Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung Positionen des GKV-Spitzenverbandes

beschlossen vom Verwaltungsrat am 10. Juni 2015 Impressum

Herausgeber: GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin

Verantwortlich: Dr. Monika Kücking (Abteilung Gesundheit), Michael Weller (Stabsbereich Politik)

Gestaltung: BBGK Berliner Botschaft Gesellschaft für Kommunikation mbH

Fotonachweis: Titel: Medizinfotografie Hamburg, Sebastian Schupfner, www.schupfner.com

Auflage: 500 Exemplare Stand: 10.06.2015

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Der GKV-Spitzenverband ist der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 217a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Er ist zugleich der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nach § 53 SGB XI. Der GKV-Spitzenverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Name, Logo und Reflexstreifen sind geschützte Markenzeichen des GKV-Spitzenverbandes. Inhalt

Hintergrund ...... 4

Transparenz über bestehende Angebote erhöhen und verzahnte Beratung aufbauen ...... 6

Im Fokus: Nicht-spezialisierte Palliativversorgung ...... 7

Palliativversorgung erfordert Kooperation ...... 8

Ambulant ärztliche Versorgungsqualität verbessern und Vernetzung fördern ...... 9

Palliativmedizinische Breitenversorgung im Krankenhaus stärken ...... 10

Sterbebegleitung in stationären Pflegeeinrichtungen stärken ...... 11

Hospizversorgung und Begleitung durch ambulante Hospizdienste weiterentwickeln ...... 12

Spezialisierte ambulante Versorgung bedarfsgerecht ausbauen – Datenbasis verbessern ...... 13

3 Hintergrund

Die Gesetzliche Kranken- und Soziale Pflegever- schwerstkranker und sterbender Menschen in sicherung (GKV und SPV) verstehen es als ihre ori- Deutschland“, zu deren Umsetzung sich die GKV ginären Aufgaben, ihren Versicherten im Rahmen und SPV bekannt haben, erreicht werden können. der gesetzlichen Regelungen in jedem Lebensalter Von daher ist eine Mitfinanzierung und finanzielle und jeder Lebenssituation die notwendigen me- Förderung solcher ergänzenden Unterstützungs- dizinischen und pflegerischen Leistungen sowie und Helferstrukturen durch die Beitragszahler der ggf. begleitende Unterstützung und Beratung zur GKV folgerichtig. Verfügung zu stellen. In die- Eine qualitativ hochwertige sem Kontext ist die bedarfs- Die notwendige Weiterentwicklung der Hospiz- palliativmedizinische und gerechte Weiterentwicklung und Palliativversorgung sollte aus Sicht von GKV -pflegerische Versorgung sowie der Hospiz- und Palliativ- und SPV insbesondere folgende zentrale Ansätze eine Hospiz- und Palliativkultur versorgung ein wichtiges verfolgen: müssen stärker in nicht-spezialisierte eigenes Anliegen von GKV Versorgungsangebote Eingang finden. und SPV. Vor diesem Hinter- • Eine qualitativ hochwertige leitlinienbasierte grund werden die zentralen palliativmedizinische und -pflegerische Versor- Zielsetzungen des vorliegenden Eckpunktepapiers gung sowie Hospiz- und Palliativkultur bzw. „Verbesserung der Hospiz- und Palliativversor- -haltung muss stärker in nicht-spezialisierte gung in Deutschland“1 sowie des Gesetzentwurfs Versorgungsangebote Eingang finden. Eine an- der Bundesregierung zur Verbesserung der Hos- gemessene Palliativversorgung darf nicht von piz- und Palliativversorgung in Deutschland vom Zufällen abhängen, auf spezialisierte Versor- 20. April 2015, ein Leben in Würde bis zuletzt gungsformen begrenzt oder gar durch ökono- zu ermöglichen und dazu Palliativmedizin sowie mische Fehlanreize infrage gestellt sein. Hospizkultur bedarfsgerecht möglichst überall dort zu verwirklichen, wo Menschen sterben, • Die Sicherung und ggf. die Weiterentwicklung uneingeschränkt geteilt. der medizinisch-pflegerischen Versorgungs- strukturen sowie der Beratungs- und Unterstüt- Die GKV und SPV leisten mit ihren medizinischen zungsangebote müssen dem Bedarf schwerst- und pflegerischen Leistungen einen entscheiden- kranker und sterbender Menschen und ihrer den Beitrag, damit Menschen in Würde und unter Angehörigen folgen. Dabei ist möglichst eine Respektierung ihrer Wünsche sterben können. flächendeckende Versorgung im Rahmen Über diesen Kernbereich hinaus fördert die GKV vernetzter und aufeinander abgestimmter die psychosoziale Unterstützung und Sterbe- Angebote anzustreben. begleitung durch ehrenamtlich fundierte Struk- turen ambulanter Hospizdienste und finanziert – • Vor dem Hintergrund der sehr differenzierten unter Anrechnung der Leistungen der SPV – mit Angebote muss die Transparenz über die Struk- stationären Hospizen besondere stationäre turen und die Versorgung erhöht werden. Dies Einrichtungen zur umfassenden Versorgung, sowohl aus der Perspektive der betroffenen Betreuung und Begleitung sterbender Menschen Menschen, die auf entsprechende Angebote und ihrer Angehörigen. Auch diese komplementä- angewiesen sind, als auch aus der Perspektive ren Leistungen tragen wesentlich dazu bei, dass der Vertragspartner, die für die Ausgestaltung die zentralen Anliegen der „Charta zur Betreuung der Angebote fundierte Informationen über die Qualität der Versorgung und die Bedarfssitua- 1 Eckpunktepapier von Bundesminister Hermann Gröhe, tion benötigen. der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz und MdB, Emmi Zeulner MdB, Prof. Dr. MdB, MdB vom 10. November 2014 4 Hintergrund

• Die professionelle Palliativversorgung sowie ehrenamtlich fundierte hospizliche Unterstüt- zungsangebote sollten in eine Gesamtstruktur mit regionalen Beratungs- und Unterstüt- zungsangeboten eingebunden sein, die den Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft auch jenseits der medizinisch- pflegerischen Versorgung Rechnung tragen.

Alle Vorschläge zur Weiterentwicklung sollten ins- besondere mit Blick darauf bewertet werden, ob sie diesen Aspekten ausreichend Rechnung tragen bzw. eine solche Ausgestaltung der Rahmenbedin- gungen fördern. Unter diesen Prämissen vertreten GKV und SPV folgende Positionen zur Weiterent- wicklung der Hospiz- und Palliativversorgung.

5 Transparenz über bestehende Angebote erhöhen und verzahnte Beratung aufbauen

Lebensbedrohliche Erkrankungen und die Die SPV verfügt mit der Pflegeberatung be- Konfrontation mit dem Sterben sind für die reits über ein am gesamten Versorgungsbedarf Betroffenen und deren Angehörigen besonders pflegebedürftiger Menschen ausgerichtetes belastend und erfordern vielfach unvorbereitet Beratungsangebot mit dem gesetzlichen Auftrag komplexe Entscheidungen in allen Bereichen des zur umfassenden Bedarfserhebung und Versor- menschlichen Daseins. Neben einer fundierten gungsplanung. Dieses Angebot richtet sich auch und verlässlichen palliativmedizinischen sowie an pflegebedürftige Menschen mit palliativem palliativpflegerischen Unterstützung und Beratung Versorgungsbedarf. durch die beteiligten Leistungserbringer sind von daher für die Betroffenen eine kompetente Den Krankenkassen obliegt ein so weitreichender individuelle Beratung und Hilfestellung durch die und mit entsprechenden Datenerhebungsbefugnis- Kranken- und Pflegekassen bei der Auswahl und sen einhergehender Auftrag zur leistungsübergrei- Inanspruchnahme von Leistungen der Hospiz- fenden Bedarfserhebung und Versorgungsplanung und Palliativversorgung wichtig. Dazu gehört bisher nicht. Beratungsangebote der Kranken- neben den klassischen medizinisch-pflegerischen kassen werden zudem vorwiegend leistungsspe- Leistungsangeboten auch der Hinweis auf regional zifisch und jeweils erst im Zusammenhang mit verfügbare ergänzende Beratungs- und Unterstüt- aktuellen Leistungsanträgen nachgefragt. Im Inte- zungsangebote vor allem in den Bereichen der resse von mehr Transparenz und Vermeidung von psychosozialen und ggf. spirituellen Unterstützung Unsicherheiten in der schwierigen Lebensphase bis hin zur Trauerbegleitung. von Palliativpatientinnen und -patienten werden die Krankenkassen ihre Beratungs- und Unter- stützungsangebote verzahnt mit dem Angebot der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI weiter ausbauen und ihre Kundenberaterinnen und -berater ggf. ergänzend qualifizieren. Dabei sollten die Pflege- sowie die Hospiz- und Palliativberatung aus einer Die Krankenkassen werden ihre Beratungs- und Hand erbracht werden. In Fällen der Kranken- Unterstützungsangebote verzahnt mit dem Angebot der hausentlassung können diese Beratungsangebote Pflegeberatung nach § 7a SGB XI weiter ausbauen und ihre der Kranken- und Pflegekassen ein strukturiertes Kundenberaterinnen und -berater ggf. ergänzend qualifizieren. Entlassmanagement der Krankenhäuser ergänzen.

6 Im Fokus: Nicht-spezialisierte Palliativversorgung

Die zentrale Herausforderung für die gesundheitli- Die an der palliativmedizinischen und -pflegerischen che und pflegerische Versorgung ist die Organisa- Versorgung Beteiligten müssen sich in ihrer Ausbildung tion einer vernetzten, kooperativen Betreuung und sowie durch Fort- und Weiterbildungsangebote gezielt Versorgung, bei der professionelle und ehrenamt- qualifizieren. liche Betreuung und Versorgung Hand in Hand ge- hen. Dies gelingt nur, wenn palliativmedizinische solchen Grundkonsens kann der breite Diskus- und palliativpflegerische Kompetenz sowie hospiz- sions- und Umsetzungsansatz, wie er insbesonde- liche Haltung stärker in der sog. Regel versorgung re in dem aktuellen Prozess der Weiterentwick- verankert und gelebt werden. Diese Kompetenz lung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und eine dem Menschen zugewandte Haltung und sterbender Menschen in Deutschland zu müssen überall dort ankommen, wo die betroffe- einer Nationalen Strategie angelegt ist, entschei- nen Menschen versorgt werden – insbesondere in dend beitragen. Die GKV und SPV werden einen der eigenen Häuslichkeit, in Krankenhäusern und solchen Prozess konstruktiv begleiten und unter stationären Pflegeeinrichtungen. Dies setzt u. a. Berücksichtigung bestehender Strukturen notwen- voraus, dass die an der Versorgung Beteiligten im dige Weiterentwicklungen auf Basis fundierter Rahmen ihrer Ausbildung aber auch durch geeig- Analysen aktiv anstoßen und befördern. So hat nete Fort- und Weiterbildungsangebote entspre- die GKV bereits Vorschläge zu einer Ergänzung chend qualifiziert werden. der Richtlinie häusliche Krankenpflege in die Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschus- Die stärkere Verankerung palliativmedizinischer ses (G-BA) eingebracht, um die pflegerische und palliativpflegerischer Kompetenz sowie Palliativversorgung als Bestandteil der häuslichen hospizlicher Haltung in der sog. Regelversorgung Krankenpflege zu stärken. bedarf in erster Linie nicht neuer gesetzlicher Regelungen oder zusätzlicher Angebotsstrukturen, sondern eines Grundkonsenses der Leistungser- bringer, Kostenträger und sonstigen gesellschaft- lich verantwortlichen Akteure, die Versorgungs- prozesse und -strukturen sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote gemeinsam konsequent auf diese Zielsetzung hin auszurichten. Zu einem

7 Palliativversorgung erfordert Kooperation

Das Gesundheitssystem ist durch eine starke GKV und SPV werden eine vernetzte berufsbezogene Rollen- und Kompetenzverteilung Versorgung befördern und die gekennzeichnet. Dies kann bei der Versorgung entsprechenden vertraglichen Regelungen von Palliativpatientinnen und -patienten hinder- mit diesem Anspruch weiterentwickeln. lich sein. Die angemessene Versorgung und Be- gleitung von Palliativpatientinnen und -patienten erfordert in besonderem Maße die Zusammenar- beit unterschiedlicher palliativmedizinischer und -pflegerischer Leistungserbringer sowohl der spe- zialisierten als auch der nicht-spezialisierten Form und ggf. die enge Einbindung begleitender, auch ehrenamtlicher Helferstrukturen. Die Bereitschaft, entsprechend vernetzte Strukturen regional aufzu- bauen bzw. zu sichern und sich in eine vernetzte Versorgung einzubringen, ist aus Sicht von GKV und SPV daher eine Grundvoraussetzung für die Leistungserbringung als Vertragspartner der Kranken- und Pflegekassen im Bereich der Pallia- tivversorgung. GKV und SPV werden dies weiter befördern und die entsprechenden vertraglichen Regelungen mit diesem Anspruch weiterent- wickeln und prüfen, ob insbesondere auch beste- hende Vergütungsregelungen den Anforderungen einer vernetzten und koordinierten Leistungser- bringung ausreichend Rechnung tragen. Dabei gilt es, Anreize für eine Verbesserung der realen Versorgungssituation der betroffenen Menschen zu setzen und darauf zu achten, dass Fehlanreize und Mitnahmeeffekte vermieden sowie vertraglich vereinbarte Verantwortlichkeiten für die Koordina- tion auch wahrgenommen werden.

8 Ambulant ärztliche Versorgungsqualität verbessern und Vernetzung fördern

Die allgemeine palliativmedizinische Versorgung Des Weiteren sind im Rahmen der Regelung von durch qualifizierte Vertragsärztinnen und Vertrags- Qualitätsanforderungen spezifische Qualitätsindika- ärzte stellt die Grundlage für eine wohnortnahe toren zu vereinbaren, um die Qualität der allgemei- und flächendeckende Versorgung dar. Sie wird im nen ambulanten Palliativversorgung zu messen und Wesentlichen durch Haus- und Kinderärztinnen und zu evaluieren. Auf dieser Grundlage können eine -ärzte sowie im Rahmen der onkologischen Versor- geeignete transparente Darstellung der Versorgungs- gung durch besonders qualifizierte Fachärztinnen qualität sowie eine kontinuierliche Verbesserung und Fachärzte geleistet. Der Bereich der vertrags- des Qualitätsniveaus erreicht werden. ärztlichen Versorgung wurde auf Initiative der GKV im Hinblick auf die Versorgung von Palliativpatien- Die palliativmedizinische Versorgung ist auch ein tinnen und -patienten in der Vergangenheit weiter- wichtiger Leistungsbestandteil der fachärztlichen entwickelt. Dabei wurden neue palliativärztliche onkologischen Versorgung gemäß der Onkologie- Leistungen vereinbart, die auch die Koordinierung vereinbarung der Partner des Bundesmantelver- der palliativmedizinischen und -pflegerischen Ver- trages. Die GKV setzt sich dafür ein, dass onko- sorgung beinhalten sowie Anreize setzen, Palliativpa- logische Kooperationsgemeinschaften in Zukunft tientinnen und -patienten qualifiziert zu versorgen. zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Dadurch befördert die GKV die Stärkung der Pallia- Palliativversorgung der Patientinnen und Patienten tivversorgung im Rahmen der sog. Regelversorgung. Kooperationen insbesondere mit Vertragsärztinnen und Vertragsärzten schließen müssen, die über eine Zur besseren Versorgung von Palliativpatientinnen Zusatzweiterbildung Palliativmedizin verfügen. und -patienten werden keine neuen Formen der Versorgung benötigt. Vielmehr bedarf es einer Anhe- Da Palliativversorgung durch Vertragsärztinnen und bung des Qualitätsniveaus in der vertragsärztlichen Vertragsärzte sowohl im haus- als auch im fachärzt- Versorgung. Hierbei sind Fort- und Weiterbildungen lichen Versorgungsbereich geleistet wird, bedarf es in der Palliativmedizin unabdingbar. Als Mindest- einer sinnvollen Koordination und Abstimmung der anforderung sind insbesondere Qualifikationsan- ärztlichen Maßnahmen, um die Betroffenen opti- gebote auf Basis des Curriculums der „40 Stunden mal zu versorgen. Aus Sicht der GKV müssen die Kurs-Weiterbildung Palliativmedizin“ der Bundesärz- Kooperation und Abstimmung zwischen ärztlichen tekammer geeignet, um die palliativmedizinischen und nicht-ärztlichen Leistungserbringern optimiert Kenntnisse der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte werden, um die Versorgung der Patientinnen und weiterzuentwickeln und die niedergelassenen Patienten zu verbessern. Es ist zu prüfen, ob die Ärztinnen und Ärzte für die neuen rechtlichen vorhandenen Vergütungsstrukturen sowohl im EBM Möglichkeiten zur Erfassung des Patientenwillens zu als auch in der Onkologievereinbarung mit dem Ziel sensibilisieren. Die Abrechnung und Vergütung der einer spezifischeren Abbildung dieser Koordinati- palliativmedizinischen Leistungen müssen künftig onsleistungen weiterentwickelt werden können. an den Nachweis einer entsprechenden Qualifika- tion geknüpft werden, um Anreize zur verstärkten Um die palliativmedizinische Versorgung von Nutzung dieser vorhandenen Qualifizierungsan- Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern zu gebote durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte verbessern, müssen niedergelassene Ärztinnen zu setzen. Zur Stärkung der Palliativversorgung im und Ärzte sowie stationäre Pflegeeinrichtungen häuslichen Umfeld sind die Kenntnisse von nicht- die vorhandenen Möglichkeiten zum Aufbau von ärztlichen Praxisassistentinnen und Praxisassisten- Kooperationsstrukturen nach § 119b Abs. 2 SGB V ten im Bereich der ambulanten Palliativversorgung stärker nutzen. Die im Gesetz geregelte Förderung zu erweitern und vorhandene Möglichkeiten zur solcher Kooperationen über Vergütungszuschläge Delegation von Leistungen an qualifiziertes nicht- kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. ärztliches Praxispersonal stärker zu nutzen. 9 Palliativmedizinische Breitenversorgung im Krankenhaus stärken

Im Rahmen der Krankenhausbehandlung von Auch im Interesse einer bedarfsgerechteren schwerstkranken und sterbenden Menschen Steuerung der Ressourcen ist eine Stärkung der wird eine multiprofessionelle und interdiszipli- palliativmedizinischen Breitenversorgung erfor- näre palliativmedizinische Behandlung häufig derlich. Die Einführung einer separaten Vergütung auf eigenständigen Palliativstationen erbracht. spezialisierter palliativmedizinischer Leistungen Diese spezialisierte Palliativversorgung hat in den im Fallpauschalensystem hat zu einer deutlichen, letzten Jahren ein starkes Wachstum erfahren und teils auch erlösorientierten Zunahme dieser Leis- die Anzahl der Krankenhäuser mit spezialisierten tungen im Krankenhaus geführt. Insbesondere das palliativmedizinischen Angeboten ist flächen- Fehlen von Kriterien für die Zuordnung der Patien- deckend angestiegen. Heterogener ist die Versor- tinnen und Patienten zu diesen spezialisierten gungslage im Bereich der palliativmedizinischen Versorgungsangeboten ist ein Problem. Nicht bei Breitenversorgung. Zwar gibt es auch hier einen jeder Krankenhausbehandlung von Patientinnen gestiegenen Versorgungsbedarf, ein entspre- und Patienten mit einer unheilbaren Erkrankung chender flächendeckender Anstieg ist aber nicht wird eine spezialisierte palliativmedizinische Be- vorzufinden. Der Fokus der Weiterentwicklung handlung notwendig sein. Vor diesem Hintergrund sollte im Krankenhaus daher auf einer Stärkung sollten patientenseitige Zuweisungskriterien für der palliativmedizinischen Breitenversorgung die spezialisierten palliativmedizinischen Leistun- liegen. Dies erfordert in erster Linie eine entspre- gen vom G-BA definiert werden. chende Organisationsentwicklung an Kranken- häusern, die sicherstellt, dass die Perspektive Mit dem Ziel einer qualitativ hochwertigen der Palliativversorgung rechtzeitig in die weitere bedarfsgerechten Versorgung muss der Fokus auf Versorgungsplanung mit betroffenen Patientinnen die Qualitätssicherung und die Weiterentwicklung und Patienten – auf Wunsch unter Beteiligung der der Finanzierungssystematik gelegt werden. Die Angehörigen – einfließt. Finanzierung der palliativmedizinischen Leis- tungen erfolgt derzeit entweder im Rahmen des Zur Förderung der palliativmedizinischen Breiten- Fallpauschalensystems über bundesweit einheit- versorgung ist eine stationäre, dezentrale, pallia- liche Zusatzentgelte oder krankenhausindividuell tivmedizinische Mitbehandlung im Rahmen eines im Rahmen von sog. Besonderen Einrichtungen „Palliativdienstes“ (fachärztliche Mitbetreuung im über tagesgleiche Pflegesätze. Mit der Finanzie- Auftrag der behandelnden Ärztin bzw. des Arztes) rung über das Fallpauschalensystem werden über sinnvoll. Da eine gesonderte Vergütung spezi- Struktur- und Leistungsanforderungen direkte ell für den Palliativdienst aus kalkulatorischen Anreize für eine qualitativ gute palliativmedizini- Gründen im Fallpauschalensystem unwahrschein- sche Versorgung gesetzt. Im Bereich der Beson- lich erscheint, sollten die palliativdienstlichen deren Einrichtungen existieren hingegen keine Leistungen zur zusätzlichen Abrechnungsvor- bundeseinheitlichen Qualitätsanforderungen. Statt aussetzung der spezialisierten palliativmedizini- diese intransparenten Ausnahmemöglichkeiten zu schen Leistungen gemacht und somit über diese stärken, sollte vor diesem Hintergrund gemeinsam mitfinanziert werden. So wird sichergestellt, dass an einer weiteren Verbesserung der Abbildung eine Versorgung angeboten, die Zusammenarbeit der Palliativmedizin im Fallpauschalensystem im Krankenhaus gestärkt und die Kalkulation gearbeitet werden. Dadurch können über Struk- der Palliativmedizin im Fallpauschalensystem turanforderungen Qualitätsstandards sowohl in verbessert wird. Die Vorgabe des Palliativdienstes der spezialisierten als auch in der palliativmedizi- ließe sich entweder durch eine Ergänzung der nischen Breitenversorgung gesetzt werden. bestehenden Entgelte oder alternativ im Rahmen einer Qualitätsrichtlinie des G-BA durchsetzen und kontrollieren. 10 Sterbebegleitung in stationären Pflegeeinrichtungen stärken

Die Betreuung sterbender Menschen ist ein Teil Nach der aktuellen Stationäre Pflegeeinrichtungen müssen die des praktischen Alltags in vollstationären Pflege- gesetzlichen Regelung ganzheitliche Begleitung und Versorgung einrichtungen. Den Menschen muss in den letzten können Bewohnerin- von Bewohnerinnen und Bewohnern Lebenstagen ermöglicht werden, diesen Abschnitt nen und Bewohner am Lebensende als eine Kernaufgabe nach ihrer individuellen Vorstellung und in jeder einer stationären Pfle- wahrnehmen. Hinsicht gut versorgt begehen zu können. Auch geeinrichtung durch wenn diesem Thema in stationären Pflegeein- einen ambulanten Hospizdienst begleitet werden; richtungen vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet diese Sterbebegleitung fließt in die Förderung des wird, bedarf die Begleitung der Menschen in ihrer ambulanten Hospizdienstes durch die GKV ein. letzten Lebensphase einer weiteren Stärkung. Dennoch sollte die kooperative Zusammenarbeit Insbesondere bedarf es hier einer hospizlichen zwischen Pflegeeinrichtungen und ambulanten Grundhaltung. Hospizdiensten weiter ausgebaut werden. Zu begrüßen sind dabei Bestrebungen, die Mittei- Um Verbesserungen in stationären Pflegeeinrich- lungspflichten der Einrichtungen dahingehend tungen zu erreichen, müssen die in der Einrich- auszubauen, die Pflegekassen zum Zwecke der tung beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitar- Veröffentlichung zu informieren, wie die Zusam- beiter für dieses Thema sensibilisiert werden. menarbeit mit einem Palliativ- und Hospiznetz ge- Insbesondere Pflegefach-, aber auch Pflegehilfs- regelt ist. Dies setzt einen Anreiz, die Vernetzung und Betreuungskräfte sind umfassend im Umgang und Kooperation mit Hospizdiensten, SAPV-Teams mit Sterbenden zu schulen. Die Personalentwick- und weiteren Partnern regionaler Hospiz- und lung sollte aber mit einer Organisationsentwick- Palliativnetzwerke zu gestalten und zu stärken. lung einhergehen. Erlerntes Wissen muss in den Professionelle und ehrenamtliche Versorgung und Pflegeeinrichtungen auch durch die Pflegekräfte Betreuung müssen sich besser als bisher ergän- umgesetzt werden können. Eine Voraussetzung zen. dafür ist, dass Einrichtungsträger die ganzheitliche Begleitung und Versorgung von Bewohnerinnen Neben der individuellen Beratung der Pflegekas- und Bewohnern am Lebensende als eine Kernauf- sen müssen auch einrichtungsinterne Beratungs- gabe wahrnehmen und entsprechende Struktu- leistungen intensiviert werden. Den Bewohne- ren und Abläufe in den Einrichtungen qualitativ rinnen und Bewohnern sowie ihren Angehörigen weiterentwickeln. sind auf Wunsch Netzwerkpartner und Ansprech- partner für die unterschiedlichen Hilfsangebote Zur Stärkung der Sterbebegleitung als Bestandteil zu benennen. Damit wird eine Grundlage gelegt, der Pflege sollte die Bedeutung dieses Themas selbstbestimmt über Behandlungs- und Versor- in den verbindlichen Rahmenverträgen über die gungsmöglichkeiten am Lebensende entscheiden pflegerische Versorgung auf Länderebene hervor- zu können. gehoben werden. Um eine einheitliche Umsetzung in den einzelnen Bundesländern zu erleichtern, sollte künftig eine Verankerung in den Gemeinsa- men Empfehlungen gemäß § 75 Abs. 5 SGB XI von GKV-Spitzenverband und den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebe- ne vorgenommen werden. Zusätzlich sollte der Umgang mit der Versorgung sterbender Menschen in den Maßstäben und Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität konkre- tisiert werden. 11 Hospizversorgung und Begleitung durch ambulante Hospizdienste weiterentwickeln

Hospize leisten einen wichtigen Beitrag zur ohne dabei die notwendige Flexibilität zur Berück- Versorgung von Palliativpatientinnen und -pati- sichtigung der regionalen Versorgungssituation enten sowie deren Angehörigen. Der Gesetzgeber aufzugeben. Dies bedarf der sorgfältigen Abwä- hat seit dem Einstieg in die GKV-finanzierte bzw. gung und ist in erster Linie Aufgabe der Rahmen- -bezuschusste Hospizarbeit den Finanzierungs- vertragspartner auf Bundesebene. Der GKV-Spit- anteil der GKV kontinuierlich erweitert. Dadurch zenverband hat alle Beteiligten zu entsprechenden leistet die GKV einen stetig wachsenden und Gesprächen eingeladen und ist zu notwendigen sehr bedeutsamen Beitrag zur Unterstützung der Ergänzungen der Rahmenvereinbarungen bereit. Hospizbewegung und hat damit dazu beigetragen, Weitergehende Konkretisierungen mit dem Ziel dass Hospiz- und Palliativversorgung heute einen der Vereinheitlichung dürften in der Rahmenver- wichtigen Stellenwert in der Versorgungsland- einbarung über die stationäre Hospizversorgung schaft einnehmen. Sowohl für den Gesetzgeber insbesondere hinsichtlich Art und Inhalt der als auch für die Partner, die auf Seiten der GKV zuschussfähigen Leistungen, der sächlichen und und der maßgeblichen Hospizorganisationen personellen Anforderungen an die Leistungser- die Umsetzung der Hospizversorgung gestalten, bringung sowie zu den Maßnahmen zur Quali- stand bei der Ausgestaltung der gesetzlichen tätssicherung und Fortbildung erforderlich sein. und rahmenvertraglichen Regelungen stets im Darüber hinaus sollten die Regelungen in der Vordergrund, Impulse für eine bedarfsgerechte Rahmenvereinbarung zur Förderung ambulanter Strukturentwicklung zu geben, ohne das tragen- Hospizdienste so weiterentwickelt werden, dass de Element der bürgerschaftlichen Verankerung eine Förderung der Hospizarbeit bereits zeitnah der Hospizbewegung zu gefährden. Dies kommt ab dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem Sterbebeglei- durch gesetzliche Regelungen, die bewusst keine tungen erstmalig erbracht wurden. Vollfinanzierung stationärer Hospize und keine Ausgestaltung der Sterbebegleitung im Sinne von Ein besonderes Augenmerk ist auch darauf zu abrechnungsfähigen GKV-finanzierten Leistungen richten, dass an die Versorgung von lebenslimi- bewirken, sowie durch entsprechende rahmen- tierend erkrankten bzw. sterbenden Kindern und vertragliche Regelungen zum Ausdruck, die im Jugendlichen besondere Anforderungen zu stellen Konsens der Rahmenvertragspartner bewusst auf sind. So kann die Hospizversorgung von Kindern eine zu detaillierte Regelungstiefe verzichten. Aus und Jugendlichen aufgrund der besonderen Sicht der GKV sollte in diesem sensiblen Versor- Krankheitsbilder länger erforderlich sein als bei gungsbereich an diesen Grundlinien festgehalten Erwachsenen oder wiederholte Hospizaufenthalte und Weiterentwicklungen sehr behutsam, jedoch erfordern. Zudem werden an Kinderhospize auch konsequent vorgenommen werden. Es gilt, weiter- im Hinblick auf die altersspezifische Versorgung hin keine Impulse zu setzen, Hospize vermehrt als besondere Anforderungen gestellt. Diese im reine Wirtschaftsbetriebe zu führen bzw. beste- Vergleich zu Erwachsenenhospizen besonderen hende Versorgungsangebote aus rein fiskalischen Aspekte wurden im Jahre 2010 in der Rahmen- Erwägungen als Hospizbereiche auszugliedern. vereinbarung zur stationären Hospizversorgung abgebildet. Damals wurde kein Bedarf gesehen, Aus Sicht der GKV sollten deshalb bei der Diskus- eine eigenständige Rahmenvereinbarung für sion über eine Weiterentwicklung der Hospizange- Kinder und Jugendliche zu schließen. Im Kontext bote und der vertraglichen Rahmenbedingungen der anstehenden Beratungen über weitergehende die Fragen im Vordergrund stehen, mit welchen Konkretisierungen der Rahmenvereinbarungen Instrumenten die regionalen Vertragspartner bei wird auch zu bewerten sein, ob nunmehr auf- der Umsetzung weitergehend unterstützt und grund des jeweils spezifischen Regelungsbedarfs zur Sicherung möglichst bundeseinheitlicher eine eigene Rahmenvereinbarung für Kinder und Ausgangsbedingungen beigetragen werden kann, Jugendliche zweckmäßig ist. 12 Spezialisierte ambulante Versorgung bedarfsgerecht ausbauen – Datenbasis verbessern

Neben den nicht-spezialisierten Angeboten der andere Organisationsmodelle unter Nutzung vor- medizinisch-pflegerischen Versorgung sind im handener Strukturen zu prüfen. Dabei ist darauf begrenzten Umfang auch weiterhin die speziali- zu achten, dass auch Teams, die sowohl Kinder sierten Angebote für die Versorgung von schwerst- und Jugendliche als auch Erwachsene versorgen, kranken und sterbenden Menschen erforderlich. für die Versorgung der Kinder und Jugendlichen Im ambulanten Bereich war die Einführung der über ausreichend qualifiziertes Personal verfügen. spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) für Palliativpatientinnen und -patienten Um die Weiterentwicklung der Versorgungsange- mit einem besonders komplexen Symptomgesche- bote mittelfristig auf aussagefähiger und gesi- hen ein wichtiger Schritt für die Entwicklung der cherter Datenbasis gestalten zu können, sollten Palliativversorgung in den letzten Jahren. Die GKV die Vertragspartner einen erweiterten gesetzli- hat diese Entwicklung vorangetrieben. chen Auftrag und entsprechende Kompetenzen erhalten, Maßnahmen zur Dokumentation und Abhängig von der regionalen Bedarfssituation Auswertung versor- und dem verfügbaren Angebot entsprechend gungsrelevanter Daten Die GKV wird die SAPV bedarfsorientiert qualifizierter und erfahrener Fachkräfte wird die und zur externen weiterentwickeln. GKV ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen Qualitätssicherung und den weiteren Strukturaufbau mit dem Ziel gemeinsam zu vereinbaren. Darüber hinaus muss einer möglichst flächendeckenden Verfügbarkeit die Versorgungsforschung im Bereich der Palliativ- der Versorgung fortsetzen. Den Vertragspartnern versorgung verstärkt werden, um weitergehende ist es zwischenzeitlich gelungen, in den weitaus Erkenntnisse zum Weiterentwicklungsbedarf der überwiegenden Regionen eine flächendecken- SAPV auf der Grundlage gesicherter Daten zu de Versorgung mit SAPV-Leistungen vertraglich erhalten. sicherzustellen. Dabei konnte der Strukturaufbau entsprechend der regionalen Situation insbeson- dere zur Verfügbarkeit geeigneter Fachkräfte zum Teil nur dadurch erreicht werden, dass spezifische Übergangsregelungen zu den Anforderungen an die Berufserfahrung der Teammitglieder verein- bart wurden. Insgesamt wird deutlich, dass dem Aufbau solch spezialisierter ambulanter Leistungs- angebote insbesondere auch durch externe Rah- menbedingungen (insbesondere Verfügbarkeit von qualifizierten und berufserfahrenen Fachkräften), die durch die Vertragspartner kaum zu beeinflus- sen sind, gewisse Grenzen gesetzt werden.

Besondere Aufmerksamkeit bedarf aufgrund der spezifischen Bedarfskonstellation die Versor- gung lebenslimitierend erkrankter Kinder und Jugendlicher. Diese sollte im Rahmen der SAPV durch eigene auf die Versorgung von Kindern und Jugendlichen spezialisierte Teams erfolgen. Soweit dies insbesondere aufgrund zu geringer Fallzahlen in ländlich geprägten Regionen zu vertretbaren Bedingungen nicht realisiert werden kann, sind 13 14 15 GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin Telefon: 030 206288-0 Telefax: 030 206288-88 www.gkv-spitzenverband.de