. wetac, bedeutet der Wehtag, d. h. die fallen- Fetzen, ahd. blezzo. - bära: Traggestell auf einem Kar- de Sucht. - Weihsang: Ein Kräuterbündel, von weihen ren. Dieses Wort ist im hochdeutschen noch vorhanden u. mhd. sänge im Sinne von Büschel von Ähren. - Zie- als Bahre. - Breme: Eine Bremse, ahd. bremo, die fer: ahd. zebar, was soviel bedeutet wie Opfertier z. B. Stechfliege. - bschnotta: dürftig, mhd. snoede im Sinne Hühner und Enten. Im Dialekt übertragen auch auf die von ärmlich, gering. - dengeln: hämmernd schärfen. Kinder. Im Hochdeutschen ist nur noch das Wort Unge Ein Wort aus der Bauernsprache. Die Sense wird „ge- - ziefer vorhanden, was soviel heißt wie unrein. Es kann dengelt" d. h. mit dem „tangol", ahd. Hammer, ge- daher nicht als Opfertier verwendet werden. klopft. - firben: Wenn eine Frau „firbt" kehrt sie den Hof oder die Stube, ahd. furbian. - gelta: Obst oder JOHANN ADAM KRAUS Wasser befindet sich in einer „gelta", in einer Holzwan- ne. ahd. gellita, mhd. gelte. - Gotte, Götte: Patin und Uralte Erzgewinnung Pate, ahd. in der Bedeutung Vater und Mutter vor Gott. In der Hohenzolllerischen Heimat 1977 S. 29 war die - gotzig: das Wort ist eine Zusammenziehung aus gotts- Rede vom Bohnerz unserer Alb, sowie den in Nord- einzig. Ein Begriff, der christl. Vorstellung entnommen, deutschland bekannten Rennfeuern, die man bei uns im einzig wie Gott, daher a gotzigsmol. - Grimma: Bauch- Schwäbischen Blauöfen nannte als Vorgängerinnen der weh, mhd. krimmen, im Sinne von mit Krallen fassen. Hüttenwerke und Hochöfen. Schon vor den Römern Ein phantasievolles Bild: das Gedärm wird wie von un- haben bei uns die Kelten das Erz zu schmelzen gewußt. sichtbaren Geisterkrallen gezwickt. - Grattel: Stolz, Im J. 1525 werden in Nähe des Monkberges und Korn- mhd. greten d. h. mit gespreizten Beinen gehen. - gro- bühls bei Salmendingen die Bläwinen genannt, wohl ab- nen: Von Kindern sagt man, daß sie gronen d. h. gedei- zuleiten von blaejen oder schmelzen, also Schmelzöfen hen, mhd. gruonen gleich grün werden. - Gschnuder: oder Schmelzhütten (Salmend. Heiligenrodel bzw. Bucks Wer Schnupfen hat, kämpft gegen eine gereizte Nasen- Flurnamenbuch: Bläjen). Zunächst in Erdlöchern, bald schleimhaut. d. h. mhd. snuder. - Gitterte: Verkleine- aber in Lehmbauten bis 150 cm Höhe mit Durchmesser rungsform für Gutter, eine Flasche oder ein Medizinglas. von 30-90 cm, hat man die Erze flüssig zu machen ge- Herkunft aus dem Lateinischen gutta, der Tropfen. Ein sucht. Die Bläjen wurden wegen der wichtigen Hang- Gefäß, in dem viele Tropfen gesammelt sind, ist ein gut- winde in der Regel an Talhängen in Wassernähe erbaut. tarium. - Häs: Kleidung, mhd. häz, der Rock. Bei Manche hatten unten an der Seite ein Loch zum Abstich Hartmann von Aue um 12 Hundert heißt es z. B.: er lei- der Schlacken und im Boden eine vorgesehene Ablauf- te an sin häse, er zog seinen Rock an. - helinga: mhd. rinne. Der Rennofen oder die Bläje bestand unten aus heimlich, Walther von der Vogelweide sagte in einem einem runden wannenartigen, in die Erde eingetieften Gedicht von der Liebe, sie sei ein „helinc", ein wohlbe- Herd, der mit Lehm ausgekleidet war. Daran schloß sich hütetes Geheimnis. - heina: weinen, mhd. honen oder nach oben ein etwas verjüngter Schacht an, auf dem hünen in der Bedeutung heulen von Hunden. - beiden: manchmal eine Lehmkuppel saß. Die Beschickungsöff- ein Faß schräg stellen, ein ahd. Wort heldan. - Ho- nung war ähnlich der eines Töpferofens. Sie wurde nach schtube: Abgeschliffen aus dem Wort Hofstube, in der der Füllung geschlossen. Die notwendige Luftzufuhr er- man sich versammelt. Man sagt daher „auf d'Hoschtube folgte durch seitliche Düsen oder Löcher. Hier ange- kommen". - Klär: Keller, mhd. kelre, lateinisch cel- setzte Blasbälge verstärkten den Schmelzvorgang. Ver- larium. Der Keller war nicht nur eine Sache des Hau- mutlich heizte man den Ofen zunächst unten im Herd ses, in Hettingen gab es z. B. manche Keller frei im Mar- mit Holzkohlen an und füllte ihn dann mit einem Ge- kungsbereich. Ein kaum erkennbarer in Richtung Her- misch aus Erz und Holzkohlen, wie die heutigen Schlak- mentingen oder im Tal der Brauereikeller, genannt kenfunde zeigen. In der Steiermark hat man darüber ver- „Brui's Kär". - Kumpf: Gefäß, in dem der Wetzstein schiedene Versuche angestellt. Zunächst wurden kleine steckt beim Mähen. Der plastischen Anschauung diente Stückchen kohlenstoffreines Eisen aus dem Erz geklopft, auch der Vergleich mit menschlichen Nasen. - losen: die durch das Kohlenstoffgas ziemlich schnell flüssig horchen, ahd. hlosen. - Nuschter: vom Rosenkranz, ab- wurden und in die tieferen Schichten hinabtropften und geleitet von pater noster. - Peterle: keineswegs nur die sich zu größeren Metallklötzen verbanden. Um Stahl zu Koseform von Peter. Peterle ist eine Jacke, entstanden erhalten ist allerdings der richtige Augenblick zu wählen,

26 andernfalls muß man den Klotz nachträglich im Holz- Neckar drei Tage lang blutfarbig sein. Dann ist die Rede kohlenfeuer „aufkohlen". Durch öffnen des Abstich- (S. 9) von streitenden frommen Prädikanten und Meß- loches kann man die Schlacken entfernen. Um das ver- pfaffen, von Ordnung der Planeten, Sonnenaufgängen, hüttete Eisen aus der Bläje zu erhalten, muß man freilich Schleifung der Engelsburg in Rom, Beschimpfungen des diese teilweise aufbrechen, also zerstören. Vom gewon- Papstes (S. 17), neidigen Nonnen, Mönchen und Geistli- nenen Eisen entfernte man die Schlacken, Erz- und Koh- chen, die selbst unter beiden Gestalten kommunizieren, lenreste und schmiedete es zu Spitzbarren in Doppelpyra- es aber den andern versagen! Dr. Martin Luthers Lehren midenform oder zu Eisenstangen. (Nach W. Werth in (S. 20) gegen Ablaß und Seelmessen werden herausge- Basler Geographische Hefte Nr. 15, 1977 S. 294). Auf stellt, so daß der Standpunkt des Verfassers eindeutig der vorderen Falkenburg bei Burladingen fand ich in den geklärt ist. Dann werden wieder Schlachten prophezeit 30er Jahren noch viele Eisenschlacken, offenbar Rück- bei Diessenhofen und im Filstal unweit des Sauerbrun- stände der Blä-Hütte des Burgschmieds oder gar noch nens und schließlich heißt es S. 24: „Getruckt zu Erd- aus späterer Zeit, da hier die Lüfte bzw. Aufwinde be- pfort", was der Katalog als Erfurt deutet, aber m. E. sonders stark zu sein pflegen. ebensogut ein Deckname sein kann, etwa für Reutlingen? Die noch im fürstl. hohenz. Archiv liegenden Protokolle etc. könnten vielleicht den vergessenen Propheten aus Hans Hospach * ein vergessener Killer näher beleuchten. Seine Familie wird dort schon „Prophet" aus dem Killertal 1544/48 genannt. Unser Landsmann, H. H. Josef Schülzle aus Burladingen, Das Rätsel Fehla Bibliothekar in Aarau (Schweiz), entdeckte im Katalog Fehla, antiquarisch auch Vehla geschrieben (wie Vestung 270 des Antiquariats INTERLIBRUM in Vaduz (Für- statt Festung), heißt bekanntlich ein Bach, der aus einer stentum Liechtenstein) als Nr. 179 ein hochinteressantes Büchlein, das im Jahre 1564 in Erfurt gedruckt wurde. starken Quelle innerhalb des Dorfes Burladingen ent- Mit steigendem Staunen liest man da: springt, die Orte Gauselfingen und Neufra durchfließt „Ein Neuwer Luoginsland. und zwischen Hettingen und Hermentingen in die Lau- diert mündet. Uber den Namen Fehla hat vor über Ein Wunderbarliche und wahrhafftige Weissagung zuo- 100 Jahren der gelehrte Dr. Michel R. Buck in den Mit- künfftiger Ding, so geschehen sollen von dem 1564 er Jar an bis auff das 1613.Jar. Es staht in diser Practica teilungen des Geschichtsvereins (1871,98) Betrachtungen geschriben / Wem sie in die hend wirt, der solls nit las- angestellt. Weil er jedoch keine ältere Wortform kannte, sen ligen / Und wirt darinn geschriben stahn / Wie es mußte sein Versuch unbefriedigt bleiben. Er postulierte soll in der gantzen Welt zuo gahn / Und wie sie wirt ein (auch in seinem Oberdeutschen Flurnamenbuch 1881) end han." eine nicht nachweisbare Form Felwa, Felwaha, das Unten steht: „Gestellet durch Hans Hochspach, den Felbenbach bedeuten würde. Aha und -ach wäre die man nennet Vogts Hans von Killer, im Killerthal gele- deutsche Form des lateinischen aqua -Wasser. Man kennt gen, in der Graffschafft Zoller." zwar eine Weidenart Felben, aber solche gibt es (wenig- In der Mitte des Titelblattes sieht man (laut Ablichtung) stens im Oberlauf der Fehla) heute nicht, obwohl die einen malerischen Titelholzschnitt, der einen Bauern zollerische Landesordnung seit 1600 immer wieder ein- oder Landmann in ländlicher Umgebung zeigt. Vor ihm schärfte, es müßten bei Burladingen am Bach Felben steht neben einem Bauernhaus ein großer vielästiger gepflanzt werden. Inzwischen haben sich jedoch alte Weidenbaum, im Hintergrund sieht man Büsche, Berge Wortformen der Fehla gefunden, die auf ganz andere und Hügel, zwischen denen ein Kirchturm hervorschaut. Herleitung deuten. Am Himmel steht (über dem Haus) das letzte Viertel Im Jahre 1444 lautete der Bachname „(an der) Welhan", des Mondes mit einem leuchtenden Hof, dazu zwölf bzw. Velhan, 1454 dann Feig, 1468, 1505 und 1584 Fel- Sterne herumgestreut und eine kleine Wolke. Der Bauer, ben, 1490 Felchen und ab 1600 Vellen und Fehl oder der mit der rechten Hand auf den Mond deutet, mit der Fella. Die anlautenden W, V und F sind sprachlich linken auf das Bauernhaus, trägt eine Pletschkappe, ein nächstverwandt, fast austauschbar. Aus diesen urkundli- gegürtetes Wams mit Schwert an der Linken und rechts chen Formen ergibt sich klar, daß das H nicht der Deh- einen Brotbeutel, dazu hohe Stiefel, deren obere Ränder nung des vorausgehenden Vokals diente, sondern als CH umgeschlagen sind. Das überaus seltene Büchlein enthält ursprünglich organisch war und hinter dem L seine Stel- nur 16 unnumerierte Papp-Blätter in Schmalquart. Die lung hatte. Erst nach 1500 erscheint es gelegentlich, aber Holzschnitte im Text zeigen die verschiedenen Mond- irrig, vor das L gerutscht. Otto Springer nennt in seinem phasen, wie andere in jener Zeit üblichen Voraussagun- Buch „Flußnamen in Württemberg-Baden" 1930,186 im gen. Es handelt sich um ein weithin unbekanntes Druck- Badischen einen Felgengraben, der zu obiger Form Feig stück, für das auch ein entsprechend hoher Preis ange- von 1454 paßt. Wiederum sind die Gaumenlaute G und setzt ist. Wetter- und Katastrophen-Voraussagen sind CH nächstverwandt und sind sogar im Lauf der Ortent- vermischt mit Krankheitsrezepten für Tiere und Men- wicklung gelegentlich ausgetauscht. Wir kennen die schen (z. B. Podagra-Gicht) und betreffen z. B. bis 1566 Krummhölzer, die man am Radkranz Felgen (schwäb. kommende Kriege, Religionsänderung, Verfolgung von Fealga) nennt. Falgen heißt man das Pflügen (Umwen- Geistlichen, Türkengefahr, Sturz des päpstlichen Stuhles, den) des Brachfeldes im Juni. Auch das Zeitwort walken Vertreibung des Papstes und der Seinen, Streit der Ge- bedeutet ursprünglich ein walzendes drehendes Hin- und lehrten, neue Ketzereien, 1588 dann Einfall der Wel- Herbewegen, wie schwäb. walen = sich wälzen. Somit schen und Kriegszug in die Schweiz, wo (in bezug auf liegt der Schluß nicht zu weit, daß die Fehla, oder ge- Klaus von Flüe) von einem alten grauen Schweizer mit schichtlich richtiger Felcha (Felch-ach), den Begriff des langem Bart die Rede ist. Ferner von einer Schlacht zwi- „sich windens, drehens, biegens" ausdrückt. Wer den schen Schweizern und Kaiserlichen in der Gegend von Bach vor 40-50 Jahren sah, dem sind sicher die vielen Tübingen und Rottenburg bei dem Busch, den man Windungen und Schleifen aufgefallen, die inzwischen Birckley nennet (gemeint ist zweifellos der in der OA teils begradigt sind. Nicht zufällig ist in einer Urkunde Beschreibung Rottenburg mehrfach erwähnte Grabhügel von 1468 die Rede von „Bugen" (Biegungen) in der Fel- Birchinleh-Bürglai bei Rottenburg). Dabei werde der hen, die somit „biegungsreicher Krummbach" bedeutet.

27 Lok 15, Tenderlokomotive. Stärkste und beste Lokomotive der Hohenzolleriscben Landesbahn. 1940 erworben, 1965 verschrottet. (Foto Botho Walldorf)

BOTHO WALLDORF

Museumslokomotiven in Hohenzollern

Zu den heute an vielen Orten betriebsfähig erhaltenen achsig, 1934-1975, und VT3 vierachsig, 1936-1968). Museumslokomotiven gehören auch vier Dampflokomo- Damit wurden die zweiachsigen Lokomotiven aus der tiven aus Hohenzollern. Zum besseren Verständnis, war- ErÖffnungszeit überflüssig; sie wurden bis 1958 alle ver- um gerade diese vier übrig blieben, soll hier ein kurzer schrottet bzw. verkauft. Abriß der Dampflokepoche in Hohenzollern gegeben Für den Güterverkehr wurden in den dreißiger und vier- werden. ziger Jahre noch weitere - meist gebrauchte - Dampf- Bei der Inbetriebnahme der Hohenzollerischen Landes- lokomotiven von der Reichsbahn erworben. Die stärk- bahn (HzL) von 1900-1912 wurden zunächst 8 zwei- ste von ihnen war die Nr. 15 „Tenderlokomotive für achsige Lokomotiven beschafft (Nr. ld-6d, Nr. lc-2c). Hohenzollern mit Gegendruckbremse und Ventilsteue- Mit steigendem Verkehrsaufkommen folgten vier- und rung", die im April 1940 fabrikneu von der Maschinen- fünf achsige Lokomotiven (Nr. 11 + 12 sowie fabrik Esslingen geliefert wurde. Nr. 21 + 22). Außer der HzL betrieb das fürstlich ho- Der Strukturwandel im Güterzugverkehr begann mit der henzollerische Hüttenwerk ab 1900 eine zweiachsige Lo- Beschaffung der beiden Diesellokomotiven V81 und V82 komotive, die mit ihren 43 Dienstjahren bereits auch wie- im Jahre 1957. Bis 1963 waren die Dampfloks noch oft „Margarete", gesellte. Beide Lokomotiven versahen bis im Dieselersatzverkehr zu sehen. In diesem Jahre wurde 1976 täglich Rangierdienst in Laucherthal. Zu diesem die dritte Diesellok V121 erworben. Die große Ausmu- Zeitpunkt beschaffte das Hüttenwerk eine Dieselkleinlo- sterungsaktion von Dampflokomotiven begann im Jahre komotive, die mit ihre 43 Dienstjahren bereits auch wie- 1957 (Lok 142), 1958 (Lok 6, 14, 22), 1962 (Lok 21), der ein Museumsstück ist. Die Lok „Margarete" wurde 1964 (Lok 12), 1965 (Lok 15, 141). für 5000 Mark an die Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen (GES), Stuttgart, verkauft, die sie Es waren die letzten Landesbahndampfloks, die zum weiterhin betriebsfähig erhalten will. Die Lok „Rosa" Verschrotten verkauft wurden. Die noch verbliebenen ging an Eisenbahnfreunde in Aschaffenburg. Loks Nr. 11 und 16 erregten zusammen mit den 9 Perso- nenwagen von der Jahrhundertwende zunehmend das Die reine Dampflokepoche bei der HzL endete 1934 mit Interesse von Eisenbahnfreunden, die etwa ein Dutzend Beschaffung der ersten Dieseltriebwagen (VT1 + 2 zwei- Sonderfahrten mit diesen Loks organisierten.

28 Älteste Lokomotive der Hohenzollerischen Landesbahn. Baujahr 1898. Um 1938 verschrottet. Lok 6d (das gleiche Modell) fuhr noch nach dem 2. Weltkrieg. (Repro B. Walldorf)

Im Jahre 1970 bzw. 1972 erwarb die Gesellschaft zur und Bingen. Von diesen ist noch ein einziger in Hechin- Erhaltung von Schienenfahrzeugen diese beiden Loko- gen betriebsfähig. Ein weiterer wird auf Bahnhof Gam- motiven sowie 3 historische Packwagen und die verblie- mertingen als technikgeschichtliches Denkmal erhalten benen 9 Personenwagen. In unermüdlichen Arbeitseinsät- bleiben. Bekohlungsanlagen gab es in Eyach, Haigerloch, zen werden die Fahrzeuge betriebsfähig erhalten. Hechingen, Burladingen, Gammertingen, Bingen und Sigmaringen. Von deren Existenz künden oft nur noch Von den 12 hohenzollerischen Dampflokomotiven, die schwarze Flächen zwischen den Gleisen. auf dem Höhepunkt der Dampflokepoche um 1930 Nachdem bei der Bundesbahn - angeblich aus Kosten- Dienst taten, sind also noch ein Drittel vorhanden, ein gründen - die Relikte der Dampflokzeit systematisch wahrhaft guter Durchschnitt für ein so kleines Land. beseitigt werden, ist die Bekohlungsanlage auf Bahnhof Mit dem Verschwinden der Dampflokomotiven sind Gammertingen weit und breit der einzige Ort, wo Dampf- plötzlich Einrichtungen der Bahnhöfe interessant gewor- loks noch wie in alten Zeiten Kohle fassen können; sie den, die bisher alltäglich waren: rußgeschwärzte Schup- wird jedoch auch bald dem geplanten Umbau der Be- pen (wie sie noch in Haigerloch und Gammertingen be- triebswerkstätte weichen müssen. stehen), Wasserkräne und Bekohlungsanlagen. Wasser- Mögen diese Veteranen als Zeugnisse des hohenzolleri- kranen gab es in Eyach, Haigerloch, Hechingen, Burla- schen Dampflokbetriebs noch möglichst lange betriebsfä- dingen, Gammertingen, Kleinengstingen, Sigmaringen hig erhalten bleiben.

JOHANN WANNENMACHER

Abgegangene Gipsbrüche und Gipsmühlen in Rangendingen

Die gewaltigen Fortschritte von Wissenschaft und Tech- die Wiesen und Felder ab mit dem „Wolfental" und dem nik - insbesondere seit Beginn dieses Jahrhunderts - „Owinger Berg". Oberhalb des Weges zum Owingerberg wirkten sich mit der Zeit auf alle Lebensgebiete und Ar- breitet sich ein langgezogener Hügelrücken aus. In seinen beitsweisen auch der bäuerlichen Bevölkerung und des Leib sind in einer Länge von etwa 250 Metern und in ei- Kleinhandwerkers aus. Alte Berufe gingen ein und ande- ner Breite von 100 Metern zahlreiche tiefe Gruben und re traten an ihre Stelle; herkömmliche Arbeitsweisen Löcher eingegraben. Dazwischen liegen mächtige Hau- verschwanden und wurden von der Technik überholt. fen, die mit einem dichten Graswuchs überzogen sind. Ein Beispiel hierfür liefern auch die ehemaligen Gipsbrü- Aber an den wenigen noch offenen Stellen ist deutlich che und Gipsmühlen von Rangendingen. erkennbar, daß hier einmal Steine gebrochen wurden. Der Volksmund bezeichnet diesen ganzen Flurabschnitt Westlich und südwestlich von Rangendingen schließen mit „Gipsbrüch". An diesem Platze wurden auch lange Zeiten hindurch einmal „Gipssteine" gebrochen. Der es ist zu bedenken, daß man zu damaliger Zeit für 10 Gipsstein ist ein schwefelsaurer Kalkstein, an dieser Stel- Pfennige beispielsweise ein halbes Liter besten Bieres le mit Ton vermischt - und lieferte ein wertvolles Dün- oder eine rote Wurst kaufen konnte. - Am Morgen gemittel. Wie verlief nun der Weg seiner Verarbeitung standen dann die beladenen Wagen oft in langen Schlan- und Verwendung? gen vor der Gipsmühle. In aller Frühe brachen die Fuhr- Gewöhnlich im Herbst, wenn die Arbeiten auf dem Fel- leute, insbesondere die aus den weitentfernten Orten auf de beendet waren, begab sich der Gipsmüller mit seinen und brachten ihre schwere Last heimwärts. Andere wie- Leuten in den Gipsbruch, um Steine zu brechen. Es war derum kamen, und es herrschte den ganzen Tag über ein eine harte und schwere Arbeit, denn vielfach mußte oft bewegtes und geschäftiges Treiben auf der Landstraße. meterhoher Abraum mit Schaufel und Schubkarren bei- - Der Rangendinger Gips war von den Albbauern sehr seite geschafft werden. Motore und Maschinen gab es zu geschätzt. Er wurde vor allen Dingen zum Düngen von damaliger Zeit noch nicht. Schutzlos war man auf der Esparsette und Klee, von Korn und Hafer verwendet. zugigen Höhe auch den rauhen Winden und dem Wetter Sogar Gipssteine wurden von den Rangendinger Gips- ausgesetzt. Das Brechen der Steine dauerte nahezu den brüchen in weit entfernt liegende Gipsmühlen geholt. ganzen Winter über an. Zwischendurch brachte man die In Rangendingen gab es um die Jahrhundertwende noch Steine mit Pferdefuhrwerken oder mit Schlitten zu der zwei Gipsmühlen. Die eine stand am Ortsausgang nach Gipsmühle im Orte, wo sie in deren Nähe zu hohen Hirrlingen und gehörte zu dieser Zeit den Gebrüdern Haufen aufgeschichtet wurden. Wenn man dann mit Anton und Matthias Widmaier. Später wurde dieser dem Brechen so ziemlich fertig war, begann in der Gips- Gipsmühle eine einfache Säge angegliedert. Von beiden mühle das „Stampfen". Dort war eine Vorrichtung mit Einrichtungen ist heute nichts mehr zu sehen. An deren etwa zehn mächtigen, eichenen Stempeln, die am Fuß Stelle erstand später das stattliche Anwesen und die mit einem schweren Eisen beschlagen waren. Die „Stemp- Werkstätte von Glasermeister Franz X. Widmaier. - fel", wie sie im Volksmund hießen, wurden durch Was- Die andere Gipsmühle befand sich gegenüber der heuti- serkraft abwechselnd hoch gehoben und fallen gelassen. gen Wirtschaft zur Krone, in dem Hause, das zuletzt ei- Wenn sie hoch gingen, warf ein Mann mit einer Schaufel gentümlich dem Landwirt u. Fuhrmann Thomas Dierin- immer wieder Steine unter und schaufelte nach, bis alles ger gehörte. Dieser Mühle war noch eine „Bluie" (Werg- kleingestampft war. Daneben stand ein Gatter, durch reibe), eine Ölmühle und eine Mosterei angeschlossen, den das gestampfte Material geworfen wurde. Das asch- was alles mit Wasserkraft betrieben wurde. Der vorletz- graue Gipsmehl fand dann in einem Raum nebenan seine te Inhaber dieses stattlichen Betriebes war Otto Dierin- Lagerung. Tag und Nacht wurde in der Gipsmühle ger; später ging er an seine Söhne Xaver und Hermann durchgearbeitet und wochenlang pochten und polterten Dieringer über. Sie sind heute alle nicht mehr am Leben. die schweren Stempfei in die stillen Nächte hinein. Bis Fast zu gleicher Zeit und aus mehr oder weniger dem zum Frühjahr sammelte sich dann in der Gipsmühle ein gleichen Anlaß stellten beide Rangendinger Gipsmühlen ganzer Berg von Gips an und wartete auf den Absatz. im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ihre Tätigkeit - Sobald der Schnee geschmolzen war und die März- ein. Der Hauptgrund hierfür war, daß um diese Jahre winde die Straßen und Wege trocknete, kamen dann herum der Kunstdünger aufkam. Bis dahin kannte man auch die Abnehmer aus allen Himmelsrichtungen zur landauf - landab als Düngemittel in bäuerlichen Betrie- Gipsmühle. Einmal waren es einheimische Bauern, die ben in der Hauptsache nur den Stallmist. War ein Acker Gips holten und ihn auf ihre Felder, hauptsächlich auf durch einen großen Ertrag zu stark ausgenützt, so ließ Klee- und Getreideäcker säten. Der meiste Gips jedoch man ihn einen Sommer über brach liegen, d. h., er durfte wurde nach auswärts abgesetzt. Ununterbrochen kamen ausruhen und neue Kräfte sammeln. Als erstes künstli- im Frühjahr die zwei-, drei- und vierspännigen Pferde- ches Düngemittel kam in unserer Gegend das „Thomas- fuhrwerke daher, vorwiegend aus den Albgemeinden, so mehl" auf. Viel bestaunt und beachtet wurde dessen An- aus Salmendingen, Trochtelfingen, Inneringen, Stetten wendung und die ersten Erfolge auf Äckern und Wiesen. u. H., Burladingen, Harthausen, Feldhausen und noch Rasch folgten andere Sorten, die sich schnell durchsetz- vielen anderen mehr. Die Fuhrleute, damals noch die ten. Die Folge war, daß die Abnehmer von Gips immer Herren der Landstraße, waren kernige, wetterharte Ge- mehr ausblieben. Dazu kamen in dieser Zeit die nie ab- stalten. Als Zeichen ihrer Zunft trugen sie ein blauge- reißenden Klagen der hiesigen Bevölkerung wegen der färbtes, halblanges Überhemd, mit rot eingesäumten beiden „Wehre" in der Starzel. Durch diese Wehre wur- Achselklappen. Stolz waren sie auf ihr Gespann und das de das Wasser in der Starzel gestaut und von dort aus in blanke „Geschirr". Manch prächtiges Pferd trug auf sei- die Kanäle geleitet, die zu den Gipsmühlen führten. So- nem Kummet ein schönes Dachsfell. Die Fuhrleute ka- bald die Starzel nun etwas Hochwasser brachte, was men größtenteils nicht mit leerem Wagen, sondern nicht selten vorkam, zog das Wasser nicht schnell genug brachten von dem Reichtum ihrer heimatlichen Buchen- ab, lief über seine Ufer und überflutete weit und breit wälder jeweils Holz mit. Dieses fuhren sie am ersten Felder und Wiesen, zumal das Bachbett damals auch Tage bis nach Haigerloch, wo sie es bei den Juden oder nicht die genügende Tiefe hatte. Im Jahre 1910 stellten auch bei der übrigen Bevölkerung absetzten. Am Abend dann die Gebrüder Dieringer das Gipsen ein; die andere kehrten sie dann nach Rangendingen zurück. Dort wur- Gipsmühle hatte schon etwas früher aufgehört. Die Ge- den die Wagen vor die Gipsmühle gestellt, die Pferde in meinde kaufte darauf den letzten Inhabern der Betriebe die Stallungen gebracht und übernachtet. Die Gasthäuser ihre Wasserrechte ab. Alsdann wurden im trockenen Adler, Rößle, Löwen und später auch die Krone waren Sommer 1911 alle zwei Wehre entfernt, die Kanäle ein- hierzu besonders eingerichtet. Bis spät in die Nacht hin- geebnet und das Starzelbett einer gründlichen Ausbesse- ein und schon wieder am frühen Morgen wurden die be- rung unterzogen. Die Herstellung von Gips als Dünge- reitgestellten Wagen vom Gipsmüller beladen. Zum Tra- mittel hatte damit in Rangendingen endgültig aufgehört. gen des Gipses benutzten die Männer eine eigens zu die- Ein altes Gewerbe ist damit eingegangen. Geblieben sind sem Zweck hergestellte „Barre". Auf einen Wagen lud die Namen und die alten Gipslager, die aber seither man durchweg 60 bis 80 Viertel Gips. (Das Viertel zu 18 nicht mehr ausgebeutet wurden. Die mächtigen Erdlö- Liter.) Ein Viertel Gips kostete um 1900 herum 10 Pfen- cher und Gruben hingegen sollen in absehbarer Zeit ver- nig. Es mag uns dies heute etwas wenig erscheinen, aber mutlich als Müllablagen Verwendung finden.

30 JOHANN ADAM KRAUS

Die Ringinger Seemühle 1685*1937

Schon im Jahre 1545 gab es einen von Ringingen gegen Als der Sohn Franz Xaver erwachsen war, ehelichte er Killer führenden Weg unter Hälschloch hinaus mit Na- 1773 die Ursula Mayer des Johann (Haus 67) und soll in men Mühlweg, wohin offenbar die Ringinger in alter 6 Jahren die Mühle samt Scheuerle erhalten. Im Jahre Zeit zur Mühle fahren durften. Im Jahre 1574 wird ge- 1788 war erstere mit Nr. 116 für 400 fl, die Scheuer gen den Müller zu Killer geklagt, er habe durch sein 116 a mit 100 fl im Brandkataster. Wegen Geldschwie- schlechtes Geschirr die Ringinger aus der Mühle vertrie- rigkeiten verkaufte jedoch Xaver mit Beizug der Frau ben. Seitdem aber das Dorf Ringingen 1584 ganz für- und des Johann Dorn als Beistand am 3. Juni 1792 an stenbergisch (durch einen Tausch mit Stetten) geworden, den ledigen Hans Martin Feßler des Franz von Beuren hat man auch seine Bewohner restlos in die herrschaftli- b. Hechg., zollerischen Untertan, die bis dato ingehabte che „Stadtmühle" nach Trochtelfingen gebannt. Ein Mühle samt Scheuer im Seeheimer Tal zwischen der Ge- Hans Alber von Ringingen (im Haus 7) wurde 1606 um meinde-Almand, so wie sie jetzt lauft. Dazu sind ver- 15 Pfund Heller bestraft, weil er in Dreivierteljahr nur sprochen worden: 2 Billen, 2 Zwaispitz, 4 Beutel, 4 Wan- zweimal nach Trochtelfingen, sonst aber in fremde Müh- nen, 1 Hebeisen, 1 Viertel, 1 Ihmi, 1 Halbihmi, 1 Meßle, len (vielleicht in seine Heimat Schlatt) gefahren war. 1 Halbmeßle, 2 Schaidsieb, 1 Muossieb und 1 Kernen- Auch Melchior Baur verfiel gleichzeitig der Strafe mit sieb. Aus der Mühle sind jährlich 8 Scheffel Mühlfrucht 4 Pfund 10 Schilling, da er einmal in Meldungen mahlen der Gemeinde Ringingen (und von ihr der Herrschaft ließ. Im Lauf der Zeit hatte die Gemeinde Ringingen in nach Trochtelfingen) zu entrichten. Der Verkauf geschah dem westlich gegen Killer-Jungingen liegenden Seehei- um 905 fl in bar. Hingegen hat der Käufer das Nut- mer Tal („Saia", Tal mit natürlicher Wasseransammlung zungsrecht sowohl von den 2 Gemeindeäckern als der im Gegensatz zu „Weiher") am Buchenbächle eine Müh- Gemeindewiese, muß jedoch dafür wie bisher für die le zu errichten geplant, wo früher die „Reutlinger 2 Acker je 4 Simri Frucht der Gemeinde liefern. Dem Straß" durchlief. (Die Wortendung „Heim" dürfte eine Xaver blieb in der Mühle gemäß seinem Leibgedingbrief alte Siedlung anzeigen!) Ein künstlicher Weiher war das Einwohnungsrecht vorbehalten. Es unterschrieben dort schon 1580 vorgesehen gewesen, der dann genau den Vertrag: Schulthaiß Gregor Daigger, Xaver Ste- 100 Jahre später verwirklicht wurde. Zugleich mit der cher, Michael Daigger für Hans Martin Feßler, Johann fürstlich fürstenbergischen Bauerlaubnis zur Mühle wur- Dorn und Michael Feßler (Staatsarch. Sigm.). Am glei- den 1685 eine jährliche Abgabe von acht Scheffeln chen Tag erwarb Stechers Frau das Haus Nr. 90a un- Mühlkernen (enthülsten Dinkel) an die Herrschaft auf- term Nähberg und Hohlweg für 300 fl, wohin sie nun erlegt und damit der Mühlbann nach Trochtelfingen si- zogen (90a wurde später mit Nr. 90 zusammengebaut!). stiert. Vielleicht war die Mühle ein Werk des Maurer- Der neue Müller Feßler heiratete im Jahr darauf die meisters Martin Küster von Stiefenhofen im Allgäu (da- Klara Kraus des Remig (von Haus 70), die ihm 320 fl mals Hintersäß zu Ringingen) der um 1695 die Killemer zubrachte. Wie es scheint, ging die Mühle gut. Mühle verfertigte und dann sich in Starzein niederließ. Im Jahre 1831 konnte der Sohn Franz Feßler die Maria Der erste Müller, den wir kennen, war Friedrich Stecher Anna Schuhmacherin aus Zimmern b. Hechg. heimfüh- mit Frau Margaretha und den Kindern Friedrich (1714 ren. Sie starb jedoch 1834 und er heiratete bald die Joh- mit Frau und Töchterchen ins Oberelsaß gezogen), Kuni- anna Schell von Bisingen, die nach seinem Ableben 1844 gunde (heiratete 1710 den Jerg Dorn im Haus Nr. 3) den Ambros Beck des Anton von Ringingen ehelichte, und Hansjerg, der um 1710 die Katharina Stahleckerin die 1867 im Äsental tot aufgefunden wurde. Im Jahre von Hönau heimführte. Nachdem die lutherische Familie 1847 hatte die Mühle 3 Gänge und eine Bei-Mühle katholisch geworden war, wurden die Eltern 1724 mit Nr. 145. Diese wurde um 1900 abgebrochen. Auch die den 5 Kindern Hansjerg, Michael 1712-83, Margareth, Scheuer wurde um 1852 beseitigt. Jedoch sehr hemmend Anna-Barbara und Gregor gefirmt. Die beiden Ältesten wirkte der häufige und langandauernde Wassermangel. waren 1783 im Soldatenleben und ersterer verschollen. Gebannte Kunden hatte die Mühle keine und die freiwil- Margareth heiratete einen Hans Weith in Hausen/Kil- ligen waren nicht zahlreich, teils wegen ungünstiger lertal. Die Mühle selber war 1728 dem „Hans Jerg Ste- Lage und schwierigen Wegverhältnissen. Die Mühlenein- cher, Sayhemer Müller", eigen, mit Wohnhaus zusam- richtung wird damals im Steuerkataster als mittelmäßig mengebaut und lag rings am Gemeindegut. Dazu hatte genannt. Alle Gänge konnten nicht gleichzeitig laufen, er von der Herrschaft noch eine Wiese gepachtet in Grö- denn zu schnell war der Mühlweiher leer. Das Milter be- ße eines Jauchert. Der Sohn Gregor lernte Schreinerei, stand im 16. Teil. Steuerkapital um 1837 wird für das kaufte jedoch 1739 bei seiner Verehelichung mit Anna Werk mit 1800 fl, für Verdienst 200 fl angegeben, aber Heldin (von Haus 118) die Mühle samt 2 beiliegenden im Jahre 1841 auf insgesamt 1500 fl herabgesetzt. Wiesen für 200 Gulden; davon bar 50 fl, Heiratsgut Nach einem Brand im Jahre 1853 wurde ein Neubau 50 fl, Rest in jährlichen Raten von 6 fl, Leibgeding der Nr. 135 erstellt, jedoch nicht an der gleichen Stelle, son- Eltern bis zum Tod 1755 bzw. der Mutter 1753. Erst dern mehr talwärts. Das am Bächle stehende kleine Bei- 1754 übernahm Gregor die Mühle und hatte zu zahlen: werk Nr. 145 ist um 1900 abgegangen. Ambros Beck gab für die Mutter 4 fl Hauptfall, für den Vater 6 fl, für um 1848 die Müllerei auf, zog ins Dorf herauf ins Lai beide Kleinfall 2 fl 17 kr, Kanzleitaxe 1 fl 30 und von ins neu erworbene Haus 155, das er als Maurer neu er- 442 fl 7 V2 kr Vermögen als Kanzleijura 4 fl 25 kr 3 hl. stellte. Gleichzeitig zog der protestantische Balthas Nach dem Tod der Anna Heldin, die den Kindern Xa- Schautt aus Tailfingen als Einundvierziger mit Frau Jo- ver und Elisabeth das Leben geschenkt, heiratete der sefa Miller als Müller auf. Sein Bruder betrieb die Mühle Witwer 1767 die Witwe Ursula Barth von Melchingen, im Weilertal oberhalb Hausen i. Killertal. Der 1836 ge- die ihm 366 fl brachte. Er selbst gab als sein Vermögen borene Sohn Konrad Schautt heiratete 1864 mit Rosina an: Mühle samt 3 J Acker, 2 Wiesen, 3 Kühe, 2 Stierle V2 Rist des Sebastian (aus Ringingen: Haus 134) und sein und 2 Kälble. Bruder Johann 1879 die Sophie Dorn des Anselm und

31 nach deren Tod mit Maria Guggenmoos aus Mühlhagen Die Kinder der Mühle hatten der Nähe und Bequemlich- (Murnau). Nachdem deren einzige Tochter, die um 1909 keit halber jeweils die Schule in Killer besucht. Von der geborene Paula, auf der Metzgerei Sautter in Eltingen letzten Tochter Paula erzählt der Volksmund: Als die bei Leonberg verheiratet war und Johann Schautt 1937 kleine Erdenbürgerin in festlichem Zug zur feierlichen das Zeitliche segnete, erstand in diesem Jahr Karl Welte Taufe in die Ringinger Pfarrkirche geleitet wurde, habe aus Erlaheim bei Balingen mit Frau Anna Bibiana Saile kein Lediger (wie es sonst üblich war) einige Freuden- das Anwesen von der Witwe Schautt, legte jedoch die schüsse losgebrannt, sondern der alte Riescherbeck am Mühle still. Der Anschluß an den elektrischen Strom er- Schmittenrain habe zum Fenster heraus gratuliert und folgte erst 1947. Den Mühlweiher hat eine Zeitlang der mangels eines Schießeisens mit dem „Stiefelhund" einige- Adlerwirt Alex Hochsticher als Fischteich benützt. Die mal kräftig an den Fensterladen geschlagen, sehr zur Er- Mühle im Seeheimer Tal aber klappert seitdem schon heiterung der Anwohner und besonders der begleitenden lange nicht mehr. Kinder.

JOHANN ADAM KRAUS

Seelsorger von Thanheim

Vorbemerkung 1665 Juni 1 wird Maximilian Miller auf die seit langem vakante „Kaplanei" Thanheim (Pfarrei Steinhofen an- Um 1134 schenkte die Gräfin Udilhild von Zolre 2 Höfe gebl.) angewiesen (HJH 1963, 163). Er ist 1671 noch zu Thanheim an die Nikolauskapelle zu Zwiefalten. Im hier, aber 1694 Kanonikus in Hechingen. Jahre 1228 verkaufte der Truchsess Baldebert des Gra- 1693-98 Laurentius Nann aus Gossenheim (Gosheim?), fen Friedrich von Zolre einen Hof samt Patronat der Kir- wird am 13. 2. 1693 als Pfarrer präsentiert. che von Thanheim an das Deutschordenshaus zu Ulm. 1698 ff. Johann Bapt. Frey, geb. 1665 in Konstanz, prä- Die Pfarrei wird im Jahr 1275 als minderbemittelt er- sent. 13. 2. 98, invest. 31. 1. 99. Erstfrüchte an den Bi- wähnt. schof 15 fl 54 kr. 1434 Okt. 16 wird 1 Verweser auf 1 Jahr angewiesen 1721 ff. Johann Sebastian Wohlhüter, präs. durch (Krebs, Invest. 841). Wirtbg. 3. April 1721. 1437 Nov. 13 ebenso. 1739, 1769 f. Konrad Vitallowitz, geb. Hechingen 1463 ebenso. 20. Nov. 1707, hat im Jahre 1769 28 Kommunikanten 1464 resigniert Pfr. Heinrich Pfüffer auf Thanheim (ist (über 14) und 3 Nichtkommunikanten. 1466 Kapl. i. Geislingen). 1787 Franz Anton Strobel. 1464 März 19 Johannes Bartholomäus wird als Pfr. prä- 1797-1805 Johann Nep. Schiroth, geb. Hechingen 14. sentiert durch den Grafen Eberhard von Wirtemberg Mai 1764; ging nach Owingen bis 1808. und verkündet. 1805-08 Franz Anton Reiner (vom 12. Juli bis Ca. 1485 Leutpriester Johannes Harnascher (Har- 3. Febr.), geb. Hechingen 4. 10. 66, Priester 1791, ging escher). 1808 nach Owingen, 1809 Steinhofen; f 18. 3. 1848. Bis 1522 Feb. 12 ist Pfr. in Thanheim ein Georg Flander. 1809-10 Johann Gg. F erber, geb. Hechingen Er tauscht unter diesem Datum mit dem bisherigen 29.4.1774, Pr. 1797, geht 17.7.10 nach Stetten/ Pfarrer von Margrethausen. Holst.; f Grosselfingen 17. Dez. 1827. Seit 1522 Feb. 12: Johannes Reß, bisher Margrethausen. 1810-13 P.Andreas Dionys Funk, vorher Guardian i. 1590 ist die Pfarrei vakant. St. Luzen, geht nach Jungingen, wo er 1816 starb. 1592 Mai 11 wird Johannes Ehrmann als Pfr. angewie- 1813-14 Alois Rager (14.7. bis 25.2), geb. Bisingen sen. 24. Aug. 1761, war 1792 Vikar i. Langenenslingen. 1612-15 nachweisbar: Pfr. Johannes Kretz aus Hayin- 1814-18 Johann Fried. Bulach, geb. Hechingen gen. 16.2.1769, Pr. 1792; bisher i. Steinhofen, starb mit 1651 ist die Pfarrei vakant (als Filiale von Steinhofen 48 J. am 7. Juni 1818. behandelt). Schluß in Heft 3

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Nummer: Schriftleitung: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Dr. med. Herbert Burkarth, Prof. Dr. J. Groner, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- 7487 Gammertingen (Telefon 07574/329) Adolf-Kolping-Str. 17, 7798 Pfullendorf Redaktionsausschuß: ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: Pfr. Manfred Hermann, 7451 Neufra/Hz. Walther Frick, Journalist, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. Pfr. ]. A. Kraus, Erzb. Archivar i. R., (Tel. 07571/8341) Badstraße 8, 7800 Freiburg Manfred Hermann, Pfarrer, Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Dr. Adolf Lieb, Oberstudiendirektor, 7451 Neufra/Hohenz. (Tel. 07574/442) ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie Bergstraße 9, 7310 Plochingen Die mit Namen versehenen Artikel geben will besonders die Bevölkerung in Hohen- die persönliche Meinung der Verfasser P. Maurus Pfaff OSB, zollern und der angrenzenden Landesteile wieder; diese zeichnen für den Inhalt der mit der Geschicte ihrer Heimat vertraut Benediktinerkloster 7792 Beuron Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der machen. Sie bringt neben fachhistorischen Prof. Dr. O. Stochdorph, Schriftleitung sind als solche gekenn- zeichnet. auch populär gehaltene Beiträge. Untertaxetweg 79, 8035 Gauting Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich. Botho Walldorf, Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters Lessingweg 7, 7487 Gammertingen Konten der „Hohenzollerischen Heimat": oder Redaktionsausschusses erbeten. 802 507 Hohz. Landesbank Sigmaringen Joh. Wannenmacher, Schulrat i. R., Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol- 123 63 Postscheckamt Stuttgart Goethestraße 19, 7487 Gammertingen lerische Heimat" weiter zu empfehlen.

32 W 3828 F HOHENZOLLERISCHE Herausgegeben uom Hohenzollerifchen Gefchichteoerein HEIMAT £8. Jahrgang Nr. 3/Sept. 1978

Kriegerdenkmal in Laiz von Professor Josef Henselmann Archiv Thorbecke Verlag Sigmaringen BRUNO EFFINGER

Professor Josef Henselmann * 80 Jahre

Vorbemerkung worte gaben der Veranstaltung den Rahmen einer Feier- Zum 80. Geburtstag des am 16. August 1898 in Laiz ge- stunde für den Jubilar. Der Landtagsabgeordnete und borenen Bildbauers, Professor Josef Henselmann hat die Landrat Dietmar Schlee drückte die Freude und den Hohenzollerische Landesbank Kreissparkasse Sigmarin- Stolz der Heimat aus, einen so bedeutenden Künstler als gen in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Sigmaringen Ehrenbürger von Laiz gewissermaßen zu den Bürgern des in einer Ausstellung eine Auswahl seiner Werke vorge- Kreises zählen zu dürfen. Die künstlerische Würdigung stellt. Bei der Eröffnung waren der Künstler und seine nahm der Saulgauer Kulturreferent Bruno Effinger vor, Gattin persönlich anwesend. Festansprachen und Gruß- die nachstehend wiedergegeben wird:

Die Kunst von Josef Henselmann hat zwei kräftige Gestaltung des Kunstwerks als Bollwerk gegen die Form- Wurzeln. Da ist zunächst einmal sein schwäbisches - auflösung durch die Impressionisten in der zweiten oberschwäbisches Naturtalent, das er seiner Herkunft Hälfte des 19. Jahrhunderts schon lange verlassen haben. verdankt, seine Bescheidenheit und Naivität, die Ehr- Über die Schule Hermann Hahns, zu der auch Hensel- furcht vor aller Kreatur, auch ein guter Schuß Bauern- mann neben anderen bedeutenden Bildhauern unseres schläue haben hier ihre Wurzeln. Zum anderen schöpft Jahrhunderts gehört, blieb aber der Einfluß Hildebrands er aus einer in der abendländischen Tradition wurzeln- immer noch lebendig. Die Schüler Hahns haben das We- den Bildung. Unserer Zeit der Einseitigkeiten - so klag- sentliche der bildhauerischen Aussage des Lehrers aufge- te schon Goethe in Wilhelm Meisters Wanderjahren 1820 nommen und trotzdem sich davon befreit: Ludwig Ka- - setzte er universalere Geisteshaltung entgegen. Seine sper mit seinen tektonisch gebauten Figuren ebenso wie humanistische Erziehung, womit nicht nur das Schulwis- der an archaischer Kunst inspirierte Toni Stadler, Hans sen gemeint ist, sondern auch vieles, das er sich selbst an- Wimmer lebt in Verbindung mit romanischer oder ost- eignete, wurde ihm zur lebensbildenden Kraft. Auch das asiatischer Formenreduktion, Kirchner begab sich radi- Herkommen und ein kritisches Verharren aus und im kal ins urtümlich Archaische und Hiller vereinfachte den angestammten Glauben müssen in seine Humanitas ein- Körperaufbau zu einem Gerüst oder zu kanonartigen bezogen werden. Gleichklängen der Glieder. Knappe grub eigenwillig ins Der Weg des Bildhauers Josef Henselmann führte über Material, um dieses als solches sprechen zu lassen. Bren- das Handwerk zur Kunst und diese Grundlage ist wich- ninger neigte später zur abstrakten Plastik. tig für die spätere Gediegenheit und Ehrlichkeit von In diesem Münchner Gesamtbild hat unser Josef Hensel- Henselmanns Werken. Aus der reichen bildhauerischen mann wiederum seinen ganz eigenen Weg eingeschlagen, Uberlieferung unserer oberschwäbischen Heimat schöp- es ist weniger die antike Tradition, als vielmehr das ein- fend, angefangen von den romanischen Kruzifixen und gewurzelte schwäbisch-bayrische Gespür für den Um- Madonnen bis zur Gotik, weniger zum Barock, aber gang des Schnitzmessers mit Hölzern. Als wahrer Bild- nicht nur für, sondern auch sonst in deutschen Landen hauer hat er seine Skulpturen selbst aus dem Holz oder konnte Josef Henselmann den Reichtum an Volkstum, dem Stein geschlagen. Später sind andere Materialien als Bildung, Menschlichkeit und Geist, Erlebnis und Wissen Werkstoffe hinzugekommen - Bronze, Ton, aber auch zu einem ganz persönlichen, künstlerisch aber durchaus hier entwickelte er jeweils das für diese Materialien we- in Allgemeine strebenden Ausdruck zusammenfassen, senhafte Gefühl. dessen Mitte wesentlich der Mensch als Bildnis und Eine Passage aus Schillers »Lied von der Glocke:« » . . . Schicksalsträger geblieben ist. denn wo das Strenge mit dem Zarten, wo Starkes sich Die Arbeit vollzieht sich bei Josef Henselmann in der und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang.« paßt traditionellen Form des Schauens, Erlebens und Sich-An- auf Henselmanns Werk. Dieser Zweiklang von Stärke eignens der Naturform. Das Naturmotiv, die Figur, das und Feinfühligkeit, von Härte und Milde prägt alle Tier, die Gruppe, ist ihm unerläßliche Voraussetzung im Bronzeplastiken dieses Bildhauers, die poetische Klein- Prozeß der Gestaltwerdung. Das geschieht aber nicht plastik ebenso wie die monumentalen Kultbilder. Die zi- etwa im Gewand der Verniedlichung, des Anekdotischen tierte, halb schon vergessene Ballade trifft auch den Kern oder Genrehaften bei den Kleinplastiken. Der Bildhauer insofern, als sie einführt in die Atmosphäre und den Be- wahrt hier und natürlich noch mehr in seinen großen reich der Werkstatt. Denn der souveräne Umgang mit Auftragswerken einen sicheren Abstand von gefälliger dem flüssigen Erz, mit den Prozessen, die den Guß vor- Vordergründigkeit und billiger individueller Anspielung. bereiten oder ihm folgen, d. h. die eminente Erfahrung Seine Figuren zielen eigentlich immer auf die Eindeutig- mit dem Material Bronze, ist ja auch eine der wesentli- keit der Erscheinung und holen das Lebendige aus der chen Voraussetzungen für Henselmanns bildnerisches immanenten vitalen Formendynamik. Werk. Daß es dazu kommen konnte, ist nicht allein seinem ste- Die ersten Versuche der bildhauerischen Tätigkeit voll- tigen Fleiß zuzuschreiben, sondern auch die Schule, seine zogen sich in unmittelbarer Auseinandersetzung mit der Schulung in München haben dazu bestimmt wesentlich Natur. Diese blieb dann auch über Jahrzehnte hinweg beigetragen. seine Lehrmeisterin. Der Weg des Experimentierens und Die Münchener Bildhauerei ist etwa gegenüber der Berli- Konstruierens, der Formenzertrümmerung und der Ab- ner traditionsgebundener, konservativer. Die Süddeut- straktion in der Plastik schien ihm wenig gangbar. Sei- schen blieben immer mehr und dichter bei der menschli- ner Auffassung nach ist der Rhythmus des menschlichen chen oder Tierform, auch wenn sie die Überlieferung Herzens zu allen Zeiten der gleiche geblieben. Durch von Hildebrand mit dem Aufruf zur architektonischen diesen Pulsschlag hindurch auf die eigene Stimme zu hö-

34 ren, zu warten, um wieder zu lauschen, hier liegt wohl Josef Henselmanns Auftrag in erster Linie, um den uner- müdlichen Versuch, sich dem Lebendigen als dem Wahr- haftigen künstlerisch zu nähern, um die einfache zwin- gende Aussage. Wie fest unser Künstler in dieser Welt wurzelt, zeigen seine Bildnisse. Sie sind von guter Charakteristik und echter Menschlichkeit erfüllt, dabei klare und bestimmte, wahrhafte Antlitze. Eine gute Bildnisplastik erschöpft sich nicht nur in der einfachen Wiedergabe des oder der Dargestellten. Sie ist ja weit mehr als bloße Nachbildung gegebener Formen. Im Kunstwerk der Bildnisbüste wird die Gesamtheit der physischen und geistigen Bezüge eines Menschen zur be- seelten Einheit verdichtet, zugespitzt auf den Ausdruck einer bestimmten Individualität, wie diese sich sonst nur im Zeitenablauf, in Bewegung, Geste und Gespräch kundgibt. Das Tektionische tritt als ordnendes Prinzip auf, das auch die Macht hat, allen jenen Zügen, die der Naturwahrheit entsprechen, Ausdruck und Dauer zu verleihen in der Analogie vom Sinnhaften und Bedeu- tungsmäßigen. Dem Wesen von Josef Henselmann entspricht es, seiner Bescheidenheit als Handwerker und dem lautlosen Zu- rücktreten hinter dem Werk, daß wir den einzelnen Ar- beiten gegenüber das Gefühl bekommen, etwas Gediege- nes vor uns zu haben, das ja auch die Werke etwa der mittelalterlichen Künstler erfüllt. Man sieht das Darge- stellte, empfindet seinen Ernst und fragt dann eigentlich nicht, wessen Hand das geschnitzt hat. Dieser Eindruck, die Empfindung gilt im Besonderen den vielen Werken gegenüber, die Josef Henselmann für Kirchen, für öf- fentliche Gebäude und auf öffentlichen Plätzen geschaf- Porträt von Professor Josef Henselmann fen hat. Die architektonisch bedingte Plastik lag seinem Foto: Rüdiger Hartmann, Scheer einfühlenden plastischen Empfinden ganz besonders. Die Sigmaringer Ausstellung konnte daher nur eine ganz be- schränkte Rechenschaft von der künstlerischen Spann- ne - der wesentliche Bereich seines Schaffens ver- weite des Gesamtwerkes geben. Eir oder - wie ich rm - schließt sich der Möglichkeit des Ausstellens: Standbil- der, Grabmale, Brunnen, Denkmale und große sakrale Arbeiten. An diesen Mangel mußte der Ausstellungsbe- sucher erinnert werden, denn die hohe Meisterschaft von Josef Henselmann, die Dinge zu ordnen und richtig zu stellen, wird eben in seinem Wirken in der Öffentlich- keit in gesteigertem Maße anschaulich. Henselmanns Plastiken stehen in der Ordnung eines gei- stigen Gefüges, das sich zur Mitteilung des Werkes schlechthin bedient und nicht vor allem und zunächst des Kunstwerkes bedarf. Wenn das handwerkliche Ver- mögen die Fähigkeit den Formen eine reiche Aussage- kraft zu verleihen, und die Disziplin, diese Formen selbst in einer ausgewogenen Gespanntheit zueinander zu set- zen, zum reinen Thematischen hinzukommt, und somit neben der geistigen Erfüllung des Werkes auch unser for- males und ästhetisches Verlangen Befriedigung findet, umso stärker wird es auf die Mitlebenden und Nachfol- genden wirken. Die Einfalt der Aussage, die ungekün- stelte Erscheinungsweise der Figuren, die expressive Form, die das Wesentliche der gestalteten Ereignisse be- sonders hervorkehrt, die Überschaubarkeit der sinnlichen Gesten - all diese Eigentümlichkeiten weisen der Kunst Josef Henselmanns in unserer Zeit einen Platz zu, der weit von jenem entfernt ist, auf dem es darum geht, ein besonderes Thema möglichst kunstvoll zu gestalten. Auch für einen Multscher, für einen Syrlin, für einen Grasser und Leinberger war das Kunstwerk nicht Sinn, nicht Absicht der plastischen Betätigung. Die Werke wurden Kunst.

Vas

35 sen. Werke, die nicht wegen ihrer Größe bedeutend sind, lungen, auch die über unsere Zeit herrschenden Kräfte es ist vielmehr das schon zitierte Einfühlungsvermögen sind mit einbezogen, ebenso geschichtlich, wie überzeit- in den jeweiligen - hier auch kunsthistorisch bedeuten- lich und prophetisch: Hier ist einmal Christushingabe den Raum - die eben mehr als sonst aufmerken lassen: und Nachfolge in Stefanus, der aufgewühlte Zweifel des der Passauer Dom-Altar, das monumentale Kruzifix im Saulus, die bildgewordene Selbstgefälligkeit und Ver- Liebfrauendom zu München und der Augsburger Dom- stocktheit des pharisäischen Fanatikers, die eiskalte List Altar. Mögen diese Werke aber zugleich stellvertretend des sportlich-human vollendeten Menschen der Gegen- für die vielen anderen genannt werden. wart und auch der brutale Totschläger, dumpf der eine, Ein Stadtbrand 1662 hatte auch den Passauer Dom in und der andere mit wachem Intellekt schreiten sie ge- sein Flammenmeer miteinbezogen und schwer beschädigt, meinsam zum Mord. In der Höhe scheint über Synagoge so daß vom spätgotischen Dom des 15. Jahrhunderts nur und Kirche die Herrlichkeit Gottes, der bergende Schoß wenig übrig blieb. In der hochbarocken Zeit Mitte des des Vaters, die Gnadenkraft von Christus und das Licht 17. Jahrhunderts wurde der Dom neu errichtet. Der Ba- des Hl. Geistes. rock besaß die vitale Kraft, auch das noch vorhandene Dem tiefen zeitlosen Gehalt dieses Bildwerkes wird sich Gotische einzubeziehen, so daß die Architektur etwas ei- niemand verschließen können. Man sieht in der figuren- genartig Aufstrebendes hat. Reicher, schwerer Stuck reichen Szene ein Gleichnis des ewigen Dramas von ziert die Wände und die Decke, alles wurde fertig bis Schuld, Leiden und Erlösung. Viel wurde darüber disku- auf den Hochaltar. Der Dom sollte einen wie sonst übli- tiert, manche Kritik vorgebracht, was bleibt ist das chen barocken Prunkaltar nie sehen. Werk. Veranlaßt durch die Beschädigung aus dem 2. Weltkrieg Kaum hatte 1953 Henselmann das Passauer Altarwerk wurde, wie in den vorausgegangenen Jahrhunderten im- abgeschlossen, wurde ihm ein anderer nicht weniger mer wieder die Altarfrage aufgerollt. Es blieb der Initia- wichtiger Auftrag zuteil. Der Münchner Liebfrauendom tive des damaligen Summus custos, Domdekan Eggers- brauchte wieder einen mächtigen, monumentalen dorfer, und dem großen Interesse des Diözesanbischofes Triumpfbogenkruzifixus. Er hängt großartig, und die Landersdorfer überlassen, ab Herbst 1945 den gewichti- vor einigen Monaten vorgenommene Hängung - soviel gen Plan für einen Hochaltar, der seit 1662 fehlte, auf- ich hörte geschah sie ohne das Zutun des Bildhauers, - zugreifen. Pläne wurden gefertigt, und es war klar, daß vermag dieses Kruzifix mit seiner Aussage noch mehr in dieses Unternehmen in der kunstinteressierten Welt mit den Mittelpunkt dieses Domes rücken. Dieses Domkreuz großem Interesse verfolgt wurde, es fehlten auch nicht ist einzureihen in all jene großen, monumentalen Kruzi- die Fragezeichen. 1946 erhielt der Leiter einer Bildhau- fixe, die wir kennen seit der Romanik bis zum Barock, erklasse und bald auch Präsident der Münchner Kunst- gleichberechtigt und diese Reihe heute abschießend. akademie Josef Henselmann den Auftrag. Lange rang un- Auch hier und bis jetzt ist es, in unserem Jahrhundert ser Meister um die Formung dieses schwierigen Auftrags. nicht gelungen, Ähnliches, Gleichwertiges zu schaffen. Langsam fielen die Architekturteile und nur die Plastik Darüber wird nicht viel geschrieben, das Kruzifix ist ganz allein trat in den Vordergrund. Es war keine Klei- eben da. nigkeit, in der von Stuckmassen beladenen, ungefügen In diesem Zusammenhang ist die Nebenbemerkung nicht machtvollen Architektur des Passauer Domes sich mit ei- uninteressant, und wir Oberschwaben dürfen auf die ner plastischen Altargruppe zu behaupten. Der Bildhauer Tatsache stolz sein, daß im Münchner Dom drei Künst- war dem Zwang ausgesetzt, alle im Raum des Domes ge- ler von uns Wesentliches geschaffen haben: das Kruzifix botene Monumentalität im Zueinander der Figuren selbst von Henselmann, zwei große Fenster von Wilhelm zu erwirken. Die Gestalten ordnen sich zu einem riesi- Geyer, und jetzt der Passionsaltar von Karl Caspar in gen, gut fünfzehn Meter hohen Dreieck. In sich beschlos- der Bischofskrypta. Bamberg, Passau, Augsburg, Xanten, sen und gefestigt erscheint die Komposition mit der Ste- Köln sind Stationen, wichtige Dome in der Kunstge- fanussteinigung, den waagrecht schwebenden Figuren von schichte, die von unseren oberschwäbischen Meistern in Ekklesia und Synagoge und oben Gottvater und Christus diesem Jahrhundert ausgeschmückt wurden. in der Mandorla. Klärung und Haltung schafft dieses Zum Abschluß sei noch ein drittes Monumentalwerk von Dreieck, aber nicht Ruhe. In seiner spitzen Form weist es Josef Henselmann vermerkt - der Augsburger Dom- über sich selbst hinaus, und diesen Eindruck der Vertie- Hochaltar. 1955 wurde der Künstler hier vor eine ähnli- fung steigernd, schwebt hoch über dem plastischen Ge- che Aufgabe gestellt wie in Passau. Es galt, den neugoti- füge und zum freien Raum vermittelnd, die Taube des schen Altar aus dem 19. Jahrhundert zu ersetzen und das Hl. Geistes. neue Werk dem gotischen Hochchor einzubinden. Im Eine ähnliche Zweiheit von plastischer Existenz und en- Langhaus sind die berühmten Glasfenster eingesetzt, die gem Korrespondieren mit dem Raum bekundet sich in als die ältesten gelten, Propheten von mächtiger Gestalt. der Verträglichkeit klobiger, schwerkörperlicher Formen Auch sonst ist im Dom noch viel an gewichtigen Kunst- mit konkaven Partien. In solchen Hohlformen wird die werken vorhanden. Aufgabe war, an diesen Jahrhunder- monumentale Plastik vom Raum gleichsam angerührt ten nicht vorbei zu gehen, sondern trotz aller persönli- und ihrers erdhaften Lastens benommen. Zum Vorteil cher Gestaltung Verbindungsfäden zu ihnen zu knüpfen, wirkt auch die dem Pappelholz dünn aufgelegte und und Josef Henselmann meisterte die drei entscheidenden doch das Handschriftliche nicht verdeckende Silberfolie. Elemente: die Komposition, die Formprägung und die Dieser monumentalen Großplastik im öffentlichen, im Materialauswahl und Beherrschung. Auf einem hohen kirchlichen Raum ist bisher in unserem Jahrhundert Sockel, wie über einem Berg erhebt sich ein fast acht nichts ähnliches und auch nichts gleichwertiges entgegen- Meter hohes Kreuz und unterhalb der Kreuzbalken ste- gestellt worden. hen die 12 erlösten und zu Mission und Martyrium aus- Es geht ja darum, nicht nur vom Formalen her diesen gesandten Apostel. Die glücklich gewählte Anordnung Domraum zu bezwingen, es soll immerhin auch noch füllt den großen Raum in überzeugender Kraft und gibt eine Aussage hinzukommen. Das Formale als Aussage al- andererseits wieder soviel Durchblicke, daß sich die gro- lein kann nicht genügen. Henselmann ist in Passau aber ße und schwere Komposition den aufgelockerten goti- nicht nur eine Aussage über den Erzmärtyrer Stefanus ge- schen Formen annähert. Der Bronzeguß fügt sich vom

36 Licht umflossen dem Raum ein und entspricht unserem Neben dem Jubilar selbst ist stets auch seine Frau Ma- Zeitgefühl für diese Aufgabe, ein gültiges und für diesen rianne geborene Euler zu nennen. Sie gibt dem Heim an Ort zutreffendes Werk. der Donaustraße in München und auch in Laiz die At- Man müßte jetzt noch der vielen anderen und nicht we- mosphäre, das Heimelige, das Mütterliche. Darüber hin- niger gewichtigen Aufgaben und Werke gedenken. So aus war sie selbst als Künstlerin ein guter Arbeitskame- etwa ist auf die Brunnen zu verweisen, ein altes, großes rad. Thema, welches bei Henselmann stets einen breiten Als Malerin ist sie von der alten, ewig jungen Leiden- Raum einnimmt. Auch in diesen Brunnen sind weithin schaft aller passionierten Maler besessen, die Gegenstän- durch Ausgewogenheit der Formen und ihrer Bedeutung, de ihrer Umwelt in Malerei zu verwandeln, in ein imagi- Bildwerke und Bauwerk in eine innere, gesetzliche Uber- näres Museum stiller, beschaulicher Bilder. Unbeeinflußt einstimmung gebracht. von Programmen und Doktrinen hat Marianne Hensel- Der Lehrer darf nicht vergessen werden. 1932 wurde Jo- mann es immer wieder verstanden das Charakteristische sef Henselmann Professor an der Müncher Akademie für schlagartig zu vereinfachen und ihnen eine leuchtende angewandte Kunst, 1946 erfolgte der Ruf auf den Lehr- Erscheinung zu geben. In einer keineswegs naiven Sinn- stuhl für Plastik an der Akademie der bildenden Künste lichkeit den Eindrücken der Außenwelt zugewandt, sind in München. Hier wie dort hatte er seine überlegene diese Bilder nicht nur Impressionen, ganz unfeierlich, handwerkliche Meisterschaft vermitteln können und viele ohne Pathos entstehen Verdichtungen von tausendfacher junge Künstler in das Reich der Kunst eingeführt. Naturbeobachtung. So etwas entsteht nicht nur auf der Das Künstlerische an sich ist ja nicht lehrbar und Wert- Staffelei, sondern aus der inneren Uberfülltheit mit der vollstes, was ein Lehrer seinen Schülern geben kann, ist Vorstellung »Natur« im Ablauf, Wachsen und Werden. die Sicherheit in der Beherrschung der Formmittel, da- Die Henselmanns haben vielen Menschen Freude mit ih- mit sie in der Stunde, da sie erfüllt sein sollen vom eige- ren Werken bereitet, sie zwingen damit zur Hochach- nen Werk, fähig sind, das Gefühl und Geschaute in die tung, und es erfüllt auch mit Stolz, daß sie beide zu uns sinnlich wahrnehmbare Welt zu übersetzen. gehören; so darf man wünschen: ad multos annos.

DR. HEINRICH RETTICH

1200 Jahre Burladingen * Probe vor der Geschichte bestanden Der Festvortrag von Bürgermeister a. D. Dr. Rettich beim Burladinger Festakt

»Ein einmaliger Höhepunkt in der über 1200jährigen Geschichte Burladingens vereinigt uns heute in festlicher Runde. Die baden-württembergische Landesregierung H Slamt hat der Gemeinde Burladingen mit Wirkung vom 1. Juli fct «»d- J

Funde als Zeugnisse

Der Raum zwischen dem Paß an der Wasserscheide Lorscher Urkunde mit der Ersterwähnung von Burladingen Rhein/Donau und den Quellzuflüssen der Fehla dürfte aus dem Jahre 772 seit je eine gewisse Anziehungskraft ausgeübt haben, doch sprechen von den Zeiten vor 772, dem Jahr der erstmaligen Nennung Burladingens, nur Funde wie Alemannenzeit Grabbeigaben, Schmuckstücke, Münzen und Waffen zu Von besonderer Bedeutung für die volkliche Substanz uns. Dies gilt von der Bronze- ebenso wie von der frühe- der Alb dürfte das Vordringen der Alemannen aus dem ren und der späteren Eisenzeit. So hinterließen die von norddeutschen Raum gewesen sein. Die meisten Orte mit westlich des Rheines gekommenen Kelten auch in unse- den Endsilben ,ingen' im Namen führen ihre Entstehung rem Raum Zeugnisse einer beachtlichen Kultur. hierauf zurück. Auch Burladingen und vier seiner Stadt- teile beschließen ihre Namen mit ,ingen'. Was liegt da Römische Siedlung näher als die Vermutung, auch sie verdankten ihre Ent- Mit einem um die erste Jahrhundertwende n. Chr. er- stehung der alemannischen Landnahme im 4. und richteten und in seinen Umrissen auch noch heute er- 5. Jahrhundert. Eine Gewißheit hierüber besteht freilich kennbaren Kastell an der Wasserscheide auf Schlichten nicht. Fest steht aber, daß sich die Alemannen gerade im bekundeten die Römer ihre Anwesenheit im Burladinger Weichbild Burladingens dicht angesiedelt haben. Die Raum. Daß östlich dieses nur wenige Jahrzehnte genutz- Aufdeckung zahlreicher alemannischer Reihengräber seit ten Kastells noch eine zivile römische Siedlung bestanden der Jahrhundertwende und noch bei den Baulander- hat, erscheint durch zahlreiche Funde erwiesen. schließungen nach 1950 bestätigt dies.

37 Durch Schenkung Existenz bewiesen lien beläuft sich der Gesamtschaden, den Burladingen in den Jahren 1628 bis 1645 durch die Kriegsereignisse er- Erstmals genaueren Aufschluß gibt dann die Urkunde litten hat, auf über 118 000 Gulden, eine für die verarm- von 772. Mit ihr schenkten ein sonst unbekannter Bleon te, auf wenige hundert Einwohner geschrumpfte Bevöl- und sein Sohn dem Kloster Lorsch in Hessen Güter, die kerung ungeheure Summe, wenn man bedenkt, daß da- sie in Burladingen und einer Reihe anderer Orte, unter mals ein Pferd um 30 und eine Kuh um 25 Gulden wert ihnen Gauselfingen und Melchingen, besaßen. Diese Ort- waren. schaften müssen mithin bereits fundierte Gemeinden ge- wesen sein, und die Urkunde besagt weiter, daß sie im Weniger stark berührten der spanische und der österrei- alemannischen Gau auf Burichinger Markung gelegen chische Erbfolgekrieg unseren Raum, um so mehr dage- seien. Dabei hat diese Bezeichnung nichts mit Burladin- gen die napoleonischen Feldzüge mit ihren vielen Durch- gen, sondern mit einem unweit abgegangenen Ort Buri- märschen und Gefechten. chingen zu tun. Die von der fränkischen Oberherrschaft Verschärft durch diese Ereignisse blieb die Lage der Un- errichteten Gaue waren somit auch im schwäbischen tertanen unverändert prekär. Zwar überschritt der Bau- Raum eingeführt, und zur wirtschaftlichen Festigung der ernkrieg von 1525 die Grenzen der Zollerngrafschaft segensreich wirkenden Reichsklöster, von denen Lorsch nicht, dafür aber hatte diese und später das Fürstentum eines war, trug damals auch Grundbesitz in unserem Hohenzollern-Hechingen in den 15 Aufständen zwischen 1584 und 1796 ihren eigenen Bauernkrieg. Er fand sei- Raum bei. nen Höhepunkt in dem - ich darf zitieren - »Land Ortsadel und Burgen und Leute verderblichen Landesprozeß mit den Fürsten«, der schon im 17. Jahrhundert begann und nach endgülti- In der Folgezeit trat Burladingen wieder in geschichtli- ger Abweisung der Kläger 1768 durch das Reichskam- ches Dunkel zurück. Um die Jahrtausendwende faßte mergericht mit dem auch von Burladinger Seite heißum- auch auf der Alb ein Ortsadel Fuß. Er hat sich in Burla- kämpften Landesvergleich vom Juni 1798 sein spätes dingen vom 12. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts ge- Ende fand. Worum ging es in diesem Prozeß: Vornehm- halten. Über seine Herkunft und seine Legitimation, ob lich um die hohen Wildschäden, die freie Pirsch, die selbständige Herren oder unfreie Ministerialen, verlautet Aufhebung der Leibeigenschaft und der Fronden. Der so gut wie nichts. Man wird ihn jedoch kaum davon Fürst entließ sämtliche Untertanen aus der Leibeigen- freisprechen können, das Seine dazu beigetragen zu ha- schaft, darüber hinaus brachte der Vergleich wesentliche ben, daß die Bevölkerung immer mehr in die Leibeigen- verfassungsrechtliche Neuerungen. schaft abgesunken ist. Daß der Ortsadel, wo immer er auftrat, glaubte, sich auf steilem Felsen kühn errichtete Burgen schuldig zu sein, kommt noch heute der Land- Not- und Hungerjahre schaft unserer Stadtteile Ringingen, Melchingen, Stetten Der Wind der französischen Revolution begann auch in und Gauselfingen zugute, nicht aber Burladingen selbst, den hohenzollerischen Landen zu wehen, und beruhigte dessen einsitge Burgen fast nur noch nach Namen und sich, angefacht durch böse Not- und Hungerjahre, bis örtlichkeit bekannt sind. zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr. Die Leibeigenschaft war zwar aufgehoben, aber die aus ihr Die Zeit der Zollergrafen herrührenden Abgaben blieben. Teile der zollerischen Mit dem Eintritt der Zollergrafen in die Geschichte Bevölkerung weiteten nach Jahrhunderten der Abge- bahnt sich dann eine gewisse Stetigkeit der Herrschafts- schlossenheit allmählich außerhalb der Markungsgrenzen verhältnisse an. Doch keineswegs sofort: Im 14. und 15. ihren Blick und leisteten den neuen Strömungen Vor- Jahrhundert wechselte Burladingen nicht weniger als schub; Burladingen und Killertäler Hausierhändler nicht neunmal den Besitzer. Hierbei mischten die Zollergrafen zuletzt. kräftig mit. Erst seit dem Wiedererwerb aus württem- bergischer Hand im Jahre 1473 gehörten Burladingen Für die Folgezeit genügen Stichworte: 1848 und 49 neue wie auch Killer, Starzein und Hausen der Zollerngraf- Bauernaufstände; die Pfarrer Blumenstetter, Diebold schaft kontinuierlich an und als es hundert Jahre später und Spreisler sowie einige Lehrer treten auf: dem Neuen zur Aufteilung des zollerischen Besitzes kam, fielen diese zugetan, doch volksnahe Mahner zur Besonnenheit; Orte der Grafschaft Hohenzollern-Hechingen zu. Pfarrer Blumenstetter als Abgeordneter in der Paulskir- Es muß jedoch gesagt werden, daß die Bevölkerung un- che zu Frankfurt; die Fürsten von Hohenzollern-He- seres Raumes keine Erleichterung ihrer Lage erfuhr. Zu chingen und -Sigmaringen erkennen die Aussichtslosig- sehr hatte der vielfache Wechsel im Besitz der Orte, ja keit weiterer Regentschaft und treten ihre Länder an die einzelner Ortsteile an der Leistungskraft unserer Albge- Krone Preußens ab. Ein entsprechender Staatsvertrag meinden gezehrt, Hinzu kam, daß die mit der Erbteilung mit dem Fürstentum Hechingen wird im Dezember 1849 von 1575 geschaffene Grafschaft Hohenzollern-Hechin- geschlossen, und Anfang 1852 übernimmt Preußen die gen eben doch klein war, und sich schwer tat, den An- Regierung. sprüchen der Hechinger Hofhaltung zu genügen. Dies wohl noch mehr, nachdem die zollerischen Grafen auf »Mehr recht als schlecht« dem Reichstag zu Regensburg 1623 gefürstet worden Mit diesen Daten beginnt für die hohenzollerischen Ge- sind. meinden eine neue geschichtliche Phase, und es erscheint geboten, zu resümieren, wie Burladingen die Zeiten der Pest und 30jähriger Krieg großen Wanderungen und der Feudalherrschaft bestan- Um so schlimmer wirkten sich da die großen Nöte und den hat. Unvoreingenommen kann gesagt werden, mehr Drangsale der Folgezeit aus. 1612 dezimierte die Pest recht als schlecht, und es sind immerhin Lichtpunkte, unsere Bevölkerung. Die schrecklichste Geißel bedeutete wenn Burladingen früher oder später das Marktrecht er- aber auch für Burladingen der 30jährige Krieg, den halten hat und unter den Zollergrafen Sitz eines Amtes Freund und Feind gelich gnadenlos nach dem Grundsatz mit Gauselfingen und Hörschwag war. Im übrigen sind der sich selbst ernährenden Feldzüge führten. Nach einer es Jahrhunderte der Plagen und Widrigkeiten gewesen, fundierten Berechnung auf Grund vorhandener Archiva- des Kampfes gegen Hungersnot, Seuchen und Krieg.

38 Burladingen um 1885/90

Verständnis der Beteiligten aus der Raumschaft Burla- Der Hausierhandel dingen die Großgemeinde werden ließ, und damit die Eine für die weitere Zukunft entscheidende Entwicklung Voraussetzung zur Stadterhebung Burladingens schuf. bahnte sich jedoch an; die im 30jährigen Krieg auf 300 Und noch eines sei anerkannt: Seit dem Bestehen Baden- Seelen dezimierte Bevölkerung Burladingens wuchs bis Württembergs fährt Burladingen trotz eines Paketes of- zum Übergang an Preußen 1852, also binnen nur 200 fener Wünsche mit diesem Lande gut. Das hervorragende Jahren, trotz hoher Kindersterblichkeit auf stattliche Zeichen aber, in dem Burladingen im letzten der 12 1600 Einwohner an, eine Zahl, die alle Nachbarorte weit Jahrhunderte seiner verbürgerten Geschichte stand, ist übertraf. Ein organisches Wachstum freilich bedeutete sie seine Industrialisierung und sein darauf gegründeter un- bei den nur mäßigen landwirtschaftlichen Möglichkeiten gewöhnlicher Aufstieg. kaum, viel eher lastenden Bevölkerungsdruck. Schon früh hieß es daher, sich weiteren Erwerbsquellen zuzu- Von der Burladinger Sternstunde wenden, so der Töpferei und, seit dem 18. Jahrhundert, auch der Herstellung landwirtschaftlicher Holzwaren: Als vor rund hundert Jahren, vom württembergischen Erzeugnisse ohne Rohstoffprobleme, die jedoch nur Staat unter Minister Steinbeiß zielbewußt gefördert, im durch den Hersteller selbst im Hausierhandel absetzbar Räume der heutigen Albstadt eine florierende Trikotin- waren. Die Burladinger Werker und Händler führte dustrie entstanden war, da hat nur wenig später auch hierbei der Weg in den gesamten südwestdeutschen Burladingens Sternstunde geschlagen. Bescheiden fing es Raum, aber auch tief nach Bayern und Norddeutsch- an, doch lag der eminent fleißigen und strebsamen Be- land. völkerung, die schon bisher primitive Hausweberei und -Strickerei betrieb, der Sinn für die neuen Chancen gleichsam im Blut. Mehr und mehr Burladinger gingen in Das klassische Saculum den Trikotfabriken des Talgangs zur Arbeit, und nicht Doch, meine Damen und Herren, der Vortrag ist noch gering war die Zahl der Frauen, die gegen bescheidenen das letzte der 12 Jahrhunderte schuldig, das für Burla- Lohn Heimarbeit für Ebinger und Tailfinger Trikotbe- dingen - die Formulierung sei gestattet - zum klassi- triebe verrichteten. schen Säculum seiner Geschichte wurde. Zwar nicht in erster Linie politisch: Die weiträumige preußische Ver- waltung ließ sich bevorzugt die beiden früheren Resi- Die Gründerzeit denzstädte angelegen sein, doch sorgte sie in den Landen Schließlich, 1887, machte sich der erste Burladinger mit für wesentliche Verkehrserschließungen durch Schiene, der Herstellung von Trikotware selbständig. Weitere Straße und Weg und nahm sich tatkräftig der Förderung Gründungen folgten 1889, 1896, 1908 und 1914, beschei- der Landwirtschaft an. Denkwürdig für unseren Raum dene Unternehmen zunächst, durch ihre spätere Ent- ist der 7. Oktober 1925, an dem ein preußisches Gesetz wicklung jedoch als Pioniertaten voll bestätigt. Da kaum dem einstigen Kreis Hechingen seine bis zur Kreisreform Eigenkapital verfügbar war, hielten fürs erste Wohnstu- unveränderten Grenzen gab: Die Oberämter Haigerloch ben und Scheunen der Hausgrundstücke als Produktions- und Gammertingen wurden aufgelöst, und von letzterem stätten her, doch konnten noch vor dem Ersten Welt- die einst fürstenbergischen Gemeinden Meldungen, Rin- krieg einige Fabriken bezogen werden. Ihnen folgten da- gingen und Salmendingen dem Kreis Hechingen einver- nach zahlreiche Erweiterungsbauten auch von inzwi- leibt. Erst seitdem gehören sämtliche Orte und heutigen schen neugegründeten Firmen, und wa war bereits eine Stadtteile unserer Raumschaft dem gleichen Kreise an. unumstrittene Stellung, die sich die Burladinger Indu- Seit der jüngsten Kreisreform ist dies der Zollernalb- strie bis zum Zweiten Weltkrieg auf dem Textilmarkt kreis, und die Gemeindereform war es, die dank dem verschafft hatte.

39 Wirkung über den Ort hinaus mitte eine große Zahl Heimatvertriebener und Ostzo- Die schweren Rückschläge der Kriegsjahre wurden ziel- nenflüchtlinge in den Fabriken fleißig mitarbeiten. Auch strebig überwunden, ein steiler Aufstieg mit neuen Pro- darüber darf die Geschichte Burladingens nicht hinweg- duktionen und modernsten Maschinen setzte ein und gehen, und ebenso nicht über das beachtliche Kontingent prägte in den vergangenen 30 Jahren das Bild der heuti- ausländischer Arbeitskräfte, die schon seit Jahren willige gen Stadt mit ihren langgestreckten und hochgeschossi- Helfer in den Betrieben sind. gen Industriebauten. Schon früh reichten die örtlichen Was in vorstehendem von der Textilindustrie zu sagen Produktionskapazitäten nicht mehr aus. Arbeitskräfte war, gilt ebenso für die Betriebe anderer Branchen, so aus der Raumschaft und darüber hinaus pendelten schon für ein bedeutendes Speditionsunternehmen, eine Präzisi- bald nach Burladingen ein oder nahmen die Arbeit in Fi- onswerkzeugfabrik, ein Sägewerk und eine Bausteinfa- lialbetrieben auf, die im hiesigen Räume, in den Nach- brikation, ja, und dies sei gerne angefügt, auch für unse- ren Stadtteil Gauselfingen, der mit einem Viertel der Einwohnerzahl Burladingens eine weitgehend ähnliche Entwicklung im Verhältnis 1:4 genommen hat. Andere Stadtteile lassen Ansätze einer industriellen Entwicklung erkennen.

Wesentliche Aspekte Meine Damen und Herren, eine gewerbliche Expansion wie die Burladingens ist nur in einem Bereich sich stän- dig erneuernder Infrastruktur vollziehbar, zumal wenn daneben eine Vermehrung der Einwohnerzahl von rund 1850 in 1900 auf 2750 in 1939 und 5500 in 1970 einher- geht. Kann dieser Ausbau der Infrastruktur auch hier nicht aufgezeigt werden, so sollen doch zwei Geschehnis- se nicht unerwähnt bleiben, mit denen Burladingen höhe- ren Ortes wichtige Hilfe erfuhr. Das ist einmal der An- schluß der Gemeinde an eine Vollspur-Eisenbahn, die 1901 mit der Inbetriebnahme des ersten Teilstückes der Hohenzollerischen Landesbahn stattfand, einer preußi- schen Initiative, und zum zweiten 1930 der Bau des Dr. Rettich beim Festvortrag Kreiswasserwerkes durch den Landkreis Hechingen mit Burladingen als Hauptabnehmer. Im übrigen hat Burla- barkreisen, ja im württembergischen Oberland, im dingen von Anbeginn den Erfordernissen der Industriali- Schwarzwald und in der Pfalz errichtet wurden. sierung zu entsprechen versucht und dies lange Zeit dank Es ist hier nicht der Ort für Monographien einzelner der Tatkraft ausschließlich ehren- und nebenamtlich in Unternehmen, ja selbst nicht dafür, einige wenige reprä- der Gemeindeleitung tätiger Bürger. sentativ für alle anderen herauszustellen. Auf eines aber Preußische Sparsamkeit war es mit, die Burladingen erst kann Burladingen verweisen: Mit Ausnahme einer hier 1932 mit über 2400 Einwohnern einen hauptamtlichen schon früh etablierten Filiale gingen alle noch heute be- Bürgermeister zugestand. Doch da galt auch schon das stehenden Betriebe aus alteingesessenen Bauern- und Verbot jeglicher Aufnahme von öffentlichen Krediten Handwerkerfamilien hervor. Da hat es keiner Ansied- und später die Abführung der Gewerbesteuererträge als lungen von auswärts, keiner Verlagerungen oder ähnli- Kriegsabgabe. cher Anlässe bedurft. Der damaligen Häupter jener Fa- milien der Heim, Mayer, Fauler und Sauter sei darum Infrastruktur Werk der letzten ß0 Jahre am heutigen Tage ehrend gedacht. Aber auch der Söhne, Das allermeiste an der heutigen Infrastruktur geschah in Töchter, Schwiegersöhne und Enkel der einstigen Grün- den zurückliegenden dreißig Jahren und zwar immerhin der sei Erwähnung getan, haben sie doch an verantwort- in einem Maße, das Burladingen bei der Gemeindereform licher Stelle die überkommenen Unternehmen zu ihrer zur Aufnahme von neun Ortschaften mit zusammen heutigen Bedeutung emporgeführt. 7000 Einwohnern qualifiziert hat und nunmehr zur Füh- rung des Titels »Stadt«. Gelebte Solidarität Doch, mit diesem Titel darf es für die junge Stadt sein Bewenden nicht haben. Burladingen wird in ihm einen Ein rühmliches Faktum Burladinger Geschichte ist die Auftrag, eine Verpflichtung sehen, kein Ende, sondern nie beschworene, von Anbeginn aber gelebte Solidarität einen Beginn. der Mitarbeiter mit ihren der gleichen Schule entwachse- nen Unternehmern, ein patriarchalisches Verhältnis, das Stadterhebung ein Auftrag auch in späteren Jahrzehnten nie völlig erloschen ist. Es Der Auftrag, den eine Stadterhebung bedeutet, ist indi- waren bis zum Ersten Weltkrieg und noch danach be- viduell. Für Burladingen als ausgeprägte Flächengemein- scheidene Verdienste, mit denen sich in Burladingen de besagt er, städtische und ländliche Gesinnung in ihren Mann und Frau und eine zahlreiche Jugend begnügt ha- positiven Werten bestmöglich zu integrieren und als ben. An dieser Stelle darf jedoch auch darauf hingewie- Stadt noch mehr das zu pflegen, was uns weitgehend ab- sen werden, daß Burladingen während der Wirtschafts- handengekommen ist, eine lebendige und - man ist ver- krisen dieses Jährhunderts, darunter auch der gegen- sucht zu sagen — ökologisch empfundene Harmonie von wärtigen, eine Arbeitslosigkeit nicht kannte. Stadt und Land. Bevölkerungsbewegungen Zu den Prioritäten Ihren heutigen Status aber hätte die Burladinger Indu- Daß dies nicht Wunschziel bleibe, vereinfacht die kom- strie kaum erreicht, würde nicht seit der Jahrhundert- munalen Probleme Burladingens keineswegs. Die Stadt

40 Burladingen um 1965 Foto: Mühlhansel

kann jetzt planerisch die gesamte Raumschaft erfassen Jahren fast pausenlosen Planens und Bauens hat die Ge- und übergreifende Projekte verwirklichen, sie wird je- meinde der Jugend der Raumschaft ein Schulzentrum doch hierbei prüfen, wo städtischen und wo land- und vor der Haustür erstellt, das mit modernsten Mitteln alle forstwirtschaftlichen Notwendigkeiten Priorität gebührt. Möglichkeiten allgemeiner Bildung bietet. Daß diese voll Im Hochbau möge Burladingen weiterhin vermeiden, ausgeschöpft werden, möge auch in Zukunft so sein. was andernorts falsches Verständnis nicht selten fehldis- Doch sei das Bildungsstreben, das sich hier kundtut, stets poniert hat. von der Liebe zur Heimatstadt und der Anhänglichkeit In diesem Sinne will auch die Ortskernsanierung ver- an sie getragen! Der weiterführende Schulbesuch verleite standen sein. Doch Burladingen wäre nicht die notorisch nicht dazu, den Blick für später verstärkt den großen dynamische Gemeinde, wollten die Wünsche auch auf Städten und ihren Ballungsräumen zuzuwenden, wäh- den eigentlichen Gebieten der Infrastruktur jemals ver- rend auch im ländlichen Raum das Leben immer qualifi- stummen; hier jedoch auf sie einzugehen, führte zu weit. zierter und für einen gehobenen Nachwuchs aufnahme- Damit sie sich aber in angemessenen Fristen erfüllen, ge- fähiger wird. nügt aufgeschlossener Bürgersinn allein nicht. Mit ihm Ja, das Anliegen lautet überspitzt ausgedrückt so: Zwi- Hand in Hand muß tätiger Opfergeist gehen. Auch für schen den Räumen nördlich und südlich seiner heutigen diesen hat die Gemeinschaft der Bürger hier und in den Grenzen, die weitgehend von namhaften, gewerbeträch- Stadtteilen eindrucksvolle Beweise erbracht. Mehrere tigen Städten bestimmt sind, darf der Raum Burladingen würdige Kirchenbauten sind im Stadtbereich in den letz- nie eine Art Hohlraum werden. Noch besteht hier keine ten Jahrzehnten entstanden, andere wurden stilgerecht Gefahr, und die Burladinger Jugend würde ihrer Vor- renoviert. Auch hier hat sich in hohem Maße tätiger Ge- fahren entsagen, wollte sie diese irgendwie aufkommen meinschaftssinn bewährt, und zu manchem Sport- und lassen. Burladingen setzt hierin alles Vertrauen in sie. Versammlungszentrum - man denke nur an das Hallen- bad - trugen bürgerschaftliche Fördervereine stattliche Wünsche für die Zukunft Summen bei. Anerkennung verdient aber auch das Ver- ständnis, mit dem die Bürger der Raumschaft den unver- Abschließend darf man der Stadt Burladingen wünschen, meidlichen fiskalischen Beschlüssen ihrer einstigen und ihre noch junge Gemeinschaft möge sich immer mehr fe- der heutigen Gemeinde gefolgt sind. stigen, aus der stets guten Nachbarschaft des einstigen Der Charakter als Stadt darf an der Gemeinschaft der Unterzentrums zu seinem Raum erwachse eine enge, ver- Bürger nicht rütteln und zur Anonymität hinführen, trauensvolle Partnerschaft im Rahmen der Stadt. Burla- darf im nachbarlichen Umgang nicht reservierte Kühle dingen stehe auch in Zukunft fest auf seinen zwei Fun- anstelle von Wärme treten lassen, darf da, wo es schon damenten, seiner blühenden Industrie und einer Land- immer heimisch war, das »Du« nicht durch ein »Sie« wirtschaft, für die zu mühen sich lohnt, flankiert von verdrängen. Ja, es ist gut so, daß jüngst von verantwort- gesundem Handel, Handwerk und Dienstleistungen jeg- licher Seite die »Stadt mit Herz« verpflichtend ange- licher Art. Die Stadt möge mit ihren Pfunden, wenn sprochen worden ist. schon nicht wuchern, so doch erfolgreich walten, Über- kommenes sinnvoll wahren und sich dem Neuen tatkräf- Die junge Stadt zeige sich aber auch in Zukunft wirt- tig doch wägend erschließen. Dabei bleibe sie ihren Bür- schaftlich solidarisch und von welcher Warte aus immer gern wie eh und je zutiefst erlebbare Heimat, die ihnen auf die Erhaltung und Mehrung ihrer Leistungskraft be- Halt und Geborgenheit schenkt.« dacht! Unsere Betriebe müssen als Lebensgrundlage trotz weltweitem Wettbewerb erfolgreich fortbestehen und von fleißigem, schaffigem, heimischem Leben erfüllt bleiben, Handel und Handwerk bedürfen auch in Zu- RÖMER-KASTELL kunft des nachbarlich verbundenen Kunden, und die IN BURLADINGEN-HAUSEN Freien Berufe ihrer Patienten und Mandanten. Im nächsten Heft der Hohenzollerischen Heimat Jugend ein Anliegen bringen wir den Abdruck dieser Arbeit des Auf ein Anliegen aber sei besonders hingewiesen: Burla- Burladinger Konrektors Hans Grubmiller. dingen braucht auch in Zukunft seine Jugend. In 25

41 JOHANN ADAM KRAUS Haigerioch*St.Märgen*Hohenberg 1096*1120*1158

Anläßlich einer Ausfahrt von Freiburg über St. Peter Als ältesten Nachweis für die Hohenberger kannte man wurde auch die nahe Pfarr- und Wallfahrtskirche St. bisher den Grafen Burkart 1172-1190 4. Prof. Karl Märgen besucht. Während der Patron des ehemaligen Be- Schmid hat jedoch 5 eine in Marseille erhaltene Urkun- nediktinerklosters St. Peter (1093-1806) klar im Na- denkopie zitiert, deren Original vom 25. Oktober 1158 men erkennbar ist, konnten sich die Teilnehmer über den vom Kaiser Friedrich Barbarossa herrührte, der damals Namen St. Märgen nicht schlüssig werden. Einige ver- in Italien (Verona) weilte. Darin sind neben verschiede- muteten darin die hl. Margaretha, andere gar den Evan- nen geistlichen und weltlichen Zeugen auch aufgeführt: gelisten Markus. Beides stimmt jedoch nicht. Die Urkun- Otto von Wittelsbach, Berthold von Andechs, Berthold den lehren, daß es sich um ein ehemaliges Kloster der von Vohburg, Markgraf Hermann von Baden, Emicho Augustinerchorherren sanctae Mariae handelt. Der von Leiningen, Berengar von Sulzbach (Hirschberg), Al- Name wurde über »sant Marien, sant Märjen« zu St. bert von Tirol, und den Schluß dieser hochadeligen Her- Märgen. (Der adelige Mettelhans Schwelher zu Ringin- ren bilden Graf Fredericus de Hohenburg und Graf Ru- gen hatte drei Töchter Margareth, Ursula und Mergelin, dolf von Bregenz (Pfullendorf). Man darf in diesem d. h. Mariele, um 1450). Noch heute blüht die Marien- Friedrich von Hohenb«rg den erstmals vorkommenden wallfahrt in St. Märgen und hat ihren Mittelpunkt im Grafen von Hohenberg sehen und zwar mit Rücksicht Gnadenbild der linken Seitenkapelle. Das Gotteshaus auf den Ausstellungsort und die nur als Kopie oder Ab- hatte schon länger an Feuchtigkeit zu leiden (um 1912 schrift erhaltene Urkunde. Dieser Friedrich von Hohen- schlug einmal der Blitz darein und machte große Schä- berg wird ohne ersichtliche Gründe als der jüngere Bru- den!). Neuestens wurden die Außenmauern ringsum tief der obigen Burkarts von Hohenberg angesehen 6, der bis freigelegt und abgedichtet und Drainage gelegt, wäh- 1192 vorkommt, aber keine Nachkommen hinterlassen rend die vielfach angepriesene Durchlöcherung bzw. zu haben scheint. Durchlüftung des Mauerwerks nichts genützt hat. Daß Die Grafen von Hohenberg haben bis zum Jahr 1293 diese Cella sanctae Mariae ihren Ursprung um 1120 ei- den Schutz St. Märgens und der Herrschaft Wiesneck in- nem Haigerlocher Grafensohn verdankt, war den Reise- negehabt. Dann veräußerte Graf Albrecht II. diese Be- gefährten unbekannt. Es war der geistliche Bruno von sitzungen und Rechte an den Freiburger Ritter Burkart Haigerloch-Wiesneck, Dompropst zu Straßburg und 2 zeitweise Reichskanzler unter Kaiser Heinrich V. Noch Turner . Die Merkwürdigkeit, daß das St. Märgener Konventsiegel noch um 1310-20 irrig »Bruno von Ho- bis in neuere Zeit meinte man, Bruno sei identisch mit 7 dem späteren Bischof von Straßburg und auf einem alten henberg als Stifter« nennt, hat Wolfgang Müller in ei- Klostersiegel heißt er sogar: »Bruno von Hohenberg, der ner größeren zusammenfassenden Geschichte des Klosters Gründer«. Erst durch die Forschungen von Hans Jäni- behandelt und begründet, auch die Gesamtentwicklung chen 1 wurde man aufmerksam, daß Bruno von Haiger- der von vielen Schwierigkeiten und Schicksalsschlägen loch stammte und in einem alten Totenverzeichnis der betroffenen Cella sanctae Mariae ausführlich dargetan. altzuständigen Pfarrei Weildorf als »Stifter« vorkommt, Weiteres und bisher unbekanntes Material über die Gra- somit konnte dann auch bald das Leben dieses Kirchen- fen von Hohenberg brachte neuestens Prof. Decker- 8 mannes und Gründers von St. Märgen genauer herausge- Hauff zutage , weit über Fr. X. Hodlers Geschichte des arbeitet werden2. Brunos Bruder von 1096 war Graf OA Haigerloch (1928) hinaus. Adalbert von Haigerloch, auch von Wiesneck genannt, Anmerkungen: den man lange für einen Angehörigen des Zollernstam- 1 Hohenz. Jahreshefte 1961, 5-28. mes angesehen hatte. Von der seit 1096 nachweisbaren -/. A. Kraus: Schauinsland 1964, 116-121; Alb. Krieger, Burg Wiesneck (schon 1123 »Burgstall«, d. h. zerstörte Topographisches Wörterbuch von Baden, 1905 Bd. II. 762 f. Burg, aber immer wieder aufgebaut) finden sich heute 3 Handbuch d. histor. Stätten Baden-Württembergs 1965, nur noch unbedeutende Mauerreste an der Nordseite des 580 St. Märgen u 492 Hohenberg. 4 Dreisamtals auf einem Bergkegel unweit von Kirchzar- Großmann: Genealogie d. Gesamthauses Hohenzollern, 1905, ten und Himmelreich auf Gemarkung Buchenbach. Die S. 105 u. 319. 5 Graf Rudolf v. Pfullendorf, 1954, 271. Grafenfamilie nannte sich bald von Wiesneck, bald von 0 Note 4. Haigerloch. Bruno stiftete um 1120 St. Märgen auf eige- 7 Zeitschr. »Freiburger Diöz. Archiv« 1969, 5 f.; Siegel S. 119- nem Grund und Boden und besetzte es mit französischen 120. Ordensleuten, was allerlei Schwierigkeiten hervorrief, 8 Zeitschr. f. hohz. Geschichte 1973, 103 ff. daß bald das nahe St. Peter und der Bischof von Kon- stanz eingreifen mußten2. Nach dem Aussterben der Grafen von Haigerloch (als wohl letzten finden wir ei- nen Grafen Wezel, d. h. Wezilo = Werner im Jahre Um ein Sdhillerdenkmal 1162) ging ihr ganzer Besitz um Haigerloch und im Dreisamtal samt ihrem Wappen an die wohl weiblicher- Unser schwäbischer Dichter Friedrich Schiller seits nahe verwandten Grafen von Hohenberg über. Da- (1759-1805) hat durch seine Schöpfungen ohne Zweifel her hielt man diese später irrtümlich für die Gründer größte Volkstümlichkeit erreicht. Vielerorts wurden ihm von St. Märgen. Angeblich hat Gr. Burkart von Zollern Denkmäler errichtet. Fast vergessen ist jedoch, daß auch (1125-50) eine Grafentochter von Haigerloch geehe- der ehemalige Leseverein in Jungingen ihm s. Zt. ein sol- licht und deren beiden Söhne Burkart und Friedrich ches auf dem östlich des Dorfes hochgelegenen Hügel bauten eine neue Burg in ihrem alten Stammland, dem (unweit des sog. Bürglehofs unter Eineck) aufgestellt hat, Scherragau, nämlich auf dem Oberhohenberg (1008 m. was jedoch in dieser Form nicht jedem Einwohner des ü. M.) bei Schörzingen und nannten sich fortan »von Dorfes eine Selbstverständlichkeit war. Besonders dem Hohenberg« 3. Heimatdichter Casimir Bumiller (Vater), der am 22. März 1861 das Licht der Welt erblickte, war es laut ei-

42 nes älteren Zeitungsbericht direkt ein Dorn im Auge. So dem uns geläufigen Wort zu tun, sondern stammt aus hielt der »Casse« mit seiner Kritik nicht hinter dem Ber- dem Mittelhochdeutschen »harn« in der Bedeutung von ge, sondern gab unverhohlen seine Ansicht mit folgenden »rufen«. Möglicherweise weist das Wort auf Beobach- Versen kund: tungen des Widerhalls hin. »Armer Schiller! Bohnensteig: Die Erzfunde, die als Bohnerze bekannt Zwischen Jungingen und Killer, sind, geben der Gegend den Namen. Daher auch im Het- im Dorngesträuch und Steingeröll tinger Bereich Bezeichnungen wie »Erzenbarn« oder prangt Dein Bild am Holzgestell! »Grubäcker«. Auch »Ehrenhäldele« weist auf Erz hin. Du, der Muse großer Sohn, Das Wort ehren-reich ist die entstellte Form für erz- dem gebührt der höchste Thron: reich. Du, der stets mit hohem Klang Schachenäcker: Der Schachen bezeichnet eine Waldzun- nur von Edlem, Schönem, sang, ge oder den Vorsaum eines Waldes, manchmal auch ein Duldest hier am Marterpfahl einzelstehendes Waldstück. in der Wüste öd und kahl! Sauhag: »hag«, ein eingezäunter Ort zur Jagd von »Sau- Wanderer! Kommet doch und seht, en«. wie's heut' unserm Schiller geht!« Auf Wolfgrub: Früher fing man Wölfe in Fallgruben. Vor Jahrzehnten konnte man noch die Plakette am Sie waren mit senkrechten Wänden angelegt, mit Reisig Pfahl bewundern. Ob heute auch noch, weiß der Bericht- bedeckt und mit einem Köder versehen. Zu welchem erstatter nicht. (K.) Zeitpunkt in Hettingen noch Wölfe gefangen wurden, bedarf einer Nachprüfung. Der letzte Wolf, der geschos- sen wurde, datiert ins frühe 19. Jahrhundert. Das ge- schah auf der »Ah«, wo die Stelle heute noch bezeichnet ADOLF LIEB ist. Das erlegte Tier steht in den fürstlichen Besitzungen Ein Blick auf die Flurkarte in »Josephslust«. Schelmenwasen: »Schelmen« sagte man zu verendeten der Gemarkung Hettingen Tieren. Sie wurden verlochert und vergraben an Stellen, die man als »wasen« bezeichnete. Heute klingt es etwas Hier bringt jede Bezeichnung eine Aussage über geologi- milder, wenn man jemand einen »Schelm« nennt und sche Lage, bodenkundliche Beschaffenheit oder einfache »Aas« meint. topographische Situationen. An einer Reihe von Beispie- Layern: Von Loh oder Loch abgeleitet. Die Mehrzahl len, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, heißt »laier«. Ursprünglich ein kleiner Wald im Privat- können diese Tatbestände sichtbar gemacht werden. besitz, findet sich vielfach am Rande der unbebauten Kohlhau: »hau« ist eine Hiebabteilung im Wald. Ein Flur. Früher diente das Loh teilweise der Weide, manch- Waldstück, aus dem der Reihe nach das ältere Holz her- mal auch der Jagd. ausgeschlagen wird, oft ein Holzschlag in Gemeindever- Eselhalde: Möglicherweise ein Hinweis auf früher oft waltungen, dessen Ertrag unter die Nutzungsberechtig- zur Arbeit verwendete Esel. Sie trugen auf steilen und ten Bürger verteilt wird. schlechten Wegen ihre Lasten an Getreide und vermittel- Hilbenhau: In diesem Wort ist die »hülbe« vorhanden, ten den Verkehr zwischen hoch gelegenen Orten und den darunter versteht man sumpfiges Gelände oder Wasserlö- Mühlen im Tal. cher, auch wichtige Viehtränken. Kapf: Eine runde Bergkuppe, die einen guten Ausblick Birkenlau: Ebenfalls eine Aussage über die Bodenbe- ermöglicht. Das Wort lebt noch in »gaffen«. Schon die schaffenheit, meistens feucht, sumpfig mit dunkleren Bö- Dichtung warnt um 1200 die Liebespaare vor einem stö- den. renden »kapfäre«, vor einem neugierigen Gaffer. Wer Scharren: Dieses Wort kennt man bereits im hohen Mit- heute allerdings auf dem »Gafferbuckel« wohnt, kann telalter und meint eine steinige Gegend mit schroffen sich sicher über seine schöne Aussichtslage freuen. Felsen und Gesteinzacken. Soppen: Ein mooriger Boden mit zähem Gras. Götzenbühl: Der 2. Teil des Wortes »biihl« dürfte klar Bahn: Hier handelt es sich um die modernisierte Form als Geländebezeichnung verstanden werden. Ein »bühl« für »bann«. Wildbann ist im Gegensatz zur freien Pür- ist eine übersehbare Erhebung und weniger mit Äckern sche ein »gebannter«, meist umhegter Jagdbezirk, worin bestellt. Schwieriger ist die Deutung von »Götz«. Es das Jagdrecht nur einer Gemeinde oder Herrschaft zu- könnte die Kurzform von Gottfried sein und auf alte steht. Besitzrechte verweisen oder auf eine heidnische Götter- stätte alemannischen oder römischen Ursprungs. Das Kohlplatte: Die Köhler, die Holzkohle gewonnen haben, verrichteten ihre Arbeit in Meilerstellen auf Waldblö- müßte an Ort und Stelle untersucht werden. ßen. Stöckle: Wie »oberer Stock« eine Grenzbezeichnung. Diese war teilweise aus Holz, teilweise aus Stein. Wir Altenburg: Es bleibt zweifelhaft, ob mit Burg die alte, haben in unserer Sprache noch die Redensart: er rennt frühgeschichtliche Wehranlage oder eine neue mittelal- über »Stock und Stein« d. h. quer über alle Grenzmar- terliche Anlage mit einer dabei errichteten Siedlung ge- kierungen hinweg. meint ist. Vor allem werden die von herrschaft- Galthaus: Für jeden Ortskundigen ein Begriff. Die Galt- lichen Geschlechtern errichteten Ritterburgen, die hausbuchen waren während des 2. Weltkriegs Anzie- vom 12. Jahrhundert an Mode wurden und als Höhen- hungspunkt der »Büchelesucher«, die Speiseöl gewinnen burgen vielfach vorangehende Herrensitze in Dörfern wollten. Im Galthaus selbst wurde das nicht trächtige ablösten, mit Burg bezeichnet. Ob der Name »Alten- Vieh, das Galtvieh, sommers auf der Weide gehalten. burg« eine Namensübertragung ist, oder Rückschlüsse Pfaffenberg: Im Mittelalter war die Bezeichnung »Pfaf- auf eine Anlage, die vor langer Zeit schon verschwunden fe« für Pfarrer normal, ohne jede Abwertung. Die Pfar- ist, zuläßt, müßte genaueren Untersuchungen überlassen rer waren damals teilweise bedeutende Grundbesitzer. bleiben. Harnösch: »esch«, eine Bezeichnung aus der Dreifelder- Rechtstal: Die Bedeutung ein »rechter Boden« heißt wirtschaft mit ihrer Fruchtfolge. Harn hat nichts mit nichts anderes als ertragreiches, günstiges Gelände. Das

43 dürfte für Albverhältnisse auch den Unterschied zum Demselben Wortstamme entspringt der große Burren, Steinreichtum angedeutet haben. uns allen als »Bussen« bekannt, oder die teilweise unter- Lache: Eine »Lache« ist nicht nur eine Mulde, in der schiedlich großen »Burren« des weiblichen Busens. Wasser von mehreren Seiten zusammenläuft. »Lachen« Schwellungen und Uberbeine werden auch Burren ge- sind auch Grenzzeichen: Lohebäume, meistens Eichen nannt. und Buchen, die mit Grenzzeichen versehen wurden. Breite: Breite oder Breike weist auf herrschaftlichen Be- Kaltel: Eine ertragsarme Flur nannte man auch eine sitz hin. In der Regel ist er dorfnah, günstig gelegen und »kalte Flur«. Manchmal war es ein Hinweis auf die win- hatte fast immer eine Verbindung zu den Grundherrn. terliche Lage, eine Gegend, die der Kälte besonders aus- gesetzt war. Liße: Ein außerhalb der Hettinger Flurkarte liegendes Johle: Die abergläubische Volksseele dachte an »johlen- Gewann. Da es aber jedem Hettinger sehr bekannt ist, de« Spukgestalten, an verdammte Seelen. Es sind auch soll es hier erwähnt werden. »Lihs« kann ein Hinweis Sagen von kopflosen Gespenstern, verunglückten Pfer- auf mergeligen Boden sein, aber auch eine Aussage über den oder geheimnisvollen unterirdischen Gängen be- die Aufteilung von Herrenbesitz im hohen und späten kannt. Mittelalter. »Lüssen« wurden auch durch Los zugeteilt. Wehrensteig: Eine »Wehr« war oft ein Graben an einer Die wenigen, in Auswahl vorgestellten Flurnamen zeigen Gebietsgrenze, mit großem Aufwand angelegt, manch- deutlich, daß Sprache einerseits im Wandel begriffen ist, mal durch Verhau und Gebüsch verstärkt. andererseits Aussagen macht über Dinge, die längst Kachelhalde: Der Kachelfels erinnert in seiner Form an durch die Zeit verändert sind. Die Mehrdeutigkeit des eine »Kachel«, an einen Kochtopf. Namens kann die Phantasie und auch weitere Forschung Burren: Ein sehr altes Wort, das bereits im Gotischen als anregen oder zu Kritik herausfordern. Es wäre eine burjan, »sich erheben« vorhanden ist. Als Burren be- schöne Aufgabe für interessierte Heimatkundler, Aussa- zeichnet man eine kleine, auffällige, als hinderlich emp- gen der Flurbezeichnung auf ihren an Ort und Stelle fundene Erhebung, an dem das Gestein sichtbar wird. überprüften Wahrheitsgehalt zu untersuchen.

CASIMIR BUMILLER

Die Familienbibel als Ort historischer Chroniken Ein Junginger Beispiel

Im Besitz des jetzt in Burladingen lebenden Roland werden, ist sie bereits fast 200 Jahre alt, befindet sich Schuler befindet sich eine alte schwere Bibel, die über also möglicherweise schon in der sechsten oder siebten die Vorfahren seiner Mutter auf ihn gekommen ist. Es Generation einer Familie. Warum erst um das Jahr 1800 fehlen leider die ersten vier Seiten des Alten Testaments, derartige Eintragungen in das ehrwürdige Buch gelan- aber nach S. 450 folgt das Titelblatt zum Neuen Testa- gen, erklärt sich wohl einerseits daraus, daß erst gegen ment: Ende des 18. Jahrhunderts ein größerer Kreis der dörfli- Das New Testament. Nach alter in christlicher Kyrchen chen Bevölkerung schreiben konnte (in Jungingen wurde gehabter Translation trewlich verteutscht und mit vielen vermutlich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts regelmä- heilsamen Annotaten erleucht durch D. Johan Dietenber- ßig unterrichtet, die allgemeine Schulpflicht wurde in ger. Cöln (Arnold Quentel) M. D. CIV. (= 1604) Hohenzollern-Hechingen 1780 eingeführt); andererseits Es handelt sich also um ein sehr wertvolles Exemplar, scheint sich die Sitte des empfindsamen Bürgertums, in- das selbst den 30jährigen Krieg überstanden hat und in nere und äußere Nöte in privaten Aufzeichnungen fest- unserer ländlichen Gegend vermutlich wenig Gegenstük- zuhalten (Tagebuch- und Briefeschreiben kommt im ke kennt. Auf den Innenseiten beider Buchdeckel und 18. Jahrhundert in ,Mode'), auf eine bestimmte kleinbür- auf einigen eingelegten losen Blättern befinden sich gerliche Schicht der Dörfer zu übertragen. Mindestens handschriftliche Eintragungen, die wegen der undeutli- zwei Junginger Zeitgenossen des Wolfgang Kohler chen Hand des Schreibers und etlicher verdorbener Stel- schreiben in jener Zeit ähnliche Chroniken: der Lehrer len nicht leicht zu lesen sind; für geduldige und kritische Christian Bumiller und der Gastwirt Sylvester Riester (s. Mithilfe bei der Transskription danke ich Josef Schuler. Heimatbuch Jungingen, S. 62). Wolfgang Kohler muß Anno 1795 den 24. November habe ich, Wolfgang Koh- seine Schilderungen vor 1800 - die jüngste Jahreszahl ler von Jungingen dise Bibel rinnofihren lassen, hab ich 1800 ist mit dickerer Feder gut erkennbar später nachge- dar vor bezahlen müssen 40 x [Kreuzer] tragen worden - geschrieben haben; dies ist der vorläu- fige Terminus ante quem. 1790 ist zwischen dem Kayser und dem Nider Land ein schweer Krieg entstanden, welches ... in Frankhreich Was den Inhalt der Chronik angeht, so erkennen wir, dar zu geschlagen und mit vilem Bluot vergiessung geko- daß Kohler mit den großen politischen Gegebenheiten stet und hat getaurt bis Anno Christi /1800/. seine Schwierigkeiten hat: Die Aussage »1790 ist zwi- Wöhr zu im Reich eine große Theirung an Frichten und schen dem Kayser und dem Nider Land ein schweer Hay, der Schofel Haber 12 f. [Gulden]; das Viettel Kör- Krieg entstanden« ist offensichtlich falsch. Mit dem Kai- nen 4 f. 50 x; den Zentner Hay 2 f. 45 x; und ist ein ser kann nur der Deutsche Kaiser gemeint sein. Die Nie- stargke Rekruthiren gewesen das der Man kost hat 400 derlande (hier: das heutige Belgien) waren aber damals bis 500 bis 600, 700 f.; und das Viech so deyr wahr, das selbst österreichisch, können also kaum im Krieg mit eine mitel mesige Kuo kost hat 60 f.; ein mitelmesige dem eigenen Mutterland gelegen haben. Richtig ist viel- jehrig Kelble 25 f.; ein 2 jehrig Par öxle 46 f.; und ein mehr, daß es zwischen Österreich und Frankreich zu ei- Parr Esoxen (?) von 300 bis 400 bis 500 f.; und hat ge- nem Krieg um die Niederlande kam, die dann richtig taurt bis anno Christi 1797 1797 zu »Frankhreich dar zu geschlagen« wurden. Als der Bibel diese zeitgeschichtlichen Daten anvertraut In der Beschreibung der lokalen, ihn unmittelbar betref-

44 fenden politischen Ereignisse ist der Chronist natürlich sterkher ist als du dan du muost den Handel verspillen, wesentlich zuverlässiger. Auch aus anderen parallelen folget dem Evangelium bittet so wird euch gegeben Quellen geht eine Teuerung (Inflation) hervor, was klopfet an so wirth euch auf gethan, wirth er dir nit Frucht, Vieh und gekaufte Soldaten (sogenannte Einste- auftun als dein Freund so wirth er dir auf thun aus un- her) angeht. gestimigkeit und wirth dir geben was dir mangleth und (17)98 d. 6. Juni ist mit . . . Firsten ein . . . orth gedrofen felth. worden wegen dem Prozess der schon iber 95 Jahr ge- Der Rat, den der Chronist mit dem Propheten Salomon taurt hat und vill gekost hat, das es an keine Summa zu seinen Nachkommen gibt, ist nur im Zusammenhang mit setzen ist, in disen Jahren (ist) in unserm Land schedli- dem oben beschriebenen historischen Hintergrund zu se- ches Wildbreth gelofen . . . Sauen, Hirsch, Dangeißen hen. Wolfgang Kohler war sich sicher darüber bewußt, (?), Reh, Hasen, Fasanen, Feldhiener, das es von aller daß die feudale Ordnung trotz formaler Abschaffung Gathung keine (Z)ahl zu setzen ist, und in disem Jahr der Leibeigenschaft bestehen blieb. Daher gerät sein Lob haben wir Prozeß auf der Kammer Wetzel [Wetzlar] des Fürsten Friedrich Hermann sehr kurz. Ausweg und und haben etlich mahl (?) Urtel erhalten, das wir alles Trost sucht er in der religiösen Innerlichkeit, nicht etwa schedliches Gewild schießen derfe, und alle mol hat es in politischem Aufbegehren (»fang kein Handel an mit der First wider eingelegt, und hat uns Execution einge- dem der sterkher ist als du«), wie das über zwei Jahr- legt, und die leith so behandlet, deill creutz weis geschla- hunderte die Übung der Hohenzollerischen Bauern ge- gen und in Dieb Thum gelegt lange Zeit, ein deil in wesen war. Hier kommt bereits eine Haltung zum Tra- Zucht haus, deill under die Soldaten, deil auf die gen, die 50 Jahre später bei der 48er Revolution charak- Schantz auf Villipsburg, deill 4 wochen in Arrest gelegt teristisch für das bemerkenswert passive Verhalten der und bey waser und brot und gebriglet das kein wunder Junginger war. were gewesen der allmechtige Gott hete es nit ibersehen Mit diesem politisch motivierten, religiös verkleideten kennen. N: im 98 Jahr haben wir einen neyen Firsten Ratschlag sind die Eintragungen des Wolfgang Kohler bekommen und hat mit uns under thanen (einen Verg?)- noch nicht zu Ende. Auf der Innenseite des hinteren lich gemacht, das wir alles gewild . . . thuoth, es mag Buchdeckels nimmt er noch einmal das Thema der Koa- nahmen haben was .. . mit 4 aufgestellten schitzen schie- litionskriege gegen Frankreich auf. ßen . . . behalten und an ungemessen Hag (und Jagd 1798 sind die Franzosen in die Schweitz ein . . . und in F)rohn noch (?) 2 oder 3 Tag zu frohnen . . . schuldig bis Solendurn so eine große Schlacht entstanden das die auf 65 und 70 Jahr. . . . schuldig sein, wan aber einer das Schweitzer sich so gehalten mit siedig wasser auf Fran- ... so ist er von aller Herschaft frohn (dienst?) frey. zosen gelofen und mit Ziegel ab den Decher herunder [.. . ] M: unser durchlauchster First hat am Huldungsdag geworfen das die franzesiche Arme um Bardton gebeten die Leibeigenschaft zu ewigen Zeiten geschenkgt, sein ist aber nicht gesehen, seind viele Schweitzer und Fran- Nahm heißt Friderich Hörrmann . . . First zu Hohenzol- zosen um Leben gekommen, nach disem die Francosen zu- lern der allmechtige Gott gebe im und uns hier den (?) sammengerodt und haben Solendurn wider eingenom- göttlichen Segen dar zu, und dort in jener Welt das ewü- men mit sturmentter Hand, wo das Kind in Mutter Leib ge Leben, dises ich von Hertzen allen wünsche Amen ist nit verschonet worden und die Leith von den oberen Amen Amen t: Wolf gang Kohler, Schitz allhier Stiegen in Heisern auf die Gassen hin nunter geworfen Wolfgang Kohler berichtet hier über das Ende des Wild- das viele Leith den Hals gebrochen habet, nach disem schadenprozesses sehr genau. Eine völlig übereinstim- habet sie ein Schlacht bey Einsidlen und auf der Schen- mende Beschreibung liefert uns der Chronist Christian telege gehabt, das beiderseitz iber 4000 Man um Leben Bumiller (abgedruckt im Heimatbuch Jungingen, gekommen sind. Nach disem haben die Frantzosen auf S. 61 f.). Der Kampf der Hohenzollerischen Bauern um der Schentelege sengt und brint und seind in der das freie Jagdrecht dauerte seit 1584, der Prozeß mit Schweitz gebliben darhin. den Hechinger Fürsten am Reichskammergericht in Wolfgang Kohler beschreibt hier Kriegsereignisse in der Wetzlar lief seit 1700 und endete 1798 unter dem neuen Schweiz (bei Solothurn und Einsiedeln; mit Schentelege Fürsten Friedrich Hermann Otto (1798-1810) mit ei- dürfte der Ort Schindellegi bei Einsiedeln gemeint sein). nem Vergleich: einer der Punkte war, daß jedes Dorf Der politische Hintergrund: Napoleon hatte bis 1797 Schützen aufstellen durfte, die durch Abschießen des Belgien und Oberitalien als Tochterrepubliken der Fran- überschüssigen Wildes den Schaden auf den Feldern ge- zösischen Republik angegliedert. Während er sich im ringhalten sollten. Wolfgang Kohler tut durch seine Un- Frühjahr 1798 auf sein ägyptisches Unternehmen vorbe- terschrift kund, daß er einer der vier Junginger Schützen reitete, machte sich der General Brune daran, auch die war. Schweiz als Helvetische Republik zu Frankreich zu Das Ende des Wildschadenprozesses traf zusammen mit schlagen. In diesem Zusammenhang wurden die Städte dem beginnenden Abbau feudaler Rechte der Fürsten: Bern und Solothurn von den Franzosen gestürmt. Nach Friedrich Hermann verzichtete am Huldigungstag heftigen Kämpfen am 1. und 2. März 1798 gab Solo- (26. 6. 1798) auf die Leibeigenschaft über seine Unterta- thurn auf und wurde geplündert (R. Feller: Geschichte nen. Dies war allerdings nur ein formaler Akt. Tatsäch- Berus, Bern 1960, Bd. IV, S. 569 ff.). Hierher dürfte lich hatten die Bauern weiterhin (bis 1856) die sich aus Kohlers Schilderung gehören. Die Ereignisse bei Einsie- der Leibeigenschaft ergebenden Steuern zu bezahlen (den deln fanden Mitte März statt. Bis April war die Schweiz Hauptfall, eine Art Sterbesteuer). Vielleicht erscheint an die Französische Republik angegliedert. Erst ein Jahr auf diesem Hintergrund der folgende Eintrag verständli- später machten sich die Koalitionspartner Österreich und cher: Rußland daran, die Franzosen zurückzudrängen. Dies ich bite alle Nachkömmling es mag sein iber kurtz oder gelang ihnen unter dem Russen Suwarow und dem Erz- lang wan man glaubet man sey in einer Sach iber triben herzog Karl von Österreich, der die Franzosen unter oder das Joch sey zu schwihr es mag sein in was vor ei- Jourdan bei Stockach und Ostrach, also ganz in unserer nem umstand es sich begeben kann, so folget dem aller Nähe, entscheidend schlug. Daß nicht diese Schlacht in weysesten königlichen provöthen Sallomun er sagt in sei- die Bibel Eingang gefunden hat, die unserem Wolfgang nen weysen sprichen fang kein Handel an mit dem der Kohler doch sicher eher unter die Haut gegangen ist,

45 läßt darauf schließen, daß seine Eintragungen vor die- Elementen: helles kures e schreibt er immer als i (brint, sem Ereignis, also vor dem März 1799 erfolgten. Damit rmnofihren), ü immer als i (iber, First, spriche). Wir fin- haben wir einen neuen Terminus ante quem zur näheren den schwäb. ei statt dt. eu (Leith, Theirung), schwäb. e Datierung der Chronik. Wenn wir noch als Terminus statt dt. ä (mitelmesig, Kelble, allmechtig, sterkher). Der post quem den 26. 6. 1798 heranziehen, dann spricht al- Chronist schreibt »Hay« statt »Heu« und »Heiser« statt les für eine Niederschrift dieser Chronik während der »Häuser«. Die schwäbischen Diphthonge (Doppellaute) Herbst- und Wintermonate 1798/99. Woher der Chro- hat er teilweise beibehalten (Bluot, Kuo). Mit den nist jedoch die detaillierten Berichte über die weit ent- Fremdwörtern tut sich Kohler noch schwer (»rinnofih- fernten Schweizer Ereignisse hat, darüber läßt sich nur ren« für »renovieren«, »Bardton« für »Pardon«, »pro- spekulieren. Eine Zeitung gab es noch nicht; dafür gab es vöth« für »Prophet«), Manchmal tauchen hyperkorrekte andere Nachrichtensysteme. Sollte vielleicht einer der (übergenaue) Schreibweisen auf: z. B. das ö in provöth, Killertäler Hausierhändler, den sein Gewerbe in den das er analog schwäb. sehe zu dt. schön falsch rücküber- Schwarzwald, an den Bodensee oder sogar in die trägt (genauso Schofel und Körnen). Er schreibt schwäb. Schweiz selbst führte, diese Neuigkeiten mitgebracht ha- deyr mit schwachem Anlaut, dafür »getaurt« hyperkor- ben? rekt mit hartem t. (Was ein Paar »Esoxen« sind, hoffe Kommen wir noch kurz auf die Person des Wolfgang ich von kundigeren Heimatforschern zu erfahren!) Kohler, auf seine Sprache und die Absicht seiner Chro- Bleibt noch zu überlegen, weshalb gerade die Familienbi- nik zu sprechen. Einige Daten werfen ein wenig Licht bel Träger dieser hostorischen Quelle wurde. Zunächst auf Kohlers Persönlichkeit. Er kauft 1786 Wiesen im einmal war die Bibel vermutlich das einzige Buch, das Weiler ob Schlatt; 1790 wird er in der Heiligen-Renova- eine dörfliche Bauern- oder Handwerkerfamilie besaß. tion genannt und 1791/92 finden wir ihn in den Jungin- Aber, so könnte man sagen, gerade deshalb sollte dieses ger Gemeinderechnungen erwähnt »wegen der Hagen wertvolle Stück nicht durch Hineinschreiben »versaut« wis zu akhern«. 1798 erhält er das Amt eines Schützen. werden. Dazu muß man sagen, daß der Chronist hier Für das Rechnungsjahr 1805/06 fungiert er als Bürger- ganz bewußt und mit einer bestimmten Absicht Nach- meister (d. i. Gemeinderechner), und 1809/10 ist er richten und Ratschläge an seine Nachkommen übermit- Richter (d. i. Gemeinderat). teln will. Und hierzu wählt er ein Medium, das ganz si- Auffällig ist Kohlers schwerfällige Sprache. Man ge- cher an die Nachkommen gelangt und nicht etwa wie winnt den Eindruck, daß das Hochdeutsche, dem er sich lose Blätter verloren gehen kann. Zudem - und das annähern will, wie eine künstliche, fremde Sprache auf scheint das Wesentliche zu sein — verleiht die Bibel dem den Schwaben Kohler zukommt. Die Sprache der Kanz- ihr Anvertrauten größere Autorität, das dort Geschrie- leien, der Dichter und Gelehrten bereitet dem Chroni- benen wird denkwürdiger und glaubwürdiger. Die Fami- sten Schwierigkeiten: wir finden kaum einen Satz zu lienbibel verbürgt sich praktisch für die Richtigkeit der Ende geführt; Kohler möchte soviele Einzelheiten in ei- historischen Schilderungen und für die tiefe Bedeutsam- nen Satz packen, daß ihm die Verknüpfungen meist keit der Ratschläge. Der Hausvater Wolfgang Kohler mißlingen. Einzelne Formulierungen und Wortbildungen stellt sich, indem er seine mäßigenden Ratschläge in diese (»ungestimigkeit«) entbehren nicht unfreiwilliger Komik. Bibel einträgt, in die Reihe der alten biblischen Patriar- Insgesamt ist es nicht verwunderlich, daß die Eintragun- chen (Salomon!) und bezieht dadurch als Erzieher der gen durch und durch getränkt sind von schwäbischen Familie eine weitere Stützung seiner Autorität.

K. W. STEIM

Das Kloster Gruol wurde vor 500 jähren gegründet

Schon im Mittelalter gab es im Raum Haigerloch hauptsächlich aus der »Aussteuer«, die die Schwestern verschiedene Klausen, eine Art Vorgänger der späteren mitbrachten. Die bescheidenen Klostergüter wurden von Klöster. Das älteste Kloster war Kirchberg, das damals den Nonnen bearbeitet. zur Herrschaft Haigerloch gehörte und schon im Aus der ältesten Zeit des Gruoler Klosters ist nicht viel 13. Jahrhundert gegründet wurde. Im 14. Jahrhundert Besonderes bekannt. Es handelte sich um ein armes Klo- gab es Klausen in Haigerloch, Weildorf, Heiligenzim- ster, das entsprechend wenig Andrang erfuhr. Die Zahl mern und Gruol. Letztere wird bereits im Jahre 1353 ur- der Klosterfrauen dürfte stets zwischen 10 und höchstens kundlich erwähnt. 20 gelegen haben; im 17. Jahrhundert lag sie bei acht bis Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts verlangte die Kirche, zehn. Dennoch wirkten die Klosterfrauen sehr fleißig im daß sich diese Klausen oder »Sammlungen« als formelle Ort, bestellten Feld und Garten, betrieben verschiedene Klöster unter eine feste Ordensregel unterordnen müß- Handarbeiten und versahen Krankendienste. ten. So wurde am 24. Juli 1477 - Datum der Grün- Während des 30jährigen Krieges hatte das Kloster eben- dungsurkunde des Bischofs Otto von Sonneberg in Kon- so wie die Nachbarklöster Kirchberg, Bernstein und stanz - in Gruol das Kloster gegründet, das die Or- Binsdorf sehr zu leiden. Da die Soldaten raubend und densregeln des hl. Dominikus, Dritter Orden, annahm. plündernd durch die Lande zogen und selbst die letzten Klosterfrauen waren nach der Gründungsurkunde: Prio- Lebensmittel mitnahmen, herrschte in der Gemeinde rin Anna Stricker, Anna Gemans, Luzia Wannenmacher, Gruol und im Kloster große Hungersnot. Auch die Agnes Hiltprand, Elisabeth Schuler, Lukardis Müller, Schwestern mußten betteln. Margarethe Epple, Ella Stricker und Barbara Glaser, die Aus der Zeit des 18. Jahrhunderts ist bekannt, daß die wohl alle aus Gruol oder näherer Umgebung stammten. Klosterfrauen offenbar ihren Besitz etwas vermehren Anders wie die meisten mittelalterlichen Klostergrün- konnten. Sie kauften und verkauften gelegentlich dungen ging die von Gruol nicht auf eine Stiftung eines Grundstücke und Wälder. adligen Hauses zurück. Das Klostervermögen bestand Als der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen zu Beginn

46 des 19. Jahrhunderts für seine Besitzverluste bei der 1809, 1813 und 1815 fanden sogar Wahlen einer neuen »Neuordnung Europas« mit verschiedenen Klöstern, dar- Priorin statt. Im Jahre 1820 befanden sich immer noch unter auch Gruol, entschädigt wurde, kam die Zeit der acht Nonnen im Kloster. Mehrere von ihnen stammten Auflösung des Klosters nahe. Pfarrer Wilhelm Mercy, aus Bayern. Der Zuzug aus Bayern hatte schon im der wohl bedeutendste Pfarrer der Gemeinde Gruol, sah 18. Jahrhundert begonnen, wie die bayerischen Namen das Schicksal auf das Kloster zukommen und leitete beweisen. Nach und nach aber wurden die Rechte und rechtzeitig Schritte zur Erhaltung des Klosters - mit Besitzungen des Klosters weiter beschnitten. So gab es im veränderten Aufgaben - ein. Bereits im Jahre 1802 Jahre 1822 Streit um den Maikewald, der von der Klau- machte er dem Fürsten den Vorschlag die Klosterfrauen se Haigerloch herstammte und bei der Auflösung dieser sollten eine Art »Frauenarbeitsschule« errichten und die klösterlichen Niederlassung dem Gruoler Kloster einver- weibliche Dorfjugend unterrichten. Mit beredten Worten leibt worden war. begründete Pfarrer Mercy sein Vorhaben, das vom Für- Das Sterbegeläut für Pfarrer Mercy im Jahre 1825 war sten zu Beginn des Jahres 1803 auch genehmigt wurde. zugleich die Totenglocke des Klosters. So formulierte es Hodler in der Haigerlocher Oberamtsbeschreibung. Der Fast gleichzeitig wurde von der Fürstlichen Regierung in Haigerlocher Rentmeister überbrachte schon zwei Jahre Sigmaringen die Aufhebung des Klosters betrieben und später das Dekret des Fürsten über die Auflösung des die Aufnahme neuer Novizinnen untersagt. Im gleichen Klosters vom 27. September 1827. Als Lehranstalt hatte Jahr wurde als letzte Klosterfrau Dominika Pfeffer von das Kloster eine letzte Galgenfrist. Durch Regierungser- Stetten bei Haigerloch aufgenommen. Am 14. Januar laß vom 7. Dezember 1827 wurde es dann formell aufge- 1803 erfolgte die Besitzergreifung des Klosters durch den hoben. Die letzten Ordensfrauen legten ihre Ordens- Haigerlocher Oberamtmann. Die Nonnen unterrichteten tracht, weißes Kleid mit schwarzem Skapulier ab und weiter die Kinder in Lesen und Schreiben und Hausar- zogen sich ins Privatleben zurück. Der Besitz des Klo- beiten (Industrieschule). sters wurde verkauft, das Inventar versteigert. Die Wäl- Aufschlußreich ist die Besitzaufnahme durch die fürstli- der wurden fürstlicher Besitz. Rund 40 000 Gulden sol- che Verwaltung. Die Schulden des Klosters in Geld be- len dem Fürsten zugeflossen sein. Interesse an der Aus- liefen sich auf 464 Gulden und 15 Kreuzer. An Besitz übung eines Gewerbes im Klostergebäude wie man es in kamen unter anderem Klosterhof mit Scheuer und Stall, der Ausschreibung anpries, hatte offenbar niemand. Pferd, Vieh, Hühner usw. und über 100 Jauchert Äcker, Das Kloster war an die Kirche angebaut und wurde um Wiesen und Wald und ein Hofgut in Frommenhausen 1833 von der Heiligenpflege abgerissen. Nach der Ober- dazu. Das Haus Hohenzollern hatte jedoch mit seinem amtsbeschreibung erinnerten nur noch drei Dinge an das neuen Besitz nicht nur Freude. Österreich und Württem- ehemalige Kloster: der Kirchturm, die Klosterscheuer berg machten Besitzansprüche geltend. und die fürstlichen Waldungen.

Seelsorger von Thanheim (Schluß)

1818-22 Ferdinand Wolfg. Funk, geb. Hechingen 23. 1. 59 mit dem absenten Diebold zu Thanheim, 11. Aug. 1782, Pr. 1805, hier seit 6. Sept. 1818, ging starb hier 10. 10. 1879. 18.6.22 nach Owingen bis 1829, dann Burladingen, 1879-87 verwaltet durch die Nachbargeistlichen. dort t 5. Dez. 1845 (FDA 16, 338). 1887-1905 Kaspar Leihold, geb. Ringingen 9. 8. 1845, 1822-26 Josef Anton Maier, geb. Hechingen Pr. 1874, invest. 4. 7. 87. War vorher „Sperrling" 13. 3. 1797, Pr. 1821, ging am 3. 5. 26 nach Jungingen (Kulturkampf) i. d. Schweiz, 1884 Hilfspr. in Tail- bis 1831, dann Rangendingen, wo er f 24. 5. 1851. fingen. Starb 14. 1. 05 an Folgen einer Heiligland- 1826-33 Anton Seitz, geb. Hechingen 31.8.96, Pr. Fahrt (FDA 1906; HJHefte 1961, 202). 1821; invest. 1829, wurde 1833 entlassen. 1904-05 Verw. Otto Gfrörer, seit 26. 10. 04, geb. Emp- 1833-49 Johann Bapt. Diebold, geb. Jungingen fingen 9. 1. 78, Pr. 1903; Pfv. Frohnstetten 1906, Die- 9. 4. 1907, Pr. 1830, invest. 3. 10., bisher Vik. i. Burla- tershofen 1910, Bietenhausen 1911, gest. 16.1.1947 dingen, ging 1849 mit Absenz nach Klosterwald, 1858 (FDA 1951, 210). Melchingen, 1859 Einhart, 1870 Mindersdorf, f 6. 10. 1885. War am 23. Nov. 1849 wegen „politischer Agi- tation und Hochverrat" suspendiert worden. 1849-52 Verwaltung durch Steinhofen und Zimmern. 1852 Verw. Gottfried Pf ister i. Zimmern. 1852-57 Verw. Raphael Bumiller, geb. Jungingen ACHTUNG POSTBEZIEHER! 2. 5. 23, Pr. 1849; ging von hier nach Dettensee, 1866 In Zukunft kassiert die Post keine Zeitungsgelder Frohnstetten, f Sigmaringen 7. 5. 94. mehr. Die Bezugsgebühren müssen vom Verlag 1857-58 Verw. Christian Eger in Zimmern, kam direkt eingezogen werden. Diese Aufgabe ist für 13. Aug. 58 als Kaplan nach Gammertingen. uns außerordentlich schwierig, da sie einen erheb- 1858 seit 13. Aug. Verw. Xaver Kromer, geb. Harthau- lichen Aufwand erfordert. Wir werden daher in sen/Sch. 22. 8. 1828;, Pr. 1856, ging 1859 nach Stein- nächster Zeit mit einer Abbuchungsermächtigung hilben, 1860 Pfr., 1865 m. Abs. nach Ablach, 1873 an Sie herantreten. Bitte unterschreiben Sie diese, Pfr. bis 1897, f Harthausen 10. 2. 98. auch wenn Sie sonst grundsätzlich gegen Ab- 1859-79 Magnus Fechter. Tauschte seine Pfründe zu buchungen sind. Die Bezugsgebühren werden dann Einhart mit dem bisherigen Pfr. Diebold (s. oben!). Ist einmal im Jahr eingezogen. Im voraus besten geb. zu Bittelbronn am 4.9. 1820, Pr. 1844, war Pfr. Dank. Die Schriftleitung ¡.Stetten, Mindersdorf, 1850 Einhart, tauschte dann

47 1905 Febr. 8: Verw. Karl Glaser, bish. Kapl. Straßberg, 1910, in Thanheim invest. 21. 6. 26, Ruhestand He- geb. Sigmaringendorf 21. 10. 1877, Pr. 1902, zog chingen 1. 11. 54, gest. 3. Juli 1966. 22. Nov. nach Ringingen, dort 1910 invest., Ruhe- 1954-58 Aushilfe der Nachbarn. stand 1. Dez. 45, gest. daselbst 10. Juni 1946 (FDA 1958-64 f Verw. seit 1. April 58 Friedrich Schlegel, 1960, 135). bish. Kuppenheim, geb. Riedböhringen 7. 4. 1901, Pr. 1905-26 Josef Söll, geb. Weildorf 17.3. 1853, Pr. 1878, 1927, invest. 19. 6. 60, gest. 16. Okt. 1964, beerdigt war 1880 Jungingen, 1884 Fischingen, 1887 Boll, 1903 Riedböhringen. Betra, 1905 Thanheim, 1926 pens., gest. 10.11.1930 1964 Karl Schellhammer, bish. Weißer Vater, geb. Fi- (FDA 1931, 42). schingen 17. 8. 1917, Pr. 1946, Pfarrverw. seit 5. Nov. 1926-54 Wilhelm Wolf, geb. Grosselfingen 18.6.81, 64, invest. 12. Febr. 1968. Ad multos annos! Pr. 1904, Pfv. Steinl. 9. 1908, dann Hausen i. Kill, seit

JOHANN ADAM KRAUS d'Uhr uf sechse goht«. Der Veitstag, der 15. Juni, wurde von uns Kindern mit Sehnsucht erwartet, brachten doch St. Veit die Dotte, der Dette oder sonst ein Verwandter bzw. äl- tere Geschwister vom Veitsmärkt immer auch ein Kräm- Der jugendliche Märtyrer Vitus oder Veit hat in meiner le mit, und war es auch nur eine Mutschel, eine Stange Jugendzeit eine bedeutende Rolle gespielt. Im Geburts- Bärendreck oder einige Zickerle, oder was immer damals haus meiner Mutter, beim Melchervetter im Gässle, stand als Kleinigkeit noch unsere anspruchslosen Kinderherzen in der ganz dunkel getäferten Stube im alten Eckschrank höher schlagen ließ. Natürlich wurden auch notwendige ein Veitle, das immer wieder die Blicke anzog. Es war Kleidungsstücke erworben, weit entfernt von heutigen ein Figürchen aus gebranntem Lehm: ein nackter Bub Modesachen der Wohlstandsgesellschaft. Gelegentlich saß mit gefalteten Händen nur halb sichtbar in einem hörten wir erzählen: Im fernen böhmischen Prag stehe Kessel, weil er sein junges Leben in siedendem öl für ein mächtiger Veitsdom mit Reliquien oder Überresten den heiligen Glauben hingab. Die Sophie-Bäs oder die des Heiligen. Im 5 km entfernten Burladingen ist ihm in Tochter Mariann, die heute im Kloster Hegne hochbe- der alten Georgskirche ein Seitenaltar geweiht und gilt tagt noch lebt, hatte die kleine Statue als Krämle vom er seit alters als Ortspatron. Ums Jahr 1560 kamen gar Veitsmärkt in Burladingen mitgebracht. Der dortige viele Pilger aus den umliegenden Orten mit 5 bis 8 geist- Häfner formte solche aus Ton neben seinen Töpfen und lichen Herren Pfarrern zum Festgottesdienst und dann Kacheln und bot sie nach dem Gottesdienst auf dem auf den Markt. Sie opferten dem Heiligen, da das Geld Markt für einige Nickel zum Kaufe an. Wie oft haben rar war, Mehl, Schmalz, Hühner und vor allem junge wir das Veitle ehrfürchtig auf den Tisch heruntergeholt Gockelhähne als Ausdruck der Bitte um rechtzeitiges Er- und die Base mußte uns die Geschichte des erst ^jähri- wachen am Morgen. Als Zwölfjährigem wurde mir der gen Helden und seiner Pflegeeltern Modestus und Kres- Veitsmärkt, den man natürlich nur zu Fuß erreichen zentia erzählen, die vor vielen hundert Jahren (um 304 konnte, fast zu einem Unglückstag. Und das kam so: Es n. Chr.) den Märtyrertod starben. Allerdings muß gesagt gab dort die ersten Kirschen. Die Vittor-Bäs (Viktoria) werden, daß wir in jugendlicher Unbekümmertheit nicht spendierte mir ein Pfund davon, die ich mit Hochgenuß von einem uns fremden Kessel, sondern dem wohlbe- verspeiste, nicht ohne die Steine, wie üblich, in weitem kannten Häfele sprachen, das unter dem Bett bereit zu Bogen fortzusprucken. Jedoch nach einer Dreiviertel- stehen pflegte. Einmal kam mir eins zu Gesicht, das mit stunde, in der ich mit andern Kindern und Erwachsenen schön verschnörkelter Schrift bemalt war: »Greif nach alle die Krämerstände mit ihren Reichtümern bestaunt mir ganz unverzagt, wenn Dich innere Drangsal plagt«. gehabt, bekam ich Durst, und unbeleckt von Gesund- Neuestens hat Graf Douglas auf Schloß Langenstein eine heitsregeln, auch von niemand bemerkt, trank ich kosten- ganze Sammlung seltener Exemplare in seinem Privat- los das aus dem damaligen Brunnen vor dem Schul- und museum ausgestellt. Wir kannten das Kindersprüchlein Rathaus sprudelnde köstliche Wasser. Aber, o weh! Die oder Gebetchen: »Heiliger sankt Veit, weck mi bei Zeit, gärenden Früchte im Magen erzeugten ein schreckliches weck mi it z'früe und it z'spot, daß s'it ins Bett nei Grimmen, das mich einige Tage nicht mehr verlassen goht!« Anderwärts las ich dann den Schluß: ». . . wenn wollte. (Fortsetzung folgt)

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Nummer: Schriftleitung: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Dr. med. Herbert Burkarth, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- Casimir Bumiller, Freiburg i. Brsg. 7487 Gammertingen (Telefon 07574/329) Redaktionsausschuß: ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: Bruno Effinger, Kulturreferent, Saulgau Walther Frick, Journalist, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. Pfr. J. A. Kraus, Freiburg i. Brsg. (Tel. 07571/8341) Manfred Hermann, Pfarrer, Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Dr. Adolf Lieb, Oberstudiendirektor, 7451 Neufra/Hohenz. (Tel. 07574/442) Plochingen ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie Die mit Namen versehenen Artikel geben will besonders die Bevölkerung in Hohen- Dr. Heinrich Rettich, Bürgermeister i. R., die persönliche Meinung der Verfasser zollern und der angrenzenden Landesteile Burladingen wieder; diese zeichnen für den Inhalt der mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der K. W. Steim, Pressereferent, Tübingen machen. Sie bringt neben fachhistorischen Schriftleitung sind als solche gekenn- zeichnet. auch populär gehaltene Beiträge. Manuskripte und Besprechungsexemplare Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich. werden an die Adresse des Schriftleiters Konten der „Hohenzollerischen Heimat": oder Redaktionsausschusses erbeten. 802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol- 123 63 Postscheckamt Stuttgart lerische Heimat" weiter zu empfehlen.

48 W 3828 F HÖH ENZOLLERISCHE Herausgegeben oom Hohenzollerifchen Gefchlchteoereln HEIMAT 28. Jahrgang Nr. 4/Dezember 1978

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Das römische Kastell Burladingen * Hausen (ca. 85*120 n. Chr.)

Die Römer in Deutschland Der große Zusammenbruch des Verteidigungssystems zwischen Rhein und Donau vollzog sich um das Jahr Die Interessen des republikanischen Roms galten fast 260 n. Chr., als die Alemannen weit in das römische Ge- ausschließlich den Ländern des Mittelmeerraums. biet eindrangen und hier nach langen Kämpfen mit den Erst durch den großen Staatsmann und Feldherrn Gaius Römern ihre Siedlungen errichteten. Julius Caesar (100-44 v. Chr.) trat eine Wende ein. Um 50 v. Chr. stieß er in das Gebiet nordwestlich der Der Alblimes Alpen vor und eroberte Gallien (das heutige Frank- reich), Belgien und die Westschweiz. Professor Eugen Nägele, ein Mitbegründer des Schwäbi- Kaiser Augustus unterwarf mit seinen Stiefsöhnen Dru- schen Albvereins, hat als erster den Zusammenhang der sus und Tiberius, der später Kaiser wurde, in den Jahren römischen Überreste am Albrand erkannt. In einer Ar- 16-13 v. Chr. die Bewohner der Alpen und des Alpen- beit über den Alblimes im Jahre 1909 stellt er ausführ- vorlandes bis zur Donau. Das eroberte Land wurde in lich dar, „daß über das Albmassiv ein römischer Stra- die Provinzen Rätien und Obergermanien eingeteilt. ßenzug in derart ausgewählter Lage zieht, daß er den Viele Jahre lang bildeten der Rhein und die Donau die vielgestalteten Albtrauf gegen den Neckar hin mit seinen Grenze des römischen Imperiums. Das feindliche Land Berginseln und oft einschneidenden Tälern abschneidet (Schwarzwald, Schwäbische Alb) lag als breiter Keil und die Hochfläche gegen die Donau in möglichst gro- ßem Umfang sicherstellt". Nägele nimmt also an, daß zwischen den Donau- und Rheingarnisonen und er- eine von römischen Truppen vorgetragene Besetzung an schwerte erheblich den Verkehr zwischen den beiden den Stellen der Alb halt gemacht hat, wo die vorge- Provinzen. Truppen, die beispielsweise von den Donau- schichtlichen Wege ins weite Neckarland hinausführten kastellen an den Rhein verlegt wurden, mußten den gro- und wo sie noch leicht von römischen Soldaten kontrol- ßen Umweg über Basel machen. liert werden konnten. Erst Kaiser Vespasian (69-79 n. Chr.) griff den Plan einer Grenzbegradigung auf. Im Jahre 73 oder 74 rück- ten von Straßburg aus 4 Legionen (etwa 20 000 Mann) in das feindliche Land ein, folgten der Kinzig aufwärts und erreichten ohne großen Widerstand Rottweil. Rott- weil wurde mit mehreren Kastellen zu einem mächtigen Stützpunkt ausgebaut. Ein weiteres Kastell wurde bei Sulz am Neckar angelegt. Vom Kastell Sulz aus drangen die römischen Truppen durch das Eyach- und Schmeietal an die Donau bei Laiz vor. Zur Sicherung dieser Erobe- rungslinie dienten ein Militärlager auf dem Kleinen Heu- berg und ein großes Erdkastell auf der Wasserscheide zwischen Ebingen und Lautlingen. Die Bezeichnung Erd- kastell besagt, daß der Aushub der V-förmigen Schutz- gräben zu einem Erdwall aufgeschüttet und durch dicke Balken und Pfosten befestigt wurde. Im Anschluß an die Besetzung des oberen Neckargebie- tes wurde die römische Reichsgrenze, vermutlich um 80 n. Chr., von der Donau auf die Alb vorverlegt. Es ent- stand der sogenannte Alblimes (Limes bedeutet Grenzli- Diese scharfsinnige Erkenntnis Professor Nägeles ist um nie). so höher einzuschätzen, als er damals nur die Kastelle Unter Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.) drangen römi- Urspring und Heidenheim kannte. Seitdem sind die Ka- sche Soldaten in das Neckarland und in das Gebiet am stelle Burladingen-Hausen und Gomadingen sowie römi- unteren Main vor. Diese neue Front wurde unter den sche Anlagen in Donnstetten festgestellt worden. In der Kaisern Traian (98-117 n. Chr.), Hadrian (117-138 n. Tat läßt sich die Aufgabe des Alblimes, die Wege ins Chr.) und Antoninus Pius (138-161 n. Chr.) ausgebaut, Neckarland zu überwachen, an der einheitlichen Lage die Grenze taktisch begradigt und mit etwa 100 Kastel- der Kastelle auf Wasserscheiden oder an Pässen und an len und über 1000 Wachttürmen befestigt. Durch den der geschickten Straßenführung entlang des Albtraufes Bau von Wall und Graben in der Provinz Obergermani- sehr schön zeigen. en und der fortlaufenden Steinmauer in Rätien unter Der Alblimes war also keine befestigte Grenze wie der Kaiser Caracalla (211-217 n. Chr.) bestand eine 500 spätere Limes, sondern eine bewachte Grenzstraße. km lange, sichtbare Grenzbefestigung zwischen Rhein Eine Beschreibung der Römerstraße von Laiz über Win- und Donau. Diese einmalige Anlage konnte aber nicht terlingen, Bitz, Hermannsdorf, über die Wasserscheide ohne eine schlagkräftige Armee und einen gut funktio- bei Burladingen nach Ringingen hat schon 1893 Zingeler nierenden Verwaltungsapparat geschaffen werden. veröffentlicht. Er schreibt: „Die Römerstraße hält ihre Leider kann im Rahmen dieser Arbeit darauf nicht nä- fast schnurgerade Richtung bei, mit äußerster Geschick- her eingegangen werden. Deshalb sei an dieser Stelle lichkeit das gebirgige Terrain so benutzend, daß jede ausdrücklich auf die angeführte Literatur, besonders auf Steigung vermieden wird." Viele Flurnamen, zum Bei- „Pörtner, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit" hinge- spiel Heerweg, Römerstraße, Heerstraße und Hochsträß wiesen. weisen auf den Verlauf der Alblinie hin.

50 Der obergermanisch-rätische Limes am Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr.

Das römische Kastell Burladingen-Hausen Hauptgebäude (principium) an der via principalis. Um- Entdeckung und erste Grabung (Dorn) geht man das Hauptgebäude, auch Stabsgebäude ge- nannt, so gelangt man zum rückwärtigen Tor (porta de- August Speidel berichtet im Burladinger Heimatbuch (S. cumana). 48) ausführlich über die Umstände, die zur Entdeckung Die Diensträume des Hauptgebäudes waren gewöhnlich des Kastells durch den Privatforscher Johannes Dorn aus um einen großen freien Platz herum angeordnet. In ih- Weiler-Haid im Frühjahr 1912 führten. rem rückwärtigen Teil befanden sich meistens fünf Räu- Dorn fand nur wenige Zentimeter unter der Erdoberflä- me, deren mittelster eine Mauerverstärkung hatte. Dieser che einen auffallend langen Mauerzug, etwa 1,80 m Raum ist das Sacellum, das Fahnenheiligtum der Truppe. stark, ferner einen 4 m breiten Eingang, der von zwei et- Es enthielt die Feldzeichen, den Kriegsschatz und die of- was vorspringenden Türmen flankiert war. fiziellen Kultbilder. Die Front des Sacellums zeigt immer Diese wuchtigen Grundmauern ließen Dorn an ein Ka- in Feindesrichtung. Seitlich vom Mittelgebäude standen stell denken. Er benachrichtigte sofort Professor Nägele die Wohnung des Kommandanten, die Vorratshäuser in Tübingen von seiner Entdeckung. Herr Gerhard Bersu und die Waffenkammern. Den übrigen Innenraum des (1889-1964), der im Auftrag des erkrankten Professors Kastells nahmen die Unterkünfte der Mannschaften, die an der Grabungsstelle erschien, schlug vor, einen Schnitt Ställe, Werkstätten und eine Krankenstation ein. Ein senkrecht zur Mauer zu graben. Dorn fand einen inneren Bad fehlte bei keinem der genügend erforschten Kastelle; Grabenrand und damit einen ersten sicheren Hinweis, es befand sich aber in der Regel außerhalb des Lagers. daß es sich um ein Kastell handeln mußte. Weiterhin Zunächst bestanden die römischen Truppenlager als Erd- grub Dorn die Ecken der südlichen Kastellmauer an. kastelle. Hatte man die Absicht, das Kastell längere Zeit An dieser Stelle möchte ich dem Leser einige allgemeine besetzt zu halten, wurde es in Stein umgebaut. Informationen über ein römisches Kastell geben. In den meisten Kastellen auf deutschem Boden waren Die befestigten Truppenlager wurden nach einheitlichen Kohorten stationiert. Eine Kohorte war eine Infante- Gesichtspunkten angelegt. Das Innere ist durch ein rieeinheit, die etwa 500 Mann zählte. Häufig findet man rechtwinkliges Straßennetz aufgeteilt. Die beiden auf Übersichtskarten der römischen Geschichte die Be- Hauptachsen heißen via principalis und via praetoria. zeichnung „Auxiliarkastelle". Dieser Name besagt nur, Die via principalis verbindet die beiden Seitentore (por- daß in diesen Kastellen römische Hilfstruppen (Auxilien) ta principalis dextra und porta principalis sinistra). Die lagen. In den Hilfstruppen dienten Soldaten, die das via praetoria führt vom Haupttor (porta praetoria), das römische Bürgerrecht (Civitas romana) nicht besaßen. immer dem feindlichen Land zugewandt war, zum Erst nach 25jähriger Dienstzeit wurde es an sie verliehen.

51 Die zweite Grabung (Bersu) J. Erdhostetl: Holz-Erde - Kcnstruktion mit 2 Spitzgroben (f. Bauphase) Um weitere Erkenntnisse zu erhalten, wurde schon am 27. März 1912 eine neue Grabung anberaumt, mit deren Jt SituHUultä Steinmauer mt Leitung Gerhard Bersu von der Römisch-Germanischen tSptignbtn (t. Bouphatt) Kommission beauftragt wurde. Die Grabung dauerte bis zum 6. April. Bersu, der nur im südlichen und mittleren Teil der Anlage graben konnte - im Nordteil waren die Felder schon bestellt - fand das Hauptgebäude mit dem Sacellum, das West-, Ost- und Südtor. Östlich des Ka- stells stieß er auf die Fundamente eines Backofens, der auf den zugeschütteten Schutzgräben errichtet worden war. Ein Hinweis, daß auch nach der Aufgabe des Ka- stells Menschen in der Nähe des Truppenlagers wohnten. Die Auswertung dieser Untersuchung ergab im einzel- Re/tonstruktionsschemo der Befestigungsanlagen nen: Die Erhaltung der Mauern ist sehr gut. Wallstraße parallel liegende Zwischenstraße (7) trennte Das Baumaterial sind gut gearbeitete Quader. Die Breite die Baracken in zwei Blöcke. Der nördliche Kasernen- der Mauern schwankt zwischen 2,10 m und 1,70 m. block hatte eine breite von 16 m, der südliche eine von Der Grundriß des Kastells ist quadratisch; eine Seite' 13 m. In diesen Mannschaftsunterkünften fanden sich mißt etwa 139 m. mehrere Herdstellen, Keller- und Aschenlöcher. Südlich Das Südtor ist ein einfaches Tor mit einer Durchfahrt der Kaserne fand man das Pflaster der via principalis von 4 m Breite. (8). Nach Süden hin stieß man wieder auf eine Baracke Das Ost- und das Westtor sind Doppeltore. (9), die zum Teil gepflastert war. Die Mauern des Hauptgebäudes sind vorzüglich erhal- Von dieser Stelle aus wurde nur noch in einem drei Me- ten. Sie laufen parallel zu den Kastellmauern. ter breiten Graben gesucht. Man entdeckte zahlreiche Das Truppenlager war zuerst als Erdkastell angelegt. Pfostenlöcher, Fundamentgräben von Baracken, die süd- Die Wehranlage bestand aus einem 5 m breiten Erdwall, liche Wallstraße und stieß schließlich auf die südliche der innen und außen durch eine Verschalung aus Holz- Kastellmauer, die an dieser Stelle nur 1,50 m breit war. bohlen oder Baumstämmen gestützt war. Als zusätzliche Während dieser Grabung wurde auch das Nordtor (por- Verstärkung dienten in unregelmäßigen Abständen senk- ta praetoria) ausgegraben. Es handelt sich um ein Dop- recht eingerahmte Holzpfosten. Vor der Holzerdemau- peltor, das von zwei starken Türmen flankiert war. er befanden sich zwei parallel verlaufende V-förmige Durch die westliche Torhälfte führte eine Abzugsdohle, Gräben, die jeweils an den Toren durch eine Erdbrücke die Abwässer aus dem Innern des Kastells nach außen unterbrochen waren. Später wurde die Anlage in ein leitete. Steinkastell umgebaut. Der Umbau begann wohl damit, Nach der Auswertung der Funde datiert Bersu den An- daß der Erdwall zum größten Teil abgetragen und die fang des Kastells um das Jahr 85 n. Chr. Er schließt eine beiden Spitzgräben zugeschüttet wurden. In den Mittel- lang andauernde Benutzung des Kastells aus. Er hält es grat der Schutzgräben wurde die Spitze eines bedeutend für sehr wahrscheinlich, daß das Kastell nach einer über- flacheren Grabens gesenkt, der das Steinkastell schützen raschend gekommenen Brandkatastrophe noch vor 110 sollte. Hinter der neuen Kastellmauer häufte man den n. Chr. aufgegeben wurde. Auch Ph. Philtzinger meint Rest des Erdwalls zu einer Rampe an, die ein rasches Be- in seinem Buch „Die Römer in Baden-Württemberg" steigen der Kastellmauer ermöglichte. (S. 274), daß das Truppenlager kaum länger bestanden Mit dieser Untersuchung — Bersu bezeichnet sie als Vor- hat. Er gibt zu bedenken, daß zu diesem Zeitpunkt untersuchung - konnten nicht alle Fragen über das Ka- durch das Vordringen der römischen Soldaten ins Nek- stell beantwortet werden. Deshalb wurde zwei Jahre karland das Kastell Burladingen-Hausen in das Hinter- später eine weitere Grabung angesetzt. land geriet und nicht unbedingt mehr als wichtige Nach- schubbasis gedient hatte. Die dritte Grabung (Bersu) Neuere Auswertungen der Kastellfunde stellen das Jahr Diese Grabung, bei der bis zu 22 Arbeiter beschäftigt 85 n. Chr. als Beginn des Kastells in Frage. J. Heilig- waren, dauerte vom 5. März bis zum 28. März 1914. Lei- mann vertritt in seiner Arbeit „Das römische Kastell bei ter war wiederum G. Bersu, der dieses Mal die Untersu- Burladingen-Hausen" die Ansicht, daß das Kastellgelän- chung im Nordviertel des Lagers ansetzte. de gegen 80 n. Chr., noch unter Kaiser Vespasian, be- Der erste Suchgraben wurde als 3 m breiter Schnitt setzt wurde. durch das ganze Lager gezogen. Im nordöstlichen Teil wurde der Schnitt erheblich verbreitert. Die vierte Grabung (Reim) Hinter der Kastellmauer (1) stieß Bersu auf zwei paral- Vom 12. bis 18. August 1974 wurde wieder auf dem Ka- lel verlaufende Reihen von Pfostenlöchern (2), die die stellgelände gegraben. Anlaß dazu war der geplante angenommene Konstruktion der Holzerdemauer des Ausbau der B 32 zwischen Burladingen und Hausen. Es Erdkastells bestätigten. Westlich der inneren Pfostenrei- bestand die Gefahr, daß durch den Bau der Straße die he fand man das Steinpflaster einer nur 1,70 m breiten Nordseite des Kastells zerstört werden könnte. Straße (3), die an einem großen Brunnen (4) endete. Der Herr Dr. H. Reim vom Amt für Denkmalpflege in Tü- kreisförmige Brunnen (Zisterne?) hat einen Durchmesser bingen leitete diese Untersuchung, in deren Verlauf die von 4 m. Nordwestlich davon konnte Bersu einen zwei- Nordseite und die davorliegenden Schutzgräben durch 2 ten Straßenkörper (5) feststellen. Es ist die nördliche Schnitte genau festgelegt wurden. Die Profile der Grä- Wallstraße mit einer Breite von 4,80 m. Südlich der ben bestätigen die Aussage Bersus, daß die Verteidi- Wallstraße liegen die Kasernenbauten (6), deren Grund- gungsanlage zwei Bauperioden (Erdkastell, Steinkastell) risse klar und deutlich zu erkennen waren. Eine zur hatte.

52 Blick von Norden nach Süden auf das Kastell Burladingen-Hausen im mutmaßlichen Zustand um 100 n. Chr. Im Vordergrund Einschnitt des heutigen Streckenverlaufs der Hohenz. Landeshahn. Zeichnung: Christian Ritter

Die Kastellfunde her. Später entstanden auch in Südgallien und in den germanischen Provinzen größere Töpfereien. Weil die Es ist klar, daß immer wieder von Privatleuten auf dem Töpfer ihre Erzeugnisse mit einem Namensstempel (Fir- Kastellgelände Funde gemacht wurden, die den Fachleu- menzeichen) versahen, heißen sie Terra-Sigillata-Gefäße ten des Denkmalamtes verborgen bleiben. Ab und zu (wörtlich „gestempelte Erde"; abgekürzt oft nur Sigilla- tauchen solche Funde wieder in der Literatur auf. So ten genannt.) Die Vorbilder für die Sigillaten waren ur- führt A. Speidel im Burladinger Heimatbuch (S. 49) sprünglich getriebene Silbergefäße. Mit Formen konnten Funde auf, die nicht von amtlichen Ausgrabungen stam- die Verzierungen serienmäßig hergestellt werden. men. Hier sollen nur die Funde verzeichnet werden, die In der durch den Vesuvausbruch im Jahre 79 n. Chr. nach der zweiten und dritten Grabung von G. Bersu in verschütteten Stadt Pompeji fand man zwei noch nicht der Fachliteratur veröffentlicht wurden. ausgepackte Kisten mit 90 Bilderschüsseln. Sie stammen Die gewöhnliche Gebrauchskeramik und die Terra-Sigil- von Töpfern in Südgallien, die auch Gefäße nach Rott- lata-Scherben, auf die nachher eingegangen wird, waren weil lieferten. So hatte man auch zeitlich einen Anhalts- zahlreich. An Eisenfunden wurden eine Sonde, viele Nä- punkt und wußte nun, welche Töpfer in der zweiten gel, zwei Messer, ein Balkenschuh, vier Lanzenspitzen, Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. arbeiteten und zwei Äxte und ein komplettes Fesselgerät, bestehend aus welche Motive verwendet wurden. Arm- und Beinschließen mit Schnappschlössern, gehoben. Weiter fand man eine Fibel und einen Kasserollengriff Der Großteil der im Kastell Burladingen-Hausen gefun- aus Bronze. Insgesamt wurden von Bersu 13 Münzen denen Terra-Sigillata-Scherben sind Arbeiten des Töp- entdeckt. Im Grabungsbericht (Germania I, S. 118) führt fers Calus. er an: „1 Col Nemausus MB, 2 Vespasiane (1 AR, 1 Die römischen Münzen der Kaiserzeit zeigen auf der GB), 1 Titus AR, 5 Domitiane (2 GB, 3 MB), 2 Nerva Vorderseite jeweils das Bild des regierenden Kaisers. Die MB, 1 Hadrian GB, 1 Antoninus Pius MB. Die beiden Inschrift nennt ihn mit allen seinen Titeln, zugleich gibt letzteren gehören nicht mehr in die Kastellzeit" (MB be- sie an, im wievielten Regierungsjahr sie geprägt wurde. deutet Mittelbronze, AR Silber, GB Großbronze). In ei- Die Rückseiten tragen meistens Götterbilder oder Dar- ner Baracke fand man ein Steinbeil, das als Schleifstein stellungen, die sich auf die Zeitgeschichte beziehen. benutzt wurde. Neben Glasscherben fanden sich auch Gold- und Silbermünzen waren sehr selten. Dagegen viele Mosaikgläser und Glasperlen. Leider ist der Groß- werden Kupfer- und Bronzemünzen besonders häufig an teil dieser aufgeführten Funde verschollen. Nur im Lan- Kastellplätzen gefunden. desmuseum in Stuttgart befinden sich neben Ton- und Die Kupferprägung lag in den Händen des römischen Glasscherben, einigen Nägeln und zwei Messern, zwei Senates, daher steht auf der Rückseite der Kupfermün- sehr schöne Terra-Sigillata-Gefäße. zen S C, die Abkürzung für senatus consulto, das heißt, Für die Datierung römischer Anlagen sind Terra-Sigil- auf Beschluß des Senates. lat-Scherben und Münzen von größter Bedeutung. Des- Die Münzen waren sehr lange im Gebrauch. Ein gutes wegen soll an dieser Stelle eine kurze Erklärung einge- Beispiel dafür ist eine auf dem Kastellgelände gefundene fügt werden. Münze, die im Jahre 27 v. Chr., also noch vor der Kai- Die aus rotem Ton gefertigten und verzierten Gefäße serzeit, geprägt wurde. Es ist die Münze „Colonia Ne- wurden zuerst in Kleinasien hergestellt. Unter Augustus mausus". Nemausus ist der lateinische Namen für die stellte man solche Gefäße auch in Arezzo in Mittelitalien südfranzösische Stadt Nimes, die eine bedeutende römi-

53 sehe Kolonie war. Dort wurden römische Truppen ange- genheit zu unternehmen, um die großen Ereignisse, die siedelt, die unter Augustus und Agrippa in Ägypten ge- sich vor rund 1900 Jahren auf der Schlichte zugetragen kämpft haben. haben, besser zu erfassen: Der Bau der Festungsanlage, Die Vorderseite der Münze zeigt Augustus und Agrippa. der Alltag von etwa 500 stationierten Soldaten, Leben Auf der Rückseite erkennt man ein Krokodil, das mit ei- und Arbeiten der Bauern, Händler und Handwerker in ner Kette an eine Palme gebunden ist. Es ist das Symbol der benachbarten Siedlung, vorbeiziehende Legionäre für Ägypten, das 30 v. Chr. römische Provinz wurde. auf der Heerstraße, die große Brandkatastrophe, die das Seit 1974 ruhen die Grabungsarbeiten auf der Schlichte. Kastell zerstörte, das Abrücken der Besatzung nach Nor- Drei Viertel der Kastellanlage und die östlich vermutete den und schließlich die Besitznahme durch die Aleman- Siedlung (vicus) sind noch nicht erforscht. nen, die sicher die Mauern des Kastells als bequemen Für das Amt für Denkmalpflege besteht derzeit kein Steinbruch zum Bau ihrer Häuser nutzten. Beliebig las- Anlaß mehr, die Grabung im Kastell wieder aufzuneh- sen sich weitere Einzelheiten zu einem bunten Bild aus men, da die neue Straßenführung der B 32 das Kastell der Geschichte unserer Heimat zusammenfügen. Das Ka- nicht berühren wird und eine Bebauung in den nächsten stell auf der Wasserscheide erinnert uns an die versunke- Jahren nicht zu befürchten ist. Doch hat das Amt größ- ne Welt der Griechen und Römer, die Voraussetzung tes Interesse an der Feststellung des Kastelldorfes. Eine und Nährboden unserer abendländisch-christlichen Kul- für das Frühjahr 1978 geplante Aktion ist gescheitert. tur ist; es ist aber auch ein Mahnmal nicht nur für den Die zuständigen Herren des Denkmalamtes hoffen sehr, Zerfall und Untergang des gewaltigen römischen Rei- daß sich alle Beteiligten rechtzeitig einigen, damit die ches, sondern auch für die Vergänglichkeit menschlichen Frage nach dem Vorhandensein der Siedlung im näch- Lebens und Tuns. sten Jahr gelöst werden kann. Neben der Freude über den Besitz dieses einmaligen Bo- Schlußwort dendenkmals, bleibt uns aber auch die Verantwortung, es Das Jubiläumsjahr der Gemeinde Burladingen ist für nach dem Vorbild anderer Kastell-Gemeinden zu bewah- viele ein willkommener Anlaß, eine Reise in die Vergan- ren und allen zugänglich und sichtbar zu machen.

H. BURKARTH

50 Jahre Kreisaltersheim Gammertingen

Am 19. November 1928, am Fest der hl. Elisabeth von Imbery in Sigmaringen übertragen. Schon im Frühjahr Thüringen, wurde in Gammertingen das neue Altersheim 1927 wurde in Gammertingen mit den Grabarbeiten be- des Kreises Sigmaringen eingeweiht. gonnen. Federführend beim Bau waren die Firmen Der Bau des Heimes hat eine längere Vorgeschichte. Bis Deutschmann und Steidle. Sie hatten jedoch die Auflage, 1925 gab es noch das preußische Oberamt Gammertin- vorwiegend Handwerker aus Gammertingen und Umge- gen. Öffentliche Einrichtungen für Kranken- und Alten- bung zu beschäftigen. Die örtliche Bauleitung hatte Ar- pflege gab es nicht. So entstand schon vor dem Jahr chitekt Oskar Baur in Gammertingen. Schon am St. Eli- 1900 der Wunsch nach einem Bezirkskrankenhaus in sabethenfest 1927 konnte das Richtfest gefeiert werden. Gammertingen. Vor allem Med. Rat. Dr. Joseph Bur- Im Sommer 1928 bezogen Franziskanerinnen vom Klo- karth, seit 1904 Oberamtsarzt, trieb die Pläne voran und ster Erlenbad das Heim, und am 3. September 1928 wur- sorgte für den Ankauf eines geeigneten Geländes. Beim den die ersten alten Leute aufgenommen. Darunter wa- Ausbruch des Ersten Weltkrieges stand auch schon ein ren 50 Pfründner aus dem Fürst-Carl-Landesspital. Am Baukapitel von 100 000 Mark bereit. Dies wurde natür- Tag der Einweihung, dem 19. November 1928, war das lich durch die Inflation vernichtet, aber bis 1925 war Haus schon mit 70 alten Leuten belegt. Zum Heim ge- schon wieder eine Summe von 50 000 Mark zurückge- hörte eine Musterlandwirtschaft, eine ländliche Haus- legt. wirtschaftsschule, die ebenfalls von den Erlenbader Das Jahr 1925 brachte die Auflösung des Oberamtes Schwestern geleitet wurde, und eine große Hühnerfarm. Gammertingen. Es wurde zwar versprochen, daß da- Mit der Verwaltung des Hauses unter Oberinspektor durch der Bau des Bezirkskrankenhauses nicht aufgehal- Konstantin Binder war für die Bevölkerung der Umge- ten würde. Aber im neuen Landkreis Sigmaringen stell- bung eine Außenstelle des Landratsamtes Sigmaringen ten sich die Probleme nun anders dar. In Sigmaringen verbunden. Verwalter der Landwirtschaft war Johann befand sich das Fürst-Carl-Landesspital, das vom Lan- Menz, später Bürgermeister von Gammertingen. deskommunalverband verwaltet wurde. Das Haus war Die Baukosten beliefen sich für das Haus auf 450 000 jedoch fast ganz mit Pflegefällen und Pfründnern belegt Mark, die Landwirtschaft 25 000 Mark und die Innen- und deshalb für einen modernen Krankenhausbetrieb einrichtung 40 000 Mark. Für den Bau hatte sich der nicht geeignet. Landrat Dr. Seifert ergriff in der Frage Kreis mit ca. 300 000 Mark verschuldet. Das war damals die Initiative. Er regte an, daß der Landkreis ein eigenes eine Menge Geld. Nach etwa einem Jahr erkrankte Altersheim bauen sollte, damit der Kommunalverband Oberinspektor Binder, und das Haus wurde vertretungs- freie Hand bekäme, im Fürst-Carl-Landesspital ein mo- weise von Obersekretär Johannes Herter vom Landrats- dernes Krankenhaus einzurichten. Als Standort des neu- amt verwaltet. Nach Binders Tod 1930 wurde Herter en Kreisaltersheim schlug Dr. Seifert Gammertingen vor, Heiminspektor. Damals begann sich die allgemeine Wirt- da dort schon ein Platz vorhanden war und Gammertin- schaftskrise anzubahnen, die sich auch auf das Heim aus- gen für den Verlust des Oberamtes und des nicht gebau- wirkte. Die Hühnerfarm mußte geschlossen werden, ten Bezirkskrankenhauses entschädigt werden sollte. auch die Hauswirtschaftsschule konnte nicht gehalten Landeskommunalverband und Kreistag stimmten Ende werden. Die erhofften Überschüsse der Landwirtschaft 1926 den Plänen von Dr. Seifert zu. blieben aus. Das Altersheim selbst konnte nur zu 70 bis Die Planung des neuen Altersheimes wurde Architekt 80 Prozent belegt werden. Das Heim befand sich in ei-

54 ner herrlichen landschaftlichen Lage und war durch die der deutschen Bevölkerung war natürlich groß, denn die Erlenbader Schwestern ausgezeichnet geführt. So lag der eigenen Kinder hatten kaum etwas zu essen. Gedanke nahe, es mit Kurgästen zu versuchen. Herter Nach einigen Monaten zogen die Franzosen ab, und das gab sich große Mühe, und langsam stellte sich Erfolg ein. Heim konnte wieder seiner Bestimmung übergeben wer- Jahr für Jahr kamen mehr Kurgäste nach Gammertin- den. Herter hatte große Schwierigkeiten, für Verpfle- gen. Etwa 1934 erschien der erste Hausprospekt. gung und Heizmaterial zu sorgen. Mit der Währungsre- Durch einen Vertrag mit der Landesversicherungsanstalt form 1948 besserten sich zwar die Verhältnisse, für viele in Stuttgart konnte Herter eine kontinuierliche Belegung Heimbewohner entstanden aber große wirtschaftliche sichern. Der Name „Kurheim Zolleralb" wurde geboren. Schwierigkeiten, da sie ihr Vermögen verloren. Herter Das Heim reichte räumlich als Altersheim und Kurheim war bemüht, diesen Leuten zu helfen, so gut es ging. bald nicht mehr aus. So wurde 1936 nach Plänen von Man dachte schon daran, den Kurbetrieb wieder aufzu- Architekt Bubser, Straßberg, ein eigenes Kurheim ge- nehmen, als das Heim überraschend 40 Flüchtlinge aus baut. Das Kurheim enthielt Aufenthaltsräume und eine Dänemark aufnehmen mußte. Es waren meistens alte Kegelbahn. Es kamen auch immer mehr alte Leute von Leute, die aus Ostpreußen stammten, und die nun in auswärts, die ihren Lebensabend in dem schönen Heim Gammertingen eine neue Heimat finden sollten; sie wur- in Gammertingen verbringen wollten. Die große Zahl den im Bau II untergebracht. der Insassen und der Kurgäste erforderte natürlich eine Zum 25. Jubiläum am 19. November 1953 wurde Ober- entsprechende ärztliche Betreuung, die bis 1937 vom inspektor Herter wegen seiner Verdienste zum Direktor pensionierten Oberamtsarzt Dr. J. Burkarth übernommen ernannt. Inzwischen war der Kurbetrieb wieder voll in wurde. In diesem Jahr trat sein Sohn, Dr. med. Erwin Gang gekommen. 1954 wurde die Liegehalle eröffnet. Burkarth, die Stelle des Heimarztes an. Auch die Wirtschaft „Zum goldenen Helm" erfreute sich Einen tiefen Einschnitt in die Geschichte des Heimes be- eines regen Zuspruchs. Direktor Herter mußte 1960 we- deutete der Zweite Weltkrieg. Am 26. August 1939 wur- gen Krankheit seine Tätigkeit aufgeben. Nachfolger de das Heim zum Reservelazarett erklärt. Es zog aller- wurde Karl Wohlschiess, der seit 1954 im Heim tätig dings nur das Stammpersonal auf, Verwundete gab es war. Das Heim wurde weiter baulich ausgestattet. 1962 noch nicht. Im Sommer 1940 wurde das Lazarett vor- wurde der neue Speisesaal eröffnet. Ein Aufzug wurde läufig wieder aufgelöst. Um diese Zeit wurde die Land- eingebaut, und die Schwestern bekamen bessere Unter- wirtschaft des Heimes aus verschiedenen Gründen aufge- künfte. geben. In die bisherige Wohnung des Landwirtschafts- 1974 lief der Vertrag mit der Landesversicherungsanstalt verwalters wurden Aufenthaltsräume und die Wirt- aus, was zur Folge hatte, daß der Kurbetrieb wesentlich schaft „Zum goldenen Helm" eingebaut. zurückging. Direktor Wohlschiess ging 1975 in Pension. Im Herbst 1941 wurde das Reservelazarett wieder eröff- Zu allem Unglück erkrankte Oberin Schwester Agilberta net. Nun kam ein Strom von Verwundeten, der bis und starb nach wenigen Monaten. Im Heim entstand Kriegsende nicht mehr abriß. Schwestern und alte Leute eine schwierige Situation, die nur durch persönliches wurden in die äußersten Winkel des Hauses bis unters Eingreifen von Landrat Schlee gelöst werden konnte. Dach verdrängt. 50 Insassen wurden in die „Alte Post" Trotz ihres hohen Alters mußte Schwester Severa (Obe- in Gammertingen verlegt. Dort hausten sie jahrelang un- rin bis 1968) erneut das Amt der Oberin übernehmen. ter primitiven Bedingungen. Die meisten Ordensschwe- Das Heim wird jetzt direkt vom Landratsamt Sigmarin- stern mußten zusätzlich in der Pflege der Verwundeten gen aus verwaltet. Herr Bürgermeister Kast, Neufra, mitarbeiten. In all den schweren Jahren kümmerte sich wurde beauftragt, die Interessen des Heimes wahrzuneh- Landrat Dr. Seifert um das Heim und seine Bewohner. men. Das Büro wird von Fräulein Hölzer geführt, die Aufgrund seiner Stellung konnte er manches abwenden schon 25 Jahre im Heim ist. oder mildern. Eine große Hoffnung für das Heim wurde die Ernen- Am 24. April 1945 wurde Gammertingen von französi- nung von Schwester Bernhardis zur Oberin. Sie leitet schen Truppen besetzt. Die Verwundeten und das Sani- das Heim nun schon seit eineinhalb Jahren zu aller Zu- tätspersonal wurden zu Kriegsgefangenen erklärt. Ende friedenheit. Eine große Umstellung bedeuten die Umbau- Juni mußten Sanitätspersonal und gehfähige Verwundete arbeiten, die in den nächsten Tagen aufgenommen wer- zu Fuß nach Sigmaringen marschieren (die Bahn fuhr den. Das ganze Heim wird modernisiert. Die Zimmer damals noch nicht). Dr. Seifert wollte die Insassen aus werden vergrößert. Die sanitären Verhältnisse und Pfle- der „Alten Post" wieder ins Heim verlegen, aber der geeinrichtungen werden den heutigen Verhältnissen an- französische Kommandant in Gammertingen verhinderte gepaßt. dies; er hatte eigene Pläne mit dem Heim. Nach einigen Seit 1928 wurden 1057 Insassen im Heim aufgenommen. Wochen kam die Verlegung doch zustande. Im Sommer Über mehrere Jahrzehnte waren pro Jahr 450 bis 500 mußte das Heim aber erneut geräumt werden, denn die Kurgäste im Heim. Ob und wie der Kurbetrieb nach Franzosen richteten ein Erholungsheim für französische dem Umbau wieder aufgenommen wird, läßt sich noch Kinder ein. Diese mußten vom Kreis voll verpflegt wer- nicht sagen. Bestreben aller Beteiligten ist aber, mög- den. Außerdem mußten die umliegenden Gemeinden zu- lichst vielen alten Leuten in einem schönen, gut geführ- sätzlich täglich Milch und Eier liefern. Die Verbitterung ten Heim eine Heimat zu bieten.

HANS PETER MÜLLER

Bericht über das KZ Bisingen

Als vor 40 Jahren in der sog. Reichskristallnacht die jü- und Ausrottung dieser Bevölkerungsgruppe stand. Als dischen Gotteshäuser in Deutschland in Flammen aufgin- Chiffre für dieses düsterste Kapitel der deutschen Ge- gen, sollte dies das Fanal sein für die Verfolgung der jü- schichte steht das Wort „Auschwitz". Allzu leicht ver- dischen Mitbürger, an deren Ende die Massenvernichtung gißt man aber, daß Auschwitz auch in unserer Heimat

55 Baden-Württemberg war. Auch hier hat es Konzentra- seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern getrennt. tionslager gegeben, in denen die von Goebbels ausgegebe- Er sieht sie nie wieder. 1943 schleppt man ihn dann ins ne Devise von der „Vernichtung durch Arbeit" in die Arbeits- u. Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Zwei- Tat umgesetzt wurde. mal in der Woche, so erzählt er, kommt die SS und se- Es sei an dieser Stelle auf einige Publikationen der letz- lektiert. Diejenigen Gefangenen, die nicht mehr arbeits- ten Zeit hingewiesen, die sich mit diesem Thema befaßt fähig scheinen, werden in die Gaskammern geschickt, die haben. Julius Schätzle, selbst ehemaliger KZ-Häftling, anderen weiterhin zur Arbeit abkommandiert. Wie hat unter dem Titel „Stationen zur Hölle" (1974) einen durch ein Wunder kommt Alfred Korn jedesmal davon. Uberblick über die Konzentrationslager in Baden und Er bleibt in Auschwitz bis Januar 1945, dann wird er in Württemberg 1933-1945 vorgelegt. Von der Hand des Marsch in westliche Richtung gesetzt, erst nach Groß- Archivrats Paul Sauer stammt das 1975 erschienene Rosen in Schlesien, dann ins Konzentrationslager Bu- Standardwerk „Württemberg in der Zeit des Nationalso- chenwald. Von dort aus geht es auf die Schwäbische zialismus". Schließlich hat Herwart Vorländer in diesem Alb, erst nach Schörzingen, dann nach Bisingen in der Jahr einen Band „Nationalsozialistische Konzentrations- Nähe von Balingen. lager im Dienst der totalen Kriegführung" herausgege- Korn: Da hat man überall gegraben, überall, überall wo ben. Der Sammelband enthält Beschreibungen von sieben man geguckt hat, da waren Gräber, ganz klein, und ich württembergischen Außenkommandos des Konzentra- kann das gar nicht beschreiben, ich stell mir ein Berg- tionslagers Natzweiler/Elsaß: Leonberg Hessental, Nek- werk ganz anders vor. Unter freiem Himmel ist man ge- kargartach, Echterdingen, Hailfingen, Vaihingen/Enz standen, hat man ausgegraben. Immer so acht oder zehn und Schörzingen. Leute haben da gegraben und wenn das tief war — da Das KZ Natzweiler hatte insgesamt 46 Außenkomman- war ein paar Meter tief schon Schiefer - da gings im- dos, davon 19 in Württemberg, 10 in Baden und eines mer tiefer. So bis zu mannshohe Gräber hat man gegra- (Bisingen) in Hohenzollern. Die meisten dieser Lager ben und da hat man den Schiefer herausgenommen. Und sind erst im Laufe des Jahres 1944 angelegt worden. Die wie nichts da war, hat man das stehen und liegen lassen Arbeiten, zu denen die Häftlinge herangezogen wurden, und man ist an einen zweiten Platz gegangen. bestanden im Straßen-, Stollen- und Flugbahnbau sowie Korn: Jetzt sieht es lächerlich aus, was das für ein Werk im Einsatz in Rüstungsbetrieben. Die Häftlinge, deren war. Da war irgendwo ein Gebäude - ich war nie drin Zahl in die Tausende ging, stammten aus fast allen Län- - und dort soll der Schiefer zu öl verarbeitet worden dern Europas, hauptsächlich aber aus Polen und Ruß- sein. So hat man gesprochen und der Zufall war, daß ir- land. Unterschieden wurde, der damaligen Terminologie gendwie Torf gekommen war - für welche Zwecke zufolge, zwischen „Politischen", „Kriminellen", „Ju- weiß ich nicht - und da hab ich geholfen den Torf ab- den", „Assozialen" und „Kriegsgefangenen". Eine beson- laden und da hab ich auf einmal gesehen während dieser dere Stellung innerhalb dieses KZ-Systems nahmen die Arbeit, daß vom Schieferwerk ein Rohr gelaufen war. Lager der „Gruppe Wüste" ein. Zur Gewinnung von öl Das war aber sehr primitiv; auf Brettern ist das gelegen, wurden von der SS im württembergischen ölschieferge- und die Bretter waren wieder durch senkrechte Bretter biet um Balingen sieben Lager errichtet: Schömberg, festgehalten. Und das ging bis zum Bahnhof, und auf Schörzingen, Frommern, Erzingen, Bisingen, Dautmer- dem Bahnhof stand eine Zisterne, und das Rohr ist in gen und Dormettingen. die Zisterne rein. Da hab ich gedacht: oh, das ist das Rudi Holoch hat in dem oben genannten Sammelband Ende, da muß aber öl fließen. Und da hab ich beobach- die Geschichte des Konzentrationslagers Schörzingen tet, daß - ich will mich nicht festlegen - aber wahr- ausführlich beschrieben: Sie hat 442 Tage lang gedauert scheinlich alle fünf, es kann auch vier oder sechs Minu- und 549 Opfer gekostet. ten gewesen sein, sagen wir ungefähr alle fünf Minuten, ist aus dem Rohr ein Tropfen in die Zisterne herein - Noch schrecklicher sieht die Bilanz des Bisinger Lagers tick — hereingeflossen, geflossen, wenn man das sagen aus, das zwar nur 234 Tage bestanden aber 1158 Tote darf. gefordert hat. Eröffnet wurde das KZ Bisingen am 24. August 1944. Arbeitgeber war die Organisation Todt - Wenke: Kann man sagen, daß da Hunderte von Häftlin- Bauleitung Balingen. Nach Angaben des ehemaligen In- gen geschunden wurden, damit da so ein bißchen öl her- sassen Korn betrug die Zahl der Häftlinge 1000 Mann. gestellt wurde? Das Lager wurde am 7. und 14. April 1945 nach Dachau Korn: Ja, wenn ich mich nicht täusche, waren wir Tau- evakuiert. send dort in Bisingen gewesen. Jedenfalls haben Hunder- Wie man weiß, hatte die SS, die die Lager bewachte, te von Häftlinge gearbeitet, damit alle fünf Minuten ein jeglichen Kontakt zwischen den Häftlingen und den Be- Tropfen — tick — und dann fünf Minuten nichts, und wohnern der umliegenden Orte unterbunden. So sind die dann wieder - tick - der Tropfen ist herein in die Zi- ungeheuerlichen Vorgänge, die sich hinter dem Stachel- sterne. Und das war die große Leistung des Schiefer- draht zugetragen haben, erst nach Kriegsende so recht werks in Bisingen. Einige haben davon gesprochen, daß ins Bewußtsein der Bevölkerung gedrungen. das ganze Lager Bisingen ist nur so eine Art Druckpo- In diesem Jahr hat der Süddeutsche Rundfunk in seinem sten für die Leute, die in der Lagerleitung sich gedrückt Schulfunkprogramm eine Reihe „Die Nationalsozialisti- haben, damit sie nicht an die Front gehen brauchten. sche Verfolgung im Deutschen Südwesten" ausgestrahlt. Wenke: Sind Sie denn da eigentlich mit der Bevölkerung Die letzte Sendung mit dem Titel „Jenseits der Hölle" irgendwie in Kontakt gekommen? ist von Bettina Wenke verfaßt worden. Sie hat darin ei- Korn: Ja, ja, jetzt fällt mir was ein. Da war ich eines nen ehemaligen Insassen des KZ Bisingen, den heute in Tages, als ich oben war und unten waren die Mithäftlin- Stuttgart ansässigen Alfred Korn, befragt. Mit freundli- ge, die waren in der Grube, haben da nach dem Schiefer cher Genehmigung der Beteiligten soll im folgenden die- geguckt, da waren auf dem Nachbarfeld ein paar Bau- ses Gespräch wiedergegeben werden. ernfrauen, haben da Kartoffeln gehabt. Jedenfalls hat Wenke: Alfred Korn stammt aus Krakau. 1942 wurde er mir eine Frau gezeigt, auf den Boden mit dem Finger: da von den Deutschen, wie alle Polen jüdischer Herkunft, hier liegt was; so hab ich das verstanden. Und das war mit seiner Familie ins Ghetto gesperrt. Dann wurde er eine Entfernung vielleicht von fünf bis zehn Meter höch- ins Arbeitslager Platschov gebracht. Dort wird er von stens, und ich habe aufgepaßt wenn die SS, der Mann

56 der bewacht hat, der ist herumgegangen, und war da hab ich gesehen: da waren wir doch schon hier. Und dann ein bissei weiter weg, hab ich mich hingeschlichen, dann hat man das beobachtet, und dann haben wir fest- hab das geholt: waren da drin fünf oder sechs Kartof- gestellt, daß wir in den, ich weiß nicht 10 oder 12 Ta- feln, in so einer Tüte. Die hab ich genommen, habe sie gen, in denen wir marschiert sind - das heißt marschiert mir in die Taschen gesteckt, rechts und links. Jetzt ist sind wir nur bei Nacht, bei Tag waren wir im Wald und aber folgendes, das beweist nur das Ausmaß, wie groß bei Nacht sind wir die ganze Nacht durchmarschiert - die Brutalität von dem damaligen Regime war, wenn da haben wir festgestellt: wir sind praktisch im Kreis eine biedere Bauersfrau in der Nähe von unserer Arbeit herumgelaufen. Wahrscheinlich waren schon entweder mir ein paar Kartoffeln zukommen lassen wollte, da Amerikaner oder Franzosen in der Nähe, und das ging mußte sie aufpassen, daß die SS nicht sieht und mußte so bis zum 22. April, da waren wir in Ostrach gewesen. mit dem Finger zeigen und sich entfernen und ich muß- Wenke: Sie sind immer unter Aufsicht der SS mar- te, wahrscheinlich mit Lebensgefahr, mich dahinschlei- schiert, das muß man dazusagen. chen, um die paar Kartoffeln in die Hand zu stecken. Korn: Ja dauernd, ja natürlich, ja da muß ich noch was Korn: Schörzingen und Bisingen, das war doch ein sagen, daß im Laufe dieser paar Tage, die wir gelaufen Sumpf, in dem man noch unter Bewachung unter Todes- sind, da sind mehrere Hunderte erschossen worden un- angst jeden Tag, jede Minute, steckte. Das war doch terwegs, weil, als wir marschiert sind, hat man dauernd wirklich kein Lager und vor allem keine Stätte, in der Schüsse gehört. Und auch in meiner Nachbarschaft, man eine Minute nur leben konnte. In Bisingen, da muß- wenn da jemand nicht mehr gehen konnte, da hat man te man dann sich hereinschieben in diese Regale rein; da den erschossen. Also jedenfalls sind wir, als wir in Ost- ist man in dem Regal praktisch geschlafen, ohne Decke, rach ankamen und wir damals die Kartoffeln - von ei- ohne Kissen, ohne Bettzeug, ohne Stroh, gar nichts; nur nem Bauern hat man zwei oder drei Sack Kartoffeln ge- so auf dem reinen Brett, wie im Regal ist man da so ge- holt und jeder hat zwei Kartoffeln bekommen, im Gän- schlafen. Das ist unglaublich. Also, ich hab schon vorhin semarsch, also rohe Kartoffeln - die haben wir bekom- gesagt von der Latrine, die war entfernt von dem Lager, men, und während dieser Verteilung hat es auf einmal ich weiß nicht, so 10 oder 20 oder 50 Meter, je nachdem, geheißen: die SS ist fort. Und da hab ich mich umge- guckt: tatsächlich kein SS-Mann. Und da war schon al- und dann waren Waschräume. Da war eine Baracke mit les auf und das war in Ostrach - hab ich später erfah- Waschräumen; da ist man dann hingegangen; da mußte ren - und das war morgens, so vielleicht um sieben man in Reihe stehen bis man endlich drangekommen ist. oder acht Uhr morgens, am 22. April. Da hat man we- Da floß ein bissei kaltes Wasser und wenn man von der der Franzosen noch Amerikaner, noch deutsche SS gese- Latrine rausgekommen ist, ist man in den Kot wieder hen und die Stadt war wie ausgestorben. reingetreten, weil es waren keine Gewege gemacht wor- Wenke: Ein Tag noch irrt Alfred Koch gemeinsam mit den, keine Straßen gemacht worden. Das trau ich nicht anderen Gefangenen umher, dann endlich trifft er auf einmal einem Schwein jetzt, daß es in solchen Verhält- französische Soldaten und weiß: Krieg und Gefangen- nissen lebt, das ist ausgeschlossen. schaft sind vorbei. Er geht nicht zurück nach Krakau Wenke: Ja und dann war aber bald Kriegsende. Wie ha- sondern bleibt, da er sich in Stuttgart eine neue Existenz ben Sie das erlebt? aufbauen kann, in Deutschland. Er versucht etwas über Korn: Ja, eines Tages, da war ich in Bisingen, da hat es seine Frau und seine beiden Kinder zu erfahren. Sie sind geheißen: wir marschieren morgen nach Bozen, zu Fuß. von den Deutschen umgebracht worden, vergast oder er- Und da sind wir angetreten, da sind zusammengekom- schossen, sie sind der Hölle nicht entkommen, oder war men 1000 Leute. Es waren 10 Blöcke ä 100. Ich glaube, es mehr als die Hölle. Gibt es für das, was Gefangene in das waren auch die Häftlinge aus Schörzingen, ich kann den von Deutschen errichteten Konzentrationslagern er- es aber nicht hundertprozentig sagen. Auf jeden Fall leben mußten, überhaupt ein passendes Wort? weiß ich, daß wir 1000 aus Bisingen, 1000 Leute in Korn: Ich kann mir vorstellen, daß die Hölle ein Para- Richtung Bozen abmarschiert sind und uns Häftlingen dies ist im Vergleich zu dem, was wir mitgemacht haben. hat man gesagt, daß die Amerikaner kommen. Aber ob Das ist wirklich wahr; wenn man das nicht mitgemacht das von jemand gehört worden von offizieller Seite hat, ist das unglaublich; das kann man gar nicht schil- weiß ich nicht; ich habs nicht gehört. Und wir sind dann dern. Wenn Kogon oder Schätzle oder sonst jemand ir- marschiert. Ich hab da eines Tages festgestellt, daß wir gendwie über diese Zeit geschrieben hat, dann ist es doch nach drei Tagen auf den gleichen Platz gekommen sind; nur ein Minimum von dem, was da tatsächlich war.

JOHANN ADAM KRAUS

Schwelherbesitz in Killer 1488

Die adeligen Brüder Alt-, Mettel- und Kleinhans aus dem Jahr 1488, die viel Unbekanntes enthält und si- Schwelher als Herren zu Ringingen, Holnstein ob Stet- cher das Interesse von Heimatfreunden finden wird. ten und Straßberg sind im Hohenzollerischen Jahresheft Es heißt da: Festlin (Silvester?) der Schmied gibt aus sei- 1938 näher behandelt, dazu des ersten Sohn Fritz und nem Gut jährlich 14 ß h (etwa 42 Goldmark), 2 Scheffel der Enkel Peter Schwelher von Straußberg (Straßberg). Korn (Vesen), ebensoviel Haber in Reutlinger Maß, 4 Daß letzterer auch einen 1497 und 1500 aktiv auftreten- Hühner und 1 Viertel, das sind 120 Eier. In dieses Gut den Sohn Hans Sweller, hatte, der 1504 tot war, ist gehören: Sein Gesäß (Wohnhaus) und Scheuer mit Gar- nachher erst bekannt geworden (Hohenzollerische Hei- ten dahinter, stoßt an 2 Seiten auf des Kuonzers Gut, mat 1961, 8). Vom genannten Peter findet sich im Fürstl. anderseits an des Mangolds Garten und an der vierten Hohenz. Archiv in Sigmaringen (R 137,1; Ka. 34,7) Seite an die Strauß (Straße). Ferner Vä Mannsmad (Mm) eine Aufzeichnung seiner Einkünfte und Güter zu Killer Wiesen, genannt Bolwies, stoßt an des Nuners Gut. (Nu-

57 ner gabs auch in Burladingen, daher noch dort die Non- Felldorf sind schon um 1340 als in Killer begütert er- nengaß!), anderseits an die Bolgaß und liegt unterhalb wähnt»). - Ferner gehörten dem Schwelher: IV2 Jau- Hans Bechtolds Bolwies. (Bol= Bühl, daher Ortsname chert in der Hofstatt (offenbar im Dorf Killer), und Boll). Ferner Va Mm am Buochbach (der von der ehema- liegt am Bach in der Hofstatt hinab, anderseits die ligen Ringinger Seemühle herabkommt) an Walther Fir- Landstraß, die man nennt den Gerstenbach. (Ob die rers Wiesen am Bach hinab an Burkart Sachsen Gesäß. Hofstatt nicht der Platz der ehemaligen Burg Affen- Ferner 1 Mm genannt Stegwies, stoßt an die Seehamer schmalz der Herren von Killer war?). Ferner 2 J im hin- Straße, anderseits auf den Acker ULb. Frau, auch an teren Bol, wendet auf den Megernzer und anderseits auf den Hertweg. (Seeheim oder Seehen heißt das von Rin- Hans Bechtolds Acker. Ferner 3 J am Magenloch, stoßt gingen herabziehende Tal, durch das seit dem vorigen auf die Gemeine Egert, anderseits gegen ULb. Frauen Jahrhundert die Straße Ringingen-Killer führt. Früher Acker. Ferner 4 Mm Wiesen auf Seehamer Berg, stoßen ging sie vom Ringinger Hälschloch über den Killer-berg gegen des Schwelhers Wiesen und anderseits auf das durch die Kättergaß nach Killer. In Seehen finden sich Holz (Wald), genannt Bachnow (Bachenau oberhalb heute einige Fischweiher. ULbFrau ist wohl die Kirchen- Jungingens). Ferner 4 J in Gruoben, stoßen auf des Nu- patronin von Killer. Hertweg scheint Herdenweg für ners Gut, anderseits gegen ULb. Frauen Acker, genannt das Vieh zu bedeuten.) Ferner 2 Mm auf Hewfeld (Heu- das Linsyfeld, liegt ob dem Manenwiesle. Ferner 2 J in feld) genannt der Riem (noch heute bekannt), einerseits der Ow (Au), stoßen auf den gemeinen Wasen, die man an Adelmann von Jungingen, anderseits an Auberlin nennt das Gemärk, und auf des Sachsen Gut. Ferner 1 J (Albrecht) Emilin von Salmendingen und an dem Weg auf Seeheimer Berg, stoßt gegen die Hoestaig, anderseits in Schilt (noch heute so: Gelände in Schildform). Fer- an Bachnauer Weg. - Soweit der Aufschrieb von 1488. ner V2 Mm Wiesen, genannt Restlins Aeckerle, stoßt auf Als Veronika von Neuneck, geb. Spät, im J. 1507 von ULb. Frauen Acker, anderseits an den gemeinsamen ihrem Vetter Peter Schwelher von Straßberg sein Seehei- Hertweg und an das Lange Ziel. - Ein weiteres Gut mer Tal und Seeheimer Berg geschenkt bekam, die sie liegt auf dem Killerberg, genannt Ulrichs Gereut. (Den dann 1512 um 80 rh Gulden an die Gemeinde Ringingen Berg hat also ein Ulrich gerodet, vielleicht jener Uol- verkaufte, ist nicht zu ersehen, ob auch einige der obigen rich von Sehan, den das alte Beuroner Urbar um 1390 Stücke dabei waren. Nach Hodler war Peters Frau eine erwähnt?) und 1 Jauchert Acker davor, stoßt an ULb- Margarethe von Neuneck, des Wildhans Tochter zu Frauen Acker, anderseits an die Gemeine Egert des Dor- Glatt, gewesen. Für die Heimatkunde von Killer müßte fes und an des Schwelhers Halden, die man nennt die es von Interesse sein, was Berthold Hagen in seinem Zol- Finstere Teilen, anderseits auf Megenzers Halde, genannt lerischen Lagerbuch von 1544 zu melden hat (F. H. Ar- die vordere Teile. (Die Finstere Teile, d. i. Täle, zieht chiv Sigmaringen). Um diese Zeit gab es auf dem weiten sich vom Dreifaltigkeitskreuz an der Ringinger Grenze Heufeld im Gegensatz zu heute nicht nur Grundstücks- von Hasenbühl stracks hinab ins Seeheimer Tal. Die Ge- besitzer aus Ringingen und Salmendingen, sondern auch meinsame Egert der beiden Gemeinden Killer und Rin- aus der ganzen Umgebung. Völlig vergessen, ja heute un- gingen unterm Finstern Teile wurde erst um 1847 geteilt. denkbar ist die damals erwähnte »Reutlinger Straße« an Wer bis dahin mit seinem Weidevieh als erster dorthin der späteren Seemühle vorbei aufs Heufeld und weiter kam, durfte nicht vertrieben werden. Die Megenzer von über Salmendingen.

WILLY BAUR

200 Jahre Schäferzunft Trillfingen

Am 22. Oktober 1978 - Sonntag nach St. Wendelin - 17. zum 18. Jahrhundert. 1724 wurde die Kapelle erwei- hat die Schäferzunft Trillfingen ihr 200jährige Bsestehen tert und umgebaut. In den folgenden Jahrzehnten wur- feiern können. Der noch erhaltene Zunftbrief mit obrig- den in ihr im Sommer und später im Winter wöchentlich keitlicher Genehmigung trägt zwar das Datum vom 19. Bittmessen für Bewahrung vor Unwetter und Viehseu- des Weinmonats (Oktober) 1780, das vollständig erhalte- chen gehalten. An ihrer Stelle wurde die jetzt noch be- ne Mitgliederbuch beginnt jedoch im Jahre 1778. Aus stehende Kapelle, wahrscheinlich ein Werk des Haigerlo- diesem Jahre liegt auch die Abrechnung über den ersten chers Grossbayer, im Jahre 1764 vollendet. Sie erhielt Jahrtag in der Zunftlade. 1776 eine Wendelinsreliquie, womit sein Patronat gegen- Eine schriftliche Überlieferung über den Anlaß der über der Madonna und St. Leonhard in den Vorder- Gründung scheint nicht vorzuliegen, er läßt sich aber grund trat und für die Gründung der Zunft maßgebend leicht aus der örtlichen Überlieferung erschließen. Genau wurde. genommen handelt es sich bei der Zunft weniger um eine Bemerkenswert ist, daß die Gründung der Zunft zu ei- Standesorganisation der Schäfer, sondern um eine der nem Zeitpunkt erfolgt ist und die Genehmigung des mehr religiös gestimmten Bruderschaften, wie sie seit fürstlichen Oberamtes Haigerloch erhielt, als die Bruder- dem frühen Mittelalter vielfach gegründet worden sind. schaften im Zeichen der josephinischen Reformen allge- Anlaß zu dieser Gründung waren zweifellos die damals mein aufgelöst und ihr Vermögen zum Religionsfond grassierenden Viehseuchen, welche die Existenz der eingezogen wurden. Schäfer und Viehhalter immer wieder neu bedrohten, Trotz ihres Namens setzten sich die eingeschriebenen und denen man hilflos gegenüberstand. Wesentlich war Brüder neben Schäfern aus Bauern und viehhaltenden aber auch die alte und viel besuchte Wallfahrtskapelle Handwerkern und Gewerbeleuten zusammen. Verfas- zur Schmerzhaften Muttergottes, St. Leonhard und St. sung und Sinn der Zunft sind in den zwölf Artikeln des Wendelin auf der Höhe unmittelbar über dem Ort. Eine Zunftbriefes festgelegt. Bestimmt wird darin die Abhal- rege Wallfahrt zu ihr bestand schon vor der Wende vom tung eines Jahrtages mit Seelen-, Lobamt und Vigil je-

58 St. Wendelin, Stiftungsbrief, Zunftlade, Zunftzeichen und Leuchter für die Zunftkerze. Foto: Weber, Haigerloch

weils am Montag nach dem Wendelinstag (20. Oktober) Hierlingen. Gegenwärtig ist Trillfingen und Bierlingen in der Wendelinskapelle mit anschließender Rechnungs- die Heimat der Mehrzahl der Zunftbrüder, der Rest ver- ablegung und Wahl des Zunft- und Kerzenmeisters in teilt sich auf 18 Orte der näheren und weiteren Umge- der Schäferherberge zum „RÖßle". Vorgeschrieben ist bung. weiter die Entschädigung für drei Geistliche, die Entloh- Es dürfte in weitem Umkreis schwerlich eine Vereini- nung für den Mesmer, die Ministranten und Musikanten, gung dieser Art geben, die ihren Brauch in 200 Jahren die Einschreibegebühr für aufzunehmende neue Brüder, ohne wesentliche Veränderung und ohne jede Unterbre- Bußgelder bei Versäumnis des Jahrtags oder Veranlas- chung so treu erhalten und gepflegt hat. Für den Fami- sung von Händeln, auch entsprechende Ahndung von lienforscher bedeuten ihre Mitgliederlisten eine wertvolle Vergehen. Quelle für den weiteren Umkreis um Trillfingen. Der Diese Bestimmungen sind mit kleinen, durch die Zeitver- Stiftungsbrief, das Zunftzeichen, die Zunftlade mit ihren hältnisse nötigen Änderungen ohne Unterbrechung durch Dokumenten, der Leuchter für die Zunftkerze bilden ei- gute oder böse Zeiten Jahr für Jahr bis heute eingehalten nen kostbaren kulturellen Besitz, die Zunft und Bruder- worden. In der Zunftlade liegen die Protokolle über die schaft gereichen der Gemeinde Trillfingen zu besonderer Rechnungsabhör Jahr für Jahr seit 1778, die Mitglieder- Ehre. listen mit eingetragenem Todesjahr sind vollkommen er- Die Feier des Jubiläums wurde am Sonntag, den 22. Ok- halter, Namen und Amtszeit der Zunft- und Kerzenmei- tober, in Trillfingen würdig begangen mit einem Festgot- ster gehen aus den Protokollen hervor. Es folgen aufein- tesdienst, Totengedenken in der Wendelinskapelle, Aus- ander 26 Zunft- und 31 Kerzenmeister, erstere aus Tail- stellung der Zunftwahrzeichen und Örtlichen Kulturgu- fingen, die Kerzenmeister immer aus benachbarten Or- tes, einer Festveranstaltung und abendlichen Unterhal- ten. 1778 sind 60 Mitglieder eingetragen, die Zahl tung in Anwesenheit prominenter Vertreter geistlicher schwankte später zwischen 100 und 200, erreichte 1872 und weltlicher Behörden und Verbände. Unter dem Ein- einen Höchststand von 316 und beträgt jetzt 187. In den druck des Festtages traten 50 neue Brüder der Zunft bei Gründungsjahren stammten die Mitglieder aus Owingen, und bezeigten damit die Zuversicht für den Fortbestand Gruol, Weildorf, Haigerloch, Weitingen, Bittelbronn, der Zunft und Pflege ihres Brauches auch für kommende Thanheim, Imnau, Höfendorf, Wachendorf, Hart und Generationen.

59 JOHANN ADAM KRAUS

Seelsorger von Inneringen (Ergänzung zu Joh. Maiers Ortsgeschichte 1966, S. 179 f.)

1. 1275 Rektor N., vertreten durch einen Vikar N, hat 28. 1599 14. Mai als Helfer: Simon Mayer aus Veringen. ein Einkommen: 10 Pfd. Rottweiler Heller. 29. 1610-40 f Pf. Georg Benkler aus Sentenhart, gest. 2. 1284 29. Nov.: Wol(-frad) „rector ecclesiae in Aen- 24. 9. 1640. rinchen" ist Zeuge mit Gr. Friedr. von Zollern u. 2 30. 1640-60 f Pf. Mg. Georg Benkler junior, aus Sen- Hechinger Bürgern (WUB 8,486). tenhart, prok. 22. Nov. invest. 16. Feb. 41; Erst- 3. 1288 16. Aug. Burkart von Laiterberg (b. Leverts- früchte 50 fl 54 kr; 1653 Dekan; f 11. 8. 60. weiler) Rektor. (Im Siegel: Leiter auf Dreiberg; 31.1660-69 Pf. Johann Jak. Schuler, prokl. 13.9.; in- WUB 99,225). vest. 28. Sept. 4. 1295 3. Mai Burkart von Jungingen, Kirchrektor (WUB 10,342), ebenfalls 1299 (WUB 11,289). 32. 1669-80 Pf. Dr. theol. Ignaz Dirck (Türk) prokl. 5. 1313 6. Dez. Pfaff Johannes, Zeuge betr. einen Hof 2. 5.; invest. 27. 9., wechselt nach Biberach. zu Inneringen (FUB 5, S. 318). 33. Kpl. Georg Rottenburger 1680. 6. 1333 15. Juli Kpl. Heinrich von Affelstetten, Kirch- 34. 1680-97 t Johann Lud. von Gall, Sohn des Troch- herr der Kapelle zu Inneringen (Wappen: kriechen- telf. Obervogts (war dort 1674-80 Pfarrer;) in In- der Affe) (FUB 5, S. 391). neringen gest. 16. Juni 1697. 7. 1374 Pfaff Peter der Maiger, Kirchherr (Siegel spitz- 35. 1698-1715 | Pf- Daniel Uelin, Dr. theol. prokl. oval: Im Schild Falke auf Dreiberg) HH 1965, 16. 1. Feb. invest. 22. 3.; stammt aus Mammern, heißt 8. 1434, 1437 Rektor Albert, Sohn des Konrad von aber 1685 „Heiligenbergensis", war 1678-80 i. Reischach (HH 1962, 59). Burgweiler, 1681-98 i. Trochtelfingen, starb in In- 9. 1445 5. Juni Kirchherr Friedrich Vogt, hat mit Pfr. neringen 22. Juni 1715. Rud. Gaiß, Benzingen und Joh. Jocher, Gammertin- 36. 1716-32 Pf. Johann Heinrich Gauch aus Mellingen gen eine Bruderschaft gegründet (REC 11051) Vogt (Aargau), vorher i. Wolfach u. Stühlingen; Apostol. ist 1469 Pfr. in Veringendorf. Protonotar, Rat von Konstanz und Fürstenberg. 10. 1468 Pfr. Jakob Hafner, 1472 Dekan, 1483 Absenz 37. 1733-47 Pf. Conrad Arbogast Gauch, Vetter des u. Tod. Vorgängers, aus Mellingen, gb. 1702, ist 1745 Dekan 11. 1483 am 28. Feb. wird prokl. Georg Mesner aus d. Kap. Riedlingen, 1747 amoviert u. bald tot. Konstanz, nimmt 1492 Absenz nach Konstanz (FUB 38. 1748-72 Pf. Anton Jos. Fried, von Langen, gb. 7, S. 279); 1492 Erlaubnis für einen Tragaltar für 9. 11. 1716 in Neustadt, starb 1773. Kapelle. 39. 1772-83 Pf. Karl Jos. Alois Lindau, gb. Konstanz 12. 1493-97 t Georg Rottengatter. 29. 10. 1728, geht nach Stühlingen. 13. 1497-1522 f Pfr- Johannes Herlin (Haidlin, Hair- 40.1784-1821 Pf. Ignaz von Laßberg, gb. 11.8.49 i. lin) (FDA 25), seit 15. 9. 1519 Dekan. 1520 Dreifal- Heiligenberg als Sohn des fürstenbg. Oberforstmei- tigkeitskapelle (HH 1951, 48). sters Freiherr Friedr. Karl v. L. 14. 1522-26 t Pfr- Petrus Strang, bisher Neufra a. D., 41. 1802 Kpl. Hauger, arm u. ohne Haushälterin (Maier, prokl. 16. Jan. invest. 31. Jan. (Im J. 1523 kommt Ortsgesch. 197). ein Michael Mayger aus Inneringen auf die Kapl. 42. 1814-36 f Kpl. Raphael Stehlin aus Langenenslin- Jungnau.) gen, gb. 10. Okt. 57; gest. in Inneringen am 22. Jan. 15.1526 seit 8. Jan.: Mg. Johannes Ebinger von hier, 1836. präs. durch Gr. Christoph v. Werdenberg. 43. 1821-36 Pf. Anton Beller aus Möhringen, 16. ? Petrus Vischer (Maier, Ortsgesch. 181). 1774-1836, Pr. 1802, bisher fürstenbg. Hofkaplan, 17. 1529 Pfr. Theobald Huoter. wurde Dekan, starb hier 29. Mai 1839. 18. 1531-82 f Pf- Conrad Ruedolf aus Veringen, in- 44. 1836-37 Verw. Michael Sauter aus Langenenslingen vest. 13.4.; zeitweise absent 1533, 1535; Dekan 1803-72; seit 1857 Pf. in Zußdorf, gest. 10. 4. 72. 1573. 19. Kpl. Jodokus Algewer, tot 1534. 45. 1837 Verw. Leo Bürkle aus Tailfingen 1807-59; 20. 1534 Kpl. Michael Metzger seit 13. April, wird 1534 1842 Pfr. in Salmendingen, dort gest. 19. 4. 1859. Pfarrverw. u. verzichtet auf die Kapl. (1540 kommt 46. 1835 seit 7. Aug. Kpl. Franz Jos. Ströbele aus Bie- ein Simon Holl aus Inneringen auf die Pfarrei Grü- tenhausen (1803-56) bisher in Trochtelfingen, präs. ningen.). durch Fürst Karl Egon v. Fürstenberg, wurde 1838 21. 1541 10. Nov. ist ein Mg. Johannes N. plebanus in Pfr. i. Melchingen; gest. 1. 6. 58. Inneringen. 47. 1837-46 f Pf- Franz Xav. Hirt aus Pfohren 22. 1582 seit 26. Okt. Pf. Georg Neher (Nager), invest. (1777-1846) war seit 1813 Pfr. in Salmendingen, 10. Dez., präs d. Gr. Joach. Fürstenberg. Sein Tod 1825 i. Trochtelfingen, gest. Inneringen 18. 4. 46. 1585. 48. 1839 seit Sept. Kpl. Valentin Emele aus Ringingen 23. 1585-1609 f seit 26. Nov. Johannes Stengelin, bis- (1807-71), Pr. 1833; wurde 1844 Pfarrer dahier, her Röhrenbach, invest. 20.1.86, stirbt 16. Nov. 1854 in Feldhausen, 1864 i. Langenenslingen wo er 1609. (1589 kommt ein Inneringer Thomas Hirninger am 10. 3. 71 starb (FDA 1885, 88). als Pfr. nach Ringingen.). 49. 1854-56 seit 27. Jan. Verw. u. Kplverw. Silvester 24. 1595 Koadjutor: Simon Keuff. Miller aus Langenenslingen (1806-69), Pr. 1829, 25. 1597 Helfer: Christoph Kopp. war 1831-44 Prof. in Hedingen, 1844 Pfr. i. Gruol, 26. 1597 seit 29. Jan. Helfer Jakob Mühlbach. gest. 9. 3. 69 (FDA 17, 83). 27. 1598 am 19. Febr. angewiesen: Kapl. Martin Numa- 50. 1856-57 Pf. Karl Karle, gest. 8. Juli 1864 aus Ren- chius. getsweiler, Pr. 1851.

60 51. 1857-58 Pfv. Johann Bapt. Glatz aus Unterkirnach 59. 1903-05 Verw. Anton Saile aus Beuren b. Hech. (1811-74) starb am 12. Sept. 1874 in der Heimat (1875-1932) (FDA 64, 30). (Die Pfarrei Inneringen blieb 12 Jahre unbesetzt, um 60. 1905-09 f Pf- Franz Xav. Fecht aus Krauchenwies die Mittel für den Kirchenbau zu sammeln.). (1842-09) FDA 39,46. 52. 1858-77 t Pf- Philipp Barthol. Mayer aus Haiger- 61. 1909-10 Verw. Anton Kaltenbach aus Ruhestetten loch (1807-77), starb auf dem Heimweg von Ra- (1878-1929), ging 1910 nach Burladingen, gest. gatz in Konstanz am 6. Juli 1877. 28. 11. 29 (FDA 59, 18). 62. 1910-14 Pf. Fridolin Eisele aus Trochtelfingen 53. 1861 Kpl. Rudolf Mayer von Hechingen (1870-1918). War seit 1898 in Burladingen, 1914 i. (1833-1905, bisher Pfv. in Kettenacker, 1867 wie- Kriegsdienst, zuletzt Div. Pfr.; gefallen am 3. Juni der Kpl. in Inneringen, 1868 Pf. in Einhart, gest. 1918 bei den Verwundeten auf dem Verbandplatz Hechingen 18. 5. 05 (FDA 1906, 69). (FDA 49, 30). 54. 1861-64 Tischtitulant Johann B. Richter, bis 63. 1916-20 Verw. Karl Miller aus Bingen 20.11.64, stammte aus Villingen, 1797-1868; gest. (1886-1940), 1920 Pf. in Stein, dann Zimmern, Sigmaringen 7. 11. 68. 1929 Harthausen/Sch. (FDA 68, 48). 55. 1868 von 28. Juli an Verw. N. Stromayer. 64. 1920-35 f Pf- Adolf Strobel aus Boll (1868-1935), bisher Prof. am Gymnasium Sigmaringen, 1929 De- 56. 1868 seit 31. Juli: Kpl. Josef Lauer aus Rulfingen kan, gest. Sigm. 10. Dez. 1935. (1801-82) bisher in Wilflingen, hat 1869 Brustka- 65. 1936-59 Pf. Alfred Heinzler aus Eschendorf tarrh; gest. Oberndorf 13. 9. 82. (1898-1973), ging nach Ludwigshafen a. B., Ruhe- 57. 1871-77 Kpl. Mathias Flad aus Killer (1835-1904) stand Hegne, dort gest. 12. Dez. 1973. seit 1877 Pfarrer dahier, ging 1887 nach Kettenak- 66. 1959-75 Pf. Paul Stemmle aus Kuppenheim, gb. ker, wo er am 24. 5. 1904 starb. 29. 6. 26; Pr. 1951; ging 1975 nach Pfaffenrot. 58. 1887-1903 t pf- Karl Straub aus Meßkirch Seitdem wird die Pfarrei von Hettingen aus mitver- (1836-1903) bisher in Blumberg u. Donaueschingen, sehen: Pf. Gustav Scharm, gb. 18. März 1921 in gest. 19. 11. 03 (FDA 34, 51). Kleinborowitz, Priester seit 1958.

HANS VICTOR STEIMER

Die Steimer aus Hausen im Killertal

Es gehörte immer zu einer bizarren Verschwendungs- Georg (auch Johann Georg) heiratete am 7./14. 8. 1734 sucht Württembergs, seine Talente, die romantischen Katharina LORCH (geb. 2.4. 1719 als T. d. Georg wie die exakten, in die Fremde zu entlassen, damit sich LORCH und Maria Agatha RUEFF) und läßt am in der Begegnung von festem Erbe und wechselvoller 29. 9. 1735 seinen Sohn Leontius (auch Leguntius) taufen. Umwelt ein Schicksal forme. Dieser heiratet am 14. 7. 1760 Katharina KRAUS, die Theodor Heuss in »Schattenbeschwörungen« am 31. 3. 1737 als Tochter des Christian KRAUS (1707) Die für die hohenzollerischen Lande schon oft beschrie- und seiner Frau Franziska geb. SEIZ aus Jungingen ge- bene wirtschaftliche Situation im 17. und 18. Jahrhun- boren wurde. In beider Vorfahrenliste erscheinen außer dert hat in der aus Hausen stammenden Familie Steimer den genannten die Namen SIMMENTINGER, FLAD, ein beredtes Zeugnis gefunden. Bereits im ersten Kir- HÄR, RIEL und DEMER. Sie bekommen neun Kinder. chenbuch treten mehrere Familien-Väter des Namens Über ihre Berufe oder Wohnung ist nichts bekannt. auf, die ihr jeweils erstes Kind taufen lassen: Johannes Die älteste Tochter, Susanne (1761), und Sebastian (1770) 1610, Andreas 1615, Michael 1617, ein weiterer Johan- scheinen früh gestorben zu sein. Maria (1774) heira- nes 1619 und ein weiterer Michael 1622. Heute gibt es tet am 20. 10. 1800 in Hausen und scheint dort geblieben nur noch zwei Namensträger im Ort: Leopold (1913) zu sein. Anton (1763) tritt, im Alter von 38 Jahren, als und sein Sohn Fritz (1949). Bauer in Lebach bezeichnet, bei der Trauung seines jüng- Soweit erkennbar stammt ein erheblicher Teil der be- stens Bruders 1802 als Zeuge, anscheinend unverheiratet, kannten, über das württembergische Land, die Schweiz, auf. Michael (1764) heiratet am 2. 1. 1787 noch eine das Saarland und vereinzelt über das ganze Bundesgebiet Hausenerin, Anna Maria RUEFF, geb. 19. 9. 1760, und verstreuten Namensträger ab von Michael, der am lässt dort noch sieben Kinder taufen: Martialis (1787), 3. 8. 1621 Barbara SCHMID heiratet und dessen Sohn Clemens (1789), Philippine (1792), Michael (1794), Gre- Adam mit seiner Frau Ursula REDL (1629), Tochter des gor (1796), Philippine (1798) und Johann Baptist Michael REDL und seiner Frau Katharina geb. TINKL. (1800). Zumindest die Söhne Martialis und Clemens tau- Adam hat u. a. zwei Söhne: Michael (1660), verh. chen im Saarland beim Großvater und den Onkels wie- 25. 1. 1682 mit Agatha geb. SCHULER, und Caspar der auf. Der Vater Michael stirbt 1848 in Wiesbaden. (1670-1746), verh. am 29.4.1692 mit Catharina Mit Leontius, möglicherweise nach dem frühen Tod der RUOF. Mutter, die später nie wieder genannt wird, gehen die Beide haben u. a. je einen Sohn Georg, geboren 1693 sechs Brüder, teilweise mit ihren Familien, auf die große und 1697, so daß hier der Nachweis unmittelbarer Ab- Reise. Deren konkrete Ursachen kennen wir leider nicht. stammung mangels Unterscheidung im Kirchenbuch Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß dieser Umzug 1790 schwierig ist. Caspar (1670) hat einen weiteren Sohn Jo- stattfand. Ausgerechnet in eine Gegend führt er, die sef (1694-1749), verh. 1731 mit Anna Maria HAIBER, durch die französischen Wirren sicher nicht zu den ru- der Ahnherr der in Hausen selbst, in Süddeutschland, in higsten gehörte. Aber offensichtlich bot das menschenlee- der Schweiz lebenden und in Lothringen vorkommenden re Land an der Saar trotz aller Kriegsläufte für arbeit- Linien wird. same und anspruchslose Leute Chancen. Es war in eine

61 Vielzahl von Herrschaftsgebieten unterschiedlicher Für- - also in Lothringen - ab 1795 - also fast in der glei- sten aufgeteilt. Nicht auszuschließen ist, daß hierin auch chen Zeit wie bei Leontius - die Familie der Sebastian, die Möglichkeit zur Ansiedlung und zum Broterwerb »Händler stammend aus Hausen in Schwaben« auf- lag. Nur wenige Eintragungen weisen noch auf das ur- taucht, der am 2. 6. 1758 in Hausen Roswitha STEIME- sprüngliche Gewerbe hin: Hausierer mit Textilien (Tü- RIN geheiratet hatte. Sie ließen in Hausen zehn Kinder chern) und Kleinkram. Die Überlieferung hält sich noch taufen: Hans Georg (1758), Sebastian (1761), Philipp lange in den Familien. (1763), Jakob (1764), Caspar (1766), Ursula (1768), Ju- Die vier Söhne und zwei Enkel sehen sich, teilweise so- liana (1771), Melchior (1773), Susanna (1775) und Mar- fort, im Lande nach dem passenden Partner um. Viel- cus (1778). Von diesen werden in Lothringen drei wieder leicht haben sie den einen oder anderen bereits auf frü- erwähnt: heren Reisen kennengelernt. Dabei kommt es bereits zu Philipp, ausschließlich noch als Händler bezeichnet, hei- einer breiten Streuung über das ganze Saarland, zu dem ratet I. Maria Anne geb. SCHEIKER und II. Christine damals auch Teile des heutigen Lothringens gehörten: ROSCHTAUSER. Aus beiden Ehen hat er zehn Kinder. Martialis (1787), der als Sohn Michael (1764 - Stamm In den Eintragungen von 1801 sind ihre Unterschriften A) im Alter von drei Jahren ins Saarland kam, war »ne- erhalten. 1805 tritt als Taufpatin Ursula STEIMER, gotiator« und heiratete 1810 in Wiesbach Anna Maria Frau des Martin FLAD, »fliegender Händler« in Er- BAUER (1789 Jabach) aus einer eingesessenen Familie. scheinung. Die Nachkommen der neun Kinder leben fast ausschließ- Sein Bruder Caspar (1766), bereits 1805 als Arbeiter, ab lich im Raum Saarbrücken und werden in der Familie 1810 als Bauer bezeichnet, heiratet Anna Maria die »Martialisse« genannt. LETSCH, anscheinend aus Bockenheim (Bouquenom) Sein Bruder Clemens (1789) heiratet I. 1815 in Dirmin- und hat sechs Kinder. gen Anna ALBERT aus Rittershofen, später II. 1822 in Der dritte, Marcus (1778), heiratet Henriette Charlotte Wiesbach Barbara EID aus Eiweiler und hatte sieben SCHUHMACHER, mit der er zwei Kinder hat. Kinder. Nachkommen von ihm sind heute nicht mehr Die Geburt des Vaters Sebastian ist in Hausen bisher bekannt. nicht zu finden gewesen. Verstorben ist er vor 1805 in Johann Chrysosthomus (1767 - Stamm B) heiratet be- Saarunion. Auf Grund von Namensvergleichen und Pa- reits 1791 in Lebach Barbara HILGER (1769 - Bous). tenaustausch muß er aber eng mit den Familien des Le- Ihr Vater Peter war Lehrer, ihre Mutter stammte aus ei- ontius (1735) verbunden gewesen sein. Man geht wohl ner Beamtenfamilie. Johann selbst kaufte sich ein Haus, nicht fehl in der Annahme, in ihm einen Bruder der au- baute einen Kramladen an, betrieb eine Gastwirtschaft, ßerdem in Saarunion vorkommenden Johann, Hirt, die fast hundert Jahre in der Familie blieb, und begrün- verh. mit Elisabeth LETSCH, Vater zweier Kinder (um dete 1810 ein Eisen Warengeschäft, das bis heute - wenn 1790), und Josef, verh. mit Therese HÜTTINGER (6 auch an anderer Stelle - noch besteht. Zehn Jahre war Kinder: 1790-1804) zu sehen. Beweisbar einzuordnen er Bürgermeister von Lebach; mit fünfundsiebzig Jahren sind sie jedoch bisher nicht. Es gibt jedoch Anzeichen wurde er vom scheuenden Pferd abgeworfen, an den dafür, daß es sich bei allen dreien um die namensidenti- Folgen starb er unter Hinterlassung von erheblichem Be- schen Söhne des Norbert (1737) und der Josefine geb. sitz. Er hatte acht Kinder und 34 Enkel; der älteste WEITH und Enkel des Josef (1694), verh. 1731 mit Sohn wurde bereits 1792 in Lebach geboren. Seine Anna Maria HAIBER handelt. Nachkommen sind im Saarland, im Frankfurter Raum Mit der Familiengründung werden alle die früheren und im Ruhrgebiet ansässig. Wanderer seßhaft, brauchen auch nicht mehr dem frühe- Stanislaus (1768 - Stamm C), noch als »marchand rou- ren Saison-Gewerbe nachzugehen, werden Bauern, tant« = fliegender Händler bezeichnet, siedelte sich in Handwerker und Händler. Welches Ansehen diese »Zu- der Gegend von Bexbach an. Er heiratete bereits 1791 gereisten« hatten, mag die Tatsache belegen, daß mehre- Gertrud SCHIESTEL (1769 - Mittelbexbach), die aus re von ihnen bereits nach kurzer Zeit Ehrenämter beklei- einer drei Generationen vorher aus Tirol eingewanderten deten. Nach fast zweihundert Jahren hat sich diese eine Familie stammte. Sie hatten elf Kinder, deren Nachkom- hohenzollerische Familie auf mehr als fünfhundert leben- men mit Schwerpunkt heute noch im südlichen Saarland de Nachkommen ausgeweitet, davon mehr als ein Drittel wohnen. Namensträger. Eine mögliche soziologische Studie würde Georg (1777 - Stamm D) wurde Wirt und Steuerein- den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Das Wort von nehmer in Hüttersdorf, heiratete I. 1797 in Lebach Ca- Theodor Heuss wird durch den Erfolg voll bestätigt. tharina Wolf, deren Familie auch aus Tirol zugewandert Ein Wort noch zum Vorkommen des Namens im. süd- war, und II. 1807 in Lebach Angela KNOBE aus Le- deutschen Raum: Alle Forschungsergebnisse bestätigen bach, aus einer eingesessenen Bauernfamilie. Er hatte die Wahrscheinlichkeit der Ableitung aus dem mittelal- fünfzehn Kinder, deren relativ geringe Nachkommen- terlichen Vornamen Steinmar. In den Hohenberger Re- schaft im Raum Hüttersdorf beheimatet ist gesten ist der Übergang vom Vor- zum Familiennamen Daniel (1780 - Stamm E), als Beruf wird einmal »Bote« im 14. und 15. Jahrhundert erkennbar. Mit den Kirchen- angegeben, heiratete 1802 in Lebach Katharina GRAFF büchern kristallisieren sich als Zentren außer Hausen aus einer eingesessenen Familie in Lebach. Die Nach- heraus: Rottweil-Neufra, Denkendorf, im schweizeri- kommen seiner neun Kinder sind sehr zahlreich mit schen Wettingen bei Zürich und Langenthal bei Bern so- Schwerpunkt in Köllerbach, dem Primstal und dem wie im badischen Ottenau im Murgtal. Außerdem mittleren Saarland ansässig. kommt der Name mit dem eindeutigen »m« zeitlich be- Als Vater Leontius - in Bexbach einmal als »fliegender grenzt vor in Rottenburg/Neckar, Wittlingen, Urach, Händler« bezeichnet - am 2. 1. 1811 in Lebach stirbt, Nürtingen, Dornstetten und vielen Einzelerwähnungen waren seine Kinder verheiratet und vielseitig tätig. An zwischen Stuttgart und dem Bodensee in frühester Zeit. der Saar hatte er 50 Enkel, einen Teil seiner 139 Urenkel Die Auswertung der speziell hohenzollerischen Quellen hat er noch erlebt. war bisher nur in bescheidenem Umfang möglich, Hin- Als einen möglichen Grund für den Umzug wurde be- weise werden deshalb dankbar begrüßt; wie auch Aus- reits erwähnt, daß in den Kirchenbüchern von Saarunion künfte gern erteilt werden.

62 WALTHER FRICK Spricht man heute mit Imkern, so hört man immer das Bedauern, daß die Imkerei nicht mehr betrieben wird. Jetzt gehen die Bienen ins Haus Dabei sei es jetzt ziemlich ungefährlich, weil Rassen ge- züchtet worden sind, die nicht oder kaum mehr stechen. Es gibt noch und wieder Imker in Hohenzollern, Freunde Schutzanzüge, Masken und Handschuhe sind, sagen die einer Tätigkeit, die man den landwirtschaftlichen zu- Imker, zudem so verbessert worden, daß man nicht mehr rechnet, die man aber auch je nach der Weide, die die unbeholfen daher kommt, sondern arbeiten kann, als Bienen haben, zur Forstwirtschaft rechnen darf. Bienen stecke man in normalen Arbeitskleidern. - Daß der zu halten ist eine uralte Kunst, viel älter als etwa die Honig für Gesunde und Kranke so etwas wie Gold unter Stallhaltung der Milchtiere, die bei uns auch schon 700 den Nahrungsmitteln sei, behaupten nicht nur die Imker; Jahre zurückreicht. Eine Kunst, die immer ein bißchen das bestätigen viele Ärzte, und wenn jemand einen har- von Poesie umflossen war, nur - man mußte sein Fach ten „Bello" hat und das Husten ihm dazu auch noch können, sonst konnte es lebensgefährlich sein, mit den weh tut, ist Honig in heißer Milch noch immer ein Lab- fleißigen Honigsammlern umzugehen. sal und zuverlässiger Helfer. Aber der Herr Lehrer auf dem Dorf, der nach dem Ob es in Hohenzollern Brauch war, wissen wir nicht, Schulunterricht zuerst in den Garten zu seinen Immen aber in Baden klopfte der Imker einst am Lichtmeßtag ging, der war auch auf unseren Dörfern eine stehende an seinen Stand und sagte: „Immlein, wacht auf, Licht- Figur, noch bis in die letzten Jahre. Er war, versteht meß ist da!" Das hat wohl eine zweifache Bedeutung, sich, ein Stand-Imker. Noch gab es nicht die Möglich- denn einmal kündigt sich der Vorfrühling an, anderer- keit, mit allen Immenvölkern in kaum zwei Stunden per seits ist gerade Lichtmeß der Tag, die Bienen an ihre Lastwagen in den Schwarzwald zu fahren zur Tannen- Pflichten zu erinnern. Denn an diesem Tag weiht man Tracht. Die zollerischen Bienen waren auf den Haus- Kerzen, und die Kirche hat dazu ein wundervolles Wei- garten und die Obstwiese beschränkt; eine Ausnahme be- hegebet, das heute allerdings nicht mehr ganz zu hören stand dort natürlich, wo Wald nahe lag, und diese Aus- ist. Darin wird auch der Bienen gedacht mit den Wor- nahme war nicht selten. ten: „Heiliger Herr, Allmächtiger Vater, ewiger Gott, Ein kürzlich vergangener Tag, Sankt Katharina von Du hast alles aus nichts erschaffen; auf Deinen Befehl Alexandrien, am 25. November, erinnert an die Imkerei, auch haben die Bienen diesen Blumensaft zum Wachs für denn an diesem Tag brachte man früher die Bienenkörbe Kerzen bereitet.. ." ins Haus, zum Schutz vor dem Winter. Längst gibt es keine Körbe mehr, sondern Bienenhäuser, ein Vorteil für den Imker, und in der Landschaft mit ihren bunten Lä- JOHANN ADAM KRAUS den zur Orientierung der Bienen sicherlich so anheimelnd wie einst die Körbe. - Der Tag galt übrigens auch für Stoi schla das Weidevieh als allerletzter Weidetag, jedenfalls in wärmeren Gegenden. Waren die letzten Novembertage Wer der schwäbischen Mundart unkundig ist, wird wohl selber noch warm, sprach man vom Katharinen-Sommer, kaum den Sinn der Überschrift verstehen. Sie bedeutet: wie übrigens bei gleichen Verhältnissen in der Novem- Steine zerschlagen bzw. zu Schotter zerkleinern. In unse- ber-Mitte vom Martini-Sommer. Martinstag ist der 11. rer Jugendzeit vor dem ersten Weltkrieg und lange da- Die guten Dinge, die die Biene erzeugte, waren wirt- nach spielte das Stoi-schla eine ziemliche Rolle im Dorf, schaftlich hochwichtig. Das Wachs brauchte die Kirche wo der Name Schotter nicht bekannt war, wohl aber die für die Altarkerzen, brauchten die Gläubigen für die Sache. Denn bis zur Teerung der Straßen, Wege, Gassen Wachsstöcke, die allerdings oft so kunstvoll geflochten, und Feldwege war man ja gezwungen, die Oberfläche mit Gold verziert und mit einem Heiligenbildchen aus- der Wege immer wieder neu mit kleinen Steinen zu gestattet waren, daß man sie gar nicht anzündete. Aber überschütten, da die hier auf der Alb vorkommenden es gab auch einfache, und ein alter Sigmaringer, inzwi- Kalksteine sehr schnell zermalmt und mit der von den schen lange tot, erzählte davon, daß jedermann zur Kir- Feldern hereingeschleiften Ackererde sich bei Regenwet- che sein Wachsstöckle mitbrachte, wenn es dunkel war, ter unrettbar in einen klebrigen Schmutz und Pflutter also zu den Metten und Frühmessen und zum Rosen- verwandelten. Kurz gesagt: die Wege in Dorf und Feld kranz am Abend. Der Brauch erlosch, als um die Jahr- benötigten immer wieder einen neuen Belag von kleinen hundertwende die Kirchen elektrisches Licht bekamen. Steinen oder Schotter. Eine Straßenwalze, wie es sie an- Doch sah man noch lange danach in Seelmessen viele Be- derwärts gab, habe ich als Bub daheim nie gesehen. Bald ter mit ihrem brennenden Wachsstock, und es gab an bildeten sich dann durch das Befahren mit Wagen, da Kirchenbänken oft eiserne Dornen, in die man die hoh- wo die Räder laufen, zwei parallele Laisen, die restli- len Stöcke einpaßte. - Der Honig aber war der Süß- chen Steine dazwischen aber ergaben holperige Erhöhun- stoff, bevor der Rohrzucker aus Übersee bekannt wurde gen, bzw. auf Feldwegen einen rasigen Mittelstreifen. und bevor - 300 Jahre später um die Mitte des Nun erhob sich die Frage (weil es keine Steinquetscher 19. Jahrhunderts - das Verfahren entdeckt wurde, aus gab): woher die nötigen Kleinsteine nehmen? Heute denkt Rüben Zucker zu gewinnen. Honig war natürlich auch kein Mensch mehr an so etwas, seit wir geteerte oder Bestandteil des Zehnten, und in den Familien wurde die asphaltierte oder Makadam-Straßen besitzen, die allem süße Ernte als Kostbarkeit sorgsam genossen. Willy Baur Schmutz und schmierigen Dreck ein Ende machten. Da- erzählt einmal von einer Mutter auf der Alb, die ihren mals aber, also bis vor 60-70 Jahren und noch länger, Kindern an dem Tag, an dem der Sieg von Sedan be- mußte der benötigte Schotter durch die Einwohner be- kannt wurde, aufs Vesperbrot Butter und Honig schafft werden. Die Gemeinde ließ daher die von den schmierte; sonst gab es nur das Eine oder das Andere Grundstücksbesitzern ab den Feldern und Ackern gelese- (und auch dies gewiß nicht überall). Den solchermaßen nen Steine, die es bekanntlich auf der Alb reichlich gibt, beschenkten Kindern soll diese Siegesfeier ihr Lebtag oder solche von den Steinbrüchen an die Seiten der „gedenkt" haben, um eine heimatliche Version zu ge- Wege in Haufen anfahren und verdingte deren Zerklei- brauchen. Übrigens sprach man früher auf der Alb das nerung an die Bürger und Taglöhner, die sich damit in Wort wie „hongg" aus. Zeiten, wo gerade keine Feldarbeit drängte, einige Gro-

63 sehen verdienen konnten. Auch die Jugend hat an schul- JOHANN ADAM KRAUS freien Nachmittagen und bei ordentlichem Wetter wohl oder übel sich in diese „Arbeitsschlacht" einschalten St. Veit (Fortsetzung von S. 48/Heft 3/1978) müssen. Man sah gelegentlich sogar Mädchen damit be- faßt, obwohl sie sonst meist bei den Familien sich als Selbst in der Lateinstunde beim Herrn Pfarrer, „Kindsmägde" zu betätigen pflegten. So rückten denn der mich aufs Gymnasium vorbereitete, wollte es mich die Buben und Älteren mit einem Strohsäcklein zum Sit- nicht verlassen. Ich konnte mich nur wortlos krümmen zen und Knien und einem größeren und kleineren Schle- und drehen, daheim aber aus bewußten Gründen nicht gel (Spezialhammer), deren Stiel immer wieder erneuert das Geringste merken lassen. Es hätte, wie ich nachher werden mußte, an die Wegränder hinaus und zerklopf- erfuhr, tatsächlich böse ausgehen können. Doch St. Veit ten die bereitgestellten Steine verschiedener Qualität. Es hatte ein Einsehen mit dem unbedachten Sünder. Nicht war meist ein sehr mühsames Geschäft, anders als der lu- umsonst wird er unter die 14 Nothelfer gerechnet und stige Sport des heutigen Fußballspiels! Der Verdienst nennt man eine Art fallendes Weh oder Epilepsie auch war zudem gering, erreichte pro Nachmittag kaum 50 Veitstanz, gegen den man ehemals seine Hilfe anrief. Pfennig. Aber es ist zu bedenken, daß damals bei der fe- sten Währung 15 Pfennig oder gar zwei Nickelzehner zu Der Name Veit war im Dorf bei uns sehr verbreitet. Es einem Vesper reichten! Hier und da, wenn ein gelber gab außer dem »Graußen Veit« noch einen Haberveit in Malbstein allem Herumhämmern widerstand, wanderte der Enggasse (der mit Haber handelte) und einen Kip- er unweigerlich in die nächste Hecke. Zweifellos war es fenveit, dazu ein bestimmtes Haus, s'Veita-Kaspers, des- eine eintönige und nicht leichte Arbeit. Aber im Bauern- sen Name ins Jahr 1736 zurückreicht. Ein Veit Pfister dorf gab es außer in der Landwirtschaft, im Gemeinde- erscheint schon 1719 im Dorf. Der Große Veit hat mit wald, bei Hausbauten oder nötigen Gemeindediensten seiner Frau Kreszentia (oder Kresenz) dann sogar eine überhaupt keine Arbeit, weil die Industrie fehlte und der Veitsglocke für den Kirchturm gestiftet, welche die Auf- Handel gering war. Wo wollte man etwas verdienen? schrift trägt: »Junger Glaubensheld sankt Veit sprich bei Die heutige Jugend sollte nicht so schnell über die ältere Gott für Dorf und Leut, mit St. Kreszenz uns erfleh: Generation den Stab brechen und ihr vorwerfen: „Ihr Glaub und Lieb in Freud und Weh!« Wenns am Veitstag habt es ja zu nichts gebracht!" Weder Zeit noch Um- regnet, sagen die Leute: »St. Veit hot s'Häfele umkeit!«, stände waren dem Vorwärtskommen günstig. Der um oder: . . . hot's Haiba verheit« (verdorben). Doch ist dies 1914-18 in Sigmaringen im Ruhestand lebende und am natürlich ein Fehlschluß, denn der Heilige ist am Wetter Gymnasium aushelfende Hauptlehrer Anton Fink aus so wenig schuld als wir alle. Inneringen erzählt (laut Maier-Kretzdorns „Geschichte von Inneringen", 1966, 238) von seiner Familie: Der Va- ter arbeitete als Schmied und die drei Söhne verdienten im Sommer mit Steinschlagen so viel, daß der Vater kei- nen Pfennig an Gemeindesteuern und Abgaben zu be- Achtung Postbezieher! zahlen hatte. Wie schön hat es dagegen die heutige Ju- gend, da fast alle Arbeiten maschinell geleistet werden Ab Juni 1979 zieht die Post die Bezugsgebühr können und die Kinder nicht mehr in Haus, Scheuer, nicht mehr ein. Um dem Hobenzollerischen Ge- Feld und Wald mitzuhelfen brauchen, sondern die golde- schichtsverein einen noch größeren Verwaltungs- ne Freiheit genießen können. Ob sie aber zufriedener aufwand und erhöhte Kosten zu ersparen, sollten sind als wir damals? Als Nachtrag sei gesagt: Ums Jahr auch Sie die dem Heft beiliegende Abbuchungs- 1915 standen die Auäader- oder Schermausfänger in ermächtigung ausfüllen und dem Verein zusenden. Ringingen finanziell besser als die Steinklopfer, da sie pro Stück 10 Pfennig erhielten von der Gemeinde. Mein Die Bezugsgebühr wird dann jeweils im April des 17jähriger Bruder fing mit seinen 30 Fallen an einem laufenden Jahres abgebucht. einzigen Tag einhundert solcher Wühlmäuse!

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Nummer: Schriftleitung: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Dr. med. Herbert Burkarth, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- 7487 Gammertingen (Telefon 07574/329) Willy Baur, Redaktionsausschuß: ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: Ermelestr. 62, 7450 Hechingen Walther Frick, Journalist, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Dr. med. Herbert Burkarth, Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. (Tel. 07571/8341) Eichertstr. 6, 7487 Gammertingen Manfred Hermann, Pfarrer, Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Walther Frick, Journalist, 7451 Neufra/Hohenz. (Tel. 07574/442) ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie Hohe Tannen 4, 7480 Sigmaringen Die mit Namen versehenen Artikel geben will besonders die Bevölkerung in Hohen- die persönliche Meinung der Verfasser zollern und der angrenzenden Landesteile Hans Grubmiller, wieder; diese zeichnen für den Inhalt der mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut Hechinger Straße 46, 7453 Burladingen Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der machen. Sie bringt neben fachhistorischen Schriftleitung sind als solche gekenn- Hans Peter Müller, 7246 Empfingen zeichnet. auch populär gehaltene Beiträge. Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich. Pfr. ]. A. Kraus, Erzb. Archivar i. R., Manuskripte und Besprechungsexemplare Badstr. 8, 7800 Freiburg-Littenweiler werden an die Adresse des Schriftleiters Konten der „Hohenzollerischen Heimat": oder Redaktionsausschusses erbeten. 802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen Hans Victor Steimer (Adresse bitte der Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol- 123 63 Postscheckamt Stuttgart Schriftleitung mitteilen). lerische Heimat" weiter zu empfehlen.

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