N° 6 / 2012 Bulletin Das älteste Bankmagazin der Welt. Seit .

Joshua Peter, 17, Altikon ZH, im 2. Lehrjahr zum Forstwart «Sorgen bereitet mir das Bevölkerungswachstum. Irgendwann ist alles zugebaut. Trotzdem sollten wir anderen Ländern, denen es nicht so gut geht, helfen. Das ist auch in unserem Interesse.»

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WICH_Bulletin_1-1_121112.indd 1 11/12/12 2:07 PM — Editorial —

Selbstbewusste Schweiz

4 2 in kleines Büchlein, 47 Seiten stark, prägte die politische und gesellschaftliche Diskussion einer ganzen Generati- 3 1 on. «Helvetisches Malaise» hiess der Text, der 1964 vom StaatsrechtlerE Max Imboden verö”entlicht wurde. Er beklagte darin eine abnehmende Leistungsf ähigkeit des Staates, eine nach- In dieser Ausgabe haben mitgearbeitet lassende Kraft zu Reformen und eine sinkende Teilnahme am po- litischen Prozess. Das «Helvetische Malaise» wurde für Jahrzehn- te zum gešügelten Wort. Mehr noch: Der Begri” widerspiegelte 1 Gerd Habermann den Zeitgeist. Vom «Unbehagen im Kleinstaat» schrieb der libe- Der Wirtschaftsphilosoph und Honorarpro- ralkonservative Philologe und Generalstabsoberst Karl Schmid, fessor an der Universität Potsdam bezeichnet sich selbst als «liberal-kosmopolitischen, über den «Diskurs in der Enge» der Schriftsteller Paul Nizon. patriotischen Deutschen». Die kleine avon ist nichts mehr zu erkennen. Heute, fast 50 Jahre Schweiz ist für ihn ein grosses Vorbild. Er danach, mitten in einer der wirtschaftlich unsichersten beschreibt sieben Faktoren, die das Land Zeiten seit Generationen, sind die Schweizerinnen und politisch und wirtschaftlich so erfolgreich Schweizer so stolz auf ihr Land wie noch nie. Das zeigt das neue machten. Seite 14 D Credit Suisse Sorgenbarometer. Verblü”end: Trotz Krise gehen neun von zehn Schweizern davon aus, dass es ihnen im kommen- 2 Linus Bill Wer sich für jüngere Fotogra¥e in der Schweiz den Jahr zumindest gleich gut wie jetzt gehen wird. Interessant: interessiert, kommt nicht um den Namen Wie im kürzlich erschienenen Jugendbarometer führen Arbeits- Linus Bill herum. Seine Kunstfotografien losigkeit, Ausländerfragen und die Altersvorsorge den Sorgen- sind grossšächige, farbintensive Abstraktio- kanon an. Eine detaillierte Zusammenfassung dieser Umfrage, nen, die er schon in mehreren Ausstellungen die zum 36. Mal erhoben wurde, ¥nden Sie in der Mitte des Hefts. präsentierte. Für das Bulletin verliess der Bie- ir haben das Sorgenbarometer zum Anlass genom- ler sein Atelier: Er reiste durch die Schweiz men, uns mit dem ¦ema Schweiz zu beschäftigen. und porträtierte die Menschen auf der Strasse. Seite 2 Mit der Frage etwa, wieso es dem Land wirtschaft- lich und politisch besser geht als den meisten anderen Ländern. 3 Ian Goldin W Das Phänomen, dass es trotzdem des Schweizers grösste Angst Der frühere Vizepräsident der Weltbank, ist, die Arbeit zu verlieren, diskutierten wir mit einem Psycho- Professor für Ökonomie in Oxford, gilt als analytiker. Junge ausländische Manager, die auf der ganzen Welt eine der herausragenden Kapazitäten für gesucht sind, befragten wir über ihr Leben in der Schweiz. Oder Globalisierungs- und Migrationsfragen. Der gebürtige Südafrikaner legt dar, wie wichtig wir zeigen, wie renommierte ausländische Fotografen unser Land Migranten für das Wirtschaftswachstum in sehen. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Vergnügen – und Europa und in den USA sind. Seite 38 ho”en, dass Sie etwas Neues über die Schweiz lernen. Oder wuss- ten Sie, dass es in einem Kanton keine Verkehrsampeln und keine 4 ¦omas Maissen Parkgebühren gibt?* Der Basler Historiker, der in Heidelberg an einer der bedeutendsten Universitäten Euro- pas lehrt, schrieb mit seiner «Geschichte der Schweiz» vor zwei Jahren einen Bestseller. Ihre Redaktion Fürs Bulletin beschreibt er die zehn wich- tigsten Ereignisse, welche die Eidgenossen- * Die Antwort ¥nden Sie auf Seite 71. schaft erst zur Schweiz machten. Seite 76

Bulletin N° 6 / 2012 — 1 Meine Schweiz? Das Bulletin hat landauf, landab die Menschen nach ihren Sorgen und Ho”nungen gefragt. Welche Dinge Njie Abubacarr, 34, Genf, Student Hotelfachschule «Die Schweiz ist einer der sichersten Orte der Welt, verkörpern die Schweiz für Sie per- das vergessen viele Schweizer. Was ich auch mag und sönlich? Was sind die Stärken der wohl auch viel zum Erfolg der Schweiz beiträgt: Die Schweizer sprechen nicht lange, sondern handeln. Schweiz, welches die Schwächen? Sie sind stille, präzise Scha¥er.» Welches sind die wichtigsten Probleme des Landes? Sind Sie stolz, Schweizerin oder Schweizer zu sein? Und was gefährdet heute die Schweizer Identität? Das Bulletin reiste diesen Spätherbst quer durchs ganze Land – von Basel bis , von Walzenhausen bis Montreux. Das Resultat ist eine Momentaufnahme der Be¥ndlichkeit in 36 Porträts und Statements.

Umfrage von Oliver Demont, Fotos von Linus Bill

Stefania Aquilino, 17, Brig VS, Fachfrau Information und Dokumentation in der Mediathek in Brig «Was die Schweiz niemals verlieren darf: Dass wir einander zuhören und Kompromisse ¢nden. Das ist die DNA dieses Landes.»

—omas E™er, 38, Bern, Pœegefachmann «Ich kam vor einem Jahr aus Bayern und muss sagen: Ihr macht das echt gut. Ihr habt eure eigene Währung, seid euer eigener Chef und stolz auf die Natur. Ich vermute aber, dass die Schweiz künftig verstärkt unter Druck geraten wird.»

Corinne Rechsteiner, 21, Walzenhausen AR, Glenn Jones, 20, Sursee LU, Jus-Student jobbt gerade als Zuckerwatte-Verkäuferin durchs Land «Ein Glas Leitungswasser ohne Chlor, das ist für mich «Nach sieben Monaten in Australien und Indien weiss dLiue ziaSc hwKuepifze. rscAbhemr eidin, en42 b, Pitatepreetne rieNavcehrkgäeuscfhermina,c Zk ug ich, dass wir in einem wirklich sicheren Land leben. k«Dönanet ne ie vso gleubpetni b, wlaebnon. Iwnitri sw aebitoerr a dmie, Nalaiqtuar msoe kstoep œos Und schreib, dass die weisse M-Budget-Schokolade vceornb paousetni ,i sbalsl abhäotatebno .w Iinr tisdie a Lboarn admre,s reerrvcehni lv oorni s die beste ist.» Rusabors laamnd, a oldiqeur aKma ncoadna n.u»m que corestoal» 150 Z Antonietta Wyss, über 60, Zürich, Hausfrau «Das Leben in der Schweiz ist die weltweit schönste Komposition von Sicherheit, Wohlstand, Disziplin, Freiheit und Offenheit. Warum ich das weiss? Ich komme aus Sizilien.» Asif Maqbool, 31, Basel, Serviceangestellter in der Kunsthalle Basel «Ich kam vor acht Jahren hierher. Heute ist die Schweiz für mich meine zweite Heimat. Das Land ist gut zu denen, die sich anstrengen und für sich selbst Verant- wortung übernehmen wollen – so wie ich. Nur leider sehen das viele, die hierher kommen, nicht.» Marcelina Fliri, 43, Wildhaus SG, Geschäftsführerin «Fliri Arvenmöbel» und Hausfrau «Unsere Geld-Getriebenheit in der Schweiz hat besorgniserregende Dimensionen erreicht, in jedem Lebensbereich ist dadurch der Druck gestiegen. Wird heute ein Arvenmöbel bestellt, müsste es oft bereits am Tag danach geliefert werden.»

Naomi Bucher, 18, Meiringen BE, Lehre zur Zweirad- mechanikerin «Die Schweiz hat schon sehr lange Frieden. Vielleicht sollten wir uns dieses Geschenk wieder einmal vor Augen führen und uns dabei bewusst werden, welchen Schmerz Menschen aushalten müssen, die aus Kriegsregionen zu uns in die Schweiz kommen.»

Hugo E. Studer, 76, Bern, Kaufmann «Warum dieses Land so toll ist? Weil es hier möglich ist, dass mein politischer Gegner mit Simonetta Sommaruga und Alain Berset die zwei besten Bundesräte stellt.»

Dima Katsiuba, 25, aus Minsk, studiert Psychologie in Berlin und besucht regelmässig die Schweiz Assad Schahpari, 70, —un BE, Perserteppich- «Schweizer Sorgen? Das hört sich für mich lustig an. Kaufmann Da muss es wohl eine Kausalität von hohem Wohlstand «Die Schweiz? Ich danke Allah, dass er mich und den damit verbundenen Verlustängsten geben.» frühzeitig ins Paradies schickte.» Ida Fassbind, 70, Ilanz GR, Ordensschwester im Dominikanerinnenkloster «Ich liebe die Schweiz von ganzem Herzen. Allerdings müssen wir aufpassen, dass sich die soziale Schere nicht noch weiter ö¥net, denn das würde meine Heimat in ihrem Innersten – der Gemeinschaft – tre¥en. Auch sollten wir uns in der aktuellen Asyldebatte in Erinnerung rufen, dass in den vier- ziger und fünfziger Jahren viele Schweizer aus Gründen der Armut auswandern mussten.»

Alison Berney, 11, Poliez-le-Grand VD, Schülerin «Mich stört unser Umgang mit Tieren und dass viele Schweizer sich gehen lassen, was ihre Kleidung betri¥t. Darum werde ich einmal eine Modeschau auf einem Bauernhof organisieren.»

Beatrice Pulfer, 65, Biel BE, Kau¥rau, Präsidentin Familiengärtnerverband Biel «Es ist zwar heikel, das zu sagen, aber viele Ausländer interessieren sich einfach nicht für unsere Reglemente. Laufen Sie doch einmal durch die Gärten, und Sie werden es sofort sehen!»

Benjamin Flacher, 32, Herdern TG, Landwirt «Sorgen bereitet mir unsere Zukunft: höhere Preise, tiefere Löhne.» Lina Krilaviciute, 22, Sedrun GR, Hospiz-Angestellte Hans Humm, 68, Trun GR, Zimmermann, auf dem Oberalppass, wo sie gerne auch mal die Polier, Hobbybauer Schneefräse bedient «Drei Zukunftsprobleme der Schweiz: Das Ausland «Ausländer, lernt die Sprache! Sie ist der Schlüssel zu will an unser Wasser, die Halbalten verweichlichen die den eigentlich sehr gemütlichen Schweizern.» Jungen und das Land ist bald überbevölkert. Mit einer Neinsagerpolitik lösen wir diese Probleme nicht.»

Jocelyne Liechti, 45, Corseaux VD, Krankenschwester «Durch die Arbeit im Spital kann ich sagen: Wir Anna Zesewitz, 28, St. Gallen, Assistenzärztin sollten die Integrationsbemühungen intensivieren. am Kantonsspital St. Gallen Aber es müssen auch klare Regeln gelten. Punkt.» «Was mich bei meiner Arbeit hier besonders begeistert, ist die gute und konstruktive Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche und Berufssparten. Im Vergleich zu meiner Heimat Deutschland trägt die Pœege eine grössere Verantwortung und wird in viele Entscheidungen mit einbezogen.»

Anton Kocher, 72, Solothurn, Pensionär Marco Stricker, 24, Tegna TI, Landschaftsgärtner «Die Schweiz muss weiterhin alleine ihren «Auf die AHV kann meine Generation wohl nicht Weg gehen.» mehr zählen. Ich habe mich bereits darauf eingestellt, dass ich sehr viel länger als 65 arbeiten muss.»

Sandra Jacot, 45, Montreux VD, Arztsekretärin, jobbt zurzeit als Serviceangestellte «Die Alten arbeiten ewig und die jungen Menschen ¢nden keine Jobs, das ist eine Zeitbombe. Aber eigentlich bin ich ein Schmetterling, der ohne Sorgen durch das Leben œattert.» Edwin Habermacher, 60, Stans NW, Einzelhandelskaufmann in der Sportartikelbranche «Die Schweiz ist ein Kleinod auf dieser Erde, ein Schlaraffenland. Doch Gefahren lauern, darum müssen wir jetzt klug agieren. Es ist nicht die Zeit der politischen Betonköpfe und Neinsager, sondern der Machiavellis, welche besonnen das Beste für dieses Land herausholen.» Nemo Mettler, 13, Biel BE, Schüler und Musicaldarsteller «Die Menschen hier sind pingelig und auch seltsam. Beispielsweise in der Migros oder im Coop, wenn sie zwischen den Regalen durch die Gänge laufen und vor sich hersagen: ¬Jetzt muss ich noch das und das kaufen.® Sorgen bereitet mir die Sicherheit der Atomkraftwerke und der Banken.» Riem Ibrahim, 25, Basel, Masterstudentin in Grafik- design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst «Mein Kopftuch wurde bisher noch nie dumm kommentiert. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass ich hier hauptsächlich mit Kreativen verkehre – und die sind wohl grundsätzlich offener. Die Schweiz ist im Grafikdesign top. Auf diese Tradition und Leistung dürften die Schweizer durchaus stolzer sein. In Ägypten sind wir hungrig nach guter Gestaltung. Darum freue ich mich, mit einem Rucksack voller Wissen aus der Schweiz in meine Heimat zurückzukehren.» Françoise Mou¢d, 48, Vevey VD, Haushaltshilfe «Es heisst immer, dass die Schweiz reich sei. Das stimmt aber nicht. Die Armut versteckt sich in der Schweiz in den Dörfern und in den Bergen.»

Regina Ehlers, 67, Lugano TI, Kosmetikerin «Nachdem wir in unserem Haus in Frankreich mehrmals überfallen wurden, beschlossen wir, in die Heimat meines Schweizer Mannes zu ziehen. Es ist toll hier und so sicher. Nur manchmal muss ich schmunzeln, wenn Schweizer am Flughafen ganz stolz ihren Pass wie ein Schutzschild vor sich hertragen. Das ist irgendwie süss.»

Pascal Rickenbacher, 31, Olten SO, IT-Supporter «Die Schweiz ist eine altmodische Tante, einiger- massen integer und mit gutem Charakter. Ich ho¥e, sie realisiert rechtzeitig, dass ihre Freundinnen im Begri¥ sind, sich von ihr zu distanzieren.»

Pier Giorgio Michel, 74, Lugano TI, Inhaber Augenoptikergeschäft «Ottico Michel» Fabio Fernandes, 22, Payerne VD, Kaufmann «Die Schweiz ist nicht so frei, wie alle sagen. Die «Ich war froh, dass Menschen mir halfen, als ich Steuern und Abgaben sind hoch. Auch werden wir die von den Kapverden hierher kam. Ich habe der hohen Löhne in Zukunft wohl nicht halten können.» Schweiz viel zu verdanken. Merci.»

Skinny, 22, und Johnny, über 30, —un BE, Rock’n’Roller Skinny: «Bedroht wird die Schweiz einzig durch die elektronische Musik.» Johnny: «Und es würde uns guttun, wenn wir o¥ener wären für ganz verschiedene Lebensformen.»

Was den Rest der Schweiz bewegt, lesen Sie im Sorgenbarometer ab Seite 43. Ein Allroundtalent auf jedem Terrain. Der neue GLK mit 4MATIC. Dem permanenten Allradantrieb mit elektronischem Traktionssystem.

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Bulletin: Schweiz

14 D ie Erfolgsformel 34 Warum wir hier sind 70 So denkt China D ie sieben Gründe, warum die Ausländische Jungmanager Ex-Botschafter Uli Sigg über Schweiz zu den erfolgreichsten über ihr Leben als «Expats». das Schweiz-Bild des neuen Ländern der Welt gehört. Chinas. 37 Swisslist (2/4) – Er„ndungen 20 D er Frankenstärke getrotzt 71 Swisslist (4/4) – Sonderfälle Wie eine Export¥rma aus 38 Migration – Fluch oder Segen? Morges sicher durch den G eschlossene Grenzen sind 72 Gut, aber nicht gut genug Währungssturm segelt. wirtschaftlich schädlich – D er EPFL-Präsident Patrick schrankenlose Migration auch. Aebischer analysiert den 21 Swisslist (1/4) – Spitzenwerte Bildungsstandort Schweiz. 43 C redit Suisse Sorgenbarometer 2012 74 Wer bezahlt meine Rente? Wie denkt die Schweiz? Was Pensionierung ade. Warum sind unsere Sorgen, was unsere wir länger arbeiten müssen. Freuden? Alle wichtigen Resultate der grossen Umfrage.

  20 12  2 22 Wir Brückenbauer  01 1  D as Erfolgsgeheimnis der  helvetischen Brückenpioniere.  

 

SEHR STOLZ WEISS NICHT EHER STOLZ EHER NICHT STOLZ 58 ÜBERHAUPT NICHT «Ich bin glücklich,STOLZ ein Schweizer zu sein» 76 W ie die Schweiz entstand Der Tessiner Literat Giovanni Z ehn Ereignisse, welche die Orelli über die Identität der Eidgenossenschaft prägten. Schweiz. 80 Die Schweiz in der O‘ensive 61 Swisslist (3/4) – Bahnrekorde Illustriert von Andreas Gefe. 28 «Die Sicherheiten schwinden» D er Psychoanalytiker Mario 62 N icht immer das Matterhorn Erdheim über die Angst vor der Wie renommierte ausländische Arbeitslosigkeit. Fotografen die Schweiz sehen. iPad Die aktuelle Ausgabe kostenlos 32 Arbeitsmarkt im Wandel aufs Tablet: Bulletin-App jetzt Welche Jobs verschwinden, verfügbar im App Store. welche entstehen. Die grosse Gra¥k. www.credit-suisse.com/bulletin

neutral Impressum: Herausgeberin: Credit Suisse, Inhaltskonzept, Redaktion: Ammann, Brunner & Krobath AG Drucksache Gestaltungskonzept, Layout, Realisation: Fotoredaktion: No. 01-12-455134 – www.myclimate.org (www.abk.ch), Cra”t Kommunikation AG (www.cra”t.ch), © myclimate – The Climate Protection Partnership Studio Andreas Wellnitz, Berlin, Druckvorstufe: n c ag (www.ncag.ch), Druckerei: Stämpši AG, Au‚age: 160 000

Bulletin N° 6 / 2012 — 13 — Staat — Die sieben Erfolgsgeheimnisse der Schweiz

14 — Bulletin N° 6 / 2012 — Staat —

Der Schweiz geht es so gut wie kaum einem anderen Land der Welt. Was macht sie besser als andere? Worin liegt ihr Wettbewerbsvorteil? Und wie kann sie ihn bewahren? Ansichten eines deutschen Liberalen über ein spezielles Land.

Von Gerd Habermann, Stephan Walter (Illustration)

DER BEFUND IST EINDEUTIG. OB ES nun um internationale Standort- und Frei- heitsvergleiche geht, um die Zahl der No- belpreisträger oder auch um die Qualität der Wissenschafter, Unternehmer, Künst- ler und Dichter: Die Schweiz belegt seit Langem konstant die vorderen Plätze. Das World Economic Forum hat die Schweiz zum vierten Mal in Folge zum wettbewerbsstärksten Land der Erde er- klärt, vor Singapur, Finnland, Schweden und den Niederlanden. Ganz oben steht sie in den Kategorien Innovationsfähigkeit und Arbeitsmarkte³zienz. Die Schweizer Wirtschaft wird gelobt für die enge Zu- sammenarbeit mit der Wissenschaft. Die öffentlichen Einrichtungen des Landes werden zu den e”ektivsten und transpa- rentesten gezählt. Wenn auch die Schweiz ein Kleinstaat ist, gehört sie wirtschaftlich doch zu den Mittelmächten. Beim Brutto- inlandprodukt liegt sie international an 20. Stelle, in den Exportstatistiken auf Platz 9, beim Export von Dienstleistungen auf Platz 5. Und vor allem: Sie ist eines der reichsten Länder der Erde. Auch bei den aktuell grössten wirt- schaftspolitischen Herausforderungen – der Staatsverschuldung und der Arbeitslo- sigkeit – schwingt die Schweiz obenaus.

Bulletin N° 6 / 2012 — 15 — Staat —

Während einst stabile Länder am Rande von der Episode der Helvetik (1798 – 1803) der Zahlungsunfähigkeit stehen, hat die 2 — Echte Demokratie – niemals zentralisiert. Sie kennt weder Schweiz ihre Verschuldung in den letzten Wegen ihrer relativen K leinheit und extre- eine Hauptstadt noch ein Staatsoberhaupt zehn Jahren sogar massiv reduziert – von men Untergliederung kann die Schweiz noch einen Regierungschef nach deut- 55 Prozent auf rund 35 Prozent gemessen den komparativen Vorteil echter Demo- schem Muster. Hier besonders kann man am Bruttoinlandprodukt (vgl. Seite 18 kratie geniessen. Erfahrungen machen, wie der Wettbe- «Exportschlager Schuldenbremse»). Und Die Schweiz hat nie eine staatsabso- werb zwischen politischen Einheiten um die Arbeitslosenquote, die in Europa so lutistische Epoche durchlaufen. Sie war bestmögliche Bürgerbedienung wirkt. hoch ist wie noch nie seit dem Start der niemals und ist bis heute kein Beamten- Sowohl Kantone als auch Gemein - Währungsunion im Jahr 1999, stagniert staat nach Art Deutschlands oder Frank- den haben «Biss», nämlich eine eigene hier bei rund drei Prozent. reichs. Nirgends in der Welt haben Bürger Steuerhoheit. Der Bund kann nur über den Was sind die Gründe für diesen so viel zu sagen wie hier – bis hin zur kleineren Teil der Steuereinnahmen ver- Erfolg? Was sind die Geheimnisse der Volkswahl der Richter und zur Volksab- fügen und hat nur ein prekäres Besteue- Schweiz? Ich sehe sieben komparative stimmung über ö”entliche Kreditaufnah- rungsrecht. Hinzu kommen die weit- Vorteile. me. Nur hier ist Demokratie kein leeres gespannten Rechte der Kantone und Wort, nur hier können die Milizbürger Gemeinden, wegen deren starker Kompe- noch Aufgaben übernehmen, die in Gross- tenzen nicht einmal der Schweizer Bin- staaten Beamten und teuren Berufspoliti- nenmarkt bisher vollständig verwirklicht 1 — Kleinstaat kern überlassen werden. Republikanische werden konnte. Die Schweiz hält sich nicht an die in der Bürgergleichheit gilt als Wert an sich. Die Verschiedenheit wird eben als Wirtschaft oft beschworenen «Economies «Grösse» – ob in der Politik (das grosse In- Chance, nicht als unerwünschte Disparität of Scale». Im Gegenteil. Ihre Kleinheit ist dividuum) oder in der Wirtschaft (die gros- begri”en, der man mit «Harmonisierun- relativ erfolgreicher als die Grösse ihrer se AG) – wird mit Argwohn betrachtet. gen» beikommen muss. Die vertikale Tei- «grossen» Nachbarn. Die intensive Partizipation und po- lung der Macht durch die Stärke kantona- Es ist wohl kein Zufall, dass gerade litische Mitverantwortlichkeit hat eine ler und kommunaler Selbstorganisation ein Schweizer, Jean-Jacques Rousseau politische Schulung der Bürger ergeben, ergibt weit mehr Freiheitsspielräume und (1712 – 1778), als Erster nach Aristoteles die das gewiss überspitzte Wort rechtfer- Wahlmöglichkeiten als die nur horizonta- eine ¦eorie der optimalen politischen Be- tigt: Ein Schweizer Milizbürger sei poli- le Gewaltenteilung in Grossstaaten oder triebsgrösse aufgestellt hat: «In jedem tisch besser informiert als der durch - gar Imperien (die erst noch weitgehend Staatskörper gibt es ein Maximum an schnittliche Abgeordnete des Deutschen durch Parteienherrschaft und Bürokratie Stärke, das er nicht überschreiten könnte Bundestages. «L’Etat – c’est nous» – dies unterlaufen wird). und von dem er sich oft durch seine Ver- dürfen Schweizer Bürger mit mehr Be- grösserung entfernt.» Je mehr sich das ge- rechtigung sagen als die umliegenden, re- sellschaftliche Band ausweite, desto mehr präsentativen Demokratien. lockere es sich. Im Allgemeinen sei ein Die Schweiz ist in der Tat mehr eine 4 — Subsidiarität kleiner Staat verhältnismässig stärker als «Genossenschaft» als eine «Herrschaft». Aus der extremen Feingliederung der ein grosser. Dies sogar in dem Fall, dass er, Das Milizsystem ersetzt auf der einen Sei- Schweiz ergibt sich auch eine Durchfüh- wie bei der Schweiz, in sich von grösster te die Berufspolitikerkaste, auf der ande- rung des Subsidiaritätsprinzips, wie sie in Heterogenität ist. ren, im militärischen Bereich, hat sie das Europa einzigartig ist. Also die konse- Rousseau belegt diese Behauptung Entstehen einer eigenmächtigen O³ziers- quente Anwendung der Grundsätze: Mög- mit folgenden Überlegungen: Die Verwal- schicht verhindert. Die Schweiz war nie lichst viel Kompetenz nach unten, lieber tung wird über grosse Entfernungen müh- ein Beamten- und Parteienstaat nach deut- privat als ö”entlich, lieber informell als samer, auch wird sie in dem Masse lästiger, schem Muster. Staatsverwaltung ist in der formell. Nirgendwo ist die Synthese von als sich die Verwaltungsinstanzen vermeh- Schweiz zu einem grossen Teil Selbstver- Weltläu¥gkeit und Weltbürgertum so ge- ren. Jede Instanz müsse bezahlt werden waltung, oder vielmehr: echte «Selbst- lungen wie in der Schweiz. Im Verhältnis und am teuersten sei die höchste: Zuletzt regierung», geblieben – trotz der gegen- zu ihrer Grösse ist die Schweiz wohl im kommt die Verwaltungsspitze, die alles wärtig über 30 000 Bundesbeamten. europäischen Vergleich am stärksten erdrückt. Die Regierung habe weniger Schwung und Schnelligkeit, um den Ge- setzen Achtung zu verscha”en, Missbräu- che abzustellen oder Schikanen zu verhin- 3 — Dezentralisation Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 dern. Auch passten gleiche Gesetze nicht Ein weiterer Vorteil der Schweiz ist ihre zu Provinzen, die in verschiedenen geo- weitgehende Dezentralisation, die man so- gra¥schen und kulturellen Verhältnissen gar als «Non-Zentralisation» bezeichnen 92glauben, % dass es ihnen im nächsten lebten. kann, denn die Schweiz war – abgesehen Jahr mindestens so gut geht wie jetzt.

16 — Bulletin N° 6 / 2012 — Staat —

Internationaler Vergleich Indikatoren des Erfolgs. Die Schweiz belegt Spitzenränge bei wichtigen wirtschaftlichen Kennzahlen wie der Arbeitslosenrate oder dem Volkseinkommen. ((Volkseinkommen)) ((Arbeitslosigkeit)) HOHES VOLKSEINKOMMEN TIEFE ARBEITSLOSIGKEIT Bruttoinlandprodukt pro Kopf in US-Dollar (nominal, kaufkraftbereinigt) Arbeitslosenrate in Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung

12 56 000

46 000 10

36 000 8

26 000 6 Schweiz 16 000 USA 4 Schweiz Deutschland Deutschland 6 000 Frankreich 2 Frankreich Japan USA 0 Korea 0 Japan 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Quelle: OECD Quelle: OECD

Die Schweiz hat eines der höchsten Volkseinkommen der Welt – selbst unter Die Arbeitslosenrate stieg in der Schweiz in der Berücksichtigung der Kaufkraft. Folge der Wirtschaftskrise Anfang der 1990er Jahre an, liegt im internationalen Vergleich aber immer noch tief.

DIE REICHSTE BEVÖLKERUNG DER WELT SINKENDE BRUTTOSCHULDEN ((DieVermögen pro Kopf 20 (in Tausend reichsten US-Dollar) Länder))Bestand und Veränderung der Bruttoschulden in Prozent des Bruttoinlandprodukts von 2007 bis 2011 200

400 150 300

100 200

100 50

0 0 JP IS AU LU SG FR US SE BE IT AT NL KR CH NO GB CA DK DE HK QA -20 CH AU LU NZ SE NO NL AT ES DE GB FR US PT BE IE HK IT JP Quelle: Credit Suisse Global Wealth Report Schulden in Prozent des BIP (2007) Quelle: OECD Economic Outlook Schuldenveränderung (2007 – 2011) Die Schweizerinnen und Schweizer haben mit Abstand am meisten Vermögen. Die Schweiz und Norwegen konnten ihre Schuldenquoten als einzige OECD-Länder sogar trotz der Wirtschaftskrise reduzieren.

((ÖkonomischeHOHE WIRTSCHAFTLICHE((Zahl FREIHEIT der Freiheit)) Grossfirmen))((ZahlTAM MEISTEN der GROSSE Grossfirmen)) FIRMEN ((Innovation))INNOVATIONSWELTMEISTER Index aus zehn wirtschaftlichen Kategorien Zahl der Firmen mit dem grössten Umsatz Zahl der Patente (in der EU, Japan und den (Fortune 500 Global) pro Million Einwohner USA) pro Million Einwohner und pro Jahr

85 2,5 120 80 2,0 100 75 80 1,5 70 60 65 Schweiz 1,0 Schweiz Deutschland Deutschland 40 60 Frankreich 0,5 Frankreich USA USA 20 55 Japan 0 Japan 0 1995 2000 2005 2010 JP FI IL CH SE DE NL DK AT US Quelle: e Heritage Foundation Quelle: Fortune Quelle: OECD Factbook

Die Schweiz gilt als eines der Kein anderes Land hat eine ähnlich hohe Die Schweiz ist, gemessen an der wirtschaftlich freiesten Länder der Dichte an Gross¥rmen wie die Schweiz. Bevölkerungsgrösse, die Welt. Sie hat die USA überholt und innovationsfreudigste Nation vor Japan, ist Spitzenreiter in Europa. Schweden und Deutschland.

Bulletin N° 6 / 2012 — 17 — Staat —

Exportschlager Schuldenbremse

Vorreiterin Schweiz. Drohende Staatsbankrotte und Eurokrise machen die Schuldenbremse zum Instrument der Stunde. Ihre Erfolgsgeschichte begann mit einer Volksabstimmung.

Der internationale Vergleich fällt für die USA entwickelt sich die Schuldenbremse Eine verbindliche Schuldenbremse ist da- Schweiz überaus positiv aus: In Europa z u m E x p or t sc h l a ger der S c hwei z . D eut s c h- rum nicht nur ein geeignetes Instrument, und den USA sind die Staatsschulden in land verankerte sie 2009 im Grundgesetz. um Erwartungen zu stabilisieren und die- den letzten Jahren geradezu explodiert. In Auch Polen, Spanien, Ungarn und Bulga- sen Teufelskreislauf zu durchbrechen. Sie mehreren Staaten sind Staatsbankrotte in- rien führten nationale Schuldenbremsen scheint auch unabdingbar, um Regierun- zwischen eine reale Gefahr. ein. Alle Länder der Eurozone haben sich gen zu einem nachhaltigen Haushalten zu In der Schweiz dagegen reduzierte diesen Sommer im Rahmen des Fiskal- zwingen. sich die Staatsverschuldung – gemessen am paktes ebenfalls dazu verpšichtet. Die kurzfristige Orientierung der Bruttoinlandprodukt (BIP) – seit 2003 von Politik sorgt nämlich dafür, dass sich die 55 Prozent auf rund 35 Prozent. Damit ge- Toxische De„zite Befürworter antizyklischer Fiskalpolitik lang der Schweiz eine beeindruckende Inzwischen haben die meisten Industrie- immer nur während der Abschwungpha- Trendwende, denn noch in den 1990er Jah- länder den sogenannten keynesianischen sen zu Wort melden. Wenn die Wirtschaft ren lag die Schuldenquote der ö”entlichen Endpunkt erreicht. Bei der Verschuldung wieder wächst, wird das Prinzip des Anti- Haushalte stetig über 50 Prozent. jenseits dieses Schwellenwertes – Ökono- zyklischen rasch vergessen, um weitere Die Erfolgsgeschichte begann 2001. men schätzen ihn auf rund 90 Prozent Schulden aufzutürmen. So gab es bei - Damals wurde in einer Volksabstimmung die Einführung einer Schuldenbremse mit 85 Prozent Ja-Stimmen angenommen. DIE SCHULDENBREMSE((SchuldenbremseNEU)) WIRKT Damit entschied sich die Schweiz als erstes Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandprodukts (1995 – 2012) Land überhaupt für eine konstitutionell verankerte Schuldenbremse. 2003 trat sie 110 in Kraft. Deren Grundregel ist einfach: 90 Über einen ganzen Konjunkturzyklus hin- weg dürfen die Ausgaben nicht höher sein 70 als die Einnahmen. In wirtschaftlich 50 Schweiz schlechten Jahren darf es zwar zu einem Deutschland Euroländer De¥zit kommen. In guten Jahren muss das 30 USA 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Defizit allerdings wieder durch Über- Quelle: Avenir Suisse schüsse kompensiert werden. Dank der dadurch erzwungenen Haushaltskonso- Die Staatsverschuldung sank in der Schweiz seit der Einführung der Schuldenbremse 2003 deutlich, während sie in der EU und in den USA anstieg. lidierung noch während einer Wachs- tumsphase gelang es der Schweiz, selbst in den Krisenjahren Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften. Staatsschulden relativ zum BIP – entfalten spielsweise in Frankreich und Deutsch- In vielen anderen Industrieländern weitere De¥zite eine toxische Wirkung: land in den letzten 30 bis 40 Jahren über dagegen ist die Staatsverschuldung selbst Erstens kommt es zu einer Spirale zwi- alle Konjunkturzyklen hinweg keine aus- in konjunkturell guten Zeiten weiter ge- schen Zinslasten und Neuverschuldung. geglichenen Staatshaushalte – von Über- wachsen. Und als die Krise kam, gerieten So zahlte in Deutschland 2010 alleine der schüssen in guten Zeiten ganz zu schwei- die ö”entlichen Haushalte gänzlich ausser Bund 37 Milliarden Euro Zinsen, nur um gen. So hat die Politik immer wieder Kontrolle. In den USA stieg die Staatsver- vergangene Schulden zu bedienen. In nor- kurzfristige Wahlgeschenke auf Kosten schuldung in nur vier Jahren von 11 auf 16 malen Jahren šiesst die Neuverschuldung zukünftiger Generationen ¥nanziert. Billionen Dollar (2009 – 2012). Auch die also quasi direkt in den Schuldendienst. Dieses strukturelle Problem lässt sich durchschnittliche Schuldenquote in der Zweitens steigen die Risikoprämien für nur durch nationale Schuldenbremsen – Eurozone schnellte von 66 Prozent (2007) Staatsanleihen rasant an, wie derzeit etwa oder aber durch einen wirklich wasserdich- auf 87 Prozent (2011) empor. Es wird ver- in Portugal, Italien, Irland, Griechenland ten Fiskalpakt auf europäischer Ebene – mutlich eine ganze Generation dauern, um und Spanien. Drittens antizipieren Haus- lösen. Die Schweiz hatte das Glück, dieses die Schulden eines einzigen, wenn auch halte und Firmen wirtschaftliche Schwie- Instrument bereits vor der Krise einzufüh- durch eine schwere Krise geprägten Kon- rigkeiten und höhere Steuern. Sie drosseln ren, und ihre hervorragende ¥skalische Si- junkturzyklus abzutragen. den Konsum und die Investitionen und tuation verdankt sie auch diesem Schritt. Angesichts dieser explodierenden neutralisieren so den Nachfrageimpuls hö- Daniel Müller-Jentsch arbeitete als Ökonom bei der Staatsverschuldung in Europa und den herer Staatsausgaben. Weltbank und ist heute bei Avenir Suisse tätig.

18 — Bulletin N° 6 / 2012 — Staat —

durch wirtschaftlichen, ¥nanziellen, kul- toren wie die Verwaltung zentraler Pässe heimnis, das die Achtung der Privatsphäre turellen, wissenschaftlichen, juristischen oder das eifersüchtige Gleichgewichtsden- des Bürgers auch hinsichtlich seines Ei- und sportlichen Austausch nach aussen ge- ken der konkurrierenden Grossstaaten gentums ausdrückt. wandt, aufs Engste veršochten mit Europa halfen ihr. Legitimation und Identität der und der Welt (dafür sorgt allein schon ihre Schweiz beruhen nicht auf dem Selbstver- ethnisch-kulturelle Vielfalt, die nur durch ständnis als Sprach-, Kultur- oder Reli- einen gemeinsamen politischen Willen zu- 6 — Sicherer Hafen für gionsnation, sondern auf dem Bekenntnis sammengehalten wird). des überwiegenden Teils der Bevölkerung Die Kleinheit der Entscheidungs- Kapital und Intelligenz zu den politischen Grundlagen des Staa- einheiten erzeugt eine Intensität des tes: Föderalismus und Konsensdemo- politischen Lebens, eine Sachgemässheit Seit Langem dient die Schweiz als sicherer kratie, liberale Wirtschaftsordnung und der Entscheidungen – wenn auch nicht Hafen für geistige Unabhängigkeit, als po- Unabhängigkeit. Die Schweiz bietet so jeder Entscheidung – und einen Lebens- litischer und, wie allbekannt, ökonomi- grössere Garantien für Privateigentum schwung, die in Grossstaaten mit ihren scher Fels in der Brandung. So kann sie und Selbständigkeit, und sie sieht auch verödenden Grossbürokratien unbekannt ständig ihr intellektuelles und monetäres mehr Möglichkeiten für kommunales und sind. Nirgends kann Friedrich August von Kapital in jeder Hinsicht durch Zuzug von kantonales Experimentieren vor als die Hayeks «Wettbewerb als Entdeckungsver- aussen vermehren. Besonders in Krisen- meisten anderen Länder. fahren» darum lokal verstreutes, indivi- zeiten diente sie von Voltaire an bis zu den Nur aufgrund dieser historisch-poli- duelles Wissen so gut verwerten wie im verfolgten Liberalen, Demokraten oder tischen Tradition und des Gleichgewichts- Kleinstaat Schweiz und seinen noch klei- Sozialisten im 19. und 20. Jahrhundert als denkens kann die Eidgenossenschaft über- neren Untereinheiten. rettender Nothafen. Sie schützte auch haupt als Einheit bezeichnet werden. Die starke Untergliederung und Lenin – ein Zeichen des Werts eines gross- Non-Zentralisation schaffen denn auch zügigen Asyl- und Ausländerrechts, das Fazit eine Flexibilität gegenüber Krisen, die po- keine parteipolitischen oder weltanschau- Die Schweiz hat keinen Grund, ihren Ur- litischen und ökonomischen Grossbetrie- lichen Farben tragen sollte. sprung als lockerer Staatenbund zu verges- ben abgeht. Die Reichweite von Fehlent- Dies hängt auch mit ihrer strikten sen, der einmal zum Zweck geschlossen scheidungen ist relativ begrenzt. Neutralität zusammen, welche die Schweiz wurde, die Autonomie der beteiligten überdies in die vorteilhafte Lage versetzt, Städte und freien Bauerngenossenschaften international glaubwürdig die Rolle eines zu erhalten. «Sie verbündeten sich mitein- unabhängigen Vermittlers zu spielen, da ander, um voneinander verschieden zu 5 — Milizprinzip sie nicht in das Konzert der Mächte verwi- bleiben», schrieb der Neuenburger Philo- In der Schweiz sind Parteien, Bürokratie ckelt ist. Die massive Zuwanderung aus soph , «der Grund und Interessenverbände nicht Herren, Deutschland in jüngster Zeit zeigt, dass i hrer Solidarität war nicht die kollektive sondern lediglich Diener des politischen ihre Stabilität und ökonomische Attrakti- Macht, sondern die Autonomie jedes Ein- Willens der Bürger. Das bürokratische vität weiter geschätzt und dadurch gestei- zelnen.» Und Herbert Lüthy, der Basler Zentralregime in Brüssel zeigt – nachles- gert wird. Mit ihrem relativ liberalen Historiker, hat die Schweiz einmal als bar in den Berichten des Europäischen Arbeitsrecht zeigt sie zudem, wie man «Antithese» vorgestellt: eine Antithese Rechnungshofes –, welcher Preis zu zahlen Vollbeschäftigung sichert. zum Denken in Kollektiven, in Konzent- ist, wenn nicht die unabhängige politische ration der Macht, Monokultur und Gleich- Kontrolle durch ein Milizsystem und schaltung. durch die Überschaubarkeit der Verhält- Die Schweiz sollte diese «Antithese» nisse gegeben ist: Es herrscht dann büro- 7 — Bürgerlichkeit bleiben. Sie verkörpert den liberalen Wer- kratisch-technischer Professionalismus, Die Schweiz hat, und auch das ist ein Vor- tekanon: Macht- und Staatsskepsis, Ei- kombiniert mit gut getarntem Lobbyis- teil, einen dezidiert bürgerlichen Charak- gentum, Bürgerlichkeit und einen Glau- mus. Berufspolitiker und Beamte werden ter. Besonders hat sie nicht die nivellieren- ben an die Produktivität durch Vielfalt. immer das verständliche Bedürfnis zeigen, den Katastrophen der beiden Weltkriege Das ist im Wettbewerb der Nationen ein ihr Beglückungssortiment, ihre zwangs¥- und keine Inflationen wie Deutschland grosser Vorteil. Das «Schweizer Modell» nanzierten Budgets und ihre Karrieremög- durchmachen müssen. Auch heute noch der Selbstbestimmung, Selbsthilfe und lichkeiten auszuweiten. kann sie als Vorbild für Mass, Mitte und Selbstverantwortung – das beweist ihr Trotzdem: Ein Kleinstaat wie die Besonnenheit, für wirtschaftlichen Sinn, wirtschaftlicher und politischer Erfolg – Schweiz ist – wie wir derzeit gerade wieder Sachlichkeit und Realitätsnähe dienen. ist auch eine Wohlstandsformel. erleben – politisch erpressbarer als ein Man kennt in der Schweiz überdies nicht Grossstaat. Das ist klar ein Nachteil. Um nur ein Anwalts-, Seelsorger-, Arztge- Gerd Habermann ist Wirtschaftsphilosoph, ihre Unabhängigkeit zu sichern, brauchte heimnis, nicht nur ein Post- oder Fernmel- Professor an der Universität Potsdam und Gründer sie historisches Glück: Geopolitische Fak- degeheimnis, sondern auch ein Bankge- der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

Bulletin N° 6 / 2012 — 19 — Währung —

mindestens so viel Waren und Dienstleis- tungen in Euro, wie wir Euro einnehmen. Trotz Frankenstärke So betreibt Silentsoft 30 000 SIM-Karten (Abonnements) für seine Messmodule von erfolgreich einem einzigen europäischen Telekommu- nikationsunternehmen – auch die in der Der starke Franken ist ein grosses Problem für Schweiz. Ausserdem werden einige Mess- exportorientierte Firmen. Der CEO von Silentsoft erzählt, geräte und alle Dienstleistungen in Europa in Euro bezahlt. Auf diese Weise ist es uns wie er sein mittelständisches Unternehmen durch den gelungen, die Kosten und Risiken von Währungssturm steuert. Währungseinšüssen zu minimieren. Und schliesslich betreiben wir ein Von Charles Upchurch Geschäftsmodell, das auf regelmässigen Einnahmen basiert. Auch das ist in der ge- genwärtigen Währungskrise ein Vorteil. Zwei Drittel unserer Erlöse entfallen auf jährliche verlängerbare Subskriptionen, nur ein Drittel stammt aus neuen Verkäu- fen. Obwohl die regelmässigen Einnah- men in Euro unter dem starken Franken leiden, bieten sie doch eine gewisse Sicher- heit und ermöglichen Flexibilität in Bezug auf neue Euro-basierte Verkäufe. Silentsoft expandiert ausserhalb von Europa dank einem globalen Monitoring- Vertrag mit Shell, einschliesslich Energie- optimierung für die Gebäude mit einer einzigartigen Lösung zur Analyse der Heizungseffizienz. Da der Vertrag mit Shell in einer anderen Währung läuft und das Zentralheizungsmonitoring auch in ES WAR EIN SCHWARZER TAG FÜR Es ist dieser europäische Geschäftsanteil, Europa nachgefragt wird, stellen diese bei- uns, als der Schweizer Franken im August der uns genauso viel Kopfzerbrechen berei- den Aktivitäten angesichts der Franken- 2011 fast Parität zum Euro erreichte. Die- tet wie den anderen exportorientierten stärke neue Herausforderungen dar. Wir ser Währungssturm zwang uns, unsere Schweizer Unternehmen. Unsere Einnah- sind überzeugt, dass wir dank unseren Exportstrategie prinzipiell zu überdenken. men sind wegen der Frankenstärke um 12 Strategien die Chance haben, nicht nur Schon in den Jahren zuvor hatte uns der Prozent zurückgegangen, weil wir unseren dem gegenwärtigen Währungssturm kräftig steigende Frankenkurs (vom ge- europäischen Kunden Rechnungen in standzuhalten, sondern sogar zu šorieren. wohnten Niveau um CHF 1.55 bis auf Pa- Euro stellen, die Einnahmen aber als in der Sind wir besorgt, dass die Inter venti- rität) stetig zu scha”en gemacht. Hätte die Schweiz ansässiges Unternehmen in Fran- on der Schweizerischen Nationalbank zu Schweizerische Nationalbank im Septem- ken abrechnen. Der europäische Markt ist anderen Problemen wie etwa Inflation ber letzten Jahres nicht interveniert und hart umkämpft, was zu einem enormen führen könnte? Selbstverständlich, aber eine Untergrenze von CHF 1.20 festgelegt Preisdruck geführt hat. damit ist vorerst nicht zu rechnen. Ein – Silentsoft wäre in Europa weit weniger Wir könnten unseren Firmensitz na- noch stärkerer Franken hätte uns gezwun- konkurrenzfähig geworden. türlich von Morges ins Ausland auslagern, gen, aus dem Europa-Geschäft auszustei- Silentsoft ist europäischer Markt- aber wir möchten aus mehreren Gründen gen, und für viele Schweizer Exporteure führer für Telemetrielösungen für Gebäu- in der Schweiz bleiben: Wir werden von hätte es vermutlich noch dramatischere deenergiemanagement. Einfach gesagt: schweizerischen Risikokapitalgebern wie Konsequenzen bedeutet. Wir überwachen per Funk den Energie- der SVC AG unterstützt, das Innovations- verbrauch eines Unternehmens. Wir infor- k lima hier ist exzellent, Schweizer Lösun- Charles Upchurch führt Silentsoft mieren unsere Kunden (unter anderem die gen werden international mit hoher Qua- seit fünf Jahren als CEO. Vorher Post, Swisscom, Migrol oder die Stadt lität und Präzision identifiziert, und arbeitete er unter anderem 16 Jahre lang beim Warenprüfkonzern SGS Z ürich), wann ihre Heizöl- oder Gastanks natürlich kommen auch viele unserer Mit- in führender Position. aufgefüllt werden müssen, welche Gebäu- arbeiter aus der Schweiz. de am wenigsten energiee³zient sind und Zum Glück können wir den Wäh- wie die Boilerthermostate optimal einge- rungssturm dank verschiedenen Strate- Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 stellt werden müssen. Unser Unternehmen gien überstehen. Erstens macht Silentsoft hat 30 000 aktive Messstationen, davon Geschäfte mit Kunden im In- und Aus- Für etwa die Hälfte in der Schweiz, die andere land. Das sorgt für eine Art natürlichen gehör20t der star%ke Franken zu den fünf in westeuropäischen Ländern. Währungs-Hedge. Zweitens kaufen wir wichtigsten Problemen der Schweiz.

20 — Bulletin N° 6 / 2012 Foto: Stuart Franklin/Magnum Photos; Fred Merz — Swiss List —

Die Schweiz in Zahlen (1/4) Zehn Spitzenwerte

3. Berge: Die Durchschnittshöhe der Schweiz beträgt 1309 Meter – Europarekord. Auf den Rängen zwei und drei folgen die Türkei und Liechtenstein.

4. Patente: Zusammen mit Liechtenstein steht die Schweiz regelmässig an der Spitze der Patentanmeldungen pro Kopf. Das gute Innova- tionszeugnis verdanken wir teilweise den Grosskonzernen, die besonders viele Patente anmelden.

1. Kriminellenfreundlichkeit: Laut grossange- 5. Briefe: Hier sind die beiden gleichen Länder legten Umfragen macht es vier von fünf Schwei- vorne. 2011 versandten die Liechtensteiner 798, zern nichts aus, einen Kriminellen zum Nach- die Schweizer 629 Briefe pro Kopf. Noch barn zu haben. In keinem anderen Land ist der grösser ist die Zahl einzig im Vatikan – vermut- Wert höher. lich wegen der vielen postkartenschreibenden Touristen. 2. Masern: Es gibt schlicht zu wenig Menschen, die sich impfen. Darum belegte die Schweiz in den letzten Jahren den ersten Rang bei der Zahl der Masern-Erkrankungen in Westeuropa.

6. Porsches: Fast 30 000 Porsches sind in der Schweiz zugelassen – nirgendwo ist die Dichte höher. Letztes Jahr wurden bei uns 227 neue Porsches pro Million Einwohner gekauft, auch das ein Rekord.

7. Frühaufsteher: Die Sitzungen des National- und des Ständerats beginnen pickelhart um 8.00 oder 8.15 Uhr. In anderen Ländern tagen die nationalen Parlamente frühestens ab 9 Uhr, meist noch später.

8. Schokolade: Alle Jahre wieder bescheinigt die Statistik den Schweizern den höchsten Schoggi-Konsum der Welt – 2011 waren es 11,9 Kilo pro Kopf. Mit eingerechnet sind dabei allerdings die Einkäufe der Touristen.

9. Tempo: Gemäss einer legendären Studie aus den neunziger Jahren herrscht in den Schweizer Städten der höchste Lebensrhythmus der Welt. Der Lebensrhythmus ist dabei ein Misch- wert aus Gehgeschwindigkeit der Passanten (Schweiz: Rang drei), Wartezeiten auf der Post (Rang zwei) und Genauigkeit ö”entlicher Uhren (Rang eins).

10. Alpendohlen: In der Schweiz brüten schätzungsweise 10 000 bis 15 000 Alpen- dohlen-Paare – gemessen an der Fläche ist das Europarekord. Auch die Steinadler- dichte ist rekordhoch.

Von Matthias Plüss, 1kilo (Illustration) Bulletin N° 6 / 2012 — 21 — Swiss made —

Monument der Schweizer Ingenieurskunst: die Verrazano-Narrows-Brücke in New York von Othmar Ammann, erbaut im Jahre 1964.

22 — Bulletin N° 6 / 2012 — Swiss made —

Schweizer Ingenieure haben die Geschichte des Brückenbaus wesentlich mitgeprägt. Ihre Arbeiten gelten bis heute als internationale Meisterwerke, welche Funktionalität mit Ästhetik in idealer Weise verbinden. Auf Spurensuche nach dem Geheimnis eines goldenen Kapitels des Schweizer Pioniergeistes.

Von Urs Steiner und Noë Flum (Fotos)

Wir Brückenbauer

Bulletin N° 6 / 2012 — 23 — Swiss made —

Ich hatte Glück», antwortete der brücken. «Landläu¥g wird, was massig ist, «umfassendes Verständnis» von Natur und 85-jährige Othmar H. Ammann auch für stark gehalten», schrieb er 1930 in Ästhetik, von Berechnung und Empirie. (1879 – 1965) einem Journalisten einer Denkschrift der Eidgenössischen Im Fall von Ammann spiele der Unterneh- der «New York Times» auf die Materialprüfungsanstalt (Empa). Der ent- mergeist im New York des frühen 20. Jahr- Frage,« wie er sich seinen Erfolg als Brü - werfende Ingenieur aber solle der Masse hunderts eine grosse Rolle, bei Maillart ckenbauer erkläre. Das war 1964, kurz feindlich gegenüberstehen – einerseits aus das Prinzip «Trial and Error»: Kaum habe nach Fertigstellung der Verrazano-Nar- wirtschaftlichen Gründen, anderseits im Maillart jeweils eine Brücke fertig gebaut, rows Bridge in New York. Ammanns Frau, Hinblick auf den Bestand des Bauwerkes. sei Professor Mirko Roš von der Empa mit die beim Interview dabei war, versuchte Tatsächlich haben spätere Versuche mit seinen Messgeräten angereist und habe das das Statement ihres Gatten etwas zu rela- Sandsäcken ergeben, dass Maillart recht Resultat überprüft. tivieren. Doch der ältere Mann, der im gehabt und die ursprüngliche Dicke des Laufe seiner Karriere die Landzunge von Stegs durchaus genügt hätte. Mythos Schweiz Manhattan mit acht Brücken und dem Auch die Schale von Heinz Islers Warum aber sind Schweizer Ingenieure Lincoln-Tunnel erschlossen hatte, bestand (1926 – 2009) schwingenförmigem Dach im Brückenbau weltweit so erfolgreich? auf seiner ursprünglichen Einschätzung: der Autobahnraststätte Deitingen Süd Ist es die Topogra¥e, die das Fach der In- «Glück!», betonte er. Schon 1953 hatte er (Kanton Aargau) ist nur 9 Zentimeter dick genieurbaukunst früh gefördert hat, oder in einem Vortrag erklärt, Brückenbau sei das Polytechnikum? Eine Mischung aus keine exakte Wissenschaft, wie gemeinhin allem, vermutet Conzett: Einerseits habe angenommen werde. Insbesondere wenn die ETH Zürich eine grosse Rolle ge - man wie er in neue Gebiete von bisher un- «Nirgendwo ist die spielt, wo mit Carl Cullmann (1821 – 1881) erforschter Grössenordnung vorstosse, Ästhetik so eng und Karl Wilhelm Ritter (1847 – 1906) in müsse man auf seine Urteilskraft vertrauen mit Ökonomie, die der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts zwei können. Der Preis, den man für den charismatische Lehrer gewirkt hätten. menschlichen Fortschritt bezahle, seien Mathematik so eng Anderseits seien in den Anfängen des Irrtümer und Misserfolge. mit politischer b ewehrten Betons die Ingenieure nicht durch die Behörden behindert worden wie Irrationale Faktoren Berechnung verknüpft in anderen Ländern. Und schliesslich sei Mit dieser Überzeugung steht Othmar wie im Brückenbau.» die Schweiz mit ihrer Vielfalt an Brücken- Ammann nicht alleine da. Auch andere typen schon früh ein Tummelplatz für In- bedeutende Brückenpioniere haben darauf genieure aus dem Ausland gewesen. Aber hingewiesen, dass ihre Arbeit von irratio- und hält nun schon seit 1968. Er habe das einen Vorsprung gegenüber der internati- nalen Faktoren mitgeprägt sei. Robert Bauwerk kürzlich untersucht und gebe da- onalen Konkurrenz kann er heute eigent- Maillart (1872–1940) etwa hatte den Steg für weitere dreissig Jahre Garantie, sagte er lich nicht erkennen – überall auf der Welt seiner berühmten Salginatobelbrücke 1999 im Gespräch, als das Dach abgebro- würden atemberaubende Brücken gebaut, (Kanton Graubünden) ursprünglich 16 chen werden sollte. Mit ein Grund für sei- etwa in China. Der Mythos von der Zentimeter dick konzipiert. Schliesslich ne Zuversicht war, dass die Natur und Schweizer Ingenieurbaukunst, den Pro- liess er ihn 22 Zentimeter stark betonieren nicht er selber die Form der Schale entwi- fessor David Billington von der amerika- – nicht zuletzt deshalb, weil externe Gut- ckelt habe. Tatsächlich hatte Isler den un- nischen Princeton-Universität begründet achter etwas Materialreserve empfahlen … regelmässigen Schwung mit Hilfe einer habe, ist Conzett eher peinlich. und damit die Bewohner von Schuders sich einfachen Versuchsanordnung ermittelt: Und doch haben Ingenieure wie der überhaupt getrauten, in 90 Metern Höhe Er liess ein an drei Ecken aufgehängtes 1927 geborene Christian Menn nicht nur über das elegante, im Jahr 1930 geradezu Tuch gefrieren und drehte es um. «Diese in der Schweiz spektakuläre Projekte rea- papieren wirkende Brücklein zu gehen. Form, vom Gravitationsgesetz in Sekun- lisiert. So schuf Menn et wa mit der Bunker Denn Maillarts extrem schlanke Konst- denschnelle hergestellt, ist nicht nur Hill Bridge gleich das neue Wahrzeichen ruktion unterschied sich radikal von den traumhaft schön, sie stimmt auch statisch für Boston. Sein Werk inszeniert die wir- bis dahin üblichen, massiven Steinbogen- perfekt», erklärte Isler. Mathematisch je- kenden Zug- und Druckkräfte zwar nicht doch sei die Geometrie der Schale nicht so verspielt-expressiv wie dasjenige des beschreibbar, selbst mit dem Computer spanisch-schweizerischen Ingenieurs San- nur annäherungsweise zu berechnen. tiago Calatrava. Menn ¥ndet dennoch sei- Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 Der 1956 geborene Jürg Conzett, der ne individuelle Formensprache wie ein vielleicht bekannteste Schweizer Ingeni- Künstler: Roman Hollenstein, Architek- eur und Brückenbauer der jüngeren, heute turkritiker der «Neuen Zürcher Zeitung», 91sind auf% den internationalen Quali- aktiven Generation, sieht seine Tätigkeit beschrieb die Brücke über den Bostoner tätsruf als Merkmal der Schweizer wesentlich pragmatischer. Zwar gehöre Inner Harbor poetisch als «Doppellyra, Wirtschaft besonders stolz. zur Ingenieurbaukunst auch für ihn ein deren Saiten – von zwei auf gespreizten

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Kunstbauwerk aus Naturstein: der Landwasserviadukt bei Filisur von Alexander Acatos, erbaut 1902.

Bulletin N° 6 / 2012 — 25 — Swiss made —

Eins mit der Landschaft: die Sunnibergbrücke bei Klosters von Christian Menn, erbaut 1998.

26 — Bulletin N° 6 / 2012 — Swiss made —

SCHWEIZER BRÜCKENPIONIERE

Beinen stehenden Obelisken ausgehend – und die älteste erhaltene Stabbogenbrü- diagonal mit der Fahrbahnšäche verbun- cke des Betonpioniers, soll einem gesichts- den sind». losen Ersatzneubau weichen. Im Oktober 2009 wurde ein Kredit von 1,9 Millionen Hochhaushoch Franken für einen Ersatzbau verabschie- In der Schweiz hat Christian Menn in den Othmar H. Ammann det. Der Innerthaler Gemeindeschreiber letzten Jahrzehnten die grössten Brücken 1879 – 1965 meinte zum Argument, es handle sich um an den prominentesten Lagen realisiert. In Verrazano-Narrows Bridge (1964), ein Schutzobjekt von nationaler Bedeu- weltgrösste Hängebrücke ihrer Zeit den fünfziger Jahren war er an der ETH in New York. tung, lakonisch: «Wir brauchen die Brü - Zürich Assistent bei Professor Pierre Lar- cken zum Drüberfahren, nicht nur zum dy. 1971 trat er in dessen Fussstapfen und Fotogra¥eren.» Werner Oechslin, emeri- übernahm die Professur für Baustatik und tierter ETH-Professor für Architektur- Konstruktion an der ETH Zürich, die er und Kunstgeschichte und Gründer der bis zu seiner Emeritierung 1992 innehatte. Stiftung Bibliothek Werner Oechslin in Bevor er mit der Bostoner Bunker Hill Einsiedeln, schlug Alarm: «Ich mag es Bridge seine Karriere krönte, schuf Menn nicht glauben, mit welcher Ignoranz und unter anderem mit der 678 Meter langen Dreistigkeit man hierzulande immer noch Ganterbrücke am Simplon einen kraftvol- Robert Maillart mit solchen Objekten umgeht», schrieb er len Eingri” in die raue Walliser Bergnatur. 1872 – 1940 in einem Mail an seine Kollegen aus der Der höhere der beiden Pylonen dieser Salginatobelbrücke (1930), Fachwelt. Dank Oechslins Intervention, revolutionäre Eisenbetonbrücke Schrägkabelbrücke misst stolze 150 Me- bei Schiers. die den Schweizerischen Ingenieur- und ter, mehr als der Prime Tower in Zürich, Architektenverein (SIA) mobilisierte, leg- das mit 126 Metern gegenwärtig höchste te der Schwyzer Heimatschutz eine Ein- Hochhaus der Schweiz. Die Sunniberg- sprache gegen den Abriss ein. Auf kanto- brücke bei Klosters ist eine weitere spekta- naler und eidgenössischer Ebene laufen kuläre Landmarke des Ingenieurs: Das Abklärungen, ob die Schrähbachbrücke 526 Meter lange Bauwerk überquert die unter Denkmalschutz gestellt werden soll. Landquart auf 62 Meter Höhe in einem Das Genehmigungsverfahren ist sistiert, Bogen und wird von vier Pfeilern getragen. Heinz Isler bis ein verbindlicher Entscheid vorliegt. Mehr noch als Menn versucht Jürg 1926 – 2009 Othmar Ammann hatte bestimmt Conzett, die Gestaltung seiner Brücken Autobahnraststätte Deitingen Süd (1968), nicht unrecht, als er seine Erfolge dem Brückenschalen aus Beton. aus der technischen Form heraus zu entwi- Glück zuschrieb. Vielleicht aber hätte er ckeln. Dass sein Büro Conzett, Bronzini, auch noch seinen Instinkt für das Mach- Gartmann (Chur) auch ohne mondäne bare erwähnen sollen. Denn nirgendwo ist Inszenierung ästhetische Meisterwerke die Ästhetik so eng mit Ökonomie, die scha”t, spricht für dessen Kreativität. So Mathematik so mit politischer Berech- ist etwa der zweite Traversiner Steg – eine nung verknüpft wie im Brückenbau. Der hängende Treppe in einem Seitental der typisch schweizerische Pragmatismus Viamala-Schlucht in Graubünden – inter- dürfte mit zum Erfolg so zahlreicher national auf grosses Interesse gestossen, Jürg Conzett Schweizer Ingenieure beigetragen haben. obwohl das Brücklein aus einem vorge- 1956 geb. spannten Seilfachwerk nur gerade über Zweiter Traversiner Steg (2005), neuartige hängende Treppe in eine horizontale Spannweite von 56 Me- der Viamala. tern verfügt. Ebenfalls klein, aber ästhe- tisch wirkungsvoll ist Conzetts neue Dorf- brücke in Vals, die 2010 eingeweiht w urde: Tragende Elemente sind die Seitengelän- der aus Beton und Valser Gneis, die als Bö- gen wirken.

Ignoranz und Dreistigkeit Dass es die Propheten im eigenen Land Christian Menn aber nicht einfach haben, zeigt der Fall 1927 geb. Bunker Hill Bridge (2002), einer Maillart-Brücke im Schwyzer Inner- das moderne Wahrzeichen Urs Steiner ist Kulturredaktor der thal: Die Schrähbachbrücke, ein Frühwerk von Boston. «Neuen Zürcher Zeitung». © 2010 Collano Group

Foto: [m] ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv (3); [m] Str / IBA-Archiv / Keystone; [m] Str / Keystone (2); [m] Conzett Bronzini Gartmann (2); [m] Martin Ruetschi / Keystone (2) Bulletin N° 6 / 2012 — 27 — Arbeitsmarkt —

«Die Sicherheiten schwinden wie Eis in der Sonne» Der Psychoanalytiker Mario Erdheim über die verbreitete Furcht vor der Arbeitslosigkeit und die Frage, inwiefern diese Sorge tieferliegende Ängste verdeckt. Von David Signer und Helmut Wachter (Foto)

Beim Credit Suisse Sorgenbarometer einer Bedrohung fest, wenn sie gar nicht so Was wären denn die «wahren» Heraus- 2012 fungiert die Angst vor Arbeitslosigkeit real ist? forderungen und Probleme? – wie schon seit mehreren Jahren – auf Platz 1. Es ist wie der von Freud so genannte Zum Beispiel die Verwandlung in eine Das ist nicht selbstverständlich, weist doch Matura-Traum. Auch gestandene Akade- multikulturelle, globalisierte Gesell- die Schweiz, im Vergleich zu andern euro- miker träumen oft, wie sie bei der Matura schaft. Da wird dann etwa die alte Angst päischen Ländern, mit knapp 3 Prozent durchfallen. Die Wunscherfüllung vor den Deutschen reaktiviert. Wir sehen eine tiefe Arbeitslosenquote aus. besteht darin, dass man ja eigentlich uns gerade in Zürich gerne als internatio- Mir kommt es vor, als ob die Schweizer weiss, dass man die Matura bestanden nale Gesellschaft, haben aber Angst vor auf die Krisen vor dem Zweiten Welt- hat, und dass man abgelenkt wird von Minaretten. Das sind Widersprüche. Die krieg ¥xiert seien, als hierzulande die andern, ebenso schwierigen Prüfungen Schweiz erlebt momentan einen ungeheu- Arbeitslosigkeit innert sechs Jahren von in der Gegenwart. Oder dass man sich ren Wandel und bemüht sich gleichzeitig 0,7 auf 4,8 Prozent anwuchs. Das Kon- sagen kann, man werde diese Prüfungen um die Illusion der Stabilität. Die Zu- zept «Arbeitslosigkeit» dient dazu, die trotz der Ängste ebenso bestehen wie kunft des Energieaufkommens nach dem aktuelle, sehr beunruhigende komplexe damals die Matura. Ende des Erdöls ist ebenso bedrohlich Situation auf einen einfachen Nenner wie der statt¥ndende Klimawandel. herunterzubrechen. Man spricht also von der Angst vor Arbeits- Aber sind bei der Angst vor «Arbeitslo- losigkeit, um sich umso mehr darüber freuen sigkeit» nicht all diese Umwälzungen – Aber der Gedanke an Arbeitslosigkeit ist ja zu können, dass man Arbeit hat? EU, Finanz- und Steuerkrise, drohende auch nicht angenehm. Warum halten wir an Ja. Aber es ist auch das, was man in der Rezession, hohe Arbeitslosigkeit in den Psychoanalyse «Verschiebung» nennt. Nachbarländern – mitgemeint? Sicher Das Problem «Arbeitslosigkeit» verdeckt gibt es reale Aspekte. Aber es ist wie bei andere Hausforderungen, die vielleicht der Vogelgrippe-Panik. Die Schmuck- Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 komplizierter und weniger greifbar sind. messe in Basel wurde abgesagt, man Es hat auch den Vorteil, dass man damit diskutierte, ob es genug Impfsto” gebe, Seriosität signalisiert. Man suggeriert: sprach von einer globalen Bedrohung – 49beschäf%tigt die Arbeitslosigkeit, Ich will arbeiten, es wäre schrecklich, und dann löste sich plötzlich alles in womit sie die Hauptsorge ist. wenn ich nicht mehr arbeiten könnte. Luft auf. Natürlich gibt es ökonomische

28 — Bulletin N° 6 / 2012 «Die Schweiz erlebt einen ungeheuren Wandel und bemüht sich gleichzeitig um die Illusion der Stabilität.» Mario Erdheim, 72, ist Psychoanalytiker und Ethnologe. Er lebt in Zürich.

Bulletin N° 6 / 2012 — 29 — Arbeitsmarkt —

Schwierigkeiten, aber Arbeitslosigkeit Und heute? Vielleicht schon, aber zuerst einmal darf ist nicht die unmittelbarste Gefahr, die Es gibt ein neueres Phänomen, dasjenige man nicht vergessen, dass unsere Arbeits- uns betri”t. der unbezahlten Arbeit: Dazu gehören losenquote im 20. Jahrhundert auch die «Beziehungsarbeit», die Freiwilligen- deshalb meist so tief war, weil wir, dank Könnte man nicht sagen, dass die Angst vor arbeit der Senioren, aber auch die Prakti- den Saisonniers und anderen Gastarbei- Arbeitslosigkeit Ausdruck einer protestanti- ka der Jungen und die interessanten, tern, die Leute wegschicken konnten, schen Arbeitsethik ist, dass wir uns immer kreativen oder intellektuellen Nebenjobs, wenn es nicht mehr genug Stellen gab. noch primär über den Beruf de—nieren die kaum etwas einbringen. So nehmen Wir hatten die Arbeitslosigkeit exportiert. und der Verlust der Arbeit entsprechend auch bei Akademikern Existenzängste identitätsgefährdend ist? zu. Allerdings: Wirklich verelenden kann Sie haben anfangs erklärt, dass «Arbeitslo- Ja. Aber der Globalisierungsprozess man in der Schweiz ja kaum. sigkeit» ein veraltetes Modell sei. Müsste führte auch zu einer Verwandlung des man heute einfach von dauernden «norma- Arbeitsbegri”s. Für unsere Eltern gingen Trotzdem ist Arbeitslosigkeit nicht gerade len» Brüchen und Wechseln im Arbeitsleben Arbeit und Berufung zusammen. Man lustig. ausgehen? ging sein Leben lang einer «geregelten» Ja, für viele ist es eine Schande, aufs RAV Wir haben zwar nicht mehr das Modell Arbeit nach, man war selbst stolz darauf, zu gehen. Man geht nicht davon aus, dass eines jahrzehntelangen Arbeitsplatzes, ein Arbeiter zu sein. Aber irgendwann in man Anspruch auf die Versicherung hat aber einer linearen Karriere. Bei amerika- den sechziger/siebziger Jahren wurde – obwohl man ja auch einzahlte –, sondern nischen Berufskollegen habe ich jedoch der Beruf zum Job. Egal was ich mache, man fühlt sich als Versager. schon in den achtziger Jahren beobachtet, Hauptsache, ich werde gut bezahlt. Dazu wie sie viel häu¥ger die Stellen und oft gehört auch, dass man alle paar Jahre Ist die Einstellung zur Arbeitslosigkeit etwa auch den Wohnort wechselten und drei, etwas anderes machen kann. in Südeuropa anders? vier Jobs zugleich erledigten. Es ist gut

ARBEITSLOSIGKEIT IN DER SCHWEIZ IM 20. JAHRHUNDERT Arbeitslosenrate in % der erwerbstätigen Bevölkerung

6

Rezession/Immobilienkrise Nachkriegsdepression 5 Weltwirtschaftskrise

4

3

2

Ölkrise 1

0

1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz

30 — Bulletin N° 6 / 2012 Fotos: RDB; Hans Staub / Fotostiftung Schweiz / Keystone; Zu / Photopress-Archiv / Keystone; Martin Ruetschi / Keystone — Arbeitsmarkt — Männer ohne Job leiden mehr als Frauen möglich, dass diese komplizierteren Arrangements auch bei uns Einzug Arbeitslosigkeit kann für die Betro”enen schlimmere halten. Ein Vorteil dieser Multijob- lösung ist vermutlich der, dass man nicht Folgen haben als eine Scheidung. Welche Ereignisse so zum Fachidioten verkommen kann, nimmt der Mensch als besonders traumatisch wahr? der seine Fantasielosigkeit hinter Loya- lität, Beständigkeit und Präzision ver- Die Forschung gibt Antwort. stecken muss; der Nachteil allerdings ist, Von David Signer dass man nichts vertiefen und von einem Job zum anderen surfen muss. Was sind die schlimmsten Ereignisse im sung oft die ganze Familie in Mitleidenschaft. Oft wurde im Sorgenbarometer auch das Leben? Die traumatischen Schicksalsschläge, Die Untersuchungen des Ökonomen Bruno die einen fast zwangsläu¥g aus der Bahn S. Frey von der Universität Zürich zum Zu- Problem «Jugendarbeitslosigkeit» erwähnt. werfen, egal wie robust man veranlagt ist? sammenhang von Wirtschaft und (Un-)Glück Auch hier könnte man sagen, dass man Man muss kein Psychologe sein, um daraufzu- zeigen, dass bei der Arbeitslosigkeit erschwe- sich natürlich einen ehrenwerten, altruis- kommen: Der Verlust eines nahestehenden rend hinzukommt, dass sich der Betro”ene tischen Anstrich geben kann, wenn man Menschen, Krankheit oder Arbeitslosigkeit nicht daran gewöhnt. Im Gegenteil: Das sich als Erwachsener Sorgen darüber gehen an niemandem spurlos vorüber. Die Selbstbewusstsein wird umso mehr in Mitlei- macht, dass die Jugend nicht genug Arbeit amerikanischen Psychiater ¦omas Holmes denschaft gezogen, je länger die Arbeitslosig- hat. Aber es ist schon so, dass das die und Richard Rahe stellten 1967 eine Liste keit andauert. Das mindert dann wiederum die von 43 «Stressoren» auf, die seither immer Chancen bei der Jobsuche. Was Freys For- Jungen selber auch sehr beschäftigt. Vor wieder auch kulturvergleichend überprüft schungen ebenfalls zeigen: Stellenlose Männer allem die Lehrstellensuche. Oft werden und im grossen Ganzen bestätigt wurde. Die leiden mehr unter ihrer Situation als Frauen, Jugendliche dann nicht gerade arbeitslos, ersten Plätze nehmen folgende Ereignisse ein: die sich in dieser Zeit mehr dem sozialen oder aber müssen eine Lehre machen, die sie 1. Tod eines Ehegatten; 2. Scheidung; 3. Haft; häuslichen Umfeld widmen. Möglicherweise gar nicht interessiert, weil sie auf ihrem 4. Verlust eines Familienmitglieds; 5. Unfall de¥nieren Männer auch ihre Identität und Gebiet nichts fanden. Sie werden dann oder Krankheit; 6. Heirat; 7. Arbeitslosigkeit. ihren Wert nach wie vor stärker über den Beruf Coi”eur statt Automechaniker. Dass die Hochzeit als potenziell krankmachen- als Frauen. der Stressfaktor aufgeführt wird, mag erstau- Ein Jobverlust führt auch zum (teilweisen) nen, gilt sie doch vielen als «schönster Tag des Verlust des gewohnten sozialen Umfelds, das Letztes Jahr konnten nicht alle Lehrstellen Lebens». Aber gemäss den Forschungsergeb- normalerweise hilft, mit Stress fertigzu- besetzt werden in der Schweiz, und Lehr- nissen von Holmes und Rahe lösen eben nicht werden. Steigt die Arbeitslosenquote in einem linge aus dem Ausland kamen in die Schweiz. nur negative Ereignisse Stress aus, sondern Land, hat das einen etwas paradoxen E”ekt: Ist auch die Angst vor der Jugendarbeits- generell Situationen, die einen zu Umorientie- Die Nichtbetro”enen, also die (noch) Arbei- losigkeit zu einem Teil irrational? rung und Neuanpassung zwingen. Dazu tenden, werden wegen der unsicheren Perspek- Sowohl die Berufsausbildungen wie auch gehören eine neue Partnerschaft, aber auch tive ängstlicher und unzufriedener. Die beispielsweise Schwangerschaft, Geburt, Arbeitslosen selbst leiden jedoch weniger bei die Studienfächer haben sich enorm Stellenantritt, Beförderung, Hausbau oder einer hohen Quote, weil sie in ihrer Situation ausdi”erenziert. Das überfordert viele Firmengründung. Solche biogra¥schen Zäsu- weniger stigmatisiert werden. «Wenn viele Jugendliche. Es geht da um schwierige ren bergen immer auch Unsicherheit und Leute arbeitslos sind, ist der einzelne Arbeits- Entscheidungen, die man tre”en muss, Risiken. Der statistisch erhärtete Befund von lose von diesem Schicksal nicht allein betrof- ohne genau zu wissen, was kommen wird. Holmes und Rahe war, dass beim Eintreten fen. Seine Lebenszufriedenheit nimmt zwar Sie wissen ja nicht einmal, ob man sie eines oder mehrerer solcher einschneidender ab, aber nicht in demselben Umfang, wie wenn nach dem Diplom überhaupt noch Erlebnisse das Risiko einer Erkrankung nur er arbeitslos wäre», schreibt Frey in seinem massiv steigt. Was allerdings bei ihrer Liste Buch «Glück. Die Sicht der Ökonomie». In braucht. Denn wer weiss, wie der Arbeits- nicht berücksichtigt wird, ist die Tatsache, einem Land mit einer tiefen Arbeitslosigkeit wie markt in fünf Jahren aussieht? Ich habe dass Menschen unterschiedlich auf Ereignisse der Schweiz fühlt sich der Arbeitslose eher Ethnologie studiert und wurde schliess- reagieren. So kann eine Scheidung für jeman- marginalisiert als beispielsweise in Spanien. lich Psychoanalytiker. Aber heute wollen den, der stark unter einer unbefriedigenden Was bei Untersuchungen zu den Folgen von die Leute einerseits schon früh mit Ehe gelitten hat, auch eine Befreiung darstel- Krankheit und Unfall au”ällt: Körperliche Sicherheit wissen, wo sie etwas hinführt. len. Auch der jeweiligen Dauer des Stressors Probleme bedeuten Stress und machen dadurch Und andererseits schwinden diese Sicher- wird nicht Rechnung getragen. Zehn Jahre im – ein Teufelskreis – oft zusätzlich anfällig Zuchthaus zu sitzen ist nicht dasselbe wie eine für weitere Krankheiten. Allerdings gibt es heiten zunehmend wie Eis in der Sonne. dreitägige Haftstrafe. auch eine gute Nachricht: Bruno S. Frey stellte Beim Faktor «Arbeitslosigkeit» sind sich die in seinen Forschungen fest, dass sich die Forscher einig, dass er einen sehr negativen Menschen im Allgemeinen nach einem ersten Einšuss auf die Lebenszufriedenheit und Schock relativ rasch an körperliche Gebrechen, damit auch auf den Gesundheitszustand hat. zum Beispiel eine Lähmung infolge eines Manche Studien stellen bei Arbeitsplatzverlust Unfalls, gewöhnen. Anpassungen führen zwar sogar einen noch gravierenderen E”ekt fest als immer zu Stress, aber kein Lebewesen auf der bei einer Scheidung. Auch zieht eine Entlas- Welt ist dafür so gut gerüstet wie der Mensch.

Bulletin N° 6 / 2012 — 31 — Arbeitsmarkt —

Erwerbsquoten Espace Mittelland Nordwestschweiz Frauen Männer Jobs der Zukunft 171 699 101 426 86 416 86 063 63 361 94 211 72 096 69 795 55 227 44 516 Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt gibt es einen 139 997 103 216 93 589 71 116 66 670 70 076 70 125 68 465 38 418 54 174 68% 77% 91% 88% dominanten Trend: Neue Stellen entstehen in 1995 2008 1995 2008 verschiedenen Dienstleistungsbranchen. Bildungsniveau Beschäftigungsgrad Anteil der Personen mit Anteil Vollzeitbeschäftigter Von Andrea Schnell und Emilie Gachet Tertiärabschluss an den an Erwerbsbevölkerung Zentralschweiz 25- bis 64-Jährigen 57 341 55 560 36 282 35 478 33 675

Genferseeregion 43 835 48 748 22 043 38 356 34 031 «Tertiarisierung» nennen die Ökonomen 153 349 100 309 82 745 55 039 52 957 die Entwicklung, die in der Schweiz seit Langem vorherrscht: Der dritte Sektor 20% 35% 72% 65% 117 252 96 514 53 856 53 383 50 751 1995 2008 1995 2008 (Dienstleistungen) wächst, während der erste und zweite Sektor, also die Landwirt- Nordwest- schaft und die Industrie, schrumpfen. Be- Zürich sonders ausgeprägt und in allen Regionen schweiz Zürich 130 982 105 225 100 270 81 163 47 788 sind zwischen 1995 und 2008 die staatsna- hen administrativen und sozialen Dienste 100 011 107 124 64 748 63 577 54 835 im Gesundheits-, Sozial- und Unterrichts- wesen gewachsen. Zugelegt haben aber Espace Zentral- auch Unternehmensdienstleistungen wie Mittelland schweiz Beratung oder Architektur- und Ingeni- eurbüros. Traditionelle Industriebranchen wie Druck und Chemie sowie das Gastge- Ostschweiz Ostschweiz werbe nehmen an Bedeutung ab. Alle ver- 88 523 65 157 63 961 56 796 48 911 fügbaren Daten deuten darauf hin, dass dieser Strukturwandel auch die zukünfti- Genfer- Tessin Tessin ge Entwicklung auf dem Beschäftigungs- Schwarze Zahlen: beschäftigte Personen im Jahr 2008 30 627 25 73017 137 16 327 15 357 68 087 72 572 64 131 47 283 53 140 markt prägen wird. Insgesamt hatte die see- Graue Zahlen: region Schweiz 20 08 rund 3,4 Millionen Vollzeit- beschäftigte Personen im Jahr 1995 stellen (ohne Landwirtschaft), gut 300 000 25 641 21 79918 407 10 181 15 512 mehr als 1995. Aufschwung Abschwung weniger als ± 3% Gesamte Schweiz Administration und Handel und Unternehmens- Spitzen- Traditionelle Baugewerbe Unterhaltung Finanz- Verkehr, IT, In- Energie- Gesamte soziale Dienste Verkauf dienstleistungen industrie Industrie und dienst- Transport, formation, versor- Schweiz Gastgewerbe leistungen Post Kommuni- gung kation 2008 726 734 522 010 392 706 339 448 329 907 304 113 247 029 208 346 185 684 116 654 24 276

1995 564 901 510 001 267 524 306 596 373 888 323 489 250 552 185 696 190 326 83 004 24 697

3 396 914

3 080 679

Quelle: Bundesamt für Statistik / Credit Suisse Economic Research. Anzahl der Beschäftigten in Vollzeitäquivalenz. Aktuellste verfügbare Zahlen.

32 — Bulletin N° 6 / 2012 Infogra¥k: Ole Häntzschel — Arbeitsmarkt —

Erwerbsquoten Espace Mittelland Nordwestschweiz Frauen Männer 171 699 101 426 86 416 86 063 63 361 94 211 72 096 69 795 55 227 44 516

139 997 103 216 93 589 71 116 66 670 70 076 70 125 68 465 38 418 54 174

68% 77% 91% 88% 1995 2008 1995 2008

Bildungsniveau Beschäftigungsgrad Anteil der Personen mit Anteil Vollzeitbeschäftigter Tertiärabschluss an den an Erwerbsbevölkerung Zentralschweiz 25- bis 64-Jährigen 57 341 55 560 36 282 35 478 33 675

Genferseeregion 43 835 48 748 22 043 38 356 34 031 153 349 100 309 82 745 55 039 52 957

20% 35% 72% 65% 117 252 96 514 53 856 53 383 50 751 1995 2008 1995 2008

Nordwest- Zürich schweiz Zürich 130 982 105 225 100 270 81 163 47 788

100 011 107 124 64 748 63 577 54 835 Espace Zentral- Mittelland schweiz

Ostschweiz Ostschweiz 88 523 65 157 63 961 56 796 48 911

Schwarze Zahlen: Genfer- Tessin Tessin beschäftigte Personen im Jahr 2008 see- 30 627 25 73017 137 16 327 15 357 68 087 72 572 64 131 47 283 53 140 Graue Zahlen: region beschäftigte Personen im Jahr 1995 25 641 21 79918 407 10 181 15 512

Aufschwung Abschwung weniger als ± 3% Gesamte Schweiz Administration und Handel und Unternehmens- Spitzen- Traditionelle Baugewerbe Unterhaltung Finanz- Verkehr, IT, In- Energie- Gesamte soziale Dienste Verkauf dienstleistungen industrie Industrie und dienst- Transport, formation, versor- Schweiz Gastgewerbe leistungen Post Kommuni- gung kation 2008 726 734 522 010 392 706 339 448 329 907 304 113 247 029 208 346 185 684 116 654 24 276

1995 564 901 510 001 267 524 306 596 373 888 323 489 250 552 185 696 190 326 83 004 24 697

3 396 914

3 080 679

Quelle: Bundesamt für Statistik / Credit Suisse Economic Research. Anzahl der Beschäftigten in Vollzeitäquivalenz. Aktuellste verfügbare Zahlen.

Bulletin N° 6 / 2012 — 33 — Integration —

Warum wir hier sind Top ausgebildet, leistungsfähig, global einsetzbar: Sie sind auf der ganzen Welt gesucht, aber haben sich für die Schweiz entschieden. Sechs «Expats» über ihr Leben und was sie über Integration denken. Von Simon Brunner und Dan Cermak (Fotos)

WAS BRINGEN DIE ²EX PATS´ DER KARIM ELÄKOURY: Ich kam wegen der in Japan erlebt, sicher nie in den USA. Schweiz? Je nach Standpunkt scha”en sie Ausbildung und blieb wegen der Liebe. PERES: Stimmt. Ich habe zwar eine Vorlie- grossen ökonomischen Wert, verleihen der WOUTER NAESSENS: Zuvor lebten wir in be für das Prinzip der Eigenverantwor- Schweiz ein internationales Flair und Südafrika, aber dort ist es zu gefährlich, tung, muss aber zugeben: Die sozialen bringen einen «Brain Gain». Oder sie ver- Kinder grosszuziehen. Einrichtungen hier sind hervorragend. teuern die Mieten, nehmen Arbeitsplätze DENIS PERES: Nach dem MBA bekam ich Für eine Gesellschaft ist es fundamental, weg und bilden eine Parallelgesellschaft. ein gutes Jobangebot, also blieben wir. Es dass die unteren Bevölkerungsschichten Auch Bundesrätin Sommaruga be- war mehr Schicksal als Planung. einen gewissen Lebensstandard haben. schäftigen die «Expatriates» (Lateinisch: SLAVA RAYKOV: Ich bin nicht sicher, ob wir Armut macht die Gesellschaft kaputt. «ex» = aus; «patria» = Vaterland), wieder- überall auf der Welt arbeiten könnten. holt hat sie die schlechte Integration von Wir wollen Jobs in gewissen Industrien Liegt der grösste Anreiz nicht in den Ausländern mit hoher Bildung und guten und in gewissen Positionen – die gibt es pekuniären Vorteilen? Jobs angeprangert. Nun plant sie sogar ein in grosser Häufung in der Schweiz. In RAYKOV: Tiefe Steuern und hohe Löhne spezielles Integrationsprogramm für diese unserer MBA-Klasse waren über 40 sind ein zentraler Standortvorteil der Einwanderungsgruppe. Nationen vertreten. Heute lebt über die Schweiz – keine Frage! Aber wie denken eigentlich die «Ex- Hälfte in Deutschland, Grossbritannien, NAESSENS: Da bin ich nicht sicher. Ich hätte pats» über die Schweiz? Sechs ausländi- Holland und der Schweiz. in Belgien mindestens den gleichen sche Führungskräfte, die 2009 zusammen Lebensstandard. Die Dinge sind unglaub- einen MBA an der renommierten Wirt- Frau Roussell, Sie gehören zur Schicht der lich teuer hier. Ausserdem würde der schaftsschule IMD in Lausanne gemacht globalen Nomaden – was muss man sich Arbeitgeber viel mehr an die Versicherun- haben, diskutieren ihr Gastland. darunter vorstellen? gen bezahlen, und meine Familie könnte ROUSSELL: Ich bin ziemlich weit herumge- bei der Kinderbetreuung mithelfen. Sie könnten überall auf der Welt leben – kommen. Ich lebte in Boston, Vermont, warum in der Schweiz? Kyoto, Washington DC, Taipeh, Beijing, Was stört Sie am Leben in der Schweiz? CORALIE LERESCHE: Ich kam als Angestellte Wien, Berlin, wieder Washington DC. PERES: Die Preise sind hoch ... einer Investmentbank von Paris nach Danach pendelte ich eine Zeit lang ELÄKOURY: Nur Details. Meine Nachbarn Genf – der Wechsel war geplant als zwischen New York und London, dann sind echte «Curtain Twitcher» – sie Sprungbrett für einen späteren US- Paris, Lausanne, zurück in die USA, stehen hinter dem Vorhang und beobach- Transfer. Zu meinem Erstaunen stellte Beijing, Schanghai, Genf und jetzt Zürich. ten alles. ich fest, dass es mir besser ge¥el in Genf als in New York – wegen der Arbeits- Was zeichnet die Schweiz besonders aus? kultur, aber auch der Natur und den ROUSSELL: Der soziale Zusammenhalt. vielen Möglichkeiten rund um Genf. Den Leuten ist die Gemeinschaft wichtig. Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 JODIE ROUSSELL: Ich ¥nde die Natur auch Sie stimmen auch einmal gegen den grossartig. Die Schweiz ist wie eine eigenen Vorteil, zum Beispiel gegen bessere Version von Vermont in den USA, Steuersenkungen. Einen so starken 55bewerten % die Ausländerintegration wo ich herkomme. Gemeinschaftssinn habe ich eventuell als wichtiges politisches Ziel.

34 — Bulletin N° 6 / 2012 — Integration —

Coralie Leresche, 35 Französin, Investor Relations Manager bei Symbiotics, einem Mikro¥nanzinstitut, wohnt seit acht Jahren in Genf und Lausanne.

Wouter Naessens, 34 Belgier, Senior Financial Manager bei Kudelski, wohnt bei Lausanne.

Karim El-Koury, 33 Österreicher ägyptischen Ursprungs, Verkaufs- und Marketing-Manager bei einem Wasser¥lter- hersteller, wohnt seit 2009 mit Unterbrüchen in Lausanne.

Denis Peres, 36 Brasilianer, Vizepräsident bei O-I, dem Weltmarktführer in Glasverpackungen, seit vier Jahren in der Schweiz, lebt in einem Dorf bei Lausanne.

Slava Raykov, 31 Russe, M&A Manager bei Philip Morris, wohnt seit sieben Jahren an verschiedenen Orten am Genfersee.

Jodie Roussell, 33 Amerikanerin, Public- A”airs-Direktorin bei Trina Solar, einem führenden Photovoltaik- unternehmen, wohnt mit Unterbrüchen seit 2009 in Genf und Zürich.

Bulletin N° 6 / 2012 — 35 — Integration —

NAESSENS: Der Lohn meiner Frau šiesst spricht Französisch und verlangt Käse die kantonalen Unterschiede sind riesig. vollumfänglich in die Kinderbetreuung. zum Dessert. Unglaublich! Es war umständlicher, von Genf nach Ein zweites Kind werden wir uns hier ELÄKOURY: Ich šiege fast jedes Wochenende Zürich zu ziehen als von Schanghai nach nicht leisten können. weg, wie viele von uns. EasyJet ist in Genf. ROUSSELL: Eine Freundin bezahlt 4 000 Genf, die Flüge sind billig. Trotzdem bin LERESCHE: Ich mag Zürich und Genf sehr Franken pro Monat, damit sie lange ich sehr gerne hier, Lausanne ist fast so gern. Was ich nicht verstehe: Warum arbeiten und ihr Kind erst nach 19 Uhr in international wie London, wo ich acht gibt es so wenig Austausch innerhalb der Krippe abholen kann. Die Frauen in Jahre lebte. der Schweiz? Warum haben sich die der Schweiz sind gut ausgebildet, aber ROUSSELL: Bei mir ist es genau umgekehrt: Romands und die Deutschschweizer so die Infrastruktur fehlt, um Karriere und Ich bin unter der Woche meist weg – wenig zu sagen? Familie zu vereinen – dazu kommt eine die Wochenenden verbringe ich sehr gewisse Stigmatisierung von arbeitenden gerne hier. Wie beurteilen Sie die hiesige Arbeitskultur? Müttern. Singapur, das um die gleichen NAESSENS: Ich arbeite mit Schweizern – LERESCHE: Im Vergleich zu Paris sind die globalen Talente kämpft, hat da einen die Freizeit verbringe ich meist mit Aus- Leute viel geerdeter: Man geht mit dem grossen Vorteil. Eine Haushaltshilfe ländern. Ich ¥nde es schwierig, Schweizer Fahrrad ins Büro, arbeitet, nimmt einen kostet dort etwa 600 Dollar pro Monat. kennenzulernen, wir sind in keinem kurzen Lunch, geht nach Hause und Verein und am Wochenende oft weg. geniesst die Freizeit. In Paris muss man Generell, fühlen Sie sich willkommen in ROUSSELL: Verglichen mit asiatischen im Büro bleiben, bis der Chef geht, die der Schweiz? Grossstädten ist es nicht schwer, sich Lunches dauern ewig und der Umgang LERESCHE: Eigentlich schon, aber in Genf hier zu integrieren. Es gibt keine sozio- ist viel komplizierter. sind die Franzosen nicht sehr beliebt. Ich ökonomische Barriere zwischen den RAYKOV: Obwohl die Leute etwas weniger bin immer «La Française», ein Synonym «Expats» und dem «Mann auf der Stras- arbeiten als in Russland, sind sie eher für «arrogant». se». Du musst einen ersten Schweizer produktiver – alles ist super organisiert. PERES: Ich fühle mich sehr willkommen, Bekannten haben, dann ö”net er dir das Der grössere Unterschied liegt in der Art auch wenn mich zuweilen die «Stop Tor zu seinem Freundeskreis. der Arbeit. Hier sind internationale immigration»-Poster überraschen. Ich Hauptsitze ansässig, das bedeutet: mehr glaube, die meisten Ausländer helfen, Das Klischee der verschlossenen Schweizer Strategie, weniger Produktion. die Schweiz wirtschaftlich weiterzu- tri¡t für Sie nicht zu? bringen und die Wettbewerbsfähigkeit ROUSSELL: Nein. Ich verstehe aber, wenn Fühlen Sie sich zu Hause in der Schweiz? des Landes zu erhöhen – wir zahlen sich Schweizer fernhalten von «Expats» ELÄKOURY: Ich weiss nicht, was «zu Hause» hohe Steuern und unsere Firmen bringen – man will keine Freundschaft aufbauen ist. Mein Vater ist Ägypter, meine Mutter Arbeitsplätze ins Land. mit jemandem, der in zwei Jahren wieder Österreicherin. Ich bin in Wien aufge- RAYKOV: Ich glaube, unsere Kreise sind weg ist. wachsen, lebte lange in London, sehr willkommen hier. Die Schweiz hat Deutschland und der Schweiz. Überall aber einen Ausländeranteil von über Wie wichtig ist die Sprache? bin ich «der Ausländer». 20 Prozent und nicht alle sind so brav ROUSSELL: Ich habe noch an jedem Ort die LERESCHE: Ich muss zugeben, ich kenne wie wir. Ist doch klar, dass genau lokale Sprache gelernt. Es ist unhöšich, keinen Bundesrat mit Namen – aber ich geschaut wird, wen man hereinlässt. die Leute einfach auf Englisch anzuspre- fühle mich sehr zu Hause in Genf. An ROUSSELL: Es gibt eine Form von implizi- chen. Schweizerdeutsch ist aber eine keinem anderen Ort habe ich so lange tem Rassismus. Ein guter Freund ist echte Herausforderung. gelebt. Inder. Er konnte keine Wohnung ¥nden NAESSENS: In meinem Team hat es viele ROUSSELL: Ich würde gerne lange in Zürich – schliesslich landete er in der schlechtes- Schweizer, das «Blabla» geschieht auf bleiben, es gefällt mir sehr gut hier. ten Bleibe, in der er je gelebt hatte. Bald Englisch, das Wichtige wird auf Franzö- NAESSENS: Wir haben eben ein Haus zog er mit seiner Familie zurück nach sisch gesagt. Zum Glück verstehe ich es. gekauft, also werden wir noch ein paar Indien. Natürlich gibt es überall auf der Ich erkläre schwierige Dinge aber lieber Jahre in der Schweiz bleiben. Aber sind Welt eine gewisse Abneigung gegen auf Englisch – obwohl das auch nicht wir Teil der Schweizer Gesellschaft? Leute, die anders aussehen. Im Unter- meine Muttersprache ist. Nein. Unser Entscheid für ein «Expat»- schied zu den USA oder zu Neuseeland Leben geht klar auf Kosten des «Sichzu- de¥niert sich die Schweiz jedoch nicht als Die meisten «Expats» in der Schweiz leben hausefühlens». Einwanderungsland. Das spürt man. um den Arc lémanique oder in den Deutsch- schweizer Städten Zürich, Basel und Zug. Wie gut sind Sie selber integriert? Was sind die Unterschiede? PERES: Es fällt mir schwer, es einzuge- ROUSSELL: Die welsche Region scheint mir stehen, aber meine kleine Tochter internationaler. In der Deutschschweiz ist mehr Romande als Brasilianerin. Sie sollte man schon Deutsch sprechen. Und

36 — Bulletin N° 6 / 2012 — Swiss List —

Die Schweiz in Zahlen (2/4) Zehn Er¥ndungen

1. Der Kaiserschnitt (1500): Seine hochschwangere Frau ging dem Tod entgegen, da schnitt er ihr den Bauch auf und holte das Kind heraus – der erste erfolgreiche Kaiserschnitt der Geschichte. Die nötigen Fachkenntnisse hatte der ¦urgauer Jacob Nufer im Beruf erworben: Er war Schweinekastrator.

2. Die Logarithmentafel (1588): Der Toggenburger Uhrmacher Jost Bürgi war der Erste, doch sprach er kein Latein und konnte deshalb nicht publizieren. Als vermeintlicher «Er¥nder der Logarithmen» wurde deshalb später ein Engländer berühmt.

3. Der Comic (1827): Schnell waren sie sehr populär, die karikierend- skurrilen Bildergeschichten, die der Genfer Rodolphe Toep”er in den 1830er Jahren zu verö”entlichen begann. «Es ist wirklich zu toll! Es funkelt alles von Talent und Geist!», soll Goethe darüber gesagt haben.

4. Die Beutelsuppe (1884): Die allerersten Suppenmehle von Julius Maggi (auch Er¥nder der gleichnamigen Flüssigwürze) sollen noch etwas schwer verdaulich gewesen sein. Doch schon 1887 hatte er mehr als zwanzig verschiedene Fertigsuppen im Angebot.

5. Der Süssmost (1890): Hermann Müller-¦urgau ist vor allem für die Züchtung der gleichnamigen Rebsorte bekannt (in der Schweiz Riesling x Sylvaner genannt). Doch kam er auch als Erster auf die Idee, Obstsaft frisch ab Presse zu erhitzen und so die Mikroorganismen abzutöten. Zuvor hatte man nur sauren Most getrunken.

6. Die Alufolie (1912): Die Entwicklung ging, wie so oft, über mehrere Stufen. Patentieren liess die Aluminium-Endlosfolie, wie wir sie heute kennen, schliesslich der Scha”hauser Industrielle Robert Viktor Neher.

7. Das DDT (1942): Entdeckt hat die insektentötende Wirkung von DDT der Chemiker Paul Hermann Müller (Nobelpreis 1948) – vermark- tet hat es seine Firma, die J.R. Geigy. Trotz grosser Erfolge bei der Malariabekämpfung wurde DDT später in vielen Ländern verboten, weil es langfristig den Vögeln schadet.

8. Das Carsharing (1948): Die Schweiz hält gleich zwei Rekorde: Hier entstand kurz nach dem Krieg die erste Carsharing-Genossenschaft der Welt. Und nirgendwo gibt es so viele Autoteiler wie bei uns – anteils- mässig fünf- bis zehnmal so viel wie in den Nachbarländern.

9. Der Herzballon (1977): Der deutsche Kardiologe Andreas Roland Grüntzig war der Erste, der einem Patienten ein verengtes Herzgefäss erfolgreich mit einem Ballon dehnte – am 16. September 1977 am Kantonsspital Zürich.

10. Der Robidog (1981): Eine Er¥ndung, wie sie nur in der Schweiz gemacht werden konnte. Laut Hersteller «ein Behälter für die Abgabe von speziellen Säcken und für die Aufnahme von Exkrementen». Erfunden hat ihn der ¦uner Schreiner Joseph Rosenast.

Von Matthias Plüss, 1kilo (Illustration) Bulletin N° 6 / 2012 — 37 — Migration —

Warum Migranten für die Weltwirtschaft so wichtig sind Infolge der Wirtschaftskrise wird die Debatte über Vor- und Nachteile der Einwanderung zunehmend emotional geführt. Der Blick auf die Geschichte zeigt: Migranten haben die Grundlagen für die Entwicklung der Weltwirtschaft gelegt und sie fördern noch heute das Wachstum. Von Ian Goldin

I N PRAKTISCH ALLEN REICHEN Dynamik in Europa und Amerika sind mindest kann man sagen, dass die Ein- Ländern begegnet man Ressentiments Migranten unerlässlich. wanderung die Schweizer Wirtschaft gegen Einwanderer. Wirtschaftsmigran- In der Schweiz, einem der reichsten nicht daran gehindert hat, rasch zu wach- ten, die Sozialleistungen in Anspruch europäischen Länder, ist der Anteil aus- sen und trotz Wirtschaftskrise ihre Stabi- nehmen, steigende Mieten und knappe ländischer Arbeitskräfte besonders hoch. lität aufrechtzuerhalten. Es ist aber, allein Wohnungen durch zahlungskräftige Aus- 1,36 Millionen Ausländer arbeiten hier, so schon wirtschaftstheoretisch betrachtet, länder oder die zunehmende Konkurrenz viel wie noch nie. 28,5 Prozent aller in der mehr als plausibel anzunehmen, dass Im- auf dem Arbeitsmarkt durch hoch quali¥- Schweiz beschäftigten Personen haben migranten das Wachstum in jenen Län- zierte Zuwanderer – all das dient als Be- keinen Schweizer Pass. dern ankurbeln, wo sie willkommen ge- gründung für die Forderung nach Einwan- Blüht das Land, weil es Ausländer heissen werden. derungsbeschränkungen. aufnimmt, oder kommen Ausländer, weil Wenn unsere Gesellschaften aber die Schweiz so wohlhabend ist? Um her- Für mehr globale Migration sprechen vier weiterhin blühen, wenn Entwicklungslän- auszu¥nden, welchen Beitrag Migranten Gründe: der Armut bekämpfen und wirtschaftlich zum Wirtschaftswachstum tatsächlich 1 — Sie befördert Innovation und Dynamik. vorankommen wollen, ist Migration drin- leisten, müssen komplizierte ökonometri- 2 — Sie hilft Arbeitskräftemangel zu mil- gend erforderlich. Für die wirtschaftliche sche Berechnungen angestellt werden. Zu- dern.

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Zwischen 1860 und 1914 wanderten 400 000 Schweizer aus, in den USA gibt es 16 Orte namens «Lucerne» – hier ein «New Glarus» in Wisconsin.

3 — Sie ist eine Antwort auf die Herausfor- schaft akzeptieren muss, wenn sie die weit- den letzten 25 Jahren weltweit verdoppelt, derungen rasch alternder Gesellschaften. aus grösseren langfristigen Vorteile und sie wird sich bis 2030 noch einmal ver- 4 — Sie ist ein Ausweg aus Armut und geniessen will. Zu diesen Kosten gehören doppeln. Wirtschaftliche und politische Verfolgung. der Druck auf den Wohnungsmarkt und Krisen sowie Umweltprobleme sorgen da- das Schulsystem und die Herausforderun- für, dass Menschen ihre Heimat verlassen Einwanderungsbeschränkungen führen gen, die Migranten für eine kulturell ho- und anderswo Chancen und Sicherheit su- dagegen zu verlangsamtem Wirtschafts- mogene Gesellschaft oft darstellen. Alle chen. In einer zunehmend globalisier- wachstum und schwächen langfristig die diese Probleme müssen und können o”en Konkurrenzfähigkeit einer Volkswirt- diskutiert werden, dürfen aber nicht als schaft. Sie führen darüber hinaus zu einer Vor wand dienen, die Grenzen für Migran- weniger wohlhabenden, ungleicheren und ten dichtzumachen. Es muss Sorge ge- Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 gespaltenen Welt. tragen werden, dass Migranten als Teil Natürlich, steigende Zuwanderungs- der Gesellschaft mit allen Rechten und zahlen gehen, vor allem auf lokaler Ebene, Pšichten anerkannt werden. 77sehen in % der Einwanderung die gröss- mit höheren Kosten einher. Es sind aller- Trotz Widerstand in den Aufnahme- te Gefährdung der schweizerischen dings kurzfristige Kosten, die die Gesell- ländern hat sich die Zahl der Migranten in Identität.

Foto: Luca Zanetti / Laif / Keystone Bulletin N° 6 / 2012 — 39 — Migration —

ten Welt werden die individuellen Risi- Welt, leben heute ausserhalb ihrer Hei- Überdies ist Migration historisch das ken und Kosten von Migration weiter matländer. Sie sind die Waisenkinder der wirksamste Mittel im Kampf gegen Ar- sinken. Bevölkerungswachstum, geringe- internationalen Weltordnung. In meinem mut. Im Jahr 2010 betrugen die Geldüber- re Transportkosten, bessere Vernetzung Buch «Exceptional People»* lege ich dar, weisungen von Migranten über 440 Milli- und wachsende transnationale soziale und dass sie, unter dem Strich, für die Aufnah- arden Dollar, wobei mehr als zwei Drittel wirtschaftliche Netzwerke werden zu im- meländer von grossem Vorteil sind. Sie sind dieser Summe in Ent wick lungsländer šos- mer mehr Migration führen. Wenn dieser nicht nur ein dringend benötigtes Reser voir sen. In einigen kleineren Entwicklungs- Prozess sich entfalten kann, wird er welt- von Arbeitskräften, sondern tragen auch ländern machen Überweisungen mehr als weit Wachstum fördern und Armut ver- überproportional zu Innovation und Wohl- ein Drittel des BIP aus, in einigen grösse- ringern. Er verlangt jedoch gute Steue - stand bei. So fallen zum Beispiel in den ren Ländern betragen die Einnahmen über rung, damit die Vorteile genutzt werden USA mehr als die Hälfte der Patente und 50 Milliarden Dollar pro Jahr. In Latein- können und die Reaktion in den Aufnah- der jungen IT-Unternehmen auf Einwan- amerika und der Karibik kommen diese meländern nicht zu noch mehr Polarisie- derer. Sie entrichten auch mehr Steuern, als Transferleistungen mehr als 50 Millionen rung führt. sie an Sozialleistungen beziehen. Immig- Menschen zugute, in Afrika und Asien Zwar sind die Behinderungen im ranten nehmen in vielen Bereichen von sind es sogar noch mehr. grenzüberschreitenden Verkehr von Ka- Wissenschaft, Kultur und Innovation eine Reiche und arme Länder pro¥tieren pital, Waren und Dienstleistungen in den herausragende Stellung ein, obwohl sie nur also gleichermassen von Migration, Ent- letzten Jahrzehnten erheblich abgebaut rund zehn Prozent der Bevölkerung stellen. wicklungsländer aber ganz besonders. worden, aber die internationale Migra- Das ist kein Zufall, wie globale Studien Wird der Anteil ausländischer Arbeitneh- tion wird strikter kontrolliert denn je. Für über den Beitrag von Migranten zeigen. mer in den Industrieländern zwischen 2005 klassische Ökonomen wie John Stuart und 2025 um nur drei Prozent erhöht, so Mill waren derartige Einschränkungen Anzahl einheimische Beschäftigte sinkt dürfte das zu weltweiten Mehreinnahmen wirtschaftlich unsinnig und ethisch ver- Dank medizinischen Fortschritten ist die von 356 Milliarden Dollar führen, von de- weršich. Adam Smith wandte sich gegen Lebenserwartung in den entwickelten nen wiederum mehr als zwei Drittel in die alles, was «die freie Zirkulation der Ar- Ländern gestiegen, und aufgrund niedri- Entwicklungsländer fliessen. Eine kom- beitskraft von einer Beschäftigung zur ger Geburtenraten und des Endes des Ba- plette ֔nung der Grenzen ist politisch anderen» behinderte. bybooms nach dem Zweiten Weltkrieg zwar unrealistisch, aber sie könnte der Im 19. Jahrhundert führte das Auf- wird die Zahl der einheimischen Beschäf- Weltwirtschaft innerhalb von 25 Jahren kommen von Dampfschi”en und anderen tigten in den nächsten Jahren weiter sin- Mehreinnahmen in Höhe von 39 Billionen Verkehrsmitteln dazu, dass ein Drittel der ken. Die Bevölkerungen werden immer Dollar bescheren. Bevölkerung von Skandinavien, Irland älter, und die Geburtenrate sinkt, sodass Einšussreiche Länder wehren sich und Teilen Italiens emigrierte. Zwischen mehr Zuwanderung unerlässlich ist, um heutzutage gegen eine Reform der Ein- 1850 und 1914 wanderten auch ungefähr die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit wanderungsgesetze und die Einrichtung 400 000 Schweizer aus. Auf dem amerika- aufrechtzuerhalten und das Rentensystem einer global agierenden Migrationsorgani- nischen Kontinent wurden Schweizer Ko- und das Gesundheitswesen zu ¥nanzieren. sation. Mehr Migration und besser funk- lonien gegründet, die oft auf die Namen der Die Auswirkungen des Rückgangs tionierende Migration sind jedoch in unser Heimatorte von Emigranten getauft wur- der Erwerbsbevölkerung werden durch das aller Interesse. Und die ö”entliche Debatte den. Allein in den USA gibt es 16 Städte steigende Bildungsniveau in den Industrie- darüber ist zu wichtig, als dass man sie den und Dörfer, die den Namen «Lucerne» tra- ländern noch verschärft. Immer weniger Politikern überlassen dürfte. gen. Millionen Europäern bot die Emigra- Personen werden für Jobs im Niedriglohn- tion die Chance, sich von Armut und Un- sektor, im Handel oder im Baugewerbe zur terdrückung zu befreien, und sie förderte Verfügung stehen. In den OECD-Län- die Entwicklung in den USA, in Grossbri- dern wird der Anteil der Beschäftigten mit tannien und verschiedenen Kolonien. Hochschulabschluss zwischen 2005 und Der Aufstieg des Nationalismus vor 2025 um etwa 35 Prozent steigen. Mit dem Ersten Weltkrieg resultierte schliess- wachsendem Bildungsniveau steigen auch lich in der Einführung von Pässen und die Ansprüche an den Arbeitsplatz. strengen Kontrollen für den grenzüber- Für die Ursprungsländer bedeutet Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. schreitenden Personenverkehr. Hundert Migration oft einen Braindrain. Gleich- Jahre später wird die Mobilität so strikt wohl leisten Migranten einen wichtigen Ian Goldin ist Direktor der Oxford Martin School wie nie zuvor eingeschränkt, trotz des Ab- Beitrag für ihre Heimatländer. Taiwan und Fellow am Balliol College der Universität Oxford. Vorher war er Vizepräsident der Weltbank baus von Schranken für Handel, Kapital und Israel sind gute Beispiele für die Rolle, (2003 – 2006). und Informationen. die die Diaspora in Form von politischer * «Exceptional People. How Migration Shaped Our Ungefähr 200 Millionen Menschen, Unterstützung, Investitionstätigkeit und World and Will De¥ne Our Future» (Princeton etwa drei Prozent der Bevölkerung der Technologietransfer spielt. University Press, 2011), ISBN: 978-0691156316

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Geschlossene Grenzen sind etwas Absurdes – schrankenlose Migration aber auch Essay von Beat Kappeler

Das richtige Mass zwischen Abschottung und o”enen Grenzen rer Länder, von deren Arbeitswilligkeit unter tieferen Ansätzen kann man nicht de¥nieren, es hängt von den Umständen ab. So zu pro¥tieren. Das hemmt die Wanderung Unquali¥zierter. Es liess das 19. Jahrhundert in Europa und ganz Amerika Wande- hindert Europa aber auch, mit der Beimischung günstigerer Ar- rungen ohne Pässe zu. Doch nach dem Ersten Weltkrieg de¥nier- beitskräfte im Weltmarkt kompetitiv aufzutreten. ten sich 1918 alle Staaten und Nachfolgestaaten als «Nationen», mgekehrt bringt es den Gastländern ökonomische Ge- idealerweise mit einheitlichem Staatsvolk, mit Territorium, Spra- winne, wenn quali¥zierte Arbeitsk räfte zuwandern (und che, Kultur, Staat und Führung. Die Grenzen gingen zu, Migra- den Herkunftsländern vielleicht Verluste). Diese Ar- tion wurde die Ausnahme. Ubeitskräfte sind mobil in alle Richtungen. Sie wandern für einen ie westeuropäische Einigung nach 1945 durch EFTA, Abschnitt der Arbeitsbiogra¥e, nicht für immer, wie seinerzeit EU, Menschenrechtserklärungen, Hochschulfreizügig- die kulturell und karrieremässig wenig mobilen Billigkräfte. Sie keit, Währungskonvertibilität erleichterte dann Schritt füllen fehlende Kapazitäten, entfesseln so die Produktivität auch um Schritt die Migration der Europäer. Die Schweiz, wie die der andern. meistenD nordeuropäischen Staaten, zog Massen billiger Arbeits- ((Ausländeranteil CH)) kräfte aus dem wirtschaftlich erfolglosen Südeuropa an. Im Falle IMMIGRATION IN DIE SCHWEIZ der Schweiz enthüllte die Frankenaufwertung 1973 – 75, dass Anteil der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung an der Gesamtbevölkerung

300 000 solcher Arbeitsplätze nur der vorherigen Unterbewertung 9 zuzuschreiben waren und dann fast innert Jahresfrist abgebaut 8 wurden. Es hatte Bekleidungs- und Textilfabriken gegeben, die 7 6 mit 100 Prozent importierten Materialien und 100 Prozent zuge- 5 wanderten Arbeitskräften zu 100 Prozent für den Export produ- 4 3 ziert hatten. Diese Fabriken wären gescheiter in Anatolien oder 2 Sizilien gestanden. 1 Die Freizügigkeit des europäischen Binnenmarktes nach 1992 0 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 brachte schliesslich eine neue Art der Migration. Einerseits achtet Quelle: Bundesamt für Migration BFM nun jedes Land auf die Arbeits- und Lohnbedingungen, welche Deutschland Italien Spanien Türkei Serbien (ab 1999) den einheimischen Normen entsprechen müssen. Andererseits Frankreich Österreich Portugal Übrige Jugoslawien (bis 1999) wandern fast nur noch sehr quali¥zierte Arbeitskräfte. Und die Bereits um 1900 lebten mehr als zehn Prozent Ausländer in der Schweiz – seit 2003 Verkehrsmittel aus der ganzen Welt sind derart günstig gewor- sind es über 20 Prozent. den, dass schlechte politische und wirtschaftliche Verhältnisse nun innert Stunden durch Wanderung quasi austauschbar wer- Doch die Transfersysteme werfen Probleme auf. Insbesondere die den. Damit aber strömen schwer zu unterscheidende Schutz - im internationalen Vergleich grosszügige Sozialhilfe, die keine suchende oder Arbeitsuchende nach Europa. Beiträge erhebt und kein geschlossener «Club» ist, zieht Zuwan- Nun haben alle europäischen Staaten teure Transfersysteme ein- derer an. In Europa gilt die Freizügigkeit daher nur für Arbeiten- gerichtet für Krankheit, Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Kin- de oder Rentiers, nicht für aussereuropäische Zuwanderer. derkosten, wo sich die Einwohner mit ihren Beiträgen die An- ies ist sinnvoll. Denn der europäische Binnenmarkt und rechte einkaufen. Überall auch wird die Welthandelsordnung sehen den freien Austausch jenen, die zwischen diese Netze fal- von Gütern, Kapital und Dienstleistungen vor. Es ist len, eine «menschenwürdige Exis- Dgescheiter, Güter wandern als Menschenmassen. Rechtssicher- tenz» garantiert (so die Verfassung der heit und demokratische Emanzipation verbreiten sich in Asien, Schweiz seit 2000) – also nicht nur Lateinamerika und neuerdings Afrika, sodass die Welt überall Mindestkalorien, sondern «kulturelle «a better place» wird und Wanderungen aus Not aufhören. Dazu Teilhabe». sollen die reichen Länder an Ort und Stelle beistehen. Dies alles hat natürlich Folgen. Die Wohlmeinende, welche die Weltprobleme mit lascher Zuwande- nationalen Arbeitsstandards untersa- rung regeln wollen, ruinieren nur die hiesigen Sozialsysteme. Und gen den Arbeitenden ärmerer europä- diese Zuwanderer werden eine Unterschicht wie vor 1975. Dies ischer Länder und den Firmen reiche- alles dient niemandem.

Beat Kappeler ist Kommentator der «NZZ am Sonntag» und Buchautor, zuletzt: «Wie die Schweizer Wirtschaft tickt», NZZ-Verlag.

Illustration: Gefe Bulletin N° 6 / 2012 — 41 Camfed International ist als wohltaetige Organisation anerkannt, eingetragen in Grossbritannien unter der Nummer 1029161, und in den USA offiziell als Stiftung mit steuerbefreiendem Status 501 (c)(3) registriert.

First Name Last Name Country - - Winfrida Msuya TAN 2365 - Ruth Chibamba ZAM 2539 - Mwanaisha Amanzi TAN 2713 - Lawrence Gore ZIM 2884 - Tatu Makenga TAN 3050 - Furaha Chanzi TAN 2193 - Moyo Andile ZIM 2366 - Farida Makela TAN 2540 - Rachael Mulenga ZAM 2714 - Angella Masanga ZIM 2885 - Simela Sandra ZIM 3051 - Bonani Dube ZIM 2194 - Manyando Makumba ZAM 2367 - Memory Kunda ZAM 2541 - Lenia Matenga ZIM 2715 - Fanista Myungile TAN 2886 - Mucezi Masiye ZAM 3052 - Precious Kapambwe ZAM 2195 - Hildah Mukuku ZAM 2368 - Beauty Muyunda ZAM 2542 - Amuria Napari GHA 2716 - Ester Kaira ZAM 2887 - Debora Msabila TAN 3053 - Jubilee Garikai ZIM 2196 - Liceli Mufanda ZAM 2369 - Maria Kalinga TAN 2543 - Alice Nachela ZAM 2717 - Martha Musisinyani ZIM 2888 - Sikhululekile Moyo ZIM 3054 - Advey Mgaya TAN 2197 - Faraja Konzi TAN 2370 - Caster Chikokere ZIM 2544 - Sylvia Ngulube ZAM 2718 - Rabecca Mutambo ZAM 2889 - Lusinde Kumaiba ZAM 3055 - Kasoma Chama ZAM 2198 - Naomi Mumba ZAM 2371 - Moshi Kayuwanga TAN 2545 - Sinikiwe Sibanda ZIM 2719 - Charity Mwembwa ZAM 2890 - Tatenda Moyo ZIM 3056 - Margaret Kangwa ZAM 2199 - Saphira Sankwe ZAM 2372 - Zenabu Mahamah GHA 2546 - Zondani Sibanda ZIM 2720 - Sepiso Musiyebo ZAM 2891 - Prundence Chileshe ZAM 3057 - Faith Sniff ZIM 2200 - Lorren Raundi ZIM 2373 - Nhare Fungai ZIM 2547 - Sara Nakawala ZAM 2721 - Jemimah Namumba ZAM 2892 - Odilly Kaluba ZAM 3058 - Deophister Chiluba ZAM 2201 - Chiti Mwamba ZAM 2374 - Emmeldah Chisenga ZAM 2548 - Trish Dendamera ZIM 2722 - Sibonginkosi Ncube ZIM 2893 - Marian Mukosa ZAM 3059 - Nalukui Libaka ZAM 2202 - Blantina Mbalase TAN 2375 - Situmbeko Naluca ZAM 2549 - Happiness Mutale ZIM 2723 - Adija Issahaku GHA 2894 - Veronica Chisauka ZIM 3060 - Mohammed Hamdia GHA 2203 - Namataa Sitwala ZAM 2376 - Martha Lyambo TAN 2550 - Delphister Lushinga ZAM 2724 - Mary Kisawike TAN 2895 - Nyambe Nawa ZAM 3061 - Naomi Mwila ZAM 2204 - Duachi Moazu GHA 2377 - Pascalina Mwaba ZAM 2551 - Tatu Sanga TAN 2725 - Zikhumba Tendai ZIM 2896 - Mpande Chameya ZAM 3062 - Pumulo Ikwendo ZAM 2205 - Polite Chidawanyika ZIM 2378 - Buchedo Munkuli ZIM 2552 - Madzinise Precious ZIM 2726 - Shorai Chipazaure ZIM 2897 - Priscilla Mudenda ZIM 3063 - Mwansa ZAM 2206 - Rebecca Mhimba TAN 2379 - Change Nancy ZIM 2553 - Victoria Chanda ZAM 2727 - Ireen Mwansa ZAM 2898 - Kajatu Mugala ZAM 3064 - Mildred Machokoto ZIM 2207 - Eunice Marako ZIM 2380 - Margret Gunika ZIM 2554 - Mirriam Nawelwa ZAM 2728 - Mwangala Imbuwa ZAM 2899 - Tumaini Chahe TAN 3065 - Restuta Njelekela TAN 2208 - Mable Mukombi ZAM 2381 - Tumusa Namatama ZAM 2555 - Astridah Chimfwembe ZAM 2729 - Gladys Mulenga ZAM 2900 - Ruth Kondo ZIM 3066 - Mubita Sitali ZAM 2209 - Lucy Namwinga ZAM 2382 - Alleta Tshuma ZIM 2556 - Ayisha Iddrisu GHA 2730 - Njekwa Butale ZAM 2901 - Harmony Shirichena ZIM 3067 - Josephine Chikanyira ZIM 2210 - Bisesa Mwayo ZAM 2383 - Mercy Chate ZAM 2557 - Mwango Mwale ZAM 2731 - Shuvai Dzinda ZIM 2902 - Esnart Chewe ZAM 3068 - Nemakando Kapokola ZAM 2211 - Chita Mabuku ZAM 2384 - 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Mandelena Hanchabila ZAM 3075 - Shupikai Chibvongodze ZIM 2218 - Karimu Nafisa GHA 2391 - Reliance Ncube ZIM 2565 - Annie Nawila ZAM 2739 - Karimu Margret GHA 2910 - Dorothy Mhepo ZIM 3076 - Alice Chola ZAM 2219 - Rudo Mutendereki ZIM 2392 - Sheba Nanyangwe ZAM 2566 - Thester Namfukwe ZAM 2740 - Juliet Chanda ZAM 2911 - Christerbell Mwamba ZAM 3077 - Libya Tshuma ZIM 2220 - Liywalii Mwenda ZAM 2393 - Carol Mwandu ZAM 2567 - Precious Mwila ZAM 2741 - Rosemary Kaoma ZAM 2912 - Precious Mumba ZAM 3078 - Jacquiline Mwansa ZAM 2221 - Ntumba Bilumba ZAM 2394 - Martha Chikaka ZIM 2568 - Arahanatu Mahama GHA 2742 - Suraya Seidu GHA 2913 - Juliet Nambeye ZAM 3079 - Hellen Chingongo ZAM 2222 - Netsai Makuvarara ZIM 2395 - Elina Mlongwa TAN 2569 - Nandila Songiso ZAM 2743 - Monica Mvula TAN 2914 - Eunice Kalobwe ZAM 3080 - Prudence Namuko ZAM 2223 - Mwaanga Nalukui ZAM 2396 - Miniva Katwishi ZAM 2570 - Lwanzo Muleya ZIM 2744 - Mercy Mabuku ZAM 2915 - Kalumbu Bupe ZAM 3081 - Ignasia Ndunguru TAN 2224 - Given Kasongo ZAM 2397 - Pamela Nachinga ZAM 2571 - Merinda Mwelwa ZAM 2745 - Sikutambua Kasenega TAN 2916 - Mutangu Mubiana ZAM 3082 - Memory Kaipambe ZAM 2225 - Eunice Chabala ZAM 2398 - Monde Liwena ZAM 2572 - Sitegemei Njalang’ona TAN 2746 - Shorai Mawire ZIM 2917 - Mercy Nambeye ZAM 3083 - Hildah Mofya ZAM 2226 - Farasi Mutami ZIM 2399 - Advei Mgaya TAN 2573 - Grace Zibengwa ZIM 2747 - Gift Chipemba ZAM 2918 - Bridget Kufawatama ZIM 3084 - Sharon Namukwasa ZAM 2227 - Atogo Paulina GHA 2400 - Paidamoyo Chikumbirike ZIM 2574 - Fairuzi Mkini TAN 2748 - Marvis Musonda ZAM 2919 - Anna Mukunza ZIM 3085 - Maggie Mubita ZAM 2228 - Matildah Bwalya ZAM 2401 - Maureen Mulubwa ZAM 2575 - Patricia Mlambo ZIM 2749 - Cathreen Mbulo ZAM 2920 - Harriet Nagogo ZAM 3086 - Persistence Bazela ZIM 2229 - Norah Chilufya ZAM 2402 - Cathreen Mumba ZAM 2576 - Akida Kavindi TAN 2750 - Seidu Amina GHA 2921 - Bukari Natu GHA 3087 - Memonse Masiya ZIM 2230 - Bwalya Malama ZAM 2403 - Likezo Miliko ZAM 2577 - Agathar Chanda ZAM 2751 - Esther Mwansa ZAM 2922 - Munyira Mercy ZIM 3088 - AgnessInvestieren Kabanda ZAM 2231 - Georgina Kanbil GHA 2404 - Blessed Ncube ZIM 2578 - Ibrahim Barichisu GHA 2752 - Agness Chibelushi ZAM 2923 - Elicy Migodela TAN 3089 - Muzibe Liwakala ZAM 2232 - Umi Msombe TAN 2405 - Melina Kanzugala TAN 2579 - Kafingwa Petronela ZIM 2753 - Given Kalaba ZAM 2924 - Beatrice Bwalya ZAM 3090 - Monde Matomola ZAM 2233 - Gladys Chewe ZAM 2406 - Alice Nyimbili ZAM 2580 - Sikudhani Kayoka TAN 2754 - Abu Sawana GHA 2925 - Memory Chanda ZAM 3091 - Lucy Kaovela TAN 2234 - Iteni Mwalafi TAN 2407 - Tinarwo Melody ZIM 2581 - Christabel Suzyo ZAM 2755 - Mwansa Chalwe ZAM 2926 - Namebo Malindi ZAM 3092 - Nakweti Pumulo ZAM 2235 - Bertha Bwalya ZAM 2408 - Muyunda Mulala ZAM 2582 - Brenda Mavuyu ZIM 2756 - Muyangwa Etambuyu ZAM 2927 - Agnes Kisage TAN 3093 - Sibesanu Tembo ZAM 2236 - Fadzai Mpofu ZIM 2409 - Gowera Fortunate ZIM 2583 - Inambao Nasilele ZAM 2757 - Blessings Dube ZIM 2929 - Manyingidira Previous ZIM 3094 - Gracious Chipman ZAM 2237 - Evelyn Chipulu ZAM 2410 - Memory Kunda ZAM 2584 - Mundia Meamui ZAM 2758 - Nzila Mulwazi ZAM 2930 - Monica Mlambo ZIM 3095 - Marvis Chanda ZAM 2238 - Matehwe Dorcus ZIM 2411 - Namenda Nandui ZAM 2585 - Lucy Ngwila ZAM 2759 - Hildah Ngulube ZAM 2931 - Chido Kunguma ZIM 3096 - Kaywala likando ZAM 2239 - Jeska Munyi TAN 2412 - Dyness Namukonda ZAM 2586 - Shaness Munkuli ZIM 2760 - Mangolwa Mwangala ZAM 2932 - Patience Machisani ZIM 3097 - Nyuni Yvonne ZIM 2240 - Safia Mumuni GHA 2413 - Ingonge Lubinda ZAM 2587 - Memory Mumba ZAM 2761 - Chiwaza Banda ZAM 2933 - Libakenu Namatama ZAM 3098 - Vida Kasenegela TAN 2241 - Yuna Mgongo TAN 2414 - Ela Singo ZIM 2588 - Monde Mubonda ZAM 2762 - Sabuni Abdallah TAN 2934 - Charity Mugala ZAM 3099 - Ruth Kanyumbu ZAM 2242 - Ntombozodwa Chaya ZIM 2415 - Maureen Mwila ZAM 2589 - Rahab Nachalwe ZAM 2763 - Nalishebo Mushokabanji ZAM 2935 - Beatrice Chavaligunu TAN 3100 - Faith Nikule ZIM 2243 - Suja Kikoti TAN 2416 - Nawa Muyombo ZAM 2590 - Afia Zakaria GHA 2764 - Elina Nalombe ZAM 2936 - Hadija Kitoki TAN 3101 - Sophie Chikonde ZAM 2244 - Mubita Inutu ZAM 2417 - Amina Shabani TAN 2591 - Kabika Sikwaiketo ZAM 2765 - Josephine Ponga ZAM 2937 - Nessy Chikonde ZAM 3102 - PhillipaSie Gangazha ZIM 2245 - Muwaneyiin Limongano ZAM die 2418 - Mulonda Mwananyanda ZAM 2592 - Salamatu Fuseini GHA 2766 - Mhlanga Bridget ZIM 2938 - Levania Malinga TAN 3103 - Namabunga Ngebe ZAM 2246 - Rafiatu Bawa GHA 2419 - Helena Kisumbe TAN 2593 - Sithabile Chilembwe ZIM 2767 - Kanisia Miopelo TAN 2939 - Memory Singogo ZAM 3104 - Alice Banda ZAM 2247 - Pendu Pamela ZIM 2420 - Atia Azumah GHA 2594 - Caroline Munkuli ZIM 2768 - Shyleen Masendu ZIM 2940 - Chitani Ndlovu ZIM 3105 - Andaratu Mahamadu GHA 2248 - Oparine Kalunga ZAM 2421 - Chewe Lwamba ZAM 2595 - Mary Mushibwe ZAM 2769 - Tryline Mudzira ZIM 2941 - Ireen Mwelwa ZAM 3106 - Tendai Chuma ZIM 2249 - Musileti Ngonya ZAM 2422 - Riziki Luhasi TAN 2596 - Brendah Katutule ZAM 2770 - Eugenia Ndlovu ZIM 2942 - Kalaka Mumba ZAM 3107 - Tendai Chibuda ZIM 2250 - Jali Adam GHA 2423 - Moreblessing Rusike ZIM 2597 - Mugbat Suuk GHA 2771 - Justinah Mulumbi ZAM 2943 - Habiba Jabiri TAN 3108 - Harriet Nawelwa ZAM 2251 - Regina Bwalya ZAM 2424 - Esther Matutu ZIM 2598 - Edith Kakomba ZAM 2772 - Duukper Mijatic GHA 2944 - Tadzembwa Philis ZIM 3109 - Ketrina Nkandu ZAM 2252 - Doris Kiyeyeu TAN 2425 - Advera Lupembe TAN 2599 - Mishenyi Mwakamui ZAM 2773 - Sitshiva Muchenje ZIM 2945 - Rusia Mwoneka TAN 3110 - Ruth Phiri ZAM 2253 - Muyangana Lyangeliso ZAM 2426 - Shylet Muchapawana ZIM 2600 - Merit Zhou ZIM 2774 - Natubi Mushabati ZAM 2946 - Kasonta Chanda ZAM 3111 - Christerbell Chipulu ZAM 2254 - Mashule Manki ZAM 2427 - Muchimba Akapelwa ZAM 2601 - Getrude Mwaba ZAM 2775 - Agnes Msipa ZIM 2947 - Domina Nyalusi TAN 3112 - Gift Mwape ZAM 2255 - Kangwa Clara ZAM 2428 - Amama Issah GHA 2602 - Butete Kakoma ZAM 2776 - Rodah Kanyika ZAM 2948 - Rose Chacha ZIM 3113 - Munkombwe Masupa ZAM 2256 - Emmeldah Mwamba ZAM 2429 - Chengetai Nyamukuka ZIM 2603 - Doroth Hogora TAN 2777 - Mwajuma Bwanga TAN 2949 - Memory Lubinda ZAM 3114 - Sophia Nalwamba ZAM 2257 - Blessed Mukanyanyi ZIM 2430 - Gift Namuchimba ZAM 2604 - Sandra Navile ZAM 2778 - Josephine Mutale ZAM 2950 - Devota Mwenda TAN 3115 - AnnettyZukunftsentwicklung Mulubwa ZAM 2258 - Chileshe Phiri ZAM 2431 - Florence Mutsina ZIM 2605 - Munalula Mwenda ZAM 2779 - Issaka Sanatu GHA 2951 - Sara Banda ZAM 3116 - Given Kalaba ZAM 2259 - Ailet Zingani ZIM 2432 - Polite Gadzani ZIM 2606 - Paulina Ayileoh GHA 2780 - Zalia Adam GHA 2952 - Thandanani Mhlanga ZIM 3117 - Esta Manase TAN 2260 - Benadette Kunda ZAM 2433 - Sikhulile Hlabangani ZIM 2607 - Priviledge Muumbe ZIM 2781 - Elizabeth Bazange ZIM 2953 - Eurita Mangisi ZIM 3118 - Pamela Muchinga ZAM 2261 - Hazel Ncube ZIM 2434 - Precious Gumbo ZIM 2608 - Bridget Mukuka ZAM 2782 - Hildah Mwasinga ZAM 2954 - Matrida Kasege TAN 3119 - Polite Dube ZIM 2262 - Svodai Maposa ZIM 2435 - Lwiza Sunga ZAM 2609 - Constance Mbilima ZAM 2783 - Yvonne Mudukuti ZIM 2955 - Ruth Mwila ZAM 3120 - Catherine Lukaki ZAM 2263 - Cecilia Mnyariwa ZIM 2436 - Abigail Chishala ZAM 2610 - Naney Bwlaya ZAM 2784 - Aneti Myinga TAN 2956 - Expelansia Tula TAN 3121 - Kumaiba Situmbo ZAM 2264 - Tia Salamatu GHA 2437 - Gracious Chilekwa ZAM 2611 - Emah Mandere ZIM 2785 - Queeniva Chanda ZAM 2957 - Chinyanga Tariro ZIM 3122 - Priscilla Kolala ZAM 2265 - Musenge Kwiya ZAM 2438 - Ndlovu Victoria ZIM 2612 - Gladys Bwalya ZAM 2786 - Iddi Safiatu GHA 2958 - Monica Mwinuka TAN 3123 - Hellen Chanda ZAM 2266 - Salama Saga TAN 2439 - Monica Masimbira ZIM 2613 - Maan Janet GHA 2787 - Racheal Namukoko ZAM 2959 - Mashame Chipo ZIM 3124 - Mary Nakawala ZAM 2267 - Winfridah Bwalya ZAM 2440 - Mutsokonori Noreen ZIM 2614 - Julien Mwandila ZAM 2788 - Sarah Nanyinza ZAM 2960 - Havijawa Sengo TAN 3125 - Zainabu Mpegusa TAN 2269 - Memory Katemo ZAM 2441 - Bentula Msamba TAN 2615 - Diness Malama ZAM 2789 - Patricia Mungole ZAM 2961 - Roida Mvanda TAN 3126 - Mwangala Mafenyeho ZAM 2270 - Silvia Mumba ZAM 2442 - Elizabeth Kihoo TAN 2616 - Mulomba Misozi ZAM 2790 - Mundia Kombelwa ZAM 2962 - Easther Musonda ZAM 3127 - Nyasha Nzira ZIM 2271 - Leona Chitsapi ZIM 2443 - Zawadi Temba TAN 2617 - Kanyata Namangolwa ZAM 2791 - Ethel Mwansa ZAM 2963 - Oliva Mgimwa TAN 3128 - IvwananjiAfrikas. Nanyinja ZAM 2272 - Nasra Kasunga TAN 2444 - Senelisiwe Sibanda ZIM 2618 - Aziza Mkinga TAN 2792 - Dina Nankamba ZAM 2964 - Abia Mgoli TAN 3129 - Muchini Abigail ZIM 2273 - Recheal Bwalya ZAM 2445 - Wamundia Nkamba ZAM 2619 - Haruna Ayi GHA 2793 - Farida Kiswila TAN 2965 - Mebho Muzavazi ZIM 3130 - Ntombizodwa mabhena ZIM 2274 - Mwiya Seke ZAM 2446 - Shylet Kaura ZIM 2620 - Juliet Nawelwa ZAM 2794 - Samantha Mwariwangu ZIM 2966 - Sharifa Muhenga TAN 3131 - Isabela Ngongo TAN 2275 - Ndumbazye Ncube ZIM 2447 - Sela Kiyeyeu TAN 2621 - Hyveen Chanda ZAM 2795 - Chabala Kasongo ZAM 2967 - Mary Nakamba ZAM 3132 - Nevisy Lihaya TAN 2276 - Ncube Patricia ZIM 2448 - Sikujua Kalolo TAN 2622 - Sophia Machona ZAM 2796 - Musah Habida GHA 2968 - Maria Mayemba TAN 3133 - Umba Kaputungu ZAM 2277 - Fozia Musah GHA 2449 - Ziena Ngetwa TAN 2623 - Harriet Chiluba ZAM 2797 - Lenia John TAN 2969 - Euphresia Nyumbu ZAM 3134 - Sara Yuma ZAM 2278 - Mwelwa Manyando ZAM 2450 - Thelma Mupunga ZIM 2624 - Patricia Mofya ZAM 2798 - Jesca Kasosa ZIM 2970 - Mercy Dendera ZIM 3135 - Tamari Chuma ZIM 2279 - Nancy Lengwe ZAM 2451 - Maggie Lusambo ZAM 2625 - Grace Mukuka ZAM 2799 - Roiya Mboga TAN 2971 - Patience Ncube ZIM 3136 - Chola Mwenso ZAM 2280 - Mercy Mlambo ZIM 2452 - Christina Kapinga TAN 2626 - Patricia Mwango ZAM 2800 - Yvonne Chitanha ZIM 2972 - Portia Dube ZIM 3137 - Doreen Chikumba ZAM 2281 - Charity Chihando ZIM 2453 - Safia Sulemana GHA 2628 - Mahamadu Rahinatu GHA 2801 - Petronella Mpundu ZAM 2973 - Mwale Mutemwa ZAM 3138 - Wesega Zhou ZIM 2282 - Chikuta Namakau ZAM 2454 - Joseph Shylet ZIM 2629 - Majana Kabata ZAM 2802 - Agnes Lupala TAN 2974 - Febby Singogo ZAM 3139 - Pozeni Mpalanzi TAN 2283 - Mitchell Matsikidze ZIM 2455 - Tshuma Simenkosini ZIM 2630 - Gladys Kapela ZAM 2803 - Mary Malama ZAM 2975 - Chafesuka Nominabati ZIM 3140 - Tinago Jane ZIM 2284 - Annie Nondo ZAM 2456 - Ivy Biiwa GHA 2631 - Rudo Kutaika ZIM 2804 - Elinah Mpofu ZIM 2976 - Juleit Bwembya ZAM 3141 - Nayunda Pumulo ZAM 2285 - Shyleen Nkosana ZIM 2457 - Kulwa Kamate TAN 2632 - Simonda Mutukwa ZAM 2805 - Farai Mombe ZIM 2977 - Oliva Mangwata TAN 3142 - Sharon Ngandu ZAM 2286 - Sikufele Mebelo ZAM 2458 - Chikonga Bundambo ZAM 2633 - Josephine Mulenga ZAM 2806 - Mwale Isabel ZAM 2978 - Leonida Kanzugula TAN 3143 - Vwanganji Nyimbiri ZAM 2287 - Moleen Murambiza ZIM 2459 - Vester Matshiya ZIM 2634 - Beth Ngwale TAN 2807 - Prisca Chiwila ZAM 2979 - Chimyama Mola ZAM 3144 - Mumuni Maria GHA 2288 - Namkando Maimbolwa ZAM 2460 - Grace Bwalya ZAM 2635 - Muchindu Mukendami ZAM 2808 - Priscilla Chanda ZAM 2980 - Monde Kapula ZAM 3145 - Magreen Mwelwa ZAM 2289 - Margaret Musanta ZAM 2461 - Namate Kufanga ZAM 2636 - Jawuda Yakubu GHA 2809 - Buhlebenkosi Dube ZIM 2981 - Nakpecinka Fannam GHA 3146 - Beauty Kalunga ZAM 2290 - Sisasenkosi Lima ZIM 2462 - Fatia Maliga TAN 2637 - Chaukura Diana ZIM 2810 - Kafuti Kainga ZAM 2982 - Harriet Chanda ZAM 3147 - Phenny Nalungwe ZAM 2291 - Musemo Ranganai ZIM 2463 - Mary Liywali ZAM 2638 - Agness Chilufya ZAM 2811 - Charity Chokera ZIM 2983 - Shelter Choga ZIM 3148 - Naomi Namwinga ZAM 2292 - Chilufya Kibinda ZAM 2464 - Mayani Chanda ZAM 2639 - Faiza Bukari GHA 2812 - Chiba Mainess ZIM 2984 - Lilian Yumba ZAM 3149 - Bridget Kasasa ZAM 2293 - Veronica Kiyeyeu TAN 2465 - Doris Chanda ZAM 2640 - Nokuthaba Mpofu ZIM 2813 - Barbara Lishandu ZAM 2985 - Brenda Nakamba ZAM 3150 - Limbo Kashibi ZAM 2294 - Rutendo Gomo ZIM 2466 - Nontobeko Khumalo ZIM 2641 - Norah Mukuka ZAM 2814 - Silume Namebo ZAM 2986 - Rabecca Yumbe ZAM 3151 - Musawenkosi Ncube ZIM 2295 - Sibusisiwe Nyakurai ZIM 2467 - Charity Ngirandi ZIM 2642 - Yvone Kasonka ZAM 2815 - Bridget Chileshe ZAM 2987 - Maririma Everjoy ZIM 3152 - Sara Kingarata TAN 2296 - Rodah Chibale ZAM 2468 - Zita Kalaluka ZAM 2643 - Chimuma Mbangu ZAM 2816 - Salifu Miila GHA 2988 - Adah Mwembe ZIM 3153 - Nanalelwa Nosiku ZAM 2297 - Theodora Kunhe ZIM 2469 - Laari Regina GHA 2644 - Bitian Namiteeb GHA 2817 - Sarah Nakazwe ZAM 2989 - Exildah Makoleka ZAM 3154 - Hamida Kambalage TAN 2298 - Brilliant Moyo ZIM 2470 - Mapula Nalukui ZAM 2645 - Hijira Ngulugulu TAN 2818 - Isabel Siniwa ZIM 2990 - Sosala Asuya ZIM 3155 - Rabecca Matambiso ZAM 2299 - Goretty Kasongo ZAM 2471 - Linda Nyoni ZIM 2646 - Memory Chiwaya ZAM 2819 - Siphatheleni Ngwenya ZIM 2991 - Catherine Chasala ZAM 3156 - Nomagugu Mpofu ZIM 2300 - Thelma Bwalya ZAM 2472 - Sophia Mapurisa ZIM 2647 - Mwiya Mushanukwa ZAM 2820 - Monde Monde ZAM 2992 - Emma Namukonda ZAM 3157 - Salamatu Tia GHA 2301 - Charity Mubanga ZAM 2473 - James Tamari ZIM 2648 - Itai Chinherera ZIM 2821 - Euphrasia Kunda ZAM 2994 - Catherine Chota ZAM 3158 - Olipa Namwale ZAM 2302 - Judith Chimfwembe ZAM 2474 - Clara Kafula ZAM 2649 - Cynthia Liyombe ZAM 2822 - Ravia Mwansa ZAM 2995 - Ruth Chisanga ZAM 3159 - Zela Chimukwe ZAM 2303 - Agness Mwansa ZAM 2475 - Patience Tshuma ZIM 2650 - Sabata Kubukwa ZAM 2823 - Norest Bhikoko ZIM 2996 - Uzia Luwumbwa TAN 3160 - Jenipher Kasongo ZAM 2304 - Enesia Kulanga TAN 2476 - Matildah Mukabo ZAM 2651 - Faggie Nkhoma ZAM 2824 - Fuseini Amira GHA 2997 - Reprieve Magocha ZIM 3161 - Frola Samia TAN 2305 - Alice Machembe ZAM 2477 - Dainess Chingongo ZAM 2652 - Sara Badyogo TAN 2825 - mwase Rosemary ZIM 2998 - Sofiah Chikonde ZAM 3162 - Fungai Mhlangeni ZIM 2306 - Zuhura Mhongole TAN 2478 - Carol Machokocha ZAM 2653 - Rumbidzai Chapatarongo ZIM 2826 - Liness Nakaonga ZAM 2999 - Moyo Siziwe ZIM 3163 - Noris Chungu ZAM 2307 - Prudence Bwalya ZAM 2479 - Jane Namwizye ZAM 2654 - Akusia Gariba GHA 2827 - Theresa Kamanda ZAM 3000 - Masamu Mpande ZAM 3164 - Cathrine Dziva ZIM 2308 - Doomaak Jamant GHA 2480 - Praxidence Chanda ZAM 2655 - Doreen Mukwasa ZAM 2828 - Precious Chileshe ZAM 3001 - Mercy Chanda ZAM 3165 - Feddy Chonde ZAM 2309 - Pyelina Kasuga TAN 2481 - Maggie Mumba ZAM 2656 - Imusoka Nalishebo ZAM 2829 - Namasiku Kumoyo ZAM 3002 - Ngandwe Prudence ZAM 3166 - Imanga Nganga ZAM 2310 - Sikwanyi Namushi ZAM 2482 - Joyce Wissa TAN 2657 - Emmanuella Mubanga ZAM 2830 - Mary Kampamba ZAM 3003 - Nalishebo Likando ZAM 3167 - Brendah Mwape ZAM 2311 - Emeldah Katongo ZAM 2483 - Regina Filango TAN 2658 - Purity Mutale ZAM 2831 - Tagarira Tariro ZIM 3004 - Theresa Nyahunzvi ZIM 3168 - Sikumbeleti Mubulukwa ZAM 2312 - Elizabeth Sikanyika ZAM 2484 - Limpo Kufanga ZAM 2659 - Doris Mayuka ZAM 2832 - Elina Sakatwe ZAM 3005 - Feika Munmuni GHA 3169 - Astridah Mulenga ZAM 2313 - Nipe Mgongolwa TAN 2485 - Sikitu Kibadu TAN 2660 - Silibaziso Nkomo ZIM 2833 - Judith Musonda ZAM 3006 - Mutanga Mwangala ZAM 3170 - Cindy Chaba ZAM 2314 - Sylvia Kalenga ZAM 2486 - Hellen Chisala ZAM 2661 - Kakoma Tumba ZAM 2834 - Memory Kasonkomona ZAM 3007 - Magaya Loryn ZIM 3171 - Navone Livinga TAN 2315 - Zulhatu Iddrisu GHA 2487 - Hilda Kitosi TAN 2662 - Fuseina Abukari GHA 2835 - Patience Bhokisi ZIM 3008 - Kamona Nangana ZAM 3172 - Hlengiwe Maphosa ZIM 2316 - Sandra Mutamiri ZIM 2488 - Hawa Kitambulio TAN 2663 - Catherine Kasalwe ZAM 2836 - Kufa Fungai ZIM 3009 - Mulima Alisheke ZAM 3173 - Naomi Msunza TAN 2317 - Lyness Mukalati ZAM 2489 - Mumba Mukube ZAM 2664 - Kwabena Jenifa GHA 2837 - Sisasenkosi Nyathi ZIM 3010 - Messiah Chipulu ZAM 3174 - Naisha Lukosi TAN 2318 - Shelter Billy ZIM 2490 - Loveness Siachilamba ZIM 2665 - Nash Matope ZIM 2838 - Nkumbula Harriet ZAM 3011 - Size Advantage ZIM 3175 - Inonge Mukela ZAM 2319 - Sandra Mwale ZAM 2491 - Shangao Nyemba TAN 2666 - Leonida Kanzugula TAN 2839 - Mwengwe Chola ZAM 3012 - Sabina Sumka TAN 3176 - Munjanja Cathrine ZIM 2320 - Mohammed Mariam GHA 2492 - Maeresera Sarah ZIM 2667 - Gloria Nachula ZAM 2840 - Hadija Muhenga TAN 3013 - Sanelisiwe Sibanda ZIM 3177 - Lutty Nankonde ZAM 2321 - Anna Sibanda ZIM 2493 - Getrude Mhandu ZIM 2668 - Fiona Makoma ZIM 2841 - Chipo Matutu ZIM 3014 - Sitali Pelekelo ZAM 3178 - Angeline Zhou ZIM 2322 - Lidia Nambela ZAM 2494 - Clemencia Moyo ZIM 2669 - Precious Kakoma ZAM 2842 - Nakazwe Zimba ZAM 3015 - Cecilia Nakamba ZAM 3179 - Namwamba Sililo ZAM 2323 - Heppines Petter TAN 2495 - Anzeni Kindole TAN 2670 - Fadzai Mbele ZIM 2843 - Masekela Jenny ZAM 3016 - Gladys Malupande ZAM Mirriam Mando ZAM 2324 - Nyambe Nawelwa ZAM 2496 - Zainabu Kuntelela TAN 2671 - CamfedGracious Korera ist hocherfreut ZIM 2844 - Nanunyi über Mbumwae eine Partnerschaft ZAM 3017 - 3180 - Hilda Mpagama TAN 2325 - Melinda Chimfwembe ZAM 2497 - Lucia Nyikadzino ZIM 2672 - Agness Musonda ZAM 2845 - Sarudzai Moyo ZIM 3018 - Charity Memory Mutsakani ZIM 2326 - Belita Shampale ZAM 2498 - Izukanji Nanyinza ZAM 2673 - Maureen Musukwa ZAM 2846 - Grace Mpantamato ZAM 3019 - Nkubula ZAM Sibongile Mushuku ZIM 2327 - Chiwisa Sibote ZAM 2500 - Njamba Boli ZAM 2674 - mitEverlyn Credit Nakawala Suisse, ZAM 2847 mit - demMercy Ziel, Mwale ländliche ZAM 3020 - 3181 - Bwalya Mwenya ZAM 2328 - Anny Kampamba ZAM 2501 - Ruth Chilambe ZAM 2675 - Nesia Manyanga ZIM 2848 - Mwela Chibamba ZAM 3021 - Sandow Ntombezihle Mpofu ZIM 2329 - Joyce Mbiligenda TAN 2502 - Ruth Chisanga ZAM 2676 - susen Malama ZAM 2849 - Patience Chama ZAM 3022 - Prinsilla Mercy Mulenga ZAM 2330 - Mawere Nyasha ZIM 2503 - Rabi Yakubu GHA 2677 - GemeinschaftenBupe Bwalya ZAM 2850 in Afrika - Lucia durch Kalinga dieTAN Schulbildung 3023 - GHA Mwila Chinga ZAM 2331 - Gladys Bwale ZAM 2504 - Mayumbelo Mwabange ZAM 2678 - Getrude Chise ZAM 2851 - Kokusima Bashagi TAN 3024 - 3182 - Vera Nakamba ZAM 2332 - Precious Mwila ZAM 2505 - Mercy Nkamba ZAM 2679 - Kusumi Abrofo GHA 2852 - Stelina Mdenge TAN 3025 - Priscilla Currency Chondwa ZAM 2333 - Nothando Nyathi ZIM 2506 - Falitu Issahaku GHA 2680 - vonYasinda Mädchen Kihongosi TAN zu 2853 fördern. - Sidumisile Machen Mpofu ZIMSie 3026die - Mudhuma ZIM Mwalye Mwense ZAM 2334 - Babbra Nyadowa ZIM 2507 - Kelezo Situmbeko ZAM 2681 - Zaituni Kaboko TAN 2854 - Consilia Landamuka ZAM 3027 - 3183 - Prudence Muyunda ZAM 2335 - Sharon Kabwe ZAM 2509 - Mildred Maliti ZAM 2682 - Lusia Mkame TAN 2855 - Gloria Mulenga ZAM 3028 - Kudzai Tendai Muchecheti ZIM 2336 - Linda Chitalu ZAM 2510 - Grace Sililo ZAM 2683 - Mbututu Makando ZAM 2856 - Felistus Muzamba ZIM 3029 - Mpofu ZIM Janet Nakamba ZAM 2337 - Mumba Elizabeth ZAM 2511 - Amina Nongwa TAN 2684 - bestmöglicheBridget Chipanda ZAM Investierung, 2857 - Poniso indem Sitali ZAMSie 3030heute - 3184ein - Maggie Namonje ZAM 2338 - Jane Mwawa ZAM 2512 - Christine Nakawala ZAM 2685 - Phemiah Lubumbe ZAM 2858 - Eness Muana ZAM 3031 - Naomi Mwale Airini Sanga TAN 2339 - Dzidzai Shuro ZIM 2513 - Zubeda Kisega TAN 2686 - Leona Mbanyele ZIM 2859 - Njivau Kashimbi ZAM 3033 - ZAM Romana Mpelembwa TAN 2340 - Prexides Mweni ZAM 2514 - Doricah Mhanje ZIM 2688 - MädchenTsitsi Muzodha in ZIMdie 2860Schule - Nyaradzo schicken. Muchabaiwa ZIM 3034 - Nasilele Mwilu ZAM 2341 - Patience Gunyule ZIM 2515 - Maureen Mumba ZAM 2689 - Mhiripiri Chokusara ZIM 2861 - Queeniva Musonda ZAM 3035 - Beauty Songiso ZAM 2342 - Martha Mutale ZAM 2516 - Kabukabu Mbembezi ZAM 2690 - Ruth Kabelenga ZAM 2862 - Palata Chilombo ZAM 3036 - Lucy Katebe ZAM 2343 - Winfridah Chanda ZAM 2517 - Chola Chalula ZAM 2691 - Yoosa Yennulon GHA 2863 - Brendah Mulenga ZAM 3037 - Beatrice Nambeya ZAM 2344 - Harriet Namukonde ZAM 2518 - Previous Nkomo ZIM 2692 - Zambwe Mwale ZAM 2864 - Etina Msigwa TAN 3038 Namasiku Siyunda ZAM 2345 - elizabeth Ndoro ZIM 2519 - Prisca Chomba ZAM 2693 - Mevin Ngosa ZAM 2865 - - Florence Kasongo ZAM 2346 - Chola Mandalena ZAM 2520 - Chuma Saala ZAM 2694 - NähereRacheal Swaba Informationen ZAM 2866 - Anxilla können Makoni Sie ZIM Ibrahim Sherifatu GHA 2347 - Mary Musonda ZAM 2521 - Pamela Mondwa ZAM 2695 - Constance Mushopei ZIM 2867 - 3039 - Waab Minloom GHA 2348 - Constance Mubanga ZAM 2522 - Clementine Kwangiwari ZIM 2696 - Naomy Nankamba ZAM 2868 - Alwisia Luvanga TAN Liwoyo Mushoba ZAM 2349 - Kutemwa Mutonga ZAM 2524 - Alice Issahaku GHA 2697 - unterSara Malingumuwww.camfed.org TAN 2869 - 3040 erhalten - Given Mulenga ZAM 2350 - Mwinji Nachembe ZAM 2525 - Constance Mwamba ZAM 2698 - Beatrice Mamvura ZIM 2870 - Salifu Zalia GHA Harren Mukwasa ZAM 2351 - Furaha Mbwale TAN 2526 - Chuma Mubita ZAM 2699 - Exildah Bwale ZAM 2871 - 3041 - Airini Mlangwa TAN 2352 - Twaeni Kiwope TAN 2527 - Huruma Maponda TAN 2700 - Mangoma Enlight ZIM 2872 - Mubita Mukalisulu Frida Kaduma TAN 2353 - Dapi Rumbidzai ZIM 2528 - Siphesihle Mpofu ZIM 2701 - Lizzy Sichinga ZAM 2873 - ZAM 3042 - Maureen Namukoko ZAM 2354 - Mwaka Milupi ZAM 2529 - Petunia Shoko ZIM 2702 - Mujuru Revai ZIM 2874 - Agness Chibalo Blessings Ndlovu ZIM 2355 - Maria Nyirongo ZAM 2530 - Lilian Namukonda ZAM 2703 - Mutumba Kabukabu ZAM 2875 - ZAM 3043 - Grace Kalumbi ZAM 2356 - Makore Nyasha ZIM 2531 - Tatenda Chirawa ZIM 2704 - Pamela Ng’andwe ZAM 2876 - Rudo Sango ZIM Cynthia Mumba ZAM 2357 - Namakau Kwalela ZAM 2532 - Chama Cecilia ZAM 2705 - Juliet Namwila ZAM 2877 - 3044 - Nada Lusoko TAN 2358 - Chota Chileya ZAM 2533 - Nyoni Lorraine ZIM 2706 - Melda Mumpande ZIM 2878 - Zuweira Bugri GHA Neema Ismail TAN 2359 - Nokuthaba Moyo ZIM 2534 - Ajara Salam GHA 2707 - Chisenga Kalunga ZAM 2879 - 3045 - Nyadzisai Tanda ZIM 2360 - Limbo Kapelwa ZAM 2535 - Winfredah Khuphe ZIM 2708 - Namwaka Maonga ZAM 2880 - Favourine Mulenga ZAM 3046 - Linyeta Ngebe ZAM 2361 - Mildred Chabala ZAM 2536 - Prosper Chisha ZAM 2709 - Belita Kibuga TAN 2881 - Emeldah Chanda ZAM 3047 - Muhau Nambunda ZAM 2362 - Victoria Mulenga ZAM 2537 - Florence Tailoka ZAM 2710 - Annie Malama ZAM 2882 - Mlotshwa Zine ZIM 3048 - Sikuniso Mwenda ZAM 2363 - Prudence Chisanga ZAM 2538 - Sara Musongo ZAM 2712 - Honester Shanungu ZAM 2883 - Moola Mwakui ZAM 3049 -

Dieses Inserat wurde ermöglicht durch Credit Suisse. Camfed möchte der Financial Times für ihre Unterstützung in dieser Anzeige 42 — Bulletin N° 6 / 2012 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 Was die Schweiz bewegt. Die grosse Umfrage unter der Stimmbevölkerung seit 1976.

Sascha Flück, 37, Herbetswil SO, Servicemonteur «Das schönste Vergnügen in der Schweiz ist es, dass wir noch frei sind. Hier darf ich überall meinen Segelieger in die Höhe steigen lassen, ohne dass gleich einer kommt und reklamiert.»

Fotos von Linus Bill Bulletin N° 6 / 2012 — 43 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 1. Frage: «Welches sind heute Ihrer Meinung nach die wichtigsten Sorgen der Schweiz?»

Arbeitslosigkeit 49% (−3)

Ausländer 37% (+1)

AHV/Altersvorsorge 36% (+9)

Asylfragen 32% (+11)

Gesundheitswesen 30% (+0)

Eurokrise 22% (neu)

Persönliche Sicherheit 21% (−6)

Europäische Integration 20% (+6)

Soziale Sicherheit 19% (−7)

Umweltschutz 18% (+2)

Neue Armut 17% (+0)

Energiefragen 16% (+1)

Finanzkrise 14% (−16)

Löhne 13% (−1)

Benzin-/Erdölpreis 13% (+8)

Erhebung 2012 (Veränderung zu 2011 in Prozentpunkten)

Anouck Hofmann, 20, Neuenburg, Wirtschaftsstudentin «Sorgen? Sorry, aber in Bezug auf mich und meine Zukunft in der Schweiz habe ich keine.» Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Alles wird gut – optimistische Schweizer Bevölkerung Traditionsgemäss nimmt die Arbeitslosigkeit beim Credit Suisse Sorgenbarometer die Spitzenposition ein. Trotz Wirtschaftskrise sehen die Befragten aber zuversichtlich in die Zukunft: Die Mehrheit schätzt die Lage stabil ein, ein Fünftel ist von einer Verbesserung überzeugt.

Die Schweizer Bevölkerung beurteilt und lässt sich wohl am ehesten erklä- Die Umfrage die aktuelle wirtschaftliche Situation ren durch die relativ robuste Binnen- optimistisch (Gra —k 3). 59 Prozent be- wirtschaft mit einem starken Privat- Im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Credit Suisse hat das Forschungsinstitut zeichnen jedenfalls die eigene Lage als konsum in der Schweiz. Im Sorgen- gfs.bern zwischen dem 30. Juli und dem «gut» oder «sehr gut». Spürbar ent- barometer schlug sich dieser Optimis- 31. August 2012 eine repräsentative Umfrage schärft hat sich die Situation vor allem mus sehr deutlich bei der zentralen bei 1003 Stimmberechtigten mit Wohnsitz in der Schweiz durchgeführt. bei den tieferen Einkommen. Auch die Frage nach den fünf Hauptsorgen nie- Der statistische Stichprobenfehler liegt bei Aussichten sind erfreulich: Wie im der (Seite 44). ± 3,2 Prozent. Die wissenschaftliche Vorjahr gehen 92 Prozent davon aus, Die konjunkturellen Sorgen sind Auswertung in den zwei Studien «Abstrakte Wirtschaftssorgen konkretisieren sich im dass es ihnen im kommenden Jahr zu- wieder in den Hintergrund getreten: EU-Raum» und «Schweiz: Dem Sturm mindest gleich gut wie jetzt gehen Die Finanzkrise landet mit 14 Prozent getrotzt, aber Planken müssen verstärkt wird. 18 Prozent glauben sogar an eine (− 16 Prozentpunkte) auf Platz 13 von werden» erfolgte durch ein Projektteam mit Claude Longchamp, Lukas Golder, Martina Verbesserung; nur einmal – vor fünf 34 vorgegebenen Begri©en, die Wirt- Imfeld, Cindy Beer, Stephan Tschöpe und Jahren – wa ren es et was mehr gewesen. schaftskrise mit 9 Prozent (− 26 pp) auf Sarah Deller. In Bezug auf die allgemeine wirt- Platz 20 und die Sorgen rund um die Die Studien sowie weiterführende Gra—ken schaftliche Situation ist der gleiche Börsen mit 7 Prozent (− 5 pp) auf Platz —ndet man unter: Trend zu erkennen. Beinahe drei Vier- 24. Erstmals befragt wurde die Euro- www.credit-suisse.com/sorgenbarometer tel der Stimmbürger stufen die aktuel- krise, die mit 22 Prozent auf Anhieb Die Auswertung für das Bulletin erfolgte le Lage als zumindest gleich gut wie im auf Rang 6 kam. Die insgesamt positi- durch Andreas Schiendorfer. Vorjahr ein, fast gleich viele sehen das ve Einschätzung der wirtschaftlichen auch für die kommenden zwölf Mo- Ent w ic k lu ng lä sst indes da rau f sc h l ies- nate so. Dabei ist mehr als ein Fünftel sen, dass ein Grossteil der Bevölke- sogar von einer Verbesserung der Kon- rung an die Robustheit der Schweizer junktur überzeugt. Wirtschaft glaubt und nicht davon ausgeht, dass die Eurokrise sich stark Relativ geringe Konjunktursorgen und nachhaltig auf unser Land auswir- Dieser Wirtschaftsoptimismus mag ken wird. angesichts der akuten Probleme in Trotzdem bleibt mit 49 Prozent Griechenland, Spanien und anderen die Arbeitslosigkeit – nun bereits zum europäischen Ländern überraschen zehnten Mal in Folge – die Hauptsorge

Bulletin N° 6 / 2012 — 45 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

der Schweizerinnen und Schweizer 2. Zeitliche Veränderung der Hauptsorgen (Gra—k 2). Dies kann eigentlich nur Seit dem Jahr 2003 wird die Arbeitslosigkeit als Hauptproblem der Schweiz wahrgenommen. dahin gehend gedeutet werden, dass Davor war es das Gesundheitswesen gewesen, das heute nur noch auf Platz 5 rangiert. Über die letzten drei Jahre haben einzig «Ausländer/Personenfreizügigkeit» und «Flüchtlinge/ die Beschäftigung möglichst aller Asylfragen» zugenommen. Landesbewohner als der entscheiden- de Schlüsselfaktor für das Funktionie- ren der Schweiz angesehen wird. In 60 49 dieser Hinsicht reagiert man anschei- 50 nend lieber nicht erst auf rea le Notsit- u 40 37 36 ationen, sondern sorgt sich gewisser- 30 32 massen proaktiv. Allerdings stellt man 30 20 doch einen Rückgang von 3 Prozent- 21 10 punkten gegenüber dem Vorjahr und 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 sogar um 27 Prozentpunkte gegenüber

ARBEITSLOSIGKEIT/JUGENDARBEITSLOSIGKEIT 2010 fest. Die Eurokrise wurde 2012 erstmals AUSLÄNDER/PERSONENFREIZÜGIGKEIT befragt, und auf Anhieb von AHV/ALTERSVORSORGE FLÜCHTLINGE/ASYLFRAGEN Sorgenpalette ist breiter geworden 22 Prozent der Schweizer als eine GESUNDHEITSFRAGEN/KRANKENKASSE/PRÄMIEN Hauptsorge bezeichnet. PERSÖNLICHE SICHERHEIT Neben der Arbeitslosigkeit landeten in den Jahren 2003 bis 2010 ausnahmslos Frage: «Welches sind heute Ihrer Meinung nach die wichtigsten Sorgen der Schweiz?» die Sorgen um die Altersvorsorge so- wie das Gesundheitswesen auf den 3. Einschätzung der Wirtschaftslage beiden weiteren Podestplätzen. Diese Hierarchie wurde nun zum zweiten Die Zahl der Schweizer, die ihre eigene wirtschaftliche Situation als sehr gut einstufen, hat zwar um 11 Prozentpunkte abgenommen, dafür gehen doppelt so viele wie im letzten Jahr von einer Mal nacheinander durchbrochen, Verbesserung in der Zukunft aus. Die allgemeine Wirtschaftslage wird noch positiver eingeschätzt: ohne dass diese «Traditionssorgen» 18 Prozent (+ 11 pp) erkennen eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, 21 Prozent (+ 12 pp) deswegen an Relevanz verloren hätten. glauben an eine weitere Verbesserung in Zukunft. Insgesamt ist aber doch eine Nivellie- Aktuelle individuelle wirtschaftliche Lage Kommende individuelle wirtschaftliche Lage rung des Sorgenkanons mit entspre-

3 8 2 2 2 5 3 2 chend tieferen Werten feststellbar: 2 85 2 50 20 3 3 05 20 8 85 2501 2 1 18 5 2051 2 1 12 012 18 12 012 2 2 18 18 2 2 Heute brennen den Schweizern also 2 2 2 2 01 0 01 0 7 20 1 2 1 9 7 20 1 2 1 1 7 011 9 1 7 011 19 7 1 7 1 9 7 9 1 7 1 viel mehr verschiedene Sorgen unter 19 19 1 19 1 1 1 1 1 11 1 1 den Nägeln als früher, die von den 1 1 34 34 37 3437 34 Entscheidungsträgern in Politik, 37 37 Wirtschaft und Gesellschaft gleicher- 35 35 35 51 51 35 51 51 83 massen ernst genommen werden müs- 83 83 83 sen. In erster Linie ist hier die Immig- 74 74 74 74 rationsdebatte zu nennen. Dabei sind KEINE ANTWORTKEINE ANTWORTRECHT RECHT die Ausländer, die regulär in der KEINE ANTWORTKEINE ANTWORTRECHT RECHT KEINE ANTWORTKEINE ANTWORTGLEICHGLEICH SEHR SCHLECHTSEHR SCHLECHTGUT GUT KEINE ANTWORTKEINE ANTWORTGLEICHGLEICH SEHR SCHLECHTSEHR SCHLECHTGUT GUT SCHLECHTERSCHLECHTER BESSER BESSER SCHLECHTSCHLECHT SEHR GUTSEHR GUT SCHLECHTERSCHLECHTER BESSER BESSER Schweiz leben und arbeiten, momen- SCHLECHTSCHLECHT SEHR GUTSEHR GUT tan stärker im Fokus als die Flüchtlin- Aktuelle allgemeine wirtschaftliche Lage Kommende allgemeine wirtschaftliche Lage ge, die hier Asyl suchen (siehe auch 2 7 2 0 20 7 0 20 201 2 1 7 7201 2 1 Gra—k 14). 18 181 12 012 12 012 18 18 1 2 2 21 21 2 2 1 1 21 21 20 2 20 2 Die Sicherung der Altersvorsor- 7 2 1 201 9 4 2 14 201 7 011 0 1 9 011 0 1 7 7 1 1 9 4 9 41 1 27 1 27 22 1 22 1 1 27 22 22 ge ist nach wie vor eine zentrale Sorge 1 1 27 36 36 der Schweizer. Nach einem Rückgang 36 36 41 41 41 41 im Vorjahr be—ndet sich die AHV mit 56 56 56 56 36 Prozent wieder im (unteren) Be- 46 46 46 46 54 54 reich des langjährigen Trends. Dabei 54 54 50 50 50 50 sind es aber nicht et wa die Jungen, wel- che die grössten Bedenken äussern,

KEINE ANTWORTKEINE ANTWORTGLEICH GLEICHGEBLIEBEN GEBLIEBENKEINE ANTWORTKEINE ANTWORTGLEICH GLEICHBLEIBEN BLEIBEN KEINE ANTWORTKEINE ANTWORTGLEICH GLEICHGEBLIEBEN GEBLIEBENKEINE ANTWORTKEINE ANTWORTGLEICH GLEICHBLEIBEN BLEIBEN sondern die aktuellen Bezüger, die of- VERSCHLECHTERTVERSCHLECHTERTVERBESSERTVERBESSERT VERSCHLECHTERNVERSCHLECHTERNVERBESSERNVERBESSERN VERSCHLECHTERTVERSCHLECHTERTVERBESSERTVERBESSERT VERSCHLECHTERNVERSCHLECHTERNVERBESSERNVERBESSERN fensichtlich Angst vor einschneiden- Fragen: «Wie schätzen Sie Ihre persönliche und wie die allgemeine wirtschaftliche Situation ein, den Kürzungen haben. Darüber hin- und wie wird sie sich in den kommenden zwölf Monaten verändern?» aus ist die Sorge bei den Frauen stärker

46 — Bulletin N° 6 / 2012 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

erkennbar als bei den Männern und vor a l lem in der Stadt v iel deut licher a ls 4. Wem Schweizerinnen und Schweizer vertrauen auf dem Land. Dementsprechend gilt Das grösste Vertrauen geniesst derzeit die Polizei, gefolgt von Bundesgericht und Bundesrat. Vor einem Jahr hatte das Bundesgericht die Vertrauensrangliste vor den Arbeitnehmerorganisationen für 95 Prozent die Sicherung der Al- sowie den Arbeitgeberorganisationen und den bezahlten Zeitungen angeführt. 2010 lagen Radio, tersvorsorge als sehr wichtiges aktuel- Fernsehen sowie Bundesgericht und Polizei an der Spitze. les Ziel, das die Politiker verfolgen sollten (Gra—k 6). Das Problem Ge- Politik 61 sundheitswesen hingegen hat, wohl 2012 Bundesrat 58 wegen des verlangsamten Anstiegs der 64 Krankenkassenprämien, auf dem im 60 Nationalrat 55 Vergleich zu früher relativ tiefen Ni- 64 veau von 30 Prozent stagniert. 60

2010 2011 Ständerat 52 62 Umweltbewusstsein nimmt zu 49 Die Sorgen um die persönliche Sicher- Staatliche Verwaltung 46 heit und soziale Sicherheit, die in den 51 letzten Jahren kontinuierlich zuge- 34 Politische Parteien 37 nommen hatten, sind wieder etwas 45

zurückgefallen. Als nächstes Prob- 19 Europäische Union 20 lempaket folgen die Umwelt- und die 34 Energieprobleme. Der Fukushima- E©ekt mag zwar bei einem Grossteil Medien der Bevölkerung bereits wieder ver±o- 51 2012 61 gen sein, aber dank dem diesjährigen Fernsehen 76 Umweltgipfel Rio +20 und vor allem 50 der Debatte um den Ausstieg aus der Radio 59 Atomenergie sind Umweltthemen 77 nach wie vor präsent. 41 2010Bezahlte 2011 Zeitungen 62 Das allgemeine Umweltbe- 66 wusstsein hat gegenüber dem Vorjahr 35 Gratiszeitungen 47 leicht zugenommen auf heute 18 Pro- 61 zent. Von einem Wert wie in den Jah- 29 ren 1988 bis 1995, im Durchschnitt 56 Internet 54 Prozent, sind die Schweizer aber noch 60 weit entfernt. Immerhin ist in Zukunft eine weitere Zunahme zu erwarten. Übrige Institutionen 69 Hinter den Antworten auf die Frage, 2012 Polizei 60 worunter die zukünftigen Generatio- 70 nen am meisten zu leiden haben, be—n- 64 2011 Bundesgericht 66 den sich jedenfalls Umwelt und Klima 72 gemeinsam mit Arbeitsmangel an der Arbeitnehmer- 50 2010 64 Spitze. organisationen 53 Seit 1995 will das Sorgenbaro- 48 meter wissen, ob die Wirtschaftsfüh- Banken 51 rer beziehungsweise die Exponenten 60 in Regierung und Verwaltung in ent- 45 Armee 49 scheidenden Dingen oft oder selten 56 versagen (Gra—k 5). Im Langzeittrend 41 Kirchen 55 schneidet die Wirtschaft dabei klar 57 besser ab a ls die Politik. In diesem Jahr Arbeitgeber- 39 spricht jedoch mehr als die Hälfte der 62 organisationen 46 Bevölkerung der Politik indirekt ihr

Vertrauen aus, indem sie ihr attestiert, Frage: «Wie gross ist Ihr persönliches Vertrauen in jede der Ihnen vorgelegten Institutionen nur selten zu versagen; das war bis (Vertrauen – weder/noch – kein Vertrauen – keine Antwort)?»

Bulletin N° 6 / 2012 — 47 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

jetzt einzig 1998 der Fall. Auch der letzten Jahren zu konstatieren. Betrug verbände sowie für die Gewerkschaf- Wirtschaft wird zwar immer noch von das Vertrauen in die zur Auswahl ste- ten und Arbeitgeberorganisationen. 48 Prozent «seltenes Versagen» be- henden Akteure im Jahr 2010 noch Die Banken liegen mit 48 Prozent im- scheinigt, aber die Werte sind weitaus durchschnittlich 60 Prozent, so waren mer noch knapp über dem Durch- tiefer als im Langzeitdurchschnitt. es letztes Jahr 53 und dieses Mal sogar schnitt der letzten 18 Jahre. Die Wirt- Bei der konkret gestellten Ver- nur noch 47 Prozent. Hauptursache schaftsverbände haben zunächst seit trauensfrage (Gra—k 4) ist ein generel- dafür sind die tieferen Umfragewerte 2006 einen kontinuierlichen Vertrau- ler Vertrauensschwund in den beiden für die Medien, Banken, Wirtschafts- enszuwachs erfahren, der 2011 in ab- soluten Traumwerten gipfelte mit 64 Prozent für die Arbeitnehmerorgani- sationen sowie 62 Prozent für die 5. Leistung von Politik und Wirtschaft Arbeitgeberorganisationen. Nun ist aber eine spürbare Ernüchterung ein- Stellen die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft für die mittel- und langfristige Entwick- lung des Landes die richtigen Weichen? Tre©en sie im richtigen Moment die korrekten Entschei- getreten, bei den Gewerkschaften dungen? Trotz der Krise hält sich die Kritik der Bevölkerung in Grenzen. (− 14 pp) etwas weniger ausgeprägt als bei den Arbeitgebern (− 23 pp). 6 6 2 2 2 01 5 01 2 2 Wenig Vertrauen in die EU 20 20 11 11 Sehr volatil und vorerst nur bedingt er- 21 21 35 35 klärbar sind die Werte bei den Medien. 44 38 Hatte man beispielsweise 2009 noch 3 3 WIRTSCHAFT POLITIK über die Spitzenposition und den gros- sen Vertrauensbonus der Gratiszeitun- 48 gen gestaunt, so sehen sich die Medien 41 54 38 nach 2010 mit einem durchschnittli- chen Vertrauensentzug von 27 Pro- zentpunkten konfrontiert. Möglicher- weise hat sich nun wenigstens die OFT SELTEN NIE WEISS NICHT Vertrauenshierarchie eingependelt: Frage: «Haben Sie das Gefühl, die Politik von Regierung und Verwaltung beziehungsweise die Die Reihenfolge Fernsehen, Radio, Wirtschaft versage in entscheidenden Dingen? Ist dies oft, selten oder nie der Fall?» bezahlte Zeitungen, Gratiszeitungen, Internet könnte Bestand haben. Wie in den Vorjahren ist am Schluss die Europäische Union anzu- 6. Welche Ziele die Politiker sofort verfolgen müssen tre©en, wobei das Rekordtief gut zur gestiegenen Ausländerskepsis in der Die wichtigsten politischen Ziele sind derzeit die langfristige —nanzielle Sicherung der Vorsorgeleis- Schweiz passt. Ebenfalls weit unten tungen, die Förderung der Bildung sowie die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Den mit Ab stand tiefsten Wert verzeichnet die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (55 Prozent). rangieren stets die Parteien. Bessere Werte erzielen – jeweils in dieser auf- steigenden Reihenfolge – die staatliche 95 94 (+1) 93 Ver wa lt ung, der Nationa lrat, der Stän- (+3) (±0) 90 (–6) derat und der Bundesrat. Die Vertrau- 81 81 (–11) (–7) 78 ensspitze zieren nach wie vor Polizei (–8) und Bundesgericht. AHV/IV Bildung fördern Jugendarbeitslosigkeit Wachstum Wirtschaftliches Familie/Beruf Treibhausgasemission Gesundheitswesen Kosten

2012 2011

Frage: «Wie wichtig ist für Sie das Erreichen der genannten politischen Ziele?» In der Gra—k sind die Antworten «sehr wichtig» und «wichtig» zusammengezählt. Weitere zur Auswahl stehende Antworten: «eher unwichtig», «sehr unwichtig», «weiss nicht».

48 — Bulletin N° 6 / 2012 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Spezialauswertung 1 «Ich bin optimistisch für die Schweiz» Fünf Fragen an Pascal Gentinetta, Direktor Economiesuisse Andere Sprache, Was sind für Sie die drei grössten Stärken der Schweizer andere Probleme Wirtschaft? An1. erster Stelle steht die Innovationskraft unserer Unternehmen, die im Tiefer Nationalstolz in internationalen Vergleich hervorragend ist. Ebenfalls eine grosse Stärke ist die Flexibilität, mit der sich unsere Wirtschaft immer wieder an verän- der Westschweiz, Sorgen derte Rahmenbedingungen anpassen konnte – nicht zuletzt ein Ergebnis um Ausländer in der einer langfristig starken Währung. Und drittens sind wir dank unserer Deutschschweiz – markante wirtschaftlichen Diversität hinsichtlich Branchenmix, der Symbiose von Unterschiede zwischen KMU und Konzernen sowie verschiedenen regionalen Motoren sehr gut aufgestellt. den Sprachregionen.

Werden uns diese durch die aktuelle EU-Krise bringen? Das Sorgenbarometer zeigt signi—- Allein schon unsere geogra—sche Lage verhindert, dass wir von der kante Unterschiede der Problem- 2.Krise vieler Euroländer unberührt bleiben. Wenn wichtige Handelspart- wahrnehmung in den drei Sprachregi- ner den Gürtel enger schnallen müssen, tri©t das unweigerlich auch onen auf. Trotzdem kann nur bedingt unsere exportorientierte Wirtschaft. Doch die genannten Stärken, eine von einem Rösti- oder Polentagraben liberale Wirtschaftspolitik und eine bewusst o©ene Freihandelspolitik, gesprochen werden, da ein Konsens insbesondere mit aufstrebenden Wachstumsmärkten, helfen uns tatsäch- betre©end das funktionierende Zu- lich, diese Herausforderung besser als andere zu meistern. sammenleben der Kulturen herrscht. Die Arbeitslosigkeit ist die Welche weiteren Gefährdungsmomente sehen Sie? Hauptsorge der Schweizer. In der Erfolg kann zu Trägheit führen. Es besteht die Gefahr, dass die Deutschschweiz sehen dies 41 Prozent 3.Schweiz vergisst, worauf ihr Erfolg beruht. Innovationsk raft und Flexibi- so, deutlich mehr sind es jedoch in der lität lassen sich nicht politisch steuern. Sie gedeihen nur dort, wo gute Westschweiz (67 %) und im Tessin Rahmenbedingungen und unternehmerische Freiräume bestehen. Leider (72 %). Die Ausländerfrage kommt in liegt es politisch im Trend, solche Freiräume durch immer neue Regulie- der Deutschschweiz ebenfalls auf 41 rungen einzuschränken. Dem müssen wir entschieden entgegentreten Prozent, in der Südschweiz liegt der und uns gleichzeitig für einen weiterhin attraktiven Standort einsetzen. Wert sogar noch höher (46 %), in der Romandie (23 %) hingegen sind ande- Die Arbeitslosigkeit bereitet den Schweizern grosse Sorgen. re Sorgen weiter verbreitet. Erwarten Sie eine Zunahme? Die deutschsprachige Mehrheit 4.Die Auswirkungen der EU-Wirtschaftskrise sind auf unserem Arbeits- bestimmt in der Regel den gesamt- markt 2013 vielleicht noch ein bisschen stärker zu spüren als heute, insbe- schweizerischen Stellenwert eines sondere im Tourismus oder in Teilen der Exportindustrie. Die Binnen- Problems – mit zwei Ausnahmen: Die konjunktur wirkt aber nach wie vor stabilisierend. Insgesamt erwarte ich Altersvorsorge wird dank West- keine markante Zunahme der Arbeitslosigkeit. Es zeigt sich wieder ein- schweiz (43 %) und Tessin (4 0 %) an die mal, dass unser duales Bildungssystem und unsere vergleichsweise ±exib- dritte Stelle gehoben, allerdings nur, le Arbeitsmarktordnung für einen viel besseren Ausgleich sorgen, sodass weil sie auch in der Deutschschweiz die Arbeitslosigkeit selbst in einer schwierigen Situation moderat bleibt. (33 %) von vergleichbarer Bedeutung ist. Die persönliche Sicherheit hinge- Teilen Sie den Optimismus der Stimmberechtigten bezüglich gen scha©t es in der Deutschschweiz der Wirtschaftsentwicklung? (18 %) nur auf Platz 10, in der West- 5.Ja. Obwohl in einigen westlichen Ländern zurzeit schwarze Wolken auf- schweiz (25 %) und im Tessin (36 %) gezogen sind, bin ich für unser Land grundsätzlich optimistisch. aber auf Platz 5 und somit insgesamt an die siebte Stelle.

Pascal Gentinetta studierte Wirtschaft und Recht an der Universität St. Gallen. Seit 2007 ist er Direktor von Economiesuisse. Dem Wirtschaftsdachverband sind Neue Armut bleibt Problem hundert Branchenverbände angeschlossen. Insgesamt vertritt Economiesuisse Die französischsprachigen Schweizer 100 000 Schweizer Unternehmen mit rund zwei Millionen Arbeitsplätzen. betonen zwei Probleme, die gesamt- schweizerisch nicht in die Top Ten ge-

Foto: economiesuisse Bulletin N° 6 / 2012 — 49 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

langen: das Bankkundengeheimnis nur mit grösster Vorsicht interpretiert deutlich weniger als in der Deutsch- (19 %) und die neue Armut (18 %). Da- werden. schweiz und im Tessin (je 42 %). Das f ür werden die Europäische Union und Forschungsinstitut gfs.bern hat diesen die Umweltbelastung (je 12 %) als we- Zusammenleben bleibt Stärke ausgeprägten Nationalstolz für die niger gravierend angesehen und lan- Ein Fünftel der Schweizer (19 %) be- Jahre 2007 – 2012 auf die einzelnen den sogar noch hinter Finanzkrise trachtet das Zusammenleben der Kul- Kantone hinuntergebrochen: An der (16 %) sowie Kernenergie und Benzin- turen als eine Hauptstärke des Landes. Spitze des Patriotismus stehen Obwal- preis (je 15 %). Davon sind die Westschweizer (31 %) den (70 %), Zug und µurgau (62 %), Bei den italienischsprachigen wesentlich überzeugter als die am Ende —ndet man die Westschwei- Schweizern sind die Unterschiede Deutschschweizer (14 %); die Tessiner zer Kantone Neuenburg (22 %), Genf noch augenfälliger: Unmittelbar hin- (20 %) liegen in der Mitte. Umgekehrt (17 %), Waadt (14 %) und Jura (1 %). ter der Arbeitslosigkeit folgt das Ge- wird das Zusammenleben nur von je- Die Akzentuierung verschiede- sundheitswesen (68 %). Anstelle von dem zwanzigsten Bewohner als Belas- ner Probleme und die unterschiedliche Europäischer Union, Flüchtlingen, tung wahrgenommen (5 %); sprachre- Be—ndlichkeit in den Sprachregionen sozialer Sicherheit, Umweltbelastung gional betrachtet liegt die Di©erenz betre©end Nationalstolz haben mitt- kommt ebenfalls die neue Armut innerhalb der statistischen Fehlerquo- lerweile ein Ausmass erreicht, das es (16 %) hinzu, vor allem aber die Wirt- te. Daran w ird sich – gemäss einer wei- ernst zu nehmen gilt, auch wenn gera- schaftskrise (28 %) sowie Drogen und teren Frage – auch in zehn Jahren nicht de die französischsprachige Minder- Rassismus (je 26 %). Die Aussagen viel ändern. Fragt man aber, ob man heit das Zusammenleben verschiede- verdienen Beachtung, dürfen aber we- sehr stolz ist, Schweizer zu sein, dann ner Kulturen nicht grundsätzlich in gen der kleinen Stichprobe im Tessin bejahen dies in der Westschweiz (18 %) Frage stellt.

7. Welche Themen in den Sprachregionen am meisten Sorgen bereiten Die Unterschiede in der Gewichtung der einzelnen Problemfelder zwischen der Westschweiz und der Deutschschweiz werden in der Tendenz immer grösser (Angaben in Prozent aller Nennungen).

2008 2009 2010 2011 2012

Arbeitslosigkeit 49 51 64 69 72 76 54 52 67 41

AHV/Altersvorsorge 51 33 44 34 48 42 35 23 43 33

AusländerInnen 22 24 20 25 24 33 39 36 23 41

Flüchtlinge/Asyl 37 27 25 13 2513 16 25 19 29 34

EU/Integration 15 17 13 11 35 19 12 14 12 23

2008 2009 2010 2011 2012

FRANZÖSISCHE SCHWEIZ DEUTSCHSCHWEIZ

Frage: «Welches sind heute Ihrer Meinung nach die wichtigsten Sorgen der Schweiz?»

50 — Bulletin N° 6 / 2012 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Spezialauswertung 2 8. Zeitliche Veränderung der Sorgen mit Ausländern In den letzten vier Jahren haben die Sorgen im Zusammenhang mit den Ausländern und Auslän- Debatte um derinnen nach einer ebenso langen Phase der Beruhigung wieder deutlich zugenommen.

Zuwanderung EU/BILATERALE/PERSONENFREIZÜGIGKEIT/ INTEGRATION 45 45 43 AUSLÄNDER/INTEGRATION 41 FLÜCHTLINGE /ASYL Ein Drittel der Bevölkerung 39 36 37 35 sieht den µemenkomplex 34 36 31 32 30 «Ausländerfragen» als 32 30 28 24 27 26 23 wichtigstes Problem der 22 22 23 21 24 20 21 20 Schweiz. Tendenz: zunehmend. 18 18 19 19 18 1717 19 15 14 12 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Gegenwärtig leben in der Schweiz gut 1,7 Millionen Ausländerinnen und Frage: «Welches sind heute Ihrer Meinung nach die wichtigsten Sorgen der Schweiz?» Ausländer, was einem Bevölkerungs- anteil von 22 Prozent entspricht. In den letzten zehn Jahren stieg die An- zahl im Jahresdurchschnitt um etwas 9. Künftiges Zusammenleben mit Ausländern mehr als 30 000 Personen bei gleich- zeitig gegen 40 000 Einbürgerungen. Zwar befürchtet eine Mehrheit der Schweizer, das Verhältnis zu den Ausländern werde sich verschlechtern; die positive Einschätzung ist aber verbreiteter als in den Jahren zuvor. Seit 2007 hat sich die Zunahme im Zeichen der Personenfreizügigkeit 59 58 58 55 56 also rasant beschleunigt. 52 Die verstärkte Zuwanderung hat 37 40 34 33 Auswirkungen auf die Sorgenbarome- 30 31 ter-Resultate. Diese legen den Schluss 2007 2008 2009 2010 2011 2012 nahe, dass die Schweizer Bevölkerung VIEL BESSER/EHER BESSER VIEL SCHLECHTER/EHER SCHLECHTER bei der Personenfreizügigkeit o©en- Frage: «Wie geht es der Schweiz bezüglich des Zusammenlebens mit Ausländern in zehn Jahren?» sichtlich nicht nur positive Aspekte sieht. Das µema «Ausländerfragen» (Anzahl / Integration / Personenfrei- zügigkeit) gewinnt im Sorgenbarome- wieder zugenommen haben, und den AHV von 95 und die Förderung der ter bereits seit 2003 (Gra—k 2) konti- dadurch ausgelösten politischen De- Bildung von 94 Prozent als wichtig nuierlich an Bedeutung, 2012 erreicht batten setzen. eingestuft werden. es nun mit 37 Prozent (+ 1 Prozent- Die Einwanderung wird derzeit Um die aktuelle Situation besser punkt) eine absolute Höchstmarke und von 77 Prozent (− 2 pp) als ein Element einschätzen zu können, ist ein Blick in belegt zum zweiten Mal in Folge den wahrgenommen, welches die Schwei- die Zukunft aufschlussreich. Nur 3 zweiten Platz hinter der Arbeitslosig- zer Identität gefährdet (Gra—k 14). Prozent der Stimmbürger glauben, die keit bei den Problemen der Schweiz. Trotzdem glaubt nur gerade ein Zehn- folgenden Generationen hätten am Interessanterweise zeigt der µe- tel, dass daraus eine Fremdenfeind- meisten unter der Überfremdung zu menkomplex «Asyl/Flüchtlinge» in lichkeit resultiert, die ein Problem dar- leiden, Arbeitsmangel und Umwelt/ den letzten Jahren einen anderen Ver- stellt. Bei den 18- bis 19-Jährigen ist Klima werden als die grossen Proble- lauf als «Ausländerfragen»: Ausge- allerdings ein leicht erhöhter Wert me der Zukunft angesehen. hend von der absoluten Höchstmarke (14 %), bei den politisch Linksstehen- Das Zusammenleben mit den von 56 Prozent im Jahr 1999 ging die den ein signifikant höherer Wert Ausländern in zehn Jahren wird ziem- Kur ve im Zickzackkurs bis auf 17 Pro- (21 %) erkennbar. Gilt es die aktuellen lich neutral bewertet: 40 Prozent glau- zent (2009) hinunter. Dann stieg sie in politischen Ziele zu bewerten, wird die ben, dass es besser w ird, 52 Prozent ge- den letzten drei Jahren wieder an, zu- Integration der Ausländerinnen und hen von einer Verschlechterung aus. nächst leicht, im laufenden Jahr Ausländer von einer knappen Mehr- Im Vorjahr war die Di©erenz noch um sprunghaft von 21 auf 32 Prozent. heit als wichtig bezeichnet. Diese 55 13 Prozentpunkte höher gewesen. Dies lässt sich in Korrelation zur An- Prozent sind wenig, wenn man be- zahl der Asylgesuche, die zuletzt denkt, dass die Sicherstellung der

Bulletin N° 6 / 2012 — 51 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 10. Frage: «Sagen Sie mir bitte drei Dinge, wofür die Schweiz für Sie persönlich steht.»

Sicherheit/Frieden 20% (+5)

Neutralität 20% (+6)

Landschaft 15% (−6)

Uhren 10% (+1)

Patriotismus 10% (+4)

Ordnungsbewusstsein 9% (−12)

Schokolade 9% (+0)

Banken 8% (+4)

Heimat 8% (−2)

Wohlstand 8% (+6)

Freiheit, Meinungsfreiheit 7% (−2)

Selbstständigkeit 7% (+5)

Sauberkeit 7% (+1)

Schulsystem 7% (+2)

Qualitätsbewusstsein 7% (+4)

Erhebung 2012 (Veränderung zu 2011 in Prozentpunkten)

Aline Koller, 33, mit Sohn Ian Balthazar, 11 Monate, Lausanne VD, Psychotherapeutin «14 Wochen Mutterschaftsschutz sind einfach zu kurz für ein solch tiefgreifendes Lebensereignis. Es ist widersprüchlich, wie oft erwähnt wird, dass Kinder wichtig sind für das Land – und trotzdem eine Schweiz mit einem familienfreundlichen Elternschaftsurlaub 52 — Bulletin N° 6 / 2012 noch immer in weiter Ferne liegt.» Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Die Schweiz de—niert sich wieder als Sonderfall Die Schweizerinnen und Schweizer sind so stolz auf ihr Land wie noch nie. Das geht so weit, dass sie sich stärker mit der Nation als mit der eigenen Wohngemeinde identi—zieren. Der Patriotismus ist politisch schwer verortbar; die Linke ist stolzer auf die Schweiz als die Mitte.

86 Prozent der Stimmberechtig ten sind wenn sie sich nach wie vor auf einem stolz auf die Schweiz (Gra—k 11). Der sehr hohen Niveau bewegen (Gra—k 11. Schweizer Rekordwert von 2007 wird damit ega- 16). Zuoberst rangieren nun dicht hin- Nationalstolz lisiert; lediglich 11 Prozent der Bevöl- tereinander die Uhrenindustrie, der Erst einmal, im Jahre 2007, war der National- kerung sind nicht stolz auf ihr Land, so internationale Qualitätsruf, die star- stolz insgesamt so verbreitet wie heute. Aller- wenige wie nie zuvor. Zu diesem Resul- ken K M U, die sta rken Ma rken und die dings sind die «Sehr stolz»-Antworten um einige Prozentpunkte tiefer als im letzten Jahr. tat tragen die politisch eher Rechtsste- Maschinenindustrie. Den stärksten henden am meisten bei, von denen 58 Einbruch verzeichneten die Service-   20 Prozent sehr stolz auf die Schweiz sind. public-Unternehmen (− 16 Prozent- 12  2 In der politischen Mitte hingegen punkte) sowie das Bankkundenge-  01 1  scheint sich zunehmend Ernüchterung heimnis (− 10 pp).  breitzumachen; seit mittlerweile fünf Bei den fünf wichtigsten Stärken  Jahren geht es leicht abwärts. Interes- des Landes ergeben sich gegenüber  sant ist, dass gleichzeitig ein Gegen- dem Vorjahr ebenfalls leichte Ver- trend am linken Spektrum feststellbar schiebungen zugunsten der Politik ist: Seit 2005 stieg hier der National- (Gra—k 12). An der Spitze liegen die   stolz um 24 Prozentpunkte und er- Neutralität (+ 4 pp) und die Bildung reicht nun erstma ls einen höheren Wer t (+ 6 pp), deren Wert sich seit 2006 fast als bei den Mittewählern (Gra—k 11). verdoppelt hat. Hoch gewichtet wer- SEHR STOLZ WEISS NICHT den auch die Mitspracherechte (+ 5 pp). EHER STOLZ EHER NICHT STOLZ ÜBERHAUPT NICHT Politik mit mehr Gewicht Demgegenüber erleidet die Schweizer STOLZ Dieser Nationalstolz gründet 2012 Qualität, während Jahren ganz zu- weit stärker als im Vorjahr auf politi- oberst platziert, einen massiven Wert- La Suisse existe. Der Nationalstolz bei der schen Komponenten (Gra—k 15). Zu- schätzungseinbruch (− 17 pp). Es fol- politischen Linken hat kontinuierlich zuge- nommen. Ob er wirklich verbreiteter ist als oberst stehen dabei Neutralität und Ei- gen Frieden (+ 2 pp) sowie Ordnung in der Mitte, wird erst die Zukunft weisen. genständigkeit. Die Volksrechte und und Sauberkeit (+ 11 pp), ein Begri©s-  die Mitsprachemöglichkeiten erzielen paar, das nach einem kontinuierlichen    ebenfalls hohe Werte. Betrachtet man Bedeutungsverlust nun wieder einen  allein die Zuwachsrate, so stechen ei- Sprung nach oben macht. Zu den mas- nem die Bundesverfassung einerseits siv abgewerteten Stärken zählen auch   und das Milizsystem anderseits ins die Stabilität (− 10 pp) und vor allem     Auge. Alles in allem sind sich die das Zusammenleben der Kulturen   Schweizer wieder vermehrt und mit (− 17 pp), während nun plötzlich auch  

Stolz der politischen Sonderlösungen das Gesundheitswesen (+ 9 pp) zu den      ihres Landes bewusst. wichtigsten Stärken des Landes ge - LINKS MITTE RECHTS Lagen in den letzten Jahren die zählt wird. Noch letztes Jahr haben die wirtschaftlichen Werte eher höher als Schweizer das zu komplizierte und Frage: «Sind Sie stolz, Schweizer oder Schweizerin zu sein?» In der unteren Gra—k die politischen, so sind sie 2012 fast zu teure Gesundheitswesen als die ist der Anteil «Sehr stolz»-Antworten ausnahmslos zurückgegangen, auch Hauptschwäche der Schweiz geortet. dargestellt.

Bulletin N° 6 / 2012 — 53 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Wie aber de—niert der Souverän im Jahr 2012 die Schweiz? Als Bollwerk 12. Die Stärken der Schweiz in der Brandung, könnte man viel- Neben der Neutralität wird neu die Bildung als wichtigste Stärke der Schweiz angesehen. Seit leicht sagen, als Sonderfall, wo Sicher- 2003 (23%) hat sich ihr Anteil fast verdoppelt. Demgegenüber erlitt die Schweizer Qualität, heit, Frieden und Neutralität nach wie 2009–2011 deutlicher Spitzenreiter, einen massiven Einbruch. vor eine Selbstverständlichkeit sind, Neutralität 41 (+4) während sonst in allzu vielen Ländern Bildung 41 (+6) Unruhe und Unsicherheit vorherr- Mitspracherecht 38 (+5) schen (Seite 52). Dies schliesst keines- wegs aus, dass man nicht Schwächen Schweizer Qualität 33 (–17) ausmerzen muss; aber Hilfe ist nicht Frieden 30 (+2) von aussen, von der kriselnden EU (+11) oder den USA zu erwarten, sondern Ordnung und Sauberkeit 30 muss letztlich selbst geleistet werden. Stabilität 25 (–10) Sicherheit/Frieden (+ 5 pp) und Gesundheitswesen 25 (+9) Neutralität (+ 6 pp), im Vorjahr auf den VERÄNDERUNG ZUM VORJAHR IN KLAMMERN IN PROZENTPUNKTEN Plätzen 4 und 5, sind nun also gemein- 2012 2011 sam an der Spitze. Die Landschaftsas- Frage: «Welches sind für Sie die fünf wichtigsten Stärken der Schweiz?» soziationen sind dementsprechend et- was in den Hintergrund getreten: Die

Landschaft (− 6 pp) wird zwar noch 13. Wo sich die Schweizer zugehörig fühlen6 2 01 weit vorne eingereiht, der verwandte 6 2 Erstmals fühlen sich mehr Stimmbürgerinnen 2 6 2 2 01 2 Begri© Berge/Alpen (− 10 pp) —guriert 1 0132 und Stimmbürger der Schweiz zugehörig als 6 14 20 2 jedoch unter ferner liefen. Uhren und ihrer Wohngemeinde. Von einem Trend der 13 2 2 2 01 Schokolade hingegen verkörpern nach Entfremdung gegenüber dem Wohnort kann 1 32 man aber nicht sprechen. 14 20 wie vor die traditionellen Schweizer 13 18 Spezialitäten. Der Patriotismus (+ 4 pp) Frage: «Zu welcher geogra—schen Einheit fühlen Sie sich in erster Linie zugehörig?» hat die etwas neutraleren Begriffe 18 Heimat (− 2 pp) und Tradition (− 3 pp) 18 44

überholt. SCHWEIZ WELT WOHNGEMEINDE EUROPA 18 4425 WOHNKANTON WELT Gemeinde unter Druck SCHWEIZSPRACHREGION WOHNGEMEINDE EUROPA 25 Die Schweizerinnen und Schweizer WOHNKANTON haben sich noch nie in erster Linie als SPRACHREGION Weltbürger oder als Europäer gefühlt. 14. Gefährdung der Schweizer Identität Trotz einem kleinen Anstieg gegen- über dem Vorjahr bleiben die Werte Der Schweizer Identität droht, nicht überraschend, vor allem von aussen Gefahr: Einwanderung und internationale Ö©nung. Eine Mehrheit des Souveräns stellt aber auch einen übertriebenen sehr tief. Beim Heimatstolz hat sich Egoismus fest, und auch die politischen Reformen müssen schneller vorangetrieben werden. hingegen eine bemerkenswerte Ver-   schiebung ergeben (Gra—k 13). Erst-   ma ls identi—zier t man sich nicht in ers-   ter Linie mit der Wohngemeinde,   sondern mit dem Land als Ganzes.  In den letzten Jahren hat der     Dr uck auf die Gemeinden, aus —nanzi-  ellen und verwaltungstechnischen      Gründen eine Fusion ernsthaft in Er-    wägung zu ziehen, laufend zugenom-   men. Seit 1990 hat die Zahl der Ge-  meinden bereits um 526 auf knapp      2500 abgenommen. Dies könnte das EINWANDERUNG INTERNATIONALE ÖFFNUNG EGOISMUS Identi—kationsgefühl genauso verrin- REFORMSTAU POLARISIERUNG gern wie die verstärkte Mobilität in Frage: «Durch welche Ursache sehen Sie die Schweizer Identität gefährdet (sehr/eher gefährdet Bezug auf Wohnsitz und Arbeitsplatz. – keine Antwort – eher/überhaupt nicht gefährdet)?»

54 — Bulletin N° 6 / 2012 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Dennoch hatte sich der Absturz um 19 Schweizer Politik gegenüber dem Aus- Blickt man zehn Jahre voraus, so ge- Prozentpunkte auf den bislang tiefsten land mehrheitlich eine o©ensivere Po- hen die Schweizerinnen und Schwei- Wer t nicht abgezeichnet. Pro—tier t hat litik w ünschen (72%), während nur ein zer davon aus, dass sich die Zusam- davon vor allem die Schweiz (+ 12 pp). knappes Viertel (22%) zu mehr Vor- menarbeit der wichtigsten politischen Die selbstbewusste Haltung der sicht rät. Im Vergleich zum Vorjahr hat Parteien und auch die Umweltbelas - Schweizer widerspiegelt sich in der sich diese Schere um 6 weitere Pro- tung verbessern werden. Das Zusam- Beurteilung des eigenen Ansehens im zentpunkte geö©net. menleben mit der ausländischen Be- Ausland sowie bei der Frage, wie die Die schweizerische Identität völkerung bleibt einigermassen Schweizer Politik gegenüber dem Aus- wird, wie bereits die letzten Umfragen konstant (leicht negativer Wert), hin- land auftreten sollte. Insgesamt 83 aufgezeigt haben, vor allem von aussen gegen wird bei der Altersstruktur der Prozent der Stimmbürger sind der A n- bedroht (Gra—k 14). Als weniger gra- Gesellschaft und bei der Verbreitung sicht, dass im Ausland das Image der vierend wird dabei die internationale der Armut von einer Verschlechte- Schweiz gut oder sogar sehr gut ist Öffnung angesehen, die man aktiv rung ausgegangen. Die Frage, woran (Gra—k 17). Diese Werte entsprechen steuern kann, während man den Prob- die kommenden Generationen zu lei- ziemlich genau jenen der letzten drei lemen der EU und vor allem auch der den hätten, ergibt ein leicht anderes Jahre. Dementsprechend f ällt die Ant- Einwanderung – trotz dem positiven Bild: Arbeitsmangel und Umweltbe- wort darauf, ob sich das Image verbes- Aspekt des Zuzugs von Fachkräften – lastung, mit einigem Abstand gefolgt sert oder verschlechtert habe, neutral weitgehend passiv ausgeliefert ist. Den von Armut und Sicherung der Alters- aus (35% Verbesserung, 36% Ver- innenpolitischen Faktoren wird seit vorsorge. Die restlichen Faktoren wie schlechterung). Kritischen Medienbe- zwei Jahren wieder höheres Gefähr- Überfremdung, soziale Ungleichheit, richten wird offensichtlich weniger dungspotenzial zugemessen: Am Überalterung oder Finanzen fallen Gewicht beigemessen als der real er- schlimmsten wird der Egoismus hingegen kaum ins Gewicht. lebten Situation, welche die Attrakti- (+ 10 pp) beurteilt, doch nach wie vor v ität der Schweiz zum Beispiel a ls Ein- sieht die Hälfte der Bevölkerung auch wanderungsland bezeugt. Und weil im politischen Reformstau und in der dem so ist, würde man sich von der Polarisierung ein Problem.

15. Stolz auf Merkmale 16. Stolz auf Merkmale 17. Hohes Ansehen im der Politik der Wirtschaft Ausland

Die Neutralität hat seit 2006 (82%) laufend an Trotz leichten Einbussen werden die wirtschaft- 83 Prozent der Bevölkerung gehen davon aus, Akzeptanz gewonnen. Klare Veränderungen lichen Merkmale weiterhin höher als die politi- dass das Image der Schweiz im Ausland sehr gibt es auch bei Bundesverfassung (+ 10 pp) und schen eingestuft. Vorne hat die Uhrenindustrie oder zumindest eher gut ist. Dieser Wert hat Zusammenleben der Sprachregionen (− 16 pp). den internationalen Qualitätsruf abgelöst. sich in den letzten vier Jahren nicht verändert.

Neutralität 94 (+1) Uhrenindustrie 93 (–5) 1 13 20 12 Eigenständigkeit 92 (–3) Internationaler Qualitätsruf 91 (–8) 22 20 8 11 3 20 8 1 Volksrechte (u.a. Referendum) 88 (–4) Erfolgreiche KMU 91 (–7) Neutralität 41 (+4) Bundesverfassung 88 (+10) Starke Schweizer Marken 90 (–7) Bildung 41 (+6)

FöderalismusMitspracherecht 87 (+2) Maschinenindustrie38 (+5) 89 (–2) Schweizer Qualität 33 (–17) 63 Zusammenleben Sprachgruppen 79 (–16) Forschung 84 (–2) Frieden 30 (+2) 61 Regierung, in der alle grossen Innovationskraft 82 (–4) ParteienOrdnung vertreten und Sauberkeit sind 77 (+1) 30 (+11) SEHR GUT WEISS NICHT/ EHER GUT KEINE ANTWORT 25 (–10) EHER SCHLECHT Stabilität (–2) Sozialpartnerschaft zwischen Pharmaindustrie 82 SEHR SCHLECHT (+3) UnternehmernGesundheitswesen und Gewerkschaften 7125 (+9)

2012 2011 VERÄNDERUNG ZUM VORJAHR IN KLAMMERN IN PROZENTPUNKTEN

Frage: «Gibt es Dinge der schweizerischen Frage: «Gibt es Dinge der Schweizer Wirtschaft, Frage: «Wie ist Ihrer Meinung nach das Ansehen Politik, auf die Sie besonders stolz sind (sehr/ auf die Sie besonders stolz sind (sehr/ziemlich der Schweiz im Ausland?» ziemlich stolz)?» stolz)?»

Bulletin N° 6 / 2012 — 55 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

«Ich will das Ansehen der Politik und der Parteien stärken» Die kommende Nationalratspräsidentin und höchste Schweizerin Maya Graf freut sich über das kostengünstigste und e¹zienteste Parlament der Welt. Jetzt will die grüne Politikerin den havarierten Ruf der demokratischen Institutionen verbessern. Interview: Urs Reich, Andreas Schiendorfer

Frau Graf, mit Ihnen bekleidet bereits Regelungen sollen für Investitionssi- men in ganz Europa. Grundsätzlich zum dritten Mal in Folge ein Vertreter cherheit sorgen, für die Unterneh- ist es mir ein Anliegen, dass wir des Bauernstandes das höchste politische men, aber auch für Privatpersonen, der Berufslehre das nötige Gewicht Amt der Schweiz. Sind Landwirte für die mit Gebäudesanierungen und beimessen. Wir müssen nicht nur eine politische Führungsrolle besonders Solaranlagen einen Beitrag zum im akademischen Bereich eigene geeignet? Umweltschutz leisten möchten. Bei Fachkräfte ausbilden. Wenn uns MAYA GRAF: Vorausschicken muss ich, den Finanz- und Steuerfragen gilt es, das gelingt, sind wir auch nicht im dass ich gelernte Sozialarbeiterin bin endlich reinen Tisch zu machen, gleichen Ausmass auf den Zuzug und auch auf diesem Beruf gearbeitet Weissgeldstrategie und Steuergerech- quali—zierter Arbeitskräfte aus dem habe. Seit 12 Jahren bewirtschaften tigkeit müssen die Schweiz in Zu- Ausland angewiesen. Dass die Al- wir nun in einer Hofgemeinschaft tersvorsorge mit Besorgnis betrachtet den elterlichen Hof. Doch zur eigent- wird, ist psychologisch zwar ver- lichen Frage: Die bäuerliche Basis ist «Ich —nde es sehr ständlich, aber zum Glück im Mo- seit je sehr politisch und zudem gut ment relativ unbegründet. organisiert. Das hat sicher auch damit erfreulich, dass zu tun, dass die Agrarpolitik ein wir die Heimatliebe Die Unterschiede in der Problemwahr- wichtiger Teil der Bundespolitik ist nehmung in den Sprachregionen sind und die Landwirtschaft damit direkt nicht einfach der gross. Gibt es den Röstigraben doch? von dem betro©en ist, was in Bern Rechten überlassen.» MAYA GRAF: Nein. Die französische entschieden wird. Hinzu kommt, und italienische Schweiz und die dass die Landwirtschaft ein hohes Deutschschweiz ergänzen sich auf Ansehen und Vertrauen geniesst. kunft auszeichnen. Besonders wichtig ideale Weise. Die Romands verlangen Vielleicht traut man uns auch des- ist für mich die Raumplanung und vom Staat ein grösseres Engagement. wegen zu, das Parlament über die die geordnete Siedlungsentwicklung. Diese Sensibilität für soziale Fragen Parteigrenzen hinweg zu vertreten. In Wir haben zu lange der Zersiedelung scha©t einen guten Ausgleich zu den der Herkunft meiner beiden Vorgän- der Landschaft durch Wohn- und manchmal extremen Privatisierungs- ger und mir spiegelt sich übrigens Infrastrukturbauten zugeschaut. Es forderungen aus der Deutschschweiz. die grosse Vielfalt in der heutigen gilt, verdichtet zu bauen, die Städte Wenn wir aber von einem Rösti- Landwirtschaft wider: Jean-René zu attraktiven Wohn- und Arbeits- graben sprechen, dann verläuft dieser Germanier (FDP) ist der West- welten aufzuwerten und das Kultur- mitten durch meine Heimat. In schweizer Weinbauer, Hansjörg land und unsere einzigartigen Natur- der Region Basel stimmen wir meist Walter (SVP) der Vertreter des eher landschaften um jeden Preis zu ähnlich wie die Westschweiz. klassischen Bauernstandes aus der schützen. Ostschweiz, und ich bin die Bio- Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass bäuerin der Grünen aus dem Jura. Das Sorgenbarometer zeigt aber, dass die politische Linke erstmals mehr die Bevölkerungsmehrheit die Akzente Nationalstolz zeigt als die Mitte? Welches sind für Sie die drei Haupt- anders setzt. MAYA GRAF: Ich —nde es sehr erfreulich, sorgen der Schweiz? MAYA GRAF: Die Arbeitslosigkeit ist dass wir die Heimatliebe nicht MAYA GRAF: Im nächsten Jahr müssen ein Dauerthema, obwohl die Situati- einfach der Rechten überlassen. Wir die Weichen für die Energiewende on in der Schweiz sehr stabil ist. Aber haben verschiedene politische Errun- gestellt werden. Klare gesetzliche wir wissen natürlich von den Proble- genschaften in der Schweiz, auf die

56 — Bulletin N° 6 / 2012 Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

Schweiz zur EU klären, die bilatera- len Verträge analysieren und mögli- che Verbesserungen und weitere Verträge gezielt anstreben, ohne uns unter Druck setzen zu lassen.

Die Ausländerfrage ist, auch wegen des Zuzugs hochquali‘zierter Arbeitskräf- te, von zunehmender Problematik. MAYA GRAF: Wir wollten, dass sie kommen. Jetzt sind sie da. Das ist ein Dilemma, mit dem wir leben müssen. Wichtig dabei ist, dass die ±ankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit eingehalten werden. Schwarzarbeit in all ihren Formen muss systematisch bekämpft, Gesamtarbeitsverträge müssen eingehalten werden. Ich bin über- zeugt, dass die Schweiz, die seit über 100 Jahren ein Einwanderungsland ist, die nötige Integrationskraft besitzt und davon wirtschaftlich und gesellschaftlich pro—tiert. Schauen Maya Graf (1962), Sozialarbeiterin und Biobäuerin, wurde 2001 für wir nur unsere junge Fussballnatio- die Grünen Baselland in den Nationalrat gewählt, den sie im Jahr 2013 nalmannschaft an, in der viele Spieler präsidiert. Sie gehört der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur an sowie den parlamentarischen Gruppen Tierschutz, Tibet mit Migrationshintergrund eine und Sport (Damen). Darüber hinaus engagiert sie sich bei Swissaid, Schlüsselposition einnehmen und für Hochstamm Suisse sowie in der Schweizerischen Greina-Stiftung unsere Schweiz erfolgreich kämpfen. zur Erhaltung der alpinen Fliessgewässer und in der Stiftung Basel- Olsberg für Menschen mit Behinderung. www.mayagraf.ch Ihr Hauptziel als Nationalrats- präsidentin? MAYA GRAF: Nach über 20 Jahren reiner wir alle, unabhängig von unserer die Arbeitgeberorganisationen hatten Parteipolitik —nde ich es bereichernd, politischen Einstellung, sehr stolz in den letzten Jahren an Vertrauen als Vertreterin einer Nicht- sein dürfen. Wir Linke sind ebenfalls gewonnen. Deshalb würde ich den Regierungs partei die Vielfalt unseres sehr stolz auf unsere Demokratie aktuellen Einbruch nicht überbewer- politischen Systems und den Konsens mit ihrem System des Ausgleichs ten. Generell ist es natürlich so, aller repräsentieren zu dürfen. Es ist und nicht des Ausschlusses. dass man Vertrauen verliert, wenn mir ein zentrales Anliegen, das man die Erwartungen nicht erfüllt. Ansehen der Politik und der Parteien Die Entscheidungsträger – dieses Jahr zu stärken. Die Bevölkerung soll vor allem die Medien und die Wirt- Warum stehen die Schweizer der Vertrauen haben können in ihre schaftsverbände – leiden unter einem Europäischen Union und dem Euro so demokratischen Institutionen. Wir Vertrauensverlust. skeptisch gegenüber? haben einen gut funktionierenden MAYA GRAF: Die Medienvielfalt ist ein MAYA GRAF: Ich denke, dass wir Bundesrat, und wir haben ein gutes hohes Gut, das zuletzt immer mehr in Politikerinnen und Politiker in dieser Parlament, übrigens das kosten- Frage gestellt wurde. Letztlich Frage in zweifacher Hinsicht gefor- günstigste und e¹zienteste der Welt. bestimmen nur noch wenige Medien- dert sind. Einerseits darf es einfach Ich erlebe sehr viele engagierte konzerne den Kurs, wobei die Ver- nicht sein, dass wir Schweizer uns Politikerinnen und Politiker unter der mischung von Informations- und nicht als Europäer fühlen, obwohl Bundeshauskuppel, die Lösungen für Unterhaltungskonzern ganz beson- wir mitten in Europa leben und die Probleme unseres Landes suchen ders heikel ist. Hinzu kommt die existenziell davon abhängig sind, wie wollen und nicht nur das Schein- zunehmende Gefahr der Ober±äch- es diesem Europa geht. Anderseits werferlicht der Medien, wie das gerne lichkeit. Die Gewerkschaften und müssen wir das Verhältnis der gegen aussen dargestellt wird.

Foto: Jürg Waldmeier Bulletin N° 6 / 2012 — 57 — Identität — «Ich bin und war immer glücklich, Schweizer zu sein» Der Tessiner Intellektuelle und Schillerpreisträger über den Kern der eidgenössischen Identität, das angespannte Verhältnis seines Kantons zu den anderen Landesteilen und den EU-Beitritt. Von Sandro Benini

58 — Bulletin N° 6 / 2012 Foto: Adrian Baer / NZZ — Identität —

Herr Orelli, Sie haben vor fünfzehn Jahren Deutschschweizer Gymnasien be—ndet in einem Interview gesagt, die Tessiner sich Italienisch als Schulfach im Rück- hätten zu den Romands so gut wie keinen zug, und Deutschschweizer Politiker Kontakt, während die Deutschschweizer im beschwören die Bedeutung der italieni- südlichen Kanton eher unbeliebt seien. schen Kultur und den Respekt vor Haben sich die Zustände seither gebessert? kulturellen Minderheiten heute eher an Ich kann mich nicht an jenes Interview 1.-August-Reden herauf, als dass sie erinnern, darum kann ich auch nicht wirklich daran interessiert wären. sagen, ob sich die Lage seither verbessert hat. Aber unsere Beziehungen zu den Ist der Tessiner Dialekt für die Identität Deutschschweizern sind sowohl qualitativ des Tessins auch so wichtig wie Schweizer- als auch quantitativ besser als jene zu deutsch für die Deutschschweiz? unseren Cousins aus der Romandie. Ich Nein, Schweizerdeutsch hat historisch habe allerdings das Gefühl, das Verhältnis betrachtet eine andere Bedeutung, weil es zwischen dem Tessin und der Deutsch- ein wichtigeres Instrument war, um sich schweiz ist heute etwas schlechter als noch gegen die Nazibarbarei abzugrenzen, als vor dreissig oder vierzig Jahren. der Tessiner Dialekt gegen den italieni- schen Faschismus. Ich schreibe ab und zu Woran liegt das? aus musikalischen, linguistischen oder Ein Grund ist die schwindende Bedeu- literarischen Gründen Tessiner Dialekt, tung der italienischen Sprache innerhalb aber nicht aus Abneigung gegen die Europas. Das hat mit politischen und Lombardei, und schon gar nicht gegen ökonomischen Entwicklungen zu tun, die italo-mediterrane Kultur. Und wenn auf die ich nicht eingehen will. Und mit ich mich mit meinem Cousin Giorgio einer Schwächung der italienischen Orelli tre©e – ebenfalls ein Literat –, Kultur in der ganzen westlichen Welt. dann reden wir immer Tessiner Dialekt, Wenn französische, deutsche oder engli- selbst wenn das µema Jakobson oder sche Autoren über die europäische Auerbach heisst. Kultur schreiben, vergessen sie unglaubli- cherweise die italienische fast immer. An Im Credit Suisse Sorgenbarometer wurden Schweizer Stimmbürger gebeten, ihre grösste Sorge zu nennen. Was glauben Sie kam dabei heraus? Giovanni Orelli wurde 1928 in Bedretto Keine Ahnung. Aber wahrscheinlich ist geboren, einer entlegenen Tessiner es die Sorge darüber, was in der Welt Gemeinde, später studierte er in Mailand passiert, der Kon±ikt zwischen der und Zürich mittelalterliche Philologie. westlichen Zivilisation und dem Islamis- Jahrzehntelang unterrichtete er an der mus beispielsweise. Mein privates Gefühl Kantonsschule in Lugano Italienisch. Während einer Legislaturperiode war er gegenüber den Ländern des Nahen, Abgeordneter der Sozialdemokratischen Mittleren und auch des Fernen Ostens ist Partei im Tessiner Kantonsparlament. von grosser Unsicherheit geprägt. Ich Seine literarische Karriere begann 1965 bin neugierig, versuche mich zu infor- mit dem Roman «L’anno della valanga» mieren und mit gesundem Menschenver- («Das Jahr der Lawine»). Als Orellis stand nachzudenken, aber in vielen Hauptwerk gilt der Roman «Walaceks Fällen fühle ich mich schlicht k.o. Traum», laut «NZZ» «eine Liebeserklärung an das Land und seine Leute und eine aufwühlende Re±exion auf die dunklen Die häu‘gste Antwort war: Angst vor Regionen seiner Geschichte». Sein Œuvre Arbeitslosigkeit. Ist das nicht seltsam in umfasst auch Lyrik, darunter Gedichte einem Land, in dem es fast keine Arbeits- in Tessiner Dialekt. Giovanni Orelli ist losen gibt? der Cousin des Poeten . Ge- Ich —nde das verständlich. Wenn ein meinsam mit hat Giovanni Fünfzigjähriger arbeitslos wird, hat er Orelli 2012 den Schillerpreis erhalten, die wichtigste literarische Auszeichnung, es heutzutage auch in der Schweiz die in der Schweiz vergeben wird. sehr schwer, wieder eine Stelle zu —nden. Daraus entwickeln sich manchmal

Bulletin N° 6 / 2012 — 59 — Identität —

persönliche und familiäre Tragödien. Zivilisation mag auch ihre egoistischen gewichen, weil Europa in einer existenziel- In Italien häufen sich wegen der Wirt- Aspekte haben, aber für mich haben die len Krise steckt und die Idee der ֘nung schaftskrise die Selbstmorde, sogar positiven Seiten immer überwogen. Ich dadurch ihren Reiz verloren hat. in der Mittelschicht. habe an einem Gymnasium vierzig Jahre Vor einiger Zeit war ich der Meinung, lang italienische Sprache und Literatur die Schweiz müsse sich gegenüber Europa Schriftsteller und Intellektuelle haben die gelehrt. Aber wenn man mich fragen ö©nen. Es schien mir richtig, einen mu- Schweiz früher oft als langweiliges und würde, ob ich nicht lieber Italiener wäre, tigen, vielleicht etwas utopischen Beitrag enges Land beschrieben, dem jede tragische würde ich antworten: nein, auf keinen an dieses zunächst europäische und später Dimension abgehe und aus dem man Fall. Ich will Schweizer bleiben. vielleicht weltweite Ideal der Solidarität —iehen müsse, um sich künstlerisch zu zu leisten. Aber angesichts der Laster der verwirklichen. Welches ist der Kern der Schweizer Globalisierung, der EU und vor allem Diese Meinung habe ich nie geteilt. Identität? der Politiker hat sich meine Haltung Der beste Gegenbeweis ist, dass zwei Werte wie Freiheit, Toleranz und friedli- beträchtlich abgeschwächt. Was die EU Menschheitsgenies wie Kant und ches Zusammenleben. Es sind Tugenden, in den letzten Monaten und Jahren Sokrates ihre kleine Heimatstadt nie die aus ausländischer Sicht Respekt und vorgeführt hat, ist nicht sehr ermutigend. verlassen haben. Die Grösse eines Men- Bewunderung verdienen. schen liegt nicht nur im Reisen. Aber Soll die Schweiz der EU beitreten? eine ähnliche Argumentation kenne ich Im Moment nicht. Aber in zwei, fünf seit meiner Studienzeit, als mir italieni- oder zehn Jahren muss die Diskussion sche Kommilitonen sagten: Ihr Schweizer vielleicht erneut aufgegri©en werden. wisst nicht, was Gewalt, Krieg, der Tod und das Töten bedeuten. Darauf antwor- Lesen Sie zeitgenössische Schweizer tete ich jeweils: Um einen Gedanken über Autoren? den Krieg auszudrücken, brauche ich «Deutschschweizer Ja, ziemlich häu—g. Vor allem einige nicht persönlich in die Dimension des sind langweiliger, aber Deutschschweizer Autoren verfolge ich Krieges einzutreten – was im Grunde ein resistenter gegenüber mit Bewunderung und Zustimmung. Mangel an Fantasie ist, wie Kafka richti- Zum Beispiel habe ich mehrere Erzäh- gerweise sagte. Es ist absurd, uns dafür politischer Demagogie.» lungen von Pedro Lenz begeistert gelesen. zu schämen, dass wir seit der Schlacht bei Ich denke aber auch an Peter Stamm, Marignano friedliebend sind und dank an , an und unserer Neutralität von den Gräueln des viele andere. letzten Jahrhunderts verschont blieben. Der Aufbruch ist ein zentrales Motiv der Sie haben nie darunter gelitten, Schweizer Kürzlich hat der Sohn des Lega-Gründers neueren Schweizer Literatur. Sie haben ein zu sein? Giuliano Bignasca gesagt, er ho˜e, bald Ihre Leben lang in Lugano gewohnt. Warum Nein, nie, absolut nicht. Ich bin und war Todesanzeige in der Zeitung zu lesen. Sind eigentlich? immer glücklich und stolz, Schweizer zu die Schweizer Urtugenden durch rechtspo- Weil ich mich geirrt habe. Ich bin keines- sein. Und dies nicht nur aus pragmati- pulistische Hetze gefährdet, im Tessin und wegs verliebt in Lugano, ich —nde die schen Gründen, wie es eine Figur in anderswo? Stadt verglichen mit Mailand oder Zürich «Die Verlobten», dem wichtigsten Werk Es gibt diese Phänomene, aber ich ver- eher langweilig. Wenn ich ein zweites des italienischen Autors Alessandro traue auf das Verantwortungsbewusstsein Leben bekäme, würde ich mich um einen Manzoni, sagt: Heimat ist dort, wo es des Schweizer Volkes. Mein Vertrauen unau©älligen Job im Schweizer Konsulat einem gut geht. Sondern auch, weil in die Deutschschweizer ist diesbezüglich in New York bemühen. Manhattan ist ich die schweizerische Zivilisation, die übrigens etwas grösser als jenes in die einer der schönsten Orte der Welt. Kultur des Ausgleichs und des friedlichen italienische Schweiz. Zusammenlebens bewundere. Diese Warum? Weil die Deutschschweizer seriöser sind – vielleicht auch methodischer, pedanti- Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 scher und meinetwegen langweiliger, aber resistenter gegenüber jeder Form von politischer Demagogie. 86der Stimmber% echtigten sind stolz darauf, Schweizerin bzw. Schweizer Die linke Kritik an der Bünzli-Schweiz ist zu sein. heute einer Art progressivem Patriotismus

60 — Bulletin N° 6 / 2012 — Swiss List —

Die Schweiz in Zahlen (3/4) Zehn Bahnrekorde

Japan Schweiz Seikan 1. Mit 2258 Kilometern pro Person (2010) sind Gotthard die Schweizer vor den Japanern Weltmeister im Vereina Zugfahren. Bei der Anzahl Fahrten liegen wir hinter Japan auf Rang zwei. 2. Auch bei den Tunnels gibt’s ein Kopf-an- Kopf-Rennen mit den Japanern: Im Moment ist der Seikan (54 km) der längste – ab Ende 2016 wird es der Gotthard-Basistunnel (57 km) sein. Der längste Schmalspurtunnel der Welt ist der Vereina (19 km).

3. Der höchste Bahnhof Europas liegt auf dem Jungfraujoch (3454 m). Der höchste mit einer Seilbahn erreichbare Ort Europas ist das Klein Matterhorn (3883 m).

4. Die steilste Zahnradbahn der Welt ist die 5. Die Berninabahn ist wunderschön angelegt – Pilatusbahn ab Alpnachstad: Auf einer Länge zusammen mit der Albulabahn gehört sie zum Unesco- von 4618 Metern überwindet sie 1635 Meter Weltkulturerbe. Ausserdem hält sie einen Europa- Höhendi©erenz. Sie erreicht eine Steigung von rekord: Keine andere Bahn kommt ohne Zahnrad so bis zu 48 Prozent. hoch hinauf (Ospizio Bernina, 2253 m).

6. Die SBB haben die höchste Netznutzungs- eŸzienz der Welt: Über jeden Schienenabschnitt 7. Die erste Zahnradbahn (und überhaupt die fahren im Schnitt jeden Tag etwa 95 Züge. erste Bergbahn) Europas war die Vitznau-Rigi- Bahn, die 1871 in Betrieb genommen wurde. Die längste durchgehende europäische Zahnrad- bahn ist mit 19 Kilometern die Wengernalpbahn von Lauterbrunnen über die Kleine Scheidegg nach Grindelwald.

128 m

99 % 1 km¾ 8. Als erste Bahn der Welt führten die SBB 9. Zwei Europarekorde bei den Standseil- 10. 99 Prozent des Schweizer Bahnnetzes sind 1982 ±ächendeckend den Taktfahrplan ein. bahnen: Die steilste ist die Gelmerbahn am elektrižziert – Weltrekord. Mit einer Betriebs- Heute gilt er mit wenigen Ausnahmen für alle Grimselpass (106 Prozent Steigung), die länge von etwa 128 Metern pro Quadratkilome- Bahn- und Postautolinien. längste führt von Sierre nach Crans-Montana ter haben wir ausserdem das dichteste Schie- (4,2 km). nennetz Europas.

Von Matthias Plüss, 1kilo (Illustration) Bulletin N° 6 / 2012 — 61 — Image —

Der Aussenblick

Welche Rolle spielt die Schweiz als internationales Fotosu- jet? Man denkt ans Matterhorn – den meistfotogra—erten Berg der Welt –, an knipsende asiatische Touristen auf der Kapellbrücke oder an Postkarten aus dem Lavaux, dem Unesco-Welterbe am Genfersee. nternational renommierte Fotografen jedoch zeigen eine andere Schweiz, wie die Aufnahmen im nachfolgenden Bildessay zeigen. Die Aussensicht beginnt zeitlich in denI dreissiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Herbert Lists Liebeserklärung an die Schweizer Seenland- schaft und an die jungen Männer. Das jüngste Bild der Reihe stammt aus der preisgekrönten Langzeitbetrachtung des Zürcher Paradeplatzes von Mark Henley, einem Engländer, der in der Schweiz lebt. Und mittendrin ein kleiner Snack: Der Foto-Satiriker Martin Parr entdeckte 1997 die gegrillte Kalbsbratwurst als Sujet. Zusammengestellt wurde der Bild- essay von den Bulletin-Bildredaktoren Andreas Wellnitz und Maria Leutner. in Gedicht von Jorge Luis Borges beschliesst diese künstlerische Aussensicht. Der argentinische Poet (1899 – 1986) verbrachte grosse Teile seiner Jugend in Eder Romandie. Er starb in Genf, wo er heute begraben ist. «Los conjurados» («Die Verschworenen») ist eine Ode an die Willensnation Schweiz, die er als Vorbild für eine Weltge- meinschaft sah.

Die Redaktion

Credit Suisse Sorgenbarometer 2012

83sind der% Ansic ht, dass das Ansehen der Schweiz im Ausland hoch ist.

62 — Bulletin N° 6 / 2012 — Image —

VINCENT FOURNIER †FRANKREICH‰

SCHILTHORN Das Bild stammt aus Fourniers erstem Fotoband «Tour Operator», der an Jules Vernes Buch «In 80 Tagen um die Welt» angelehnt ist und die «gezähmte Natur» rund um die Welt zeigen soll. Der Kunst- fotograf Vincent Fournier, 42, ist in Ouagadougou (Burkina Faso) geboren. Dieses Bild schoss er 2004.

Bulletin N° 6 / 2012 — 63 — Image —

MARTIN PARR †ENGLAND‰

ZÜRICH Der englische Starfotograf Martin Parr, 60, provoziert gerne mit seinen Bildern. 1994 wurde er Mitglied bei der renommierten Agentur «Magnum Photos» – gegen den vehementen Widerstand einiger Mitglieder. Heute ist er weitherum anerkannt und hat grossen Ein±uss auf die zeitgenössische Fotogra—e. Das Bild wurde 1997 aufgenommen.

64 — Bulletin N° 6 / 2012 Foto: Martin Parr / Magnum Photos — Image —

MARK HENLEY †ENGLAND‰

ZÜRICH PARADEPLATZ Das Bild stammt aus dem Langzeit-Projekt «Bank on us», mit dem Mark Henley, 46, die Auszeichnung «Swiss Press Photographer 2012» gewann. Henley studierte Literatur in York, bevor er nach China reiste und die Studentenun- ruhen dokumentierte. Seither hat er in über 50 Ländern gearbeitet, er setzt sich mit aktuellen, globalen µemen auseinander.

Foto: Mark Henley / Panos Bulletin N° 6 / 2012 — 65 — Image —

ANDREAS GURSKY †DEUTSCHLAND‰

MALOJA Andreas Gursky, 57, ist einer der weltweit erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen. Seine stilbildenden Aus- drucksmittel sind digitale Bildbearbeitung, extremes Grossformat, dezidierte Farbfotogra—e. Gursky hat eine enge Beziehung zur Schweiz; zwei seiner frühen Ausstellungen fanden in Genf und Zürich statt.

66 — Bulletin N° 6 / 2012 Foto: Andreas Gursky, Maloja, 1989, C-Print. Courtesy Sprüth Magers Berlin London © Andreas Gursky / 2012, ProLitteris, Zürich — Image —

ANOUSH ABRAR †IRAN‰

PAYERNE Die Serie dokumentiert den Militär±ughafen von Payerne und stammt aus dem Jahr 2001. Abrar, 36, lebt seit Längerem in der Schweiz und unterrichtet an der Haute école d’arts appliqués (ECAL) in Lausanne.

Bulletin N° 6 / 2012 — 67 — Image —

HERBERT LIST †DEUTSCHLAND‰

DER VIERWALDÀ STÄTTERSEE Das Bild entstand 1936, List (1903 – 1975) gilt als «moder- ner Klassiker». Sein Werk war beein±usst vom Surrealismus und vom Bauhaus, als Sujets bevorzugte er Stillleben und seine eigenen Freunde.

68 — Bulletin N° 6 / 2012 Foto: Herbert List / Magnum Photos — Image —

JORGE LUIS BORGES †BUENOS AIRES/GENF‰, 1899 ˜ 1986

Los conjurados En el centro de Europa están conspirando. El hecho data de 1291. Se trata de hombres de diversas estirpes que profesan diversas religiones y que hablan en diversos idiomas. Han tomado la extraña resolución de ser razonables. Han resuelto olvidar sus diferencias y acentuar sus a—nidades. Fueron soldados de la Confederación y después mercenarios, porque eran pobres y tenían el hábito de la guerra y no ignoraban que todas las empresas del hombre son igualmente vanas. Fueron Winkelried que se clava en el pecho las lanzas enemigas para que sus camaradas avancen. Son un cirujano, un pastor o un procurador, pero también son Paracelso y Amiel y Jung y Paul Klee. En el centro de Europa, en las tierras altas de Europa, crece una torre de razón y de —rme fe. Los cantones ahora son veintidós. El de Ginebra, el último, es una de mis patrias. Mañana serán todo el planeta. Acaso lo que digo no es verdadero, ojalá sea profético.

Die Verschworenen Mitten in Europa gibt es eine Verschwörung. Sie datiert von 1291. Es handelt sich um Menschen verschiedener Herkunft, die sich zu unterschiedlichen Religionen bekennen und unterschiedliche Sprachen sprechen. Sie haben den absonderlichen Beschluss gefasst, vernünftig zu sein. Sie haben beschlossen, ihre Unterschiede zu vergessen und ihre Gemeinsamkeiten zu betonen. Sie waren Soldaten der Konföderation und später Söldner, denn sie waren arm und an Krieg gewöhnt und wussten sehr wohl, dass alle Unterfangen des Menschen gleichermassen eitel sind. Sie waren Winkelried, der die feindlichen Lanzen mit seiner Brust au©ängt, damit seine Kameraden vorrücken können. Sie sind ein Chirurg, ein Hirt oder ein Anwalt, aber sie sind auch Paracelsus und Amiel und Jung und Paul Klee. Mitten in Europa, in Europas Bergen, wächst ein Turm aus Vernunft und festem Glauben. Heute sind es zweiundzwanzig Kantone. Der Kanton Genf, der letzte, ist eines meiner Vaterländer. Morgen werden sie der ganze Planet sein. Vielleicht ist nicht wahr, was ich sage; möge es prophetisch sein.

Jorge Luis Borges, Die Verschworenen, Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 9: Der Gedichte dritter Teil. Übersetzt aus dem Spanischen von Gisbert Haefs, herausgegeben von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, © 2008 Carl Hanser Verlag, München

Jorge Luis Borges, LOS CONJURADOS, © 1995 Maria Kodama, licencia editorial para el Bulletin cortesía de Random House Mondadori, S.A.

Bulletin N° 6 / 2012 — 69 — Image —

falsch. Wir müssen unser Image um jene ter entstehen. Aber eine gewisse Konzen- Dimension erweitern, aber nicht am tration ist durchaus möglich. Was China bewährten Image rum±icken. Und anders herum: Was müssen Schweizer Kann die Schweiz von den Chinesen lernen, Firmen in China beachten? von uns etwa von deren vielgerühmter Fähigkeit, Die zentrale Frage lautet: «Habe ich sehr lang fristig und strategisch zu denken? das richtige Produkt?» Ein Beispiel: Ein denkt Ja. Als ich 1979 für die Liftbau—rma Shampoo-Hersteller platzierte dort Schindler Technologietransfers mit den anfänglich die gleich grossen Flaschen in Die neutrale Schweiz Chinesen verhandelte, meinten sie: den Läden wie bei uns. Doch die blieben genoss in Maos China hohes «Heute benötigen wir eure Technologie, im Regal, da die Kaufkraft damals zu aber in hundert Jahren werdet ihr unsere tief war. Chinesen kauften Ein-Tages- Ansehen. Wie die Schweiz Technologien brauchen.» Anderseits sind Portionen und gingen lieber zwei-, drei- vom neuen China die Chinesen auch «Doers» – sie packen mal wöchentlich in den Laden. Genauso die Dinge an, ohne langes Abwägen der wichtig wie das Produkt ist aber, dass wahrgenommen wird, um Vor- und Nachteile. Der verstorbene man sich als Ausländer den Respekt der das die ganze Welt buhlt, grosse Reformer Deng Xiaoping p±egte Chinesen erarbeitet. dazu das Bild einer Flussdurchquerung zu erzählt der ehemalige verwenden: «Während dem Waten die Wie geht das? Botschafter Uli Sigg. Steine fühlen.» Auf der individuellen Ebene verdient man Von Michael Krobath sich den Respekt durch China-Kenntnis- Welche Rolle spielt die Schweiz in den se. Das klingt banal, braucht aber sehr lang fristigen Plänen der chinesischen viel Zeit. Nichts stösst die Chinesen mehr Wirtschaft? vor den Kopf als Leute, auch Politiker, Herr Sigg, wie bekannt ist die Schweiz in Das grösste Zukunftsproblem von China die sie unbedarft belehren. Das gilt auch China? ist es, den gigantischen Rohsto©hunger bei Menschenrechtsthemen, wo sehr viel Die Bekanntheit der Schweiz geht weit des Landes zu stillen. Diesbezüglich Handlungsbedarf besteht. Aber wenn über ihre grössenmässige Dimension ist die Schweiz uninteressant. Hingegen dies von Menschen vorgetragen wird, hinaus. Im Vorfeld der Expo 2010 in spielt sie als Technologiegeber eine welche die Detailkenntnisse nicht haben, Schanghai wurde die Reputation der gewisse Rolle. Viele Schweizer Unterneh- erreichen sie kaum etwas. europäischen Nationen erhoben. Dabei men sind in ihrem Bereich führend und war die Schweiz bezüglich «Public für Chinas Wirtschaft sehr attraktiv. Und wirtschaftlich? Image» die Nummer 1. Ebenfalls gute Karten hat die Schweiz Hier geniesst die Schweiz hohes Anse- zunehmend als Europazentrale von hen, dank vielen Firmen, die sich mit Wie kommt das? chinesischen Unternehmen, auch wenn es guten Produkten und Verlässlichkeit Historisch hat man der Schweiz hoch nicht evident ist für einen chinesischen auszeichnen. Aber in China gibt es pro angerechnet, dass sie im Kalten Krieg Unternehmer, warum er den Europasitz Woche zwei Staatsbesuche, alle Nationen stets neutral war. Sie anerkannte 1950 als in einem Land aufschlagen soll, das nicht buhlen um die Aufmerksamkeit der eines der ersten Länder Maos China, Teil der EU ist. Toppolitiker Chinas – da darf man nicht 1975 nahm die Swissair als weltweit nachlassen. Zentral für die Schweiz wäre zweite Airline Flugverbindungen zur Wenn die Schweiz viele chinesische Firmen das Zustandekommen des Freihandels- Volksrepublik auf. Heute mögen die anzieht, wird es mittelfristig in der Schweiz abkommens, über das derzeit verhandelt Chinesen Schweizer Produkte wie Uhren chinesische Quartiere oder Dörfer geben wie wird. Es würde den sino-helvetischen oder Schokolade. Und sie lieben die in Afrika? Wirtschaftsbeziehungen einen neuen Schweiz als Urlaubsziel; die intakte Chinesen bilden gerne Cluster, das sieht Schub verleihen. Natur, welche die Chinesen zu Hause man in den europäischen Grossstädten: so nicht vor—nden, gefällt ihnen sehr. Da —ndet man zumeist Chinesen aus derselben Provinz – die einen gehen nach Uli Sigg, 66, war Botschafter in Das klingt nach einem eher klassischen Italien, die anderen nach Paris. Das Peking (1995 – 1998) für die Volksre- Schweiz-Bild tri©t auch auf Firmen zu. Wenn eine an publik China, Nordkorea und die Mongolei. Er gründete das erste Joint Wir Schweizer wünschen uns oft ein einem Standort gute Erfahrungen ge- Venture eines westlichen Industrie- anderes Image. Wir möchten vorab macht hat, geht die nächste eher auch konzerns mit einem chinesischen als innovatives Hightechland wahrge- dahin. In der Schweiz wird es aber nie wie Staatsbetrieb (1980) und gilt als einer der weltweit bedeutendsten Sammler chinesischer Gegenwarts- nommen werden, jenseits von Käse, in Afrika sein, wo derzeit ganze chinesi- kunst. Der promovierte Jurist lebt heute auf Schloss Schokolade und Uhren. Das —nde ich sche Städte für konzerneigene Facharbei- Mauensee LU.

70 — Bulletin N° 6 / 2012 Foto: Kurt Reichenbach / SI / RDB — Swiss List —

Die Schweiz in Zahlen (4/4) Zehn Sonderfälle

1. Die Schweiz hat o¹ziell keine Hauptstadt – Bern ist nur «Bundes- 4. In der ganzen Deutschschweiz wird Alemannisch geredet – mit stadt», also Sitz der wichtigsten Institutionen des Bundes. Auf diesen Ausnahme von Samnaun GR, wo man einen südbairischen Dialekt Kompromiss hat man sich 1848 geeinigt, damit kein Ort zu stark würde. spricht. Ein weiterer Sonderfall ist das Stadtbaseldeutsche: Es gehört als einzige Schweizer Mundart nicht zu den süd-, sondern zu den nordale- 2. Bivio GR ist die einzige dreisprachige Gemeinde der Schweiz mannischen Dialekten. (Deutsch, Italienisch, Rätoromanisch) und ausserdem das einzige Dorf nördlich der Alpen, in dem italienisch gesprochen wird. 5. Die Aare ist kein reiner Schweizer Fluss – sie führt auch französisches Wasser, nämlich aus der Orbe, die knapp hinter der Grenze entspringt. 3. Das Appenzellerland ist ein Königreich der Sonderfälle. So sind die Es stimmt auch nicht ganz, dass der Rhein in der Schweiz entspringt: beiden Halbkantone die einzigen ohne SBB- und Autobahnanschluss. Einer der 14 Quell±üsse, der Reno di Lei, kommt aus Italien. In Innerrhoden gibt es überdies auch keine Parkgebühren und keine Verkehrsampeln.

6. Die Schweizer Bahnen fahren alle auf Normal- oder Schmalspur. 9. Beim Jassen gilt: Westlich der sogenannten Brünig-Napf-Reuss-Linie Einzige Ausnahme: In Neuenburg verbindet eine gut dreihundert Meter wird mit französischen Karten gespielt, östlich mit deutschschweizeri- lange Breitspur-Standseilbahn die Universität mit dem Bahnhof. schen. Die Ausnahme bilden hier der Kanton Graubünden und Teile des £urgaus, wo man die französischen Karten bevorzugt. 7. Der Piz Bernina (4049 m) ist der einzige Viertausender der Bündner Alpen, ja sogar der ganzen Ostalpen. Alle anderen Schweizer Viertau- 10. Es gibt nur zwei Länder auf der Welt, deren Flagge quadratisch ist: sender liegen im Berner Oberland oder im Wallis. der Vatikan und die Schweiz.

8. Schweizerdeutsch ist praktisch: kein Futur, kein Präteritum, kein Genitiv. Jedenfalls fast. Denn im Wallis haben sich mancherorts sogar noch die althochdeutschen Genitiv-Endungen erhalten: Psinntsch di no der ottu Tago im letschtu Jaar? («Erinnerst du dich noch an die schönen Tage im letzten Jahr?»)

Von Matthias Plüss, 1kilo (Illustration) Bulletin N° 6 / 2012 — 71 — Bildung —

Gut, aber noch nicht gut genug Der Bildungsstandort Schweiz steht im internationalen Vergleich sehr gut da. Doch um die amerikanischen Top-Universitäten einzuholen, sind weitere Schritte notwendig. Eine Analyse vom Präsidenten der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL). Von Patrick Aebischer

1 — Wandel der internatio- der wissenschaftlichen Forschung gelten unserer Regionen bewiesen. Eine Erfolgs- als äusserst leistungsstark, insbesondere geschichte wie jene von Sense±y, das kos- nalen Wissenschaft bei unseren europäischen Nachbarn. tengünstig Drohnen mit der Fähigkeit, Keine einzelne wissenschaftliche Diszip- Und wir fühlen den Puls der Zeit: über±ogenes Gelände in 3-D darzustellen, lin kann heute alleine abschliessende Ant- Das Zentrum für Neuroprothesen der produziert, liefert den Beweis, wie eine worten liefern – die Probleme unserer Welt EPFL ist ein wunderbares Beispiel für in- kleine Innovation die Perspektiven auf die sind schlicht zu komplex: Der Wandel des terdisziplinäre Zusammenarbeit, wie sie Welt verändern kann. Ein anderes Beispiel Energiesystems, die Revolution der Neu- heute gefordert ist. Informatiker, Neuro- ist Siri, das Stimmerkennungsprogramm rowissenschaften, die Zweifel an den aktu- wissenschaftler, Ärzte und Ingenieure ar- auf dem iPhone, das von einem unserer ellen physikalischen Modellen, die Hyper- beiten hier eng zusammen. Ohne den Wil- Forscher in den USA mitentwickelt wur- Personalisierung etc. Die Forscher müssen len, sich über ein gemeinsames Ziel zu de. Natürlich gibt es auch Beispiele aus der lernen, miteinander zu sprechen, um ihre verständigen, hätten unsere Teams nie- Deutschschweiz wie Doodle, Optotune, Kompetenzen zu vereinigen – leider spre- mals die fabelhaften Schnittstellen zwi- Molecular Partners und viele mehr. chen Informatiker, Biologen, Soziologen schen Mensch und Maschine gescha©en, Neben der Start-up-Förderung haben und Ingenieure nicht von Hause aus die- die es etwa erlauben, einen Rollstuhl durch wir die Zusammenarbeit mit multinatio- selbe Sprache. die blosse Kraft der Gedanken zu steuern. nalen Unternehmen und KMU verviel- Es braucht also grösseren Austausch Dabei überträgt eine Elektrodenkappe die facht, in so unterschiedlichen Bereichen zwischen den Disziplinen. Doch hat sich Hirnströme eines Paraplegikers via Com- wie Medizin, Informatik, Automobil und die Wissenschaft – im Singular – innert puter auf das Fahrgerät und der Patient ge- natürlich dem Bankenwesen, mit dem IT- weniger Jahrhunderte in so viele Diszipli- winnt bereits verloren geglaubte Bewe- Entwicklungszentrum der Credit Suisse, nen aufgesplittert, dass es heutzutage rea- gungsfreiheit und Autonomie zurück. das im Herzen des Campus in Lausanne listischer ist, den Plural zu verwenden. Die Unseren Forschern ist es also gelun- aufgebaut wurde. Forschung muss also den gewundenen gen, eine gemeinsame Sprache zu —nden Indem sich Wissenschaftler der Re- Weg gehen zwischen der Hyperspezialisie- und die Abschottung ihrer jeweiligen Dis- alität der Industrie stellen, können sie nur rung unserer Forscher, zwischen unserem ziplinen zu überwinden. Hörprothesen, gewinnen. Und die Unternehmer —nden in Willen, die Grenzen des Wissens unabläs- Retina-Implantate, künstliche Arme – die- unseren Labors, was sie für spätere Inno- sig zu erweitern, und der Notwendigkeit, se ganze komplexe Ingenieurskunst wird vationen ver wenden können. Dieser K reis- den Dialog unter den Disziplinen zu ver- bald zu unserem Alltag gehören und eine lauf kommt allen Akteuren zugute. Ein bessern. Myriade von Technologiezentren und Pa- Beispiel: In den USA machen die Datacen- tenten entstehen lassen. Es gibt nur einen ter heute mehr als zwei Prozent der Ener- Körperteil, den man nicht ersetzen kann, gierechnung aus – die Zahl ist ohne Zwei- 2 — Wo der Schweizer nämlich unser Gehirn. fel mit jener in Europa vergleichbar. Und Bildungsstandort steht der Energieverbrauch wächst exponentiell. Die Schweiz beweist innerhalb dieser Zwei EPFL-Wissenschaftlerinnen haben weltweiten Bewegung Pioniergeist, punk- 3 — Zusammenarbeit mit nun eine Lösung entwickelt, welche die to Recherche ebenso wie punkto Kreativi- der Wirtschaft Abwärme der Datacenter in Energie zu- tät. Man muss an die in Europa wenig Die Bereitschaft, die Grenzen der einzel- rückführt. bekannte Tatsache erinnern, dass in der nen Disziplinen zu überschreiten, lässt Schweiz seit einigen Jahren weltweit am zahlreiche Start-ups entstehen. In der meisten wissenschaftliche Publikationen Westschweiz ist ein Unternehmen im Be- 4 — Die Zukunft des pro Einwohner entstehen. Das duale Bil- reich Biotechnologie wie Endoart 2007 Klassenzimmers dungssystem, das Berufslehre und univer- für über 100 Millionen Franken verkauft Eine bahnbrechende Innovation, die ein- sitäres Studium gleichermassen gewichtet, worden. Andere, wie Kandou, Housetrip, mal mehr aus den USA stammt, nennt sich das demokratische Regierungsmodell und Typesafe, Aleva Neurotherapeutics oder MOOC, Massive Open Online Courses. die hierzulande praktizierte Finanzierung Nexthink haben das Innovationspotenzial Stanford und das MIT (Massachusetts

72 — Bulletin N° 6 / 2012 — Bildung —

ETHZ UND EPFL Urspung erfolgreicher Start-ups

MOLECULAR PARTNERS Eine der «erfolgreichsten DOODLE Schweizer Biotech-Gesellschaften» Die Termin-Plattform gilt («Finanz und Wirtschaft»), als «bekanntestes Kooperationen mit Allergan und Jungunternehmen der Johnson & Johnson. OPTOTUNE Schweiz» (startwerk.ch). Linsen aus elastischen Tamedia erwarb letztes Jahr Polymeren, die wie das 49 % der Firma. menschliche Auge fokussieren, sollen die Optik revolutionieren. Bestes Start-up der Schweiz 2011 ETHZ (startup.ch). SENSEFLY Fabriziert ultraleichte Drohnen für den zivilen ENDOART Gebrauch. Wurde kürz lich EPFL Entwickelte ein per vom Marktführer Fernsteuerung einstellbares für drahtlose Geräte für Magenband zur Behandlung von Handys gekauft. extremem Übergewicht und HOUSETRIP KANDOU wurde für über 100 Millionen Grösster Online- Innovative Halbleiter- Franken verkauft. Ferienwohnungsvermittler Firma mit über 100 bereits Europas, bestes Start-up der erhaltenen oder Schweiz 2012 (startup.ch). eingereichten Patenten.

Institute of Technology) haben die Initia- senden von Internetnutzern – Biologen ö©net und die besten Forscher der Welt tive ergri©en, um hochwertige universitäre ebenso wie Laien – erlaubt, indirekt an der angezogen. Aber jetzt müssen sie sich mit Studiengänge über das Internet zu verbrei- Modellierung eines Proteins teilzuneh- den besten Hochschulen zusammentun, ten, und überschreiten bisher als tabu gel- men. Dieser partizipativen Forschungs- um zu einem akademisch starken Europa tende Grenzen. Die Universitäten der Zu- methode sind natürliche Grenzen gesetzt, beizutragen und eines Tages mit der öko- kunft werden höchstwahrscheinlich ihre sie kann keineswegs die klassische For- nomischen Potenz und dem Er—ndergeist Grösse ändern: von 400 Studierenden in schung ersetzen. Trotzdem hat sie eine der amerikanischen oder der aufstreben- einem Auditorium zu mehreren Tausen- interessante intellektuelle Fähigkeit ans den asiatischen Universitäten konkurrie- den vor den Computerbildschirmen. Für Tageslicht gebracht: Gewöhnliche Inter- ren zu können. unseren ersten, von Professor Odersky netnutzer entwickelten im virtuellen Raum Unser Trumpf? Bemerkenswerter- produzierten Onlinekurs haben sich bin- eine gedankliche Vielgestaltigkeit und weise sind es nicht in erster Linie die tiefen nen weniger Wochen mehr als 46 000 Per- fanden dadurch Lösungen, die selbst Su- Steuern, die seit einigen Jahren amerika- sonen eingeschrieben. Die Software dazu percomputer nicht generieren konnten. nische und europäische Forscher in die w urde übrigens in «Scala» geschrieben, der Schweiz locken, sondern die Kultur, die Programmiersprache, die auch bei Twitter Freiheit der Forschung und das spezielle eingesetzt wird. 5 — Die Chancen für geistige Umfeld an den hiesigen Hoch- Spricht man von der Ö©nung und Europa und den Bildungs- schulen. Man darf jetzt aber nicht etwa er- Demokratisierung der Universitäten, soll- standort Schweiz matten, sondern muss weiterhin an eine te man auch erwähnen, dass die Art, wie wissenschaftliche Schweiz glauben und global über Innovation nachgedacht wird, Ich habe das Gefühl, unser Kontinent ver- weiter in innovative Biotope investieren. sich mit grosser Geschwindigkeit verän- liere gegenwärtig an Selbstvertrauen. Das Wir wollen eine Schweiz, die nicht kurz- dert. Biologen des MIT haben beispiels- Beispiel der Schweiz – aber auch jenes von fristig denkt, sondern imaginativ, und weise ein Spiel entwickelt, das es Abertau- Deutschland oder Skandinavien – zeigt die sich stark auf das Menschliche und jedoch, dass Europa keineswegs dazu ver- die sozialen Interaktionen abstützt. Es urteilt ist, die Entwicklungen passiv über geht darum, hochwertige Arbeitsplätze sich ergehen zu lassen. Die beiden poly - zu scha©en und die Ausbildung unserer Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 technischen Hochschulen Zürich und Nachkommen zu verbessern. Lausanne gelten mittlerweile auf dem gan- Mit zen Kontinent als beispielhaft. Sie haben gilt die41% Bildung für die Stimmberech- die Herausforderung der Interdisziplinari- Patrick Aebischer ist Präsident der Ecole polytech- tigten als grösste Stärke der Schweiz. tät gemeistert, sich den Unternehmen ge- nique fédérale de Lausanne (EPFL).

Fotos: [m] ETH Zürich / Esther Ramseier; [m] Alain Herzog / EPFL Bulletin N° 6 / 2012 — 73 Wer bezahlt meine Rente ? Als die AHV eingeführt wurde, lag die Lebenserwartung viel tiefer als heute. An einer Erhöhung des Rentenalters führt kein Weg vorbei. Von Sara Carnazzi Weber

74 — Bulletin N° 6 / 2012 — Altersvorsorge —

akt ist: Wir leben immer länger. Rentenalter von 65 Jahren für Mann und werbsleben «nach oben» führt kein Weg Als die Alters- und Hinterlasse- Frau wurde mit der gesamten 11. AHV - vorbei. Die Implementierung einer Schul- nenversicherung (AHV) 1948 Revision 2010 verworfen. denbremse für die Sozialversicherungen in der Schweiz eingeführt wur- Was muss nun getan werden, um mit geeigneten Automatismen wäre dabei de, waren die Rahmenbedingungen ganz auch den künftigen Generationen ihre hilfreich. Fandere. Die Mehrheit der Bevölkerung Rente langfristig zu sichern? Reformen Übrigens: Eine Verlängerung der konnte das damals auf 65 Jahre festgesetz- der AHV können grundsätzlich bei der Lebensarbeitszeit wäre längst keine Revo- te Rentenalter gar nie erreichen. Heute Finanzierung oder bei der Leistung an- lution mehr. Laut einer jüngst erschie- steht mit 65 einem Mann statistisch noch setzen. nenen Studie des Bundesamts für Sozial- eine Restlebenserwartung von 17,1 Jahren versicherungen arbeiten immer mehr bevor, einer Frau eine von 20,9 Jahren. Viele arbeiten bereits im Rentenalter Erwerbstätige in der Schweiz über das ge- Fakt ist: Wir leben immer länger bei Spricht man über die Finanzierung, wer- setzliche Rentenalter hinaus. Im Durch- guter Gesundheit. Die sogenannte behin- den meistens zusätzliche Lohnprozente schnitt der Jahre 2008 bis 2011 war es gut derungsfreie Lebenserwartung beträgt oder Steuererhöhungen (in der Regel eine ein Drittel. Der Trend zur Ausweitung der heute in der Schweiz 73,7 Jahre für die Anhebung der Mehrwertsteuer) disku- Frühpensionierung, der in den vergange- Männer und 76,8 Jahre für die Frauen. tiert. Lohnprozente verteuern allerdings nen Jahrzehnten durch Regelungen in der Fakt ist: Die Lebensmuster verän- den Produktionsfaktor Arbeit. Sie belasten Altersvorsorge und durch eine ausgeprägte dern sich. Die Grenzen zwischen den ein- so einseitig die Aktiven und sie wirken sich Jugendzentrierung auf dem Arbeitsmarkt zelnen Lebensphasen verwischen sich zu- sehends; diejenigen zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit über längere Ausbil- dungszeiten und lebenslanges Lernen, die- IM JAHR 2040 KOMMEN AUF EINEN RENTNER NUR NOCH ZWEI ERWERBSTÄTIGE jenigen zwischen Erwerbstätigkeit und Der Altersquotient gibt das Verhältnis der über 64-Jährigen zu den 20- bis 64-Jährigen in Prozent an. Das Äquivalenzrentenalter ist das Rentenalter, das den Wert des Altersquotienten auf dem Niveau von Ruhestand über ±exible Formen des Aus-((Renten))2010 konstant hält: Angesagt wären im Jahr 2040 also 73 Jahre. tritts aus dem Erwerbsleben.

Das Regelwerk der AHV hat auf die- in % Äquivalenzrentenalter se Veränderungen und Herausforderungen 85 100 bisher nur scheu reagiert. Erstaunlich, da 75 80 70 73 65 68 die Alterung der Bevölkerung eine ziem- 65 Gesamtbevölkerung 60 lich sichere Prognose ist. Szenarien und 55 Bevölkerung 40 Schweizer Nationalität Modelle können dabei je nach Annahme 45 Erwerbsbevölkerung 20 leicht variieren. In der Grundaussage blei- 35 Erwerbsbevölkerung ben sie aber gleich: Das Verhältnis zwi- 25 0 Schweizer Nationalität schen der Anzahl älterer Personen und der 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 Anzahl der Personen im Erwerbsalter hat Quelle: Credit Suisse Economic Research sich im Verlaufe der Zeit kontinuierlich verschlechtert und wird sich in Zukunft noch schneller zulasten der Jüngeren ver- schieben. Damit gerät die umlage—nan- zierte AHV zunehmend unter Druck, der auf das Wirtschaftswachstum und die begünstigt wurde, hat sich dagegen abge- Weg ins Defizit ist vorgezeichnet. Die Wettbewerbsfähigkeit einschneidender schwächt. Schweiz steht zwar bei der Altersvorsorge aus als eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Es besteht somit ein nicht unerhebli- mit dem Drei-Säulen-System im internati- Aber auch eine höhere Mehrwertsteuer ches Potenzial an Arbeitskräften, die gerne onalen Vergleich nach wie vor sehr gut da. wirkt sich volkswirtschaftlich negativ aus, länger arbeiten w ürden. Diesem ausgewie- In rund der Hälfte der OECD -Länder indem sie den privaten Konsum verteuert. senen Bedürfnis steht in der Arbeitswelt müssen die Menschen aber künftig länger Auf der Seite der Leistungen kann jedoch noch keine systematische Personal- arbeiten, bevor sie in Rente gehen können. man versuchen, das Rentenniveau anzu- politik gegenüber. Um die Beschäftigung In der Schweiz ist dagegen seit der Herauf- passen und so die Ausgaben etwas in älterer Arbeitnehmer über ±exible Rah- setzung des Frauenrentenalters von 62 auf Grenzen zu halten. Das jedoch ändert menbedingungen zu fördern und deren 64 Jahre im Rahmen der 10. AHV-Revisi- nichts an der zunehmenden Belastung der Erfahrung und Kompetenzen gezielt zu on 1997 wenig passiert. Das einheitliche aktiven Generationen durch die wachsen- nutzen, müssen nicht zuletzt die Arbeitge- de Anzahl Rentner beim Umlageverfah- ber umdenken. Auch aus ureigenem Inter- ren. Dieser Belastung kann nachhaltig nur esse: Sie werden schon in naher Zukunft durch eine Veränderung des zahlenmässi- mit einer zunehmend alternden Beleg- Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 gen Verhältnisses zwischen Rentenberech- schaft konfrontiert sein. tigten und Beitragszahlern entgegenge- Mit wirkt werden. wird 95die Sic%herung der Altersvorsorge An einer Heraufsetzung des gesetz- als die wichtigste Aufgabe der Politik lichen Rentenalters bzw. an einer Flexibi- Sara Carnazzi Weber ist Leiterin Macroeconomic betrachtet. lisierung des Austrittsalters aus dem Er- and Policy Research bei der Credit Suisse.

Foto: Knotan Bulletin N° 6 / 2012 — 75 — Geschichte —

Wie die Schweiz entstand Die zehn historischen Ereignisse, welche die Geschichte der Eidgenossenschaft entscheidend prägten. (Nein, 1291 gehört nicht dazu.) Von µomas Maissen 

Die Eidgenossenschaft ist allmählich aus einem Netzwerk von Städtebünden entstanden, wie es im 14. Jahrhundert im Kaiserreich viele gibt. Ausserge- wöhnlich ist, dass dieses Gebilde sich teils durch die partnerschaftliche Einbindung von Landgebieten, teils durch ihre Unterwerfung zu einem territorial zusammenhängenden Staatenbund entwickelt, dann im 17. Jahrhundert zu einem souveränen Völker- rechtssubjekt und im 19. Jahrhundert zu einem Nationalstaat. In der revolutionären Umbruchzeit von 1798 bis 1848 wandelt sich das deutschsprachige Herrschaftsbündnis der Dreizehn Alten Orte in einen Brückenschläge Stadt-Land, mehrsprachigen Bundesstaat, in dem aus den Ost-West Untertanen französischer und italienischer Zunge Bern schliesst ein Bündnis mit Uri, gleichberechtigte Mitbürger werden. Die vor- Schwyz und Unterwalden, die sich moderne Souveränität der Kantone schlägt sich nicht bereits zwei Jahre davor mit Zürich nur in einer föderalistischen Verfassung nieder, verbündet haben. Wie bei älteren, etwa im Nebeneinander von National- und Stände- bereits vergessenen Allianzen rat. Auch die seit 1874 eingeführte direkte Demo- (so derjenigen von 1291) denkt kratie sowie das Ständemehr sind Mittel, um niemand daran, dass solche befris- staatlichen Zentralismus auf nationaler Ebene zu tete Abmachungen von Reichs- verhindern. städten mit ländlichen Grossbau- ern und Soldunternehmern von Dauer sein könnten. Doch aus einem lockeren Netzwerk werden allmählich Nachbarn, weil Zürich, Luzern und vor allem Bern Credit Suisse Sorgenbarometer 2012 zumeist gewaltlos, durch Kauf und Einbürgerungen, grosse Mit je sind Sic2her0heit,% Frieden und Neut- Territorien erwerben. ralität die wichtigsten Assoziationen zur Schweiz.

76 — Bulletin N° 6 / 2012 Bild: Bernisches Historisches Museum, Bern — Geschichte —





Umdeutung der Vergangenheit 1415 erobern die (mit Zug und Glarus) «Acht Alten Orte» den  habsburgischen Aargau. Für die Verwaltung der «Gemeinen Herr- schaft» entsteht die bis 1798 einzige gemeinsame Institution: die Tagsatzung. Doch im «Alten Zürichkrieg» (1440 – 1450) beruft sich Zürich auf seine Bündnis- freiheit und sucht Hilfe beim Stadtherren, dem habsburgischen König. Die 1450 erfolgreichen Innerschweizer deuten das rück- Eintritt in die Staatenwelt blickend als Verrat und er—nden Die Lähmung durch die konfessi- wenig später die Befreiungssage onelle Spaltung bewahrt die Eid- mit Tell, Bundesschwur und genossenschaft davor, im Dreissig- Aussenpolitische Handlungs- Burgenbruch, um die angebliche jährigen Krieg Partei zu ergreifen. unfähigkeit Erbfeindschaft mit den Habs- Bei dessen Ende erlangt sie 1648 In den Burgunderkriegen (1476) burgern möglichst weit zurück- eher zufällig ein kaiserliches Privi- und im Schwabenkrieg (1499) zudatieren. leg, das in den folgenden Jahr- schlagen die eidgenössischen zehnten allmählich zur Souveräni- Schlachthaufen berittene Adels- tät umgedeutet wird. 1674 erklärt heere. Die erfolgreiche Taktik sich die Tagsatzung dann erstmals macht die Infanterietruppen vorü- zu einem «Neutral Standt» (Staat) bergehend zu einem eigenständi- – ein Beweis, dass die Schweiz gen Machtfaktor, ehe 1515 die (erst jetzt) ein Völkerrechtssubjekt französische Artillerie, eine neue ohne Bindung an Kaiser und Reich und teure Kriegswa©e, die uneini- geworden ist. gen Eidgenossen bei Marignano zerschiesst. Fortan kämpfen sie nur noch als Söldner in fremden Diensten. Eine gemeinsame Aussenpolitik ist unmöglich, weil Zwinglis Reformation 1523 Katholiken und Protestanten zu Feinden macht.

Bilder: Gerold Edlibach/«Kreuz und quer», Museumsführer, Bubikon 2000; [m] Maître à la Ratière; Bpk Bulletin N° 6 / 2012 — 77 — Geschichte —

 



Bundesstaat dank Revolution Radikale Freisinnige und Katho- lisch-Konservative lassen ihre Di©erenzen in den 1840er Jahren durch wechselseitige Rechtsbrüche Das nationalstaatliche eskalieren: Klösteraufhebung, Experiment Jesuitenberufung, Freischarenzü- Die helvetische Revolution führt ge, Sonderbundskrieg. General Volkssouveränität und Gewalten- Dufours schneller Sieg beendet teilung ein, die erste Regierung keinen Glaubenskrieg, sondern ist der Schweiz und ein nationales eine politische Entscheidung für Parlament, Rechtsgleichheit für eine liberale, nationalstaatliche die bisherigen Untertanen in Verfassung: Bundesorgane mit einzelörtischen oder Gemeinen (amerikanischem) Zweikammern- Herrschaften. Zu solchen Re- system, nationale Armee, Presse-, formen sind die privilegierten Vereins-, Gewerbe- und Nieder- schweizerischen Eliten unwillig Napoleons Kantonsgründungen lassungsfreiheit, Vereinheitlichung und unfähig gewesen. Dennoch Napoleon beendet mit der Media- von Währung, Zöllen, Massen hinterlässt die Helvetik schlechte tionsverfassung die Bürgerkriege und Gewichten. und einzigartige Erinnerungen: zwischen aufklärerischen Refor- Zentralstaat, «Franzosenzeit», mern und Konservativen und die «Schreckenstage von Stans» begründet den modernen Schwei- und Kriegsschauplatz der zer Föderalismus. Dazu zählen die europäischen Mächte. neuen Kantone St. Gallen, Aar- gau, µurgau, Graubünden, Tessin und Waadt, zum grössten Teil aus vormaligen Untertanengebieten gebildet. 1814 wollen die Berner und Innerschweizer die alte Un- gleichheit wiederherstellen. Doch der russische Zar Alexander I. beschützt die neuen Kantone und verhindert den Bürgerkrieg.

78 — Bulletin N° 6 / 2012 Bilder: Balthasar A. Dunker / DIG-2114 / Schweizerisches Nationalmuseum; Acte de Médiation; Str / Photopress-Archiv /Keystone — Geschichte —





Geeint in Leistung und Schuld Vieles kommt im Zweiten Welt- Unsanftes Erwachen krieg zusammen: die Wahrung der Der Fall der Mauer erschüttert Unabhängigkeit und einer sicheren den Grundkonsens des Kalten  Landesversorgung als oberstes Kriegs: Neutralität und Antikom- Ziel; Abwehrbereitschaft im Re- munismus mit der Zauberformel duit und wirtschaftliche Einbin- im Bundesrat. Der Rücktritt von dung in das deutsch dominierte Elisabeth Kopp, der ersten Frau Europa, auch durch den Ankauf im Bundesrat, symbolisiert den von Raubgold; ökonomisches Niedergang der Staatspartei FDP. Pro—tdenken und Massnahmen, Auch der Fichenskandal und eine damit sich die soziale Krise von unerwartet hohe Zustimmung zur 1918 nicht wiederhole; Antinazis- Armeeabscha©ungsinitiative mus, Antikommunismus und verraten neue Zeiten, welche die Ein gespaltenes Land Antisemitismus; humanitäre Schweiz nach dem Nein zum Im Ersten Weltkrieg entfremden Hilfsbereitschaft von Privaten und «Europäischen Wirtschaftsraum» sich Welsche und Deutschschwei- staatliche Grenzschliessung ge- aber als Sonderfall bewältigen zer mit ihren unterschiedlichen genüber jüdischen Flüchtlingen. will. Die Globalisierungsprozesse Sympathien. Die Arbeiterfamilien haben nicht nur Gewinner: Sockel- leiden unter dem Aktivdienst: kein arbeitslosigkeit, Swissair, Banken- Erwerbsersatz, keine Rationie- krise, Migration. rung, starke In±ation. Im Novem- ber 1918 bricht der Landesgeneral- streik aus, doch erzwingt General Wille mit einem Truppenaufgebot den Abbruch. Tiefes Misstrauen herrscht fortan zwischen der Linken und dem Bürgerblock aus Freisinnigen, Katholisch-Konser- vativen (seit 1891 im Bundesrat £omas Maissen, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Heidelberg. Seine «Geschichte vertreten) und nun auch der Bau- der Schweiz», hier + jetzt, Baden 2010, liegt inzwi- ernpartei (später SVP). schen in vierter Au±age vor; 2012 ist im selben Verlag auch der Bildband «Schweizer Geschichte im Bild» erschienen.

Fotos: Str / Keystone; Str / Photopress-Archiv /Keystone; Lutz Schmidt / AP Photo / Keystone Bulletin N° 6 / 2012 — 79 — Letzte Seite — Attacke! 72 Prozent der Stimmberechtigten wünschen sich ein o©ensiveres Verhalten der Politik gegenüber dem Ausland.

ANDREAS GEFE ÍDas Bild zeigt ein Tennisfeld mit zwei Spielern. Der eine schlägt auf, der andere retourniert. Speziell ist, dass der retournierende Spieler nicht an der Grundlinie steht, sondern sehr weit vorne, fast am Netz. Diese aktive Verschiebung nach vorne symbolisiert sein o©ensives Verhalten.» Andreas Gefe wurde bekannt durch seine Arbeiten für «Die Weltwoche», «NZZ Folio», «NZZ am Sonntag». Seine Bücher sind in der Edition Moderne erschienen.

80 — Bulletin N° 6 / 2012 Banking, das mehr bietet. Mit «Poker Face» auf dem Konto. Jetzt inklusive: unlimitiertes Universal Die neuen Viva Banking Pakete für Jugendliche und Studierende mit Zugang Music Streaming zu starken Angeboten aus der Viva Welt für 1 Jahr kostenlos. credit-suisse.com/viva

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