Hofwüstung Schöneberg 2/4 in

Eine siedlungsarchäologische Grundla- (1.703 m ü. A.; 1884 aufgrund von genforschung im Vorarlberger Lechtal. Abwanderung an Warth angeschlos- sen), Oberwolfsegg (1.582 m ü. A.), Im Herbst 2012 wurde die Hofwüstung Bürstegg (1.716 m ü. A.; ehemals die Schöneberg 2/4 (1.585 Meter über Adria höchstgelegene ganzjährig bewohnte [m ü. A.]) in der Gemeinde Lech archäo- Ortschaft Vorarlbergs, seit 1898 entsie- logisch untersucht (Bundesdenkmalamt delt) und Zürs (1.720 m ü. A.; Ende des [BDA]-Maßnahme Nr. 90011.12.01). 18. Jahrhunderts als Dauersiedlung eingegangen). Die Höhenlagen der ge- Zielsetzung des siedlungsarchäologi- nannten Siedlungen sind insbesonde- schen Projektes war die Dokumentation re aufgrund des großen Schneereich- des Istzustandes, ihre schonende archäo- tums des obersten Lechtals, der aus logische Untersuchung unter Wahrung der Nähe zum nördlichen Alpenrand der Stabilität der intakten Mauerwerk- resultiert, bemerkenswert (Klebelsberg: bereiche, die Dokumentation der Mau- 1947, 9-10; Sauerwein 1987: 47, 49, 107, erwerksubstanz sowie die Stabilisierung 111; Sauerwein 1989: 73, 76, 79). gefährdeter Zonen. Die Untersuchungen sind finanziell von der Gemeinde Lech Die Hofwüstung Schöneberg 2/4 liegt und dem BDA (Landeskonservatorat für südlich der Ortschaft Bürstegg, di- ) getragen worden. Tatkräftige rekt am Fußweg von Lech-Bodenalpe Unterstützung erfuhr das Projekt durch nach Bürstegg, etwa 15 Minuten ober- den „Streibiclub“ Lech und das Gemein- halb der Lechtal-Bundesstraße. Das dearchiv Lech. ursprünglich ganzjährig bewohnte Anwesen mit Wohnhaus, Stall und Dass der oberste Teil des inneral- Scheune wurde Ende November be- pinen Lechtals mit den Siedlungen ziehungsweise Anfang Dezember 1918 Zug (1.513 m ü. A.), Warth (1.497 oder 1919 abgebrochen (das genaue m ü. A.) und Lech (1.444 m ü. A.) po- Datum des Abbruches ist derzeit nicht litisch zu Vorarlberg gehört, lässt sich feststellbar). siedlungsgeographisch erklären: Das oberste Lechtal ist durch breite Pass- Das Holz des Wohnhauses, Typ Walser- Abb. 1 täler gegen das Klostertal, das Große haus mit Stube und Nebenkammer in Schöneberg 2/4, Lech am : Übersichts- Walsertal und den Bregenzerwald hin Strickbauweise ausgeführt, verwendete plan des Wohngebäudes mit dem hieran anschlie- offen und somit leichter zugänglich man erneut für das in Zürs errichtete ßenden Schneekragen (CONTEXT 2014) als aus dem Tiroler Lechtal von Osten Haus Nr. 77. Der Wirtschaftsbereich her. Im Vorarlberger Lechtal liegen Schöneberg 2/4 umfasste nach dem die Siedlungen nicht nur im Talgrund Steuerkataster von 1811 Besitzungen höher als im Tiroler Lechtal. Auf von umgerechnet etwa 6,7 ha Bergmahd den Alpflächen, die zu diesen Pass- und 11 weitere Kuhweiden (Gemeinde- tälern in Beziehung stehen, erreichen archiv Lech: 2001, 2; Vogt: 1979, 147). In sie die höchsten Lagen der gesamten den historischen Quellen erscheint das nördlichen Kalkalpen: Warth (1.497 Anwesen erstmals um 1460, spätere Be- m ü. A.), Wolfsegg (1.508 Meter sitzer bis 1727 fehlen in den bekannten bis 1.582 m ü. A.), Hochkrumbach Quellen (Vogt: 1979, 147).

370 Walserheimat 95/2014 Walserheimat 95/2014 371 Schneedruck und Strauchvegetation Der gesamte Keller war somit im ge- führten in den letzten Jahren insbe- mauerten Bereich nur über die Treppe sondere am Eingangsbereich des Ver- aus der Küche oder den Schneekragen bindungsgangs zu Substanzverlust. vom Stall kommend zugänglich. Der Seine Wangen waren verstürzt bezie- zweite, östliche Kellerraum (Keller hungsweise einsturzgefährdet. Der 2) konnte nur durch den westlichen weitere Gangbereich lag aufgrund des Kellerraum betreten werden. seitlichen Sedimentdruckes in seinem südlichen Ausläufer eingefallen bezie- Das Mauerwerk des Wohngebäu- hungsweise verengt und teilweise mit des ist bis auf zwei Ausnahmen (ein Sediment verfüllt vor. Der Stallbereich Mauerzug in Erdgeschoss 2 und ein und die hieran angeschlossene Mistle- Teilbereich des Treppenabganges) ge können nur noch als planierte Flä- aus Bruchsteinen und Kalkmörtel che erkannt werden. Mauersubstanz aufgebaut worden. Die erhaltene Ma- lässt sich hier unter dem Oberboden ximalhöhe beträgt hierbei im Keller 1 mit dem Bohrstock „ertasten“. (Norden) 1,82 m. Zahlreiche Stoßfu- gen (Abb. 1) verdeutlichen ein zeit- Die räumliche Unterteilung des liches Nacheinander der Erstellung Wohngebäudes ist nach Entfernung verschiedener Mauerfluchten bzw. des Mauerversturzes gut zu erkennen belegen Umbauvorgänge. Reste ei- (Abb. 1). Im Norden liegt der Küchen- ner hölzernen Türschwelle (Länge: bereich mit der Herdstelle (Erdge- 0,97 m) zeigen, dass der Gang und der schoss 1; 4,36 m x 4,54 m) und in glei- Kellerraum 1 durch eine Tür vonein- chem Höhenniveau hieran nach Osten ander getrennt waren. Der Schneekra- anschließend eine Kammer (Erdge- gen ist in dem Bereich, in dem er in schoss 2; 2,75 m x 4,78 m). Beide Räu- den Boden eingetieft vorliegt, noch auf Abb. 2 Schöneberg 2/4, Lech am Arlberg: Blick von Norden auf den Keller 1 in Richtung Schneekragen (CONTEXT 2012). me sind nicht unterkellert. Hangab- eine Länge von 5,60 m mit Steinplat- wärts nach Süden vorgelagert liegen ten gedeckt. Die maximale Größe der in gleichem Höhenniveau zwei Keller- Deckplatten beträgt 1,60 m x 0,50 m. Das Ensemble Schöneberg 2/4 liegt historischen Bergbaus (siehe unten), bereiche (Keller 1; 4,61 m x 3,73 m und Südlich anschließend führte der Gang- in Hanglage nach Süden exponiert vor widrigen Witterungsbedingungen Keller 2; 4,35 m x 3,75 m). bereich mit trockengemauertem Mau- (Abb. 1). Östlich wird die Wüstung schützen sollte. Mündlichen Überliefe- erwerk zunehmend aus dem Boden. von einem steilen Geländeabbruch rungen zufolge gab es ursprünglich im Auf Erdgeschosshöhe fehlen über Bis zum Eingang in den Stall stand flankiert. Das Wohngebäude (9,5 m x Bereich Lech sechs weitere Ensembles den Kellerräumen die ehemals im sein Mauerwerk ursprünglich völlig 11,3 m) (Abb. 1) befindet sich im Nor- mit ähnlichen Verbindungsgängen Höhenniveau der Küche und der Sei- frei. Ob auch dieser Bereich mit Stein- den, hangabwärts orientiert folgen zwischen einem Wohngebäude und tenkammer ansetzende Stube, die Ne- platten gedeckt war, kann nicht beur- das Stallareal (15,7 m x 9,6 m) und die einem dazugehörenden Wirtschafts- benkammer sowie der Flurbereich (ur- teilt werden. Diese Deckplatten wür- Scheune (8,2 m x 7,7 m), das einzige bau: in Omesberg mit Haus Nr. 5/5 sprünglich alles in Holz ausgeführt). den dann im Versturzbefund fehlen. noch intakte Gebäude des Ensembles. und Haus Nr. 7/8; in Anger mit Haus Aus der Küche (Erdgeschoss 1) führt Eine hölzerne Abdeckung ist hier zu Nr. 8/21, Haus Nr. 10/23 und Haus ein Treppenbereich in den westlichen erwägen. Die Besonderheit der Hofwüstung Nr. 12/25 (hier in Holzbauweise) so- Kellerraum (Keller 1), an dem der liegt in der Existenz eines Verbin- wie in Stubenbach mit Haus Nr. 7/29 Schneekragen ansetzt. Dieser münde- Das archäologisch geborgene Fund- dungsgangs zwischen dem Keller (Gemeindearchiv Lech: 2001, 5). Schö- te in den Stallbereich. Keller 1 verfügte gut ist im Wesentlichen in das 19. des Wohnhauses und dem hangab- neberg 2/4 verfügt über das letzte, in ursprünglich über einen Zugang von Jahrhundert zu datieren, was darauf wärts gelegenen Stallgebäude (Abb. 1; Teilen erhaltene, dieser einzigartigen Westen, der in der letzten Bauphase zurückzuführen ist, dass die archäo- Abb. 2), der, wie ein Schneekragen des Baudetails. des Wohnraumes vermauert vorlag. logischen Untersuchungen aus kon-

372 Walserheimat 95/2014 Walserheimat 95/2014 373 servatorischen Gründen nicht tief Stallgebäude eine bauliche Anpas- xxx in die Befundsubstanz eingriffen. sung an die zunehmende Klimaver- Durch Dr. Klaus Pfeifer (Labor für schlechterung in der ersten Hälfte des Dendro(chrono)logie-Holzanalytik- 19. Jahrhunderts zu sehen sein, deren Bauforschung, A-6863 Egg) dendro- Maximum mit den Höchstständen chronologisch analysierte Holzproben der Alpengletscher um das Jahr 1850 setzen das Fälldatum für das Holz zu erfassen ist. Schneekrägen, die im der Türschwelle zwischen dem Keller Bergbau die Verbindung zwischen 1 und dem Keller 2 um das Jahr 1565 den Stollenmundlöchern und den an und datieren das Fälldatum für das Unterkünften der Bergleute oder den Holz der Türschwelle zwischen dem Scheidestuben sicherstellten, könnten Keller 1 und dem Treppenaufgang in die Vorbilder für den Verbindungs- die Küche (Erdgeschoss 1) um das Jahr bau der Hofwüstung Schöneberg 2/4 1485. Das ältere Datum, das sich auf gewesen sein. Die im Bereich Lech- die Bausubstanz des Treppenaufgan- Zürs nächstgelegenen historischen Re- ges bezieht, fällt somit zeitlich in etwa viere liegen zum Beispiel mit Abbau- in den Bereich der ältesten urkundli- en auf der Pazüelalpe, hier wurde im chen Erwähnung des Anwesens (siehe 16. Jahrhundert silberhaltiger Blei- oben). glanz, Galmei und (Zink?)Blende ab- gebaut (bedeutend bis 1560, Verhüt- Wann genau dieses besondere bauli- tung in Zürs) und auf der Gstüttalpe che Konstruktionsmerkmal in Schöne- am Fuße des Omeshorn (alte Baue auf berg 2/4 entstanden ist, kann derzeit Blei und Zink) (Srbik: 1928, 256-258). nicht geklärt werden. In der Literatur wird „um 1800“ als Zeitansatz für die Claus-Stephan Holdermann Erstellung des Verbindungsganges CONTEXT OG genannt (Vogt: 1979, 147). Sollte dieses Archäologie-Bauforschung- zutreffen, könnte im Verbindungsbau Kulturraumanalysen zwischen dem Wohnhaus und dem Oberdorf 24, A-6179 Ranggen

Literatur Gemeindearchiv Lech (2001): Dokumentationsmappe Schöneberg 2/4. Gemeindearchiv Lech, Juli 2001. Klebelsberg, R. v. (1947): Die Obergrenze der Dauersiedlungen in Nordtirol. Schlern-Schriften, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1947. Sauerwein, H. (1987): Wie es war. Lech-Zürs-Stuben-Warth-Schröcken. Bilddokumente der vergangenen 100 Jahre. 12. Internationales Walsertreffen. 1.-3. September 1995. Verlag Walserheimat, Bregenz 1987. Sauerwein, H. (1989): Bergheimat Lech. Heimatkunde. 4. erweiterte Auflage 1989, Verkehrsamt Lech, Bregenz 1989. Srbik, R. R. v. (1928): Überblick des Bergbaues von Tirol und Vorarlberg in Vergangenheit und Gegenwart. Innsbruck 1928. Vogt, W. (1979): Eine bemerkenswerte Hausruine am Schöneberg/Lech. Walserheimat in Vorarlberg, Tirol und Liechtenstein, H. 24 (1979), 147-149.

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