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Die Daimler-Unterhändler hinge- In der Bilanz gefieselt gen fühlen sich in ein unwürdiges Geschacher gedrängt und obendrein Bombardier/DaimlerChrysler: Die Kanadier regelrecht verleumdet. Alles sei mit rechten Dingen zugegangen, beteuern fordern Geld zurück. Das hat bei ihnen Methode. sie. Allenfalls über eine begrenzte Rückerstattung lasse sich reden. aurent Beaudoin (63) versteht nadischen Winter ein fetter Posten Der Eklat geht über das Finanzielle Letwas vom Sparen. Der Patron auf der Rechnung. weit hinaus. Für beide Seiten steht und Großaktionär des frankokanadi- Jetzt holt Beaudoin zu einem be- die Reputation auf dem Spiel – der schen Flugzeug- und Bahnherstellers sonders kühnen Geldschöpfungs- Ruf, verlässlicher Geschäftspartner Bombardier knausert, wo immer er manöver aus. Auf einen Schlag will zu sein. kann. er eine Milliarde Euro hereinholen – Bischoff und seine Mannen haben Zum Beispiel in den Werken. Dort mehr als den kompletten Kaufpreis den Ärger wohl geahnt. Im Kauf- geht es ungewöhnlich eng zu. Das für den deutschen Bahnhersteller vertrag schrieben sie vorsichtshalber steigert angeblich die Produktivität. , im Jahr 2000 von Daimler- fest, dass zunächst der gesamte Kauf- Vor allem aber spart es Raum und Chrysler übernommen. Der Bom- preis fällig würde. Erst später sollte gleichzeitig Heizkosten, im kalten ka- bardier-Chairman hat sich in einen über mögliche Feinkorrekturen ver- heftigen Streit mit dem handelt werden. Eventuelle Rück- Schwieriger Vertragspartner: Bombardier-Patron früheren Eigentümer zahlungen wurden auf 150 Millionen Beaudoin versteht sich auf Nachverhandlungen verbissen. Dollar beschränkt. Dabei schien der Deal Den Kaufpreis haben die Kanadier anfangs für beide Sei- korrekt überwiesen. An den zweiten ten ideal. Mit Adtranz, Teil der Abmachung, die Begrenzung einem Konzern mit 3,9 der Rückforderungen, wollen sie sich Milliarden Euro Umsatz indes partout nicht halten. und 22 000 Beschäftig- „Daimler war vorgewarnt“, sagt ein ten, stieg Bombardier Insider. „In Stuttgart war bekannt, zum größten Bahnpro- dass Bombardier bei Übernahmen duzenten der Welt auf. gern möglichst viel herausholt.“ Und DaimlerChrysler- Tatsächlich verdankt der Konzern Vorstand Manfred aus Montreal, der 1942 mit der Pro- Bischoff (59) war froh, duktion von Schneemobilen begann, die defizitäre Tochter seinen Aufstieg einer Reihe über- DaimlerChrysler Rail aus günstiger Zukäufe. Großaktionär Systems, wie die Firma Beaudoin, der das Unternehmen 1964 damals hieß, endlich von seinem Schwiegervater, dem loszuwerden. Obendrein Firmengründer Joseph-Armand Bom- erlöste er auch noch 725 bardier, geerbt hatte, verstand es im- Millionen Dollar. mer wieder, Sonderkonditionen und Nun ist die gute Nachbesserungen auszuhandeln. 1986 Laune dahin – auf beiden Seiten. Die Bombardier-Manager Fühlt sich wähnen sich nach ein- verleumdet: gehender Inspektion Daimler- ihrer Neuerwerbung Chrysler böse getäuscht. Die Unterhändler DaimlerChrysler-Ma- Bischoff nager haben ihnen angeblich Risiken ver- heimlicht. Die Kanadier verlangen eine Milli- arde Euro Schaden- ersatz.

managermagazin 3/02 17 Namen+Nachrichten Schwere TAG Zeiten übernahm er die Not leidenden Mon- mängelt, in der Bilanz seien die Risi- trealer Flugzeugwerke. Der ken der noch abzuarbeitenden Projek- Von Alcatel zu Philips Verkäufer, die kanadische Bundes- te nicht angemessen berücksichtigt. regierung, musste ihm damals einen Mit Adtranz hat Bombardier einen Im nächsten Jahr sollte Gottfried großzügigen Schuldennachlass zu- Auftragsbestand von mehr als acht Dutiné (49), bis Januar 2002 Area sagen. Milliarden Euro übernommen. Ob President von Alcatel, in den Kon- Ähnlich kam es, als Bombardier alle Bestellungen ohne Verlust abzu- zernvorstand aufrücken. Doch Kon- 1989 von der britischen Regierung wickeln sind, scheint in der Tat frag- kurrent Philips war schneller. Am den Belfaster Flugzeug- und Raketen- lich. Der frühere Adtranz-Chef Rolf 1. Februar übernahm Dutiné dort das bauer kaufte. Zum Eckrodt (59) räumte wiederholt ein, Vorstandsressort „Business to Con- sumer“. mm War ein Wechsel in Ihrer Lebens- planung überhaupt vorgesehen? Dutiné Eigentlich nicht. Ein Head- hunter hat mich angesprochen. mm Wie lange haben Sie nachgedacht? Dutiné Gut zwei Mo- nate. Ich hatte drei lange Gespräche mit dem neuen Philips- Chef Gerard Kleister- lee. Seine offene und motivierende Art hat mich überzeugt. mm Sie sind der einzige Deutsche und der Jüngs- Gottfried Dutiné te im Philips-Vorstand. Was ist ein Handschlag wert? Auch beim Kauf des ostdeutschen Waggon- Kann das gut gehen? bauers DWA im Jahr 1998 soll Laurent Beaudoin (r.)* gefeilscht haben Dutiné Ich bin es gewohnt, in einem internationalen Umfeld zu arbeiten. Schnäppchenpreis erstand der Kon- dass viele Aufträge zu nicht kosten- Apropos deutsch: Kleisterlee ist ge- zern auch die Flugzeughersteller Lear- deckenden Konditionen angenom- bürtiger Ludwigsburger und spricht jet (1990) und (1992). men wurden. ausgezeichnet Deutsch. Ein Jahr später setzte sich Beau- Zudem drohen womöglich erheb- mm Die Philips-Unterhaltungselektronik doin mit einer Nachforderung ge- liche Gewährleistungsansprüche. Ge- steckt in der Krise. Sind Sie als Telekom- genüber einem der Betreiber des rade Adtranz ist des Öfteren als Lie- Experte der richtige Mann? Eurotunnels durch; dem hatten die ferant von Pannenzügen aufgefallen. Dutiné Ich war ja auch mal Chef von Kanadier rollendes Material geliefert. DaimlerChrysler wehrt sich vehe- Blaupunkt, kenne also die Branche. Einen Nachlass gegenüber dem ment dagegen, dass Adtranz von Meine Erfahrung in der Telekommu- veröffentlichten Preis gab es zudem Bombardier systematisch schlecht nikation ist jetzt eher von Vorteil: beim Kauf des Aachener Waggon- geredet wird. Die Stuttgarter behar- Demnächst lassen sich über Telefon- bauers Talbot im Jahr 1995. Und auch ren auf dem vertraglich vereinbarten leitungen Videofilme übertragen, die beim Kauf der Deutschen Waggon- Vorgehen. Fernsehkabel werden digitalisiert bau (DWA) im Jahr 1998 soll Bombar- Der Streit um Adtranz mündet und interaktiv. Das heißt, der Fern- dier erbittert gefeilscht haben. jetzt – so sieht es der Vertrag vor – seher wird zu einer Multimediaplatt- Beim Preisdrücken kommt Beau- in ein Schiedsverfahren.

form. doin die Ausbildung als Wirtschafts- Beide Seiten könnten den Deal FOTOS: BERND SETTNIK/ZB/DPA, PR mm Wie war Ihr erster Arbeitstag? prüfer zugute. „Der fieselt immer auch platzen lassen, der Kontrakt Dutiné Als ich um 8 Uhr ins Büro selbst in den Bilanzen herum“, meint sieht das ausdrücklich vor. Hiermit kam, stand dort ein schöner Blumen- ein Kenner, „und findet irgendwo ein allerdings ist kaum zu rechnen. strauß von meinen Kollegen. Viel Haar in der Suppe.“ Weder will DaimlerChrysler die Zeit, von meinem Büro im 13. Stock Bei Adtranz scheint Beaudoin auf leidige Tochter zurückhaben, noch auf Amsterdam zu blicken, hatte ich vieles gestoßen zu sein, was ihm ist Laurent Beaudoin dafür bekannt, nicht. Es ging gleich los mit Meetings nicht gefallen hat. Der Chairman be- dass er erobertes Terrain jemals wie- und einer Aufsichtsratssitzung. *Hier mit dem damaligen DWA-Chef Peter Witt (l.) der preisgegeben hätte. Anne Preissner und Bombardier-Präsident Jean-Yves Leblanc. Michael Machatschke

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