Kirchen und Kirchengräber

in der frühmittelalterlichen Alamannia

Südwestdeutschlands

■ 1 Coldblattkreuze aus alamannischen Grä- Südwestdeutschlands, 7 )h. n.Chr. - siche- re Zeugnisse christlichen Totenbrauchtums bei den Alamannen. Photo: IDA, Stuttgart.

Die Missionsgeschichte Alamanniens, einer Verknüpfung, so daß auch gene- die in anderen Quellen überlieferte also die Geschichte der Christianisie- relle Aussagen durchaus möglich Kenntnis über das um 600 n. Chr. ge- rung des alamannischen Volkes, ist sind. Gleiches gilt ja auch für die gründete Bistum Konstanz hinzu, das äußerst lückenhaft überliefert, und schriftliche Überlieferung, in der vor wir in seiner enormen räumlichen auch die Archäologie kann nur in ein- allem die Lebensbeschreibungen der Ausdehnung als eigentliches Bistum zelnen Punkten zu einem Gesamtbild „Apostel Alamanniens" wie Kolum- Alamanniens aufzufassen haben, in beitragen. Anhand ihrer Quellen läßt ban, Gallus, Fridolin oder Pirmin viel dessen Rahmen die Ausbreitung des sich weniger der Vorgang ablesen als Legendäres bieten, und eigentlich ja christlichen Glaubens und die Festi- sein Ergebnis: Die Ausbreitung der auch gar nicht die geschichtlichen gung kirchlicher Strukturen über- neuen Glaubensinhalte, die Festigung Vorgänge darstellen wollen, sondern haupt erst möglich waren (Abb. 2). der kirchlichen Organisation sowie mit einer ganz anderen Tendenz, oft die Rolle, die den führenden Familien auch noch in größerem zeitlichen Ab- Um uns dem hier gestellten archäolo- im Land dabei zukam. Auch dies ist stand zu den Ereignissen, geschrieben gischen Thema zu nähern, ist ein - zunächst nur im Detail des jeweiligen sind. Und doch ermöglichen sie in ih- wenn auch noch so knapper - Abriß archäologischen Befunds für uns faß- rer Summe manchen Einblick in das des überlieferten geschichtlichen bar: den goldenen Kreuzen (Abb. 1) Geschehen der Missionierungszeit, Hintergrunds unverzichtbar, wie und anderen christlichen Symbolen geben sogar Aufschlüsse über die überhaupt der in „historischer" Zeit in den Gräbern, den Grundrissen langsam versinkende Welt des FHei- arbeitende Archäologe davon profi- früher Kirchenbauten und den im In- dentums. In Verbindung mit Informa- tiert, daß er seine fachspezifisch ge- nern dieser Kirchen angetroffenen tionen, die dem Gesetzestext der Lex wonnenen Erkenntnisse am Maßstab Adels- und Priesterbestattungen vor- Alamannorum zu entnehmen sind, einer anderen Überlieferung prüfen wiegend des 7. und frühen 8. Jahrhun- läßt sich so mancher Aspekt der Mis- kann. Denn naturgemäß sind die derts. Doch bieten viele Einzelbeob- sions- und Kirchengeschichte heraus- Quellen, die der Boden zur Verfügung achtungen auch immer die Chance arbeiten. Dazu kommt dann noch stellt (Bodenurkunden), für die „Ereig-

44 nisgeschichte" wenig ergiebig, und Verwendung heidnischer Bildmotive wir dürfen ihnen auch nicht mehr manifestiert. abverlangen, als sie beinhalten. Grä- ber, SiedTungsplätze, Befestigungsan- Es steht nicht in Frage, daß sich mit der lagen, Sakralbauten oder Depotfunde fränkischen Herrscnaft auch das von bieten dafür Aussagemöglichkeiten in höchster Stelle geförderte Christen- Bereichen, die von der schriftlichen tum durchsetzte und ausbreitete, Überlieferung nur selten und dann mehr und mehr auch in den niedrige- meist auch ganz unzureichend ange- ren Ständen. Doch schweigen sich sprochen werden. die geschichtlichen Quellen leider aus über eine, wie zu vermuten, in Im Gegensatz zu den linksrheini- größerem Maßstab betriebene Mis- schen Gebieten oder zum raetischen sionierung und den Aufbau der kirch- Alpenvorland war für die Alamannen lichen Organisation. Wir wissen nur, in ihren südwestdeutschen Kernlan- wie schon eingangs erwähnt, daß in den kein Anknüpfen an Tradition und derZeit um 600 n. Chr., vielleicht auch Organisation des spätantiken Chri- schon im späteren 6. Jahrhundert in stentums möglich. Nur an der Peri- Konstanz (Constantia) ein Bischofssitz Eherie kamen sie damit, ohne er- eingerichtet wurde, dessen Sprengel ennbare Auswirkungen, in Berüh- fast die ganze Alamannia umfaßte. rung: An Hoch- und Oberrhein mit Hinter dieser Gründung stand der ala- ■ 2 Die Grenzen des Bistums Konstanz. den Bischofsstädten Kaiseraugst/ mannische Herzog, natürlich im Nach W. Hug, Geschichte Badens (Stuttgart und Straßburg sowie im Osten ihres Sinne des königlich-merowingischen 1992), Abb. S. 49. ursprünglichen Siedlungsraumes an Auftrags, den er ja auch im politisch- liier und Donau (Bischofssitz? Augs- administrativen Bereich zu vertreten burg). hatte. Vieles spricht dafür, daß die oft an strategisch wichtigen Stellen über- dieser Richtung lassen aber die ar- Trotz dieser langen und engen Nach- all im Land entstehenden Königshöfe chäologischen Quellen nicht zu. In barschaft kam das Christentum nicht als frühe Stützpunkte auch der kirchli- dieser Sitte der Kreuzbeigabe könn- aus der Romania, sondern in seinen chen Organisation anzusehen sind. Es ten sich ja auch ganz allgemein kultu- Anfängen jedenfalls aus dem fränki- ist jedenfalls auffällig, daß an Plätzen relle Beziehungen zu Oberitalien wi- schen Reich. Mit dem Sieg des Fran- mit urkundlich bezeugtem Königsgut derspiegeln, wie sie sich in der Über- kenkönigs Chlodwig bei Zülpich fiel sehr häufig die Pfarrkirchen frühe, nahme langobardischer Trachtele- Ende des 5. Jahrhunderts der nördli- fränkisch geprägte Patrozinien auf- mente in dieser Zeit zeigen. che Teil Alamanniens einem christli- weisen, vor allem das des heiligen chen Herrscher zu, wenige Jahr- Martin von Tours, aber auch des Re- Bevor wir uns den durch Ausgrabun- zehnte später (536 n.Chr.) war die po- migius oder Hilarius. gen bekannten Kirchen der südwest- litische Einbindung des ganzen ala- deutschen Alamannia zuwenden, mannischen Stammesgebietes ins Ergänzt wird dieses sich allmählich müssen wir uns fragen, was wir in der fränkische Reich abgeschlossen. Die verdichtende Netz kirchlicher Präsenz Merowingerzeit hier überhaupt an Christianisierung der neu gewonne- durch Klostergründungen des 7. und christlichen Sakralbauten erwarten nen Gebiete lag also im Interesse der frühen 8. Jahrhunderts (Reichenau, dürfen. Daß es seit ungefähr 600 n. fränkischen Königsmacht, wobei es Säckingen, Schuttern), die sich zu- Chr. im linksrheinischen (!) Konstanz zunächst wohl mehr um die Siche- nächst allerdings deutlich an die Peri- eine Bischofskirche gegeben hat, ist rung der Herrschaft als um die Ver- pherie des alamannischen Raumes sicher, doch haben sich davon bisher breitung des neuen Glaubens ging. halten. Trotzdem sind sie wichtig für keine Spuren nachweisen lassen. Schließlich war auch der Übertritt Einpflanzung und Pflege christlichen Auch wissen wir nicht, ob sie aus An- Chlodwigs selbst - besiegelt durch Lebens, Aufgaben, die in dieser Zeit - laß der Bistumsgründung neu errich- seine Taufe in Reims zusammen mit ergänzend zu den Bestrebungen der tet wurde, oder ob man zunächst eine seiner vielköpfigen Gefolgschaft („mit fränkischen Reichskirche - von iro- am Ort schon bestehende spätantike all seinem Volk") - eine eminent poli- schottischen Wanderpredigern eifrig Kirche des 4. oder 5. Jahrhunderts tische Entscheidung gewesen, die vor wahrgenommen werden; in mehre- weiterbenutzt hat. Jedenfalls dürfen allem das Zusammenwachsen der ro- ren Fällen ausgehend vom Kloster Lu- wir davon ausgehen, daß es - unab- manischen und germanischen Reich- xueil in Burgund, aber offenbar ohne hängig von einer genauen Zeitbe- steile fördern sollte. größere Wirxung auf die zentralen Be- stimmung - nach guten Beispielen in reiche Alamanniens, soweit wir nach spätantiken Kastellen des Hochrhein- Zunächst schloß sich offenbar der ala- den überlieferten Reisewegen und tals eine in Stein errichtete recht- mannische Adel dem neuen Glau- den Orten von Zellen- und Kloster- eckige Saalkirche mit halbrunder ben, also dem königlichen Vorbild, gründungen urteilen dürfen. Dage- Apsis (Chor) gewesen ist. Dazu an, soweit er nicht durch loyale Fami- gen finden sich die frühen Kirchen, gehörte ein Baptisterium, also eine lien aus dem bisherigen fränkischen zunächst in Holzbauweise errichtete Taufkapelle oder ein Taufhaus, das Herrschaftsbereich ersetzt wurde, bescheidene Bauten, in der ganzen vermutlich an einer der Längsseiten wofür es archäologische Hinweise Alamannia und zeugen von der er- des Kirchenschiffs angebaut war. Eine gibt. Teile dieser „primi Alamanni" folgreichen fränkischen Mission. gute Vorstellung können die ausge- oder „optimates" blieben aber doch Auch aus dem Süden, über die Alpen grabenen und konservierten Befunde wohl in Opposition und daher viel- wirkende Einflüsse aus dem langobar- von Tenedo (Zurzach, Kt. ) leicht auch für eine heidnische Reak- dischen Oberitalien und damit der oder Castrum Rauracense (Kaiser- tion anfällig, was vor allem in der spä- „römischen" Kirche zeigen sich im augst, Abb. 3) liefern. Auch für In- teren Merowingerzeit deutlich wird, Fundmaterial alamannischer Gräber neneinrichtung und Ausstattung er- wo sich diese Haltung - zumindest des späteren 6. und des ganzen geben sich Hinweise aus dem regio- in Einzelfällen - durch Bestattung in 7 Jahrhunderts (Goldblattkreuze, vgl. nalen spätrömischen Umfeld. Denk- Grabhügeln statt in Kirchen und in der Abb. 1). Mehr als eine Andeutung in bar ein Tischalter nach einem Vorbild

45 ■ 3 Kaiseraugst, Kt. Aargau (Hochrhein). In Chur (Craubünden), kapitellge- Neben der Bischofskirche in Kon- Plan und zeichnerische Rekonstruktion der schmückte Säulen nach einem Fund- stanz, neben frühen Klosterkirchen an spätantiken Kirche im „Castrum Rauracense". stück aus Vindonissa {Windisch, Kt. Hoch- und Oberrhein sind also im In- Baptisterium zwischen Kirche und Kastell- Aargau, Abb. 4) und Chorschranken, neren Alamanniens Pfarrkirchen in mauer. Nach W. Müller, Helvetia archaeolo- eventuell mit Bemalung, nach ent- dörflichen Siedlungen und bei Kö- gica 17, 65/66,1986, Abb. 7 u. 8. sprechenden Resten im linksrheini- nigshöfen zu erwarten, „Eigenkir- schen Zurzach. chen" bei Adelshöfen: zunächst über- wiegend in Holzbauweise, später Auch in dieser jetzt alamannisch be- dann als gemörtelte Steinbauten aus- siedelten Romania südlich des Hoch- geführt. rheins wurden die im dörflichen Be- reich entstehenden Pfarrkirchen zu- Der Bau von Holzkirchen setzt in Süd- nächst in einfacher Holzbauweise er- westdeutschland im späten 6. Jahr- richtet, obwohl hier die Tradition des hundert, spätestens in derZeit um 600 Steinbaus lebendig geblieben war. In n. Chr. ein, also in der Gründungszeit der südwestdeutscnen Alamannia des Bistums Konstanz, und steht ganz dürfen wir deshalb zu Beginn nichts offensichtlich mit der von hier ausge- anderes erwarten, auch nicht bei den henden „kirchlichen Durchdringung" „Eigenkirchen" des Adels, die bei den Alamanniens in engem Zusammen- Herrenhöfen entstehen, oder bei den hang. Man muß sien vergegenwärti- frühen Klostergründungen, also den gen; die Taufe Chlodwigs liegt schon „Zellen" der iro-schottischen Missio- fast ein Jahrhundert zurück und in den nare. So baut Gallus in der Einsamkeit Gräbern setzen die Hinweise auf des Steinachtales eine Klosterkirche christliches Gedankengut schon aus Holz (ein Bär bringt das Baumate- deutlich früher ein. Insgesamt also ein rial), dazu Holzhäuser für eine kleine sehr langwieriger Prozeß, der viel- klösterliche Gemeinschaft, aus der leicht auch mit der Hartnäckigkeit zu sich später St. Gallen entwickeln tun hat, mit der die Alamannen am sollte. Ahnlich hat man sich die Zelle Althergebrachten festhielten, jeden- eines Trudpert im Münstertal oder ei- falls aber erkennen läßt, daß lange Zeit nes Landelin im Tal hinter Ettenheim das „königliche Vorbild" für die Masse (beide am westlichen Schwarzwald- des Volkes nicht verbindlich war und rand) vorzustellen. Nur in Schuttern auch nicht mit allen Mitteln durch- (), in der Rheinebene, ist als gesetzt werden sollte. Ein Blick auf älteste Klosterkirche ein Steinbau be- eine von H. W. Böhme entworfene legt, doch ist hier eine genaue Zeit- Karte (Abb. 5), auf der die datierbaren bestimmung noch offen, ein höl- „Kirchengräber^' des fränkisch-alaman- zerner Vorgängerbau auch nicht mit nischen Raumes verzeichnet sind, völliger Sicherheit auszuschließen. macht den Unterschied zu den links- Auen auf der Bodenseeinsel Reiche- rheinischen Gebieten der nau (Klostergründung durch Pirmin) deutlich: Hier ist schon im 6. Jahrhun- ist als erster Bau eine Steinkirche (mit dert eine Entwicklung weitgehend Rechteckchor) überliefert, doch ge- abgeschlossen, die bei den Alaman- ■ 4 Windisch (Vindonissa), Kt, Aargau. Flecht- hört dieser Platz ebenso wie die nen erst im 7. Jahrhundert an Dyna- bandverziertes Kapitell aus einer frühmittel- Säckinger Rheininsel (Fridolinskloster) mik gewinnt Dabei gilt es zu berück- alterlichen Kirche (um 600 n.Chr.). H. ca. 17 cm. nicht mehr zur eigentlichen rechts- sichtigen, daß die frühen Kirchen- Nach Jahrb. SCUF47,1958/59, 210, Abb. 49. rheinischen Alamannia. bauten Südwestdeutschlands nur mit

46 Bestattungen in und bei Kirchen ■ 5 Verbreitung und zeitliche Gliederung von Gräbern in und bei Kirchen im fränki- schen, alamannischen und bajuwarischen Siedlungsgebiet der Merowingerzeit. Nach H.W. Böhme, Archäologie in Deutschland 1993, Heft 4, Abb. S. 21.

Hilfe zugehöriger Grabfunde zeitlich möglich, einen Kirchenraum im Gan- beurteilt werden können, und daß bei zen zu untersuchen und die Ausgra- weitem nicht alle ergrabenen Kirchen bung eventuell noch auf Außenberei- datierbare Bestattungen enthielten. che auszudehnen, um so einen voll- Auch ist die Frage der Zugehörigkeit ständigen Abriß der Baugeschichte zu nicht immer eindeutig zu beantwor- gewinnen. ten, vor allem dort, wo mehrere Bau- phasen am gleichen Platz aufeinan- Tatsächlich gibt es bisher nur in Brenz derfolgen. (Kr. Heidenheim) einen annähernd lückenlosen Ffostenplan einer Holz- Dabei können auch ältere Spuren be- kirche des früheren 7. Jahrhunderts, seitigt worden sein, und gerade bei der deshalb schon verschiedentlich leichten, nicht sonderlich tief funda- zur Ergänzung und Rekonstruktion mentierten Holzkonstruktionen ist weniger gut erhaltener Baubefunde mit Verlusten zu rechnen. Frühe Holz- herangezogen wurde (Abb. 6 u. 7). ■ 6 Brenz, Kr. Heidenheim, „St. Gallus". Der kirchen sind deshalb oft nur in Gleichzeitig bietet Brenz ein gutes älteste Pfostenbau und zwei zeitlich folgende lückenhaften Grundrissen überliefert, Beispiel für die Abfolge verschiedener Steinbauten mit zugehörigen Gräbern. Nach in manchen Fällen vielleicht auch gar Kirchenbauten an gleicher Stelle, was H. Dannheimer (B. Cichy), Fundber. Schwaben nicht bekanntgeworden. Auch muß zwar keine nennenswerten Zer- N.F. 19,1971,299, Abb.l. man damit rechnen, daß bei älteren störungen bewirkt hat, aber doch die Grabungen mehr auf die Steinfunda- Zuweisung der hier angetroffenen ■ 7 Rekonstruktion einer Holzkirche vom mente als auf Ffostenspuren geachtet Gräber schwierig macht. Wie der Plan „Typ Brenz" (Aschheim, Kr. München). Nach wurde, und bis in unsere Zeit ist es oft zeigt, handelt es sich in Brenz um ei- H. Dannheimer, Auf den Spuren der Baju- aus verschiedensten Gründen nicht nen aus vier F'fostenreihen gebildeten waren (Pfaffenhofen 1987) S.125, Abb. 84.

CZD37 (3 Pfo»tengrub«n der Kirche I, 1' '. iiii'l'lUl Grab mit Beigaben nachgewiesen bzw. erschlossen | Grob ohne Beigaben '///////. Kirche« M. 1:100 '/////, Kirche Mo 0 | | _ _ 5m

47 ■ 8 Dunningen, Kr. Rottweil, „St. Martin". Pfo- stenlöcher einer Holzkirche, Fundament einer Steinkirche, Gräber. Planzeichnung: Archiv IDA, Freiburg.

Rechteckbau von 12,5 x 9,2 m Größe; cher Steile nicht doch eine frühere verglichen mit den jüngeren Steinkir- Holzkirche gegeben hat, die archäo- chen des 7. und beginnenden 8. Jahr- logisch nicht erfaßt wurde, und zu der hunderts fehlt ein Chor in Form einer vorhandene ältere Gräber gehören halbrunden oder rechteckigen Apsis könnten. In Dunningen nun liegen (wie sie in Brenz der jüngere Steinbau zwei Gräber aus der Zeit um 600 und aufweist). Dafür ist im Ostteil des Kir- aus dem beginnenden 7 Jahrhundert chenschiffes ein knapp 3 m tiefer (Abb. 9) so unter der Holzkirche, daß Querraum abgeteilt, für den es eben- diese als jünger angesehen werden falls in spätrömischer Zeit gute Vorbil- muß. Es gab also hier schon Bestattun- der gibt, und der als Chorraum anzu- gen vor dem Kirchenbau, aber offen- sprechen ist. bar nur wenige mit kostbaren Beiga- ben, so daß es sich jedenfalls um den Auch für die Innenausstattung lieferte Bestattungplatz einer hochgestellten der archäologische Befund einige Familie, nicht um den Ausschnitt ei- Anhaltspunkte. Demnach waren die nes Ortsfriedhofs handelt. Der wenig aus Flechtwerk mit glattem Lehm- später über diesen Gräbern errichtete verstrich bestehenden Wände mit Sakralbau ist demnach als Kirche ei- einer dünnen Kalkschlämme über- nes Adelshofs anzusprechen, die zogen, auf der sich „die geringen, zwar auch später noch vereinzelt für aber deutlich erkennbaren Spuren Bestattungen genutzt wurde, aber einer linearen Malerei in Rot, Gelb, nicht als „Coemeterialkirche" im oben Weiß und Schwarz fanden" wie der genannten Sinne gelten darf. Anlaß Ausgräber B. Cichy vor Ort feststellen für die Kirchengründung waren dem- konnte. Der sehr unebene Fußboden nach nicht allein die hier schon vor- bestand aus gestampftem Lehm, Spu- handenen Gräber, sondern das „ei- ren eines Altars fanden sich nicht. genkirchliche" Interesse des hier le- benden adligen Grundherrn, was Nach dem Grundrißschema der Kir- einezumindestteilweise Nutzung des che in Brenz ist offenbar auch ein Kirchenraums für die Familiengrab- früher Holzbau in Dunningen (Kr. lege durchaus mit einschloß. Es ist Rottweil) erbaut worden, von dem aber in der ganzen südwestdeut- aber nur wenige Ffostengruben nach- schen Alamannia bisher kein Fall be- gewiesen sind (Abb. 8). Dafür erlaubt kannt, wo ein früher schon angelegter es aber der Befund, eine andere Frage größerer Ortsfriedhof den Bau einer zu diskutieren, und zwar die nach Kirche im „Außenbereich" verursacht dem jeweiligen Anlaß einer Kirchen- hätte, so daß man davon ausgehen gründung, der ja von Fall zu Fall ver- muß, daß es Friedhofskirchen im ei- schieden sein kann. Die Frage ist, ob gentlichen Sinne nicht gegeben hat. man im frühen Mittelalter Kirchen Anders zu beurteilen sind kleine ka- auch am Platz älterer Ortsfriedhöfe er- pellenartige Holzbauten auf oder bei richtet hat, also Bauten im Sinne Bestattungspiätzen wie etwa in Dürb- der spätrömischen Friedhofskirchen heim. Kr. Tuttlingen (Abb. 10). Sie ste- (Coemeterialkirchen)? hen eher in der Tradition spätantiker ■ 9 Dunningen, Kr. Rottweil, „St. Martin". Memorialbauten, die vor allem zum Schmuck aus Frauengrab 16: Bügelfibel aus Der Gedanke liegt vor allem bei den Gedächtnis an einzelne Verstorbene Silber, Scheibenfibel mit Filigrandekor aus Steinkirchen nahe, die ältere Gräber errichtet worden sind. Ob Holzbau- Gold mit Steinbesatz (Anfang 7. Jh.). Dm. der überschneiden. Dabei bleibt aber ten dieser Art auch gottesdienstlichen Scheibenfibel 5,2 cm. Photo: LDA, Freiburg. meist die Frage offen, ob es an glei- Zwecken gedient haben, ist nicht be-

48 kannt, wenn ja, kommt bei ihrer ge- Holzbauten des S.Jahrhunderts wie in ringen Größe jedenfalls nur ein klei- der Wüstung Zimmern, Gem. Gem- ner, familiärer Teilnehmerkreis in Be- mingen (früher Stebbach, Kr. Heil- tracht. bronn), zeigen den von Steinkirchen gewohnten eingezogenen Recht- CP" Während des ganzen 7. und 8. Jahr- eckchor (Abb. 11). Lediglich halb- t-tr-v,. hunderts, auch noch später, waren runde Apsiden sind im Holzkirchen- hölzerne Kirchen in Benutzung. Auch bau offenbar nicht ausgeführt wor- Neubauten aus Holz wurden noch den. lange nach Entstehung der ersten ""10 Steinkirchen errichtet. Es gab also Schwachpunkte der Holzbauweise keine rasche Ablösung, sondern ein waren die Anfälligkeit für Reparatu- langes Nebeneinander der beiden ren, die vergleichsweise geringe Le- Bauformen, wobei weder erhebliche bensdauer, vor allem aber die Gefähr- Crößenunterschiede noch abwei- dung durch Feuer, und tatsächlich chende Grundrißlösungen festzustel- gibt es Hinweise auf Kirchen, die len sind. So findet sich der einfache durch einen Brand zugrunde gegan- Rechteckraum mit abgeschranktem gen sind. Allein schon deshalb gehört Chorbereich, wie er in Brenz (Abb. 6) die Zukunft dem Steinbau, und diese vorliegt, auch bei der ersten Kloster- allgemeine Tendenz läßt sich auch an kirche von Schuttern und in anderen Beispielen wie Brenz (Abb. 6) oder Fällen. Auch die scheinbare „Drei- Zimmern (Abb. 11) sehr gut illustrie- schiffigkeif hölzerner Kirchen wie ren. Brenz, die sich bei Steinbauten nicht wiederholt, dürfte eher konstruktiv Ersten Holzkirchen folgen stets jün- bedingt sein, als eine Unterteilung des gere Neubauten in Stein, nie jedoch Innenraums bezweckt haben. Späte umgekehrt. Dabei läßt sich nach den «4 •• • • '—'nsiO —. ' Holzbau CSÄ^— crq igfc=: cu

■ 10 Dürbheim, Gewann „Hauslesrain". Gra- bergruppe der späten Merowingerzeit mit klei- nem Holzbau (Grabkapelle, Memoria?) neben Adelsgrab 2 (vgl. Abb. 18). Plan: Archiv LDA, Frei- burg.

■ 11 Wüstung Zimmern. Holzkirche und fol- gende mehrphasige Steinkirche, ein Beleg für späten Holzkirchenbau. Nach G. Fehring, Mis- sions- und Kirchenwesen in archäologischer Sicht. In: Vorträge u. Forschungen 22 (Sigmarin- gen 19979) 572 Abb. 10.

■ 12 Kirchdorf, Gem. Brigachtal, „St. Mar- tin". Steinkirche mit frühmittelalterlichen t«oot ■ mioof Gräbern (7. Jh.). Nach H. Eckert u.a., St. Martin in Kirchdorf (Kirchdorf 1991) 5 Abb. 2.

49 ■ 13 Ennabeuren, Gem. Heroldstatt, Alb- Donau-Kreis. Kleines Tragrellquiar aus dem Altar der Pfarrkirche (ca. 700 n.Chr.), Höhe: 8,9 cm. Nach R. Christlein, Die Alamannen (Stuttgart 1978) Taf. 22.

Fundamenten allerdings nicht im- merentscheiden, ob der ganze Bau in Stein ausgeführt war, oder ob wir es mit einer Fachwerkkonstruktion auf Steinsockel zu tun haben, die es in der Frühzeit wohl an manchen Orten ge- geben hat. Die ersten Steinkirchen im rechtsrhei- nischen Gebiet entstehen nur wenig später als die frühesten Holzbauten. Ein gutes Beispiel dafür bietet der lei- der nicht ganz vollständige Befund von Schleitneim, Kt. Schaffhausen, der durch beigabenführende Gräber et- wa ins 2. Viertel des 7. Jahrhunderts gesetzt werden kann. Da die Tradition des gemörtelten Steinbaus in diesem Gebiet mit der Einwanderung der Ala- mannen abgebrochen war, stellt sich allerdings die Frage, wer diese Bauten aufgeführt hat. Geschulte einheimi- sche Kräfte standen jedenfalls nicht zur Verfügung. Selbst in einer Stadt wie Trier mußte im 6. Jahrhundert ein Bischof (Nicetius) Handwerker aus Italien anwerben, um Baumaßnah- men an den Kirchen seines Bischofs- sitzes durchführen zu können. Wie- Man könnte in der ausgehenden Me- gehört zum ältesten, wenn auch nicht viel mehr war man in der Alamannia rowingerzeit geradezu von einer Wel- genauer datierbaren Steinbau ein Südwestdeutschlands auf auswärtige le kirchlicher Neugründungen spre- Mörtelestrich. Ein vergleichbarer Bo- Fachleute angewiesen! Der Blick rich- chen, wobei es sich bei den bekann- den wurde in Lahr-Burgheim fest- tet sich auch hier nach Süden, zu- ten Beispielen überwiegend um Kir- gestellt, wo der Ausgräber zudem auf nächst allerdings nicht bis Italien, son- chen adliger Familien handeln dürfte, Grund der geringen Fundamentstärke dern in die Gebiete links des Rheins, die vor allem dem Gründer, aber auch flache Holzdecken über Schiff und wo sich unter der romanischen Bevöl- seinen nächsten Angehörigen als niedrigerem Chor erschließt. Auf den kerung das Bau- und Steinmetzge- Bestattungsplatz „ad sanctos", also getünchten Innenwänden waren ver- werbe, wenn auch sicher in beschei- bei den Heiligen bzw. ihren im Alter mutlich farbige Dekorationen ange- denem Rahmen, erhalten hatte. Dafür eingeschlossenen Reliquien dienten. bracht, doch gibt es Belege dafür erst zeugen nicht nur die eingangs schon St. Martin in Kirchdorf (Schwarzwald- aus jüngeren Bauten karolingischer genannten Kastellkirchen des 4. und Baar-Kreis) (Abb. 12), St. Dionysius in Zeit (Höllstein, Kr. Lörrach). Fenster- S.Jahrhunderts am Hochrhein. In Dettingen (Kr. Tübingen), St. Peter in verglasung ist bisher nirgends nach- Straßburg etwa ließ Bischof Arbogast Lahr-Burgheim (Ortenau kreis), die gewiesen, auch wissen wir nichts im 6. Jahrhundert Ziegel brennen und ersten Steinbauten von St. Martin in über das Aussehen von Chorschran- mit seinem Namen stempeln, was auf Dunningen (Kr. Rottweil) (Abb. 8) und ken und Altären {Altarsockel in Schut- umfangreiche kirchliche und wohl St. Gallus in Brenz (Abb. 6), wahr- tern und Gruibingen, Kr. Göppingen, auch profane Bautätigkeit in dieser scheinlich auch die schon verschie- Datierung unsicher). Im Gründungs- Zeit hinweist. Es waren also mit großer dentlich genannte Klosterkirche in bau von St. Dionysius (St. Vitalis I) in Wahrscheinlichkeit kleine Gruppen Schuttern gehören in diese Zeit. So- Esslingen, durch Grabfunde ins S.Jahr- von Handwerkern aus den ehemali- mit liegen alle denkbaren Grundriß- hundert datiert, ist das bisher einzige gen spätrömischen Grenzgebieten, lösungen vor, Saalkirche mit abge- Beispiel eines Reliquiengrabes im die für den Bau von Steinkirchen an- setztem Rechteckchor, mit Halbrund- Inneren Alamanniens entdeckt wor- geworben wurden, eventuell auch für chor oder mit in den Bau einbezoge- den, in Form einer innen verputzten die Anlage mörtelverputzter Gräber, nem, abgeschranktem Chorbereich. und getünchten Grabkammer mit die vor allem in und bei Kirchen des dachförmigem Sandsteindeckel, dar- späten /.Jahrhunderts bekannt ge- Soweit als Steinbau ausgeführt, ist in eine für solche Anlagen typische worden sind. Dies war auch, so je- beidseitiger Verputz der Mauer anzu- verschließbare Öffnung. Das „Grab" denfalls in archäologischer Sicht, eine nehmen. Die Dächer waren, wie bei war leer, offensichtlich hat man die Zeit verstärkten Kirchenbaus, wenn den Holzkirchen, wohl mit Schindeln hier eingebrachten Reliquien beim man auch nicht übersehen darf, daß gedeckt, für die Verwendung von Zie- Bau einer jüngeren Kirche transferiert. im Laufe des 7. Jahrhunderts vielfach feln gibt es im rechtsrheinischen Ge- noch die schwer zu entdeckenden iet bisher keine Anhaltspunkte. Ein weiteres seltenes Zeugnis für ei- Holzkirchen errichtet worden sind, Auch über die Innenausstattung die- nen merowingerzeitlichen Reliquien- wofür es vor allem in der Nord- ser Kirchen ist nur wenig bekannt. In behälter bietet ein mit modelverzier- schweiz gute Beispiele gibt. Kirchheim unter Teck (Kr. Esslingen) ten Bronzeblechen beschlagenes bur-

50 senförmiges Kästchen aus Lindenholz kunft ihrer Träger aus dem burgundi- mit seitlichen Tragösen, das in der schen Raum. Zumindest in Gruibin- Kirche von Ennabeuren (Alb-Donau- gen ist gesichert, auch nach der Lage Kreis) aufbewahrt wird (Abb. 13). Ur- des Grabes, daß es sich tatsächlich sprünglich im Besitz eines Klerikers um einen Kleriker handelt, dem das (Tragösen!), wurde es wohl schon Recht auf Bestattung im Inneren der früh Teil einer Kirchenausstattung, Kirche, an besonders hervorgehobe- vielleicht sogar am Ort seiner glück- ner Stelle (Altarbereich), zustand. lichen Erhaltung. Ein singuläres Holz- brettchen mit eingeritzter Engelsdar- Neben den Geistlichen wurden aber ■ 15 Pfullingen, Kr. Reutlingen, „St. Martin". Fragment einer Reliquiarschnalle aus Hirsch- stellung aus einem Grab in Pfahlheim in und bei Kirchen auch andere Per- (Ostalbkreis) (Abb. 14) könnte eben- sonen bestattet, Laien in kirchlicher geweih, vermutlich aus einem Klerikergrab falls zu einem Reliquienkästchen ge- Sicht, was nach kanonischem Recht des 7. Jh. Länge der rekonstruierten Schnalle hört haben. eigentlich gar nicht zulässig war. In ei- ca. 16 cm. Nach D. Quast, Fundberichte aus nem Capitulare Karls d. Großen wird -Württemberg 19,1994, 606 Abb. 12. Auch zu den Geistlichen, die den dieses Privileg tatsächlich auch auf Gottesdienst in den kleinen Kirchen Personen geistlichen Standes be- Inneralamanniens abhielten, ob nun schränkt. Die Praxis aber sah anders vom Bischof eingesetzt oder von adli- aus. Schon die Gründung der vielen gen Kirchenherren ins Land geholt, „Eigenkirchen" des Adels, die außer- kann die Archäologie in Einzelfällen halb der bischöflichen Jurisdiktion Auskunft geben, und zwar auf Grund blieben, zeigt deutlich, daß man es in von Gräbern mit charakteristischen der Merowingerzeit mit den Regeln Funden. So kennen wir aus der Mar- nicht so genau nahm, daß es wichti- tinskirche in Pfullingen (Kr. Reutlin- ger war, alle Möglichkeiten zur Aus- gen) das Fragment einer mit christli- breitung und Festigung des christli- chen Motiven verzierten Reliquiar- chen Glaubens zu nutzen, und daß schnalle aus Hirschgeweih (Abb. 15), man dabei der alamannischen Ober- allerdings nicht menr im ursprüngli- schicht, die sich mehrheitlich diesem chen Grabzusammenhang gefunden. Ziel verpflichtet wußte, dafür auch die Dagegen wurde ein intaktes Grab mit notwendigen, weil der Sache dienen- einer Schnalle aus gleichem Material den Freiheiten einräumte. Nur kraft in der ebenfalls dem heiligen Martin eines solchen Privilegs, eines still- von Tours gewidmeten Kirche von schweigend zugestandenen Sonder- Gruibingen angetroffen, etwa im Al- rechts war es möglich, daß Angehö- tarbereich eines mutmaßlichen höl- rige ranghoher Familien, auch nierin zernen Vorgängerbaus. Zum Grab- königlichem Vorbild folgend, in Kir- inventar gehörte neben der Schnalle chen bestattet werden konnten. Und noch ein großes breites Messer, das dies war ja auch ein ganz wesent- nach guten Beispielen in anderen liches Motiv für den adligen Gründer Regionen zum Schreibbesteck eines oder die Gründerin einer „Eigenkir- Geistlichen gehört hat. Die „beiner- che": Mit der Gewißheit der verheiße- nen" Schnallen weisen auf eine Her- nen Auferstehung bei den Heiligen

■ 14 Pfahlheim, Ostalbkreis, Gewann „Renn- weg". Aus einem Grab stammt dieses Fragment eines Kästchens aus Lindenholz mit eingeritz- ten Engelsgestalten (Michael und Gabriel?). Ur- spünglich vielleicht Teil eines Reliquiars (2. Hälfte 7 Jh.). Höhe: 18 cm, Photo: LDA, Stutt- gart.

51 bzw. ihren Reliquien zu ruhen, die re- bekanntgewordenen Grabinventare gelmäßigen Seelenmessen, die jahr- gleiches Niveau, auch dann nicht, tage und damit auch das ewige Ge- wenn sie der gleichen Zeit angehö- denken zu sichern, für sich selbst, die ren. Dies kann im Einzelfall unter- Angehörigen und die Nachkommen. schiedliche Gründe haben, zeigt Dafür stellte man den Platz für die Kir- aber doch die starke Differenzierung che zur Verfügung, übernahm die Ko- der als Kirchengründer auftretenden sten für Bau, Ausstattung, Unterhalt Schicht. Dabei wird für uns der hohe und Priesterbesoldung. Reiche Beiga- Rang einzelner Familien vor allem in ben an Schmuck und Waffen, bis in der Qualität mitgegebener goldener die späte Merowingerzeit, auch nach Schmuckstücke ablesbar, so etwa in dem Erlöschen der allgemein geüb- der Fibel von Lahr-Burgheim, im ten Beigabensitte, unterstreichen die- stein besetzten Ohrring von Gruibin- se rechtliche Sonderstellung. Nicht als gen oder dem Fingerring mit antiker Ausstattung für ein materiell gedach- Gemme aus Dettingen (Abb. 16). Un- tes Jenseits dürfen wir die Fundstücke ter den Männergräbern ist Kirchheim aus den „Kirchengräbern" verstehen, unter Teck (Abb. 17) hervorzuheben, sondern als Ausdruck der gesell- das eine Spatha mit silbertauschier- schaftlichen Stellung, als Symbol für tem Knauf, zugehörige reich deko- das eigene, auch im Tod gewahrte rierte Gurtbescnläge aus vergoldeter Recht. Bronze, eine silbertauschierte Gürtel- garnitur, einen außergewöhnlichen Trotz dieser besonderen Vorausset- Doppelkamm und ein Bronzebecken zungen und Bedingungen, die den enthielt. Der hier in der 1. Hälfte des für Kirchenbestattungen in Frage kom- 7. Jahrhunderts bestattete Mann ist menden Personenkreis sehr ein- allerdings nicht als gleichrangig mit schränkten, zeigen keineswegs alle dem Herrn von Dürbheim (Grab 2,

■ 16 Coldschmuck aus Kirchengräbern der Zeit um 700 n.Chr. Oben: Lahr-Burgheim „St. Pe- ter", Grab 10, goldene Vierpaßfibel mit silber- nen „Perlen". Mitte: Dettingen (Kr. Tübingen) „St. Dionysius", Grab 2, goldener Fingerring mit rö- mischer Gemme (Siegelring). Unten: Gruibin- gen (Kr. Göppingen) „St. Martin", Grab 3. Zeich- nungen: LDA, Freiburg, Tübingen, Stuttgart.

■ 17 Kirchheim unter Teck, Kr. Esslingen, „St. Martin". Funde aus Grab 1 (Auswahl). Spatha mit silbertauschiertem Knauf, ent- sprechend verzierte eiserne Gürtelschnalle, Doppelkamm in Futteral, Bronzeschüssel. Verschiedene Maßstäbe. Nach: R. Koch, Fundberichte aus Schwaben N.F. 19, 1971, 309 ff.

52 ■ 18 Dürbheim, Kr. Tuttlingen, Gewann „Häuslesrain", Männergrab 2, Fundauswahl: Teile einer „vielteiligen" silbernen Cürtelgarnitur, Niete der großen Riemenzunge mit Colddraht umlegt, flechtbandverzierte Silberbeschläge vom Sax, silberne Schnällchen und kleine Rie- menzunge von der Wadengarnitur (Beinrie- men). M. 1 ;2. Zeichnung: LDA, Freiburg,

lieh zum Christentum bekannt hat. Es fand also eine, wenn auch nicht ge- waltsame, Christianisierung von oben nach unten statt, und es erscheint deshalb nicht unverständlich, daß die Alamannen den irischen und angel- sächsischen Glaubensboten noch im 7. und 8. Jahrhundert missionierungs- bedürftig erschienen: erst diese wa- ren es, die das politisch durchge- setzte, vielfach nur oberflächlich ver- standene und rezipierte Christentum mit Glaubensinhalt erfüllten, durch ihre Predigten wie in ihrem persönli- chen Vorbild. So sind auch sie - die erst spät kamen, und nicht die mit der Pfarrorganisation befaßten, von König und Herzog unterstützten Bischöfe - zu den „Aposteln Alamanniens" ge- worden.

Literatur: H.W. Böhme, Adel und Kirche bei den Ala- mannen der Merowingerzeit, Germania 74, 1966, 477-507. B. Cichy, Die Kirche von Brenz (Gundelfin- gen 1996). H. Dannheimer, Aschheim im frühen Mittel- alter. Teil 1 (München 1988). G. Fingerlin, Merowingerzeitliche Adelsgrä- ber in der Peterskirche von Lahr-Burgheim. Archäologische Nachrichten aus Baden 35, 1985,23-35. W. Hübener, Die Goldblattkreuze des frühen Mittelalters (Bühl 1975). W, Müller, Archäologische Zeugnisse zum frühen Christentum zwischen Taunus und Al- penkamm, Helvetia Archaeologica 17, 65/66, 1986,3-77. Abb. 10) anzusehen, der im frühen Holzkirchen seit dem ausgehenden W. Müller u, M. Knaut, Heiden und Christen. 8. Jahrhundert neben einem kleinen 6. Jahrhundert, Steinkirchen nur we- Archäologische Funde zum frühen Christen- hölzernen Memorial(?)bau in gold- nig später und zugehörige, mit Beiga- tum in Südwestdeutschland (Stuttgart 1987). brokatbesetzter Kleidung, mit einer ben versehene Bestattungen, faßbar D. Quast, Die merowingerzeitlichen Funde massiv silbernen Cürtelgarnitur, mit bis etwa in die Mitte des 8. Jahrhun- aus der Martinskirche in Pfullingen, Kreis Kettenpanzer und silberbeschlage- derts, zeigen uns einerseits die Aus- Reutlingen. Fundberichte aus Baden-Würt- nem Sax (Abb. 18) beigesetzt worden breitung des christlichen Glaubens temberg 19,1994, 591-650. ist. Auch die Verwendung von sorgfäl- und der kirchlichen Organisation im A. Zettler, Die frühen Klosterbauten der tig zugehauenen Steinsärgen nach Inneren Alamanniens, machen aber Reichenau. Ausgrabungen-Schriftquellen- linksrheinischem Vorbild gehört zu auch deutlich, daß dies ein generatio- St. Galler Klosterplan (Sigmaringen 1988). den Kriterien, die auf hochgestellte nenlanger Prozeß war, der vor allem Personen der jüngeren Merowinger- unter politischen Vorzeichen stand. zeit schließen lassen. Solche Sarko- War es doch ganz offensichtlich phage, möglicherweise aus dem Elsaß die alamannische Oberschicht, der Prof. Dr. Gerhard Fingerlin oder Burgund importiert, wurden bis- grundherrliche Adel, der sich nach LDA • Archäologische Denkmalpflege her ausschließlich in Kirchen gefun- königlich-fränkischem Vorbild früh Marlenstraße 10a den (z.B. Lahr-Burgheim). schon und allmählich auch mehrheit- 79098 Freiburg/

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