Ausgabe 12 · Dezember 2017 Zeitung der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft

Hebron Nachrichten aus Palästina Weltkulturerbe al-Khalil/Hebron Siedlung Kiryat Arba gründet auf Lüge in Gefahr Kommentare Kinder in Haft – Bundesregierung muss handeln Versöhnung Fatah/Hamas – eine Mammutaufgabe Palästina Journal

Impressum ISSN 1436-252X Inhalt Herausgeber Palästina Journal · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG) PF 1148, 49171 Hilter a.T.W [email protected], www.dpg-netz.de 19

Redaktion Wiebke Diehl (Berlin) Hermann Dierkes (Duisburg) Jan-Günther Frenzel (Berlin) Ingrid Koschorreck (Berlin) 13 Dr. Detlef Griesche (Bremen) 06 Nazih Musharbash (Bad Iburg) 03 Nachrichten aus Palästina // Siedlung Kiryat Arba gründet auf Lüge / Weltkulturerbe al-Khalil / Jürgen Sendler (Berlin) Kollektivstrafe / Neue Siedlung in Hebron / Kolonie in der Shuhada-Straße / UN-Database zu Firmen / Gisela Siebourg (Berlin) Abriegelung / Versöhnung von Hamas und Fatah / Hinweise auf Apartheid / Presseunfreiheit / Wiltrud Rösch-Metzler (Stuttgart) Lifta in Gefahr / Kirche verkauft Land / Banksy-Hotel in Betlehem / Palästina bei Interpol / verantwortliche Redakteurin Tödliche Arbeitsunfälle / Widerstand in Gaza Redaktionsanschrift 06 schwerpunkt Hebron // Kein normales Leben in Hebron / Zeittafel [email protected] 11 Kommentare // Kinder in Haft – Bundesregierung muss handeln / Versöhnung – eine Mammutaufgabe Satz, Layout & Druck 12 Deutsche und EU-Nahostpolitik // // Eine neue Antisemitismus-Nichtdefinition / Druckhaus Köhler GmbH „The Lobby“ deckt auf / Malu Dreyer in Israel Palästina / CDU gegen BDS / Forderungen der Siemensstraße 1–3, 31177 Harsum Europäischen Linken / Städtepartnerschaft Mannheim Hebron / Kritik am Siedlungsbau / www.druckhaus-koehler.de U-Boot-Deal mit Israel / EU-Staaten fordern von Israel Entschädigung / Blairs späte Einsicht 14 Aktivitäten // DPG organisiert Rundreise mit Issa Amro und Reise nach Hebron / Konferenz „Zur Zeit der Verleumder“ / Oster-Reise nach Palästina / Protest vor Paulskirche / DPG lobt UN-Resolution gegen Siedlungsbau / DPG reiste mit Bundespräsident nach Israel Palästina

Erscheinungsweise 16 schwerpunkt Hebron // Familie Azza aus Hebron Das Palästina Journal erscheint 17 Weltweite Solidarität // Aktionstag am 9. November „Für eine Welt ohne Mauern“ / im Jahr 2017 einmal. Besuch im Kloster Cremisan / Kritik an Reformationsreise-Botschaft / Cinema Jenin geschlossen / Bischofstreffen zu Besatzung / Solidarität International unterstützt BDS / GEW und Siedlungen / Preis AI-Mitarbeiter Einreise verweigert / Kongress-Unterstützung für Issa Amro / Protest-Tour in Hebron / Der Bezugspreis für das Palästina Journal Schweizer Protest gegen Neutralitätsverstoß ist im DPG-Mitgliedsbeitrag enthalten. 20 medienempfehlungen // Film: 18 Kühe zwischen zwei Fronten / Theater: Ich werde nicht hassen / Abo Kalender / Film: Ghost Hunting / Buch: Hamas – Die islamische Bewegung in Palästina / Bitte wenden Sie sich an die DPG. Buch: Palästina – Vertreibung, Krieg und Besatzung / Buch: Palästina – Hundert Jahre leere Versprechen / Wander-Ausstellung: Frieden / Konzert: Aeham Ahmad / Kunstprojekt Spenden 22 Poesie // Was sie sagte von Lisa Suhair Majaj Um dieses unabhängige Journal veröffentlichen zu können, ist die DPG auf Spenden angewiesen. 23 Projekthilfe // Jugend gegen Siedlungen – Youth Against Settlements 24 Kunst // al-Khalil/Hebron, Palästina ©Ahlam Shibli Bitte spenden Sie an: Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG) Sparda West e.G. BIC: GENODED1SPK Liebe Leserinnen und Leser, IBAN: DE37 3706 0590 0100 3392 10 im geteilten Hebron zeigt sich die von Siedler*innen ausgeübte Gewalt besonders krass. Hier zu widerstehen, verlangt den Menschen viel ab. Dazu kommt, dass alltägliche Dinge wie Besuche, Titelbild der Gang zum Kindergarten, zur Schule oder zum Laden stark eingeschränkt sind. Israelisches Issa Amro, Menschenrechtsaktivist in Hebron, Militär und Grenzpolizei sind präsent. Kontrollen, Verhaftungen und Hausdurchsuchungen können Direktor von Youth Against Settlements jederzeit stattfinden, wie es einem Redaktionsmitglied bei einem Besuch in einer NGO in Hebron selbst widerfuhr. In dieser Ausgabe wollen wir Ihre Aufmerksamkeit auf Hebron lenken. Foto // Ursula Mindermann Ihre Redaktion [email protected]

02 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal Nachrichten aus Palästina Nachrichten aus Palästina

Foto // cPT

Auseinandersetzungen in Hebron

Kiryat Arba gründet auf Lüge Weltkulturerbe al-Khalil/Hebron W as lange vermutet wurde, hat die Zeitung D ie UNESCO hat die Altstadt von Hebron zum Weltkulturerbe erklärt und darüber hinaus auf die Haaretz nun durch ein bislang geheim gehalte- Rote Liste gefährdeter Stätten gesetzt. Die Entscheidung für Hebron fiel in einer geheimen Abstim- nes Dokument „Die Methode, um Kiryat Arba zu mung mit 12 Stimmen dafür, drei Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Die UNESCO will mit gründen“ enthüllt: Der israelischen Regierung ihrer Entscheidung insbesondere die in der Mamluken-Zeit zwischen 1250 und 1517 entstandenen unter Moshe Dayan und Golda Meir war durch- Bauten in der Altstadt und die Abrahamsmoschee schützen. Das palästinensische Außenministe- aus bewusst, dass sie mit dem Bau von Sied- rium begrüßte die UNESCO-Entscheidung als Sieg für Toleranz und Vielfalt. Die USA und später lungen gegen internationales Recht verstoßen. Israel kündigten ihren Austritt aus der UNESCO an. Um die Kolonie Kiryat Arba bei Hebron, in der heute 8.000 israelische Siedler*innen leben, errichten zu können, wurde palästinensisches Kollektivstrafe Land zu militärischen Zwecken enteignet. Vom A m 28. September hat Nimer Mahmoud Jamal, 37, aus Beit Surik vor der Siedlung Har Militär wurden dann 250 Siedler-Wohnungen Adar einen Grenzpolizei-Offizier und zwei Siedlungs-Sicherheitskräfte, SGT Solomon Gavrya, gebaut. Nach außen wurde gesagt, die Häuser 29, Yusef Othman, 25, und Or Arish, 25, getötet. Er wurde vom Siedlungs-Sicherheits- würden als Winterquartier der Armee dienen, koordinator erschossen. Daraufhin führte das israelische Militär Strafmaßnahmen gegen die während für die israelische Regierung fest- Bewohner von neun Dörfern im Gebiet von Beit Surik, nordwestlich von durch, wie stand, dass dort die jüdischen Hausbesetzer die israelische Menschenrechtsorganisation Btselem berichtete. Betroffen waren etwa 40.000 Men- des palästinensischen Park Hotels in Hebron schen. Soldaten drangen in Häuser ein, beschädigten Besitz, konfiszierten Autos. Es fanden viele aus dem Jahr 1968 eine dauerhafte Bleibe be- Verhaftungen statt. Das Haus von Nimer Mahmoud Jamal, in dem zwei seiner Brüder lebten, wurde kommen sollten. zerstört.

02 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 03 Palästina Journal · Nachrichten aus Palästina

Kolonie in der SHUHADA-STRASSE Hinweise auf Apartheid Z um ersten Mal seit 15 Jahren will die israelische Regierung auch im Herzen der zweitgröß- D ie Veröffentlichung eines Berichts der Wirt- ten palästinensischen Stadt, in Hebron, eine Kolonie errichten. 31 Wohnungen sollen an der schafts- und Sozialkommission der Vereinten Nati- Shuhada-Straße entstehen. Die Stadtverwaltung und das Komitee für eine Revitalisierung He- onen für Westasien (ESCWA) über die israelischen brons wollen vor dem israelischen Gericht dagegen Klage einreichen. Mit dem Bau der Woh- Praktiken gegenüber dem palästinensischen Volk nungen würden die Rechte der Stadt Hebron verletzt. Das bestätigt auch eine Rechtsmeinung im März 2017 hat einen politischen Sturm ausge- der israelischen Zivilverwaltung aus dem Jahr 2007 wie die israelische Friedensorganisation löst, wie die palästinensische Botschaft in Berlin Peace Now berichtete. Israel plant derzeit weitere 3.829 Wohneinheiten in Siedlungen zu bauen. mitteilte. Nach intensivem Druck seitens Israels und seiner politischen Verbündeten zog der UN-Ge- neralsekretär Guterres den Bericht zurück. Die ESC- UN-Database zu Firmen WA-Leiterin Rima Khalaf trat aus Protest zurück. D er UNO-Menschenrechtsrat hat mit 32 Stimmen bei 15 Enthaltungen beschlossen, eine Database Der UN-Bericht zur israelischen Besatzung kommt einzurichten, in der alle Unternehmen, die in illegalen Siedlungen tätig sind, aufgelistet werden. Die zu dem Ergebnis, dass die offizielle israelische Po- Veröffentlichung dieser Liste verzögert sich seit Monaten. Mittlerweile soll die UN nach Presseberich- litik auf eine Spaltung der Palästinenser*innen ab- ten Briefe an 150 Unternehmen verschickt haben, die in Siedlungen tätig sind. Darunter sollen auch ziele und damit als „Apartheid-Regime“ agiere. Die deutsche Firmen sein. stellv. UN-Generalsekretärin und ESCWA-Exekutiv- sekretärin Rima Khalaf erläuterte, dass es sich um den ersten Bericht eines UN-Gremiums handelt, das Abriegelung „klar und deutlich zu dem Schluss kommt, E lf Tage lang hatte die israelische Regierung während der jüdischen Feiertage im Oktober die dass Israel ein rassistischer Staat ist, der ein Westbank abgeriegelt. Auch für palästinensische Arbeiter waren die Kontrollpunkte nach Israel ge- Apartheid-System gegründet hat, um das schlossen. palästinensische Volk zu unterdrücken.“

Versöhnung von Hamas und Fatah

A m 12. Oktober haben Hamas und Fatah unter Vermittlung Ägyptens ein Versöhnungsab- kommen als Zeichen der palästinensischen Einheit und als ersten Schritt zur Bildung einer nationalen Versöhnungsregierung unterzeichnet. Die Vereinbarung sieht eine Machtüberga- be der Hamas an die Palästinensische Autonomiebehörde vor. Die Abbas-Regierung übt be- reits auf der palästinensischen Seite die Kontrolle der Grenzen des Gazastreifens aus. Noch Foto // Röm in diesem Jahr soll die nationale Versöhnungsregierung die Verwaltung im Gaza-Streifen übernehmen. Eine Lösung für die öffentlichen Angestellten in Gaza ist angestrebt. Im Oktober Israelische Checkpoints im besetzten Palästina sind Teil 2017 wurde zum ersten Mal seit drei Jahren eine Kabinettssitzung unter dem palästinensi- des Besatzungssystems. schen Ministerpräsidenten Rami Hamdallah im belagerten Gaza-Streifen abgehalten, teilte PLO-Generalsekretär Saeb Erekat mit. Presseunfreiheit Foto // Palästinensische Mission D ie israelische Armee ist im Oktober in Büros von acht TV-Sendern und Produktionsfirmen in der Westbank eingedrungen, wie Sabeel mitteil- te. Einige wurden geschlossen, anderen wurde die Ausrüstung genommen. Zwei palästinensi- sche Journalisten wurden verhaftet.

Gefahr für Lifta D as entvölkerte Dorf Lifta bei Jerusalem ist eines der wenigen intakten verlassenen pa- lästinensischen Dörfer in Israel. Das seit 1948 erhalten gebliebene Dorf, in das seine ursprüng- lichen palästinensischen Einwohner*innen nicht zurückkehren durften, zählt nun zu den 25 vom Welt-Baudenkmal-Fonds (World Monument Fund), einer in New York ansässigen NGO, ge- nannten bedrohten Standorten weltweit. Vor kurzem versuchten israelische Immobilienunter- nehmen in Lifta Luxusimmobilien zu bauen. Der Azzam Al-Ahmad (Fatah), re. und Saleh Al-Arouri (Hamas), li. unterzeichnen in Kairo das Versöhnungsabkom- Welt-Baudenkmal-Fonds drängte die Behörden in Jerusalem, die Pläne zurückzuweisen.

04 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Nachrichten aus Palästina Nachrichten aus Palästina

Foto // Röm

Am Jaffa-Tor in Ostjerusalem, rechter Hand befinden sich Immobilien der orthodoxen Kirche.

Orthodoxe Kirche verkauft Land Tödliche Arbeitsunfälle D ie griechisch-orthodoxe Kirche verkauft Grund und Immobilienbesitz in Jerusalem und anderswo in Is- D ie israelische Arbeiter*innenhotline rael zu Schleuderpreisen. Sie gehen an Firmen in Steueroasen, deren Besitzer*innen nicht bekannt sind. „Kav LaOved“ berichtet, dass im Jahr 2017, Nach einem Bericht der Zeitung Haaretz sind zuletzt 240 Wohnungen, ein Einkaufszentrum und weitere von Januar bis November, 28 Arbeiter*innen Flächen in Jerusalem für 3,3 Millionen Dollar verkauft worden. Regulär bezahle man für eine kleine Woh- auf dem Bau tödlich verunglückt sind, nung in dieser Gegend circa 570.000 Dollar. Nach einigen Jahrzehnten kann der neue Besitzer dann frei 186 wurden verletzt. Die Organisation macht über diese Immobilien verfügen. Die Mieter*innen fürchten, ihre Wohnungen zu verlieren. Vor kurzem dafür auch ungenügende gesetzliche Vor- kam es deshalb zu Protesten vor dem Sitz des Patriarchen in Jerusalem. Die Kirche ist nach Angaben von schriften im Rahmen der Arbeitssicherheit Haaretz die zweitgrößte Immobilienbesitzerin in Israel. Den ersten Verkaufs-Kontrakt vermutet Haaretz verantwortlich. Rund 70.000 Palästinenser 2011 als die Kirche Grundstücke in Talbieh, and einer Gruppe israelischer Unternehmer aus dem besetzten Palästina arbeiten derzeit mit dem Namen Nayot Komemiyut übertrug. in Israel, die meisten von ihnen auf dem Bau, weitere 30.000 arbeiten in israelischen Sied- lungen (Zum Vergleich: In Deutschland gab Banksy-Hotel in Betlehem es 2016 im Baugewerbe 73 tödliche Arbeits- A nfang des Jahres wurde in Betlehem durch den Künstler Banksy das „Walled Off Hotel“ eröffnet. unfälle). Vom Fenster des Hotels in der palästinensischen Stadt blickt man auf die israelische Trennmauer, die direkt vor dem Haus verläuft. Bei einer Feier in London wurde dem Hotel der Preis des besten Kunst- Hotels der Welt verliehen. Widerstand in Gaza L aut dem Monats-Bericht der UNWRA Palästina bei INTERPOL vom Oktober 2017 hat die israelische Ar- P alästina ist Vollmitglied bei INTERPOL geworden. Mehr als 75% aller Mitglieder stimmten laut Aus- mee am 29. September und 6. Oktober auf kunft der palästinensischen Botschaft in Berlin für die Aufnahme Palästinas. Auch PLO-Exekutivmitglied demonstrierende Zivilist*innen, die in der Hanan Ashrawi begrüßte den Schritt: „Wir glauben an ein System, das auf der globalen Rechtsstaat- Nähe des Zauns in verschiedenen Gegenden lichkeit und einem ordnungsgemäßen Prozess beruht.“ Man werde an den Bemühungen festhalten, die Gazas gegen die Blockade demonstrierten, Mitgliedschaft in weiteren multinationalen Vereinigungen und Organisationen zu suchen, fügte Frau Tränengas und Geschosse abgefeuert. Fünf Ashrawi hinzu. Palästinenser*innen wurden dabei verletzt.

05 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron Schwerpunkt: Hebron Kein normales Leben in Hebron

Hebron (arabisch: Al-Khalil) ist mit ihren rund 200.000 Einwohner*innen die zweitgrößte Stadt im Westjordanland nach Jerusalem. Hebron ist eine Stadt voller Geschichte und Tradition, in der sich, so glaubt man, das Grab Abra- hams befindet, und die daher Muslim*innen, Christ*innen, Jüdinnen und Juden heilig ist. Die Stadt liegt auf einer der größten Gebirgsketten Palästinas auf 900 Meter Höhe. Sie ist das wirtschaftliche Zentrum des Westjordanlands mit einem blühenden sozialen und wirtschaftlichen Leben sowie mit Universi- täten, Theater und Sportstätten.

Foto // röm

Israelische Soldaten in der Shuhada-Straße.

06 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron Schwerpunkt // Hebron

Judentum in Hebron [ ] Wie in den anderen Teilen Palästinas war . 1880er Jahre // Beginn der zionistischen . 1984 // Erster Siedlungsbau in Tel Ru- die jüdisch-arabische Gemeinschaft in Hebron Einwanderung mit dem Ziel, eine jüdi- meida in der Altstadt Hebrons. über Jahrhunderte fester Bestandteil der über- sche Heimstätte in Palästina zu schaffen. . 1987–1993 // Erste Intifada. wiegend muslimischen Gesellschaft. Ihre Mutter- Es kommt zu Spannungen zwischen der . 1993 // Yasser Arafat und Yitzhak Rabin sprache war Arabisch, und Jüdinnen und Juden, lokalen palästinensischen Bevölkerung unterzeichnen die Osloer Verträge. Christ*innen und Muslim*innen lebten friedlich und den neuen Einwanderern. . 1994 // Goldstein-Massaker – Der jüdi- zusammen. Es gab jüdische Schulen, Synagogen . 1917 // Balfour Deklaration - die briti- sche Siedler Baruch Goldstein erschießt und einen Friedhof. Sowohl Jüdinnen und Juden sche Regierung unterstützt eine jüdi- 29 muslimische Gottesdienstbesucher als auch Muslim*innen waren im Stadtrat vertre- sche Heimstätte in Palästina. in der Abrahamsmoschee, über 100 ten. Es gab gemeinschaftliche Geschäfte und die . 1920 // Das Völkerbundmandat für Pa- werden verletzt. Die israelische Armee Oberhäupter beider Gemeinschaften wurden res- lästina stellt Hebron unter die Aufsicht schließt daraufhin die Shuhada-Straße, pektiert. Die jüdischen Bewohner*innen Hebrons Großbritanniens. die wichtigste Marktstraße Hebrons für wandten sich bei Problemen an lokale islamische . 1929 // Spannungen und Gewalt an der palästinensische Fahrzeuge und verbie- Gerichte. Ihr Anteil an der lokalen palästinensi- Jerusalemer Klagemauer. Massaker an tet Palästinensern, ihre Läden zu öff- schen Bevölkerung betrug 1922 etwa 7%. Juden durch Palästinenser in Hebron: nen. Der UN-Sicherheitsrat fordert den Mit den jüdischen Einwanderungswellen kam 67 Juden und 21 Muslime sterben, um Schutz der Palästinenser in Hebron. es zunehmend zu Spannungen mit der lokalen Be- die 400 Juden werden von ihren mus- . 1997 // Das Hebron Protokoll teilt die völkerung. 1929 führte ein Streit um die Nutzung limischen Nachbarn beschützt. In der Stadt in H1 (unter Kontrolle der Paläs- fe l zu He b ro n Z e itta der Klagemauer in Jerusalem auch zu Aufständen Folge evakuiert die britische Mandats- tinensischen Autonomiebehörde) und in Hebron. Muslim*innen begannen jüdische Häu- macht alle Juden aus Hebron. H2 (unter Kontrolle des israelischen ser zu attackieren und 67 Jüdinnen und Juden so- . 1941–45 // Völkermord durch die deut- Militärs). Das Abkommen sieht eine wie 21 Muslim*innen wurden ermordet. Rund 400 schen Nationalsozialisten an den Juden Öffnung der Läden vor. Die Shuhada- jüdische Hebroner*innen aus 19 Familien wurden in Europa. Straße wird wieder geöffnet, die Läden von ihren muslimischen Nachbar*innen gerettet, . 1947 // Die UNO beschließt mehrheit- blieben aber geschlossen. dennoch evakuierten die britischen Behörden alle lich einen Teilungsplan für Palästina. . 1997 // Die internationale Beobachter- Jüdinnen und Juden nach Jerusalem. . 1947–1949 // Nakba (Katastrophe) – die mission TIPH, die seit 1994 unregelmä- Die heutigen Siedler*innen in Hebron sehen gewaltsame Vertreibung von 750.000 ßig in Hebron vertreten war, nimmt ihre sich als Nachfahren der ursprünglichen jüdischen Palästinensern aus ihren Häusern und Arbeit auf. Sie soll Völkerrechtsverstö- Bevölkerung Hebrons, auch wenn sich die meisten von ihrem Land durch jüdische Milizen. ße melden und dazu beitragen, dass der ehemaligen jüdischen Bewohner*innen samt . 1948 // Das Völkerbundmandat endet, Palästinenser*innen sich sicher fühlen ihrer Nachkommen mehrfach öffentlich von diesen der Staat Israel wird ausgerufen, erster können. Siedler*innen distanziert haben. So unterzeichne- arabisch-israelischer Krieg, das West- . 1998 // Im Anschluss an die Ermordung ten 1996 vierzig von ihnen eine Petition zur Räu- jordanland einschließlich Ostjerusalem von Rabbi Shlomo Ra‘anan wird die mung der Siedlungen in der Stadt Hebron. und Hebron fallen unter jordanische Shuhada-Straße erneut für palästinen- Herrschaft. sische Fahrzeuge gesperrt. . 1967 // Während des 6-Tage-Krieges . 2000 // Zweite Intifada. Muslimisches Leben besetzen israelische Streitkräfte die . 2001 // Ein Teil der Shuhada-Straße [ ] Im Vergleich zu anderen palästinensischen syrischen Golanhöhen, den Gazastrei- wird dauerhaft für palästinensische Städten und Gemeinden ist die muslimische fen, das Westjordanland einschließlich Fahrzeuge und Fußgänger gesperrt. Die Gesellschaft in Hebron eher konservativ. Ab- Ostjerusalem. Türen werden versiegelt. stammung und Blutsverwandtschaft stellen die . 1968 // Israelische Bürger mieten für . 2006 // Aus Sicherheitsgründen zieht wichtigsten sozialen Bindungen dar und die Ge- Pessach ein Hotelzimmer in Hebron, die TIPH ihre Beobachter wieder einmal sellschaft organisiert sich über Familienverbände. bevor sie ihre Absicht erklären, es nicht aus der Stadt ab. Die vergleichsweise kleinen darunter haben we- mehr zu verlassen. . 2015 // Das israelische Militär erklärt niger als 2.000, die größten über 20.000 Mitglie- . 1970 // Ein geheimer Kabinettsbe- Teile von H2 zum militärischen Sperr- der. Jede Familie hat einen Mukhtar (einen alten schluss billigt den Bau der neben gebiet, ausgenommen für registrierte weisen Mann) und einen Raum, genannt Diwan, Hebron gelegenen Siedlung Kiryat palästinensische Anwohner. Israeli- für Familienzusammenkünfte und Feiern. Im Falle Arba‘. Das Land wird zu militärischen sche Siedler dürfen sich weiter frei von Konflikten innerhalb oder zwischen Familien Zwecken konfisziert. Die Hotelbesetzer bewegen. bringen die Mukhtare die zerstrittenen Familien kommen dort unter. . 2016 // Begrenzte Wiedereröffnung des zusammen und lösen den Konflikt entsprechend . 1980 // Siedler aus Kiryat Arba‘ über- militärischen Sperrgebiets in H2. den Normen und Traditionen in Hebron. nehmen Häuser in der Innenstadt . 2017 // Die Altstadt von Hebron wird Großzügigkeit, Gastfreundschaft und Verant- Hebrons, die bis 1930 jüdischen Be- UNESCO-Weltkulturerbe. wortung füreinander werden in Hebron großge- wohnern gehört hatten. Der israelische . 2017 // Die israelische Regierung be- schrieben. Anders als in anderen Städten auf Ministerpräsident Menachem Begin schließt, dass 31 neue Siedlerhäuser in dieser Welt gibt es daher keine Obdachlosen oder lässt sie gewähren. der Altstadt gebaut werden. Hungernden. An einem Ort, genannt Tkiyah, wer- den täglich an Bedürftige Hunderte von Mahlzei- ten ausgegeben, die von den Reichen Hebrons und Zusammengestellt von Thimna Bunte/Issa Amro/röm anderen gespendet werden.

07 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron

Gewalt und Rechtsverletzungen Siedlungen in der Altstadt [ ] Sowohl an Checkpoints als auch über- all in H2, wo die Armee patrouilliert, können Palästinenser*innen jeglichen Alters für einige Minuten bis zu mehrere Stunden in Haft genom- men werden. Häufig sind diese Verhaftungen will- kürlich. Sie betreffen auch Kinder. Das israelische Militärrecht erlaubt die Verhaftung von Kindern ab 12 Jahren. Ab einem Alter von 16 Jahren werden sie vor Militärgerichten als Erwachsene behan- delt. Anders bei israelischen Jugendlichen: Sie gelten erst ab 18 Jahren als strafmündig. Immer wieder kommt es vor, dass selbst 5-jährige Kinder allein oder in Gruppen festgenommen werden.

Foto // CPT Hebron

Der zehnjährige Malak am Tag nachdem er von der israeli- schen Grenzpolizei geschlagen worden war, 14. Januar 2017 Die meisten Häuser im H2-Gebiet wurden schon zu beliebigen Tages- und Nachtzeiten durchsucht. In einigen Fällen geschieht dies aufgrund von Verdachtsmomenten oder zur Kar- Hebron Stadtgrenze tierung, meist jedoch um Militärpräsenz zu zei- H1-Gebiet, unter palästinensischer Kontrolle H2-Gebiet, unter israelischer Kontrolle gen. Während der Durchsuchungen werden die Westbank, C-Gebiet, unter israelischer Kontrolle Hausbewohner*innen entweder in einem Raum Straße israelische Siedlung eingesperrt oder bis zum Ende der Durchsuchung Karte: Passia aus dem Haus verbannt. Die Schäden, die israe- lische Soldat*innen im Rahmen solcher Durchsu- chungen anrichten, sind häufig erheblich. Um die Siedlungsbau in Hebron 35 palästinensische Häuser sind darüber hinaus [ ] Von Beginn der israelischen Besatzung des Westjordanlands 1967 an wurde die Ansiedlung von von der israelischen Armee für die Errichtung von jüdischen Gemeinschaften in Hebron und dem näheren Umfeld erzwungen. Auch wenn die Siedlungen Polizeiposten beschlagnahmt worden. Gelegent- anfangs auf Eigeninitiative Einzelner beruhten, wurden Entwicklung und Ausbau über die Jahre von der lich besetzt die Armee das Dach eines Gebäudes israelischen Regierung unterstützt und gefördert. und verbietet der Familie häufig die Nutzung der oberen Etagen. Der Missbrauch durch israelische Soldat*innen Siedlungen in der Altstadt von Hebron beinhaltet auch physische Gewalt. So waren is- [ ] Unter der Führung von Rabbi Mosche Levinger und unter dem Vorwand, das Passahfest feiern zu raelische Soldat*innen und Polizeioffizier*innen wollen, mietete 1968 eine Gruppe Israelinnen und Israelis für 48 Stunden ein Hotelzimmer in Hebron. Am an extremer Gewalt gegen Palästinenser*innen Ende der Feiertage weigerte sie sich, das Hotel zu verlassen und verkündete über die Medien ihre Absicht beteiligt, inklusive blutiger Schläge und Tötun- zu bleiben. Israelische Kabinettsmitglieder unterstützten das Vorhaben und die israelische Armee ergriff gen. Seit Oktober 2015 haben sie wiederholt Tö- Maßnahmen zum Schutz dieser Siedler*innen. Monate später einigte sich die israelische Regierung mit tungen von Palästinenser*innen vorgenommen, der Gruppe um Levinger auf die Errichtung einer Siedlung im Osten Hebrons. Dem stimmte die Knesset von denen einige in keinerlei Zusammenhang mit 1970 zu. In der Kiryat Arba‘ genannten Siedlung leben heute um die 8.000 Siedler*innen. Messerattacken gegen Israelinnen und Israelis In der Nähe von Kiryat Arba‘ liegen die Siedlungen Givat Ha’avot and Givat Harsina. Südlich der Stadt standen. Der Großteil der gewalttätigen Übergrif- liegt die Siedlung Beit Haggai. Seit 2007 hat die Siedler*innengemeinschaft mehrfach versucht, das zwi- fe und Belästigungen sind mit Sicherheitsmaß- schen Kiryat Arba‘ und der Altstadt von Hebron gelegene Gebäude Al Rajabi/Beit Shalom zu besetzen. nahmen und militärischer Notwendigkeit nicht zu In den vier Siedlungen im Inneren der Stadt, Beit Hadassah, Beit Romano, Avraham Avinu und Tel Rumei- rechtfertigen. Zeugnisse ehemaliger Soldat*innen da, leben um die 500 Siedler*innen. Sie bewohnen teilweise die oberen Etagen von Gebäuden, in deren von der israelischen Organisation Breaking the Si- unteren Geschossen Palästinenser*innen wohnen. Die vier Siedlungen sind über die Shuhada-Straße lence bestätigen, dass sie eher dazu dienen, die miteinander verbunden, die bis nach Kiryat Arba‘ führt. Seit 1994 und 2001 ist der Zugang zur Shuhada- Palästinenser*innen die israelische Besatzung Straße für Palästinenser*innen, einschließlich der palästinensischen Anwohner*innen, streng begrenzt. spüren zu lassen. Zum Schutz der Siedler*innen positioniert das israelische Militär ca. 1.500 Soldat*innen in der Stadt.

08 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron Schwerpunkt // Hebron

Auswirkungen auf das Leben der Palästinenser*innen [ ] Die bereits beschriebene Politik der Trennung und die harschen Maßnahmen struktureller Gewalt in Hebron haben Auswirkungen auf alle Lebensbe- reiche der Palästinenser*innen. Das soziale Leben in H2 und zwischen H1 und H2 wird immer schwie- riger. Bis 2006 hatten Bewohner*innen von mehr als 1.000 Wohneinheiten – rund 42% der Wohn- einheiten dieser Gegend – ihre Häuser verlassen. Darüber hinaus wurden über 1.800 palästinensi- sche Geschäfte entweder auf direkten Militärbe- fehl hin oder durch äußeren Druck durch die Segre- gationsmaßnahmen der Armee geschlossen, was mehr als drei Viertel aller Geschäfte in der Gegend Karte: (UN-OCHA besetzte palästinensische Gebiete) Lebensader Shuhada-Straße. ausmacht. Zwei Tankstellen in der Shuhada-Straße wurden geschlossen und eine einst beliebte Bus- Schleichende Vertreibung Wirtschaftsfaktor haltestelle in einen Militärposten verwandelt. [ ] Die Altstadt von Hebron war einst der be- [ ] Trotz der Einschränkungen durch die israeli- Wirtschaftliches Leben ist buchstäblich unmög- lebteste Teil der Stadt. Unter dem Vorwand. is- sche Besatzung ist Bildung ein wichtiger Faktor für lich geworden, und das Leben im Allgemeinen raelische Siedler*innen schützen zu müssen, die die palästinensische Gesellschaft. Allein im Re- wird immer unerträglicher. Je näher die Häuser an sich völkerrechtswidrig in der Stadt aufhalten, hat gierungsbezirk Hebron gibt es drei Universitäten. Siedlungen liegen, desto wahrscheinlicher werden das israelische Militär jedoch seit Jahrzehnten Hebron ist mit 3.200 Fabriken und Werkstätten das sie von ihren palästinensischen Bewohner*innen immer harschere Maßnahmen zur Trennung und wirtschaftliche Zentrum des Westjordanlands. Die verlassen. Bewohner*innen in H2 müssen auch Kontrolle der palästinensischen Bevölkerung im vielen Märkte und Viertel Hebrons werden tradi- auf grundlegende Dienste verzichten. Abwas- Herzen Hebrons ergriffen. Hebron ist, neben Ost- tionell nach den darin am stärksten vertretenen serentsorgung und Müllabfuhr sind stark beein- jerusalem, die einzige Stadt im Westjordanland, Gewerben benannt, wie Al-Skafiya (Schuhmacher) trächtigt. Einfache Reparaturen von Wasser- und in der Siedlungen mitten in der Stadt anzutreffen Markt, Ah-Hadadin (Schmiede) Markt, Al-Laban Stromleitungen oder der Kanalisation werden zum sind. Durch den seit Jahrzehnten andauernden Markt (Milch-Markt), und Al-Qazazin (Glas-Vier- Problem, wenn sie denn überhaupt durchgeführt Siedlungsausbau innerhalb und außerhalb der tel). Die reiche Landwirtschaft der Umgebung pro- werden können. Medizinische Behandlungen und Stadt, verschärfte Maßnahmen der Trennung und duziert darüber hinaus berühmte Spezialitäten wie die Versorgung von Notfällen geschehen, wenn Unterdrückung durch die israelische Armee sowie Weintrauben, schwarzen Honig und Dibs (Trau- überhaupt, nur unter großen Schwierigkeiten. einen alarmierenden Anstieg von Siedlergewalt bensirup). Die wichtigsten Exportprodukte sind Zahlreiche Menschen sind gestorben, weil sie gar sahen sich bisher die Bewohner*innen von über Nylontaschen, antikes Eisen, Schuhe, Marmor, nicht oder nicht rechtzeitig Checkpoints passieren 42% der Wohnungen gezwungen, ihre Häuser in Schmucksteine, Holz- und Metall-Waren. Diese durften oder Ambulanzen aufgehalten wurden, al- H2 zu verlassen. werden nach Europa, Amerika und in andere ara- les aufgrund der Sperrungen und langwierigen Ab- bische Länder exportiert. stimmungsverfahren zwischen palästinensischen Ambulanzen und israelischem Militär. Einige Frau- en mussten an Checkpoints entbinden. Auch das Bildungswesen wird stark beeinträchtigt.

Checkpoint an der Shuhada-Straße. Foto // RÖM

09 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron

Die Teilung der Stadt Massaker in der Moschee Foto // RÖM [ ] Im Jahre 1997 unterzeichneten die PLO und [ ] Am Morgen des 25. Februar 1994, während Israel das sogenannte Hebron-Protokoll. Das des Fastenmonats Ramadan, drang ein israelischer Abkommen teilt die Stadt Hebron in zwei Ge- Siedler aus Kiryat Arba mit einem Sturmgewehr biete: H1 umfasst 18 Quadratkilometer und rund in die Abrahamsmoschee ein. Ungehindert von 115.000 palästinensische Bewohner*innen. den israelischen Sicherheitskräften gelangte er Dieser Bereich untersteht offiziell der Kont- in den Gebetsraum, erschoss 29 betende Mus- rolle durch die palästinensischen Behörden. lime und verletzte Hunderte bis der Attentäter selber getötet wurde. Als Reaktion auf das Mas- H2 umfasst 20% der Stadtfläche Hebrons Abrahamsmoschee und steht unter direkter Kontrolle durch das saker verhängte die Armee eine Ausgangssperre israelische Militär. Sämtliche Siedler*innen von mehreren Monaten, die jedoch ausschließ- men zur Trennung von israelischen Siedler*innen leben in H2, unter 35.000 palästinensischen lich Palästinenser*innen betraf und nicht die und Palästinenser*innen nach und nach auf die Anwohner*innen. H2 umfasst auch die histori- Siedler*innen, die sich weiter ungehindert be- gesamte Stadt ausgeweitet. Heute sind die wich- sche Altstadt und deren Geschäftszentrum. Seit wegen konnten. Die Moschee wurde monatelang tigsten Merkmale dieser Politik Einschränkungen 2001 hat die israelische Armee darüber hinaus geschlossen und dauerhaft zur Hälfte in eine Sy- der Bewegungsfreiheit durch die Schließung von nach und nach die Zugänge zu Privathäusern nagoge verwandelt. Von den ursprünglich sieben Straßen, Checkpoints und Steinblöcke zur Absper- und Geschäften in der wichtigsten Straße, der Zugängen sind Muslim*innen heute nur zwei ge- rung von Straßen, besonders in der Innenstadt rund Shuhada-Straße, verschlossen. Heutzutage blieben. Nach dem Massaker wurden die Maßnah- um die israelischen Siedlungen. sind die meisten Türen verschweißt. Dies be- deutet lange Umwege, um von der einen auf die andere Seite der Shuhada-Straße zu kommen. Heilige Stätte Bewohner*innen müssen alternative Lösungen [ ] Sowohl der arabische Name Al-Khalil (der Freund), als auch der hebräische Name Hevron nehmen finden, um in ihre Häuser zu gelangen, z.B. ge- Bezug auf Abraham, den Freund Gottes. Nach Mekka, Medina und Jerusalem ist Hebron die viertheiligs- fährliche Kletteraktionen über Nachbardächer te Stätte des Islam und eine der wichtigsten heiligen Stätten des Judentums. Trotz historischen Verfalls oder Löcher in den Wänden zu den Nachbar- und Schäden durch die israelische Militärbesatzung besticht die Altstadt Hebrons bis heute durch die häusern. Zusätzlich gibt es an den Grenzen zu Schönheit und den Charme ihrer alten Gemäuer, engen Gassen und Märkte. Die Abrahamsmoschee wur- H2 mehr als 17 Checkpoints und über 100 Bar- de über einer Höhle errichtet, in der man die Gräber von Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka sowie rieren. Wer, wie alle Bewohner*innen der Alt- von Jakob und Leah vermutet. In der jüdischen Tradition wird sie Höhle der Patriarchen oder Machpela stadt mehrfach am Tag, von H1 nach H2 gelan- genannt. Die religiöse Bedeutung des Ortes verhalf der Stadt zu internationaler Berühmtheit. Während gen will, muss mindestens einen militärischen der Kreuzzüge wurde die Moschee fast vollständig zerstört, nur die römischen Mauern und der Schrein Checkpoint passieren. über dem Grab Josefs blieben verschont. Die Kreuzritter erbauten anstelle der zerstörten Moschee eine romanische Kirche, die nach der Niederlage der Kreuzritter von Saladin wieder zur Moschee umfunktio- niert wurde. Seit Beginn der israelischen Besatzung 1967 hat Israel versucht, die muslimische Kontrolle Siedlergewalt und Straffreiheit über die Moschee zu schwächen. [ ] Seit der Errichtung der ersten Siedlungen in He- bron sind gewaltsame Übergriffe von Siedler*innen auf Palästinenser*innen an der Tagesordnung. Vie- Hebron: eine Geisterstadt le dieser Angriffe kommen von Jugendlichen. In [ ] Die israelische Regierung rechtfertigt ihre Politik der Trennung von israelischer und palästinensi- jüngerer Zeit richten sich tätliche Übergriffe auch scher Bevölkerung mit Sicherheitsgründen. Eine Trennung sei zum Schutz der Siedler*innen notwendig zunehmend gegen internationale Beobachter*innen und gestatte ihnen ein normales Leben, so sagt sie. Der Wunsch von 500 Siedler*innen, mitten in Hebron und Aktivist*innen, die Menschenrechtsverletzun- zu leben, geht damit auf Kosten Tausender Palästinenser*innen, deren Familien dort seit Jahrhunderten gen und gewaltsame Übergriffe dokumentieren. gelebt haben. Mit den gewaltsamen Maßnahmen gegen Palästinenser*innen verletzt die israelische Angesichts der enormen Militärpräsenz israelischer Regierung schwerwiegend das Recht der Palästinenser*innen auf Leben, Sicherheit, Bewegungsfreiheit, Soldat*innen und Polizei in Hebron, die rund um die Gesundheit, Bildung, Eigentum und andere Menschenrechte. Beim Vergleich mit den Bestimmungen Siedlungen stationiert sind, werden Soldat*innen internationalen Rechts wird deutlich, dass die Maßnahmen zur Trennung und Unterdrückung in Hebron immer wieder Zeugen von tätlichen Übergriffen im Hinblick auf internationales Recht völkerrechtswidrig sind. Die offensichtlichste Folge der israeli- durch Siedler*innen auf Palästinenser*innen, kön- schen Politik ist, dass Bewohner*innen aus der Altstadt wegziehen. Sie ziehen entweder nach H1 oder nen jedoch bis zur Ankunft der Polizei nichts tun, da verlassen Hebron vollständig. Im Ergebnis beobachtet man eine kontinuierliche stille Vertreibung der sie ausschließlich zum Schutz der Siedler*innen ab- Bewohner*innen aus der Altstadt, mit dem Risiko, dass noch mehr Häuser in der Gegend zu Siedlungen gestellt sind. Während palästinensische Angriffe auf umfunktioniert werden. Die Altstadt von Hebron ist eine Geisterstadt geworden. Seit Jahrzehnten wird Siedler*innen strengstens bestraft werden, kommen dieser andauernde Prozess durch die israelische Militärbesatzung, Zwangsenteignungen und Repressio- Siedler*innen mit Angriffen auf Palästinenser*innen nen gefördert. Das konstante Fortschreiten und der immer festere Würgegriff der israelischen Besatzung weitestgehend davon und weder die Armee sind schnell genug, um Tatsachen zu schaffen, jedoch langsam genug, um keinen internationalen Auf- noch die Polizei intervenieren zum Schutz der schrei zu provozieren. Das schafft den Eindruck einer bewussten und erfolgreich umgesetzten Strategie Palästinenser*innen und deren Besitztümer. Der der stillen Vertreibung von Palästinenser*innen. Diese Politik ist besonders offensichtlich in Hebron, das Befehl, Siedler*innen nicht zu verhaften oder ihnen mit seiner geschlossenen Shuhada-Straße ein Symbol für die israelische Militärbesatzung und Landnah- zu schaden, kommt dabei häufig von ganz oben. Vor me im gesamten besetzten Gebiet geworden ist. diesem Hintergrund haben in den letzten Jahrzehn- ten gewaltsame Übergriffe durch Siedler*innen auf Palästinenser*innen erheblich zugenommen und ge- Alle Texte: Thimna Bunte, KURVE Wustrow und Issa Amro, Youth Against Settlement hören zum traurigen Alltag der Palästinenser*innen. Aus der Broschüre: Hebron, Geisterstadt; Hrsg. und Bestelladresse: www.kurvewustrow.org

10 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron Kommentare

Kinder in Haft – Versöhnung –

Bundesregierung muss eine Mammutaufgabe Komme nta re

handeln er Besuch des palästinensischen Pre- mierministers Anfang Oktober im Gaza- erzeit befinden sich ca. 300 palästinen- streifen war ein historischer Schritt und sische Kinder in israelischen Gefängnis- ein immens wichtiger auf dem Weg zur sen. Nach dem israelischen Militärrecht, DÜberwindung der seit über zehn Jahren andauern- das von der israelischen Regierung in den Spaltung des palästinensischen Volkes. Dden besetzten palästinensischen Gebieten ange- wandt wird, können Kinder ab zwölf Jahren zu bis Es gibt Zeichen der Entspannung zwischen Fatah und zu 20 Jahren Haft verurteilt werden. Anders als das Hamas. Die ägyptische Regierung hat dabei eine ent- israelische Zivilrecht hält sich das Militärrecht, scheidende Rolle gespielt. Die Gründe für den plötzlichen nach dem Palästinenser*innen verurteilt werden, Sinneswandel beider Seiten sind vielfältig und kompli- nicht an die UN-Kinderrechtskonvention. ziert. Allerdings haben sie wesentlich mit der regionalen Entwicklung und mit den sich neu herauskristallisieren- 16-jährige Palästinenser*innen werden vor den Gerichten den Lagern im Nahen Osten zu tun. Dazu addiert sich wie Erwachsene behandelt – israelische Jugendliche gel- die aussichtslose Situation, in der sich beide, Fatah und ten dagegen erst mit 18 Jahren als strafmündig. Auch ist Hamas, befinden. bei palästinensischen Kindern für das Strafmaß nicht das Die Wiederherstellung der palästinensischen Einheit Alter zum Zeitpunkt des Delikts maßgeblich, sondern das in dieser Zeit, in der sich der israelische Siedlerkolonia- Alter bei der Verurteilung – bei israelischen Jugendlichen lismus ungebremst weiter fortsetzt und kaum eine Stim- gilt das Gegenteil. Israelis dürfen höchstens 24 Stunden me in der Welt sich ernsthaft dagegen erhebt, ist es ein festgehalten werden, bis sie zwingend einem Richter vor- erster Schritt, dem palästinensischen Widerstand gegen geführt werden müssen – bei Palästinenser*innen, auch diese Expansionspolitik Auftrieb zu verleihen. Es ist auch bei Kindern, sind 8 Tage möglich. Viele palästinensische ein Schritt, die soziale und wirtschaftliche Situation der Kinder „gestehen“ unter enormem Druck. palästinensischen Bevölkerung, insbesondere im Gaza- Das Wegsperren der jungen palästinensischen Gene- streifen, zu verbessern. ration und die Verhaftung von Kindern sind ein Verbre- Trotz aller verständlichen und nachvollziehbaren Eu- chen. Gepaart mit der massiven Siedlergewalt gegen die phorie in der palästinensischen Bevölkerung und im Lager palästinensische Zivilbevölkerung, die mit Enteignung der Freunde Palästinas weltweit, muss nüchtern feststellt und Landnahme einhergeht, bildet dieses Vorgehen eine werden, dass wir uns erst am Anfang eines langen Pro- gefährliche Mischung. Bei der palästinensischen Bevöl- zesses befinden. Die Überwindung der innerpalästinen- kerung macht sich nicht nur die Überzeugung breit, mit sischen Spaltung wird ein langwieriger und schwieriger einer gerechten Behandlung nicht rechnen zu können, Prozess, der unter Umständen Monate andauern könnte. sondern auch die Gewissheit, jeder Zukunft beraubt zu Auch mit Rückschlägen und sogar Stillstand muss gerech- werden und zudem der Gefahr körperlicher Übergriffe net werden. insbesondere durch Siedler*innen ausgesetzt zu sein. Der Prozess könnte mit einer nationalen Versöhnung Ermöglicht wird diese Situation durch die weitgehende gekrönt werden. Allerdings ist dies keine Selbstver- Straflosigkeit. ständlichkeit, denn die Überwindung der Spaltung ist ein Die Schwächung kritischer NGOs, nicht zuletzt durch politischer und verwaltungsmäßiger Akt, während die die israelische Regierung, lässt für die Zukunft kaum Bes- nationale Versöhnung eine politische und eine soziale serung erahnen. Es ist daher die Pflicht der Bundesregie- Herausforderung zugleich ist. Die nationale Versöhnung rung und der EU, dieser Unterdrückung und Diskriminierung setzt voraus, dass man die politischen Differenzen und entschieden entgegenzutreten und israelische Friedens- deren Ausprägungen der vergangenen zehn Jahre und die bewegung und Menschenrechtsverteidiger*innen in ei- sozialen Gräben, die die Spaltung verursacht haben, über- nem zunehmend feindlichen und für Leib und Leben der windet. Bei diesem Schritt sind die Palästinenser*innen Betroffenen gefährlichen Klima zu unterstützen. Es sind auf die Hilfe der Freunde und Freundinnen aus aller Welt diese Menschen, die sich die Bundesregierung zu Part- angewiesen, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen. nern machen und die sie schützen muss, will sie in ihrem Die Erfahrungen der Europäer*innen, Afrikaner*innen Bekundungen, sich für Frieden in Nahost einzusetzen, und Südamerikaner*innen in dieser Hinsicht können für glaubwürdig sein. Waffenlieferungen und blinder „Gehor- die Palästinenser*innen sehr nützlich sein. sam“ werden keinen Frieden schaffen. Wer zu Verbrechen schweigt, macht sich mit schuldig. Raif Hussein Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft

Annette Groth Soziologin, ehem. MdB/ menschenrechtspolitische Sprecherin der LINKEN

11 Palästina Journal · Deutsche und EU-Nahostpolitik Deutsche und EU-Nahostpolitik

Eine neue Antisemitismus- damit der verklemmten „Logik“ der „Anti-Deut- jeden und niemand dingfest machen kann und auf Nichtdefinition schen“, die die Kritik am Finanzkapitalismus als keinen Fall justiziabel ist. Das ist ihr gelungen. [ ] Die Bundesregierung hat offensichtlich nicht antisemitisch einstufen, da „der Jude“ historisch Abgesehen davon, dass diese Erklärung auch mehr dem Druck standhalten können, den Freun- immer mit dem Finanzsystem identifiziert werde? für die staatstreueste Justiz nicht bindend ist – den der israelischen Regierung beizustehen, um Diese „Definition“ lässt den Suchenden verwirrter sie ist ein Regierungsbeschluss, kein Gesetz –, die Kritik an der israelischen Politik noch wirksa- zurück als vor ihrer Lektüre. ist sie so unbestimmt und widersprüchlich, dass mer bekämpfen zu können. Eine verbindliche Defi- Einen Hinweis zur Auflösung dieser Rätsel sich jeder seinen eigenen Antisemitismus-Reim nition des Antisemitismus sollte diese Keule noch vermag eventuell der Zusatz zu der Definition darauf machen kann. So kann sich jeder dem Un- schlagkräftiger gegen die verbreitete und immer geben, dass „auch der Staat Israel, der dabei als sinn der israelischen Regierung anschließen, dass schärfere Kritik einsetzbar machen. Nun ist sie da. jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher die UNO-Generalversammlung und insbesondere Die Regierung hat sich dabei auf Arbeiten der Angriffe sein kann“. Darauf zielt auch der Präsi- der Menschenrechtsausschuss wegen ihrer kriti- Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken dent des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schen Resolutionen antisemitisch seien. Er kann (IHRA), eine 1998 gegründete zwischenstaatliche der den Beschluss der Bundesregierung mit dem das aber auch als offensichtlich abwegig ableh- Institution mit Sitz in Berlin, gestützt. Die Defini- Satz begrüßte: „Antisemitismus im Gewand nen. Der Vorwurf „Apartheid-Regime“ kann nach tion ist im Mai 2016 von den 31 Mitgliedsstaaten vermeintlicher Israelkritik gilt es ebenso dieser Definition ebenso gut als „Angriff auf den der IHRA verabschiedet worden. Israel, Groß- zu bekämpfen wie die alten Vorurteile Staat Israel als jüdisches Kollektiv“ gewertet wer- britannien, Österreich und Rumänien haben sie gegenüber Juden“. Das ist offensichtlich des den, wie der nachweisbare Befund, dass es sich bereits übernommen. Doch was bringt sie? Wie Pudels Kern. Der weitere Hinweis der Regierung, bei den Siedlungen in den besetzten Gebieten um die ZEIT berichtet, empfiehlt die Bundesregierung, dass eine israelische Entscheidung „kritisiert wer- einen völkerrechtswidrigen Siedlerkolonialismus die Definition z. B. in Schulen und in der Ausbil- den (darf), wenn sie kritisiert wird, wie eine Ent- handelt. Dazu bedarf es allerdings nicht dieser dung von Justiz und Polizei zu verwenden. Damit scheidung in Polen, Amerika oder China“, kann die Regierungserklärung, die wiederum nicht fordert, soll die Jugend frühzeitig gegen Kritik an israeli- Kritiker allerdings nicht glücklich machen. Denn derartige „Israelkritik“ als antisemitisch zu be- scher Politik immunisiert werden, und vor allem eine Kritik à la Böhmermann an Erdogan würde zeichnen. sollen die Gerichte einen Leitfaden erhalten, um gegenüber Netanjahu ohne wenn und aber als Dass Antisemitismus ein Rassismus ist, wird bestimmte Straftaten einheitlich als antisemitisch antisemitische Verleumdung geahndet werden. jeder unterschreiben. Das wäre zwar eine präzi- einzuordnen. Nein, es geht um die Illegalisierung der Kritik an se, jedoch zu enge Definition, um „Israelkritik“ Schauen wir uns allerdings die Definiti- der israelischen Besatzungspolitik in öffentlichen darunter zu fassen. Sie musste also weiter, unbe- on genauer an, kommen Zweifel, ob sie das Auftritten und Veranstaltungen – hier muss das stimmter und ohne genaue Konturen gefasst wer- wird leisten können. Der erste Satz lautet: Grundrecht auf freie Rede seine Grenzen haben. den. Dass Zionismus eine Form des Rassismus ist, „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahr- Denn die bisherigen Versuche, private oder öf- bildete zwar 1975 den Gegenstand der Resolution nehmung von Juden, die sich als Hass ge- fentliche Institutionen zur Kündigung ihrer Säle 3379 der UN-Generalversammlung und ist auch genüber Juden ausdrücken kann.“ Kann? Die für derartige Veranstaltungen zu bewegen, schei- wissenschaftlich begründbar. Die Resolution war „Wahrnehmung“ muss sich also gar nicht als „Hass terten mehrfach vor Gericht. Aber es bestehen er- politisch jedoch nicht haltbar. Mit dem Untergang gegenüber Juden“ ausdrücken. Antisemitismus ist hebliche Zweifel, ob diese Begriffserklärung jetzt der Sowjetunion stimmte Boris Jelzin in seinem also einfach „eine bestimmte Wahrnehmung“, helfen wird. ersten Jahr der Präsidentschaft der Rücknahme gleichgültig, ob sich in ihr Hass gegenüber Juden Nehmen wir die Bundesregierung mit ihrer Er- der Resolution zu, die im Dezember 1991 erfolg- ausdrückt oder nicht. Doch welche „bestimmte klärung beim Wort, so hat sie sich listig aus der te. Wir bewegen uns hier also auf glattem poli- Wahrnehmung“ ist es dann? Der zweite Satz der Affäre gezogen. Beiden Ministern, die die Erklä- tischem Parkett mit der Gefahr, bei jedem Schritt Definition gibt darüber aber keinen Aufschluss: rung der Öffentlichkeit vorstellten, Sigmar Gabriel auszurutschen. Eine wissenschaftliche Definition „Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Thomas de Maizière, war gewiss noch in Er- würde dem politischen Ziel, die Kritik an der is- oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische innerung, dass Gabriel im März 2012 nach einem raelischen Politik zu unterbinden, nicht dienen. Es Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, Besuch Hebrons die israelische Regierung hart musste also eine politische multiflexible Formel sowie gegen jüdische Gemeindeinstituti- anfasste und auf facebook seinen Eindruck teilte: her, von der der Zentralrat und all die verbissenen onen oder religiöse Einrichtungen.“ Statt „Das ist ein Apartheid-Regime, für das Parteigänger der israelischen Besatzungspolitik Schulen, Justiz und Polizei nun darüber aufzuklä- es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Für die- enttäuscht sein müssen, wenn sie sie einmal ge- ren, was Antisemitismus wirklich ist, gibt sie ih- ses Urteil, das viele im politischen Berlin teilen, nauer gelesen haben. nen ein weiteres Rätsel auf. Denn Antisemitismus aber nicht öffentlich verkünden, gibt es gute kann sich auch „gegen nicht-jüdische Einzelperso- Gründe. Für den Zentralrat muss es jedoch purer nen und/oder deren Eigentum“ wenden. Wie das? Antisemitismus gewesen sein, den kein einfacher Kann damit die Kritik an der Bundeskanzlerin, den Abgeordneter politisch überlebt hätte. Diesen Ek- beiden christlichen Kirchen oder der Bundesbahn lat im Hinterkopf musste die Definition so inhalts- Norman Paech auch antisemitisch sein? Oder folgt die Regierung los, beliebig und nichtssagend ausfallen, dass sie ehem. MdB und Professor für Völkerrecht

12 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Deutsche und EU-Nahostpolitik Deutsche und EU-Nahostpolitik

Neue Antisemitismus-definition CDU gegen BDS Kritik am Siedlungsbau [ ] Die Bundesregierung hat sich der internatio- [ ] Die CDU Deutschlands hat auf ihrem 29. Par- [ ] Die Bundesregierung kritisierte am 19. Ok- nalen Definition von Antisemitismus der Internatio- teitag in Essen einen Beschluss „Antisemitischer tober nachdem bekannt wurde, dass die israe- nalen Allianz für Holocaustgedenken (International BDS-Bewegung konsequent entgegen treten“ ge- lische Regierung weitere 3.000 neue Wohnein- Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)) ange- fasst. „Die CDU Deutschlands erklärt … heiten in israelischen Siedlungen bauen wird: schlossen. Die Definition lautet: „Antisemitis- ihre Missbilligung und Ablehnung jegli- „Jede neue Wohneinheit festigt eine Ein- mus ist eine bestimmte Wahrnehmung von cher BDS-Aktivitäten und verurteilt diese Staaten-Realität, in der den Palästinen- Juden, die sich als Hass gegenüber Juden als antisemitisch.“ sern die volle Ausübung ihrer politischen ausdrücken kann. Der Antisemitismus Rechte verwehrt bleibt.“ Die Möglichkeit richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdi- Forderungen der eines zusammenhängenden und lebensfähigen sche oder nichtjüdische Einzelpersonen Europäischen Linken palästinensischen Staates werde unter anderem und/oder deren Eigentum sowie gegen [ ] Die Europäischen Linken haben bei ihrem Kon- dadurch untergraben, dass Ost-Jerusalem weiter jüdische Gemeindeinstitutionen oder re- gress im Dezember 2016 in Berlin über einen Antrag vom Westjordanland abgeschnitten wird. „Vor ligiöse Einrichtungen. Die Bundesregierung zu 50 Jahre israelische Besatzung abgestimmt. Um diesem Hintergrund verfolgen wir Berich- empfiehlt die Berücksichtigung der erweiterten einen vollständigen Rückzug aus den besetzten Ge- te, wonach der Bau der Siedlung Givat Arbeitsdefinition insbesondere in der Schul- und bieten zu erreichen, empfiehlt die Europäische Linke: Hamatos vorangetrieben werden soll, mit Erwachsenenbildung sowie bei der Ausbildung in a die Aussetzung des EU-Assoziierungsabkom- besonderer Sorge und rufen die israelische den Bereichen Justiz und Exekutive. mens mit Israel, einschließlich des bevorzugten Seite auf, davon Abstand zu nehmen.“ Handelsabkommens; „The Lobby“ deckt auf a die Beendigung der speziellen Beziehung Isra- U-Boot-Deal mit Israel [ ] Der Sender Al Jazeera aus Katar hat Underco- els zur NATO, einschließlich der Schließung der [ ] Trotz laufender Korruptionsermittlungen aus ver Journalisten in pro-israelische Gruppierungen ständigen Vertretung im NATO-Hauptquartier; einem früheren Geschäft hat die Bundesregierung in Großbritannien und in den USA eingeschleust. a einen Importstopp für Güter aus den besetzten dem Verkauf von drei weiteren U-Booten nach Is- Ein so entstandener vierteiliger Dokumentarfilm Gebieten; rael zugestimmt. Ob die Zusage an Bedingungen „The Lobby“ zeigt, wie Shai Masot von der is- a die Beendigung der Kriminalisierung von BDS geknüpft ist, ist unklar, wie Tagesschau.de gemel- raelischen Botschaft in London sagte, er würde (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen)- det hat. Deutschland werde sich an der Beschaf- britische pro-palästinensische Parlamentarier ein- Aktivist*innen. fung mit maximal 540 Millionen Euro beteiligen, schließlich des Außenministers Sir Alan Duncan, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dies der für einen palästinensischen Staat eintritt, „zer- seien etwa 30 Prozent des Geschäftsumfangs. legen“. Masot trat daraufhin zurück. Klagen gegen Die finanzielle Beteiligung Deutschlands gelte vor „The Lobby”, der Film sei antisemitisch, wurden dem Hintergrund der historischen Verantwortung nach einem Bericht des Guardian vom 9. Oktober gegenüber Israel. Laut Seibert sind die Bundes- 2017 von der zuständigen britischen Regierungs- haushalte von 2018 bis 2027 betroffen. behörde Ofcom zurückgewiesen. Die israelische Regierung will nun das Al Jazeera-Büro in Israel EU-Staaten fordern von Israel schließen. Der Al Jazeera-Direktor für investiga- Entschädigung Foto // Röm tiven Journalismus, Clayton Swisher, teilte mit, [ ] Acht EU-Staaten wollen zum ersten Mal in der dass der Sender nun auch das in den USA gesam- Marktstand in Tulkarem, Westbank. EU-Geschichte mehr als 30.000 Euro Entschädi- melte Material veröffentlichen werde. gung von Israel für die Zerstörung von EU-finan- Städtepartnerschaft zierten Gebäuden im Westjordanland fordern, Malu Dreyer in Israel/Palästina Mannheim/Hebron berichtete die österreichische Zeitung Der Stan- [ ] Die Bundesratspräsidentin und Ministerpräsi- [ ] Die Städtepartnerschaft zwischen Mannheim dard. Die EU-Mitgliedsstaaten bereiteten eine dentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, ist bei ihrer und Hebron kann erste Erfolge vorweisen. So erhält Entschädigungsforderung für zwei Schulgebäude Nahostreise im Oktober mit dem Ministerpräsiden- der Stadtteil Al Sindas mit 2.500 Einwohner*innen für palästinensische Kinder vor, die im August zer- ten der palästinensischen Autonomiebehörde, Rami endlich einen Anschluss an das Kanalisationsnetz. stört worden seien. Die Initiative wird von Belgien Hamdallah, zusammengetroffen. Laut einem Be- Mannheim unterstützt die Palästinenser*innen angeführt und von Frankreich, Spanien, Schwe- richt der rheinlandpfälzischen Landesregierung durch ein Kooperationsprojekt. Fachexperten der den, Luxemburg, Italien, Irland und Dänemark habe sie ihm versichert, dass Deutschland sich Hebroner Abwasserabteilung und des Eigenbe- mitgetragen. Israel hatte die Zerstörungen damit weiterhin für eine Zweistaatenlösung einsetzen wer- triebs Stadtentwässerung Mannheim tauschen begründet, die Gebäude seien ohne Genehmigun- de. „Ich habe auch deutlich gemacht, dass sich aus. Die Stadt Hebron will auch eine Kläran- gen errichtet worden. dafür die innerpalästinensische Versöhnung lage bauen, das Know-how der Mannheimer soll Voraussetzung ist, also die Aussöhnung zwi- Hebron helfen, einen gut funktionierenden Abwas- Späte Einsicht schen Hamas und Fatah.“ Dreyer traf auch den serbetrieb aufzubauen. Mannheim/Hebron ist eine [ ] Der ehemalige britische Staatschef und EU- Generalsekretär der Partei Al-Mubadara, Mustafa von neun Partnerschaften zwischen deutschen und Unterhändler im Nahen Osten, Tony Blair, hat in Barghouthi: „Die Notwendigkeit, die Zivilge- palästinensischen Städten. Neben Köln und Beth- einem Interview mit dem britischen Guardian zu- sellschaft zu stärken, war unsere gemeinsame lehem existieren Städtepartnerschaften zwischen gegeben, dass es falsch gewesen sei, die Hamas Überzeugung.“ Zuvor war die Ministerpräsidentin Jena und Beit Jala, Bergisch Gladbach ebenfalls zu boykottieren, nachdem sie 2006 die Wahl ge- in Israel. Auf die Frage von Netanjahu, ob Deutsch- mit Beit Jala, Xanten mit Beit Sahour, Nablus mit wonnen hatte. Die internationale Gemeinschaft land nach der Bundestagswahl seine Politik im Na- Nürnberg, Bad Oldesloe mit Jifna, Bonn und Ra- hätte die militante Fraktion in einen Dialog über hen Osten ändern werde, versicherte Malu Dreyer, mallah sowie Bielefeld und Zababdeh. die Anerkennung Israels bringen sollen, ist er heute die Sicherheit Israels bleibe deutsche Staatsraison. Kontakt: [email protected] überzeugt.

13 Palästina Journal · Aktivitäten

Berlin Jürgen Sendler [email protected] Aktivitäten Nordrhein-Westfalen (Süd) DPG organisiert Rundreise mit Issa Amro und Reise nach Hebron Dr. Martin Breidert [ ] Die DPG unterstützt die 2010 gegründete palästinensische Jugendorganisation „Youth Against [email protected] Settlements“ (YAS) in Hebron. YAS ist eine gewaltfreie lokale und internationale Kampagne. Sie richtet sich gegen die israelische Besatzungspolitik, die Abriegelung und Teilung der Stadt sowie Köln und die schleichende Vertreibung. YAS setzt sich für die Verwirklichung von Menschenrechten und in- Umgebung ternationalem Recht ein. Eines ihrer Hauptziele ist die Öffnung des Stadtzentrums und die Wieder- Petra Schöning belebung der Shuhada-Straße. Hebron ist seit 1997 eine geteilte Stadt. Checkpoints und Stachel- [email protected] drahtzäune markieren diese Trennung, in deren Folge nicht nur palästinensische Wohnungen, sondern auch Verkaufsläden geschlossen werden mussten. Das Zentrum, in dem die Shuhada-Straße liegt, Düsseldorf ist seitdem verwaist und verwahrlost. Die Shuhada-Straße, die hinter dem Stacheldraht nahe der William Hodali Abrahamsmoschee beginnt, ist zu einem öden Ort geworden. Vom einstigen Glanz ist nichts mehr. [email protected] Die zugeschweißten Metalltüren der Läden wirken abweisend und lassen die Straße gespenstisch wirken. Israelis und Touristen dürfen die Shuhada-Straße benutzen, Palästinenser werden von ihr Göttingen ferngehalten. Die Geschäfte sind seit Jahren geschlossen. Palästinenser brauchen eine spezielle Ekkehard Drost Genehmigung, um die Straße betreten zu können. Ein- und Ausgänge sind von der Armee gesperrt. [email protected] Die wenigen verbliebenen palästinensischen Familien brauchen eine Erlaubnis der Armee, um dort zu leben. Die meisten Palästinenser, die einmal hier gearbeitet und gelebt haben, sind nicht freiwil- Hamburg und lig, sondern wegen diesen, von der Besatzungsmacht verhängten, Einschränkungen weggezogen. Umgebung Die DPG bittet interessierte Regionalgruppen, Arbeitskreise und Solidaritätsgruppen zu einem Dr. Dieter und Eva Lehmann Informationsvortrag mit Issa Amro von Youth Against Settlements einzuladen. Die Rundreise von [email protected] Issa Amro durch Deutschland wird vom DPG-Präsidium organisiert. Die Kosten werden unter den Veranstaltern aufgeteilt. Bitte meldet euer Interesse an [email protected]. Außerdem plant die Hannover DPG eine Informations-Reise nach Israel/Palästina mit Schwerpunkt Hebron. Interessierte Dr. Lothar Prison Personen, die daran teilnehmen wollen, werden gebeten sich an [email protected] zu wenden. al äs tin e n s i sc h G ese ll ha f t [email protected] Gegen den Menschenrechtler Issa Amro aus Hebron hat am 29. Oktober ein Prozess vor einem israelischen Militärgericht begonnen. Zuvor war er von palästinensischen Sicherheitskräften fest- Frankfurt/Main gehalten worden. Amnesty International sieht die Vorwürfe gegen Amro als grundlos und politisch Khalil Toama motiviert an. Auch der US-Politiker Bernie Sanders von den Demokraten hat sich für die Freilassung [email protected] des Aktivisten stark gemacht. https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/menschenrechtler-vor-militaergericht Trier Hazem Shehada Nazih Musharbash, DPG-Vizepräsident [email protected]

Oldenburg/ Ostfriesland Konferenz „Zur Zeit der Verleumder“ Isam Elkorhaly [ ] Die Konferenz mit dem Titel „Zur Zeit der Verleumder“ mit Moshe Zuckermann, Rolf Becker, Es- [email protected] ther Bejarano, Moshé Machover, Jackie Walker u.a. am 10. Februar 2018 in Berlin versteht sich als eine ideologiekritische Intervention gegen die Instrumentalisierung von Juden, Judentum und der Ruhrgebiet jüdischen Katastrophe. Bereits Anfang der 1980er-Jahre klagte der Dichter Erich Fried die Stigma- Dr. Yousef Ribhi tisierung jüdischer Linker als „rote Antisemiten“ durch „Sprecher des Westens“ an. Seine von den [email protected] ersten Verwerfungen des neoliberal radikalisierten Kapitalismus geprägte Gegenwart beschrieb er als „Zeit der Verleumder“. Was damals mit wütenden Polemiken begann, ist heute zu einem Kom- Osnabrück und plex aus Rufmordkampagnen und Sanktionen ausgewachsen, die aus den etablierten Parteien und Umgebung AfD, von neokonservativen „Antideutschen“, „Antinationalen“ und christlichen Fundamentalisten Nazih Musharbash initiiert und von den hegemonialen Medien propagiert werden. [email protected] http://projektkritischeaufklaerung.de/de/konferenz-in-berlin-am-10-februar-2018/

Bremen Oster-Reise nach Palästina Dr. Detlef Griesche [ ] Das ForumFriedensEthik in der Evangelischen Landeskirche in Baden bietet eine Studien- und [email protected] Begegnungsreise nach Jerusalem und Palästina vom 25. März–5. April 2018 (Osterferien) an. Diese Studienreise will schwerpunktmäßig einige Aspekte der religiösen, politischen und geschichtlichen Kassel Hintergründe des israelisch-palästinensischen Konflikts aufzeigen. [email protected] Anmeldung und Infos bei [email protected] R eg i o nal gru pp e n d er Deu t sc h -P

14 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Aktivitäten Aktivitäten

Protest vor Paulskirche DPG nahm an Reise des Bundespräsidenten teil [ ] Anlässlich der Verleihung des Friedenspreises [ ] Zur Delegation der Reise des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nach Israel und Palästi- des Deutschen Buchhandels an die kanadische na gehörte zum ersten Mal auch ein DPG-Vertreter. Darüber hinaus gehörte zur Delegation u.a. Volker Autorin Margret Atwood in der Frankfurter Pauls- Beck (Parlamentariergruppe Israel) und Gabriele Groneberg (Parlamentariergruppe arabische Länder), kirche setzten Aktive vor dem Eingang ein Zei- Josef Schuster (Zentralrat der Juden in Deutschland), Friede Springer (Springer Verlag) und Charlotte chen für die Meinungsfreiheit in der Stadt. Hin- Knobloch (Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern). tergrund hierfür war: Israelkritik soll unter dem Im Vorfeld nutzte ich die Möglichkeit, einige Programmpunkte selber zu gestalten. So führte ich Vorwand des Antisemitismus – auch in Frankfurt Gespräche mit israelischen Oppositionellen und mit Mitgliedern der arabischen gemeinsamen Liste in – verhindert werden. Angestoßen wurde dies Israel und mit Oppositionellen in Palästina. Den Besuch in Yad Vashem und den Vortrag des wissen- durch die Magistratsvorlage M 165 auf Initiative schaftlichen Leiters der Gedenkstätte zähle ich zu den der Höhepunkten dieser Reise. von Bürgermeister Uwe Becker (stellvertretender Staatssekretär Steinlein organisierte eine Gesprächsrunde, an der ich mit MdB Volker Beck heftig Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesell- diskutiert habe. Mir wurde deutlich, dass die Lobbyisten der Israel-Politik in Deutschland konserva- schaft Frankfurt). Die Magistratsvorlage soll die tiver und zu meinem Erstaunen noch „zionistischer“ sind als die Israelis selbst. Ihre Hauptaufgabe Vergabe von städtischen Räumen für „antisemiti- besteht darin, Strategien, die in Israel entwickelt werden, im politischen Berlin salonfähig zu machen sche“ (in Wahrheit: israelkritische) Veranstaltun- und Schwachstellen in der Solidaritätsarbeit für Palästina in Deutschland und Europa aufzugreifen. gen unterbinden. Ein modifizierter Beschluss der Von besonderer Bedeutung war ein spürbarer Paradigmenwechsel einer deutschen Politik ge- Stadtverordneten erging am 28.9.17. Aktive vor genüber Israel. Diese Haltung bekräftigte der Bundespräsident in einer Rede an der Universität in Ort protestierten mit einem akustischen FLASH- Jerusalem und in einem Gespräch in der Residenz des deutschen Botschafters in Tel Aviv. An diesen MOB und verteilten ein Flugblatt „Die Freiheit Gesprächen nahmen Amos Oz, David Großmann, Mosche Zimmermann und Avi Primor teil. In vielen der Kritik verteidigen! ... gegen die Ins- Unterredungen trugen israelische Gesprächspartner ihre Furcht um den Fortbestand des Staates Isra- trumentalisierung des Antisemitismus- el vor. Begründet wurde diese mit dem zunehmenden Radikalismus und dem religiösen Fundamenta- begriffs“. An LUDWIG BÖRNE, den jüdischen lismus, die der politischen Elite entgegen wirken. Sie forderten den Bundespräsidenten und die deut- Journalisten des 19. Jahrhunderts erinnerte vi- schen Politiker auf, mehr Druck auf Israel auszuüben und betonten, dass die Zwei-Staaten-Lösung die suell ein Schild mit der Botschaft: „HILF UNS, einzige mögliche Basis für einen Frieden zwischen Israel und Palästina sei. Diese Forderung, wurde BÖRNE! FRANKFURTER MAGISTRAT BE- noch deutlicher gestellt während eines Besuches in der Bildungsstätte Givat Haviva. SCHNEIDET DIE MEINUNGSFREIHEIT“. In Palästina wurden eine von Deutschland unterstütze Pflegestation für geistig behinderte Menschen und eine daran angeschlossene Akademie zur Ausbildung von Krankenpflegern besucht. In Almuqataa, Dorothee Roer dem Amtssitz des palästinensischen Präsidenten Abbas, legte Steinmeier als erster deutscher Politiker einen Kranz am Grab von Präsident Arafat nieder. Bei meinen Gesprächen mit den palästinensischen Oppositionellen und Vertretern von gesellschaftspolitischen Gruppen wurde immer wieder bekräftigt, DPG begrüSSt UN-Resolution wie wichtig die Arbeit der DPG für den Aufbau einer Zivilgesellschaft in Palästina sei. gegen Siedlungsbau [ ] Die DPG hat die UN-Resolution 2334 vom Raif Hussein, DpG präsident 23. Dezember 2016 begrüßt. Darin fordert der Sicherheitsrat unmissverständlich einen Stopp des Siedlungsbaus im besetzten Palästina. Das Bilanz der KoPI-Konferenz „50 Jahre israelische Besatzung“ internationale Recht verbietet es Israel, in be- [ ] Der Deutsche Koordinationskreis Palästina/Israel (KoPI) fordert eine stärkere Unterstützung des setzten Gebieten Siedlungen zu errichten. Der gewaltlosen Widerstandes der Palästinenser*innen. Das war das Ergebnis der KoPI-Konferenz vom Sicherheitsrat bezieht sich ausdrücklich auf das 9. bis 10. Juni 2017 in Frankfurt. Erst aufgrund eines Gerichtsurteils konnte die internationale Kon- Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von ferenz in den vorgesehenen Räumen tagen. Zur Unterstützung demonstrierte die örtliche Palästina- 2004, das sich an der Vierten Genfer Konventi- Initiative vor dem Tagungshaus. on (Art. 49) orientiert. Mit seiner Resolution, der auch die EU-Staaten Großbritannien, Frankreich und Spanien zugestimmt haben, stärkt der UN- Sicherheitsrat die völkerrechtliche Position des Staates Palästina, den die UN-Versammlung 2012 anerkannt hat. Er bekräftigt damit die Auffassung der EU, dass Produkte aus den Siedlungen nicht unter das EU-Präferenzabkommen fallen. Denn er fordert „alle Staaten auf, in ihren relevan- ten Beziehungen zwischen dem Hoheits- gebiet des Staates Israel und den seit 1967 besetzten Gebieten zu unterscheiden“. Die DPG fordert die Bundesregierung auf, dem Bei- spiel von Schweden und dem Vatikan zu folgen und den Staat Palästina anzuerkennen. Bundes- regierung und EU sollten Konsequenzen aus der Foto // Martina Waiblinger UN-Resolution ziehen und nicht nur verbal gegen den Siedlungsbau protestieren. Demo für Ende der Besatzung vor dem Konferenz-Gebäude während auf der Gegendemo „Palästina halt ‚s Maul“ gefordert wurde.

15 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron Schwerpunkt: Hebron Familie Azza aus Hebron: „Wir bleiben standhaft!“

Foto // CPT

Sumud/Standhaftigkeit. Es ist schwer, der Siedlergewalt zu trotzen. Das Abu-Rajab-Gebäude in Hebron ist seit einiger Zeit illegal von israelischen Siedlern besetzt. Freiwillige vom Christian Peacemaker Team haben dort neben den israelischen drei palästinensische Fahnen entdeckt, zwei hängen dort, wo noch eine palästinensische Familie wohnt. Ein Zeichen von Sumud!

er 53-jährige Hisham Azza lebt seit dererlaubnis benötigen. Der Hauptzugangsweg tragen Gewehre.“ Sundus hat eine 2003 mit seiner Frau und ihren ge- ist gesperrt und Siedler*innen blockieren die Al- Weile für die Organisation B’tselem gearbeitet, meinsamen fünf Kindern in Tel Ru- ternative. So muss die Familie einen dritten Weg die der Familie Kameras zur Verfügung gestellt meida. Der Besitzer verlangt für das nutzen, um zu ihrem Haus zu gelangen. hatte, um Übergriffe zu dokumentieren. Das war DHaus keine Miete, denn die Familie ist da, um Beim Einzug in das Haus dauerte es ei- jedoch nur begrenzt hilfreich, denn seitdem ver- es zu schützen. „Wenn wir gehen, nen ganzen Tag alle Möbel zu transportieren, hüllen Siedler*innen bei Angriffen einfach ihre übernehmen Siedler*innen das weil Siedler*innen die Familie mit Steinen Gesichter. Die Situation ist gefährlich und einige Haus“, sagen sie. attackierten. Anfangs hatten die Familienmit- Familien haben die Gegend aufgrund der unsiche- Das Leben hier ist nicht einfach. Immer wieder glieder große Angst, sich im Freien zu bewegen. ren Lage verlassen. Doch die Familie Azza bleibt. haben Siedler*innen das Haus beschädigt, indem „Die Siedler*innen können al- „Das ist unser Land“, sagen sie, sie Wasser durch offene Fenster schütteten, Was- les machen“, erklärt Tochter Sundus. serleitungen durchtrennten oder Steine gegen „Sie können einen körperlich „Wir haben Geduld.“ die Fensterscheiben warfen. Reparaturen sind angreifen, sie können schießen. schwierig, weil alle Besucher*innen eine Son- Selbst 18-jährige Siedler*innen Quelle: www.hebronapartheid.org/

16 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Schwerpunkt // Hebron Weltweite Solidarität Weltweite Solidarität Der wahre Grund für den Mauerbau: Annexion

Die israelische Mauer, die seit 2002 illegal auf palästinensischem Besatzungsgebiet gebaut wird, schien stillschweigend als Faktum akzeptiert zu sein. Dies änderte sich, als US-Präsident Donald Trump gegenüber dem mexikanischen Präsidenten Enrique Pena Nieto erklärte: „Wissen Sie – schauen Sie nach Israel – Israel hat eine Mauer und alle sagten, baut keine Mauer (…). Bibi Netanjahu hat mir versichert, dass die Mauer ihren Zweck erfüllt.“ Dies war ein Weckruf dafür, dass Israels Mauer dem palästi- nensischen Volk nicht nur seine grundlegenden Menschenrechte vorenthält, sondern inzwischen auch die welt- weite politische Geografie in einen noch feindseligeren Aufenthaltsort verwandelt hat.E s ist an der Zeit, sich zusammenzuschließen für eine Welt ohne Mauern und allen denjenigen in dem Arm zu fallen, die Mauern bauen, fördern und von ihnen profitieren.

ei Israels Mauer – Sinnbild der Mau- voneinander isoliert und Handelsbeziehungen für Land entlang der Mauer mit „Grenzverlaufsän- er des 21. Jahrhunderts – handelt es verunmöglicht, Bildung und Ausbildung für die derungen” begründet. Dies bestätigt nur offiziell, sich in städtischen Siedlungsgebieten Jugend blockiert werden und Erkrankte von Ge- was wir immer wieder gesagt haben: Der wahre um eine Betonmauer bis zu einer Höhe sundheitseinrichtungen abgeschnitten sind, neh- Grund für den Bau der israelischen Mauer ist Bvon acht Metern, in ländlichen Gebieten um ein men die Schäden gewaltig zu. Die Not wächst, die dauerhafte Annexion von palästinensischem Netz von Zäunen, Stacheldraht, Patrouillenwe- Familien und Gemeinschaften werden zwangsver- Gebiet. gen, Wachttürmen und elektronischen Überwa- trieben. Das palästinensische Wirtschaftsleben chungsanlagen. Zusammen mit den militärischen wird auf Dauer verkrüppelt und Selbstbestimmung Eine Welt von Mauern Sperrgebieten und Siedlungen benutzt Israel diese unmöglich. Israels Apartheid-Mauer ist ein Unikum, da sie Sperranlagen, um den Palästinenser*innen den Da die Mauer heute zu drei Vierteln fertigge- nicht nur auf besetztem Gebiet verläuft, sondern Zugang zu und die Nutzung von rund 60 % des be- stellt ist, bricht der israelische Siedlungsbau in bereits 2004 vom Internationalen Gerichtshof für setzten Westjordanlands zu verweigern, den abgeriegelten Gebieten alle Rekor- illegal erklärt wurde. Diese Position wurde in der die in den Osloer Friedensverträgen de: 2017 wurde die erste vollständig Folge auch von der UN-Vollversammlung über- Aktionstag von 1993 als Zone C bezeichnet wur- neue Siedlung seit 20 Jahren ge- nommen. Das Gericht erinnerte die internationale den. Seit Unterzeichnung des Ab- jedes Jahr nehmigt, in Ost-Jerusalem schafft Gemeinschaft auch an ihre Verpflichtung, die not- kommens hat Israel systematisch am 9. November Israel mit Nof die größte wendigen Massnahmen zu ergreifen, um Israel zu darauf hingearbeitet, sich diese „Für eine Welt Siedlung innerhalb eines paläs- stoppen und den Bau der Mauer weder zu unter- Zone dauerhaft einzuverleiben. Die ohne Mauern“ tinensischen städtischen Sied- stützen noch zu ihrem Unterhaltung beizutragen. Mauer ist deshalb nur die Spitze ei- lungsgebiets. Bereits 2016 wurde Bedauerlicherweise hat die internationale Ge- ner langfristigen Politik. Und wenn die- der Siedlungsbau um 40 Prozent ge- meinschaft Israels Mauer nicht gestoppt, sondern ses System der Abschließung einmal zu Ende steigert, was 2017 noch übertroffen wer- als Modell anerkannt: 15 Jahre nach Beginn des gebracht ist, werden die Palästinenser auf bloße den dürfte. Gleichzeitig führt Israel die Infrastruk- Mauerbaus gibt es dreimal soviele Grenzmauern 13 % ihres Heimatlandes zurückgeworfen sein. tur- und Regulierungsmaßnahmen zu Ende, um die und Mauern, die territoriale Kontrolle über besetz- Als dauerhafte Einrichtung auf palästinen- Palästinenser vollständig abzuriegeln und jene zu tes Gebiet sichern helfen sollen als 2002. sischem Gebiet beeinträchtigt die Mauer immer vertreiben, die jenseits der Mauer verblieben sind. So baut Europa 28 Jahre nach dem Fall der stärker das Leben der Menschen: Mit jedem Jahr, Seit Beginn des Mauerbaus genehmigt Israel Berliner Mauer Mauern in Ungarn und Bulgarien in dem den Bauern der Zugang zu ihren Feldern und den Zugang zu den isolierten Ländereien nur an be- und hält die Mauern in den spanischen Enklaven Wasserstellen verweigert wird, Gemeinschaften stimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten durch in Nordafrika aufrecht. Israelische Unternehmen festgelegte Tore und für ausgewählte Leute, die spielen mit bei der Militarisierung europäischer Foto // röm von ihm als Landbesitzer*in anerkannt sind und Grenzen und vermarkten ihre Erfahrungen beim die weitere Überprüfungen durchlaufen haben. Im Bau der israelischen Mauer. Um Verträge mit EU- Februar 2017 wurden palästinensische Behörden Ländern zu ergattern, brüstet sich das israelische im nördlichen Westjordanland davon in Kenntnis Unternehmen Btec Electronic Security Systems da- gesetzt, dass Palästinenser*innen mit weniger als mit, dass seine „Technologien, Lösungen und Pro- 330 Quadratmetern Land überhaupt keine Geneh- dukte an der israelisch-palästinensischen Grenze migung mehr erteilt wird. Die Hälfte der derzeiti- Verwendung finden”. Israelische Firmen wie Elbit gen Erlaubnisse ist gefährdet. Systems haben ihre Technologie für den Bau der Darüberhinaus wird die unlängst begonnene US-Mauer an der Grenze zu Mexiko exportiert, für Mauer, von Kindern bemalt. Überarbeitung der „Beschlagnahme”-Vorschriften Indiens Mauer nach Kaschmir und etliche mehr.

17 Palästina Journal · Weltweite Solidaität

Florierende Mauerindustrie Deutschland Eine wachsende Bewegung will die Verantwortli- Besuch im Kloster Cremisan chen für die israelischen Menschenrechtsverletzun- [ ] Nazih Musharbash hat das vom Mauerbau gen zur Rechenschaft ziehen und die Mechanismen schwer betroffene Beit Jala besucht: Zu meiner zu ihrer Finanzierung und Unterstützung brechen. Schulzeit in der evangelisch-lutherischen Schu- Human Rights Watch hat soeben einen Bericht le in Beit Jala war das Salesianer-Kloster von über die illegale Unterstützung israelischer Banken Cremisan oft Ziel von Wandertagen. Das seit 1885 für die Siedlungen veröffentlicht und ruft dazu auf, existierende und für seinen Wein berühmte Klos- diese weder zu finanzieren noch zu legitimieren. ter liegt zwischen Beit Jala und Jerusalem. Seine Kritik an Reformationsreise Die UN ist dabei, eine Liste von Unternehmen zu- fruchtbaren Ländereien mit Weinreben, Olivenhai- [ ] Das Kairos Palästina-Solidaritätsnetz hat sammenzustellen, die sich in den Siedlungsprojek- nen, Mandel- und Feigenbäumen grenzen zurzeit die „Gemeinsame Botschaft zum Abschluss der ten engagieren, einschließlich der Mauer. Indessen an zwei illegale israelische Siedlungen: Har Gilo Pilgerreise“ im Jahr 2016 von EKD und Bischofs- ziehen es immer noch viel zu viele Politiker*innen und Gilo. Vom Kloster aus blickt man auf die bei- konferenz kritisiert. Es sei eher desorientierend, vor, entweder zu schweigen oder als Kompliz*innen den Kolonien und auf die riesige Brücke mit dem abstrakt von der Gewalt auf beiden Seiten zu aufzutreten – selbst um den Preis, dass die neue darunter liegenden Tunnel nach Beit Jala. Seit der reden und die „Fragilität des Friedens“ zu bekla- Epoche des Mauerbaus tief in den öffentlichen Dis- Veröffentlichung einer Militärorder des israeli- gen in einer Situation, „wo doch kein Friede ist“ kurs und das politische Handeln eingeht. Während schen Kommandeurs der Westbank von 2006 soll (Jeremia 6,14). in Spanien über 60 Städte den palästinensischen Grundbesitz des Klosters für den Bau von Ergän- Aufruf für Boykott, Desinvestment und Sanktionen zungen der Trennmauer und für die Erweiterung „Wir bedauern die Allgemeinhei- (BDS) unterstützen, sich sogar zu ”Apartheid-freien der Siedlung Har Gilo beschlagnahmt werden. ten der ‚gemeinsamen Botschaft‘, Städten” erklärt haben und sich dafür einsetzen, Alle möglichen Routen der Mauer betreffen wirt- die den Frieden nicht fördern, Ver- keine Verträge oder Kooperationen mit Körper- schaftlich bearbeitetes Land des Klosters. Das Tal, stehen erschweren und die Empa- schaften einzugehen, die Menschen- und Völker- auf das ich blicke, ist ein einzigartiges Beispiel thie mit den gegenwärtigen Op- recht missachten, ist es empörend zu sehen, dass intakter historischer Kulturlandschaft, das bald fern herabsetzen werden“, heißt es in in drei deutschen Städten (München, Frankfurt und zerschnitten und zerstört werden wird. Unange- der Kairos-Stellungnahme. Köln – Anm. d. Übers.) Ratsbeschlüsse angestrebt meldet fahre ich zum Kloster und treffe dort auf werden, die jegliche Unterstützung von BDS be- zwei Pater, die mir alles zeigen, aber dezent Wert Das Kairos Palästina-Solidaritätsnetz ist ein im kämpfen wollen, damit das grundlegende Recht darauf legen, keine politischen Statements abge- Juli 2012 unter dem Dach von Kairos Europa e.V. der freien Meinungsäusserung missachten und ben zu wollen. Sie kritisieren zwar die israelische ins Leben gerufener Zusammenschluss ökumeni- den Einsatz für die universelle Einhaltung der Men- Entscheidung, vertrauen aber zugleich auf einen scher Gruppen, Netzwerke und Organisationen, schenrechte mit einem Bannstrahl belegen wollen. internationalen Druck auf Israel. Die israelischen die in Deutschland für Gerechtigkeit und Frieden Maßnahmen betreffen auch Land von palästi- in Israel und Palästina eintreten. nensischen Landeigentümern, die traditionell http://kairoseuropa.de/kairos-palaestina- ihre Trauben an das Kloster zur Weinherstellung solidaritaetsnetz/ liefern und zum Teil davon leben. Mit Tränen in den Augen berichtet Naim Zedan (78 Jahre), CINEMA JENIN geschlossen dass 75 seiner über 300 Jahre alten Olivenbäume [ ] Cinema Jenin hat seine Türen für immer ge- wegen dieser Maßnahmen bald gerodet werden schlossen. Für einen Weiterbetrieb konnte nicht müssten. Vergeblich hatte sein Anwalt versucht, mehr genügend Geld aufgebracht werden. Die Foto // privat den israelischen Planern eine andere Alternative Besitzer von Cinema Jenin haben entschieden, Aktion „Für eine Welt ohne Mauern“ am Potsdamer Platz in Berlin. sogar auf dem eigenen Gelände anzubieten. Nach das Kino an einen Investor zu verkaufen, der ein dem Bau der israelischen Trennmauer werden Einkaufszentrum an seiner Stelle errichten wird. Für eine Welt ohne Mauern mehr als 50 Familien – überwiegend Christ*innen „Dennoch, das Projekt Cinema Aber noch besteht Hoffnung. Besonders ermuti- – und zwei Salesianer-Klöster ihr Land verlieren. Jenin war nicht umsonst“, schreibt gend war für uns die große Unterstützung des ge- Außerdem wird das Kloster der Salesianierinnen der Filmemacher Marcus Vetter, der über das Kino meinsamen Aufrufs aus Palästina und Mexiko für und deren Schule, die von mehr als 400 Kindern einen Film gedreht hat und bedankt sich bei allen, den Aktionstag am 9. November 2017 für eine Welt aus Dörfern in der Umgebung besucht wird, von die geholfen haben, diesen einzigartigen kultu- ohne Mauern. Wir können bereits auf die Unter- Militär umgeben und abgetrennt sein. rellen Ort zu schaffen. „So viele Freund- stützung aus dreißig weiteren Ländern zählen. Der schaften und Beziehungen sind 9. November ist bereits seit Jahren der Aktionstag dabei entstanden, Freundschaften gegen Israels Apartheid-Mauer. An diesem Tag Nazih Musharbash zwischen Menschen, die sich sonst fiel die Berliner Mauer und diesmal jährt sich der nie getroffen hätten. Sie werden Wahlsieg von Trump. Zusammen wollen wir eine Foto // Nazih Musharbash weiter bestehen.“ Welt der Humanität, Solidarität und Kreativität, um Im Gästehaus geht vorerst der Betrieb weiter. die Probleme dieses Planeten zu lösen. Ein Großteil der Kino-Ausstattung geht an das Freedom Theater, um dort in einem kleineren Kino eingesetzt zu werden. Das Freedom Theater im Jamal Juma Flüchtlingslager Jenin ist und bleibt ein lebendiger Koordinator der palästinensischen Kampagne Stoppt kultureller Treffpunkt in Jenin. die Mauer und Maren Mantovani, internationale Koordinatorin der palästinensischen Kampagne www.cinemajenin.org Stoppt die Mauer, Übersetzung: Hermann Dierkes Blick von Cremisan auf die völkerrechtswidrigen Siedlungen www.thefreedomtheatre.org

18 · Ausgabe 12 · Dezember 2017 Palästina Journal · Weltweite Solidaität Weltweite Solidarität

Bischofstreffen zu Besatzung Foto // Reace Now [ ] Im seinem Abschlusskommuniqué „Fünfzig Jahre Besatzung fordern zum Handeln auf” hat das 17. Internationale Bischofstreffen der katho- lischen Kirche in Jerusalem vom Januar 2017 an den Skandal der Besatzung erinnert. „Seit 1998 fordert unsere Koordinierungs- gruppe jedes Jahr Gerechtigkeit und Frie- den, doch das Leiden geht weiter. Deshalb muss unser Rufen lauter werden. Als Bi- schöfe bitten wir die Christen in unseren Heimatländern dringend, die eigene Verant- wortung anzuerkennen – im Gebet, in der Bewusstseinsbildung und im Handeln ... Wir alle haben die Verantwortung, uns gegen den fortgesetzten Siedlungsbau zu wenden. Diese de facto-Annexion von Gebieten unter- Protest-Tour in Hebron gräbt nicht nur die Rechte der Palästinenser in Gebieten wie Hebron und Ostjerusalem, Solidarität International sondern gefährdet, wie auch die Vereinten unterstützt BDS Nationen zuletzt festgest