2 | Südtirol Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 11 | 19 — Freitag, 15. März 2019

INFO

Ein­ und Auspendler* nach Gemeinden (2018) Gemeinde Aus- Ein- pendler pendler Abtei 34,84% 35,85% Und täglich grüßt 60,18% 32,34% 77,01% 36,50% 75,36% 74,37% 87,15% 29,35% der Arbeitsweg Andrian 82,80% 65,04% Auer 63,64% 67,07% 69,82% 63,26% Bozen 15,05% 43,09% Branzoll 89,11% 72,50% MOBILITÄT – Pendeln kostet Zeit, Geld und Nerven – Brenner 62,15% 62,76% 36,41% 52,45% 32,54% 62,79% und belastet die Umwelt. Neue Arbeitsmodelle Burgstall 81,04% 83,13% Corvara 28,88% 44,51% versprechen größere Flexibilität, neue Mobilitäts­ 50,10% 37,68% Enneberg 45,98% 30,59% konzepte geringere Umweltbelastungen. Eppan 62,30% 50,59% 84,11% 58,08% Foto: Shutterstock Foto: 53,59% 55,06% 59,66% 50,72% Gais 81,96% 65,73% Bozen – Tagein, tagaus dasselbe Spiel: ren Lebensqualität in der Peripherie Schadstoff - und Lärmemissionen. Für chen Standorten kann gleichzeitig an Do- 86,57% 77,11% Morgens rein ins Auto, in den Bus oder bei zugleich niedrigeren Mieten bzw. drei Viertel der Pendler ist das Auto kumenten gearbeitet werden, für Konfe- 73,44% 77,18% Zug, den Wohnort verlassen, womöglich Wohnungspreisen. Andere erhalten lu- weiterhin das wichtigste Transportmit- renzen kann man Videos nutzen. Doch Graun im 46,55% 32,54% mehrmals umsteigen, bekannte Stre- krativere Angebote fern des Wohnorts. tel, obwohl sich die öff entlichen Ver- auch in den Köpfen der Arbeitnehmer 71,30% 29,29% cke, bekannte Gesichter. Für die Hälfte kehrsmittel angesichts der (meist) kur- liegen Hemmnisse. Berufl iches und Priva- Hafl ing 57,40% 62,36% der abhängigen Südtiroler Arbeitneh- Pendler als Wirtschaftsfaktor zen Arbeitswege anbieten würden. Die tes soll getrennt bleiben, manche fürch- 37,23% 52,59% 77,74% 48,08% mer sieht so ein typischer Morgen aus, langfristige Lösung gegen überlastete ten, den sozialen Kontakt zu den Kolle- Kaltern 63,44% 52,32% denn sie müssen pendeln. Welche Stre- Außerdem trägt das Pendeln dazu bei, Straßen kann es nicht sein, noch mehr gen zu verlieren, andere halten die di- 71,35% 63,39% cken sie dabei zurücklegen, ist aus meh- dass Arbeitnehmer eine Stelle fi nden, Straßen zu bauen, schließlich ist unsere gitale Kommunikation nicht für einen Kastelbell-Tschars 66,72% 53,71% reren Gründen interessant. Zum einen für die sie qualifi ziert und motiviert Siedlungsfl äche begrenzt. Immer noch ausreichenden Ersatz. Was fehlt, ist eine 43,28% 42,48% sind diese mitentscheidend für die Le- sind. Umgekehrt fi nden Unternehmen fahren die meisten Autos mit nur einem gewisse Flexibilität nicht nur der Arbeits- 67,61% 61,80% bensqualität der Arbeitnehmer. Zum an- schneller passende Arbeitskräfte, denn Fahrer durch die Gegend. Bei Langstre- modelle. Arbeitnehmer und Arbeitge- Klausen 75,16% 63,80% 93,64% 73,72% deren richten die politischen Entschei- das Pendeln vergrößert das Einzugsge- cken sind Fahrgemeinschaften bereits ber sollten sich von der starren 40-Stun- Kurtatsch 59,09% 60,03% dungsträger Mobilitätsinfrastrukturen biet und damit das Angebot an mögli- gang und gäbe. Das sogenannte Car- den-Präsenzkultur verabschieden. Bereits Kurtinig 79,70% 42,79% und Mobilitätsdienste nach ihnen aus. chen Mitarbeitern. Durch den Ausbau pooling könnte sich in Zukunft auch gelegentliche Heimarbeit würde vielen Laas 60,60% 53,48% Durchschnittlich 11,1 Kilometer be- von Verkehrsinfrastruktur ist es zudem auf Kurzstrecken durchsetzen. Dank Pendlern das Leben erleichtern. Alterna- 76,24% 56,85% trägt ein einfacher Arbeitsweg in Süd- möglich, dass Arbeitskräfte von länd- Smartphone bestehen gute Lösungen tive Zeiteinteilung kann ebenfalls dazu Lana 60,20% 59,21% tirol. „Die Südtiroler“, erklärt Stefan lichen Regionen in die Agglomeration zur Abwicklung des Poolings. Anreize, beitragen, dass Mitarbeiter zufriedener 58,76% 49,29% Perini, Direktor des Arbeitsförderungs- zur Arbeit pendeln und damit einer Ent- das Angebot zu nützen, könnte der Staat und gleichzeitig produktiver sind. Da- 65,63% 35,22% Leifers 71,46% 56,98% instituts Afi , „suchen sich bevorzugt völkerung ländlicher Regionen entge- schaff en. Mit der Initiative Green Mo- durch werden auch die Straßen und öf- Lüsen 76,22% 43,22% Arbeit, die möglichst nah am Wohn- gengewirkt werden kann. Hier wird er- bility wird in Südtirol die nachhalti- fentlichen Verkehrsmittel entlastet, da 54,86% 47,64% ort liegt. Man könnte sagen, wir sind sichtlich, dass das Pendeln nicht nur ge Mobilität gefördert. Ein Beispiel ist die Spitzenzeiten am Morgen und Abend Margreid 78,09% 63,70% da etwas verwöhnt.“ Noch aussagekräf- auf individueller Ebene bedeutungsvoll das Projekt der Gemeinde Eppan, das breiter werden. Marling 83,23% 76,99% tiger als die Pendelstrecke ist die Pen- ist, sondern auch auf gesellschaftlicher. hundert Pendlern E-Bikes für drei Jah- Martell 75,00% 32,19% delzeit, denn selbst für einen kurzen Pendler sind nämlich ein wichtiger re zur Verfügung stellt. Was muss getan werden? Meran 39,01% 45,58% 81,45% 36,35% Arbeitsweg kann die Fahrzeit je nach Wirtschaftsfaktor. Mit ihnen fl ießt in 74,63% 55,12% Standort und Verkehrsmittel stark va- der Provinz Kaufkraft zu oder ab. Hohe Home Offi ce als Alternative Bestimmte Aufgaben müssen erfüllt 62,58% 37,67% riieren. Tatsächlich gaben 38 Prozent Berufseinpendlerquoten haben hierzu- und Investitionen getätigt werden, Mühlbach 59,27% 56,63% der befragten Pendler in einer Afi -Stu- lande die zentralörtlichen Gemeinden, Es gibt aber auch noch andere Möglich- um das Pendeln der Zukunft optimal Mühlwald 85,07% 34,30% die von 2015 an, weniger als 15 Minu- unter anderem weil dort der Großteil keiten, den Berufspendlerverkehr zu re- zu gestalten. Infrastrukturen wie Breit- 82,21% 70,55% ten für den Weg vom Wohnort zum Ar- der öff entlichen Verwaltungsstruktu- duzieren. Eine davon ist die Nutzung von bandinternet und das öff entliche Ver- 49,65% 50,41% beitsplatz zu brauchen, 37 Prozent er- ren und Dienstleistungsunternehmen Informations- und Kommunikationstech- kehrsnetz müssen ausgebaut werden. Natz-Schabs 78,06% 62,67% Neumarkt 61,89% 70,37% reichen ihn in 15 bis 29 Minuten. Der angesiedelt ist (siehe beistehende Gra- nologien, denn diese verringern die Be- Die Landesämter sollten weiter dezent- Niederdorf 72,31% 61,31% Arbeitsplatz ist demnach für drei von fi k). Auch Gemeinden mit größeren Ge- deutung räumlicher Nähe für den wirt- ralisiert werden, denn durch eine Ansie- 65,78% 59,59% vier Berufspendlern in Südtirol inner- werbegebieten ziehen Beschäftigung an schaftlichen Erfolg. Die Arbeit im Home- delung in der Peripherie können zusätz- 78,68% 52,48% halb einer halben Stunde erreichbar. (z.B. Neumarkt, , St. Lorenzen). Im offi ce bietet sich daher als Alternative liche wohnortnahe Arbeitsstellen mit 89,66% 77,48% Hochgerechnet sind das immer noch Umkehrschluss ist die Berufsauspend- zum Pendeln an. Darauf weist auch Ste- hohem Qualifi kationsniveau geschaff en 85,79% 64,13% 2,5 Stunden pro Woche, 10 Stunden pro lerquote in den Nachbargemeinden der fan Perini hin: „Dank der neuen Techno- werden. Zudem braucht es die Bereit- Pfatten 81,17% 81,55% Monat oder 120 Stunden pro Jahr, also Südtiroler Städte und Gemeinden mit logien muss ich nicht mehr zwingend schaft und Off enheit der Arbeitgeber Pfi tsch 82,78% 68,03% 85,26% 71,21% drei Arbeitswochen, die durchs Pendeln zentralörtlicher Funktion am höchsten. zur Arbeit, sondern die Arbeit kommt und Arbeitnehmer, neue Arbeitsmodel- Prad am Stilfser Joch 59,55% 54,92% verlorengehen – pro Wegstrecke. Und zu mir.“ Noch arbeitet nur ein Bruchteil le anzunehmen. Sicher ist: Die Frage, 74,65% 68,82% dennoch: Mehr als die Hälfte der Süd- Die Umwelt leidet der Beschäftigten überwiegend oder ge- wie Beschäftigte in Zukunft zu ihrem 87,14% 50,90% tiroler Pendler bezeichneten in dersel- legentlich von zu Hause aus. Oft schei- Arbeitsplatz pendeln, ist eine der gro- 75,03% 36,90% ben Studie den Zeitaufwand als nicht Diese Verdichtungsräume leiden häufi g tert der Wunsch nach Heimarbeit noch ßen politischen und wirtschaftlichen Rasen-Antholz 72,13% 47,41% belastend. Lediglich elf Prozent fühlten unter einem wachsenden Flächenver- an den Arbeitgebern. Dabei ist es heu- Herausforderungen. 67,83% 46,16% Riffi an 86,27% 66,39% dadurch eine starke Belastung. brauch und einem höheren Verkehrs- te so einfach wie noch nie, Mitarbeiter 47,10% 39,03% aufkommen. Es kommt zu Staus, Un- im Homeoffi ce in den Unternehmen- Sabina Drescher 76,18% 56,83% Belastung für die Psyche fällen und Umweltbelastungen wie salltag einzubinden. Von unterschiedli- [email protected] Salurn 69,56% 41,62% 57,70% 58,83% Genau diese psychische Belastung trägt 53,19% 17,25% dazu bei, dass das Pendeln unter Ärz- DREI FRAGEN AN TOBIAS HÖLBLING, ARBEITSPSYCHOLOGE UND AFI­FORSCHUNGSMITARBEITER 62,79% 62,66% ten und Psychologen keinen besonders 45,03% 59,09% 62,73% 68,70% guten Ruf genießt (siehe beistehendes 51,22% 27,59% Interview). Die Fachwelt ist sich einig, Pendeln ist auch Einstellungssache 37,34% 35,95% dass Pendeln ab einem bestimmten Maß St. Christina in Gröden 69,15% 54,11% zu verstärktem Stressempfi nden füh- St. Leonhard in Passeier 59,24% 52,33% ren kann, zu Gesundheitsrisiken und SWZ: Unter Ärzten und Psychologen das natürlich das Stresslevel. Eine Stu- oder zum Arbeitsplatz hinziehen. St. Lorenzen 75,64% 71,46% zur Gefahr der Vernachlässigung sozi- hat das Pendeln eher einen schlech- die aus der Schweiz hat drei große Vonseiten der Arbeitgeber kann die St. Martin in Passeier 66,45% 53,56% St. Martin in Thurn 63,29% 48,68% aler Beziehungen. Der „iga.Report25“ ten Ruf. Warum? Störfaktoren beim Pendeln identifi - Digitalisierung stärker genutzt wer- St. Pankraz 81,16% 48,10% der Initiative Gesundheit und Arbeit Tobias Hölbling: Ob das Pendeln tat- ziert, zum einen die bereits genann- den. Viele Tätigkeiten, aber bei Wei- St. Ulrich 44,34% 46,06% in Deutschland kommt zum Schluss, sächlich negative Auswirkungen hat, ten unerwarteten Verzögerungen. tem nicht alle und natürlich nur in 45,84% 65,61% dass ab einer Dauer von 45 Minuten hängt ganz stark von Entscheidend ist auch, wie lange ich gewissen Branchen, lassen sich heute 51,24% 37,07% pro Wegstrecke die negativen Auswir- Persönlichkeitsfak- fahren muss. Ab 50 Minuten pro Weg von daheim aus erledigen. Gleichzei- Taufers im Münstertal 86,32% 55,05% kungen stark ansteigen. Andere Studien toren und Lebens- sinkt die Zufriedenheit der Pendler tig ist es nach wie vor wichtig, dass 72,56% 40,49% 66,90% 66,60% sprechen von 50 Minuten. Berufspend- umständen des Ein- deutlich. Ein weiterer Faktor ist Enge – sich die Mitarbeiter auch austauschen Tiers 66,42% 43,78% ler, besonders Fernpendler, leiden häu- zelnen ab. Nicht auf den Straßen in Form von Staus und treff en, dass die Leute in ihrem Tirol 63,90% 64,08% fi ger an psychosomatischen Beschwer- jeder reagiert gleich: oder in den öff entlichen Verkehrsmit- Betrieb eingebunden bleiben. Im Dia- 72,72% 58,59% den wie Kopfschmerzen, Magen-Darm- Alter, Geschlecht teln, weil zu viele Passagiere mitfah- log kann vereinbart werden, wel- 50,98% 45,37% Beschwerden, Ängsten, aber auch an ar- und Gesundheits- ren. Generell kann man sagen: Pen- che Tätigkeiten an manchen Tagen Tramin 65,93% 57,98% terieller Arthrose, grippalen Infekten zustand sind wich- deln ist auch Einstellungssache. Wer genauso gut von zu Hause aus erle- Truden 64,29% 47,75% und Zahnproblemen. Außerdem wirken tig und, psychologisch gesehen, die überzeugt ist, die Kontrolle darüber zu digt werden können und welche nicht. 84,53% 74,17% 53,93% 31,18% sich Müdigkeit, Stress und Konzentra- Bewältigungsstrategien des Einzel- haben, wie er diese Fahrzeit gestaltet, In Südtirol ist die Arbeitslosigkeit U.L.Frau i.W. - St. Felix 69,98% 49,09% tionsmangel infolge langer Wege ne- nen. Kann ich das Pendeln Teil mei- bewältigt das Pendeln besser. niedrig, wir haben Vollbeschäftigung. Vahrn 69,26% 75,32% gativ auf Arbeitsmotivation und -pro- nes Alltags werden lassen und die Zeit Das sollte den Anreiz für Unterneh- 77,64% 47,53% duktivität aus. Dass in Südtirol viele mit sinnvollen Tätigkeiten ausfüllen? Was kann man selbst tun, wenn man men erhöhen, möglichst gute Arbeits- Villnöß 70,67% 27,96% Arbeitnehmer in ihrem näheren Um- Wie gehe ich mit der Belastung um? pendeln muss, um stressfrei zur bedingungen zu bieten. Homeoffi ce 72,60% 47,80% feld einen Arbeitsplatz fi nden, beein- Der eine fährt mit dem Bus, hört Musik, Arbeit zu kommen? ist eine Möglichkeit, den Arbeitneh- Völs am Schlern 70,68% 43,84% fl usst die Lebensqualität positiv, loka- schaff t es, sich zu entspannen. Der Positives Denken ist eine Technik: mern entgegenzukommen, ohne Ein- Vöran 80,56% 50,22% 92,26% 85,79% le Kreisläufe werden gestärkt und der andere fährt mit dem Auto, steht zwei „Das ist Zeit nur für mich und mein bußen bei der Organisation oder Pro- Welsberg-Taisten 65,69% 58,77% Abwanderung wird entgegengewirkt. von drei Mal im Stau und ärgert sich. Lieblingshörbuch“. Möglichst sollte duktivität hinzunehmen. Auch in 59,16% 36,28% Wer sich fürs Berufspendeln entschei- man aber versuchen, die Zeit sinnvoll Hinblick auf die Alterung der Bevölke- Wengen 58,38% 38,24% Wolkenstein in Gröden 33,60% 42,79% det, hat dafür meist unterschiedliche Also stört beim Pendeln besonders zu gestalten. Wenn einen das Pen- rung können alternative Modelle hilf- Berechnung) (eigene für Arbeitsmarktbeoabachtung Quelle: Amt *Anzahl der unselbständig Beschäftigten, welche in der ent- Beweggründe. Viele wollen privat nicht das Unerwartete wie ein Stau? deln auf Dauer zu sehr belastet, muss reich sein. Ältere Mitarbeiter könnten sprechenden Gemeinde arbeiten, aber nicht in dieser wohnen Genau. Wenn ein wichtiges Meeting man die Konsequenzen ziehen und dadurch länger mit Freude und pro- bzw. welche ihre Wohngemeinde verlassen müssen, um den auf die Nähe zum eigenen Umfeld ver- Arbeitsplatz zu erreichen, im Bezug zur Gesamtanzahl der un- zichten und profi tieren von der besse- ansteht, und ich stehe im Stau, erhöht entweder den Arbeitsplatz wechseln duktiv arbeiten. selbständig Beschäftigten der entsprechenden Gemeinde.

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