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Ende der Föhrer Friesisches eater mit Langenhorn Herausgegeben Viehwaagen Teepunschlied Anspruch ein Dorfportät vom Nordfriisk Instituut

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Inhalt

Kommentar Christoph G. Schmidt: Wer ist Friese? 2 Chronik Brinkebüll ist überall, oder nicht? 3 Der kommende Mann – Florian Lorenzen zum Landrat gewählt 4 Präsidentin des Landesrechnungshofes zu Besuch 4 Uwe Sönnichsen gestorben 5 Nummer 206 Sara Erdmann † 5 von hat ein Ellins wäält 6 neues Redaktionsmitglied: Dr. Üt da friiske feriine 7 Christoph G. Schmidt, seit Som- Nordfriesland im Frühling 8 mer 2018 Direktor des Nordfriisk Aufsätze Instituut. Er schreibt in diesem Heft den Kommentar darüber, Kerrin Ketels: was es bedeutet, Friese zu sein. Au- Eine gewichtige Entscheidung 10 ßerdem liefert er einen Artikel Claas Riecken: über das nordfriesische Dorf Lan- Ein Lied, zwei Meinungen – mindestens 12 genhorn. Das Thema Alkohol auf Ellin A. Nickelsen: die Titelseite zu heben, haben wir (Ab-)Wettern und (Fest-)Nageln 18 uns fast nicht getraut, aber wir Christoph G. Schmidt: konnten nicht anders – als nach Wie friesisch ist … Langenhorn? 21 zwei Nummern mit Stillleben wie- Impressionen vom 20. Friesentreffen 28 der Menschen zu zeigen. Diese be- Ferteel iinjsen! kamen in Wirklichkeit nur kalten Tee in die Tassen, und in den Lätj iinjfåch lüüs! 29 Schnapsflaschen war Wasser und Foon omas Steensen Apfelsaft. Ellin Nickelsen sah sich Bücher,Medien, Internet das Theaterstück „Unert fordäk“ Karl Otto Meyer – eine Biografie 30 von Gary Funck für NORD- Deichdeern liebt das Landleben 31 FRIESLAND an. Ihre Schwester Dunsumer sammelt NDR-Clips von Föhr 31 Kerrin Ketels war Gast der Redak- Risum-Lindholm in alten Filmen 31 tionssitzung und griff die Idee von Hinweis 31 Institutsmitarbeiterin Antje Arfs- Einführung zu Tönnies 32 ten auf, das Ende der Viehwaagen auf Föhr zu beschreiben. Ver- Titelbild wandtschaftliche Beziehungen wa- Nina Barz und Rasmus Christian Riecken auf einer Arlau-Brücke in der ren auch sonst wichtig in dieser . Die Arlau gilt als alte „Köm-Grenze“, nördlich trinkt Ausgabe. Die Söhne von zwei Re- man traditionell gelben, südlich weißen (klaren) Köm zum Teepunsch. dakteuren dienten als Fotomo- Foto: Christoph G. Schmidt delle, vielen Dank Carl und Ras- mus! Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 29.5.2019

Nordfriesland 206 – Juni 2019 1 Fangen wir also an, was wäre den ersten Gesprächen zu unserer zwingend? Sind es Boßeln, Ring - neuen Reihe wirkte Friesisch wie reiten oder Trachten? Auf diese vergangen und verloren. Manche Weise wären alle, die mit ländli- verwiesen sofort auf die „Exper- cher Vereinskultur fremdeln, aus- ten“, auf den Friesenverein oder geschlossen. Ist es die Sprache? die letzten FriesischsprecherInnen Kommentar Das würde platt- oder hoch- im Dorf. Manche trauern um ein deutschsprachigen Menschen den traditionelles, „friesisches“ Orts- Stuhl vor die Tür der „wahren bild. Dann aber sagt ein Nicht- Wer ist Friese? Friesen“ setzen. Sind es altüberlie- Friesisch-Sprecher mit einer sol- ferte Hausformen, womöglich chen Selbstverständlichkeit, er sei Es gibt Themen, die sind einfach reetgedeckt? Das wäre Musealisie- Friese und nichts anderes, dass der mal wieder dran, und das so stark, rung des Friesentums. Oder ist es auf Föhr gewonnene Eindruck dass sie bei fast allem, was man an- die familiäre Herkunft, muss man wieder ins Wanken gerät. packt, rufen „bin schon da“. Als ich wenigstens „Halb-“ oder „Viertel- Beides aber ist gelebte Normalität, vor kurzem mit zwei Berliner Aus- friese“ sein, um dazuzugehören? und ich denke, hier liegt der stellungsmachern unterwegs war, Mit solchem Denken kämen wir Schlüssel: Wenn eine Sprache wähnte ich mich zeitweise mitten in ungute Gesellschaft. Die Reihe überleben soll, muss sie alltäglich in einem anderen Projekt, nämlich ließe sich beliebig fortsetzen. Wer genutzt und nicht nur gelegentlich der Recherche zu unserer neuen solche Aspekte zum Maßstab er- „gepflegt“ werden – eine Binsen- Reihe „Wie friesisch ist … ?“ Die hebt, grenzt aus und straft die weisheit. Aber dies gilt ähnlich für Fragen glichen sich so sehr, dass ich gleichfalls oft beschworene Welt- friesische Identität: Wenn eine sol- etwas wirr nach Hause fuhr und offenheit der Friesen Lügen. che gedeihen soll, muss sie umfas- überlegen musste, auf welchem Das Gegenteil trifft aber auch send normal sein, nicht anhand Zettel ich meine Eindrücke nun nicht zu: „Friese ist, wer Friese weniger Kriterien messbar oder notieren sollte. Bei Diskussionen sein will“ – dieser Spruch, ange- auf besondere Anlässe bezogen. zum Nordfriesentag in Niebüll oder lehnt an die Maxime der deutsch- Mein bescheidenes, vorläufiges Fa- bei der Entwicklung der Friesenstif- dänischen Minderheitenpolitik, zit: Wenn es für einen selbstver- tung klingt derzeit ähnliches durch. übersieht, dass jede soziale ständlich ist, dann ist man Friese; Aufgabe des Nordfriisk Instituut ist Gruppe unmerklich definiert, wer nur weil es keinen nordfriesischen es, die „Nordfriesen“ zu erforschen. dazu gehört und wer nicht; man Staat gibt, muss man nicht ander- Was aber ist „nordfriesisch“, wer ist kann sich nicht einfach selber zum weitig Grenzen definieren, Nord- „Nordfriese“ oder „Nordfriesin“? Indianer erklären, auch wenn man friesland weist schon so genug an Das wollen nicht nur wir selbst, deren vermeintliche Naturnähe Gräben auf. Vielleicht gibt es tat- nicht nur Ausstellungskuratoren, noch so toll findet. sächlich eine eigene Mentalität; Touristik, Politik oder die friesi- Wenn im Föhrer Westen Kinder aber ansonsten sind Friesen ganz schen Verbände wissen. Die Ant- beim Eintritt in den Kindergarten normale Menschen, und manche wort, die ich am Ende dieser Zeilen nur friesisch sprechen können und mögen friesisch als eine von meh- vorschlagen werde, ist so einfach, Landwirte im Alltag weder Hoch- reren Identitäten empfinden – das dass sie das Problem verkompliziert noch Plattdeutsch brauchen, ist macht die Sache nicht einfacher, – eine andere Lösung, so scheint es das beeindruckend - hier scheint aber es wäre modern und zugleich mir, gibt es jedoch nicht. Oder ken- die Friesenwelt in Ordnung, im in dieser Gegend gute Tradition. nen Sie eine? Dann her damit. Gegensatz zu Langenhorn: Bei Christoph G. Schmidt Häägar

2 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Grüßen im Dorf typisch, wie es im Buch beschrieben werde. Wer von den „Zugezogenen“ zurückgrüßt, könne „Dörpsminsch“ werden, die anderen nicht. Doch auch die Mit- tagsstunde als besondere Zeit im Chronik Dorf sei wichtig. Häufig habe sie sich die Frage gestellt, was man von dem Roman verstehe, wenn man Brinkebüll ist überall, kein Geestbewohner sei. Ihr Referat hielt sie auf Plattdeutsch. Die oder nicht? sprachliche Vielfalt Nordfrieslands Die Arbeitsgruppe Sprache und Li- fand sich in der gesamten Veranstal- teratur des Nordfriisk Instituut lud tung wieder: Es wurde Hoch-

zum 13. April 2019 alle Interessier- deutsch, Plattdeutsch und Friesisch Foto: Claas Riecken ten zu einer Diskussionsveranstal- gesprochen. 350 000 verkaufte Bücher, bisher tung über Dörte Hansens Roman „Mittagsstunde“ ein. Der Roman Peter Nissen referierte über die The- wordenen Planung aus dem Kalten wurde durch Impulsreferate mit matisierung der plattdeutschen Krieg der 1960er-Jahre: Damals Diskussionen analysiert – nicht nur Sprache im Buch. Dazu gehört, dass hatte man vorgehabt, ein riesiges aus friesischer Sicht. Den Anfang der Protagonist Ingwer Feddersen es militärisches Sperrgebiet auf der machte ein Quiz mit teilweise aus- nicht ertragen kann, wenn bildungs- dünn besiedelten nordfriesischen gefallenen Fragen zum Buch durch bürgerliche Städter seine plattdeut- Geest zu errichten, für das man Jule Homberg, etwa: „Was haben sche Muttersprache mit aufgesetzter ganze Dörfer und Tausende Men- alle 22 Kapitelüberschriften schen umsiedeln wollte. gemeinsam?“ (Auflösung: Es Dazu ist es dann nicht ge- sind Liedanfänge oder Schla- kommen. Anderenfalls hätte gertitel). Hansen ihren Roman wohl gar nicht schreiben können – Der Roman spielt in dem fik- jedenfalls hätte er nicht um tiven Dorf Brinkebüll auf der Högel spielen können, führte nordfriesischen Geest. Es er- Nissen aus. innert ein wenig an Högel, den Heimatort von Dörte Die Literaturwissenschaftlerin Hansen, aber auch an andere Dr. Wendy Vanselow von der Dörfer – und es ist doch kei- Universität Kiel und Dr. nes von ihnen. Aber vielleicht Claas Riecken vom Nordfriisk ist der genaue Ort auch gar Instituut gingen jeder in ei- nicht wichtig? Der ländliche nem Vortrag der Frage nach, Strukturwandel von den wie Dörte Hansens Roman 1960er-Jahren bis heute, der im Vergleich mit der Literatur im Buch beschrieben wird, in friesischer Sprache zu sehen hat so oder ähnlich fast über- Bild: Demokratische Geschichte, Bd. 23 (2012), S. 156 ist. Vanselow entdeckte noch all in Deutschland und wei- Der Historiker Prof. Dr. Robert Bohn veröffent- größere Zusammenhänge. ten Teilen Europas stattge- lichte 2012 über den um 1968 geplanten Trup- Der letzte Satz des Romans funden. Das machte Insti- penübungsplatz östlich von Bredstedt. Die Pläne „Es ging hier gar nicht um das tutsdirektor Dr. Christoph G. waren erst kurz vorher aus der Geheimhaltung bisschen Mensch“ findet sich Schmidt in seinem Referat freigegeben worden. Rund 4.000 Einwohner und bereits auf S. 17 des Buches. deutlich. 350 Höfe hätte man umsiedeln wollen, mehrere „Die Konzepte ‚Mensch‘ und Dörfer wären verschwunden. ‚Natur‘ stehen in ‚Mittags- Die Darstellung der nord- stunde‘ in einer Beziehung der friesischen Geest im Buch analy- Begeisterung „urig“ finden und ihn einseitigen Abhängigkeit“, ist sich sierte Gesa Retzlaff, die Leiterin des betrachten wie einen seltenen Feld- Wendy Vanselow sicher. Der Natur Zentrums für Niederdeutsch in hamster. Außerdem konfrontierte sei es egal, wie sich die Menschen ab- Leck, die selbst aus dem Geestdorf Nissen die Versammlung mit einer mühen. Und das gilt dann wohl in Löwenstedt stammt. Für sie ist das erst vor wenigen Jahren bekannt ge- Brinkebüll und überall. NfI

Nordfriesland 206 – Juni 2019 3 Der kommende Mann - Florian Lorenzen zum Landrat gewählt

Der Kreistag Nordfrieslands wählte am 10. Mai 2019 Florian Lorenzen (CDU) mit über 90 Prozent der Stimmen für sechs Jahre zum neuen Landrat des Kreises. Er löst im Oktober Landrat Dieter Harr- sen (WG-NF) ab, der seit 2007 im Amt ist und kein weiteres Mal kan- didierte. Vorgeschlagen wurde Lo- renzen von CDU, Grünen, FDP und SSW, doch er erhielt nicht nur deren 36, sondern 47 von 52 Stim- men. Alle anderen Bewerber waren in Vorrunden ausgeschieden. Es gab keinen Gegenkandidaten. Lorenzen ist mit 32 Jahren der jüngste gewählte Landrat Deutsch- lands. Er ist Agrarbetriebswirt und führt bisher den landwirtschaftli- Bandixen Foto: Volkert chen Betrieb in auf der Kreispräsident Heinz Maurus gratuliert Florian Lorenzen (links) zur Wahl. nordfriesischen Geest, der seit 150 Jahren im Familienbesitz ist. Das Schon mit 21 Jahren wurde Loren- Biikenrede in Risum-Lindholm kann er in Zukunft als Chef der zen Kreistagsabgeordneter, später (NORDFRIESLAND 198, S. 10). Kreisverwaltung mit 800 Mitarbei- Vorsitzender des Finanzausschusses Nach Klaus Petersen, Lothar Blatt, tern aus Zeitgründen nicht mehr und seit Sommer 2018 ist er stell- Olaf Bastian und Dieter Harrsen tun, auch nicht nebenher. Die Tra- vertretender Landrat. Am Thema wird Florian Lorenzen der fünfte ditionslinie der Vorfahren als Land- Friesen-Friesisch-Minderheiten hat Landrat des 1970 gegründeten wirt abzubrechen, war für ihn ein er Interesse und nahm bereits mit Kreises Nordfriesland – und wie schwerer Schritt, wie er in Inter- dem Nordfriisk Instituut Kontakt Harrsen ist er Nordfriese und views deutlich machte. auf. Im Jahre 2017 hielt er die spricht Plattdeutsch. cr

Präsidentin des Landesrechnungshofes zu Besuch Wenn sich der Landesrechnungs- hof ansagt, steigt mancherorts ner- vöse Spannung. Anders als vor einigen Jahren stand aber dies - mal keine Kassenprüfung auf der Agenda des Nordfriisk Instituut: Dr. Gaby Schäfer, Präsidentin des Landesrechnungshofes, kam mit dem einzigen Wunsch von Kiel nach Bredstedt, das Nordfriisk Insti- tuut genauer kennenzulernen. Insti- tutsleitung, Mitarbeiter und Vor- stand führten sie und Ministerialrat Andreas Krüger durch die Biblio- thek, das Magazin und das Nordfri- isk Futuur. Im abschließenden Ge- spräch zeigten sich die Gäste sehr interessiert an der Arbeit des Insti-

Foto: Nordfriisk Instituut tuts und insbesondere am Umgang Andreas Kröger, Dr. Christoph G. Schmidt, Gyde Köster, Marlene Kunz, mit der eigenen Sprache der Nord- Dr. Gaby Schäfer, Inken Völpel-Krohn friesen. NfI

4 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Uwe Sönnichsen gestorben Er war „Mister Sturmflut“. Nie- sen erstmals einen Lichtbildervor- mand sonst hat über 60 Jahre lang trag in Westerland auf , bis so viele Menschen zum Thema 2015 folgten unzählige weitere. Sturmfluten und Küstenschutz in Vor allem auf Sylt war er sehr be- packenden Vorträgen in seinen liebt, seine Sturmflut-Vorträge ge- Bann gezogen wie Uwe Sönnich- hörten zum Fundament des touris- sen aus Niebüll. Er starb am 28. tischen Angebots. Doch auch in Februar 2019 im Alter von 91 Jah- New York und Südtirol sprach er ren. vor Publikum, und in ganz Nord- Der gelernte Schornsteinfeger, ge- friesland war er bekannt und ge- boren am 7. September 1927 in schätzt. Mit Leidenschaft forderte Altona, aufgewachsen in Niebüll, er eine Verbesserung des Küsten- interessierte sich schon als Kind für schutzes, ärgerte sich über Millio- Sturmfluten und für Fotografie. näre auf Sylt, die dort pompöse

Mit seinem ersten Fotoapparat Häuser besitzen, aber keinen Pfen- Bandixen Foto: Volkert machte er als Neunjähriger Bilder nig (oder Cent) für den Erhalt der Uwe Sönnichsen von der Sturmflut 1936. Von da Insel geben wollen. Er war Vorsit- an ließen ihn Fotos, Filme und zender des Küstenschutz-Ausschus- Wenn man ihm gegenübersaß, Sturmfluten nicht mehr los. ses des Nordfriesischen Vereins, spürte man sein Temperament und Nach dem Krieg war er als frei- Mitglied im Küstenschutz-Aus- die Urgewalt seines rednerischen beruflicher Lokal- und Sportjour- schuss der Sölring Foriining und Talents. Ob es nun Hunderttau- nalist tätig, nicht nur in Niebüll, Mitbegründer der Stiftung Küsten- sende oder gar zwei Millionen Men- sondern auch in der Ferne. Aus schutz Sylt. Außerdem war er Mit- schen waren, die er in seinen Vor- Helsinki berichtete er 1952 von glied des Vereins Nordfriesisches trägen erreichte, ist unerheblich. Er den Olympischen Spielen und Institut. war ein überzeugter Nordfriese, der drehte darüber einen Film. Später Bei seinem Publikum erreichte er nordfriesische Anliegen erfolgreich absolvierte er die Meisterprüfung nicht nur die Herzen, sondern ins Massenpublikum trug. in seinem Lehrberuf und war von auch das Portemonnaie. Für die 1966 bis zum Ruhestand 1992 Be- Sölring Foriining sammelte er Über seiner Todesanzeige stehen zirksschornsteinfeger in Niebüll. enorme Beträge an Spenden und die Worte: „Trutz, blanke Hans“ Im Jahre 1953 referierte Sönnich- warb hunderte Mitglieder. Claas Riecken

Sara Erdmann † Im Alter von 102 Jahren verstarb von vielen Landwirten genutzt am 7. Mai 2019 Sara Erdmann, ge- wurde. Für eines der Hauptgetränke borene Petersen aus Risum-Lind- der Gastronomie, den Teepunsch, holm, die am 17. März 1917 das bestellte die Wirtin den Köm tradi- Licht der Welt erblickte. Sie führte tionsgemäß in Flensburg. Friesische von 1958 bis 1967 zusammen mit Traditionen stehen bis heute hoch ihrem Mann Gustav den Gasthof im Kurs von „Fraschlönj“. Sara Erd- „Fraschlönj“ mit Saalbetrieb in Ri- manns Sohn Dr. Heinrich Erd- sum-Lindholm, der damals ein mann hat mehrere Veröffentlichun- Zentrum für friesische Kultur war gen über die Geschichte des Gast- und bis jetzt geblieben ist. Dann hofes geschrieben, in dem sich übernahmen Pächter die Wirt- schon 1958 deutsch gesinnte und schaft, die im Besitz der Familie nationale Friesen aus den ansonsten

blieb. Am Gasthof gab es eine in- sehr getrennten Vereinen zur Zu- Foto: Privat zwischen stillgelegte Viehwaage, die sammenarbeit trafen. Red. Sara Erdmann am 100. Geburtstag

Nordfriesland 206 – Juni 2019 5 noch tu luupen. Seed diar üüs en haale an üüb’t steed üübpaase, an prens uun a kutsch an leet ham wan’r ei muar küd, do kaam’r wech.“ keer. „Na, det wost ik oober!“, kii- – „Dü, ik haa letst en stak belewet: wet det öler. „So’n fidüts. Hünjer Wi hed diar een, wat ham am en skel dach luup, jo könst dach ei de steed bewerew wul bi üs üüb’t kon- hiale dai bluat ambislebe!“ – „Och, toor. Tjüchnisen alerbest, de jong Ellins wäält diar hedst dü letst ens mä mi uun maan maaget en guden iindrük, hed en Zoo-Fachhandel kem skulen. ham al föörstääld an det team wiar Diar jeew det ales, wat dü di föör - bütj a miaten uunden faan ham. A Üüb a hünj kimen stel könst: hunerten faan tjider, spel- schef hed a papiaren al turocht laan- kroom för hünjer faan arke gratens jen, de bedriiw wiset an ales wiar „Ian, tau, trii …“ – jo seed uun’t an arke äälerns, en elektrisk deeken, kant an klaar. Do komt de gast dach kafee bi a Wik, huuchseesong wiar’t wat de wuuf warem häält, en „Ein- üüb’t letst diarmä: „Ja“, saad’r, „wi – för mensk an hünj. Det ian küd und Ausstieg“-ramp üüs halep för haa föör tau weg en rais efter Tune- goor ei gauenooch teel, soföl lidj ual hünjer, dat jo ütj at autu of deel sien maaget an diar en Puppy adop- streewet mä hünjer uun arke gra- faan’t suufa kliiwre kön. Gans tu tiaret.“ – „Na, do gratliare ik“, saad tens an klöör a Sunwaal ap an deel. swigin faan det fulring, wat jo diar man schef. „Det ging ianfach so? Ik „Witjst noch“, saad det öler, „iar- hed – vitamine, kreeft-fulring, drü- toocht, diar uun Tunesien san jo te- juaren wiar wi en eilun, wat fööraal get kameel-hidj an hingst-tiarmer, melk string mä’t adoptiarin, jüst bi för familjen mä letj jongen ütjlaan- an uun a wonter Leckerlie-Advents- freemen. An as’t en letjen dring of jen wiar. Grat feerienweningen, so- kalender …!“ – „Naan, dach ei – en letj foomen?“ – „En dring natüü- goor Kinderheime för jongen, wat wat witj hünjer dach wel faan jul?“ relk, wi fu ham uun tau weg stjüürd. saner aalern tu kuur skul. Det heef „At komt ’ar ei üüb uun, wat hünjer An auer hi was en betj traumatisiaret föör a dör tu bodlin, de sun tu bo- keen of wel – at lidj hee daaling ian- as – hi as jo muar of maner üüb a riger bauen, det weeder ei altu jip fach en gans ölern amgung må’t tair. struat bäären an apwoksen an hee an ei so gefäärelk üüs üüb Sal. Diar Det as familje! Iar skul en hünj was al en mase slim saagen belewet wiar Feer för bekäänd. Daaling skü- werke: hi skul mä üüb jacht, a ki – wul ik fraage, of ik ham ei arken üw’s mä en mops uun a jongens- dai mä uun’t kontoor bring kön.“ – waanj ambi.“ Jo luket auer a kant Man schef haalet jip loft. Ik men, hi faan a kofe-becher an wooraftig, letj hee niks jin jongen. „Man“, so fraa- jongen wiar knaap tu sen. Üüb a get hi do jo uk „skul so en adoptiif- Sunwaal streewet oober jüst en ää- kint ei uun a jongensguard?“ An ler paar mä en jongen puudel fö- witjst dü, wat de jong maan do üüs örbi. En jachthünj kaam uunjin, an uunswoord hed?“ – „Ik aane det“, a hünjer snoow enöler iarst ens jin- laachet det öler, „det wiar en hünj, sidjig uf, föör an beeft. Det ääler wat jo diar ütj Tunesien uunslebet. paar an de maan mä a jachthünj Een faan döndiar wilj hünjer, wat fing uk geliks en net stak snaak. uun döndiar lunen ring behandeld Bluat üüs de hünj do begand, en wurd.“ – „Jüst det! An man schef düütelker interese uun det jong määnd do, det wiar ferlicht ei so en puudel-„daame“ tu wisin, töset’s al- guden toocht, faan weegen dön lidj tumool gau dön tau ütjenöler, pii- uun’t geschäft, wat baang wees küd nelk de een, arig dön ölern. An det Foto: Privat för hünjer, of en alergii hed. Hi skul stak snaak wiar uk föörbi. Ellin Nickelsen, die von Föhr ham det dach noch ens auerlei, of jo En wüf skoow mä’t wel föörbi. Uun stammt und in Lüneburg im höhe- ei öler mögelkhaiden hed. Do stäänt a uunhinger – skul ham uunnem – ren Schuldienst tätig ist, schreibt dediar jong maan ap, sait adjis an en letjen dring of en letj foomen. So zumeist humoristische Betrachtun- skraft de leeder dai en e-mail, dat hi üüs baaselidj det hal haa. En net gen in ihrer Muttersprache Fering. det werk ei uunnaamt. Sin Bauchge- weltuur, det letj sat fein skülig oner’t Diesmal geht es um den „Hype“, fühl wiar nü so, dat hi dach leewer ferdek, sleept of luket ütj an altu- den viele Hundehalter unter den ufbööd ded.“ mool geneet jo a frisk loft. „Na, luke Badegästen auf Föhr um ihre vier- „Det neem wi dach ens en hünjää- dach, detdiar as dach saacht en letj beinigen Lieblinge machen. Darin ren, ei woor?“ – „Diarüüb en Man- familje“, wul det ian jüst began. sieht die Autorin ein ganz anderes hattan! – So loong de noch ei för a Man üüs jo naier henluket, wiar’t en Verhältnis zu Tieren, als sie es als hünjer as, as Feer ei ferleesen.“ – madelgraten hünj, wat diar uun a Bauerntochter aus ihrer Kindheit „Manhattan – oder man hätt’n waanj seed. Tu feet of tu ual, am gewohnt ist. nich!“

6 Nordfriesland 206 – Juni 2019 friesische Rechtschreibung seit lan- gem modernisiert, das Apostroph an dieser Stelle verschwunden, und nur der Vereinsname blieb auf dem Üt da altem Stand. Das ist nun Ge- schichte. friiske feriine Apostroph stand für ein ehemaliges Die aktualisierte Schreibweise und „d“ oder „t“, das man schon seit ein verändertes Logo sind Teil einer Jahrhunderten nicht mehr aus- neuen Außendarstellung des Ver- Sölring Foriining spricht. Inzwischen ist die Sylter- eins, der bei alten Syltern zwar sehr bekannt, es aber vor allem bei Ur- ohne Apostroph laubsgästen umso weniger sei. Der Die Sölring Foriining änderte im Verein gelte als wichtig für die Syl- April 2019 die Schreibweise ihres ter Tradition und Identität, aber Namens, der sich bei der Grün- teilweise auch als alt und staubig. dung im Jahre 1905/06 der damals Das hatte eine PR-Agentur im Auf- gängigen Rechtschreibung bediente: trag der Sölring Foriining ermittelt. Söl’ring schrieb man damals. Das NfI

Et Nordfriisk Teooter in Not lungen in Vorleistung. Anderenfalls wäre das Theaterstück komplett aus- Unmittelbar vor der Premiere des fen. Damit das Theaterstück über- gefallen, denn es konnte aus Ver- Theaterstücks „Unert fordäk“ am haupt auf die Bühne kommen tragsgründen nicht verschoben wer- 23. März 2019 berichtete der künst- konnte, seien zahlreiche Verträge ge- den, so Funck. Wie es finanziell mit lerische Leiter des Nordfriisk Teooter, schlossen worden, die pünktlich er- dem Nordfriisk Teooter weitergeht Gary Funck, auf der Mitgliederver- füllt werden mussten. Funck ver- und wer für die Zahlungsverzöge- sammlung des Theatervereins über traute Anfang 2019 noch darauf, rung Verantwortung trägt, ist un- massive Finanzsorgen der laufenden dass zur Überbrückung zumindest klar. Das friesische Musical „Et huu- Produktion. Die Gelder der friesi- die institutionellen Mittel für die wenhüüschen“, das zum Friesentref- schen Bundesprojektförderung für Volksgruppe zum Jahresbeginn aus- fen auf Helgoland Ende Mai aufge- 2019, die er fristgerecht beantragt gezahlt würden. Daher ging er mit führt werden sollte, musste Funck und die man ihm zugesagt habe, geliehenem Geld und vorläufigem wegen der nach wie vor ausbleiben- seien noch immer nicht eingetrof- Verzicht auf eigene Honorarauszah- den Gelder absagen. Red.

Friesisch, Plattdeutsch, Trachten, Chöre

Der Nordfriesische Verein lud für kalisch und in Worten den 4. Mai 2019 zum dritten Frie- gedachten. Rust war sentag in die Niebüller Stadthalle, 2018 im Alter von 64 und 600 Menschen kamen – nicht Jahren verstorben. Ein alle gleichzeitig, aber über den gan- besonderer Höhe- zen Tag gerechnet. Zu sehen, zu hö- punkt war das gemein- ren und zu erleben gab es Trachten- sam mit dem Publi- tanz, einen plattdeutschen Gottes- kum gesungene Ab- dienst mit friesischen Anteilen, schlusslied „Kein schö- mehrere Chöre, die Friesisch bzw. ner Land“. Die Orga-

Plattdeutsch sangen und die be- nisatoren vom Nord- Foto: Christoph G. Schmidt kannte Band „Godewind“, unter- friesischen Verein um Alle gemeinsam: „Kein schöner Land“ stützt durch musikalische Freunde Geschäftsführer Jörgen als „Godewind and Friends“, die Vilsmaier-Nissen und die Vereins- aus Friesisch, Plattdeutsch, Trach- ihres Freundes und plattdeutschen vorsitzende Gudrun Fuchs konnten ten und Musik hatte einmal mehr Liederschreibers Jürgen Rust musi- zufrieden sein. Die Kombination ihre Wirkung nicht verfehlt. Red.

Nordfriesland 206 – Juni 2019 7 ■ Die Planungsphase für energeti- Kultur im Wandel“ ins Leben ge- sche Quartierskonzepte der Föhrer rufen. Der Kreis Nordfriesland ge- Gemeinden , Midlum, hört zu den Kandidaten, eine der und wurde im deutschlandweit fünf Regionen zu Nordfriesland April abgeschlossen. Die Firma werden, die aus den TRAFO-Gel- BIG Städtebau übergab die Kon- dern einmalig 1,25 Millionen Euro im Frühling zepte, mit deren Hilfe die Gemein- für kulturelle Projekte erhalten. Im den energetisch zukunftssicher und April ging die Bewerbungsphase CO2-einsparend gemacht werden um das Geld in eine neue Runde. 26. Februar – sollen. Nieblums Bürgermeister, Nordfrieslands Bewerbung wird 29. Mai 2019 Friedrich Riewerts, wurde mit den von Johanna Jürgensen, der Direk- Worten zitiert: „Wir haben eine torin der Kreiskulturstiftung, koor- ■ Der Erzbischof der katholischen Verpflichtung gegenüber unseren diniert. Das Nordfriisk Instituut ist Kirche von Hamburg Dr. Stefan Kindern und den nachkommenden seit Sommer 2018 mit Dr. Chris- Heße hat im Februar 2019 Pfarrer Generationen, etwas für den Kli- toph G. Schmidt und der FSJ- Germain Gouèn die Leitung der maschutz zu tun.“ Kraft Marleen Dölling im nordfrie- Pfarrei St. Knud in sowie sischen Bewerbungsteam vertreten. die Pfarradministration der Pfar- ■ Die Sölring Foriining rief am Die Idee ist, drei Jahre lang je ein reien St. Gertrud in Niebüll und Karsonnabend, dem 20. April zu nordfriesisches Dorf zum „Kulturs- St. Christophorus in Westerland einer Demonstration für den Erhalt tern“ für ein Jahr zu erklären, wo auf Sylt übertragen. Gouèn stammt des Steinzeitgrabes Denghoog im dann besondere Kulturveranstal- aus Kamerun und betreut die rund Sylter Wenningstedt auf. Über 300 tungen stattfinden. Interessierte 10 000 Katholiken in Nordfries- Teilnehmer kamen und drückten Dörfer werden gesucht. Für De- land. ihren Protest gegen einen in unmit- zember 2019 wird mit der Ent- telbarer Nachbarschaft geplanten scheidung gerechnet, ob Nordfries- ■ Zu wenig Handwerker auf Sylt, großen Neubau mit Unterkellerun- land zu den fünf bundesweiten heißt es auf der Insel seit Jahren. Im gen aus. Vom Neubau befürchten Förderregionen zählen wird. Doch Februar gingen Meldungen durch viele, trotz gegenteiliger Beteuerun- bereits von Mai bis September gibt die Presse, dass vor allem das Bahn- gen der Investoren, dass er die Sta- es in der Entwicklungsphase der problem dafür verantwortlich sei. bilität des 5000 Jahre alten Groß- Bewerbung fünf Veranstaltungen Man wisse nie, ob man pünktlich steingrabes beschädigen könne. mit den nordfriesischen Musikern auf Sylt ankomme oder ob man Das könne aus Sicherheitsgründen Kalle Johannsen, Lars Hansen und überhaupt rüberkomme, machte zur Schließung des archäologischen Ulf Meyer. „Der ,Kulturstern Stephan Tack, Geschäftsführer der Denkmals für die Öffentlichkeit Nordfriesland' hat das Ziel, den Kreishandwerkerschaft Nordfries- oder gar zum Einsturz des Deng- Zusammenhalt im ländlichen land Nord, deutlich. Viele Fach- hoogs führen. Von Behörden fühle Raum zu stärken und die Verbun- kräfte arbeiteten lieber auf dem man sich im Stich gelassen. Insbe- denheit mit der Region zu erhö- Festland, weil sie bei gleichem sondere die zweite Vorsitzende der hen, um so der Landflucht entge- Lohn nicht auch noch pendeln Sölring Foriining, Maren Jessen, en- genzuwirken“, heißt es zur Bewer- müssten. gagiert sich federführend im Pro- bung. test. Eine Online-Petition der Söl- ■ Der Bau- und Wegeausschuss ring Foriining wurde eingerichtet. ■ Der Arbeitskreis Mildstedter von traf sich Ende Darin heißt es unter anderem: „Die Chronik um Dr. Christian M. Sö- März, um über die Reaktivierung Schmerzgrenze der Sylter ist er- rensen und Uwe Niewöhner feiert der Freilichtbühne Nachtigallental reicht! Der allgemeinen Bauwut 2019 sein 40. Jubiläum. Der Ar- zu beraten. Man war überrascht soll nun Sylter Kulturgut zu Opfer beitskreis hat seit 1979 die Chronik über die gute Substanz der Anlage, fallen. Jeder verfügbare Bauplatz Mildstedts durch 15 Schriften do- die lange im Dornröschenschlaf ge- wird von Investoren ausgereizt, kumentiert und will in Zukunft die legen hat. Freiwillige Bürger aus ohne Rücksicht auf Sylter Denk- neueste Geschichte des Ortes seit Schwabstedt wurden gesucht und male […].“ dem Jahr 2000 beleuchten. Sorgen gefunden, um das Areal weiter her- machen sich die beiden Chronisten zurichten. Für den Sommer 2019 ■ Die Kulturstiftung des Bundes um den Nachwuchs, der in ihrem sind die ersten Veranstaltungen auf hat ein großangelegtes Projekt zur Arbeitskreis ausbleibt. Am 5. Ok- der großen Naturbühne geplant, kulturellen Förderung ländlicher tober soll das Jubiläum des Arbeits- deren Akkustik als sehr gut und de- Regionen ins Leben gerufen unter kreises in gefeiert wer- ren Atmosphäre als legendär gilt. dem Titel „TRAFO – Modelle für den.

8 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Foto: Rainer Nitzsche Trachtentreffen im Spreewälder Lübben 2019: Nordfriesland, die Propstei und Bayern im Bild

■ Der Niebüller Stadtwerkelauf det“ war das Motto, aber nicht nur spiegels wurden die Stelzenhäuser am 5. Mai zog wieder viele Teilneh- die Trachten, sondern auch die ver- 160 Meter weiter landeinwärts ge- mer an. 650 kamen ins Ziel. Die schiedenen Sprachen und Dialekte baut als die Vorgängerbauten. Die schnellste Frau des Hauptlaufes von sollten sichtbar werden. Und so Tradition der Pfahlbauten am 10 Kilometern, Natalie Jachmann hörte man immer wieder das Sor- Strand von St. Peter.Ording ist fast vom TSV Glückburg, benötigte bische; sei es in der Eröffnungsver- 110 Jahre alt. Immer wieder wurden gerade einmal 35 Minuten und anstaltung, bei der Abschlussgala Pfahlbauten dort von Sturm und 20 Sekunden, der schnellste Mann oder im ökumenischen Gottes- Sturmfluten zerstört, zuletzt 1976. des Rennens war ihr Vereinskollege dienst. Pascal Dethlefs, der aber eine Se- ■ Das Freizeitbad „Sylter Welle“ kunde langsamer war. ■ Zu Ostern eröffneten neue in Westerland auf Sylt feierte vom Pfahlbauten auf dem Strand von St. 18. bis 22. April sein 25. Bestehen. ■ Das Deutsche Trachtenfest, die Peter-Ording und lösten damit Die schiffsförmige Anlage zieht je- größte Veranstaltung ihrer Art in zwei ähnliche Gebäude ab, die in des Jahr rund 200 000 Besucher an Deutschland, fand vom 17. bis 21. die Jahre gekommen waren. Der und bietet neben einer Badeland- Mai 2019 im brandenburgischen neue Mehrzweck-Pfahlbau bietet schaft auch eine Saunawelt und Lübben statt – und auch Nordfrie- doppelt so viele Toiletten wie der Kinderangebote. Das Gebäude sen waren dabei. Mit einer Abord- alte, daneben eine Behindertentoi- steht dort, wo in den 1970er-Jahren nung von etwa 70 Tänzerinnen lette, die über eine Rampe zu errei- das gigantische Hotel „Atlantis“ ge- und Tänzern aus ganz Schleswig- chen ist. Die Badeaufsicht und die plant wurde, das als maßlose poten- Holstein reisten sie in den Spree- Strandkorbvermietung haben im tielle Bausünde galt und nach mas- wald, wo sich ca. 2500 Trachtenträ- Gebäude in sieben Metern Höhe siven Protesten nicht zustande kam. ger aus ganz Deutschland und da- ebenfalls eine neue Unterkunft. Franziska Böhmer/ rüber hinaus trafen. „Tracht verbin- Wegen des ansteigenden Meeres- Fiete Pingel/Claas Riecken

Nordfriesland 206 – Juni 2019 9 Kerrin Ketels: Eine gewichtige Entscheidung Das Ende der Viehwaagen auf der Insel Föhr

Auf Friesisch heißen Personen- oder Viehwaagen „gewicht“, sowohl auf Fering als auch auf Frasch. Landwirte kamen früher bei den Viehwaagen „bi’t gewicht“ zusam- men. Viehwaagen und Dorfkrüge lagen meistens nebeneinander, und mancher Dorf- krug hat das Ende der örtlichen Viehwaage nicht überlebt. Auf Föhr wurde die letzte Viehwaage Ende 2018 stillgelegt.

Bis in die 1960er-Jahre hinein konnte man auf John Bruhn aus Midlum, der 1962 mit seiner der Insel Föhr in fast jedem Dorf eine Viehwaage Landwirtschaft in die Midlumer Marsch ausge- vorfinden. Meist in unmittelbarer Nachbarschaft siedelt war und 1965 anfing, Viehhandel mit den zur dörflichen Gastwirtschaft gelegen, bildete die Landwirten der Insel zu betreiben. Viehwaage auch einen sozialen Treffpunkt für die Die Viehwaage war seinerzeit in den Dörfern von Landwirte, wurde doch miteinander über die großer Bedeutung. So wurden Rinder, Schafe Preisentwicklung auf dem Tiermarkt sowie über und Schweine nicht nur für den Verkauf auf das die Landwirtschaft im Allgemeinen gesprochen Festland gewogen, sondern auch der ansässige und dies meist in der friesischen oder plattdeut- Schlachter handelte mit den Bauern, um Fleisch schen Muttersprache, denn auch die Viehhändler in der Direktvermarktung anzubieten. Dazu stammten in der Regel von der Insel. So auch wurde jedes Tier auf der dörflichen Viehwaage Foto: Archiv Ferring Stiftung Foto: Die Viehwaage in Oevenum auf Föhr 1969. Ganz rechts Julius Nickelsen, der Vater der Autorin, der das Rind zur Waage führt. Links neben ihm John Bruhn.

10 Nordfriesland 206 – Juni 2019 gewogen, um den entsprechenden aktuellen Preis weise waren bis zu vier Angestellte beschäftigt, zu ermitteln. Dabei gab es einige ungeschriebene um eine entsprechende Vertretungsregelung zu Gesetze zu beachten. Das Vieh wurde in der Re- gewährleisten. gel morgens zur Wiegung gebracht.Um ein reel- Bis 2007 mussten noch alle LKW – auch die für les Gewicht zu ermitteln, war der Bauer dazu an- den Viehtransport – für die Berechnung der Kai- gehalten, das Rind am Abend vorher nicht mehr und Frachtgelder gewogen werden. Die Tarife für zu füttern. Daran hielten sich nun aber längst die Wägungen veränderten sich im Laufe der Jahr- nicht alle, was zahlreiche Anekdoten, die bis zum zehnte sehr. So zahlte man 1971 für Großvieh, wie heutigen Tage auf Föhr bekannt sind, belegen. Rinder, Pferde und Kälber, 1,00 DM und für So hatte ein Bauer sein Vieh kurz vor der Wie- Kleinvieh – dazu gehörten Schafe, Lämmer und gung mit Äpfeln gefüttert, die natürlich bei der Schweine – 0,50 DM pro Stück. Bereits vier Jahre Schlachtung ans Tageslicht gelangten. Dies später hatte sich der Stückpreis verdoppelt, 2001 führte unweigerlich zu Differenzen zwischen lag der Stückpreis sogar bei 1,75 bzw. 0,75 €. dem Bauern und dem Schlachter, zumal sie mit- Nach der Jahrtausendwende ging die Zahl des einander verwandt waren. Mastviehes drastisch Bis in die 1960er-Jahre hinein war eine Baraus- zurück, wohl auch zahlung nach Handschlag an die Landwirte für bedingt durch die den Verkauf ihrer Tiere üblich. Dazu war ein Ausweitung des Bankkaufmann mit einem Geldkoffer vor Ort, Milchviehbestandes. um per Wiegezettel die Landwirte zu entloh- Dies belegt auch die nen.Wohl nicht wenig Geld floß nach so einem Statistik über die vor- erfolgreichen Handel anschließend in Form von genommenen Wä- Teepunsch die Kehlen hinunter. Aber nicht nur gungen. Noch 1972 in den Dörfern konnte Vieh gewogen werden. In wurden 751 Stück Foto: Privat der heutigen Hafenstraße in Wyk wurde eine Großvieh sowie 311 Kerrin Ketels Viehwaage an der damaligen Gaststätte „Haus Stück Kleinvieh auf der Landwirte“ betrieben, und Quellen belegen, der Wyker Viehwaage gewogen. Bis Anfang der dass es dort an den Liefertagen zu extremen Ver- 1990er-Jahre stieg die Anzahl der Wägungen, da- kehrslagen kam. So wurden viele landwirtschaft- nach nahm sie rapide ab: Im Jahr 2006 wurden liche Fahrzeuge im Parkverbot abgestellt und das nur noch 458 Stück Großvieh gewogen und spä- Vieh in größeren Herden einfach auf den umlie- testens 2018 war die Viehwaage nicht mehr wirt- genden Grundstücken angebunden. Nach der schaftlich. Wägung trieben die Landwirte ihre Rinder, Der Rückgang der Wägungen in Verbindung mit manchmal bis zu 200 Tiere, durch die Hafen- hohen Unterhaltungskosten sowie notwendigen straße zur Verladung an die Hafenanleger, und Investitionen führte Ende 2018 dazu, dass der man kann sich unschwer denken, dass dieses Ver- Hafenausschuss der Stadt Wyk gemeinsam mit fahren von den anliegenden Geschäften nicht dem Fachausschuss des Amtes Föhr–Amrum zu unbedingt gerne gesehen wurde. Am Hafen an- dem Beschluss kam, die letzte Viehwaage der In- gelangt, wurden die Tiere auf die Fähre getrieben sel Föhr stillzulegen. So nachvollziehbar dieser und nach Dagebüll verschifft. Dabei wurde auf Beschluss auch ist, so reiht er sich in eine Kette eine Anbindung verzichtet und so manches Tier des Strukturwandels, der auch für Plattdeutsch versuchte, durch einen Sprung in die Nordsee und Friesisch eine Bedrohung ist. Es verschwin- sein Leben zu retten. den soziale Treffpunkte wie Dorfgasthöfe, Land- Im Jahre 1971 schaffte der Hafenbetrieb der schlachtereien, Dorfmeiereien und nun auch das Stadt Wyk eine gebrauchte Viehwaage an, die auf „gewicht“. dem gleichen Gelände wie die Brückenwaage an- gebracht wurde. Um eine Waage betreiben zu Kerrin Ketels lebt in /Olersem auf Föhr dürfen, wurden bereits in den 1960er-Jahren und arbeitet für den friesischen hauptamtliche Wiegemeister eingestellt, zeit- Radiosender Friisk Funk auf der Insel.

Nordfriesland 206 – Juni 2019 11 Claas Riecken: Ein Lied, zwei Meinungen – mindestens Kulturgeschichte um das friesische Teepunschlied

Im Jahre 1879 erschien erstmals das nordfriesische „Teepunschlied“, auch bekannt als „Di sung foon di teepuns“. Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass es eine friesische Entgegnung in gleicher Liedform gibt. Kulturgeschichtlich lässt sich zu Text und Melodie einiges sagen.

Die Geschichte des Teepunsches in Nordfries- punsch, und aus fünf wurden zweieinhalb Zuta- land reicht bis mindestens ins 19. Jahrhundert ten, getrunken aus kleinen Tassen: 1. heißer, zurück. Das Wort „Punsch“ und das Getränk ka- dünner Tee, 2. Köm (Kümmel-Schnaps) und wer men ursprünglich aus Indien und wurden über mag, etwas Zucker. In weiten Teilen Nordfries- englische Seeleute im 18. Jahrhundert nach lands, vor allem auf dem Festland zwischen Hu- Europa gebracht. Auf Hindi bedeutet das Wort sum und Tondern, aber auch in der Insel- und „pāñč“ (Pansch, Punsch) „fünf“, denn es waren Halligwelt war der Teepunsch früher das belieb- ursprünglich fünf Zutaten im Punsch: Arrak, teste alkoholische Getränk. Man erzählt sich auf Zucker, Zitronen und Tee oder Wasser mit Ge- Föhr, dass Bier erst nach der Flurbereinigung der würzen. In Nordfriesland wurde daraus Tee- 1960er-Jahre dem Teepunsch den Rang ablief. Foto: Claas Riecken Friesischer Teepunsch – früher das nordfriesische Nationalgetränk, heute auch noch?

12 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Da es in der Marsch kein Grund- wasser gibt, musste man dort frü- her Regenwasser in Zisternen sammeln, das pur getrunken kaum genießbar war. Der ge- kochte Tee mit Alkohol half bei der Lösung des Problems. Einer der Festlands-Belege für Teepunsch datiert von 1880, als der erste nordfriesische Verein, der von Niebüll-Deezbüll, mit den Westfriesen in den Niederlanden in Kontakt trat. Man teilte den

„lieben westfriesischen Stammes- Foto: Firmenwerbung brüde[n]“ mit, man habe auf sie Der bekannte geele Köm „vun Herm. G. D.“ kommt schon lange nicht „die Tassen gefüllt mit dem nord- mehr von der Firma Hermann G. Dethleffsen in Flensburg. Die Marke friesischen Nationalgetränk, ei- wurde vom Eckernförder Spirituosen-Unternehmen Behn aufgekauft. nem Theepunsch“ angestoßen. In der bekannten Erzählung des Bongsieler Gast- Heimatdorf bereits als Jugendlicher. Zunächst wirts Lauritz Thamsen „Dat swarte Peerd“ von wirkte er als Hilfslehrer in und Rosen- 1919 kommt das Teepunschtrinken vor, auch im dahl bei Husum zur Vorbereitung auf den Leh- Halligroman „Landunter“ von Wilhelm Lobsien rerberuf, bevor er Seminarist in Tondern wurde. aus dem Jahr 1921. Der Föhrer Dichter Lorenz Dort bestand er 1871 das Lehrerexamen und Conrad Peters schrieb 1921 ein schmissiges Lied amtierte danach als Lehrer, u. a. in , „Heu, bi da kruuger sad wi gud / bi so’n tiipuns kön Bredstedt und ab 1876 in Flensburg, wo er 1935 wi’t ütjhual“ (Hei, beim Gastwirt sitzen wir gut/ starb. Ab 1886 unterrichtete Petersen an der al- bei so einem Teepunsch können wir es aushal- ten St. Jürgen-Schule auf dem Flensburger Ost - ten), und Alkohol trinken heißt auf Föhrer Frie- ufer, erst als Lehrer, dann als Rektor. Als 1907 sisch bis heute punse (punschen). die neue Knabenschule am Bremerplatz in Flens- Als „Köm-Grenze“ oder auch „Köm-Äquator“ burg-Jürgensby eröffnete, wurde er dort Rektor gilt die Arlau in der Hattstedtermarsch, die einst bis zur Pensionierung 1914. die Nordergoesharde von der Südergoesharde Flensburg zu Ingwer Petersens Zeiten, das war trennte. Nördlich der Arlau gibt man traditionell eine Stadt, die in einem rasanten Wachstum be- „geele Köm“ (frasch: gööle kööm, gelben Köm) griffen war: 1835 hatte man noch 12.000 Ein- aus Flensburg, südlich des Flusses „witte Köm“ wohner gezählt, 1900 waren es schon 50.000, im (weißen Köm) aus Husum in den Tee. Doch ob Jahre 1945 über 100.000. Man kann sich vor- diese Trennungslinie noch heute Bedeutung hat, stellen, wie Petersen sich in der Stadt nach dem ob Teepunsch südlich der Arlau überhaupt noch Land seiner Kindheit und Jugend sehnte, wie es eine Rolle spielt und wieweit der Teepunsch ge- ihn drängte, in der Muttersprache zu schreiben. genüber anderen Alkoholika in ganz Nordfries- Das gilt auch für andere Nordfriesen in der land stark rückläufig ist, müsste näher untersucht Fremde, etwa die drei Amtskollegen Petersens, werden. die Schulrektoren Nis Albrecht Johannsen in Flensburg sowie Boy Peter Möller und Dr. Peter Jensen in Hamburg. Sie alle erlebten in der Stadt Hoch die Tassen! einen persönlichen sozialen Aufstieg und setzten sich für die Bewahrung ihrer friesischen Heimat- Der Dichter des Teepunschliedes war Ingwer Pe- kultur ein. Doch hier gibt es einen großen Un- tersen (1849–1935), Sohn des Fahretofter terschied: Petersen blieb vor allem geistiger Vater, Schmiedemeisters Peter Petersen. Er verließ sein ein Mann der zweiten oder dritten Reihe – etwas

Nordfriesland 206 – Juni 2019 13 raner Seminaristenverein „Friesenclub“ 1879 zur Einweihung seiner Fahne eingeladen, aber es war das Teepunschlied, das ihn bei den Nordfriesen in aller Munde brachte. Es wurde mehrfach in Liederbüchern abgedruckt und ist bis heute in Nordfriesland populär. Hier die Fassung, wie sie Hark Martinen in seiner nordfriesischen Gedicht - anthologie „Dachtangs“ von 2014 in heutiger Rechtschreibung abgedruckt hat:

Di sung foon di teepuns

En fraschen teepuns mäi ik hål, di schååset nåne mansche; deeram wal ik me arken däi en latjen wurmen wansche. En teepuns, jåå, di seet foont hart, di wiitj e burst tu liisen; an wan ik riin ferkloomed ban, sü fäit hi me önjt riisen.

Foto: Claas Riecken Ån kamt man näiber iinjsen am, Der Anfang des Teepunschliedes und ein Hinweis auf man üülje fründ di goue, die Friisk Foriining stehen beim gelben Köm der Nie- dan håål ik gau en huulew plånk, büller Schnaps-Companie auf der Rückseite. dåt we en latjen foue. Bai tee ån puns ån suurten gee schemenhaft, auch weil bisher alle Versuche ge- deer kaame we önjt snååken; scheitert sind, ein Foto von ihm zu finden. bit tu madnåcht, bit huulew iinj Vergeblich sucht man ihn in der 70-Jahre-Fest- hiirt följk üs wilems lååken. schrift des 1908 gegründeten Flensburger Frie- Tu jül lätj ik en fiiwkoons hoolt senvereins. Ebensowenig war er Mitglied des diräkt üt Flansborj kaame, 1879 gegründeten Nordfriesischen Vereins in dan koon huum, wan deer seelschap as, Niebüll-Deezbüll (heute: Frasche Feriin for Nai- uk hål an riklik naame. bel-Deesbel än trinambai), obwohl er es war, der den Vorschlag zur Vereinsgründung am 1. Fe - Ån steecht di teepuns önj e kröön bruar 1879 in der Niebüll-Deezbüller Zeitung bai knapelkååg än krängle, dan fifat huuch, min fiderlönj! machte. Die Nicht-Mitgliedschaft in Niebüll- dåt åle waninge rängle. Deezbüll mag verwundern, denn nur eine Wo- che vor seinem Gründungsaufruf hatte Petersen En teepuns, di as åltids gödj sein Teepunschlied in derselben Zeitung veröf- bai krunk’ an süne deege, fentlicht. Man fragt sich, ob er es dann nicht deeram koon ik man froome wansch for nåne mansche sweege: auch gerne einmal in großer Runde des Friesen- vereins gesungen hätte. En fraschen teepuns mäi ik hål, Rektor Ingwer Petersen trat also in friesischen di schååset nåne mansche, Kreisen nicht groß hervor. Er schrieb zwar etwas deeram wal ik me arken däi über den nordfriesischen Vorkämpfer Knut Jung- en latjen wurmen wansche. bohn Clement, über seinen Fahretofter Lands- Ingwer Petersen mann Hans Momsen und er hinterließ mehrere friesische Gedichte; auch wurde er vom Tonde-

14 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Der schadet keinem Menschen? Doch! Das Lied vom Teepunsch Auf das Teepunschlied von Petersen reagierte der Einen friesischen Teepunsch mag ich gerne, der schadet keinem Menschen, nordfriesische Dorfschullehrer Lorenz Christian darum will ich mir jeden Tag Hansen (1835–1913). Von einer Verherrlichung einen kleinen warmen wünschen. des Alkohols wollte er nichts wissen und schrieb auf Friesisch gegenan – und zwar so, dass man es Ein Teepunsch, ja, ist gut fürs Herz, problemlos zur gleichen Melodie singen kann der weiß die Brust zu lösen wie die Vorlage. Ob das jemals in größerem Rah- und wenn ich ganz verfroren bin, men geschehen ist, ob überhaupt viele Nordfrie- dann macht er mich wieder lebendig. sen das Gegengedicht bzw. Gegenlied Hansens Und kommt mein Nachbar zu Besuch, kannten, darf man bezweifeln. mein alter Freund, der gute, Das Gedicht ist undatiert, es befindet sich in einer dann hole ich schnell eine halbe Planke, Sammelhandschrift von 1906. Hansen bezieht dass wir einen kleinen heben. sich in seinem Gedicht direkt auf Ingwer Peter- sens Teepunschlied „ön’t Risum’r Bleed“ (im Risu- Bei Tee und Punsch und schwarzem G. mer Blatt). Die Niebüll-Deezbüller Zeitung mit da kommen wir ins Reden. der Erstveröffentlichung des Teepunschliedes Bis Mitternacht, bis halb eins vom 25. Januar 1879 wird er damit kaum ge- hört man uns manchmal lachen. meint haben. Bei einer größeren Untersuchung Zu Weihnachten lasse ich ein kleines Fass kann man versuchen nachzuprüfen, wann und direkt aus Flensburg kommen, wo Petersens Lied erneut in einer Zeitung abge- dann kann man, wenn Besuch da ist, druckt wurde, beispielsweise in der Nordfriesischen auch gern und reichlich nehmen. Rundschau. Möglicherweise wurde Hansen erst Ende des 19. Jahrhunderts zum Alkoholgegner. Und steigt der Teepunsch in den Kopf Sein friesisches Anti-Alkohol-Gedicht „De Süp- bei Kuchen und Gebäck, per/De Söpper“ von 1896 hat Nils Århammar be- dann „Vivat hoch, mein Vaterland“ dass alle Fenster klirren! reits 2011 sprachlich untersucht, denn Hansen stammte aus Hattstedt in der Südergoesharde, Ein Teepunsch, der ist immer gut lebte als Lehrer jedoch in der Nordergoesharde, an kranken und gesunden Tagen, u.a. in Sterdebüll und Ost-Bargum. Die Folge deshalb kann ich meinen frommen Wunsch war eine Art Ausgleichsmundart zwischen Süder- vor niemandem verschweigen. und Nordergoesharder Friesisch. Århammar hat Hansens Gedicht gegen den Teepunsch zwar Einen friesischen Teepunsch mag ich gerne, schon 2011 kurz zitiert, aber vollständig abge- der schadet keinem Menschen, darum will ich mir jeden Tag druckt wurde es bisher nicht: einen kleinen warmen wünschen.

Übersetzung: Nordfriisk Instituut

Eine „halbe Planke“ ist ein altes Hohlmaß, etwa 0,25 Liter; „schwarzer G.“ hieß ein Pfeifentabak der Bredstedter Tabakfirma Gress, bekannter war ihre Marke „roter G.“. Ein „fiiwkoonshoolt“ ist ein „Fünfkan- nenholz“, also ein Holzfass mit dem Inhalt

von fünf Kannen (= etwa 10 Liter). Nissen (/) Foto: Peter Lorenz Christian Hansen mit Frau und Kindern

Nordfriesland 206 – Juni 2019 15 Di Teepunsch Der Teepunsch

En freesches Punschleed was rocht schön Ein friesisches Punschlied war recht schön Ön’t Risum’r Bleed tó leesen; Im Risumer Blatt (= Zeitung) zu lesen, Doch wär di Punsch dirrön verpönt, Doch wäre der Punsch darin verpöhnt, Was mi dat liewer wesen. Wäre mir das lieber gewesen. En latjen Teepunsch schmaget göd, Ein kleiner Teepunsch schmeckt gut, Dat wall ick äg bestridde, Das will ich nicht bestreiten, Doch ham besunge kon ick äg, Doch ihn besingen kann ich nicht, Dat möt ick fri üttsidde. Das muss ich frei bekennen. En Teepunsch lachtert will dat Hert Ein Teepunsch erleichtert wohl das Herz Aw ‘n koort Tidd bei en Mensche, Kurzzeitig bei einem Menschen, Doch kon ick Niemens, hum’t ock as, Doch kann ich niemandem, wer es auch sei, Äg vale dirrvon wensche. Nicht viel davon wünschen. Denn steegt di Teepunsch di tó Haud, Denn steigt der Teepusch dir zu Kopf, Só fangst dü ön tó prunken, Dann fängst du an zu protzen, Un ön tó schungen un markst äg, Und an zu singen und merkst nicht, Dat dü wardst fali drunken. Dass du wirst ziemlich trunken. Un wat heet dat for Fölge denn, Und was hat das für Folgen dann, Wenn dü dirr sattst besäben? Wenn du da sitzt besoffen? Ünlocklick best dü un feist bald Unglücklich bist du und bekommst bald En rocht bedröwtes Leben. Ein recht betrübtes Leben. Di Teepunsch brankt Vertriet önt Hüs, Der Teepunsch bringt Verdruss ins Haus, Din Gielknipp, dat ward läsi, Dein Portemonnaie wird leer, Dan Gung ward schwack, din Haud ward kronk, Dein Gang wird schwach, dein Kopf wird krank, Ward wunderlick un däsi. Wird wunderlich und verrückt. Dirram namm di doch jog ön agd, Darum nimm dich doch ja in Acht, Un wees bei ‘n Punsch wat schagtern, Und sei beim Punsch etwas schüchtern, Hul di tóbäg ön ‘n Sillschapp ock, Halt dich zurück in Gesellschaft auch, Dan blawst dü jümmers agtern. Dann bleibst du immer nüchtern. Jins öntóstieten mé en Punsch, Mal anzustoßen mit einem Punsch, Dat kon ja jüst nichts hend’rn, Das kann ja nichts schaden, Doch göd was dat for manchen Aan, Doch gut wäre es für manch einen, Kö hi sin Drinken mend’rn. Könnte er sein Trinken mindern.

Lorenz Christian Hansen Übersetzung: Claas Riecken

Das undatierte Original des Textes befindet sich im Besitz von Peter Nissen (Uphusum/Bordelum). Die Kopie einer Sammelhandschrift von 1906 im Archiv des Nordfriisk Instituut enthält den Text ebenfalls.

Nils Århammar legt nahe, dass Hansen „ganz im gen, sondern von städtischen höheren Schichten. Sinne etwa des 1883 gegründeten ‚Deutschen Ver- Viel einflussreicher in der Alkohol-Frage um die eins gegen den Missbrauch geistiger Getränke‘“ Jahrhundertwende waren in Schleswig-Holstein, geschrieben habe. Das ist gut möglich, denn Han- insbesondere in Nordfriesland, die Guttempler. sen zeigt sich zwar als Gegner von Alkoholismus, Sie waren allerdings harte Abstinenzler, die jede nicht aber als harter Abstinenzler, sondern er ruft Form von Alkohol ablehnten. Von ihnen soll ein nur zur Mäßigung auf. Der genannte Verein andermal berichtet werden, denn einer ihrer füh- wurde jedoch kaum von Dorfschullehrern getra- renden Köpfe kam aus Nordfriesland.

16 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Verein Nordfriesisches Institut e. V. Protokoll der Mitgliederversammlung

Am Sonnabend, 11. Mai 2019, im Bürgerhaus, 25821 Bräist/Bredstedt, NF. Beginn: 14.04 Uhr Anwesend: 40 stimmberechtigte Mitglieder, 9 Gäste

1. Begrüßung durch die Vorsitzende sächliche Förderung an Museen gehe. Das Institut Die Vorsitzende Inken Völpel-Krohn begrüßt die Ver- solle etwas dazu sagen, damit die Minderheiten im sammlung auf Friesisch. Sie dankt den Institutionen Plan weiter erwähnt werden. Der Bredstedter Bür- und Personen, die dem Nordfriisk Instituut durch fi- germeister Christian Schmidt betont, dass die Re- nanzielle Unterstützung seine Arbeit ermöglichen: gion durch das Nordfriisk Futuur aufgewertet dem Land Schleswig-Holstein, dem Kreis Nordfries- werde. Die Region habe Vielfältiges zu bieten: land, der Sydslesvigsk Forening, der Stadt Bredstedt, „Tradition, Trachten und Tablet“. Werner Junge, dem Frasche Rädj, den Mitgliedern und allen, die Leiter der Redaktion Heimat und Kultur und der sich für das Institut einsetzen. Sie dankt den Parla- Zentralredaktion Niederdeutsch des NDR in Kiel, mentariern für ihr wachsendes Interesse an der frie- weist daraufhin, dass der NDR im plattdeutschen sischen Minderheit und dem Ministerpräsidenten für Programm zugelegt habe und auf Friesisch tue, was die Umsetzung schleswig-holsteinischen und euro- er könne. Er ruft die jungen Leute dazu auf, Bei- päischen Rechts. Außerdem dankt sie den Universi- träge einzusenden. Ingwer Oldsen, ehemaliger Lei- täten und den Friesenvereinen für die lebendige Zu- ter des Plattdeutsch-Zentrums in Leck, erzählt auf sammenarbeit sowie dem Beirat und dem Kuratorium Plattdeutsch von der plattdeutsch-friesischen Seite des Instituts für seine kritische Begleitung und wis- in den Regionalzeitungen der SHZ und den Proble- senschaftliche Beratung. Die Vorsitzende wünscht men, die durch einen verzögerten Druck entstehen. dem neu ernannten Landrat des Kreises Nordfries- land Florian Lorenzen Glück in seinem Amt. 3. Regularien – Wahl des Tagungspräsidiums 2. Grußworte Per Akklamation werden Jörgen Jensen Hahn zum Gyde Jensen (FDP-MdB) berichtet, dass sie anläss- Tagungspräsidenten, Nils Dahl zum Beisitzer und lich des 20-jährigen Jubiläums der Sprachencharta Franziska Böhmer zur Schriftführerin gewählt. Der in Deutschland auf Plattdeutsch im Bundestag re- Tagungspräsident führt im weiteren Verlauf auf Frie- den werde. Sie wünscht auf Plattdeutsch eine sisch und Hochdeutsch durch die Tagesordnung. schöne Versammlung. Kay Richert (FDP-MdL) ver- – Feststellung der Tagesordnung und der Beschluss- gleicht die Situation Nordfrieslands mit Bayern. fähigkeit Dort werde noch viel Tracht getragen, weil es auch Die Tagesordnung und die Beschlussfähigkeit der die Dialekte gebe, während in Nordfriesland durch Versammlung werden festgestellt. die Reformation das Hochdeutsche eingeführt wurde und Friesisch somit nicht verschriftlicht wor- 4. Bericht der Vorsitzenden den sei. Er fordert das Nordfriisk Instituut dazu auf, Die Versammlung erhebt sich zu Ehren der seit der seine bisherige Arbeit fortzusetzen und glaubt, dass Mitgliederversammlung 2018 verstorbenen Mit- es noch im Landesentwicklungsplan genannt wer- glieder, deren Namen die Vorsitzende Inken Völpel- den könne. Kreispräsident Heinz Maurus weist auf Krohn verliest. das bevorstehende 50-jährige Jubiläum des Kreises Die Vorsitzende weist darauf hin, dass vor einem Jahr Nordfriesland 2020 hin und wünscht sich, dass die das Nordfriisk Futuur eröffnet worden sei. Nach eigenständige Regionalität Nordfrieslands als „5- 31 Jahren sei der ehemalige Direktor Professor Tho- Sprachen-Land“, Land der Friesen, Lebensmittel- mas Steensen mit einem überwältigenden Festakt und punkt und Wirtschaftsraum herausgestellt werde. Im einer vom Kuratorium herausgegebenen Festschrift Landesentwicklungsplan werde der Wert der Min- verabschiedet worden. Den neuen Direktor Dr. Chris- derheiten zum Ausdruck gebracht, wobei die haupt- toph Schmidt heißt sie noch einmal herzlich willkom-

Nordfriesland 206 (S. I–IV) • Protokoll der Mitgliederversammlung 2019 I men. Der Frasche Rädj habe die Schaffung einer Stif- werde gut angenommen. Als Betriebsrat sei Biblio- tung für die friesische Volksgruppe vorangetrieben, thekar Dr. Harald Wolbersen wiedergewählt worden. welche ab 2021 wirken solle. Darin sei das Nordfriisk Das Nordfriisk Instituut sei im Projekt TRAFO ver- Instituut an besonderer Stelle eingeplant, bis 2021 ist treten, durch das ländliche Räume gefördert werden es durch die Ziel- und Leistungsvereinbarung mit sollen. Nordfriesland, und damit auch das Nordfriisk dem Land verbunden; die Möglichkeit, dass das Instituut, könnten darüber Fördergelder erhalten. Im- Nordfriisk Instituut weiterhin eigenständig Verhand- mer wieder kämen Besucher mit Fragen, Spenden lungen mit dem Land führen und entsprechende Ver- und Erzählungen ins Institut, z. B. überbrachte Hans einbarungen schließen darf, sei im Satzungsentwurf Otto Meier Bücher über Dagebüll und Fahretoft. enthalten und von Seiten der Landesverwaltung zu- Meinert Petersen habe ein Wörterbuch vorbereitet, gesagt. Die Vorsitzende wünscht sich, dass die inter- das jetzt im Nordfriisk Instituut bearbeitet und he- friesischen Beziehungen, die bei der Gründung des rausgegeben werde. Im Rahmen eines Projektes Friesenrats vorrangig waren, wieder aufleben. Der habe Mareike Böhmer die Nachlässe von Katharine Friesenrat verkörpere die Friesen in der Öffentlichkeit Ingwersen und Herrlich Jannsen verzeichnet und und solle sie gegenüber der Politik vertreten. Er solle Findbücher erstellt. Marleen Dölling verbringe ihr in einer erneuerten Struktur demokratisch breiter ver- Freiwilliges Soziales Jahr im Institut und helfe z. B. ankert sein. Seine zukünftigen Aufgaben würden in bei der Erstellung des Wörterbuches und der Home- der Repräsentation der Friesen, der Verteilung von page. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter unternah- Fördermitteln und der Beratung liegen. Finanziell men einen Ausflug zum Privatmuseum von Hans und personell müsse er besser ausgestattet werden, Werner Paulsen. „Ferteel iinjsen!“ sei ein Aushän- die Friesen seien die am schlechtesten ausgestattete geschild des Instituts, die Abschlussgala des Minderheit. Das Nordfriisk Instituut sei ein Ansprech- Schreibwettbewerbs fand im November letzten Jah- partner für die Öffentlichkeit. Seine institutionellen res statt. Über Albert Panten wurde dem Institut das Aufgaben seien vertraglich definiert und finanziert. Ranzelberger Gästebuch von 1836 bis 1888 überge- Laut der Europäischen Charta der Regional- oder ben. Dessen Auswertung solle in einem neuen Pro- Minderheitensprachen hapere es noch in den Berei- jekt in die Wege geleitet werden. Im Dezember habe chen Medien und Sprachunterricht für das Friesische. das Institut Besuch von Kindergartenkindern erhal- Abschließend hebt die Vorsitzende als großen Schatz ten, die auf Friesisch sangen und den Weihnachts- des Instituts dessen Arbeitsplan und Arbeitsberichte baum schmückten. Als eine der letzten Arbeiten von hervor. Sie zeigen die Pläne für die Zukunft und seien Thomas Steensen während seiner Tätigkeit im Insti- Nachweis des Erreichten für die Geldgeber. Weitere tut weist Christoph Schmidt auf dessen „Nordfrie- Informationen zum Institut könne man auf dem sisches Weihnachtsbuch“ hin. Dieses gebe einen neuen Internetauftritt finden. Die Vorsitzende schließt schönen Überblick über die nordfriesischen Bräu- ihren Bericht mit Zuversicht in die Zukunft und che. Die Ziel- und Leistungsvereinbarung sei nun Dankbarkeit gegenüber allen, die mitmachen. auch auf Friesisch unterzeichnet worden und sei da- Für 50-jährige Mitgliedschaft erhält Maike Lohse, mit der erste in friesischer Sprache verfasste staatli- Flensburg, eine Urkunde, für 40-jährige Mitglied- che Vertrag. Der Sprachkurs Fering sei neu aufgelegt schaft werden Anne und Johann Andreas Petersen, worden, der neue Sprachkurs Sölring verkaufe sich Quickborn, geehrt. Weitere Jubilare waren nicht an- gut. Die Arbeitsgruppen Sprache und Literatur sowie wesend. Genealogie laufen gut, ebenso wie die Zusammen- arbeit mit der Universität Flensburg. Besuch erhielt 5. Bericht aus der Arbeit des Instituts das Nordfriisk Instituut u. a. von der Fryske Akademy Institutsdirektor Dr. Christoph Schmidt und wissen- oder von Dr. Gaby Schäfer vom Landesrechnungs- schaftlicher Mitarbeiter Dr. Claas Riecken stellen in hof, die das Institut kennenlernen wollten. Seit De- zeitlicher Abfolge einige Tätigkeiten des Nordfriisk zember gebe es eine neue Webseite, die innerhalb Instituut im vergangenen Jahr vor. Der Institutsdi- von drei Monaten auf drei Sprachen in Rekordzeit rektor dankt dem Team und dem Verein für seine Ar- entstanden sei und nun weiter ausgebaut werde. beit. Er dankt Thomas Steensen für seine Arbeit an Der Tagungspräsident dankt auf Friesisch für den der Ausstellung Nordfriisk Futuur; die Ausstellung Bericht.

II Nordfriesland 206 (S. I–IV) • Protokoll der Mitgliederversammlung 2019 6. Dr. Christoph Schmidt, Direktor des NFI: „KABA: Was einen Thüringer Kamm mit den Seit der Mitgliederversammlung 2018 Friesen verbindet“ verstorbene Mitglieder Institutsdirektor Dr. Christoph Schmidt weist darauf hin, dass die IG Baupflege weniger als Arbeits- Traute Diederichsen, Bi a Wik/Feer, Wyk/Föhr, NF gruppe des Nordfriisk Instituut wahrgenommen Anke Evers, Hüsem/Husum, NF werde, sondern als Partner, daher habe man sie im Ludolf Hinrichsen, Risem-Lunham/Risum-Lindholm, NF Arbeitsbericht vergessen. Er entschuldigt sich dafür Käthe Jürgensen, Bräist/Bredstedt, NF und betont, dass ihm an der bestehenden engen Zu- Dr. Doris Müller, Neebel/Oomram, Nebel/Amrum, NF sammenarbeit und Vernetzung sehr gelegen sei. Ursel Nommensen, Bräist/Bredstedt, NF Christoph Schmidt berichtet von einer Ausgrabung Gertrud Parmann, Selk in Thüringen, an der er beteiligt war. Dabei sei ein Dr. Ingrid Reschenberg, Oldenswort, NF Kamm aus der Zeit um 300 n. Chr. gefunden wor- Uwe Sönnichsen, Naibel/Niebüll, NF den, auf dem ein Zoologe die Runen für das Wort Dr. Gunter Spieß, Chó´sebuz/Cottbus „KABA“ eingeritzt erkannte. Weitere Nachfor- schungen ergaben, dass es sich dabei um eine Sen- 40 Stimmen einstimmig angenommen. Die Sat- sation handelte. Das Wort KABA belege eine bis zungsänderung wird dem Protokoll in der beschlos- dahin lediglich rekonstruierte westgermanische senen Form als Anlage beigelegt. grammatische Form. Damit sei der Kamm ein Nachweis für das Westgermanische als tatsächlich 8. Haushaltsbericht des Schatzmeisters und Ab- existentem Vorgänger des Friesischen. Mehrere er- stimmung über die Jahresrechnung 2018 haltene friesische Kämme wurden ebenfalls mit Anhand einer Präsentation erläutert Geschäftsfüh- „Kamm“ beschriftet. Der Runenwissenschaftler rerin Marlene Kunz stellvertretend für Schatzmeis- Klaus Düwel vermutet, dass die Kämme beschriftet ter Ernst-August Petersen den Jahresabschluss 2018 wurden, weil Runen etwas Magisches hatten. Durch und die Haushaltsplanung 2019. Die Jahresabrech- Schrift konnte etwas festgehalten werden, was sonst nung schließt mit einem kleinen Überschuss ab. nicht fixierbar wäre. Wenn ein Gegenstand beschrif- Ein Projekt, das aus Bundesmitteln finanziert wer- tet sei, bekäme er eine zusätzliche, nicht alltägliche den sollte, musste abgesagt werden, da die Finan- Dimension. Der Kamm wurde in einem Opfer- zierung erst spät im Jahr zugesagt wurde. Die Ver- schacht gefunden, er wurde wohl geweiht. Der Fund sammlung genehmigt einstimmig die Jahresrech- der Inschrift beweise, dass das Westgermanische nung 2018. kein Phantom sei, sondern als Vorgänger des Frie- sischen existiert habe. 9. Bericht der Kassenprüfer/in und Entlastung des Vorstands 7. Abstimmung über eine Satzungsänderung in Kassenprüferin Anke Rönnau erstattet Bericht über § 4 (Regelungen zur Gemeinnützigkeit) die Prüfung des Jahresabschlusses für das Haus- Die Schriftführerin des Vorstands Gyde Köster be- haltsjahr 2018. Es ergaben sich keine Beanstandun- richtet, dass in der Vereinssatzung, deren Änderung gen. Es wird beantragt, den Vorstand und die Ge- auf der letzten Mitgliederversammlung beschlossen schäftsführung für das Rechnungsjahr 2018 zu ent- wurde, noch eine weitere Änderung nötig sei. Der lasten. Die Entlastung wird bei Enthaltung des Vor- § 4, der die Regelungen zur Gemeinnützigkeit ent- stands und der Geschäftsführerin erteilt. hält, solle entsprechend einer Mustersatzung des Fi- nanzamtes Flensburg teilweise abgeändert werden. 10. Verabschiedung des Haushaltsplanes 2019 Der Tagungspräsident stellt die mit der Einladung Der Schatzmeister weist darauf hin, dass die Vor- verschickte Satzungsänderung nach einer kurzen stellung des Haushaltsplans nachweisen solle, dass Erläuterung durch die Schriftführerin des Vorstands gut geplant wurde. Die tatsächlichen Werte würden zur Diskussion. Nach der Aussprache stellt der Ta- nur minimal abweichen. Er bedankt sich bei der Ge- gungspräsident die Satzungsänderung unverändert schäftsführerin Marlene Kunz. Die Versammlung zur Abstimmung. Die Satzungsänderung wird mit verabschiedet einstimmig den Haushaltsplan 2019.

Nordfriesland 206 (S. I–IV) • Protokoll der Mitgliederversammlung 2019 III 11. Verschiedenes und unterstrichen dargestellt. Wegfallende Formu- Der Tagungspräsident übersetzt den Titel des TOP lierungen sind durchgestrichen. auf verschiedene Sprachen und bittet um Meldun- Satzung in der Fassung vom 5. Mai 2018, beschlos- gen. Hans Otto Meier stellt die Chronik der Schutz- sene Änderung vom 11. Mai 2019: station Wattenmeer vor, die er geschrieben hat. Sie stelle nicht nur die Geschichte der Schutzstation, § 4. Gemeinnützigkeit sondern des gesamten Naturschutzes in Nordfries- land dar. Er übergibt die Chronik dem Institutsdi- 1. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittel- rektor Dr. Christoph Schmidt. bar einen gemeinnützigen Zweck im Sinne der Die Vorsitzende dankt dem Tagungspräsidenten und jeweils geltenden Abgabenordnung entsprechend dem Beisitzer. Sie dankt der Versammlung für ihr dem Zweck nach § 2 dieser Satzung. Kommen und wünscht eine gute Heimreise. 2. Etwaige Gewinne dürfen nur für die satzungsge- Ende der Versammlung: 16.32 Uhr mäßen Zwecke verwendet werden. 3. Es darf keine Person durch Verwaltungsaufga- Jörgen Jensen Hahn (Tagungspräsident) ben, die den Zwecken des Vereins fremd sind, Nils Dahl (Beisitzer) oder durch überdurchschnittlich hohe Vergütun- Franziska Böhmer (Schriftführerin) gen begünstigt werden. 4. Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall eines bisherigen Zweckes fällt das Neue Mitglieder des Vereins Nordfriesisches Vermögen an eine Körperschaft des öffentlichen Institut seit dem 5. Mai 2018 Rechts oder an eine als steuerbegünstigt beson- ders anerkannte Körperschaft zwecks Verwen- Dr. Hauke Bartels, Chó´sebuz/Cottbus dung im Sinne des § 2 dieser Satzung. Hans-Joachim Beyer, Ståårem/, NF Norbert Franzen, Aachen § 4. Gemeinnützigkeit Nehle Friedebold, Flensburg Johanna Gregersen, Risem-Lunham/Risum-Lindholm, NF 1. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittel- Volker Hänzelmann (Einstiegsmitgliedschaft), bar einen gemeinnützigen Zweck im Sinne der Naischöspel/Neukirchen, NF jeweils geltenden Abgabenordnung entsprechend Hannelore Hedde, Risem-Lunham/Risum-Lindholm, NF dem Zweck nach § 2 dieser Satzung. Lina Hollmer, Naibel/Niebüll, NF Ingrid Lucht, Polweerm/, NF 2. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht Kakuchi Nobuharu, Kiel in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Dr. Lienhard Mack (Einstiegsmitgliedschaft), Overath Etwaige Gewinne Mittel des Vereins dürfen nur Leenke Meckes, e Hoorne/Langenhorn, NF für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet wer- Philipp Micha, Flensburg den. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendun- Keike Pelikan, Barmstedt gen aus Mitteln des Vereins. Elke Rehder-Knop, Berlin 3. Es darf keine Person durch Verwaltungsaufgaben Dr. med. Jochen Rohwer, Lübeck Ausgaben, die den Zwecken des Vereins fremd Dr. Christoph Schmidt, Harrislee sind, oder durch überdurchschnittlich hohe Ver- Jonas Schmidt, Hamburg gütungen begünstigt werden. Sielverband Bordelumer Koog, Boorlem/Bordelum, NF 4. Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder Lena Terhart, Leipzig bei Wegfall eines bisherigen steuerbegünstigter Verein für Bredstedter Stadtgeschichte, Bräist/Bredstedt, NF Zweckes fällt das Vermögen des Vereins an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder an Anlage zu TOP 7 „Satzungsänderung in § 4 (Re- eine als steuerbegünstigt besonders anerkannte gelungen zur Gemeinnützigkeit)“ Körperschaft zwecks Verwendung den Kreis Folgende Änderungen wurden von der Versamm- Nordfriesland, wo es unmittelbar und aus- lung einstimmig mit 40 Stimmen angenommen. schließlich für Vereinszwecke im Sinne des § 2 Neu aufgenommene Passagen sind in Fettschrift dieser Satzung verwendet werden darf.

IV Nordfriesland 206 (S. I–IV) • Protokoll der Mitgliederversammlung 2019 Zwei Melodien

Gesungen wurde und wird Ingwer Petersens Tee- punschlied von 1879 traditionell nach der Me- lodie des deutschen Liedes „Stimmt an mit hel- lem hohen Klang“, dessen Text 1772 von Mat- thias Claudius (1740–1815) verfasst wurde. Be- kannt ist es auch als „Deutsches Weihelied“, denn es geht darum, dass sich die Gemeinschaft (junger Männer) in der Tradition germanischer Barden dem Vaterlande weihen solle. „Jeder echte deutsche Mann soll Freund und Bruder heißen“, lautet der Text, der noch in eine vorna- tionale oder jedenfalls nicht nationalistische Zeit- epoche fällt. In kämpferisch nationales Fahrwas- ser geriet das Lied aber spätestens durch die Auf- nahme in Kommersbücher deutscher Studenten- verbindungen. Die Melodie schrieb Albert Meth- Kurt Tucholsky auf dem Platten-Cover des DDR-Labels fessel (1785–1869) im Jahre 1811, der auch „aurora“. Auf dieser LP singt Ernst Busch 1984 das Ernst Moritz Arndts deutsch-nationales Vater- „Marburger Studentenlied“. landslied von 1812 „Der Gott, der Eisen wach- sen ließ“ und 1828 die Hamburg-Hymne „Stadt Lieder annahm, wurde er zum Vorreiter einer Hamburg, an der Elbe Auen“ vertonte. friesisch-plattdeutschen Welle in der Musikland- Es war in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs schaft Deutschlands. Das Teepunschlied von Ing- 1871–1918 nichts Ungewöhnliches, dass nord- wer Petersen gehörte zu den Liedern, die er auf friesische Gedichte auf Melodien bekannter deut- Langspielplatte aufnahm. Doch Kiesewetter scher (patriotischer) Lieder gesungen wurden. schrieb eine neue Melodie im Dreiviertel-Takt, Derlei Lieder wurden auch von Studentenverbin- die im Gegensatz zu „Stimmt an, mit hellem ho- dungen gerne gesungen, von denen sich einige hen Klang“ nichts Mar- in der Weimarer Republik als besonders revan- tialisches an sich hat. chistisch und republikfeindlich zeigten. „Stimmt Für seine Langspielplatte an mit hellem hohen Klang“ verlor seine politi- „Leeder vun mien Fresen- sche Unschuld spätestens, als Kurt Tucholsky hof“, die nur aus platt- (1890–1935) im Jahre 1920 eine böse Persiflage deutschen und friesi- auf das Lied als „Marburger Studentenlied“ schen Liedern besteht, schrieb. Damals herrschte in manchen Kreisen erhielt Kiesewetter 1976 die Vermutung, dass demokratiefeindliche Ver- eine „Goldene Schall- bindungsstudenten mit Richtern und Staatsan- platte“. Nie zuvor und wälten gut vernetzt seien und von ihnen vor Ge- nie danach ist die nord- Instituut Foto: Sammlung Nordfriisk richt geschont würden, selbst bei politischen friesische Sprache so Knut Kiesewetter Morden. Bei Tucholsky heißt es in einer Strophe: stark in die deutsche Öffentlichkeit getragen worden wie durch Kiesewetter. Der alten Barden Kriegsgericht, Wenn das Lied bei der Friisk Foriining in Risum- dem Kriegsgericht der Treue – Lindholm gesungen wird, bedient man sich wohl wir wissen, du verknackst uns nicht – spätestens seit den 1980er-Jahren der Kiesewet- dir weihn wir uns aufs Neue! ter-Melodie, während man im selben Dorf beim Ostermooringer Friesenverein (Frasche feriin for Als sich der Liedermacher Knut Kiesewetter e Ååstermååre) die alte Melodie beibehielt, bis (1941–2016) in den 1970er-Jahren friesischer heute.

Nordfriesland 206 – Juni 2019 17 Ellin A. Nickelsen: (Ab-)Wettern und (Fest-)Nageln Das Theaterstück „Unert fordäk“

In drei Vorstellungen vom 23. März bis zum 4. April 2019 gab es im Veranstaltungs- saal der dänischen Minderheit „Husumhus“ in Husum das friesische Theaterstück „Unert fordäk“ (Unterm Vordeck) zu sehen. Die Theatergruppe, die dort auftrat, war „Et Nordfriisk Teooter“ unter ihrem künstlerischen Leiter Gary Funck. Regie führten Lucy Dunkerley aus London und Gary Funck gemeinsam, als Koproduktion mit der Londoner Company Bordercrossings. Ellin Nickelsen hat sich die Premiere für NORDFRIESLAND angesehen:

Das war durchaus spektakulär, was Gary Funck Court Theatre, unter der Regie von Richard Wil- da zusammen mit seinen „Mannen“ im Husum- son. hus in Szene gesetzt hatte. Die englische Vorlage Dieses Stück hatte nun Gary Funck ausgewählt, „Under the Whaleback“ hat Richard Bean (*1956) ins Friesische übertragen und zusammen mit der 2002 geschrieben und im selben Jahr den George Regisseurin Lucy Dunkerley mit dem Ensemble Devine-Award für das beste Drama erhal- des Nordfriisk Teooter einstudiert. Es spielt an ten. 2003 erfolgte die Uraufführung am Royal Bord von drei Schiffen der englischen Hochsee- Fotos (alle): Damaris Krebs, Et Nordfriisk Teooter Fotos (alle): Damaris Krebs, Et Nordfriisk Pat (Jan Pörksen) nagelt Darrel (Thore Johannsen) fest – und das nicht nur verbal. Das Stück spielt auf See oder in Hull, in England, Nordfriesland gegenüber. Gary Funck hat das Stück in Zeiten der Brexit-Debatte ganz bewusst ausgesucht. Er hält an Großbritannien fest, und sei es aus rein friesischer Perspektive.

18 Nordfriesland 206 – Juni 2019 fischerei. Ein Stück von Männern, getragen von Selbstinszenierungen, Selbstbildern und Ängsten, die nicht zugegeben werden. Das Drama ist zudem ein Abgesang ei- ner untergehenden männlich ge- prägten Arbeiterkultur. Gut, es gab zum Schluss noch Elly (Miie Kahl) – die Tochter des Pro- tagonisten Darrel, genannt Daz. Aber in erster Linie war dieses Stück stark männerdominiert, strotzend und mit allem, was harte Kerle so Unter der rauen Oberfläche geht es auch um Gefühle: die Sehnsucht auszeichnet. Derbe Sprüche, Abläs- nach Heimat und Familie. Das lässt sich auf aktuelle Familiensitua- tern über die holde Weiblichkeit, tionen übertragen. die in der Ferne auf dem Festland nur zu erahnen war, eine Prise Fremdenfeindlich- körpert. Pat, ein junger zorniger Mann, dem die keit zum Schluss und ein durchaus robuster Um- Tradition entrissen wurde: Die Hochseefischer- gang miteinander unter Deck der jeweiligen Flotte ist abgewickelt, die harten Männer ver- Hochseekutter. schimmeln an Land und dealen mit Zigaretten, Das Seemannsgarn verknäult sich so, dass man beziehen Stütze und schauen bewundernd auf es kaum entwirren kann: Erstaunlich, welche die Statue des Super-Helden Cassidy, der nun im Fülle an möglichen Wahrheiten die Dialoge in Hafen an glorreiche vergangene Tage erinnert. diesem Drama anbieten und wie hier Erinnerun- Mit Fisch und Feuerwerk in der Hand. gen vermischt werden mit zotigen Anspielungen Ja, das war ein Theater-Erlebnis. Gary Funck hat auf „Eskimo-Mädchen“, die nach Meinung der den Originaltext ins Friesische übertragen. Ich Männer nur darum betteln, von den Fischern ge- nehme an, dass dies stellenweise sehr schwierig schwängert zu werden, die aber angeblich so stin- war. Die englische Sprache ist geprägt von Sozio- ken, dass sie erst einmal geduscht werden müs- lekten. „Sprich, und ich sage dir, welcher Klasse sen. Anekdoten von Cassidy, dem Helden der du angehörst“. Das Friesische hat keinen so aus- Hochseefischer, der von Thore Johannsen im ers- geprägten Soziolekt. Zudem prägt es eine ten Akt genial gegeben wird. Sprachlandschaft, in der die Fischerei über Jahr- Das ist schon heftig – aber noch heftiger der hunderte eher Frauen- oder Bauernsache war. Sturm, der im zweiten Akt des Stücks draußen Hier hat diese Form der Seebär-Rauhbein-Kultur tobt. Unten sitzen vier Männer und wettern ab. Im doppelten Wortsinn. Sie simulieren sehr gekonnt das Schwanken des Schiffes und die im- mer wieder seitlich heranrollenden Brecher, die wie Breitseiten das Boot zum Schwanken bringen. Die Regie hat über den Einsatz der Akteure deutliche Akzente gesetzt, indem sie Thore Johannsen den al- ten Cassidy und den alten Darrel spielen lässt. Ähnlich ist es im letz- ten Akt beim jungen Pat in Bezug auf Norman – beide werden von Jan Ein Stück, das keinen traditionellen friesischen Bezug benötigt, um Pörksen verstörend realistisch ver- friesisches Theater zu sein. Im Gegenteil!

Nordfriesland 206 – Juni 2019 19 Das Stück wurde 2003 in London uraufgeführt, aber in Deutschland noch nie, weder auf Deutsch noch auf Eng- lisch, aber jetzt auf Friesisch. Das Ensemble: Thore Johannsen, Gary Funck, Malte Lindenberg, Jan Pörksen, Luca Johannsen, Frerk Jacobsen, Miie Kahl sprachlich wenig Äquivalente. Hochseefischerei xismus und Rassenressentiments – mit ihren klei- gab und gibt es in Nordfriesland nicht. Sicher, es nen und großen Träumen unter elenden Arbeits- gab die hehre Walfängerzeit, aber die liegt doch bedingungen trotzdem ihren Stolz bewahrend. schon deutlich länger zurück. Und die friesischen Das war – auch wenn man beim ersten Zu- Frauen waren nicht die Fischerbräute an Land, schauen zunächst nicht weiß, ob man betroffen – die z. B. in Fischfabriken arbeiteten. Das allge- angewidert, mitleidig – als Frau beleidigt – als genwärtige „fucking“ aus dem Englischen ist da- Mann befremdet – in diese Welt des „Abwet- her auch für das Friesische in seiner Derbheit terns“ und „Festnagelns“ eintaucht – eine gelun- schwierig zu übertragen und in der deutschen gene Transferleistung und Übertragung. Lehn-Übersetzung als „verfickt“ auch nur be- Über die dreiminütige Zusammenfassung des dingt zutreffend, da fuck/ fucking/ fucked heute Fernsehteams vom NDR, in der dieses Theater- im Deutschen eher als Präfix mit „Scheiß“- und stück als „Premiere im friesischen Volkstheater“ „beschissen“ als Universaladjektiv zu übersetzen tituliert wird, sollte man nachdenken: War „Un- wäre, das friesische Äquivalent „skitj, schit“ aber der the Whaleback“/ „Unert fordäk“ so gedacht, wieder zu schwach ist. Wie auch immer – diese dass hier das Groteske überzeichnet werden Diktion war durchaus dominant und sicherlich sollte, also eher eine volkstümliche Komödie mit für die Ohren des Publikums zunächst unge- an sich nicht ernst zu nehmenden Akteuren – wohnt. oder ist das Stück nicht eigentlich doch eine Tra- Interessant ist das Drama aber auf alle Fälle – und gödie? Und ab wann sind Schauspieler „echte“ in der Dichtheit der Charaktere und der sozialen im Vergleich zu „Laienschauspielern“? Ist einer, Umgebung, in der es spielt, überzeugend. Es der zwar Schauspieler gelernt hat, mangels En- wurde eine höchst intensive Präsentation geboten gagement aber kellnert, mehr Profi als einer, der mit den räumlichen und technischen Mitteln ei- als Maurer arbeitet, aber in seiner Freizeit ausge- ner kleinen Bühne und eines kleinen Ensembles. zeichnet schauspielert? Ist die Tatsache, dass et- Die Schauspieler haben sehr authentisch und si- was in einer kleinen Sprache aufgeführt wird, im- cher die jeweiligen (Doppel)Figuren präsentiert – mer schon gleich ein Indiz für Volkstheater, für in all ihrer Beschränktheit, Bigotterie, ihrem Se- volkstümliches Laienschauspiel?

20 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Christoph G. Schmidt: Wie friesisch ist ... Langenhorn? Ein Dorfporträt

Das Arbeitsfeld des Nordfriisk Instituut, die Friesen in Nordfriesland, ist sehr hetero- gen. Der Kreis ist ländlich geprägt, rund zwei Drittel der Menschen leben in Orten mit weniger als 4000 Einwohnern; und die Städte, die es gibt, sind klein. Wer etwas erfahren will, sollte also auf die Dörfer gehen. Genau das möchten wir mit dieser neuen Reihe „Wie friesisch ist...“. Wir fragen Menschen, was ihren speziellen Wohn- ort ausmacht und was vor Ort als friesisch gilt (siehe Kommentar S. 2), um so „die“ Nordfriesen besser zu begreifen. Die drei Institutsmitarbeiter Franziska Böhmer, Claas Riecken und Christoph G. Schmidt sahen sich Langenhorn an – und auch wenn Vergleichsobjekte bislang fehlen, so zeigt sich selbst intern schon so mancher Kon- trast.

Beginnen wir bei einer, die Langenhorn vor allem genhorner Friesisch, ihre Muttersprache. Das sind aus der Ferne kennt: Nontje Heß lebt mit ihrer Fa- vermutlich die Jüngsten, die mit dem Friesisch milie in Bollingstedt, kurz vor Schleswig. Aufge- Langenhorns aufwachsen, viele Kilometer vom wachsen ist sie in bei Husum. Ihre Oma Dorf entfernt. Als Nontje Heß ihren Urlaub auf Käthe Jürgensen war die Witwe von Tams Jörgen- Föhr verbrachte, genoss sie, dass man dort an vielen sen, Gründungslektor des Nordfriisk Instituut. Orten Friesisch hört – aber leider sei es nicht ihr Oma Käthe lebte schon lange in Bredstedt. Aber Friesisch gewesen, sondern Fering, und mit ihr sie stammte aus Langenhorn und nahm die Enke- wurde wie mit jeder normalen Touristin Hoch- lin manchmal mit, wenn es dorthin auf Besuch deutsch gesprochen. Dennoch hatte sie das Gefühl, ging. Langenhorn sei charmant und familiär, sagt sprachlich nach Hause zu kommen. Nontje Heß. Ja, sie spreche Friesisch, aber praktisch nur noch innerhalb der Fa- milie, mit ihren Geschwis- tern und ihrem Onkel in Kopenhagen. Aber im Dorf selbst kenne sie heute niemanden mehr, der Frie- sisch spreche. Es sei ja auch das Dorf ihrer Großmutter, nicht ihr Dorf. Sie kennt sich mit Minderheiten aus, hat in Dänemark studiert, dort unterrichtet, ist dann Lehrerin im dänischen Schulwesen Südschleswigs geworden. Jetzt hat sie El- ternzeit, spricht mit ihren

beiden Kindern (drei Jahre Foto: Claas Riecken und acht Monate alt) Lan- Nontje Heß und ihre Kinder. Langenhorner Friesisch in Bollingstedt

Nordfriesland 206 – Juni 2019 21 Das hat doch nichts mit übliche Konkurrenz benachbarter Dörfer oder Tracht zu tun Stadtteile, die oft als willkommener Anlass für Prügeleien zwischen Schulkindern herhalten Es stimmt, nach allem was wir hören: Friesisch ist musste („Die Bahn war die Grenze“); sondern es in Langenhorn praktisch nicht mehr präsent, spiegeln sich auch tatsächlich ehemals vorhandene Plattdeutsch ist die Alltagssprache. Aber zumin- soziale Unterschiede: Im Westen befand sich das dest die Erinnerung ist noch da und wird von alte Ortszentrum, hier konzentrierten sich Markt manchen gepflegt: An jedem ersten Montag im und Geschäfte rund um die Kirche, und in den Monat treffen sich Frauen des Fräische Feriin fun „Außenbereichen“, die wie z. B. Efkebüll mitten e Hoorne, um miteinander Texte zu lesen, die im in der fruchtbaren Marsch liegen, waren die Bau- Langenhorner Friesisch verfasst sind. „Wer Land- ern wohlhabender als auf der Geest. wirtschaft hatte, sprach früher Friesisch“, wird uns Auf die abschließende Frage „Wie friesisch fühlen gesagt. Eine Teilnehmerin berichtet von ihrem Va- Sie sich eigentlich selber?“, winkt eine der Teilneh- ter: „Er hat zuhause Friesisch gesprochen, in der merinnen gleich ab, „ich habe ja keine Tracht“; Schule Hochdeutsch, auf der Straße Platt“. Eine „Das hat doch nichts mit Tracht zu tun“, antwor- andere erzählt, wie sie als Kind seinerzeit regel- tet eine andere. recht gemobbt worden sei, weil ihre Familie sich Apropos Tracht: Immer wieder wird uns das rege zur dänischen Minderheit bekannte. Vereinsleben als etwas Besonderes genannt. Ob es Langenhorn ist lang, 6,5 Kilometer an der Dorf- wirklich besonders ist oder nicht einfach typisch straße, über 3200 Einwohner, auch das spielt im- für eine Art von gut funktionierendem, ländli- mer wieder eine Rolle. Und die Ortsteile unter- chem Sozialleben, sei dahingestellt. Jedenfalls wird schieden sich zumindest früher: „West- und Ost- auch in Langenhorn der Trachtentanz gepflegt, die Langenhorn waren am stärksten friesisch geprägt, „Hoorninger Doonsere“ haben sogar eine eigene Loheide dagegen weniger“, und auch wenn offi- Kindertanzgruppe. Auch hier stellen wir die Frage ziell die Unterschiede heute keine Rolle mehr spie- „Wie friesisch fühlen Sie sich?“, was zu einer regen len, so sind sie zumindest spielerisch noch präsent: Diskussion führt: Eine Friesischsprecherin be- „Im Westen sind de Besten, im Oosten sind de Doofs- zeichnet sich sofort als sehr friesisch. Die übrigen? ten“ oder „Mönkebüll is booben“ – mit solchen Sprechen Plattdeutsch – darf man das als friesisch Sprüchen zieht man sich auch heute gerne noch werten? Die Wissenschaft sagt eindeutig ja, denn auf. Hier zeigt sich aber nicht nur die vielerorts zumindest im Süden des Kreises wird seit Jahr- hunderten Platt gespro- chen, und überhaupt, hängt die eigene Iden- tität denn an der Spra- che? „Ich fühle mich friesisch, wegen der Sprache, aber auch we- gen der Tracht – Frie- sisch ist ja nicht nur die Sprache“, so die Frie- sischsprecherin in der Gruppe. Daraufhin be- zeichnen sich nun auch die anderen Trachten- tränzerinnen als sehr friesisch – es scheint al- les eine Frage der, oft

Foto: Franziska Böhmer unausgesprochenen, Die Hoorninger Doonsere beim Proben ohne Tracht Definition zu sein. Und

22 Nordfriesland 206 – Juni 2019 ein Fazit wird auch noch gezogen: „Wenn schon Friese, dann aber lieber Nord- als Ostfriese.“ „Eine Fahrt nach Bredstedt, das war ein Ausflug in die große weite Welt“, so Angela Sachau, Mit- arbeiterin am Nordfriisk Instituut; sie lebte bis zu ihrem 16. Lebensjahr in Efkebüll. „Friesisch hat der Opa mit meiner Mutter gesprochen, wenn wir Kinder es nicht verstehen sollten, ansonsten sprach man Platt.“ Als Kind habe sie einfach nur weggewollt, das Dorf erschien ihr spießig; man kam nicht weit herum, zu Ferien bei Verwandten fuhr man, wenn, dann mit dem Fahrrad in die Nachbardörfer. Jetzt aber fühle sie nicht mehr so, rückblickend sei die Zeit schön gewesen. „Ich bin eine wahre Nordfriesin, eine, die Plattdeutsch spricht.“ Zwei Hinweise gibt sie noch: „Langen- horn, das ist Ost- und West-Langenhorn und Lo- heide; Mönkebüll und Efkebüll sind etwas eige- nes“, und besonders friesisch sei die Gegend bei der Kirche – auch das hören wir mehrfach.

Baustile und Bausünden

„Der liebe Gott kann das immer noch am besten. Er lässt zuwachsen, was die Menschen gestalterisch nicht hinbekommen.“ So beschreibt der ehemalige Direktor des Freilichtmuseums Molfsee, Prof. Dr. Carl Ingwer Johannsen, manches Gebäude im Dorf. Wir fahren mit ihm durch die Straßen, und auf unnachahmliche Art und Weise schildert er uns seine Eindrücke. „Die größten Bausünden gibt es im ländlichen Raum.“ Mancher Bau reiße ein- fach nur protzig „das Maul auf“. Die Maßstäbe des gelernten Zimmermanns und Architekten schei- nen klar: Regionale Materialien, roter Backstein, womöglich Reetdächer, aber bitte korrekt gedeckt mit Rasensoden als Firstbedeckung. „Grüne Fens- terrahmen gehen gar nicht.“ Auffällig oft sehen wir rotgestrichene Holzhäuser mit weißen Fensterrah- men, Schwedenhäuser. „Die werden von der Firma Richardsen gebaut, im Einheitsstil.“ Schlecht seien die ja nicht, aber sie fügen sich meist nicht ein; kaum jemand denke über die Ästhetik des Stra- ßenbildes nach. Und die Stadthäuser mit Flach- dach und dunklem Klinker würden hier einfach nicht hingehören. Allerdings habe es das auch frü- Fotos (4): Christoph G. Schmidt her schon gegeben: Mehrere Häuser mit historis- Aus Carl Ingwer Johannsens Sicht, von oben: Ideal, His- tischem Schnitzwerk aus der Zeit um 1910 stehen torismus, Jugendstil, Alt und Neu

Nordfriesland 206 – Juni 2019 23 zerte anlässlich des Biikebrennens etabliert. Ste- phan lebt schon seit langem in Langenhorn; aber erst seit seinem Ruhestand hat er Zeit und Muße, sich zu engagieren und leitet nun den „Langen- horner Orgelsommer“. „Als ich mitbekam, dass der Orgelbauverein sich auflösen würde, hatte ich sofort Lust, die traditionellen Konzerte wei- terzuführen. Aber das kann man ja nicht ma- chen, als beinah Unbekannter in der Versamm- lung aufzustehen und für den Vorsitz zu kandi- dieren. Also habe ich Christian Sönksen, der aus

Fotos (3): Claas Riecken Altersgründen aufhören wollte, privat getroffen, Christoph G. Schmidt, Carl Ingwer Johannsen, Fran- und wir haben einen guten Weg gefunden.“ ziska Böhmer vor der Kirche von Langenhorn Christian Sönksen war es auch, der ihn zum Stammtisch im Dorfkrug Ingwersen mitnahm. im Dorf, „wie aus einem Berliner Katalog.“ Man Dort fühlt sich Stephan wie zu Hause. „Das ist könne sich noch die Postkarten vorstellen, mit de- mein ,Langenhorner Tageblatt’, dort erfährt man nen die Baufirma geworben habe. „Wenn die alles, was man wissen muss. Und ich gehe dort- Leute zu viel Geld haben, machen sie Dummhei- hin wie zur VHS, Platt lernen. Nur der Tee- ten. Wer wenig hat, denkt länger nach. Das war punsch – so richtig komm ich da nicht ran.“ Er auch früher schon so.“ Eine Überraschung erleben fühle sich bestens integriert, aber die Friesen wir aber doch: Angesichts eines Jugendstilhauses, seien erst einmal abwartend und beobachtend – wie man es vielleicht in reichen Stadtbezirken er- mit dieser norddeutschen Kühle komme nicht warten würde, meint Johannsen: „Das zeigt Selbst- jeder klar. Der Vorstand des neuen „Verein zur bewusstsein. Es ist so kitschig, das löst Freude aus. Förderung der Kirchenmusik St. Laurentius Lan- Mit dem Bauherrn hätte ich mich gerne einmal genhorn“ bestehe übrigens ebenfalls überwie- unterhalten.“ Dass sein Herz für regionale, tradi- gend aus Zugereisten. Und auch wenn zu den tionelle Formen und Materialien schlägt, zudem Konzerten eher ein auswärtiges Publikum für eine durchdachte Gestaltung des Ortsbildes, komme, so sei der Orgelsommer doch ein über- ist deutlich. Aber was ist mit dem Friesischen? regional bekanntes Markenzeichen, auf das, wie „Das Friesische muss sich seinen Weg suchen.“ uns auch manch anderer sagt, Langenhorn stolz Mehrfach hat es im Ort gebrannt; ein Großfeuer sein könne. zerstörte 1959 weite Teile des alten Ortskernes Annke und Karl-Ingwer Malcha betreiben das rund um die Kirche in West-Langenhorn; die Be- Dorfarchiv, sozusagen das Gedächtnis des Ortes. bauungstruktur aber wurde beibehalten, und das Was ist für sie friesisch? „Schwer zu sagen; Frie- tut gut. Der ehemalige Marktplatz ist weitläufig, eine Büste des Pädagogen Friedrich Paulsen – wohl der berühmteste Sohn des Ortes – schmückt den ruhigen Ort. Das Leben spielt heute an- derswo, in Mönkebüll, an der B5, am Kreisel und den Supermärkten.

Von außen hineingekommen

Wie fühlt man sich denn als Thüringer in einem nordfriesischen Dorf? Das fragen wir Martin Ste- phan. Er war lange Kantor und Organist in Wes- terland und hat dort unter anderem Orgelkon- Annke und Karl-Ingwer Malcha

24 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Zu Besuch bei Marie Tångeberg in Efkebüll. Das beeindruckende Heim einer Künstlerin sisch wird immer mehr kommerzialisiert.“ Und städt (1918–1989), die Friesisch und Hand - weiter? „Zugereiste müssen sich hochdienen, um arbeiten unterrichtet hat und Gründerin der dazuzugehören“, so die langjährige Volksschulleh- Trachtengruppe war, und Magnus C. Feddersen rerin, die 1965 nach Langenhorn kam. Ihr Mann (1921–2014), der ehemalige Bürgermeister und erwidert, dass sich Zugereiste aber auch eingesetzt Vorsitzende des Friesenvereins. Beide leben nicht hätten; über den Sportverein würden Jüngere gut mehr, beide haben sich über Jahrzehnte für das Kontakte knüpfen können, Ältere zum Beispiel in Friesische eingesetzt – wie sie es verstanden. Und den Parteien. Und auch als Nachbarn werde man das wird durchaus kritisch gesehen. Marie Tån- eingeladen. Ja, es habe sich etwas gelockert, gesteht geberg war es, die als Schulleiterin 1961 die dä- sie schließlich zu, die Gesellschaft sei im Lauf der nische Schule in Risum-Lindholm zur Risem Jahrzehnte offener geworden. Und er ergänzt: Schölj, zur friesischsprachigen Schule machte: Eine Wissenschaftlerin, die zu Seneca Inggersen Für etwa zwanzig Jahre wurden die ersten beiden forschte, habe bemerkt, dass die Nordfriesen Schuljahre nur auf Friesisch unterrichtet, erst ab freundlicher und zugewandter seien als die Men- der dritten Klasse kamen allmählich Deutsch schen in Angeln; sie redeten mehr und gäben und Dänisch hinzu. Marie Tångeberg lebt in Ef- gerne Vertrauensvorschuss. „Du bist friesischer als kebüll, in einem alten Haus auf der dicht bebau- ich“, sagt sie zu ihm; „Aber Du bist es doch gene- ten Ostwarft des Dorfes. Nur nominell gehöre es tisch auch“, meint er. „Ich bin keine Friesin, ge- zu Langenhorn. „Wir sind Efkebüller“ – hier höre aber zu den Nordfriesen, den Leuten aus der kenne man sich, und man lade sich gegenseitig Gegend. Die Langenhorner haben immer auf uns ein, gleich, ob zugezogen oder seit Generationen herunter geguckt; als Mädchen spürte ich die Ab- ansässig. Früher streng getrennt nach den Orts- wertung, dass wir von der Geest waren.“ hälften Ost- und West-Efkebüll. Auch die heute Zwei Namen werden immer wieder genannt, 94jährige ist zugezogen; erst kurz vor Eintritt in wenn es um das Friesische geht: Christine Alt- den Ruhestand erwarb sie das Haus, das ein-

Nordfriesland 206 – Juni 2019 25 drucksvoll die Spuren der Zeit bewahrt, von der Lohdiele bis zu den Alkoven, und in dem sie un- ermüdlich malt, zeichnet und friesische Texte schreibt. Sie stammt aus dem friesischsprachigen Kerngebiet rund um Risum-Lindholm; entspre- chend anders ist ihre Sicht auf das Friesische in Langenhorn, in der sich auch die erfahrene Pä- dagogin zeigt: „Man muss Friesisch als Gesamt- heit unterrichten – man muss etwas erfahren über den Ort, wo man ist, über die Geschichte, über die historischen Spuren in der Landschaft.“ Nur gelegentlich Friesisch sprechen, bei Kaffee und Kuchen, das habe kein Fundament. Und ge- rade in Langenhorn sei vieles falsch gelaufen. Sie Fotos (3): Claas Riecken habe immer als „die Dänin“ gegolten; Magnus Luise Matthiesen, Jahrgang 1927 Feddersen aber habe jede Zusammenarbeit mit den Dänen konsequent bekämpft und damit ringer Frasch spricht und nicht Langenhorner, letztlich der friesischen Sprache geschadet. stört sie nicht. Noch einmal kommt das Ge- Ingwer Oldsen, Pensionär in Husum, ehemals spräch auf Magnus Feddersen: „Hi schal ja en Realschullehrer und bis vor einem Jahr Leiter des mase uk for e fräische spräke dänj hääwe“ (Er soll Zentrums für Niederdeutsch in Leck, beschreibt ja eine Menge für die friesische Sprache getan ha- das ein wenig anders. Er ist in Langenhorn auf- ben). „Miinst dat?“ (Meinst Du?), entgegnet sie gewachsen, und schon in seiner Jugend sei Frie- trocken – und in dieser typisch friesischen Ant- sisch nur noch eine Sache der alten Leute gewe- wort liegt ein ganzes Universum möglicher Deu- sen, etwas Privates, Familiäres. Als Umgangsspra- tungen. che habe schon damals Plattdeutsch gedient; so- Mit ihren Eltern habe sie nur Friesisch gespro- gar die Kinder der Flüchtlingsfamilien, die nach chen, mit ihrem Mann dann Plattdeutsch. Heute dem Krieg in Langenhorn ansässig geworden wa- spreche sie Friesisch nur mit ihrem Sohn Sönke ren, sprachen sehr schnell Langenhorner Platt. und mit der Enkeltochter, die bei Geesthacht Typisch Friesisch jenseits der Sprache sei eine Of- lebt. Bezeichnenderweise spricht ihr Enkel, der fenheit, vor allem für Sprachen, das Verwenden jetzt den Bauernhof führt und nebenan wohnt, leiser Töne und von verstecktem Humor, und au- kein Friesisch. Das Langenhorner Friesisch ßerdem eine tiefe Skepsis gegenüber aller Obrig- scheint den Zentrifugalkräften ausgeliefert zu keit. sein. Es fliegt nach Kopenhagen, Bollingstedt und nach Geesthacht. Zurück zum Gespräch mit der alten Dame: Und Es hängt nicht an der Sprache was sei für sie typisch friesisch? Die Antwort von Luise Matthiesen kommt sofort: Dieses Haus, „Nicht durch den Haupteingang, da wohnen ihr Zuhause. Und ob sie sich friesisch fühle? Ja, jetzt die jungen Leute. Nimm den Nebenein- natürlich, total. Mit tief von innen kommender gang“, sagt sie am Telefon auf Friesisch. In dieser Selbstverständlichkeit. Draußen auf dem Hof Sprache ist man sofort per Du, auch wenn man versperrt ein Trecker mit Güllewagen die Aus- sich noch gar nicht kennt. Luise Matthiesen ist fahrt; der Sohn der alten Dame antwortet auf 91 Jahre alt, war Bäuerin auf dem Hof, auf dem Friesisch, aber Mooringer Frasch könne er nicht sie jetzt noch lebt, und wurde uns als eine der verstehen – was er gerade selbst widerlegt. Ja, er letzten Friesischsprecherinnen Langenhorns und seine Mutter seien die letzten im Dorf, die empfohlen. Sie lebt in einem kleinen Seitenteil noch Friesisch sprächen. Doch, ein paar andere des Hauses, mit eigenem Eingang, in guter Tra- gebe es wohl auch noch. Man fragt sich unwill- dition des Altenteils. Dass unser Kollege Moo- kürlich, ob es nicht doch noch eine ganze Menge

26 Nordfriesland 206 – Juni 2019 „letzter Sprecher“ gibt, die einfach nur nie zu- immer nach West-Langenhorn“ – dort liegt der sammenkommen in dem „langen“ Dorf. Friedhof. Es gebe eine große Verbundenheit mit Olde Oldsen, Bürgermeister, Landwirt und Vor- dem Ort, und viele Einheimische zögen nach sitzender des Fräische Feriin fun e Hoorne, hat bis- Ausbildung und Studium zurück, und das oft lang jeden Landtausch abgewehrt – obwohl es mit einem Partner von außerhalb. Es sei natür- praktisch wäre und manchen Weg ersparen lich von Vorteil, dass der Ort wirtschaftlich bes- würde. Aber es ist ihm wichtig, genau die Flur- tens dastehe, dank vieler Handwerksbetriebe, die stücke zu bearbeiten, die seit Jahrhunderten der vor allem auf Sylt aktiv seien, und dem Bahnan- Familie gehören. „Es ist eine Ehre, etwas zu er- schluss. Und Langenhorn stehe nicht in der Ge- ben. Und wenn ich dort Splitter von Fliesen fahr, Schlafort zu werden, größere Städte seien finde, ist das eine Verbindung zu meinen Vorfah- zum Glück weit genug entfernt – „wir wachsen ren.“ Und nicht nur er selbst, sondern die Men- aus eigener Kraft“. Zwei Karten von Langenhorn schen in Langenhorn seien generell sehr an ihrer liegen auf dem Tisch, eine ältere mit dem Zusatz Geschichte interessiert. Ein Ortsspaziergang zum „in der Nordergoesharde“, die jüngere schreibt Thema „historisch und neu“ habe so starken Zu- schlicht „an der Nordsee“. Hier hat sich etwas spruch gefunden, dass man spontan in mehreren verschoben, in der Außendarstellung wie in der Gruppen habe gehen müssen. Die einzelnen Selbstwahrnehmung. „Kulturell haben wir gelit- Ortsteile ständen in einer gewissen, aber frucht- ten. Auch hier kommt inzwischen der Maibaum baren Konkurrenz; doch „am Ende muss man an, gibt es ein Oktober- statt einem Friesenfest. Wenn man friesische Kultur, das Wissen um un- sere regionale Geschichte in der Schule stärker thematisieren würde, wäre das anders, normaler.“ Und das Ortsbild? „Ethernit und Glasbausteine sind schon eine Schrecklichkeit. Und der Druck auf die letzten alten Häuser ist schon sehr groß, nach einem Abriss wird die Bebauung in der Re- gel stark verdichtet.“ Manchmal fehlten einfach der handwerkliche Sachverstand, vor allem aber die innere Einsicht. Aber Dorferneuerungspro- gramme hätten schon etwas ausgelöst; so ver- wende man heute z. B. wieder mehr Holzfenster. Generell wolle man aber Bauherren nur wenige Vorgaben machen – auch früher habe man man- ches als zu modern und unpassend abgelehnt, was man heute schätze. Und es seien in der Regel die Einheimischen, die Kinder der Alteingeses- senen, die hier bauten; denen wolle man keine Steine in den Weg legen. Nebenbei erwähnt er, dass im aktuellen Neubaugebiet eine Straße „Christine-Altstädt-Ring“ heißen werde. Oldsens Nichte Leenke studiert Friesisch. Er freut sich sehr darüber, auch wenn er die Sprache selber nicht spricht. Soweit möglich, verwende er in Sitzungen und bei öffentlichen Reden Platt- deutsch. „Ich bin weder deutsch noch dänisch, sondern Friese“, so beschreibt er sich selbst. Und wie friesisch ist Langenhorn denn heute noch? Sönke Nissen Matthiesen beim Güllefahren. Mit seiner „Zu 100 Prozent! Das steckt einfach drin; man- Mutter spricht er täglich Friesisch. che wissen es nur nicht“.

Nordfriesland 206 – Juni 2019 27 Impressionen vom 20. Friesentreffen auf Helgoland 24. bis 26. Mai 2019 Fotos: Christoph G. Schmidt, Frank Nickelsen

28 Nordfriesland 206 – Juni 2019 deet wörklik ai siir!“ – „Wees ai slüünj, flicht sügoor min biinj trung!“ – „Nü kam duch äntlik!“ breege. Deer muurst ik hälisch aw- Ouers ik köm ai. Eentlik wus ik pååse! gåns gau än sääker ap önj e ååpel- Wat for toochte deer uk åltens önj Ferteel buum stäägen, as Momme, man min hood trinam spökelden – ik beeste waane, di forsliik mååged: sätj deer boowen önj üüsen ååpel- iinjsen! „Kam, lätj üs foon dideere twich buum – än sprüng ai. dilspränge. Dåt naame we as en Et slamst wus, dåt man taatje åles mödjpräiw. Huum dåt ai schååfet, mafüng. Hi wälj jüst en kast üt e Lätj iinjfåch lüüs! as en trungschäip.“ Än di iine eefter bousem hååle. Deer wörd’r wis, dåt Foon Thomas Steensen di oudere klåmerd huuch än sprüng min waane deer bai e buum stöön dil – niinj probleem for en ruchten än dåt deer wat önj e gung wus. „Lätj iinjfåch lüüs, Gonne!“ – „Et dräng. Nü wus ik bai e ra. Ik wiitj Dan såch’r me „boowen“ önj e as ai slam!“ – „Dåt deet wörklik ai ai nau, wat ouer me köm. Wus ik buum. Hi kiiked me apmunternd siir!“ – „Wees ai trung!“ – „Nü kam duch matiinjs sprüngen! Häi ik önj, wised en latjen booge eefter duch äntlik!“ Et wjarn min deelen ma sin hönj – as tii- waane, wat sü teelden. Ik ken: Lätj iinjfåch lüüs! Än wiitj, ja miinjden et gödj. Et dan mååged hi dåtdeer tii- wus duch eentlik uk gåns ken nuch iinjsen. Jarst såch iinjfåch: Ma da hönje boo- sin oonlas fernäid än wanlik wen lüüslätje, e kroop eefter üt. Hi smeeld me tu. Dan foorn schüwe, ma e fätj en gängen sani e njååsche eefter lait hoope, åles ouder wörd deelen. Än dan wörd hi ün- foon seelew schaie. Än dan düli, kiiked me mashoowed köö ik ma min waane wi- önj. Köö et weese, dåt san dere „cowboy än indiaa- ålst saan goor nån ruchten nere“ spaale, flicht en is ääse dräng wus?! Hu sekunde unti en lait mat fiilj kääre. lääser draid hi ham gau am Dan wus ik ai jüst en „hält“, än lüp tubääg önjt hüs. ouers duch en „ruchten Än ik sätj deer aw e twich dräng“, sü as man taatje ål- foon üüsen ååpelbuum, fer- tens sää. Än ik wälj duch sü seecht man mödj tuhuupe- hål en ruchten dräng weese. tunaamen, schååfed et ai än Ouers sü iinjfåch wus et nuch iinjsen ai. Dan klå- duch ai. Ik sätj boowen önj merd ik bedrüwed foon e e ååpelbuum, wat gåns foore buum dil, kiiked min waane önj üüsen tün stöö. „Boo- truuri önj, sää adjiis tu jam, wen“ as, jarlik säid, en lait lüp önjt hüs än ferkruup me ouerdraawen. Di twich, önj man dörnsch.

weer min fätj aw stöön, wus Foto: Christoph G. Schmidt Eentlik wus ik duch en gåns flicht en meeter füfti wäch Kinderfüße hoch im Baum. Thomas Steensen, bis normaalen dräng. Ik häi foon e grün. Deerfoon dil tu Sommer 2018 Direktor des Nordfriisk Instituut, möre waane, we spaalden sprängen, dåt schölj nü wör- durfte als Ruheständler erstmals beim Literatur- „cowboy“, bägeden ma lego- klik niinj probleem weese wettbewerb „Ferteel iinjsen!“ teilnehmen. Es stiine, kjarden önj e samer for en dräng foon tiin iir. ging um das Thema „Dåt jarst tooch“ (Das erste tut bååsen eefter Doogebel, Min waane häin et je duch Mal). Der dritte Preis ging an ihn. Er erzählt ein måågeden wide tuure mat formååged: Gau aw e buum Kindheitserlebnis seines Protagonisten, das die- fiilj. Bai „Frisia“ spaald ik klåmere, fätj än kroop en sen lebenslang begleitet: eine Mutprobe beim fötjbål, ik wus e numer tiin, lait eefter foorn schüwe, Cowboy- und Indianerspielen. „huulewleefts“ sään we iinjfåch lüüslätje – än en uu- deertu. Önj e wunter gäng gensteblak lääser wus huum ål lön- duch iinjfåch gliks lüüsleet! Ouers ik schureluupen, än önj e samer jied. ik töögerd, flicht mån en sekund tu wus ik oofting ma min rüüdj fiilj Nü stöön min waane önj en latjen lung. Dan kömen toochte önj min unerwäis. huulewkris bai e ååpelbuum än hood: Wan ik en lait ferdraid ap- Ouers sunt dåt belaawen önj üüsen teelden: „Lätj iinjfåch lüüs, köm, dan köö ik me e fötj ååpelbuum häi ik oofting twiwle, Gonne!“ – „Et as ai slam!“ – „Dåt amwränge, min knäibling blödji weer ik wörklik en „ruchten dräng“

Nordfriesland 206 – Juni 2019 29 wus. Me köm önjt hood, dåt ik önj nem plötzlichen Tod 1971 der e hiile tid, weer ik fötjbål spaald, Friese Berthold Bahnsen. Über mån iinj iinjsist toor schin häi. Bait Bücher Bahnsen gibt es eine politische Bio- schureluupen köö ik me knååp aw grafie auf Deutsch, doch die ist e biine hüülje än wus ai önj e lååge Medien nicht genug, um einem Mehrheits- än spaal ishoki. Bai en fiiljråånen publikum in Schleswig-Holstein köm ik aw di leeste plåts. Wat Internet oder in ganz Deutschland die Ge- „ruchte dränge“ koone, deer häi ik schichte der dänisch-friesischen et swåår ma. Minderheitenpartei zu verdeutli- Dåt belaawen önj üüsen ååpel- Karl Otto Meyer - chen. Eine voluminöse Parteige- buum heet me ai lüüsleet. Momme schichte des SSW von 1998 liegt än min oudere waane hääwe uler eine Biografie vor und selbst ein Buch über die mör deeram snååked. Weer’s et ai sü Mit „Karl Otto“, wie ihn viele Geschichte der SSW-Kommunal- wichti nümen unti me ai blootstale nannten, starb 2016 eine Legende politik ist erschienen. Kaum eine wänj, wiitj ik ai. Uk man taatje heet der dänischen Minderheit und des andere Partei in Schleswig-Holstein ai iinj uurd deerouer ferlääsen. Ou- SSW. Nun ist seine Biografie da: ist so gut erforscht, aber eben fast ers ik wörd åltens truuri, wan ik nur auf Dänisch, und hierdurch be- deeram toocht, dåt ik deer sü „fer- gibt sich der SSW, und begeben säid“ häi, dåt ik for min waane en sich die dänische und die national- trungschäip wään än man taatje friesische Minderheit in eine selbst- mashoowed häi. Wilems kömen gewählte wissenschaftliche Isola- me e tuure, wan ik deeram toocht. tion. Denn junge Wissenschaftler, Än wan ik büte spaald, kiiked ik die beispielsweise die schleswig-hol- oofting hiimlik huuch tu e twich, steinische Parteienlandschaft erfor- weer ik e mödjpräiw ai bestiinjen schen wollen, werden Dänisch häi. wohl nur in Ausnahmefällen be- Ik wiitj ai mör, hü foole tid fergäng, herrschen. bit ik et ai mör üthüülje köö. Et Aus friesischer Sicht enttäuschen wus en wurmen samerdäi, deeraw muss Nissens Buch, weil – wie so koon ik me nuch besane, min oft – die Nordfriesen in diesem waane wjarn ma jare fiile unerwäis. Werk des deutsch-dänischen Min ålerne än min süschene be- Grenzlands weitgehend vergessen seechten åålen än åten önj Flans- Mogens Rostgaard Nissen: Karl Otto wurden. Berthold Bahnsen und borj. Me gäng et ai sü gödj, häi ik Meyer. Politiker, publicist, polemiker. Carsten Boysen tauchen kurz auf, ja säid, ik wörd liiwer ine bliwe. Sü 359 S., 298,00 DKK, Syddansk doch viel mehr erfährt man nicht. wus ik åliine tuhüs. Sani lüp ik üt Universitetsforlag, Odense 2018. Meyer selbst hatte einen Friesisch- eefter büten önj e tün, kiiked önj Dem Leiter der Forschungsabtei- kurs absolviert; man musste ihn an åle jarne, dåt uk wörklik niimen lung der dänischen Zentralbiblio- die Friesen nicht erinnern, sie ihm deer wus, gäng dan gau aw e ååpel- thek in Flensburg, Dr. Mogens nicht erklären oder übersetzen, buum tu, klåmerd huuch, seet me Rostgaard Nissen, ist ein großer wenn Friesisch gesprochen wurde. aw e twich än schuuf man kroop Wurf gelungen. Gut recherchiert Leider hat das Buch kein Personen- eefter foorn. „Lätj iinjfåch lüüs, hat er, flüssig geschrieben ist das register. Ein Personenverzeichnis im Gonne!“, sää ik tu me – än en uu- Buch, und die wichtigsten Fragen Anhang erklärt zwar, wer die wich- gensteblak lääser wus ik ål lönjied. um Meyer werden hier gestellt. tigsten Personen waren, doch ein Ik kiiked me am, rånd tubääg önjt Und doch drängt sich die Frage auf, vollständiges Register ersetzt es hüs, läid me aw min beed än oo- warum die Biografie eines bedeu- nicht. med diip in än üt. Ik smeeld. tenden Politikers eines deutschen Die Frage ist, wie lange der SSW Et wus et jarst tooch, dåt ik foon Parlaments nur auf Dänisch er- noch parteigeschichtlich hinter dideere twich dil sprüng. Et as et scheint, im deutschen Buchhandel dem dänischen Vorhang versteckt iinjsist tooch blaawen. Ik hääw uler nur mit Mühe zu bestellen ist, und bleiben soll oder wann eine neue deerouer snååked, diling as et jarst warum ein Verlag in Odense ge- Parteigeschichte auf Deutsch er- tooch, dåt ik et ferteel. Ouers arks wählt wurde. Meyer war von 1971 scheint, in der die Forschungser- tooch, wan ik am dåtdeer belaawen bis 1996 als Ein-Mann-Fraktion gebnisse über Meyer, Bahnsen und tånk, dan oom ik diip in än üt. Ik der einzige SSW-Abgeordnete im auch über NS-Mitgliedschaften smeel deerbai än seed tu me: „Lätj Schleswig-Holsteinischen Landtag, früherer SSW-Abgeordneter einge- iinjfåch lüüs, Gonne!“ wie vor ihm von 1962 bis zu sei- arbeitet werden. Claas Riecken

30 Nordfriesland 206 – Juni 2019 Deichdeern liebt Dunsumer sammelt sehen sind viele Szenen aus dem das Landleben NDR-Clips von Föhr dörflichen Leben, doch der gespro- chene Kommentar ist vor allem auf Die Bloggerin Julia Nissen ist erst Der Youtube-Kanal „dunsumer“ die Aufzählung der Personen ausge- vor wenigen Jahren nach Nordfries- bietet rund 100 Video-Clips, die richtet, die im Bild zu sehen sind. land gezogen und lebt mit Mann mit Föhr zu tun haben. Es handelt Das sind mehrere hundert Perso- und Kind in Bargum. Doch das sich um Ausschnitte von NDR- nen, viele sind mehrfach gefilmt, Landleben kannte sie schon aus Fernsehsendungen, oft des Schles- und nach etwa 20 Minuten wird dem Kreis Steinburg, von ihren wig-Holstein-Magazins, und zu- dem Nicht-Risum-Lindholmer Zu- Großeltern, die noch einen Milch- meist aus den vergangenen neun schauer bei einer solchen Flut an viehbetrieb hatten, und vom Land- Jahren. Im April 2019 ist ein wei- Personennamen etwas „düsig“ im handel ihrer Eltern. Sie hat Agrar- wissenschaft studiert und ist haupt- beruflich PR-Fachfrau. Die journa- listische und grafische Professiona- lität ihres Blogs fällt sofort ins Auge, obwohl sie ihn als Hobby be- treibt. Es geht charmant, witzig und kompetent um die Themen „Kinder, Küche, Kuhstall“. Julia Nissen bloggt unter dem Namen terer Clip hinzugekommen, der „Deichdeern“ und hat insgesamt schon fast historischen Charakter zigtausende Fans auf ihrem Blog besitzt: Jakob Tholund im zweimi- www.deichdeern.com, auf Face- nütigen Fernseh-Interview vom 10. book und auf Instagram, darunter August 1981 auf einem Deich steh - zum Großteil junge Frauen. Mit ih- end unter anderem zur Frage, ob ren Tipps zum Selberbasteln inspi- eine „künstliche Wiederbelebung riert sie viele Menschen und gilt als von Mundarten“, gemeint ist das Kopfe, vielleicht sogar manchem „Influencerin“. Friesische insgesamt, nicht abzuleh- Einheimischen. Ein Personenver- nen sei. Red. zeichnis ergänzt die DVD, es sind allein 15 Petersens, die im Film zu sehen sind und 23 Hansens und Risum-Lindholm Hanßens. Wer sich von den Perso- nennamen freimacht, wird ein in alten Filmen Stück Kultur-, Sozial- und Technik- Derzeit bietet Julia Nissen aus ak- geschichte finden, das man gut in tuellem Anlass ein „Bullshit-Bingo“ Historische Filmschätze eines Dor- Vorträge und Forschungsarbeiten der blödesten Sprüche, die Schwan- fes gibt es oft, aber nicht immer integrieren kann. cr gere ertragen müssen, und manches werden sie mit so viel Liebe zu- mehr, über dass man oder frau gänglich gemacht wie in schmunzeln wird. Plattdeutsch ist Risum und Lindholm. Historische Hinweis ihr schon von klein auf ans Herz Filmaufnahmen von Hans-Friedrich gewachsen, und bei der Suche nach Hansen. 1970–1974. DVD, 64 Mi- einem Namen für ihr zweites Kind nuten, 10,00 Euro, Gemeinde Ri- berichtet sie über ihren Faible für sum-Lindholm 2018. friesische Namen, die man außer- Die Idee und die Recherchearbeit halb Nordfrieslands aber oft erklä- lag in den Händen von Peter Lewe ren müsse, wie sie zu bedenken Rasmussen, als Sprecher wurde gibt. Der Frasche Rädj – Friesenrat, Frerk Matthiesen gewonnen und Sektion Nord hatte sie schon 2018 für Schnitt und Tonmischung Jan zum Biikeempfang eingeladen und Ö. Meier. Sie erstellten einen ver- dort für eine Podiumsdiskussion tonten Streifen aus dem stummen auf die Bühne gebracht. Influencer Farbfilm-Material von Hans-Fried- im Netz wie sie braucht auch die rich Hansen, der von 1970 bis Günter Pump, Nordstrand, Impres- friesische Sprache und Kultur 1974 in Risum, Lindholm, Maas- sionen von der grünen Marschinsel. Nordfrieslands hoch nötig. cr büll und im Herrenkoog filmte. Zu 48 Seiten, € 4,95, Husum Verlag

Nordfriesland 206 – Juni 2019 31 Einführung zu Tönnies fektiv analysieren lassen. Manche Aussagen Tönnies’ wirken auf un- Ferdinand Tönnies (1855–1936) heimliche Weise prophetisch, etwa, dürfte unter Nordfriesen kein Unbe- wenn er darlegt, wie eine immer abs- Herausgegeben vom kannter sein. Der gebürtige - trakter wirkende Wirtschaft zuneh- Nordfriisk Instituut stedter gilt als Mitbegründer der So- mend individualistisches Verhalten ziologie: Erkenntnisse aus Ge- erzwingen wird, damit aber auch Redaktion: schichte, Wirtschafts- und Rechts- starke Gegenbewegungen provoziert, Peter Nissen, Fiete Pingel, Claas Riecken, Christoph G. Schmidt wissenschaften, Philosophie und Psy- die von der Sehnsucht nach Gebor- Schlusskorrektur: Franziska Böhmer, chologie werden zusammengeführt, genheit in einer homogenen Gruppe Marleen Dölling um das Zusammenleben von Men- geprägt sind. schen umfassend zu untersuchen. Ei- Die durchweg klare Darstellung Verlag: Nordfriisk Instituut, nen ersten Einblick erhält man Bammés führt anhand ausgewählter Süderstr. 30, durch: Begriffe durch die wesentlichen Leit- D-25821 Bräist/Bredstedt, NF, linien des Werks. Eine überschaubare Tel. 04671/6012-0, Anzahl ungewohnter Vokabeln sollte Fax 04671/6012-30, man sich aneignen, dann lässt sich E-Mail: dem Text gut folgen. Bammé stellt [email protected] überwiegend eine Binnensicht dar, Internet: was einerseits das Verständnis er- www.nordfriiskinstituut.eu leichtert. Andererseits wird die Re- Druck: Husum Druck- zeption nur am Rande erwähnt, und und Verlagsgesellschaft, Aussagen wie die menschliche Psy- D-25813 Hüsem/Husum, NF che sei seit Urzeiten von kleinen, ge- schlossenen Gemeinschaften geprägt Preis je Nummer 4,00 Euro und daher in moderner Handels- Jahresabonnement wirtschaft zwangsläufig überfordert, (4 Nummern) 16,00 Euro stehen unkommentiert im Raum – Für Mitglieder des Vereins Nordfrie- Arno Bammé: Ferdinand Tönnies. so etwas zu hinterfragen, wird dem sisches Institut e. V. ist der Bezug der Eine Einführung.132 S., 18,00 Euro, denkenden Leser überlassen. Wer Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten. Metropolis-Verlag, Marburg 2018. sich darauf einlässt, wird dieses Buch Von Tönnies geprägte Kategorien mit Gewinn lesen und seine Umge- Bankverbindungen: Nord-Ostsee Sparkasse wie „Gesellschaft und Gemein- bung unter neuem Blickwinkel be- BIC: NOLADE21NOS schaft“ sind ein Werkzeug, mit dem trachten können. IBAN: DE 36 2175 0000 0000 0007 37 sich auch heutige Entwicklungen ef- Christoph G. Schmidt VR Bank EG Niebüll BIC: GENODEF1BDS IBAN: DE 93 2176 3542 0007 1146 80 Tut leest NORDFRIESLAND ist ein Forum freier Meinungsäußerung; alle Beiträge geben die persönliche Meinung ihrer Verfasserinnen und Verfasser wieder. Wiedergabe in jeglicher Form nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte etc. wird keine Gewähr übernommen.

ISSN 0029-1196 Das Titelfoto für das vorliegende Heft entstand aus einer Mischung alter Ideen und spontaner Umsetzung. Sollten wir einen Flashmob ins Leben ru- fen, um möglichst viele Kömgrenzen-Bilder zu erhalten? Sollten wir wasch- echte, wetterfeste oder sonstwie echte NordfriesInnen abbilden? Musste der Protagonist im Süden des Tisches auch im Süden geboren sein? Dort auch heute noch leben? Fragen über Fragen. Wir entschieden uns für die Maxime: „Fotomodell ist, wer Fotomodell sein will.“ Red.

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Nordfriisk Instituut C 1337 I Postvertriebsstück Entgelt bezahlt Juni 2019 | 4 Euro Nr. 206 Süderstr. 30 D-25821 Bräist/Bredstedt, NF www.nordfriiskinstituut.eu

Ende der Föhrer Friesisches eater mit Langenhorn Herausgegeben Viehwaagen Teepunschlied Anspruch ein Dorfportät vom Nordfriisk Instituut

Seite 10 Seite 12 Seite 18 Seite 21 Zufriedenheit ist einfach.

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nospa.de/zzg