Besser als sein Ruf: Kino der Adenauerjahre Kino der Adenauerjahre

11 SCHWARZER KIES SCHWARZER

Zwischen gestern und heute Das Spiel der Zeiten. Im letzten Jahr wurde das Kino Das Kino jener Tage, das westdeutsche Kino der 1950er der Adenauer-Ära noch einmal neu entdeckt: mit einer Jahre, in dem die unbewussten Konflikte, Wünsche und großen, signalhaften Retro beim Filmfestival von Locar- Ängste der Menschen in der Adenauer-Zeit eine Projek- no. Die Filmschau, die dann in erweiterten Formen tionsfläche fanden, es verschwindet allmählich aus den durch verschiedene deutsche Metropolen tourte, wurde TV-Programmen, wo es lange Zeit einen festen, nost- von einer umfangreichen Publikation begleitet, die den algischen Platz inne hatte. Anderswo taucht es wieder programmatischen Titel trägt: »Geliebt und verdrängt. auf: auf Internet-Plattformen und in DVD-Sammler- Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland editionen, als edle Memorabilien für eine ältere Gene- 1949 –1963«. Dieses Buch, ein Steinbruch von Essays, ration. Die jüngeren Cine-Nerds beschäftigen sich eher stimmt jedoch in vielen Teilen nicht mit der rebellischen mit der psychedelischen Fortführung von »Papas Kino« Attitüde überein, die es sich selbst gibt. Mit Ausnahme in den 1960er und 1970er Jahren. weniger Texte wird dem Kino der Adenauer-Ära nicht Das Kino jener Tage, es ist im Grunde immer noch nur berechtigte Kritik entgegengebracht, sondern viel- ein cinéma maudit, nicht so verdammt wie das Kino fach altbekannte Ressentiments. Das Buch vernachläs- der Nazizeit, eher verlacht und verpönt, auch verurteilt, sigt zudem die Geschichte einer filmkritisch-wohlwoll- da die Schuld der Deutschen im »Dritten Reich« nicht enden Rezeption des Kinos der 1950er Jahre, die von verarbeitet worden sei. Es ist ein Kino, das für immer Ulrich Kurowskis frühen, kenntnisreichen Erkundungen als alt und gestrig eingestuft zu werden scheint. In Al- in der terra incognita jenes Kinos, die 1979 –1981 vom tersheimen hängen die Fotos von O.W. Fischer, Maria Münchner Filmzentrum veröffentlicht wurden, und Fritz Schell und »Sissi«, obwohl manche Senioren vielleicht Göttlers elegantem und zugleich verwegenem Aufsatz einst die Stones gehört oder gar mit Otto Muehl sym- über das Kino der 1950er Jahre, seine Form, seine Sinn- pathisiert haben. lichkeit, seine Essenz, in der im Metzler-Verlag publi- zierten »Geschichte des deutschen Films« über Gerhard spielt hat, einen Kindermörder: Es gibt kein zurück und Bliersbachs Psycho-Studie »So grün ist die Heide. Der kein voran, für immer verloren zwischen gestern und deutsche Nachkriegsfilm in neuer Sicht« bis Claudius morgen. Seidls Heyne-Filmbuch »Der deutsche Film der 50er »We can't go home again«, Nicholas Rays Credo gilt Jahre« reicht, einer Filmstudie wie ein B-Picture, die in existentialistischer Weise auch für den jungen Horst bei einem durchaus differenzierten Lob des Adenauer- Buchholz in Georg Tresslers DAS TOTENSCHIFF. Dies Kinos auch als kleine Provokation für damalige Filmkri- war gerade der cinephile Traum vieler junger deutscher tiker der Frankfurter Schule gedacht war. Filmemacher und Kritiker wie Joe Hembus, der 1961 In der Beschäftigung mit dem Kino der Adenau- in seinem legendären Buch verkündet hatte »Der deut- er-Ära gilt also immer noch Fritz Göttlers Bemerkung sche Film kann gar nicht besser sein«: die Vorstellung aus den 1980er Jahren: »So schlecht kamen die deut- von der Anknüpfung des deutschen Films der 1950er schen Filme dieser Zeit weg, dass es lohnen muss, sich und 1960er Jahre an das Kino der Weimarer Repu- wieder überraschen zu lassen von ihnen, der Faszina- blik. Ein rebellischer Traum, aber auch ein Traum der tion nachzugeben, den advocatus diaboli zu spielen: Verdrängung: als ob man das UFA-Kino des »Dritten Kinogeschichte aus dem Untergrund, der Renitenz und Reichs« einfach in den Orkus stoßen könnte. der Resistance...« Die Stunde Null stellte zudem natürlich keine prä- Kino der Adenauerjahre zise Grenzlinie dar. Es gab sogenannte Überläuferfil- 12 Zwei Nullpunkte me, späte, düstere, hoffnungslose Filme des »Dritten Das westdeutsche Nachkriegskino ist gleichsam ein- Reichs«, die erst nach Kriegsende in die Kinos kamen, betoniert zwischen zwei Nullpunkten. Gut 15 Jahre etwa VIA MALA von Josef von Baky. Und ist es zu ge- zwischen der Stunde Null, dem absoluten Zusammen- wagt, IMMENSEE und OPFERGANG, zwei Todesmelos bruch Deutschlands zu Kriegsende 1945, und dem des berüchtigten JUD-SÜSS-Regisseurs Veit Harlan als Oberhausener Manifest, das 1962 den Tod von »Papas bizarre Endzeitfilme zu sehen auf dem Weg zum Null- Kino« propagierte. Ende und Neubeginn, für immer ver- punkt? In diesem Programm des Filmmuseums kann knüpft. Ende und Neubeginn nach dem Krieg: Das sind man überprüfen, wie Harlan in den 1950er Jahren mit Trümmerfilme, Schmugglerfilme (wie R.A. Stemmles seiner Verstrickung, seiner Schuld und seinem Kino- beinahe neorealistischer SÜNDIGE GRENZE), Schwarz- gespür umging in Filmen wie HANNA AMON und dem marktfilme, Mordgeschichten, genuinefilms noirs (wie ebenfalls berüchtigten Sexploitation-Melo ANDERS ALS Hans Müllers HAFENMELODIE). Vor allem sind es DU UND ICH, in dem Homosexualität und Modernismus schmerzliche Heimkehrerfilme, Illusion in Moll, oder mit Angst, Repression, aber auch einer mysteriösen ganz illusionslos. Faszination begegnet werden. Den ultimativen Heimkehrerfilm, den ultimativen Ende und Neubeginn noch einmal, in den frühen Film zur Stunde Null, stellt gewiss Peter Lorres DER 1960er Jahren. Das Oberhausener Manifest fiel zu- VERLORENE dar. Ein Film als Solitär im deutschen sammen mit einer großen, weltweiten Kinokrise. Für Nachkriegskino, ein großer einsamer Film in der ge- den französischen Kritiker Jacques Lourcelles bedeu- samten Geschichte des deutschen Films. Lorre, der ten die frühen 1960er den Tod des klassischen Kinos Charakterdarsteller und Emigrant, ist zurückgekehrt mit seinem Studiosystem. In Deutschland musste in- nach Deutschland, um einen Mörder zwischen Trieb- folge des »Dritten Reichs« und dessen Verdrängung in haftigkeit und Politik zu spielen. Die Mörder sind unter der Adenauer-Zeit der Bruch mit dem alten Kino wohl uns: ein Hauptthema im deutschen Nachkriegsfilm. zwangsläufig als Vatermord inszeniert werden. Aber Hinter den Mördern verbergen sich andere Mörder. »Papas Kino« überlebte in den 1960er, 1970er und Niemand ist ohne Schuld, weder in Robert Siodmaks 1980er Jahren in mannigfaltigen Formen, bis es NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM noch in Wolfgang schließlich, oft seiner Kunst und seines Handwerks be- Schleifs späterem Anti-Heimatfilm DER ROTE RAUSCH. raubt, im Fernsehen landete. Lorres Film endet in einem bitteren Morgengrauen, Ein anderer Cinephilen-Traum, unter anderem von einem Neubeginn ohne Hoffnung. »I can't go home Rainer Knepperges geträumt: dass das alte und das again«, etwas ist für immer kaputt gegangen, das junge deutsche Kino gemeinsame Sache gemacht hät- scheint Lorres zermartertes Antlitz dem Zuschauer zu ten, was tatsächlich manchmal passiert ist, in Filmen sagen. Auch wenn Lorre indirekt mit DER VERLORENE etwa von Will Tremper, Klaus Lemke, Rudolf Thome, einen Bogen zurück ins Kino der Weimarer Republik Roger Fritz, den Schamonis, Rob Houwer, Roland Klick, schlägt, zu Fritz Langs M, in dem er die Hauptrolle ge- Eckhart Schmidt... der Heidespielt, wirdgernals Apotheose desKitsches hauptsächlich in den Alpen, dem Schwarzwald oder falt beiderGenreszukennen. DerHeimatfilm, der philosophieren, die ohneauchnuransatzweise Viel- Filmwissenschaftler fühltsichbemüßigt, darüberzu Pornofilm. Verachtete Genressindbeide, undjeder mitdem gewisser Hinsichteinigesgemeinsamhat kriegskinos istwahrscheinlichderHeimatfilm, derin Das einzigwahreGenredeswestdeutschenNach- So nah, sofern Kino 1968«.) zu sehenam7. Februar2018inderReihe»Dasandere Werner SchroetervergötterteCaterina Valente. (Beides vonRuthLeuwerikzuorientieren.Faszination« Und in SCHWESTERNDERREVOLUTIONander»seriösen seine DarstellerinCarla Aulaulu auf, sichfürdieRolle schen Filmstolzsein.«RosavonPraunheimforderte lass unsaufdieangeblichenJahrederMisereimdeut- Filme: »Peterkommzurück..., DudeutscherElvis, und eineRepriseseiner jungen PeterKrausundforderte en entdeckten, gehörtenfreilichdie Vertreter einesneu- queer cinema.Solobpreiste Walter den Bockmayer Zu denersten, diedas1950er-Jahre-Kino wieder- im Münchner Werkstattkino, diealteKauf-VHSistzu ein kleinerKultgebildet. DerFilmliefimmerwieder 1970ern,Kurowskis stetigen Hinweisen seit den späten fantastische Moor-Melo sich, hat ausgehendvonUlrich Vergangenheit und Todessehnsucht wird. Umdieses zurLandschaftvonGewalt,mat Passion, schrecklicher dar,so etwaswieeinenHeimat-Noir indemdieHei- König, einemsolitärenFilmemacherder1950er, stellt ROSEN BLÜHEN DEMHEIDEGRABvonHansH.AUF Heidefilm scher Rebellin!Undderlyrisch-dramatische ner Land: alsrothaariger, mitGiselaFackeldey lesbi- beispielsweise ist ein Western aus dem Berchtesgade- düstere Weise. RichardHäusslers MARTINSKLAUSE behandelte LegendenoderhistorischeEreignisseauf 1950ern war oft noch in Schwarzweiß gedreht. Er JOHNNYGUITARan NicholasRays denkenmuss. die Gesellschaft, indersielebt, sosehr, dassmangar eine verratene, enttäuschte, hassendeFrau. Siehasst an, dieHauptrolle spielt, indemHeidemarieHatheyer sich einenFilmwieRudolfJugertsDERMEINEIDBAUER die inihrenPlotssokonfliktbeladenist. Manschaue bemerkt zurecht, gibt, dasseskaumeineFilmgattung dargestellt, alsGenrederHarmoniesucht. Knepperges Der Heimatfilm in den späten 1940ernundfrühen indenspäten Der Heimatfilm

ROSEN BLÜHEN AUF DEM HEIDEGRAB 13 Kino der Adenauerjahre einem gesuchten collector's item geworden. Ein weite- 1950er: Jugerts NACHTS AUF DEN STRASSEN, die rer König-Film, der rare HEISSE ERNTE, erinnert an die beiden Tressler-Filme DIE HALBSTARKEN und ENDSTA- neorealistischen Filme von Giuseppe de Santis. TION LIEBE, Gerd Oswalds AM TAG ALS DER REGEN In den späten 1950ern entwickelt sich der Hei- KAM, auch Wisbars NASSER ASPHALT. Es geht meist matfilm in zwei Richtungen. Auf der einen Seite wird um einen neuen rasanten Stil und eine junge Gene- er harmloser, er mutiert zum bunten Lustspiel, zum ration, die auf Autobahnen oder dem Großstadtpflaster Ferienfilm oder zum Schlagerfilm. Auf der anderen Sei- verzweifelt nach dem richtigen Weg sucht. Die Filme te wird er exotischer, noch dramatischer. Der Norden, sind existentielle, moralische Trips. Skandinavien bietet spektakuläre Schauplätze, etwa in UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER, LAYLA – LIEBE UNTER Vier Regie-Asse und ein Joker DER MITTERNACHTSSONNE oder BARBARA – WILD Christian Ziewer, ein Vertreter des Berliner Arbeiterfilms WIE DAS MEER. Aber sogar Afrika wird zum Raum für der 1970er Jahre, hat in seinem Nachruf auf Wolfgang ein verdrehtes Heimat-B-Picture in LIANE – DAS MÄD- Staudte geschrieben: »Wir Jüngeren, die wir doch diese CHEN AUS DEM URWALD. Vergangenheit bewältigen wollten, haben uns so total Frank Wisbars BARBARA – WILD WIE DAS MEER, und neurotisch von ihr abgekoppelt, dass wir auch die der ausgerechnet in einem Post-Punk-Fanzine und der notwendigen Verbindungslinien zerstört haben. Kein Kino der Adenauerjahre Filmzeitschrift »steadycam« wiederentdeckt wurde, vor anderes Land hat sich so seiner Tradition beraubt, kei- 14 allem wegen seiner großartigen Sinnlichkeit, kombiniert nes so seine Filmgeschichte unter dem Eindruck der tatsächlich 1930er-Jahre-Kinolyrik mit einem Hauch Vergangenheit zerstört.« Bergman und einem Touch Nouvelle Vague. Die wun- Erstaunlicherweise haben die jungen Filmemacher derbare Harriet Andersson spielt die Hauptrolle, sie ist und Kritiker damals auch nicht die Arbeit der Remigran- mit ihrer Persona gleichsam eine Co-Autorin des Films. ten zu schätzen gewusst: die Filme von Lorre, von Siod- mak, von Gerd Oswald (Sohn des legendären Richard In Kliniken und auf der Straße Oswald aus der Weimarer Republik), von John Brahm, Beispielhaft sei noch auf zwei Genre-Hybride verwie- von Gottfried Reinhardt und Frank Wisbar, auch die von sen, die wichtig sind für das Kino der Adenauer-Ära. Da Machaty, Reisch oder Benedek. Gewagte Sujets, ame- ist natürlich der Arzt-Film zu nennen, in den 1950ern rikanische Erzählökonomie, B-Film-Genie sind in diesen ein sehr erfolgreiches Subgenre, vor allem von Rolf Filmen zu Tage getreten. Hansen in Szene gesetzt als sexual healing der BRD. In der Wiederentdeckung des Kinos der Adenauer- Ganz Deutschland erscheint als Sanatorium, in dem Ära spielen übrigens bis heute Filmclubs (z.B. das seltsame, nach Erlösung suchende Ärzte (meist Dieter »Ernst-Hofbauer-Kommando«) und Fanzines (z.B. »Sigi Borsche) seltsame somnambule Frauen behandeln. Götz Entertainment«) eine wichtige Rolle. Schon in Der Arztfilm wird im Laufe der 1950s bald düsterer. den 1980er Jahren gab es in München junge, wilde Rabenalts DIE EHE DES DR. DANNWITZ handelt von Cinephile, die die vier Regie-Asse des Kinos der Nach- Twen-Doktoren ohne Geld, die auch vor Abtreibungen kriegszeit mit neuen Augen sahen: die besondere Lyrik nicht zurückschrecken. Am Ende des Jahrzehnts sind im Werk des großen Helmut Käutner, die sogar etwas die Ärzte tatsächlich mad doctors: Ewald Balser in von einem queer cinema aufweist, die Vitalität (Kintopp Harnacks ARZT OHNE GEWISSEN und vor allem Horst und Politik) im Œuvre von Wolfgang Staudte, die Nou- Frank als Psycho-Übermensch-Arzt in Victor Trivas’ un- velle-Vague-Momente bei Kurt Hoffmann, schließlich glaublichem DIE NACKTE UND DER SATAN. das Spannungsfeld zwischen Kabarett und Erotik bei Ein weiteres deutsches Subgenre: der Straßenfilm. , von dem im Programm der fantastische Man kennt ihn seit der Weimarer Republik als stilisier- VENUSBERG läuft mit der großen, verlorenen Mari- ten Großstadtfilm, etwa Joe Mays ASPHALT. Lotte Eis- sa Mell. (Als Ersatzmann dieses Quartetts gilt Harald ner schrieb: »Die Straße ist rätselhafter Anreiz, wollüs- Braun, der elegant Moral und Modernität vereint.) tige Verführung für jene armseligen Teufel, die der Der Joker unter den Regisseuren der Adenauer-Ära, Monotonie ihres nüchternen, kleinbürgerlichen Daseins mit dessen Werk man sich genauer beschäftigen müss- müde, ihres engen, dumpfen Heims überdrüssig sind, te, ist zweifellos Rudolf Jugert, ein ehemaliger Assistent die Abenteuer, Flucht vor sich selbst suchen.« von Käutner. Jugert erzählt die Geschichte der BRD je- In den 1950ern wird der Straßenfilm zum Mix aus ner Zeit gewissermaßen in melancholischen Love Sto- Großstadt-Drama und Road Movie, zumeist on location ries. Zum Ende der 1950er geht er sogar in Richtung gedreht. Norbert Grob rechnet zum Straßenfilm der Exploitation. Er dreht zwei »schmutzige kleine Filme« mit Belinda Lee, einem internationalen Glamour Girl, triebhaften Mörder. »Lorres Film lässt sich als Schluss- das stets zwischen Sinnlichkeit und Verzweiflung os- stein des Trümmerfilms lesen. Ein Remigrant drehte zillierte: DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE, eine harte, in Deutschland einen Film über Schuld und Elend des geradlinige Variante des Thiele-Films, und DER SATAN ›Dritten Reichs‹ – ohne Erfolg – und kehrte wieder in LOCKT MIT LIEBE, einen film noir zum Thema »nicht die USA zurück. Man sieht dem VERLORENEN an, dass mehr fliehen«, in dem die tragische Lee ihre »laszive Lorre die Erfahrungen des amerikanischen film noir mit Traurigkeit« (Stefan Ertl) ausspielt. dem Milieu des deutschen Trümmerfilms gekreuzt hat.« Wie schön, wie bizarr-poetisch sind die Auftritte (Thomas Brandlmeier) »Ein zugleich abstoßender und internationaler Actricen im deutschen Film jener Zeit: anziehender Film, stellenweise ungewollt kurios, stre- die Gastspiele von Belinda Lee, Harriet Andersson, Jana ckenweise bezwingend suggestiv. Teils Zumutung, teils Brejchova, Giulietta Masina, Anouk Aimée, Geneviève Maßstab, oft egozentrisch, gelegentlich genial.« (Hans Cluny, Giorgia Moll... Hellmut Kirst)  Freitag, 8. September 2017, 18.30 Uhr Rosen-Resli, das internationale Girl Es gibt eine Schauspielerin, anhand deren Karriere Hanna Amon | BRD 1951| R+B: Veit Harlan | K: Werner man möglicherweise das Kino der Adenauer-Ära und Krien | M: Hans-Otto Borgmann | D: Kristina Söder- sogar dessen Rezeption illustrieren könnte. Gemeint ist baum, Lutz Moik, Ilse Steppat, Hermann Schomberg, Kino der Adenauerjahre die kürzlich verstorbene Christine Kaufmann. Sie hat in Hans Hermann Schaufuß, Elise Aulinger, Jakob Tiedtke 15 den frühen 1950ern schon angefangen, als Kinderstar | 98 min | Harlans erster Farbfilm nach dem Krieg spielt in Tourjanskys SALTO MORTALE und in Harald Reinls mit einer Farbdramaturgie, in der das Rot für Leiden- überaus erfolgreichem ROSEN-RESLI. Als süßes klei- schaft und das Schwarz für den Tod steht. Ein Drama nes Mädchen hat sie gleichsam eine zerrüttete deut- zwischen zwei Geschwistern, Hanna und Thomas, auf sche Nachkriegsgesellschaft zusammengehalten und einem Berghof: Als sich Thomas in eine mondäne Frau zugleich einen Hoffnungsschimmer, eine Zukunft ver- aus der Stadt verliebt, die ihn jedoch nur ausnutzt, op- körpert. Zu Beginn der 1960er ist sie ein lieber Back- fert sich Hanna für ihren Bruder. »Harlan geht es weni- fisch in William Thieles Heinz Erhard-Film DER LETZTE ger um die logische Entwicklung einer Handlung, denn FUSSGÄNGER und ein richtiger Teenager, mürrisch die tragischen Helden seiner Melodramen handeln und rebellisch, in Gottfried Reinhardts TOWN WITHOUT ohnehin meist ohne Vernunft. Er wirbt vielmehr um Ver- PITY und Jürgen Goslars 90 MINUTEN NACH MITTER- ständnis für die innere Konsequenz ihrer Handlungen. NACHT, zwei verwegenen Beispielen für »Papas Kino«. Denn ihre Motivation ist höherer Natur: der Glaube, die Im Goslar-Film wird sie für ihre heimliche sexuelle Auf- Ehre, die Treue zu sich selbst und vor allem die Liebe.« lehnung gegen eine verlogene Gesellschaft entführt, im (Daniel Kothenschulte) Reinhardt-Film von US-Soldaten vergewaltigt. Sie stellt  Samstag, 9. September 2017, 18.30 Uhr eine Alltags-Jeanne-d'Arc dar in einer schmutzigen deutschen Kleinstadt, die in einem geistigen wasteland Sündige Grenze | BRD 1951 | R+B: Robert A. Stemm- zwischen altem Nazitum und Kaltem Krieg verharrt. le | K: Igor Oberberg | M: Herbert Trantow | D: Dieter In den 1960ern wird sie, die Hoffnung und die Zer- Borsche, Inge Egger, Jan Hendriks, Gisela von Col- störte jener Zeit, zum internationalen Girl an der Seite lande, Peter Mosbacher, Julia Fjorsen | 88 min | »Ein von Tony Curtis. Später überwindet sie alles in den westdeutscher Western, der den Alltag junger Outlaws Filmen von Werner Schroeter und Percy Adlon: als zeigt. Die im Vorspann in der Liste der Darsteller kol- Underground-Star, der alle Gemeinschaften ohne Mit- lektiv genannten ›Rabatzer‹ sind junge Schmuggler – leid, aber auch jede Sehnsucht nach Harmonie melan- meist noch Kinder –, die bei Aachen Kaffee über die cholisch und zauberhaft in Frage stellt. belgische Grenze holen. Großaufnahmen betonen die Hans Schifferle Individualität der Bandenmitglieder. Wie im Western sind die Tage der Gesetzlosigkeit gezählt, die Anarchie Der Verlorene | BRD 1951 | R: Peter Lorre | B: Peter muss vernünftigerweise weichen, doch das Gefühl Lorre, Benno Vigny, Axel Eggebrecht | K: Václav Vich | fragt, ob die Unordnung nicht noch ein wenig bleiben M: Willy Schmidt-Gentner | D: Peter Lorre, Karl John, kann. Stemmle inszeniert die Verkörperung der Ord- Helmut Rudolph, Renate Mannhardt, Johanna Hofer, Gi- nung (Dieter Borsche) als dunkle Bedrohung. Liebevoll sela Trowe | 98 min | Peter Lorres einzige Regiearbeit: ins Bild rückt er dagegen ekstatische Swingtänze, die Ein von Zwangsvorstellungen geplagter Arzt wird zum an Wildheit den noch gar nicht erfundenen Rock’n’Roll übertreffen. Der Moment ist es, der genossen wird.« feststellen, dass diese durch den Amüsierbetrieb der (Rainer Knepperges) US-Besatzungssoldaten korrumpiert worden ist. Einer  Sonntag, 10. September 2017, 18.30 Uhr der bemerkenswertesten Versuche des deutschen Nachkriegsfilms, sich mit Gegenwartsproblemen ausei- Nachts auf den Straßen | BRD 1952 | R: Rudolf Ju- nanderzusetzen: Trotz einiger offensichtlich selbst auf- gert | B: Fritz Rotter, Helmut Käutner | K: Václav Vich | erlegter Abstriche in der Schärfe der Themenbehand- M: Werner Eisbrenner | D: Hans Albers, Hildegard Knef, lung ist DIE GOLDENE PEST eine dezidiert zeitkritische Lucie Mannheim, Marius Goring, Karin Andersen, Hein- Arbeit, hochinteressant vor allem in ihrer Schilderung rich Gretler | 111 min | »Hans Albers, der hier einen der soziologischen Hintergründe. Dramatische Effekti- tatkräftigen Fernfahrer spielt, findet eines Tages auf vität garantiert der für diesen Film aus den USA zu- einer seiner Touren einen Toten auf der Straße – und rückgekehrte, Noir-erfahrene Emigrant John Brahm aus eine Menge Geld in dessen Tasche. Er steckt es ein; Hamburg.« (Christoph Huber) das Unrecht nimmt er in Kauf. Später trifft er die blonde  Sonntag, 24. September 2017, 18.30 Uhr Hildegard Knef, die als lockende, zwielichtige Anhalterin ihn noch weiter auf die schiefe Bahn zu bringen droht. Viele kamen vorbei | BRD 1956 | R: Peter Pewas | B:

Kino der Adenauerjahre Auch wenn Jugert (und sein Drehbuchautor Helmut Gerhard T. Buchholz | K: Klaus von Rautenfeld | M: Peter 16 Käutner) am Ende vieles zurücknehmen, die Straße Sandloff | D: Harald Maresch, Frances Martin, Christian skizzieren sie erstmals wieder als abenteuerliche Stätte Doermer, Hans Hermann Schaufuß, Jane Tilden | 85 der Verheißung, auf der allein es gelingen kann, das min | Ein Mord(versuch), erzählt aus drei Perspektiven: Alltagsleben gegen etwas anderes, vielleicht Wunder- der des Täters, der des (prospektiven) Opfers und der bares, vielleicht Schreckliches, auszutauschen.« (Nor- des ermittelnden Beamten. »Dieser Film ist wunderbar bert Grob) und fürchterlich, kindisch und klug, schrecklich grau-  Freitag, 22. September 2017, 18.30 Uhr sam und erschreckend banal – es ist die merkwürdigs- te Mischung aus künstlerischer Ambition und geschäf- Rosen blühen auf dem Heidegrab | BRD 1952 | R+B: tigem Krämergeist, die seit langem zu sehen war. Der Hans H. König | K: Heinz Schnackertz, Bertl Höcht | M: Kampf des Regisseurs um und gegen das Drehbuch Werner Bochmann | D: Ruth Niehaus, Armin Dahlen, ist, wohl nicht nur für den Fachmann, von unglaublicher Hermann Schomberg, Konrad Mayerhoff, Hilde Körber Spannung. Peter Pewas, versessen bis zur Selbstauf- | 90 min | Düster-fatalistische Liebesgeschichte, die im gabe, gefährlich intensiv bis zur taumelnden Blindheit Moor endet. »Der Titel klingt kitschig, der Film ist es für letzte Zusammenhänge, verfügt über ein optisches nicht. Die unverbrauchte Frische der Darsteller (auch Gefühl von ungewöhnlich hohen Graden. Es gibt in die- in den kleinsten Rollen, ja gerade dort) und eine stim- sem Film Bildfolgen zu sehen, die nur noch mit ganz mungsvolle Bildpoesie schaffen eine atmosphärische großen internationalen Vorbildern verglichen werden Dichte, die keine Spur ›Heimatmache‹ verrät. Während können.« (Hans Hellmut Kirst) die Randbegebenheiten des dörflichen Gemeinschafts-  Freitag, 29. September 2017, 18.30 Uhr lebens realistisch gezeichnet sind, werden Selbstmord- und Mordversuch, Notzuchtverbrechen und Unzucht in Heiße Ernte | BRD 1956 | R: Hans H. König | B: Carl den Heidetraum naturgesetzlicher Schicksalshaftigkeit Winston, Johannes Kai | K: Kurt Hasse | M: Werner eingesponnen. Rosenromantik und Mooraberglaube Bochmann | D: Edith Mill, Erik Schumann, Hanna Ru- auf einer dramatisch hochgezüchteten Grundlage füh- cker, Maria Sebaldt, Helmut Schmid | 91 min | Eine ren zum Zusammenprall realistischer und surrealisti- deutsche Variante des neorealistischen Klassikers RISO scher Gestaltungsmittel.« (Film-Dienst) AMARO (BITTERER REIS). Im Mittelpunkt stehen Arbei-  Samstag, 23. September 2017, 18.30 Uhr terinnen und Arbeiter, die in Tettnang nahe dem Boden- see bei der Hopfenernte helfen. Der Sohn des Guts- Die goldene Pest | BRD 1954 | R: John Brahm | B: besitzers trifft auf eine Vertriebene, bei deren Familie Dieter Werner | K: Klaus von Rautenfeld | M: Hans-Mar- er als Soldat während des 2. Weltkriegs im Memelland tin Majewski | D: Ivan Desny, Karlheinz Böhm, Gertrud Unterkunft gefunden hatte. »Auch wenn Königs Film Kückelmann, Wilfried Seyferth, Elise Aulinger, Erich die italienische Lässigkeit im Umgang mit moralischen Ponto | 96 min | »Dollarrausch im Pfälzer Dorf: Ein Standards vermissen ließ, so unterschied sich sein Hei- deutschstämmiger US-Sergeant (Ivan Desny) kommt matfilm – sowohl in den spontan wirkenden musikali- nach dem Koreakrieg in seine Heimat zurück und muss schen Einlagen, den ungekünstelten Naturaufnahmen, als auch dem Umgang der Geschlechter untereinander »sittlich verwirrend und damit entsittlichend auf weite, – wesentlich von vielen volkstümelnden und moralisch normal empfindende Kreise wirken« würde und »aus verlogenen Kreationen des Genres.« (Udo Rotenberg) dem Gesichtspunkte der Erhaltung der Volksgesundheit  Samstag, 30. September 2017, 18.30 Uhr (…) vom Publikum ferngehalten werden« müsse. Har- lan, dessen bessere Nachkriegsfilme sich allesamt um Nachts, wenn der Teufel kam | BRD 1957 | R: Ro- Schuldfragen drehen, musste seinen Film entscheidend bert Siodmak | B: Werner Jörg Lüddecke, nach einem verändern, damit er zur Vorführung zugelassen wurde. Tatsachenbericht in der »Münchner Illustrierten« von  Freitag, 13. Oktober 2017, 18.30 Uhr | Einführung: Stefan Drößler

Die Nackte und der Satan | BRD 1959 | R+B: Victor Trivas | K: Georg Krause | M: Willy Mattes | D: Horst Frank, Michel Simon, Karin Kernke, Christiane May- bach, Paul Dahlke, Helmut Schmid | 97 min | Ein Wis- senschaftler experimentiert mit Kopf-Transplantationen.

»Diese Variante des ORLAC-Themas, verknüpft mit der Kino der Adenauerjahre klassischen Erzählung vom verrückten Wissenschaftler, 17 lebt von seiner dichten kinematografischen Bild- und Raumgestaltung. Diese setzt sich zusammen aus Nachtstimmungen bei Vollmond, der Innenarchitektur des einsam gelegenen medizinischen Instituts, der fu- turistischen Gerätewelt des Keller-OP-Saals sowie den Will Berthold | K: Georg Krause | M: Siegfried Franz | Ausflügen in die halbweltliche Nachtclubatmosphäre. D: Mario Adorf, Claus Holm, Hannes Messemer, An- Selbstredend kennt dieser Film keine Subtilitäten, doch nemarie Düringer, Werner Peters | 104 min | Siodmak das ist seine Stärke als ein Stück Spektakel-Kino. Er findet hier einen Stoff, der ihm seit jeher liegt: eine zeigt dem Publikum in stimmungsvoll-gruseligen bis beklemmend pathologische Studie im Rahmen einer schockierenden Bildern einen Horrorkrimi, der als Teil zeitkritischen Abhandlung. Optisch knüpft er an den der Kinokultur sich gegen jede klein- und bildungs- Filmstil der Weimarer Republik an, jedoch mit eindeu- bürgerliche Vorstellung von Moral sträubt.« (Peter El- tig Hollywood’schem Schliff. Der Regisseur schildert lenbruch) den Kriminalfall des berüchtigten Frauenmörders Bru-  Samstag, 14. Oktober 2017, 18.30 Uhr no Lüdke, der der Gestapo zehn Jahre lang mit rund achtzig nicht aufgelösten Morden »unerlaubt« Konkur- Das Totenschiff | BRD 1959 | R: Georg Tressler | B: renz gemacht hat. Die Gegenüberstellung des beinah Hans Jacoby, Georg Tressler, nach dem Roman von B. Mitleid erregenden, infantilen Geisteskranken mit der Traven | K: Heinz Pehlke | M: Roland Kovac | D: Horst von der Gestapo überschatteten Mordkommission führt Buchholz, Mario Adorf, Helmut Schmid, Elke Sommer, zu Schlüssen von höchster moralischer Subversivität. Alf Marholm | 98 min | Einen der »besten deutschen (Hervé Dumont) Filme, die je gedreht wurden« nennt Claudius Seidl  Sonntag, 1. Oktober 2017, 18.30 Uhr

Anders als Du und Ich | BRD 1957 | R: Veit Harlan | B: Felix Lützkendorf | K: Kurt Grigoleit | M: Oskar Sala, Erwin Halletz | D: Paula Wessely, Paul Dahlke, Chris- tian Wolff, Ingrid Stenn, Friedrich Joloff | 91 min | Ein Film über jugendliches Aufbegehren gegen ein auto- ritäres Elternhaus und über eine Mutter, die verzwei- felt einen Rechtsbruch begeht, um ihren Sohn wieder auf die rechte Bahn zu bringen. Der erste deutsche Nachkriegsfilm, der Homosexualität thematisiert, wur- de verboten, weil er – laut FSK – das kleinbürgerliche Elternhaus seines Protagonisten zu negativ zeichne, Tresslers Adaption von Travens Geschichte um einen sind. Kameramann , über dreißig Jahre amerikanischen Seemann, der ohne Papiere als Staa- lang Ingmar Bergmans getreuer Mitarbeiter, schuf in tenloser durch die Welt reist. »Erst im zweiten Teil hat LAMPENFIEBER eine sehr bewusste Bildsprache mit Buchholz die Möglichkeit, einen Charakter zu entwi- außergewöhnlichen, manchmal fast experimentellen ckeln. Die sehr ansehnliche Elke Sommer als Mylène Kadrierungen. und Horst Buchholz’ Gale bilden ein Paar, das sich  Samstag, 21. Oktober 2017, 18.30 Uhr vorsichtig annähert, das zueinanderfindet und gleich wieder voneinander lässt, weil Gale erkennt, dass die- Der Satan lockt mit Liebe | BRD 1960 | R: Rudolf se Verbindung für beide keine Zukunft hat. Im großen Jugert | B: Ilse Lotz-Dupont | K: Georg Krause | M: Wer- Drama des Menschen ohne Papiere ist dieses Kam- ner Scharfenberger | D: Belinda Lee, Joachim Hansen, merspiel auch deshalb so überzeugend, weil Buchholz Ivan Desny, Heinz Engelmann, Peter Capell | 90 min mit wenigen Nuancen Zuneigung, Leidenschaft und | Ein film noir, beeinflusst vom französischen Film der Verzicht auszudrücken versteht.« (Werner Sudendorf) 1930er Jahre. »In südlicher Hafenstadt sucht ein aus-  Sonntag, 15. Oktober 2017, 18.30 Uhr gebrochener Zuchthäusler Schiffsboden zu gewinnen, um abzudampfen. Wie ihm das gründlich misslingt,

Kino der Adenauerjahre Am Tag als der Regen kam | BRD 1959 | R: Gerd ergibt Inhalt und Spannung dieses sauber abspulen- 18 Oswald | B: Heinz Oskar Wuttig, Gerd Oswald, Will Ber- den Kriminalfilms von Rudolf Jugert. Zwischen einer thold | K: Karl Löb | M: Martin Böttcher | D: Mario Adorf, Freundin aus dem Tingeltangel (Belinda Lee, rassig und Christan Wolff, Gert Fröbe, Corny Collins, Elke Sommer schön), einem kreuzbraven Kapitän (Heinz Engelmann, | 88 min | »AM TAG ALS DER REGEN KAM war nicht sehr sympathisch) und einem jungen Tor von Liebhaber frei erfunden, sondern dramatisierte nur eine Story, (Joachim Hansen, angenehm dezent) hat der Gangster die sich so ähnlich wirklich abgespielt hatte: Es ging Ivan Desny leichtes Spiel, den Satan herauszukehren ums organisierte Verbrechen, kriminelle Banden in Ber- und dem Titel wenigstens einige Berechtigung zu ge- lin, die sich aus den Entwurzelten und Verlorenen der ben. Bemerkenswert der Schluß. Er ist ohne Hap- Nachkriegszeit rekrutierten. Dem Heimkehrer Gerd Os- py-End.« (Hamburger Abendblatt) wald, der in Hollywood handfeste B-Pictures inszeniert  Freitag, 3. November 2017, 18.30 Uhr hatte, gelang es hier, eine typisch deutsche Situation mit amerikanischen Mitteln, mit dem Tempo, der Wucht Flucht nach Berlin | BRD 1961 | R+B: Will Tremper | und der Härte der Gangsterfilme aus Hollywood in den K: Günter Haas | M: Peter Thomas | D: Christian Doer- Griff zu bekommen. Mario Adorf spielte muffig, maul- mer, Susanne Korda, Narziss Sokatscheff, Gerda Blisse, faul und doch mit überzeugender Präsenz und Kon- Inge Drexel | 104 min | Der Film hat Elemente, die ihn zentration den Bandenchef, Gert Fröbe war selten so radikal von der kommerziellen westdeutschen Produk- überzeugend wie in der Rolle als heruntergekommener, tion unterscheiden: Er zeigt ein DDR-Dorf, wie man es völlig verluderter Arzt.« (Claudius Seidl) so glaubwürdig noch nie in unserem Film gesehen hat;  Freitag, 20. Oktober 2017, 18.30 Uhr seine Menschen geben sich und reden stellenweise tatsächlich wie der vielberufene »Mann auf der Straße«. Lampenfieber | BRD 1960 | R: Kurt Hoffmann | B: Aber die Authentizität des Milieus bleibt rein fotografi- Heinz Pauck, Hans Schweikart | K: Sven Nykvist | M: scher, die der Charaktere zu sehr momentaner Natur. Franz Grothe | D: Dunja Movar, Bernhard Wicki, Antje Und schließlich werden diese schwachen neorealisti- Weisgerber, Gustav Knuth, Elke Sommer, Robert Graf, schen Töne ertränkt in einem Schlammbad dramati- Dieter Hildebrandt | 95 min | Die Erlebnisse von jun- schen Krampfs und formalistischer Verrenkungen, die gen Schauspielschülern an einer Akademie, die der der Autor unverschnitten aus Kriminal- und Wildwest- Münchner Falckenberg-Schule nachempfunden ist. filmen übernommen hat. Dieser Tremper ist ein Auto- Kurt Hoffmann konnte viele prominente Münchner als didakt, wie die Vertreter der Nouvelle Vague, nur hat er Mitwirkende gewinnen: Regisseur und Intendant der nicht, wie diese, in der Cinémathèque gesessen, son- Münchner Kammerspiele Hans Schweikart war Ko- dern im Kintopp an der Ecke. (Theodor Kotulla) Autor und spielt den Intendanten, Johanna von Koczian,  Samstag, 4. November 2017, 18.30 Uhr Robert Graf, Hans Clarin, Eva-Maria Meinecke und August Everding haben Gastauftritte. Als Schauspiel- Stadt ohne Mitleid – Town without Pity | BRD/USA schüler sind junge, neue Gesichter zu sehen, von denen 1961 | R: Gottfried Reinhardt | B: Georg Hurdalek, nach einige später bekannt wurden, andere heute vergessen dem Roman »Das Urteil« von Manfred Gregor | K: Kurt Hasse | M: Dimitri Tiomkin | D: Kirk Douglas, Barba- kanischen Besatzung auf die Bewohner eines Dorfs in ra Rütting, Christine Kaufmann, Hans Nielsen, E. G. der westdeutschen Provinz. Kurz nach Verleihstart warf Marshall | 105 min | englisch-deutsche OF | »Gottfried der Zentralrat der Juden in Deutschland Käutner und Reinhardt produzierte und inszenierte diesen Film über der Produktionsfirma Antisemitismus vor und stellte die Massenvergewaltigung einer Bambergerin durch Strafantrag. Gegen den Willen des Regisseurs entfernte amerikanische Soldaten im Jahr 1956. Visuell wird die der Filmverleih daraufhin die beanstandeten Szenen Stadt als biedere Heimstatt bayrischer Gemütlichkeit und änderte das pessimistische Ende des Films ab. präsentiert, mit einem frechen, grellen Animierschup- Erst kürzlich wurde die Premierenfassung des Films pen in ihrer Mitte und umgeben von Trostlosigkeit. Die wiederhergestellt. Menschen in der Stadt werden umgetrieben von un-  Samstag, 2. Dezember 2017, 18.30 Uhr terdrückten Begierden, mütterlichen Besitzansprüchen, Klassenvorurteilen, Prüderie oder purer Bösartigkeit, Zwei unter Millionen | BRD 1961 | R: Victor Vicas, aus denen heraus sie das Vergewaltigungsopfer ver- Wieland Liebske | B: Gerd Oelschlegel, nach dem Ro- achten; ihr Vater, ein Bankier, die Zierde des höchst man von Walter Lembke | K: Heinz Hölscher | M: Franz selbstgerechten örtlichen Bürgertums, fordert ein ame- Grothe | D: Hardy Krüger, Loni von Friedl, Walter Giller, rikanisches Todesurteil für die Vergewaltiger.« (Chris Joseph Offenbach, Ilse Fürstenberg | 95 min | Die Lie- Kino der Adenauerjahre Fujiwara) besgeschichte eines Ostberliner Lastwagenfahrers und 19  Sonntag, 5. November 2017, 18.30 Uhr

Zu jung für die Liebe? | BRD 1961 | R: Erica Balqué | B: , , Helmut Käut- ner, nach einer Erzählung von Helga von Wangenheim | K: Igor Oberberg | M: Ernst Simon | D: Loni von Friedl, Heinz Blau, Wolfgang Reichmann, Adelheid Seeck, Hel- mut Käutner, Berta Drews, Anita Höfer, Klaus Dahlen | 93 min | Mit präziser Personenzeichnung, einem ge- nauen Blick fürs Milieu und durchaus gewitzten Dialo- gen schildert Erica Balqué die Geschichte eines min- derjährigen Paares, das unbedingt heiraten möchte und sich über vorurteilsbeladene Eltern und die staatliche Gesetzgebung hinwegzusetzen versucht. Entstanden in den Strukturen der Altbranche kurz vor dem – aus- einer Stenotypistin aus Rostock, die in Westberlin ihr schließlich von Männern unterzeichneten – Oberhau- Glück machen wollen. »Seit Georg Tresslers ENDSTA- sener Manifest fand das Regiedebüt der Ehefrau und TION LIEBE sahen wir keinen westdeutschen Film mehr, langjährigen Assistentin von Helmut Käutner keine Be- der es so verstand, dem gleichmacherischen Zuschnitt achtung. Dabei ist der erste von einer Frau inszenierte unserer Leinwand-Konfektion zu entgehen. Mit seinen Spielfilm im deutschen Nachkriegskino eine erstaunli- jungen französischen Kollegen teilt Regisseur Wieland che Entdeckung. Liebske (denn er, und nicht Vicas, der schon bald  Freitag, 1. Dezember 2017, 18.30 Uhr nach Beginn der Dreharbeiten erkrankte, darf wohl als Schöpfer des Films betrachtet werden) die Lust an lan- Schwarzer Kies | BRD 1961 | R: Helmut Käutner | B: gen Fahrten, Panoramen im Freien, totalen Interieurs Helmut Käutner, Walter Ulbrich | K: Heinz Pehlke | M: und all jenen Kamerabräuchen, die dilettantisch sind in Bernhard Eichhorn | D: Helmut Wildt, Ingmar Zeisberg, des Wortes bestem Sinne.« (Martin Ripkens) Hans Cossy, Wolfgang Büttner, Anita Höfer | 117 min  Sonntag, 3. Dezember 2017, 18.30 Uhr | Im Hunsrück werden auf einem Militärflugplatz der Amerikaner neue Pisten für Düsenjäger gebaut. Ein Barbara – Wild wie das Meer | BRD 1961 | R: Frank LKW-Fahrer transportiert Material für die Pisten, ver- Wisbar | B: Christian Munk, nach dem Roman von schiebt nebenbei aber einen Teil des Kieses schwarz Jørgen-Frantz Jacobsen | K: Klaus von Rautenfeld | an kleinere Unternehmen. Käutners stilistisch an ame- M: Werner Eisbrenner | D: Harriet Andersson, Helmut rikanische Noirs und B-Movies angelehnte Abrechnung Griem, Herbert Fleischmann, Maria Sebaldt, Carl Lange, mit der BRD untersucht die Auswirkungen der ameri- Hans Nielsen | 96 min | Der junge Arzt Paul Aggersoe übernimmt die Praxis eines verstorbenen Kollegen auf seriöser Kräfte auch den Erfordernissen des Kriminal- den Faröer Inseln. Dort lernt er Barbara kennen, die genres gerecht wird.« (Paimann’s Filmlisten) attraktive Witwe seines Vorgängers, die von unersätt-  Sonntag, 10. Dezember 2017, 18.30 Uhr lichem Lebenshunger getrieben wird und deshalb im Mittelpunkt wilder Gerüchte und Spekulationen steht. Venusberg | BRD 1963 | R+B: Rolf Thiele | K: Wolf Bei einem Tanzfest kommen sich die beiden näher. Wirth | M: Rolf Wilhelm | D: Marisa Mell, Nicole Badal, BARBARA ist die erste Verfilmung von Jørgen-Frantz Monica Flodqvist, Ina Duscha, Christine Granberg | 88 Jacobsens gleichnamigem, 1939 posthum veröffent- min | Sieben Frauen harren gemeinsam in einer top- lichten Roman über eine dämonische Frau mit zwei modernen Villa ihres Liebhabers, des Hausherren, der Gesichtern. Frank Wisbar hat die Geschichte im 20. sich nicht blicken lässt. »Rolf Thiele erzählt seine Para- statt im 17. Jahrhundert angesiedelt und den Konflikt bel in Ellipsen und Episoden, voller avantgardistischer weltlicher als im Roman angelegt. Kniffe und Verfremdungen als visuell faszinierendes  Freitag, 8. Dezember 2017, 18.30 Uhr Genre-Mash-up von Psychogramm, Drama, Problem- film, Thriller, Komödie und Horrorfilm. Vieles bleibt rät- Der rote Rausch | BRD 1962 | R: Wolfgang Schleif | selhaft, manches ist fragwürdig und dann und wann

Kino der Adenauerjahre B: Hellmut Andics, nach dem Roman von Hans-Ulrich verfällt Thiele dann doch in den unangenehmen Duktus 20 Horster | K: Walter Partsch | M: Hans-Martin Majewski | wortgewaltigen Bildungsbürgerkinos. Insgesamt sind D: Klaus Kinski, Brigitte Grothum, Sieghardt Rupp, Dieter es aber gerade diese Unentschiedenheit und Offenheit, Borsche, Herbert Fux | 88 min | Nacht, Schatten, Füße, das Nebeneinander unvereinbar erscheinender Gegen- die leise treten, ein Seil, das über den Boden schleift. sätze, die Vielzahl der Einfälle und die krassen Stim- Doch kein Selbstmörder ist hier unterwegs, nein, ein mungsgefälle, die VENUSBERG zu einem so immens Ausbrecher aus einer »Bewahranstalt für kriminelle spannenden, faszinierenden und ungewöhnlichen Film Geisteskranke«. Kinski spielt ihn, diesen Frauenmörder, machen.« (Oliver Noeding) den die Ärzte seine Untaten haben vergessen lassen.  Freitag, 15. Dezember 2017, 18.30 Uhr Diesen Flüchtigen, der nichts von sich selber weiß und wie ein gehetztes Tier durch eine Schilflandschaft an Herrenpartie | BRD 1963 | R: Wolfgang Staudte | B: der österreichisch-ungarischen Grenze stolpert. DER Werner Jörg Lüddecke | K: Nenad Jovičić | M: Zoran ROTE RAUSCH ist ein seltsam schillerndes Werk: weil Hristić | D: Hans Nielsen, Götz George, Gerlach Fiedler, es gleichzeitig etwas von einem Heimatfilm und einem Friedrich Maurer, Rudolf Platte | 93 min | Ein Männer- Thriller hat. Erstaunlich ist der Film aber vor allem auch gesangsverein macht einen Ferienausflug nach Jugo- darum, weil er einen Täter zeigt, der eigentlich ein Opfer slawien und strandet in einem kleinen Gebirgsdorf ist – und eine Gesellschaft, die das nicht sieht. (Regula in Montenegro, dessen männliche Bewohner 1942 Fuchs) allesamt von den deutschen Besatzungstruppen er-  Samstag, 9. Dezember 2017, 18.30 Uhr schossen wurden. »Mit HERRENPARTIE führt Staudte den umfassendsten Angriff auf eine behördlicherseits Das Feuerschiff | BRD 1963 | R: Ladislao Vajda | B: geförderte allgemeine Unschuldslämmermentalität. Es Curt Siodmak, nach der Erzählung von Siegfried Lenz ist ein Film, der böse und ätzend den neureichen Bun- | K: Heinz Pehlke | M: Peter Sandloff | D: James Ro- desspießer bloßstellt, der die Geisteshaltung all derer bertson Justice, Helmut Wildt, Dieter Borsche, Michael aufs Korn nimmt, die allzu simpel die NS-deutsche Ver- Hinz, Pinkas Braun, Werner Peters | 84 min | Curt Siod- gangenheit ›bewältigen‹. Es ist ein mutiges Pamphlet.« maks letzte Drehbucharbeit akzentuiert Siegfried Lenz’ (Günter Sobe) Staudtes Satire wurde der »antideut- Parabel über Gewalt und Widerstand, Verantwortung schen Selbstbesudelung« bezichtigt, erhielt kein und Toleranz auf ganz eigene Weise. Die linke Filmkri- Prädikat und wurde nicht zum Filmfestival in Cannes tik verriss den mit Bundesfilmpreisen ausgezeichneten angemeldet. Film als »ein unzweideutiges Plädoyer für Autoritäts-  Samstag, 16. Dezember 2017, 18.30 Uhr gläubigkeit und Untertanengeist« und »Illustration und Rechtfertigung der Notstandgesetze«. In Österreich lief der Film unter dem Titel ICH KANN NUR EINMAL STERBEN und wurde positiver beurteilt: »Ein deutscher Gangsterfilm – tiefergehend durch soziale und politi- sche Ausblicke –, der dank straffer Inszenierung und