Wasser bewegt / Heft 5

Sachsen-Anhalt verbessert seine Gewässer Erfolge, Erfahrungen, Erwartungen Titelbild: Die Natur hat sich die Zahna „zurückerobert“. Fische können wieder ohne Hindernisse wandern. Foto: S. Reh 2 Grußwort

Prof. Dr. Die Erfolge bei der Umsetzung der Europäi- serwirtschaft, der Ingenieurinnen und Claudia Dalbert schen Wasserrahmenrichtlinie in Sachsen- Ingenieure, Planerinnen und Planer und Anhalt sind so verschieden wie die Gewäs- der Bauleute gewürdigt werden. Ohne Ministerin für ser in unserem Land. Ungenutzte Stau- sie wären diese Erfolge nicht möglich, Umwelt, Landwirt- anlagen werden zurückgebaut, naturnahe und ihr Engagement ist auch in Zukunft schaft und Energie Gewässerläufe gestaltet und Fischauf- gefragt, weil wir in Sachsen-Anhalt vor des Landes Sachsen-Anhalt stiege gebaut. Jedes verwirklichte Vorha- großen Herausforderungen stehen. ben bringt die Entwicklung von Bächen, Foto: Rainer Kurzeder Gräben und Flüssen voran. Bisweilen löst Bis 2027 müssen alle Gewässer in einem ein vollendetes Projekt sogar Jubel aus bei guten Zustand sein. Daher ist es wich- denen, die es realisiert haben. Das war am tig, dass viele Geschäftsführerinnen und 22. November 2019 in Dessau-Roßlau der Geschäftsführer sowie Flussbereichslei- Fall. An diesem Tag wurde erstmals nach terinnen und Flussbereichsleiter bereits 140 Jahren wieder ein Lachs am Stadtwehr über die nächsten Schritte nachdenken. gesichtet. Der Fisch ist ein Beleg dafür, Planungen laufen beispielsweise für den dass sich die Mühe und die Investitionen Saubach im Burgenlandkreis, damit in den gelohnt haben, um die Mulde wieder kommenden Jahren die beiden letzten ökologisch durchgängig zu gestalten. Hindernisse verschwinden. Für die Planung und Umsetzung der anstehenden Aufga- Aber auch anderswo im Land wird im- ben greift das Land auf Fördermittel aus mens viel für die Verbesserung der Ge- dem Europäischen Fonds für die ländliche wässer getan. Es zahlt sich aus, dass Entwicklung zurück. Zusammen mit Lan- wir in Sachsen-Anhalt seit Jahren kon- desmitteln stehen für Maßnahmen der Ge- tinuierlich daran arbeiten, die Ziele der wässerentwicklung im dritten Bewirtschaf- Europäischen Wasserrahmenrichtlinie tungszeitraum 2022–2027 voraussichtlich zu erreichen. Dies leistet einen wesent- mehr als 30 Millionen Euro zur Verfügung. lichen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt Diese Broschüre soll den Akteuren vor Ort in unseren aquatischen Ökosystemen. Impulse geben, auf dem eingeschlagenen Immer öfter werden längere Gewässer- Weg weiterzugehen, um unsere Gewäs- abschnitte ökologisch durchgängig. Das ser wieder naturnaher umzugestalten. gilt zum Beispiel für den Bullengraben in der Börde. Überhaupt keine Hinder- nisse mehr gibt es für Fische und Wasser- organismen im Südharz im Haselbach.

Die genannten und weitere gelungene Projekte werden in dieser Broschüre vor- gestellt. Damit soll auch die Arbeit der Unterhaltungsverbände, des Landesbe- triebes für Hochwasserschutz und Was- 3 Inhaltsverzeichnis

Grußwort Seite 3 Inhaltsverzeichnis Seite 4 Ökologische Durchlässigkeit an Stauanlagen in der Zahna Seite 5 Naturnahes Gewässerbett für den Rehainer Graben Seite 7 Fischaufstiegsanlage an der Mulde in Dessau Seite 9 Ökologische Durchgängigkeit des Muldestausees Seite 11 Umbau Wipper-Wehr und Bau eines Fischpasses in Groß Schierstedt Seite 14 Erneuerung eines Wehrs und Bau eines Fischpasses an der Wipper bei Warmsdorf Seite 16 Sanierung Wipper-Wehr und Bau eines Fischpasses in Sandersleben Seite 18 Rückbau einer Staumauer und Beseitigung von Verrohrungen am Haselbach Seite 20 Sanierung der Kaskade und Bau eines Fischpasses an der Thyra bei Stolberg Seite 22 Ökologische Durchgängigkeit der Stimmecke bei Stapelburg Seite 24 Ökologische Durchgängigkeit der Laweke bei Elbitz Seite 26 Beseitigung eines Felsens und Bau einer Sohlgleite im Siedebach bei Pretitz Seite 29 Rückbau von Wehren und Schaffung von Sohlgleiten im Saubach Seite 31 Beseitigung von Querungsbauwerken am Gostauer Graben Seite 33 Rückbau eines Staus und Umbau eines Durchlasses am Bullengraben Seite 35 Rückbau eines Staus und Umbau eines Durchlasses für die Beber bei Emden Seite 38 Gestaltung eines naturnahen Bachlaufes an der Rosenmühle Seite 40 Gestaltung einer Sohlgleite im Tangelnschen Bach Seite 42 Rückbau eines Staus im Molmker Bach bei Abbenrode Seite 44 Rückbau einer Brücke über die Untermilde bei Vienau Seite 46 Erneuerung des Staus und Bau eines Fischpasses am Secantsgraben Seite 48 Renaturierung der Wirbke bei Harbke Seite 51 Rückbau einer Stauanlage an der Aller bei Wefensleben Seite 54 Fischaufstiegsanlage an der Buchholzmühle Seite 56 Impressum Seite 58 4 Ökologische Durchlässigkeit an Stauanlagen in der Zahna

Grußwort Seite 3 „Mein Lieblingsort in meinem unterhalten. „Unsere Aufgabe ist es, für den gefahrlosen Wasserabfluss zu sorgen“, Inhaltsverzeichnis Seite 4 Arbeitsgebiet“ sagt Frank Torger. Er ist Flussbereichsinge- Ökologische Durchlässigkeit an Stauanlagen in der Zahna Seite 5 „In meinem Zuständigkeitsbereich lie- nieur und fährt mit einem geländegängi- gen die Wörlitzer Anlagen. Da gibt es gen Auto zu jener Stelle, an der Landwirte Naturnahes Gewässerbett für den Rehainer Graben Seite 7 auch Hochwasserschutzanlagen, die zu DDR-Zeiten das Wasser des Zahnaba- Fischaufstiegsanlage an der Mulde in Dessau Seite 9 ich selbst als Projekt betreut habe. Das ches zur Bewässerung der anliegenden ist mein Lieblingsbereich. Dort ist alles Ackerflächen anstauten. „Das hatte Folgen Ökologische Durchgängigkeit des Muldestausees Seite 11 historisch und man sieht kaum, dass für Umwelt und Natur. Die Stauanlage Umbau Wipper-Wehr und Bau eines Fischpasses in Groß Schierstedt Seite 14 wir was gemacht haben. Alles ist ver- nannte sich große Beregnungsstation“, er- Um umliegende steckt im Deich. Und wenn ich heute zählt Frank Torger. Der Uferbereich war fest Erneuerung eines Wehrs und Bau eines Fischpasses an der Wipper bei Warmsdorf Seite 16 Äcker bewässern im Wörlitzer Park spazieren gehe, dann vermauert. Der Wasserdurchfluss wurde zu können, wurde Sanierung Wipper-Wehr und Bau eines Fischpasses in Sandersleben Seite 18 schaue ich immer nach dem Deich. Den durch Metallklappen gesteuert. Oberhalb die Zahna ange- muss ich ablaufen. Das muss sein.“ des Staus wurde Wasser entnommen, Rückbau einer Staumauer und Beseitigung von Verrohrungen am Haselbach Seite 20 staut. Die Anlage um die Felder zu bewässern. „Sie liegen in war ein Hindernis Sanierung der Kaskade und Bau eines Fischpasses an der Thyra bei Stolberg Seite 22 Frank Torger, Flussbereichsingenieur beim diesem Bereich sehr hoch und sind deshalb für Wanderfische. Landesbetrieb für Hochwasserschutz sehr trockenanfällig“, sagt Frank Torger. Foto: LHW Ökologische Durchgängigkeit der Stimmecke bei Stapelburg Seite 24 und Wasserwirtschaft in Wittenberg Ökologische Durchgängigkeit der Laweke bei Elbitz Seite 26 Beseitigung eines Felsens und Bau einer Sohlgleite im Siedebach bei Pretitz Seite 29 Die Zahna bei Zahna Rückbau von Wehren und Schaffung von Sohlgleiten im Saubach Seite 31 Eine fünftürmige silberne Burg mit Beseitigung von Querungsbauwerken am Gostauer Graben Seite 33 offenen Torbögen steht über blauem Rückbau eines Staus und Umbau eines Durchlasses am Bullengraben Seite 35 Wasser. Darin schwimmen sieben silber- ne Fische. So sieht es aus, das Wappen- Rückbau eines Staus und Umbau eines Durchlasses für die Beber bei Emden Seite 38 bild von Zahna im Landkreis Wittenberg. Gestaltung eines naturnahen Bachlaufes an der Rosenmühle Seite 40 Es ist erstmals auf einem Stadtsiegel von 1417 nachgewiesen. Dargestellt sind Gestaltung einer Sohlgleite im Tangelnschen Bach Seite 42 die drei Wassertore und die alte Stadt- Rückbau eines Staus im Molmker Bach bei Abbenrode Seite 44 mauer mit ihren Türmchen. Das Wasser mit den Fischen darin deutet auf das Rückbau einer Brücke über die Untermilde bei Vienau Seite 46 Flüsschen Zahnabach hin und beweist, Erneuerung des Staus und Bau eines Fischpasses am Secantsgraben Seite 48 wie groß einst die Bedeutung dieses Gewässers für das Leben der Men- Renaturierung der Wirbke bei Harbke Seite 51 schen in Zahna gewesen sein muss. Rückbau einer Stauanlage an der Aller bei Wefensleben Seite 54 Die Zahna ist ein Gewässer erster Ordnung Fischaufstiegsanlage an der Buchholzmühle Seite 56 und wird vom Landesbetrieb für Hoch- Impressum Seite 58 wasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) 5 Stelle steht, fragt sich: Wo soll denn hier eine Stauanlage gewesen sein?“, freut sich Frank Torger, „und genau so soll es sein“.

Nun fließt der Bach wieder ohne künst- liche Hindernisse. Die Ziele der Euro- päischen Wasserrahmenrichtlinie sind erreicht. Fische können ungehindert wan- dern. Und davon gibt es in der Zahna jede Menge. Der Bach entspringt im Fläming, in einem Waldgebiet westlich von Jahmo und mündet nach 25 Kilometern bei Mühl- anger, nahe Wittenberg, in die Elbe. Mit einer Breite von zwei bis vier Metern und einer Tiefe von bis zu einem halben Me- ter ist sie ein Salmonidengewässer – also Forellengewässer. Bei einer Befischung nach dem Abbau der drei Stauanlagen wurden mehrere Fischarten entdeckt, die auf der Roten Liste der bedrohten Tierar- ten stehen. Das Bachneunauge ist nach- gewiesen worden, ebenso Forellen und Steinbeißer. Blauschimmernde Libellen Die Stauanlage in „Nach der Wende fand sich für die einst in tummeln sich auf dem Wasser, Grillen der Zahna wurde landwirtschaftlichen Diensten stehende zirpen und der gute Sauerstoffgehalt des entfernt. Eine raue Stauanlage kein Nachnutzer mehr. Das Baches ermöglicht eine artenreiche Fauna. Rampe gleicht auf alte Bauwerk ist zusehends verfallen, 30 Metern Länge die denn niemand habe die Verantwortung entstandene Hö- dafür übernehmen wollen“, blickt Frank hendifferenz aus. Torger zurück. Der Landesbetrieb legte Foto: LHW schließlich ein Projekt auf, um den öko- logisch problematischen Schandfleck zu beseitigen. Finanziert wurde das Vorha- ben mit Mitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Sachsen-An- halt. Der Abriss und die Neugestaltung des Baches waren Teil einer Reihe von Projekten erklärt Frank Torger. „Im Orts- kern haben wir 2011 die erste dieser Stauanlage entfernt, an der Ortsgrenze eine zweite und noch eine dritte in etwa einem Kilometer Entfernung von Zahna.“

„Wo soll denn hier eine Stauanlage gewesen sein?“

Zunächst wurden die Oberflächenbauwer- ke – Betonmauern und Metallklappen – abgerissen und entnommen. Die Differenz zwischen Ober- und Unterwasserspiegel Mit Steinschüt- von etwa einem Meter wurde mit einer tungen wurde der Zahna eine neue rauen Rampe ausgeglichen. Das ist eine Beckenstruktur ge- Steinschüttung mit Beckenstruktur auf geben. Das Ufer ist einer Länge von etwa 30 Metern mit meh- Der Zahnabach über- inzwischen längst reren Bögen. Selbst davon ist heute nichts zeugt mit einer guten wieder bewachsen. mehr zu sehen. Alles sieht sehr naturnah Wasserqualität. Foto: S. Reh aus und ist verwachsen. „Wer an dieser Foto: S. Reh 6 Naturnahes Gewässerbett für den Rehainer Graben

„Mein Lieblingsort“ länge von rund 700 Kilometern.“ „Eigentlich habe ich keinen Lieblings- In der Obhut des ort, sondern eine Lieblingszeit. Das ist Verbandes ist im August und September. Wir haben auch der Rehainer ein interessantes Verbandsgebiet mit Graben. Seine vielen schönen Stellen. Wenn im Spät- Quelle ist östlich sommer und Frühherbst alles abgeerntet von Arnsdorf bei ist, kann man überall mit dem Fahrzeug Jessen. Nach knapp fünf Kilometern Der neue Durchlass hinfahren und schauen, wie sich die mündet er in die Schwarze Elster. Mit unter der Bundes- Gräben und Bäche entwickeln, um die Projekten zur Umsetzung der Europäi- straße 187 bei wir uns kümmern. Das ist spannend, vor schen Wasserrahmenrichtlinie konn- Jessen ist fertig. allem an Gewässerbereichen, die man te der Verband den Rehainer Graben Foto: UHV Schwarze länger nicht gesehen hat. Wenn dann ökologisch durchgängig gestalten. Elster dort alles gut aussieht, freut mich das.“ Rund eine halbe Million Euro für ein Elke Sebastian, Geschäftsführerin Unter- mustergültiges Grabenbett haltungsverband Schwarze Elster Die Stelle, an der diese Projekte zwischen 2011 und 2015 realisiert wurden, ist akus- Frische Luft für den Rehainer Graben tisch das Gegenteil von Kleinkorga. Der Rehainer Graben durchquert die vielbe- Wo der Unterhaltungsverband Schwarze fahrene Bundesstraße 187 vor den Toren Elster sein Domizil hat, wohnt auch die Stille von Jessen. Hier gibt es keine Stille. Un- – Kleinkorga –. Weite Wiesen und Äcker rund- ablässig rauschen Lastkraftwagen und um. Baumgruppen und Büsche geben dem Personenkraftwagen vorbei. Im Hinter- Auge Halt beim Blick über die Landschaft im grund tragen lange Güterzüge ihren Teil östlichsten Teil Sachsen-Anhalts. Ab und an zur Geräuschkulisse bei. „Die Bundesstraße meldet sich eine Kuh zu Wort. Autos fahren war eine der großen Herausforderungen, hier kaum. Das Gebrumm der Hubschrauber, die wir zu bewältigen hatten“, sagt Elke die in einiger Entfernung über die Waldwip- Sebastian, „die Fahrbahn musste an einer fel zum Fliegerhorst Holzdorf fliegen, kommt relativ breiten Strecke geschlitzt werden.“ selten bis in die Büros und Werkstätten von Das sei notwendig gewesen, um den Elke Sebastian und ihrem achtköpfigen Team. neuen Durchlass naturnah gestalten zu können. Allein dieser Teil des Vorhabens Am Konferenztisch erläutert die Ge- schlug mit etwa 209.000 Euro zu Buche. schäftsführerin das Verbandsgebiet: Hinzu kommen fast 294.000 Euro für die „Prägende Flüsse sind die Elbe und die anderen Arbeiten. Finanziert wurden die Schwarze Elster. Insgesamt kümmern Projekte von der Europäischen Union, dem wir uns um Gewässer mit einer Gesamt- Bund und dem Land Sachsen-Anhalt. 7 „Das regelt die Natur von alleine.“

Richtig ins Schwärmen kommt die Ver- bandsgeschäftsführerin dann auf der südlichen Seite der unruhigen Bundes- straße. Verständlich. Geradezu malerisch schlängelt sich der Rehainer Graben durch die Landschaft. Damit dieses na- turnahe Grabenbett entstehen konnte, waren Verhandlungen notwendig. „Hier lagen die Rohre unter dem Gelände einer Firma. Aber wir hatten gute Gesprä- che und konnten uns schnell einigen“, blickt Elke Sebastian zufrieden zurück.

Nun fließt der Rehainer Graben im Schat- ten gut angewachsener Erlen mäandrie- rend um das Gelände der Firma herum. Im Graben wachsen jede Menge Rohr- kolben. Störsteine und Wurzeln sorgen für unterschiedliche Strömungsverhält- nisse. Elke Sebastian zeigt auf das leicht ansteigende, karge Ufer. Kleine, filigrane Der neue Lauf des Als der Rehainer Graben in den Untergrund Pflanzen ducken sich an den Boden. „Ma- Rehainer Grabens musste gerrasen. Der wächst hier von selbst an“, nimmt Gestalt an. erklärt sie. „Wir haben in diesem Be- Foto: UHV Schwarze Elke Sebastian zeigt durch den Verkehrs- reich auf Anpflanzungen verzichtet. Das Elster lärm hindurch über die Straße hinweg in regelt die Natur schon von alleine.“ Richtung des etwa 200 Meter entfern- ten Bahndamms. „Jenseits der Schienen Natur, die sich weitgehend in Eigenre- lag der Graben offen. Das war immer so. gie entwickelt, erlebt man auch, wenn Diesseits gab es eine Stauanlage und man dem Rehainer Graben noch einige anschließend floss der Graben etwa 450 hundert Meter weiter folgt. Er durch- Meter durch Rohre“, erklärt die Gewässer- fließt die Wälder, die sich entlang der fachfrau. Sie hat recherchiert. Ihre Erkennt- Schwarzen Elster bei Jessen schlängeln. nis: Der Rehainer Graben verschwand in Dort, wo die Wege um den „Alten Elster- den 1970er Jahren im Untergrund. Der arm“, das „Sauluch“ und das „Eichenhain“ Anlass war, wie vielerorts, dass die DDR- zum Spazieren und Wandern einladen, Landwirtschaft nach großen, zusammen- ist die Mündung des Rehainer Grabens hängend nutzbaren Flächen verlangte. – und hier ist auch die Stille wieder da.

Nun kann der Rehainer Graben wieder Luft holen. In zwei Bauabschnitten gruben Ar- Ein Hinweisschild beiter die Rohre aus der Erde und schufen erinnert an die ein naturnahes Gewässerbett. Vom Bahn- Projekte, bei denen damm bis zur Bundesstraße fließt der Gra- der Rehainer Graben ben geradlinig. „Wir haben uns für diesen freigelegt und natur- Lauf entschieden, um im alten Gewässer- nah gestaltet wurde. flurstück der Stadt Jessen zu bleiben. Des- Foto: M. Kühnast halb mussten wir kein Land zukaufen“, sagt Elke Sebastian. Eine Sohlgleite sorgt in die- Im Rehainer Graben sem Abschnitt dafür, dass der Wasserstand sind wieder viele oberhalb etwas höher ist. So, wie es durch Tiere und Pflanzen die frühere Stauanlage bedingt war. „Jetzt heimisch, so wie allerdings ist es ökologisch durchlässig. diese Rohrkolben. Ein schöner Lebensraum für die Lebewe- Foto: M. Kühnast sen im Wasser“, freut sich Elke Sebastian. 8 Fischaufstiegsanlage an der Mulde in Dessau

Am Muldewehr in Dessau hat das Land Jahr 1719 ist schließlich von „besonderen Das Stadtwehr von eines der teuersten Gewässerschutzprojek- Lachs-Verordnungen“ die Rede. Darunter Dessau ist ein be- te in Sachsen-Anhalt abgeschlossen sei „sonderlich der Lachsfang zu Dessau liebtes Fotomotiv. Im Hintergrund berühmt, den der Durchlauchtige Fürst sieht man die Ma- Ein Wels von 1,65 Meter Länge! – Frank von Anhalt-Dessau selbst anlegen ließ“. rienkirche und das Torger wollte seinen Augen nicht trau- Dessauer Schloss. en. Der Mitarbeiter des Landesbetriebes Doch erst die Europäische Wasserrahmen- Foto: S. Reh für Hochwasserschutz und Wasserwirt- richtlinie machte es möglich, dass für schaft in Wittenberg erinnert sich an das Dessauer Stadtwehr eine dauerhafte die erste Kontrolle nach Inbetriebnah- Lösung gefunden werden konnte. Das me der neuen Fischaufstiegsanlage am Muldewehr war bis dahin eine unüber- Muldewehr in Dessau. Die Fachleute brückbare Hürde für alle Wanderfische. wollten prüfen, welche Fische das Wehr „Das Wehr hat eine Wasserspiegeldifferenz passieren. Zwei kapitale Welse waren von Ober- zu Unterwasser von 2,50 Me- da neben hunderten kleineren Fischen tern“, sagt Frank Torger. „Das überspringt im Käfig gelandet. „Die sind tatsäch- kein Fisch, selbst ein Lachs nicht“. Das Die Strömung in der lich die Fischtreppe hoch“, sagt Tor- Wehr bei Dessau war zudem entlang der Fischtreppe ist für ger nicht ohne Stolz in der Stimme. Mulde die letzte Barriere für Fische auf verschiedene Fisch- ihrem Wanderweg vom Atlantik durch arten berechnet. Für Bei dem Monitoring im Frühjahr 2019 die Nordsee und Elbe bis zur Mulde und Lachse ebenso wie wurden innerhalb von acht Wochen tau- zurück. Die Fische laichen im Oberlauf für schwimmschwä- sende Fische an der Fischtreppe in Dessau des Flusses im klaren Wasser, am Wehr in chere Fischarten. gezählt. Darunter Welse und Flussneun- Dessau war für sie sozusagen Endstation. Foto: S. Reh augen. Auch mehrere auf der roten Liste der bedrohten Arten verzeichnete Fische. Zwei Mal pro Tag wurde die Fischkiste aus dem Wehr gezogen. Die Bilanz: 13.500 Fische von 21 Arten – eine stolze Zahl.

Schon Cranach malte einen Dessauer Lachsfang

Eine Fischtreppe, um die Jahre gerungen wurde. Dabei gab es schon zu Lebzeiten von Fürst Franz Pläne, wie Lachse das Stadtwehr bei Dessau überwinden könn- ten. Eine zeitgenössische Darstellung in einem Gemälde von Lucas Cranach von 1556 zeigt bereits einen Lachsfang in Dessau. In einem Artikel aus dem 9 landete die Fischtreppe Dessau sogar im so genannten „Schwarzbuch der Steuer- zahler“. „Zu Unrecht“, meint Frank Torger. „Diese ökologische Durchgängigkeit war nun mal erforderlich, sonst wären die anderen Investitionen an der Mulde, zum Beispiel am Muldestausee bei Bitter- feld, rausgeschmissenes Geld gewesen.“ Dabei gab es für den Bau verschiedene Varianten. Eine sah vor, auf der linken Seite, der Stadtseite der Mulde, das alte Mühlenwasser wieder zu beleben, als Kanu-Wildwasser-Strecke. „Zum Schluss haben sich die Planer aber auf die Ver- legung der Treppe an der Tiergartenseite geeinigt, wie sie schon in historischen Karten angedacht war“, sagt Frank Torger.

Der Fischaufstieg Was lange währt … Ein „Gebirgsbach“ in Dessau zwischen Tiergarten und Muldewehr Lange wurde nach einer Lösung für das Die neue Fischtreppe schlängelt sich wie ermöglicht Fischen Problem gesucht. Bereits 1997 hatte das ein Gebirgsbach am Dessauer Mulde-Wehr ungehindert zu damalige Staatliche Amt für Umwelt- vorbei. Sie besteht aus 20 Abstufungen, im- wandern. Ziel ist, dass schutz in Wittenberg eine erste Studie mer mit 20 Zentimeter Wasserspiegeldiffe- auch wieder Lachse in der Mulde wandern. für ein Umgehungsgerinne vorgelegt. renz, erklärt Frank Torger. In der 300 Meter Foto: S. Reh 2004 wurde sogar der Rückbau des Weh- langen und drei Meter breiten Wasserrinne res geprüft, aber wegen verschiedener können die Fische so mühelos den Höhen- gesetzlicher Vorgaben verworfen. 2006 unterschied von zwei Metern bewältigen. schließlich gab es Pläne für ein Wasser- In den einzelnen Becken sind zudem Ruhe- kraftwerk an der Mulde bei Dessau, bei phasen für die Fische möglich. Bei niedrige- dessen Realisierung auch ein Fischaufstieg rer Wassergeschwindigkeit können sie dort angedacht war. Wegen Unwirtschaftlich- Kraft sammeln für den nächsten Sprung. keit zog sich der private Investor später zurück. 2013 nahmen die Planungen auf Für den Bau wurden 20.000 Kubikmeter Druck der europäischen Vorgaben end- Erde bewegt sowie 28 Tonnen Stahl und lich wieder Fahrt auf. Am 5. August 2014 Spundwände verbaut. Außerdem wurden schließlich ein Meilenstein: die Erteilung 17.500 Tonnen Wasserbausteine gesetzt. Es der wasserrechtlichen, denkmalrechtlichen ist ein imposanter Bau geworden, der auch und naturschutzrechtlichen Genehmi- bei den Dessauern großes Interesse findet. gungen für den Fischaufstieg in Dessau. Zwei Mal hat Frank Torger bereits zum Blick hinter die Kulissen geladen. „Beim letzten Im September 2015 fiel dann der Start- ‚Tag der offenen Tür’ waren mehr als hun- schuss. Anderthalb Jahre dauerte der dert Leute vor Ort“, freut sich der Experte. Bau. Die Kosten sollten am Ende mehr als 7 Millionen Euro betragen. Damit Und am 22. November 2019 war es dann soweit. Bei Kontrollen ging ein 80 Zenti- meter großer Lachs ins Netz. Es war in Dessau der erste Fisch dieser Art seit 140 Jahren. Er wurde natürlich wieder frei- gelassen, denn die Raubfische dürfen Bislang konnten nicht gefangen werden. Sie stehen unter 21 verschiedene Fischarten nachge- Schutz. Und ihre Wiederansiedlung wer- wiesen werden, die de dauern, meint Frank Torger abschlie- die Fischtreppe am ßend. Was über mehrere Jahrhunderte Muldewehr in Dessau verdrängt und zerstört worden ist, kann passiert haben. nicht innerhalb einer Generation ins Foto: LHW natürliche Gleichgewicht zurückfinden. 10 Ökologische Durchgängigkeit

des Muldestausees

„Mein Lieblingsplatz ist die Goitzsche. Das Gebiet hat sich sehr gewandelt. Ich war 2004 zum ersten Mal am Muldestausee. Hier hatte zwei Jahre zuvor das Hochwasser große Schäden verursacht, die wir instand setzen mussten. Unser Sitz ist in Blanken- burg und immer, wenn ich an der Goitzsche vorbeigefahren bin, habe ich mich über die Entwicklung gefreut. Die Marina und der Strand sind entstanden. Die schwimmen- den Häuser kamen dazu und der Radweg. Auch in Friedersdorf und Pouch tut sich was. Ich kenne die Region ja noch aus DDR-Zeiten und weiß, wie das hier mit der Umweltverschmutzung und der Luft war.“

Andreas Rudolf, Leiter Planung und Bau beim Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt

Mitteldeutschlands längste technische Fischaufstiegsanlage Genutzt wird der Muldestausee vor allem Am Einlaufbauwerk Zwei Kilometer breit und sechs Kilometer für Wassersport und Touristik. Immerhin ist des Muldestausees lang ist der Muldestausee bei Frieders- er mit 6,3 Quadratkilometern Oberfläche werden die Wehr- dorf im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Und das viertgrößte Gewässer Sachsen-An- schwellen abgefräst. wenn man es genau nimmt, ist er eigent- halts. Bis 2009 drehte sogar das Ausflugs- Foto: Talsperrenbetrieb lich kein Stausee, sondern ein Flussstau. schiff „Muldeperle“ seine Runden auf dem Der See entstand in den 1970er Jahren See. Für Fische hingegen stellte der See als die Mulde wegen der Erweiterung über viele Jahrzehnte eine Barriere dar. Vor des Tagebaus Goitzsche verlegt werden allem die Staumauer war unüberwind- musste. Genutzt wurde dafür ein Tage- bar. „Der Höhenunterschied beträgt dort baurestloch, in das seit April 1975 das fünf Meter. Das überwindet kein Fisch“, Muldewasser floss. Durch die Verlegung sagt Andreas Rudolf. Er ist Ingenieur beim wurde allerdings der Flusslauf so kurz, Talsperrenbetrieb mit Sitz in Blankenburg, dass der Höhenunterschied nicht mehr der Eigentümer der Talsperre am Mulde- ausgeglichen werden konnte. Deshalb stausee ist. „Um die Durchgängigkeit der musste ein Absperrbauwerk am Auslauf Mulde wiederherzustellen, musste also der Grube gebaut werden: eine 9,50 Meter eine Fischtreppe her“, blickt Andreas Rudolf hohe und 303 Meter lange Staumauer. zurück, „denn die Mulde gehörte einst zu 11 Die Fischtreppe am Muldestausee besteht aus 43 einzelnen Becken. Foto: Talsperrenbetrieb den bedeutenden Lachs-Gewässern in „Wir wussten nicht, wie sich die Fische Mitteldeutschland. Und schon seit langem verhalten. Es gab keine Erkenntnisse, ob gibt es länderübergreifende Bestrebun- sie in der geringen Strömung orientie- gen, den Lachs wieder anzusiedeln.“ rungslos sind“, erklärt Andreas Rudolf. Wissenschaftler erhielten den Auftrag, das Wenn Fische einen Sender bekommen Verhalten zu erforschen. Dafür wurden in den Jahren 2006 und 2007 rund 150 Doch zunächst musste geklärt werden, ob Fische gefangen und mit kleinen Sendern Fische überhaupt durch den Muldestausee unter der Fischhaut ausgestattet. Über schwimmen. Denn der sechs Kilometer Antennen am Einlauf der Mulde wurden lange, fast stehende See unterbricht einen die Fische geortet. Zudem haben Wissen- Fluss mit spürbarer Fließgeschwindigkeit. schaftler mit Booten über den See und auch weiter den Fluss entlang die Fische „verfolgt“. Die Ergebnisse waren über- raschend: mehr als 90 Prozent der Fi- sche erreichten das Einlaufbauwerk. Der schnellste Fisch schaffte in drei Tagen 60 Kilometer. Damit war der Beweis erbracht, dass eine Fischtreppe am Muldestausee nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch eine sinnvolle Investition wäre.

Das eine ergibt ohne das andere keinen Sinn

Doch zunächst wurde 2008 am Ein- laufbauwerk der Mulde die ökologische Durchgängigkeit wiederhergestellt. Die Wasserbauexperten gestalteten eine Sohlgleite mit Niedrigwasserrinne aus Blocksteinblöcken. Zudem kappten sie das Wehr. Das heißt, im Mittelbereich wurden zwischen den Pfeilern drei Wehr- Die Fischtreppe schwellen um 2,70 Meter abgefräst. ist für schwimm- Damit können Fische auch bei niedrigen schwache Fischarten, Wasserständen aus dem Muldestau- aber auch für den see hinaus in die Mulde schwimmen. Lachs konzipiert. Aufwändiger waren die Planungen am Foto: S. Reh Auslaufbauwerk. „Wir haben lange getüf- 12 telt und eine sehr individuelle Lösung ge- Um zu überprüfen, welche Tiere sonst funden“, sagt Andreas Rudolf. Es ist ein 270 noch in der Anlage unterwegs sind, wur- Meter langer Doppelschlitzpass. Die Anla- de die Treppe sogar kurz „trocken“ gelegt. ge besteht aus 43 einzelnen Becken, jedes „Krebse, kleinere Fische und Muscheln mit einer Wassertiefe zwischen 1,60 und waren drin“, erzählt Rudolf, „die Fisch- 2,50 Metern. Darin können sich die Fische treppe sieht von oben betrachtet zwar ausruhen und jeweils 12 Zentimeter Hö- sehr technisch aus, aber im Sohlbereich henunterschied überwinden. „Das macht ist sie naturnah und besiedelt. Sie wirkt bei 43 Becken etwa fünf Meter“, rechnet für Tiere also nicht als Fremdkörper.“ Andreas Rudolf vor. Das Wasser fließt mit maximal 1,50 Metern pro Sekunde durch Ein Lachs war damals noch nicht da- Schlitze links und rechts im Zickzack-Kurs bei, weil das Muldewehr in Dessau zu durch die Becken. Dadurch können auch diesem Zeitpunkt noch die Wanderung kleinere oder schwimmschwache Arten, der Fische behinderte. Mit der Fertig- wie die Barbe oder der Aland, aber eben stellung der dortigen Anlage ist die Mul- auch der Lachs den Aufstieg nutzen. de nun von Sachsen bis zur Mündung in die Elbe ökologisch durchgängig. Doch wie finden die Fische, die entgegen Auch an Wehren in Raguhn und Jeß- der Strömung zu ihren Laichplätzen wan- nitz sind Fischaufstiegsanlagen gebaut dern wollen und plötzlich an der Stau- worden. Damit bestehen in der Mulde mauer sind, den Weg in die Fischtreppe keine Hindernisse mehr für Fische. am rechten Ufer der Mulde? Dafür wird Wasser aus Rohren mit Druck in den Fluss Und die neue Fischtreppe am Mulde- „geschossen“. Das erzeugt eine Lockströ- stausee ist inzwischen auch ein beliebtes mung, die die Fische in die beiden unter Ausflugsziel geworden. Oberhalb gibt es Wasser liegenden Einstiege lockt. Dann einen Picknick-Platz mit Sitzmöglichkei- Die Staumauer am schwimmen sie durch zwei wassergefüllte ten. Dort steht auch eine Litfaßsäule, auf Muldestausee ist ein lange Gänge in die eigentliche Fischtreppe. der mit Fotos und Texten der Zweck und imposanter Bau. der Erfolg des Projekts erläutert werden. Foto: S. Reh Bereits 2003 gab es erste Planungen für das Projekt. Die Realisierung erfolgte dann ab 2009. Nach drei Jahren Bauzeit war der Fischaufstieg fertig. Bei der Um- setzung des Vorhabens arbeiteten der Talsperrenbetrieb und die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungs- gesellschaft zusammen. Die Gesamt- kosten beliefen sich auf 4,9 Millionen Euro. Finanziert wurde das Projekt vom Bund und vom Land Sachsen-Anhalt.

Gut angelegtes Geld

Im Frühjahr 2013 erfolgte der erste Test, ob die Wanderfische die Fischtreppe auch annehmen. Dafür wurde vor dem Aus- stieg in den See eine Reuse ins Wasser gelassen. Täglich kontrollierten die Wis- senschaftler, wie viele Fische in die Reuse geschwommen sind. Die Tiere wurden bestimmt und vermessen und dann wieder eingesetzt. Innerhalb von sechs Wochen wurden so 3.000 Fische gezählt, die den Aufstieg in der Fischtreppe ge- schafft haben. Darunter ein 1,20 Meter langer Wels. Aber auch kleine, schwächere Fische hatten den Aufstieg geschafft. 13 Umbau Wipper-Wehr und Bau eines Fischpasses in Groß Schierstedt

Das Wipper-Wehr in Groß Schierstedt „Das alte Wehr in Groß Schierstedt war wurde erneuert und mit einem Fischpass vor über einhundert Jahren gebaut wor- ergänzt den. Es hatte eine feste Wehrschwelle, war nicht durchlässig und so ein un- „Nehmen Sie im Kreisverkehr die zweite überwindbares Hindernis für Fische und Abfahrt, dann die Kopfsteinpflasterstra- Kleinstlebewesen“, erklärt Steffen Heling, ße entlang bis zum Ende. Da sehen Sie Flussbereichsleiter beim Landesbetrieb zwei Landwirtschaftsbetriebe. An denen für Hochwasserschutz und Wasserwirt- fahren Sie vorbei und dann sind Sie da.“ schaft in Sangerhausen. Aufgabe des Die Beschreibung einer jungen Frau mit Wehrs war es, Wasser für Mühlgräben Kinderwagen ist so präzise wie freund- anzustauen. Doch für Wanderfische lich. Das Wipper-Wehr in Groß Schierstedt, war an dieser Stelle Schluss. Deshalb einer Gemeinde östlich von Aschersleben, legte der Landesbetrieb ein Projekt lässt sich mit solch netter Hilfe leicht auf, um diesen Zustand zu beheben. finden. Es liegt an einem Radweg und ist Das alte Wehr in Groß wohl auch oft Ziel von Spaziergängern. Auf halber Strecke müssen Fische rechts Schierstedt war völlig Jedenfalls bietet eine blaue Sitzbank eine abbiegen marode. Die Anlage gute Gelegenheit zum Ausruhen und musste komplett Verweilen mit bestem Blick auf das Bau- Nach Abschluss der Planungen wurde 2012 erneuert werden. werk an der Wipper. Dort haben Fische zunächst das alte Wehr instand gesetzt. Foto: LHW seit einigen Jahren beste Bedingungen. „Den Wehrkörper, der aus alten Bruch- steinen bestand, haben wir größtenteils erhalten, aber saniert. Die Widerlager an den Seiten wurden komplett erneuert“, beschreibt Steffen Heling die damali- gen Arbeiten. Auch der Schütz war in einem so desolaten Zustand, dass eine neue Anlage gebaut werden musste. Mit diesem neuen Spülschütz kann das Wehr geöffnet werden, um mehr Wasser abfließen zu lassen. Auch das Einlauf- bauwerk zum Mühlgraben ist neu.

Zusätzlich wurde eine Fischaufstiegsanla- ge geschaffen. In Groß Schierstedt haben sich die Experten für einen so genannten technischen Fischpass entschieden. Steffen Heling: „Es ist ein Schlitzpass aus Stahl- beton mit verschiedenen Beckenstruk- turen. Insgesamt sind es 16 Becken, die 14 Ein technischer Fischpass soll die Wipper wieder für Wanderfische durch- gängig machen. Foto: LHW zusammen eine Höhendifferenz von etwa Ein externer Gutachter hat im Frühling und zweieinhalb Metern zwischen Ober- und im Herbst ein Monitoring durchgeführt. Unterlauf ausgleichen.“ Dabei haben die Dabei wurden Fischreusen in die Anlage Ingenieure ganz genau gerechnet, um den gehangen. Die Tiere, die in den Stahlkäfig Wasserstand in den Becken so einzustellen, geschwommen sind, wurden täglich ge- dass die Strömung für alle Fischarten noch zählt, gemessen und auf ihren laichfähigen überwindbar ist. Und die Fische dürfen in Zustand kontrolliert.“ Das Resultat war der Anlage in Groß Schierstedt nicht nur erfreulich. Insgesamt konnten elf verschie- nach oben wandern, sondern müssen auf dene Fischarten nachgewiesen werden, halber Strecke auch eine scharfe Rechtskur- darunter Aal, Esche, Bachforelle, Bachneun- ve schwimmen. Aus Platzgründen konnte auge, Döbel, Gründling und Schmerle. Das kein geradliniger Fischpass gebaut werden. heißt, die Anlage ist funktionstüchtig und wird trotz ihrer technischen Bauweise von „Mit dem Bau des Fischpasses in Groß den Fischen als Wanderhilfe angenommen. Die neue Fischtreppe Schierstedt haben wir eines der letzten liegt direkt an einem großen Wanderhindernisse in der Wipper „Mit dem Bau des Fischpasses in Groß Fahrradweg. Wer beseitigt.“ Schierstedt haben wir eines der letzten Zeit hat, kann Pause großen Wanderhindernisse für Fische in machen und den Die Realisierung des Projekts zur Umset- der Wipper beseitigt“, bilanziert Steffen Anblick genießen. zung der Europäischen Wasserrahmen- Heling. Eine gute Entwicklung für ein Ge- Foto: S. Reh richtlinie hat etwa 600.000 Euro gekostet. wässer, das in der ehemaligen DDR schwer Die Ergebnisse können sich sehen lassen, durch industrielle Nutzung belastet war wie Steffen Heling erläutert: „Wir hatten in und dessen Wasserqualität sich in den den Folgejahren zwei Funktionskontrollen. letzten 30 Jahren erheblich verbessert hat.

Fische müssen in Groß Schierstedt eine scharfe Rechts- kurve schwimmen. Foto: S. Reh 15 Erneuerung eines Wehrs und Bau eines Fischpasses an der Wipper bei Warmsdorf

doch wilden Gewässer sichtlich wohl fühlen. Wasser muss eben immer sein.“

Hans-Friedrich Unverhau, Projektver- antwortlicher für Planung und Bau beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in (Saale)

Mit einem Projekt zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie wurde ein Mühlwehr ökologisch durchgängig

Warmsdorf bei Güsten ist klein, aber be- merkenswert. In dem Ort steht ein Schloss, das einst Schauplatz großer Fürstenver- sammlungen war. Es gibt einen Anhalti- schen Meilenstein und in einer ehemali- gen evangelischen Kirche, die 1985 kurz vor dem Abriss stand, werden heute auf drei Etagen Feriengäste beherbergt. Und: Warmsdorf liegt an der Wipper, weshalb es im Ort auch eine Mühle gibt. Damit Der Fischpass wird „Meine Lieblingsorte sind der Landkreis sie angetrieben werden kann, wird mit 150 Meter lang. Er soll Mansfeld-Südharz und der . Ich be- einem Wehr ein Drittel des Wassers der es Forellen und Fluss- gleitete dort unter anderem Projekte an Wipper in den Mühlgraben abgeleitet. neunaugen mög- der Wipper und der Ilse. Das ist schon lich machen, in der spannend. An den Mittelgebirgsgewässern Wipper zu wandern. entstehen die Hochwässer sehr schnell, Foto: LHW so dass man kaum Vorwarnzeiten hat. Die Gegend um ist eine wunder- schöne Ecke. Die aus dem Brockenbereich entspringende, naturnahe Ilse beheimatet unter anderem Forellen, die sich in dem

Am alten Wehr in Warmsdorf gab es für Fische kein Weiterkommen. Foto: LHW 16 „Mit diesem Wehr gab es seit 1994 Pro- bleme. Es war bei einem Hochwasser beschädigt worden. In den Folgejahren fanden nur Notreparaturen statt“, sagt Hans- Friedrich Unverhau. Er ist Verant- wortlicher für Planung und Bau beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Halle (Saale), der in den Jahren 2012 und 2013 ein Groß- projekt an der Wipper bei Warmsdorf realisierte, um die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Die Gesamtinvestitionssumme betrug 1,3 Millionen Euro. Gefördert wurde das Projekt von der Europäischen Union, dem Bund und dem Land Sachsen-Anhalt.

Im Fischpass am Wehr vorbeiwandern

Zur Erneuerung des Wehrs wurde die alte Anlage komplett abgerissen und neu ge- baut. „Allerdings mit einer ordentlichen, gut anderthalb Meter dicken Bodenplatte, die dem Auftrieb des Grundwassers stand- hält“, erläutert Hans-Friedrich Unverhau. Rund dreißig verschiedene Fischarten Die Arbeiten am Damit ist die Standsicherheit des neuen leben in der Wipper. Sie können nun Wehr in Warmsdorf Wehrs dauerhaft gesichert. Das kommt – wieder fast durchgängig durch den Fluss dauern länger als ge- anders als der Vorgänger – ohne Schützta- wandern. Von den 26 Querbauwerken dacht. Im April 2013 fel zur Regulierung des Wassers aus. Diese entlang der Wipper von der Mündung bis richtet das Hoch- Aufgabe übernimmt nun der Fischpass. zur Talsperre sind seit der Wende bereits wasser Schäden an der Baustelle an. 25 saniert und mit Fischpässen versehen Foto: LHW Die Umleitung für die Fische wurde am oder ganz beseitigt worden. „Das sind alles Rande des neuen Wehrs gebaut. „Um hier auf den jeweiligen Standort angepasste überhaupt bauen zu können, haben wir naturnahe Baumaßnahmen“, erklärt der Am Wehr in Warms- erst einmal Spundwände gezogen“, er- Experte, „wir haben gerade entlang der dorf wird Wasser innert sich Hans-Friedrich Unverhau, „das Wipper bunt gemischt alle Typen von in einen Mühlgra- Wasser floss dadurch komplett durch den Fischtreppen. Da gibt es keine Komplett- ben geleitet. Die Mühlgraben und wir konnten im Trocke- lösung, die man immer wieder nehmen Mühle ist heute nen arbeiten.“ Zudem wurden Brunnen ge- kann. Es hängt auch von der Nutzung ab, noch in Betrieb. bohrt, um das Grundwasser niedrig zu hal- wie beim Mühlgraben in Warmsdorf.“ Foto: S. Reh ten. Zeitlich zurückgeworfen wurden die Arbeiten, als im April 2013 ein Hochwasser Schäden an der Baustelle anrichtete.

Der Fischpass ist 150 Meter lang und gleicht den Höhenunterschied von 2,50 Metern aus. Große Störsteine mit Schlit- zen stehen in acht Riegeln versetzt in der Anlage. In den Schlitzen erhöht sich die Fließgeschwindigkeit so stark, dass die Fische von unten wandern können und durch diese Strömung angelockt werden, darunter Grobben, Flussneun- augen, Barsche und Forellen. „Am alten Wehr gab es für sie alle kein Weiter- kommen, weder hoch noch runter“, blickt Hans-Friedrich Unverhau zurück. 17 Sanierung Wipper-Wehr und Bau eines Fischpasses in Sandersleben

„Mein Lieblingsort in meinem nicht immer und wer länger auf seinen Arbeitsgebiet“ Anschluss warten muss, der könnte eigent- lich einen Abstecher zum Wipper-Wehr in „Mein Lieblingsort ist der Wendelstein. Sandersleben machen. Das ist nur etwa Wendelstein ist ein Ortsteil der Gemeinde einhundert Meter vom Bahnhof entfernt. Kaiserpfalz im Burgenlandkreis im südli- chen Sachsen-Anhalt, der nach der gleich- „Das Wipper-Wehr von Sandersleben war namigen mittelalterlichen Burgruine aus und ist auch heute noch ein imposanter dem 14. Jahrhundert benannt ist. Das ist Bau“, schätzt Andreas Hildebrandt ein. Der eine schöne, auch landschaftlich reizvolle Flussbereichsingenieur beim Landesbetrieb Gegend. Die Unstrut prägt sich dort in die für Hochwasserschutz und Wasserwirt- Landschaft ein. Und die Burg, die teilweise schaft Sachsen-Anhalt war verantwortlich saniert und bewohnt ist, liegt am Rand ei- für den Umbau der Anlage. Wie viele ande- ner steilen Felswand über dem Unstruttal.“ re Wehre in der Wipper hatte das Sanders- leber Wehr die Aufgabe, einen Mühlgraben Andreas Hildebrandt, Flussbereichsingenieur mit Wasser zu versorgen. Dazu wurde der Die Arbeiten am beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz Fluss an dieser Stelle begradigt und ver- Wehr in Sanders- leben begannen im und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt kürzt. Der dadurch entstandene Höhen- Juni 2014. Und zwar unterschied zwischen Unter- und Oberlauf mit dem Abriss der der Wipper betrug ganze zweieinhalb alten Wehranlage. Ein Projekt mit langem Anlauf Meter. Ein unüberwindbares Hindernis für Foto: LHW Wanderfische. „Die ökologische Durch- Übermäßig groß ist der Bahnhof in San- gängigkeit der Wipper war dadurch nicht dersleben nicht. Trotzdem ist an der gegeben“, sagt Andreas Hildebrandt. Station schon so mancher Reisende ge- strandet, denn hier kreuzen sich zwei „Ich freue mich, wenn wir den einen oder Bahnstrecken: Halle- und anderen Fisch wieder mehr im Gewässer Berlin-Blankenheim. Das Umsteigen klappt haben.“

Die Mühle an der Wipper in Sandersleben gibt es schon lange nicht mehr. Und der Landesbetrieb nahm sich 2009 vor, die Barriere zu beseitigen, um die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie Auch die Böschung muss geschützt zu erreichen. „Die EU-Richtlinie und die werden. Das Wehr damit verbundenen Fördermittel sind liegt zwischen eine gute Sache für unsere Flüsse“, betont einer Landstraße Andreas Hildebrandt, „allein mit finan- und der Bahnlinie. ziellen Mitteln des Landes wären solche Foto: LHW umfangreichen Maßnahmen nicht zu 18 machen.“ Dem Ingenieur lag das Projekt in das erreichen will, muss man auch die alte Für Wanderfische Sandersleben auch persönlich am Her- Bausubstanz anfassen“, erklärt Andreas ist das Wehr in zen, denn er ist passionierter Angler und Hildebrandt. Dazu gehörte die Erneuerung Sandersleben ein Mitglied in einem Angelverein: „Ich freue der linken und rechten Wehrwange. Auch unüberwindbares mich, wenn wir den einen oder anderen die Doppelschützanlage wurde neu gebaut, Hindernis. Für sie wird ein technischer Fisch mehr wieder im Gewässer haben.“ denn sie dient dem Hochwasserabfluss. Fischpass gebaut. Foto: LHW Planung und Umsetzung des Vorhabens Anschließend entstand auf der linken haben dann viel Zeit und Kraft gekostet. Seite des Wehrs ein technischer Fisch- Von der Antragstellung im Jahr 2009 über pass in Stahlbetonbauweise. Die Gesamt- die Ausschreibung der Baumaßnahme 2014 kosten für die Realisierung des Projekts bis zur Fertigstellung im November 2015 lagen bei mehr als einer Million Euro. füllten sich mehrere Aktenordner. „Wir sind in einem Natura-2000-Gebiet. Deshalb „Die Anlage in Sandersleben ist von musste unter anderem auch eine ausführ- Wanderfischen angenommen worden“, liche Landschaftsplanung erfolgen. Denn zieht Andreas Hildebrandt Bilanz. Bei der wir dürfen mit unseren Baumaßnahmen Funktionskontrolle wurden im Jahr 2016 den Lebensraum von bedrohten Tierarten eine Frühjahrs- und Herbstuntersuchung nicht beeinträchtigen“, skizziert Andreas durchgeführt. Während eines 45-tägigen Hildebrandt eine der Herausforderungen. Kontrollzeitraumes haben insgesamt 483 Fische aus neun verschiedenen Arten „Die Anlage ist von Wanderfischen den Pass benutzt. Es waren Bachforellen, angenommen worden.“ Barsche, Döbel, Elritzen, Giebel, Gründlinge, Hechte, Plötzen und Schmerlen darunter. Eine weitere Herausforderung für die Planer und Bauleute war das alte Wehr. Von der Strömung „Hauptziel der Europäischen Wasserrah- werden Wander- menrichtlinie ist die ökologische Durch- fische angelockt. gängigkeit der Gewässer. Aber wenn man Foto: S. Reh 19 Rückbau einer Staumauer und Beseitigung von Verrohrungen am Haselbach

Ob die gehobenen Gäste seinerzeit Spaß am Füttern von Schwänen hatten, ist un- gewiss. Gelegenheit hätten sie jedenfalls gehabt. Oberhalb des Feriendomizils gab es einen Schwanenteich. Er war 40 Meter lang und 15 Meter breit. Das Wasser lieferte ein aus Schwenda kommender Neben- arm des Haselbachs. Er wurde mit einer 17 Meter langen und bis zu drei Meter hohen aus Bruchstein errichteten Mauer angestaut. Vom Schwanenteich aus floss der Bach dann noch rund 25 Meter durch Rohrleitungen. Ökologische Durchgängig- keit war hier nicht ansatzweise gegeben.

„Fische, Amphibien und kleine Wasser- Die alten Rohrdurch- Das Ende des Schwanenteichs von organismen können diesen Bereich nun lässe des Haselbachs Schwenda problemlos passieren.“ waren ein Wander- hindernis für Was- Die Obere Haselmühle im Südharz war in Wer heute an der Oberen Haselmühle serorganismen. der damaligen DDR von Gerüchten um- vorbei geht, sieht davon nichts mehr. Der Foto: UHV Helme wittert. Die Menschen ahnten, dass in Unterhaltungsverband Helme hat von 2011 dem Anwesen abseits von Schwenda keine an mehrere Projekte initiiert, um den Zu- normalen Feriengäste logierten. Im Wen- stand des Haselbachs und seines Neben- de-November 1989 berichtete die „Frei- arms zu verbessern. Christian Knape ist heit“, dass sich dort Parteimitglieder und Geschäftsführer des Verbandes und er- vorzugsweise Sekretäre der SED-Bezirks- läutert das Ende des Schwanenteichs: „Wir leitung erholten. Die Obere Haselmühle haben die Staumauer weggerissen und sei entsprechend hergerichtet: Sauna im einen etwa 70 Meter langen naturnahen, Keller, Appartement im Dachgeschoss. mäandrierenden Bachlauf geformt. Der oh- nehin seit der Wende ungenutzte und ver- landete Teich ist inzwischen eine Wiese.“

Natürlich verschwand auch die Verroh- Diese Mauer staute früher das Wasser rung. „Unter der Zufahrt zur Haselmühle für den Schwanen- wurde ein größerer Durchlass mit durch- teich, der zu diesem gängiger Kiessohle geschaffen. Fische, Zeitpunkt schon Amphibien und kleine Wasserorganismen ausgetrocknet war. können diesen Bereich nun problemlos Foto: UHV Helme passieren“, erläutert der Geschäftsfüh- 20 Der Zusammenfluss von Haselbach und Nebenarm: Die Ge- wässer sind an der Oberen Haselmühle naturnah und öko- logisch durchgängig. Foto: M. Kühnast rer, „wir haben alle Fördermöglichkeiten Ein Erfolg sind die 2013 abgeschlossenen genutzt, um möglichst naturnahe Bäche Projekte an der Oberen Haselmühle aber wiederherzustellen.“ Nach dem Durch- in jedem Fall. Tiere und Pflanzen haben in lass schlängelt sich der Nebenarm noch den offenen Bachläufen nun gute Lebens- zwanzig Meter durch eine Wiese und bedingungen. Außerdem sind Abfluss- mündet dann in den Haselbach, der aus bedingungen zum Beispiel bei Starkregen östlicher Richtung kommt. Sein Wasser günstiger und die Verstopfung der Durch- hat früher die Mühle angetrieben, deshalb lässe werden auf ein Minimum reduziert. fließt er direkt an den Gebäuden vorbei. Mehr als 200.000 Euro sind in die Verbes- serung des ökologischen Zustandes des Wenn Bebauung Kompromisse bei der Haselbachs und seines Nebenarms an der Bachgestaltung verlangt Oberen Haselmühle geflossen. Die Investi- tion war nach einem im Jahr 2004 realisier- Diese Konstellation an der Südseite des ten Projekt an einem anderen Abschnitt Anwesens hat dem Unterhaltungsver- der konsequente nächste Schritt. Denn mit Der Haselbach hat band und den Ingenieuren Kopfzerbre- den Maßnahmen ist nun die ökologische sich im Bereich des chen bereitet. Der Haselbach floss30 Durchgängigkeit des Haselbaches in der neuen Durchlasses Meter durch dunkle Rohre, weil an dieser gesamten Länge von etwa zehn Kilometern mit der durch- Stelle die Zufahrt zum Wirtschaftshof ist. bis zur Mündung in die Thyra gegeben. gehenden Sohle „Die Immobilie ist mittlerweile wieder Damit ist ein wichtiges Ziel der Europäi- gut entwickelt. in Privatbesitz“, sagt Christian Knape, schen Wasserrahmenrichtlinie erreicht. Foto: M. Kühnast „das heißt, die Zufahrt musste bleiben. Dadurch hatten wir aber so wenig Platz, dass bei einer Freilegung des Baches keine Böschungen geformt werden konnten.“ Alle Beteiligten fanden schließlich einen Kompromiss. Aus großen Betonprofilen wurde ein Durchlass mit durchgängiger Sohle geformt und mit Gitterrosten ab- gedeckt, so dass Licht einfallen kann.

„Das ist keine optimale Lösung. Allerdings gelingt es leider in bebauter Umgebung nicht immer, naturnahe Gewässer wie aus dem Lehrbuch herzustellen“, gibt Christian Knape zu bedenken, „aber in gewisser Weise ist es ja naturnah: Die Bäche haben eine durchgängige Sohle, es ist Licht in den Gewässern und an meh- reren Stellen ist Uferbewuchs möglich.“ 21 Sanierung der Kaskade und Bau eines Fischpasses an der Thyra bei Stolberg

Von Bachforellen und Fledermäusen

Die alte Residenzstadt Stolberg befindet sich im südlichen Teil des Naturparks Harz. Die etwa 1.400 Personen zählende Kommune ist heute bekannt als Luftkur- Am Rande einer 100 ort sowie Historische Europastadt. „Klar, Jahre alten Kaskade dass man da nicht bauen kann, was man wurde eine Fisch- will, oder Bäume fällen, wie man will“, treppe angelegt. Foto: UHV sagt Steffen Heling vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirt- „Mein Lieblingsplatz in meinem schaft Sachsen-Anhalt. Er ist Flussbe- Arbeitsgebiet“ reichsleiter. Zu seinem Zuständigkeits- gebiet gehört auch die Thyra in Stolberg. „Ein schöner Platz? An der Thyra natür- lich, im Bereich Stolberg. Dort finde ich Die Thyra ist ein Gewässer erster Ordnung es sehr reizvoll. Weil der Südharz dort und entsteht durch den Zusammen- dichte Buchenwälder hat und die Thyra fluss der Lude und der Großen Wilde in sich durch das Tal schlängelt. Auch der der Stolberger Altstadt. Von dort durch- Oberlauf der Wipper ist schön. Bei Wipp- fließt sie das Waldgebiet in Richtung ra beispielsweise fließt die Wipper durch Rottleberode und erreicht nach etwa ein herrliches Tal. Etwa einmal im Monat 18 Flusskilometern die Stadt Berga, wo bin ich dort zur Gewässerkontrolle.“ sie in die Helme mündet. Südlich von Stolberg, direkt an der Straße nach Rott- Steffen Heling, Flussbereichsleiter beim leberode, lässt sich ein seltenes Bau- Landesbetrieb für Hochwasserschutz werk bestaunen. Dort fließt die Thyra und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt über eine Kaskade. Das ist eine Art stei-

Der technische Fischpass ermöglicht Fischen den Auf- und Abstieg in der Thyra. Foto: UHV 22 Aus der Luft las- sen sich Kaskade und Fischaufstieg gut erkennen. Foto: UHV nerne Treppe für den Bach, um einen Die Bachforellen haben den Weg gefunden Höhenunterschied zu überwinden. Die beauftragte Firma hat das Vorhaben Steffen Heling: „So eine Kaskade sieht ein- dann schließlich im Zeitraum von März drucksvoll aus. Für Fische ist sie ein Hinder- bis November 2012 umgesetzt. Zunächst nis.“ wurden die Stufen der in die Jahre ge- kommenen Kaskade saniert. Anschließend „Diese Kaskade ist 14 Meter lang und zehn wurde in Fließrichtung auf der linken Seite Meter breit. Sie wurde vor mehr als ein- der Kaskade eine technische Fischauf- und hundert Jahren gebaut“, schildert Steffen -abstiegsanlage aus Stahlbeton angelegt. Heling. Anlass war die Begradigung der In das Projekt flossen insgesamt 240.000 Thyra. Das dadurch entstandene Ge- Euro. Die Anlage wurde im Anschluss fälle sollte durch die Kaskade verringert auf ihre Funktionalität überprüft. Mit werden. Gleichzeitig war das Ziel, die positivem Ergebnis. „Bei den Kontrollen Grundwasserverhältnisse für Flora und konnte nachgewiesen werden, dass die Fauna aufrecht zu erhalten. Diese Kaska- Bachforellen den Fischpass gefunden und de besteht aus sieben Einzelstufen und auch überwunden haben“, blickt Steffen überwindet einen Höhenunterschied Heling zurück. Im Kontrollzeitraum wur- von zwei Metern. Das Bauwerk war bis de ein Anteil von 40 Prozent laichfähigen Die Kaskade in der 2012 ein unüberwindbares Hindernis für Bachforellen nachgewiesen. „Damit ist Thyra bei Stolberg Wanderfische und musste zur Umsetzung die Thyra an der Stelle der Kaskade öko- liegt mitten in einem der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie logisch durchgängig“, freut sich Steffen bewaldeten Gebiet. ökologisch durchgängig gestaltet werden. Heling, der an anderen Stellen des Ge- Foto: S. Reh wässers noch Handlungsbedarf sieht. Eine Maßnahme, die vieler Vorplanun- gen bedurfte. „Weil wir uns in einem So gibt es im Unterlauf der Thyra bereits Natura-2000-Gebiet (FFH-Gebiet) be- Fischaufstiegsanlagen, etwa in Berga und finden, haben wir unter anderem einen Rottleberode. Allerdings besteht hier Nach- Artenschutzfachbeitrag eingeholt und besserungsbedarf, denn es kommen nicht einen landschaftspflegerischen Begleit- alle Fischarten durch. Ein Grund dafür sei plan geschrieben“, sagt Steffen Heling, die Trockenheit der vergangenen Jahre, „wir mussten für die Maßnahme Bäume sagt Steffen Heling. Die Flüsse hätten wegnehmen und den Fledermäusen, nicht mehr so viel Wasser wie früher. Die die dort lebten, Ausgleichsquartiere Thyra sei etwa in Rottleberode in einigen bauen – das sind kleine Kästen an den Abschnitten vollkommen trocken. Deshalb Bäumen. Wenn man etwas für die Na- hat der Landesbetrieb Planungen zur An- tur machen möchte, muss man eben passung der Fischaufstiege angeschoben. auch immer einen zeitlich begrenzten Die Umsetzung der Projekte soll in den Eingriff in die Natur vornehmen.“ nächsten vier bis fünf Jahren erfolgen. 23 Ökologische Durch- gängigkeit der Stimmecke bei Stapelburg

„Mein Lieblingsort“ Zwei Projekte damit sich Groppen wieder wohlfühlen „Das ist nicht so leicht zu sagen. Aber die Gegend an der und der Stimmecke, Die Tafel oberhalb des Eingangs einer wo wir dieses Projekt zur Europäischen Schutzhütte macht schnell klar, dass dies Wasserrahmenrichtlinie realisiert ha- hier kein normales Harzer Wandergebiet ben, gefällt mir gut. Es war Grenzgebiet. ist. Die in der Nähe vorbei rauschende Dort kam man zu DDR-Zeiten nicht hin. Ecker, so steht dort in hölzernen Lettern Jetzt ist wieder alles frei zugänglich. geschrieben, ist seit Jahrhunderten ein Dazu gehört auch der nahe gelegene Grenzfluss. Sie bildete auch die Trennlinie „Jungborn“. Das war 1896 die erste und zwischen den beiden deutschen Staaten. In größte Naturheilstätte in Deutschland. jener Zeit wäre es undenkbar gewesen, ein- Sie lag direkt an der Ecker. Von den Ge- fach an den Ufern dieses Mittelgebirgsflus- Bauarbeiten an der Stelle, an der bäuden ist nichts übrig. Aber ein Verein ses entlang zu laufen. Jetzt ist es möglich. das Wasser aus bemüht sich, das Andenken zu bewah- der Ecker in die ren und hält das Gelände in Ordnung.“ Die Ecker entspringt in der Nähe des Bro- Stimmecke fließt. ckengipfels. Nach etwa zehn Kilometern Foto: UHV Ilse/ Eleonore Lutze, Projektleiterin beim UHV erreicht der Fluss das Gebiet südwestlich Holtemme Ilse-Holtemme von Stapelburg. Hier fließt – verborgen hinter dichten Büschen und unter hohen Bäumen – ein Teil des Wassers ab. Es ist der Geburtsort der Stimmecke. Sie durch- quert Stapelburg und mündet knapp zwanzig Kilometer weiter nordwestlich in die Ilse. Ein scheinbar ganz normaler Bach. Doch er hat es in sich: Die Stimm- ecke ist eines der wenigen Gewässer in Sachsen-Anhalt, in denen noch Groppen leben. Diese am Boden gründelnden, bis zu 15 Zentimeter langen Fische stellen hohe Anforderungen an die Wasserqualität.

Marode Ufermauern als ökologischer Problemfall

In der Stimmecke bekamen die anspruchs- vollen Groppen vor einigen Jahren ernste Probleme. „Dort, wo das Wasser aus der Ecker abfließt, waren die Böschungen mit Mauern gesichert. Diese Mauern 24 waren baufällig geworden. Gestein rutschte ab und versperrte den Zufluss in die Stimmecke“, erinnert sich Eleonore Lutze. Sie ist Projektleiterin beim Unter- haltungsverband Ilse-Holtemme. Um schwerwiegende ökologische Folgen zu vermeiden, wurden die Steine und Mau- ern im März 2010 beseitigt. Es war aber klar, dass eine nachhaltige Lösung für die Gewässer gefunden werden musste.

Der Unterhaltungsverband Ilse-Holtem- me nahm sich der Sache an. Planungen für die Neugestaltung des Stimmecke- abschlags wurden vorangetrieben und Förderanträge gestellt. Im September 2014 bekam der Verband grünes Licht vom Land Sachsen-Anhalt. Wenig später rückten die Bauarbeiter an. Sie sicherten Deshalb wurden die Rohre ausgegraben, Der Abfluss in die die Ufer beidseitig mit Spundwänden und der Schütz beseitigt und im weiteren Stimmecke von der setzten Gabionenkörbe davor. Aus diesen Verlauf auch das in die Jahre gekommene Ecker aus gesehen. steingefüllten Drahtgeflechten entstand „Schützentafelwehr“ saniert. Die Stimm- Von der einstigen der neue Abfluss. „Das Bauwerk ist so ge- ecke bekam auf einer Länge von etwa 130 Baustelle ist nichts staltet, dass zwei Drittel des Wassers in Metern ein naturnahes, mäandrierendes mehr zu sehen. Foto: M. Kühnast der Ecker bleiben“, erklärt Eleonore Lutze, Bett. Zur Stabilisierung wurden Wasser- „ein Drittel fließt ab in die Stimmecke.“ bausteine eingebracht. Sie dienten auch zur Sicherung der neu angelegten Bö- Stimmecke als Lebensraum gesichert schungen, die in den Folgejahren wieder vollständig mit Gräsern und Sträuchern Dieses Wasser fließt nun auch wieder bewachsen sind. Eleonore Lutze weist noch unter freiem Himmel. Das ist ein wei- auf einen aus größeren Steinen geformten teres Ergebnis des Projekts. Denn etwa Ablauf hin, der weiter abwärts geschaffen 40 Meter von der Stelle, wo das Wasser wurde: „Das dient der Regulierung. Bei Eine Tafel an aus der Ecker in die Stimmecke floss, hohen Wasserständen kann hier ein Teil einer Schutzhütte verschwand der Bach in einem Beton- des Wassers aus der Stimmecke wieder in informiert über rohr, das am Einlauf mit einem Schütz einem Bogen zurück in die Ecker fließen.“ die Bedeutung der zur Regulierung des Durchflusses ver- Ecker in der deut- sehen war. Für die Groppen, die schlechte Anfang April 2015 waren alle Arbeiten ab- schen Geschichte. Schwimmer sind, stellte das ein kaum zu geschlossen. Etwa 174.000 Euro kostete Foto: M. Kühnast überwindendes Hindernis dar. Aber auch das Projekt. Finanziert wurde es von der für andere Fische und Wasserlebewesen Europäischen Union, vom Bund und vom war dieser Bereich keine Wohlfühlzone. Land Sachsen-Anhalt. Die angestrebten und von der Europäischen Wasserrahmen- richtlinie vorgegebenen Ziele wurden erreicht. Die Stimmecke ist als Lebensraum für Pflanzen und Tiere gesichert. Bachfo- rellen und Elritzen haben freie Bahn. Und natürlich fühlen sich auch die Groppen wieder pudelwohl in der Stimmecke.

An dieser Stelle kann bei hohen Wasser- ständen wieder Wasser aus der Stimmecke in die Ecker zurückfließen. Foto: M. Kühnast 25 Ökologische Durchgängigkeit der Laweke bei Elbitz

Stichwort: Laweke

Die Laweke entspringt bei Hedersleben im Landkreis Mansfeld-Südharz und mündet östlich von Zappendorf im Saale- kreis in die Salza. Der Bach zählt zu den Vorranggewässern in Sachsen-Anhalt und gehört zur oberen Forellenregion. Über die Salza, die Saale und die Elbe fließt das Wasser der Laweke bis in die Nordsee. Für Flora und Fauna ist der Bach ökologisch wichtig, für den Wasserhaus- halt ebenso. Er fließt teilweise in einem engen Tal mit sehr steilen Hängen. Bei starkem Regen nimmt die Laweke Was- ser auf, aber auch Schwemmgut. Das führt immer wieder zur Verstopfung von Durchlässen. Solch ein Problem konnte in der Ortslage Elbitz mit Mitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt behoben werden.

Der UHV Untere Saale realisierte bei Elbitz Die Brücke über die „Mein Lieblingsplatz im Verbands- „ein Projekt für die nächste Generation“ Laweke wurde für gebiet“ die Anlieger kom- Eigentlich hatte Christian Gobst nur Gutes plett erneuert. „Ich bin gebürtiger Hallenser und dement- im Sinn. Die Laweke bei Elbitz sollte end- Foto: UHV sprechend natürlich Lokalpatriot. Deshalb lich ökologisch durchgängig werden. Für finde ich die Seitenarme der Saale sehr Absprachen mit Anrainern, Ingenieurinnen schön. Also den Mühlgraben und die Raben- und Ingenieuren stellte der Geschäftsfüh- insel. Dort gibt es ein paar schöne Ecken. Die rer des Unterhaltungsverbandes Untere Rabeninsel ist ja der Bereich zwischen Saale Saale einen Container an die Baustelle. „An und Kanal. Da ist ein Naturschutzgebiet, in einem Freitagabend klingelte dann mein dem man entspannt Rad fahren, wandern Telefon“, erzählt er, „ein völlig aufgebrach- und joggen kann. Eine Stadt an einem Fluss ter Besitzer eines Pferdehofes rief an. Wir hat eben einen besonderen Charme.“ sollten sofort den Container wegräumen, seine Tiere würden verblitzt.“ Nach einigen Christian Gobst, Geschäftsführer des Un- Worten wurde klar, was passiert war. Der terhaltungsverbandes (UHV) Untere Saale Baucontainer hatte eine Fensterscheibe, 26 Rohre wurden an der Laweke entfernt. Foto: S. Reh die das Licht der tief stehenden Sonne Für den Notfall hat die Feuerwehr einen reflektierte. Die Dressurpferde wurden Schlüssel geblendet und die Tochter des Pferdehof- besitzers konnte nicht trainieren. „Ich habe Nach Abschluss der Vorarbeiten ging die dann einfach das Fenster des Containers beauftragte Firma 2017 ans Werk. Das mit Zeitungspapier abgeklebt“, erinnert Betonbecken wurde abgerissen und auch sich Christian Gobst schmunzelnd. der Durchlass komplett umgestaltet. „Wir haben das Rohr aus der Erde geholt und Die Bauarbeiten selbst liefen reibungslos. eine neue Brücke gebaut. Eine besondere Ziel war, einen Durchlass unter einer Straße Brücke, mit Gitterrosten“, erklärt Christian zu erneuern und ein 60 Meter langes Gobst und ergänzt: „bestimmte Fischar- Betonbecken wegzureißen. „Die landwirt- ten schwimmen nicht durch Rohre oder schaftliche Produktionsgenossenschaft Brücken, die dunkel sind.“ Durch die Git- (LPG) hatte in dem Becken Kartoffeln ge- waschen – mit dem Wasser der Laweke. Dafür konnte der Bach mit einem Schütz angestaut werden“, erläutert Christian Gobst den früheren Zustand. Deshalb war das Gewässer nicht mehr durchgängig für Fische und Amphibien. „Die Zeit der LPG ist vorbei, und es ist auch nicht mehr zulässig, dass man in einem Fließgewäs- ser irgendwelche Reinigungsarbeiten durchführt“, sagt der Geschäftsführer. Im Jahr 2010 begannen Vorarbeiten für das Projekt. Daran waren mehrere Planungs- Wo einst ein Kartof- büros beteiligt, denn es ging nicht nur felbecken aus Beton um bauliche Veränderungen, sondern stand, hat sich die auch um Verbesserungen der umliegen- Natur die Laweke den Grünflächen und Landschaftsbau zurückerobert. sowie die Beteiligung der Anrainer. Foto: S. Reh 27 Bäume wurden entlang der Laweke gepflanzt, damit das Gewässerbett seinen natürlichen Lauf wiederfinden kann. Foto: S. Reh

terroste kann nun von oben Licht in den war, und man sieht die ökologische Ver- Durchlass scheinen. Landwirte nutzen die besserung danach. Es ist ein gutes Gefühl, Brücke, auch Anlieger einer Gartenanlage für die nächste Generation etwas Gutes zu und natürlich der Besitzer des Reiterhofes. hinterlassen“, bilanziert Christian Gobst, Für seine Pferde wurde die Brücke zusätz- „Elbitz war ein sehr, sehr schönes Projekt“. lich mit Gummimatten ausgestattet, weil die Tiere nicht gern über Gitter laufen. Das hat auch damit zu tun, dass es an- Im Notfall kann die Laweke an der Brücke schließend weiterging. Auf sechs Kilo- auch noch angestaut werden. Die Stau- metern bekam die Laweke durch Anpas- vorrichtung ist an einer Seite der Brücke sungen in der Landschaft wieder mehr eingeschlossen. „Den Schlüssel hat die Platz.“ In der DDR gab es ja die Vorstellung: örtliche Feuerwehr“, sagt der Verbandschef. Gewässer müssen geradeaus gehen und gemäht sein bis zur Sohle. Am besten noch „Elbitz war ein sehr, sehr schönes Projekt.“ eine Betonsohle, damit das Wasser schnell durchfließen kann. Das ist kein natür- Für Christian Gobst war das Projekt in licher Zustand“, sagt der Wasserexperte. Elbitz etwas Besonderes. „Maßnahmen zur Umsetzung der Europäischen Wasser- Deshalb wurden mit den Fördermitteln rahmenrichtlinie sind ja immer freiwillige Flächen dinglich gesichert und entlang der Leistungen. Aber man sieht, wie es vorher Laweke Bäume und Büsche angepflanzt, damit das Gewässerbett seinen natür- lichen Lauf wiederfinden kann. Mit der Bepflanzung in dem etwa sechs Meter breiten Randstreifen soll auch die Boden- erosion vermindert, der Eintrag von Fremd- material ins Gewässer reduziert und der Unterhaltungsaufwand verringert werden. Investiert wurden in das Gesamtprojekt 380.000 Euro. Die Laweke ist nun bis Elbitz ökologisch durchgängig. Im weiteren Ver- lauf gibt es noch einige Hindernisse, vor al- lem Brückenbauwerke, die Christian Gobst in den nächsten Jahren beseitigen will. Das rostige Wehr- tor aus der Laweke steht nun als Deko- An das alte Schützbauwerk von Elbitz ration im Hof des erinnert nur noch das rostige Wehr- Unterhaltungsver- tor. Das steht mittlerweile als An- bandes in Halle. schauungsobjekt im Hof des Unter- Foto: S. Reh haltungsverbandes in Halle. 28 Beseitigung eines Felsens und Bau einer Sohlgleite im Siedebach bei Pretitz

Mit einer schrägen Sohlgleite wurde der Siedebach ökologisch durchgängig gestaltet

Der Siedebach schlängelt sich nur wenige Kilometer durch die sanften Hänge des Naturparks Saale-Unstrut-Triasland südlich von Querfurt. Kurz bevor er in Liederstädt in den Schmoner Bach mündet, fließt er durch ein idyllisches Tal bei Weißenschirm- bach und Pretitz. Zwischen den beiden Dörfern steht eine alte Wassermühle, die heute noch bewohnt ist. Zuständig für den Siedebach ist im Auftrag der umliegenden Gemeinden der Unterhaltungsverband Untere Unstrut. Dessen Geschäftsführer Günter Höroldt erklärt, warum sich ge- rade dort etwas verändern musste: „Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass alle Gewässer übergeordneter Bedeutung in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden sol- len. Der Siedebach galt in dieser Hinsicht als ein Problemfall, den wir lösen wollten.“

Zu DDR-Zeiten ereilte den Bach an die- und fügt an, „also haben wir den Fels- Der Siedebach ser Stelle das gleiche Schicksal wie viele absturz entfernt und dem Bach seinen schlängelt sich durch andere Bäche: Er wurde für die Landwirt- ursprünglichen kurvigen Verlauf mit einer ein Tal bei Pretitz. schaft begradigt. Der natürliche Gewäs- flachabfallenden Rinne zurückgegeben.“ Foto: M. Kühnast serlauf ging verloren. Hinzu kam, dass in dem begradigten Bachlauf über die Jahre Statt des riesigen Feldsteins kamen viele ein riesiger Feldstein frei gespült wurde. kleine Steine in den Bach „Diesen Felsen hatte man vorher nicht ge- sehen. Als er dann frei lag, war man offen- Mit schwerer Technik holten Arbeiter das bar mit der verfügbaren Technik nicht in riesige steinige Hindernis aus dem Bach. der Lage, ihn zu beseitigen oder hatte kein Anschließend wurden am gerodeten Ufer Interesse daran“, erläutert Günter Höroldt. große Erdmassen bewegt, um den neu- An dieser Felsbank stürzte das Wasser en Bachlauf zu formen. „Auf etwa vier- etwa siebzig Zentimeter in die Tiefe. „Da zig Metern Länge entstand eine schräge kommt kein Fisch bei seiner Wanderung Sohlgleite“, sagt Günter Höroldt, „sie hat hoch“, schätzt der Gewässerexperte ein zwei bis drei Prozent Längsgefälle.“ Bei 29 Der Fels im Siedebach wurde mit schwerer Technik beseitigt. Foto: UHV Unteres Unstruttal

dem Bau dieser Sohlgleite kamen jede Der Felsen an der Wassermühle bei Pretitz Menge Steine zum Einsatz, insgesamt 200 war das einzige Hindernis für Wander- Tonnen Porphyr. Daraus wurden beispiels- fische im Siedebach. In ihm sind vor allem weise in regelmäßigen Abständen zur Forellen heimisch. „Die Fische kommen Verringerung der Strömung Querriegel aus der Unstrut über Reinsdorf und Lie- gebaut, über die das Wasser hinweg fließt. derstädt. Darüber hinaus sind vor Jahren mal aus einer privaten Haltung in Wei- ßenschirmbach Forellen ausgebüchst“, erzählt Günter Höroldt. Etwa zwei Kilome- ter hinter der Mühle bei Pretitz ist für die Fische allerdings Schluss. Dort in seinem Quellgebiet führt der Siedebach so wenig Wasser, dass die Fische zurück müssen.

Der Siedebach fließt wieder durch ein naturnahes Bett. Foto: M. Kühnast

Der unterschiedliche Von all dem sieht man heute nichts mehr. Pflanzenbewuchs Die Böschungen, die Ufer und die Sohl- bedingt eine mäan- gleite sind wieder bewachsen. „Die Natur drierende Strömung. hat den Bereich komplett wieder zurück- Foto: M. Kühnast genommen“, freut sich Günter Höroldt. Die Kosten für den Abbruch des Felsens und den Neubau der Sohlgleite betrugen rund 46.000 Euro. Finanziert wurde das Projekt mit Mitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt. 30 Rückbau von Wehren und Schaffung von Sohlgleiten im Saubach

„Mein Lieblingsort im Verbandsgebiet“

„Mein Lieblingsort ist der Emsenbach, der von Sachsen-Anhalt nach Thüringen fließt. Vor den Toren von Bad Sulza gibt es zwei, drei besonders schöne Ecken mit Wald. Die Gegend lädt zu Spaziergängen ein. Dort liegt auch der Emsenteich. Er wurde früher zum Hochwasserschutz angelegt, aber man kann darin auch baden. Es ist ein Naherholungsgebiet mit Bungalows und Weinbergen gleich oberhalb des Ufers. “

Günter Höroldt, Geschäftsführer des Unterhaltungsverbands Untere Unstrut

Der Saubach ist in einem wichtigen Abschnitt für Fische wieder ohne Hindernis einem guten Zustand waren, mussten Am Saubach im Bur- Wenn Sagen wahr wären, wäre der Sau- sie nun abgerissen werden. „Es tat schon genlandkreis fließt bach im Burgenlandkreis vermutlich eine ein bisschen weh, diese Dinge zu besei- die Schwesternquelle. Pilgerstätte. Jedenfalls erzählt eine Holz- tigen“, sagt Günter Höroldt, „weil es eine Foto: S. Reh tafel am Saubach, dass dort einst drei Baukunst gewesen ist, die heutzutage Schwestern durch das klare Quellwasser kaum noch jemand beherrscht. Gegrün- Eine Hinweistafel von ihren Krankheiten geheilt wurden. det wurden die Wehre mit Holzpfählen. erzählt die Geschich- Eine Fee hatte mit ihrem goldenen Stab Dann wurde Sandstein aus der Gegend te dreier Schwestern. die Felswand berührt und das lebens- behauen und passend gemacht.“ Foto: S. Reh rettende Wasser sprudeln lassen. Günter Höroldt kennt die Geschichte, probiert hat Der Saubach als schiefe Ebene er das Wasser aber noch nie. Dafür hat der Geschäftsführer des Unterhaltungs- Die Wehre hatten den Zweck, Wasser an- verbandes Untere Unstrut für die Bau- zustauen, damit Mühlen betrieben wer- herren von einst den größten Respekt. den konnten. „Sie versorgten früher die Menschen mit Mehl. Heute kaufen wir Denn im Saubach, neben der Schwestern- Mehl im Supermarkt. Also braucht keiner quelle und in dessen Umfeld, standen mehr die Wehre“, fasst Günter Höroldt zwei alte Wehre. Sie stammten vermut- die Entwicklung zusammen. Die Anlagen lich aus der ersten Hälfte des 19. Jahr- seien aber nicht nur nutzlos geworden, hunderts. Obwohl sie baulich noch in sondern sie stellten auch einen Eingriff in 31 in angrenzenden Gewässern des Sau- baches ausgesetzt worden“, sagt Günter Höroldt. Nachdem sich die Wasserqualität extrem verbessert habe, hätten sich die Tiere vermehrt und im Saubach angesie- delt. Speziell in Bad Bibra könne man die Forellen an einigen Stellen gut beobachten.

In die beiden Projekte an der Schwestern- quelle hat der Unterhaltungsverband 400.000 Euro investiert. Genutzt wurden Mittel der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt. Noch aber ist der Saubach nicht ökologisch durch- gängig. Auf seinem Weg vom Ort Saubach, wo er aus dem Herrentalgraben und dem Damentalgraben entsteht, bis zur Mün- dung in den Biberbach in Bad Bibra gibt es noch zwei weitere Wehre. Diese beiden Das alte Wehr im die Natur dar, weil sie Fische und andere Hindernisse will der Geschäftsführer mit Saubach war ein Kleinstlebewesen am Wandern hinderten. seinem Verband in den nächsten Jahren unüberwindba- noch beseitigen. Günter Höroldt: „Mit dem res Hindernis für Folglich wurden die beiden Wehre in den Saubach sind wir noch nicht am Ende.“ Wanderfische. Jahren 2013 und 2016 entfernt. Die dadurch Foto: UHV Untere entstandenen Abstürze waren zwischen Unstrut zwei Metern und 2,40 Metern hoch. Die 400.000 Euro wur- Höhenunterschiede wurden auf einer den investiert, um Länge von 80 Metern mit Steinpackungen den Saubach an der und Steinschüttungen ausgeglichen. „Wir Schwesternquelle für haben also keine einzelnen Becken gebaut Wanderfische durch- wie bei einer Fischtreppe, sondern eine Art gängig zu machen. schiefe Ebene mit zwei bis drei Prozent Foto: S. Reh Neigung“, erklärt Günter Höroldt. Damit können Fische nun im Saubach wandern, was vorher nicht ging. Darunter die sel- tenen Groppen. Die hat der Verbandsge- schäftsführer zwar noch nicht gesehen, Der Fischpass am dafür aber jede Menge Bachforellen. Saubach fügt sich in die Natur ein. Am Saubach werden weitere Projekte Foto: UHV Untere folgen Unstrut Doch es gab noch ein anderes Problem an der Schwesternquelle. Der Saubach hat hier einen geringen Wasserstand, der für die wandernden Forellen nicht ausreicht. „Die Fische brauchen mindestens einen Wasserstand von etwa 20 Zentimetern Höhe. Und das ist nicht mehr gegeben, wenn ein Bach eine ein bis zwei Meter breite Sohle hat“, erläutert Günter Hö- roldt. Deshalb wurde der Bach an dieser Stelle mit Steinen auf etwa 30 Zentimeter eingezwängt und dadurch der Wasser- stand künstlich erhöht, so dass die Forel- len diesen Bereich passieren können. „Die Fische sind vor der Wende von Privatleuten 32 Beseitigung von Querungsbauwerken am Gostauer Graben

Stichwort: Biotopverbund Geschäftsführer Roland Köcher und sein Die Karte zeigt, Team mit den Gewässern der Gegend an welcher Stelle Mit dem Biotopverbund beziehungs- bestens auskennen. Der Verband hat westlich von Gos- weise der Erhaltung von Grünstrukturen seinen Sitz in Braunsbedra in der sach- tau das Projekt zwischen Biotopen, wird das Überleben sen-anhaltischen Braunkohleregion. realisiert wurde. Foto: UHV Mittlere von Tier- und Pflanzenarten in der inten- Saale-Weiße Elster siv genutzten Kulturlandschaft gesichert. Zu diesen Gewässern des Unterhaltungs- Damit haben die Arten die Möglichkeit verbandes gehört auch der nur etwa drei- ihren Lebensraum zu wechseln. Der ge- einhalb Kilometer lange Gostauer Graben, netische Austausch wird sichergestellt. der für die Arbeit des Unterhaltungsver- Zur dauerhaften Sicherung der Popula- bandes eine besondere Rolle spielte. Er tionen müssen Tiere und Pflanzen die realisierte im Jahr 2013 ein Projekt, damit In trockenen Som- Möglichkeit haben, zwischen Gebieten zu die Vorgaben der Europäischen Wasser- mern kann es vor- wechseln und sich in neuen Lebensräumen rahmenrichtlinie erfüllt werden. Roland kommen, dass der zu etablieren. Kernelemente des Biotopver- Köcher erläutert, was seinerzeit geplant Gostauer Graben bunds sind insbesondere Schutzgebiete wie und umgesetzt wurde: „Wir haben am kein Wasser führt. Nationalparke, Biosphärenreservate oder Gostauer Graben zwei sogenannte Que- Foto: S. Reh Natura-2000-Gebiete. Sie liegen oftmals räumlich isoliert voneinander. Die Mög- lichkeiten für die Arten, zwischen diesen geschützten Gebieten zu wechseln, können durch Vernetzungsmaßnahmen optimiert werden. Deshalb werden Schutzgebiete ebenso wie Flächen außerhalb von Schutz- gebieten, die als Lebensraum geeignet sind, über Lebensraumkorridore verbunden.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Das Ende von zwei Querungs- bauwerken

Gostau, das heute zur Stadt Lützen ge­ hört, ist schon mehr als eintausend Jah­ re alt. Ob der nach dem Ort benannte Graben genauso alt ist, weiß niemand, auch im Unterhaltungsverband Mittlere Saale-Weiße Elster nicht. Wenngleich sich 33 cher die damalige Situation und ergänzt, „die ökologische Durchgängigkeit war an diesen Stellen des Gostauer Grabens nicht gegeben. Viele Tiere meiden solche dunklen Abschnitte von Gewässern.“

Der Unterhaltungsverband Mittlere Saa- le-Weiße Elster nahm sich des Problems an. Er initiierte ein Projekt und beantragte Fördermittel. Das Land Sachsen-Anhalt bewilligte die finanzielle Unterstützung und die Wasserbehörde erteilte die Ge- nehmigung zur Beseitigung der Überfahr- ten. Anschließend schrieb der Verband die Leistungen öffentlich aus. Die beauftragte Firma baute die beiden Überführungen komplett zurück. Nachdem diese Hinder- nisse beseitigt waren, wurden naturnahe Böschungen angelegt. Die Gesamtkosten Der Gostauer Graben rungsbauwerke beseitigt. Das waren für das Projekt betrugen knapp 11.000 Euro. ist ein guter Lebens- Überfahrten, die von der Landwirtschaft raum für Makro- genutzt wurden. Traktoren und Last- Der Graben ist damit bei Gostau wie- phyten und kleine kraftwagen konnten auf diesen Wegen der ökologisch durchgängig. Das Was- Wasserorganismen. von der Straße auf die Felder fahren.“ ser kann von der Quelle bei Starsiedel Foto: S. Reh bis zur Mündung in die Grunau bei Der natürliche Gewässerlauf war Stößwitz ungehindert fließen. Proble- gestört matisch ist jedoch die langanhaltende Trockenheit in den letzten Jahren. Diese beiden Überfahrten waren in öko- logischer Hinsicht problematisch, denn Trotzdem war die Realisierung des Pro- darunter floss der Gostauer Graben jektes für die ökologische Durchgängig- durch enge Profile. Hinzu kam, dass der keit des Gewässers wichtig, denn der Ober- und der Unterlauf durch nicht Gostauer Graben bietet vielen Pflanzen angepasste Sohlhöhen getrennt waren. und Tieren einen Lebensraum und als „Der natürliche Gewässerverlauf wurde Teil des Biotopverbundes die Möglichkeit, dadurch gestört“, erläutert Roland Kö- den Lebensraum wechseln zu können.

Der Gostauer Graben bei Gostau ist Teil ei- nes Biotopverbundes. Foto: S. Reh 34 Rückbau eines Staus und Umbau eines Durchlasses am Bullengraben

Der Unterhaltungsverband Untere Ohre hat mit zahlreichen Projekten den Zustand der Gewässer verbessert. Eine Tour zu drei der realisierten Vorhaben.

Die Wasserrahmenrichtlinie der Euro- päischen Union spielte seit ihrer Ein- führung eine wichtige Rolle für die Arbeit von Geschäftsführerin Constan- ze Köppe und ihrem Team. Mit vielen Maßnahmen wurden alte Stauanlagen beseitigt, naturnahe Gewässerläufe ge- staltet und Durchlässe erneuert. Drei dieser Projekte sollen vorgestellt werden. Dazu ist eine kleine Herbstreise durch die Börde geplant. Wir besprechen die Tour im Büro von Constanze Köppe am Sitz des Verbandes im Kaliort Zielitz.

Frau Köppe, Bullengraben, Beber und Ro- senmühle sind die Stichworte. Was erwar- tet uns auf der Tour? Rosenmühle hängen aber zusammen. Sie Verbandsgeschäfts- sind auch nicht weit voneinander ent- führerin Constanze Es sind drei Projekte, die wir in den Jah- fernt, obwohl es so wirkt, weil man einen Köppe erläutert ren 2017 und 2018 realisiert haben. Rech- großen Bogen fahren muss, um von der die Projekte und net man alle drei Vorhaben zusammen, einen Stelle zur anderen zu gelangen. die geplante Tour. Foto: M. Kühnast sind mehr als 200.000 Euro in die Ver- besserung der Gewässer geflossen. Sie Sie haben in den vergangenen Jahren befinden sich alle im Gebiet zwischen vielfach die Fördermöglichkeiten zur Um- Haldensleben, Altenhausen und Emden. setzung der Europäischen Wasserrahmen- richtlinie genutzt. Was hat Sie dazu veran- Hängen diese drei Projekte zusammen? lasst?

Nein, die Beseitigung des Durchlasses im Unsere Aufgabe als Verband ist es, die Bullengraben und der begleitende An- Gräben und Bäche in einem guten Zu- schluss des Ahlbornteiches haben nichts stand zu halten. Allerdings waren und mit den anderen beiden Maßnahmen sind diese Gewässer noch nicht überall zu tun. Der Umbau des Durchlasses für in der wünschenswerten Qualität. Alte die Beber in der Nähe der Rieh-Mündung Stauanlagen und Durchlässe aus dunklen und der Abriss der Stauanlagen an der Rohrleitungen sind Hindernisse für die 35 Der Ablauf aus dem Ahlbornteich in den Bullengraben war sanierungsbedürftig. Foto: UHV Untere Ohre

Wasserorganismen. Die Fördermöglich- Ausgerüstet mit diesen Informationen keiten zur Umsetzung der Europäischen machen wir uns auf den Weg. Nach einer Wasserrahmenrichtlinie bieten uns die halben Stunde erreichen wir Haldens- Möglichkeiten, solche Probleme zu besei- leben. Kurz hinter dem Ort verlassen wir tigen. Dabei haben wir im Verband Untere die Landstraße und fahren weiter über Ohre immer Wert daraufgelegt, dass die Feldwege. Am Rand eines Waldes ist Projekte zueinander passen und dadurch die Fahrt zu Ende. Bördeäcker dehnen möglichst lange ökologisch durchgängige sich vor uns aus. Nach ein paar Schrit- Abschnitte entstehen. Am Bullengraben ten stehen wir am Bullengraben. ist uns das beispielsweise gelungen.

Damit sind wir bei der geplanten Tour. Wie Station 1: Zufriedene Biber im Der Ablauf in den ist unsere Reiseroute? Bullengraben Ahlbornteich wurde verlegt und geschickt Der besagte Bullengraben ist die erste Der Biber fühlt sich sichtlich wohl im in die Böschung eingefügt. Die Station. Das ist in der Nähe von Hal- und am Bullengraben. Unweit des Ufers Öffnung des Rohres densleben. Von dort geht es weiter nach ragt zwischen hohen Gräsern und niedri- ist zwischen den Emden, wo wir an der zweiten Station gen Sträuchern die Spitze der Burg heraus. Pflanzen und Steinen einen neuen Durchlass für die Beber Im Graben staut sein Damm das Wasser, kaum zu erkennen. sehen werden. Dritte Station ist dann das an ein paar Stellen darüber hinweg Foto: M. Kühnast die Rosenmühle bei Altenhausen. fließt. Dieses Gebiet ist ein wahres Para- dies für die Nagetiere. Denn beiderseits des Bullengrabens bieten auch die Ahl- bornteiche den perfekten Lebensraum. Aber nicht nur Biber sind hier heimisch, sondern auch jede Menge Wasservögel, Fische und kleine Wasserlebewesen.

Allerdings hatte dieses Biotop bis zum Jahr 2018 einen Makel. Der Zustand des Bullengrabens war nicht optimal. „Eine alte Stauanlage stellte für Wasserorganis- men eine unüberwindbare Barriere dar“, erläutert Constanze Köppe. Ökologische Durchgängigkeit sei in diesem Abschnitt nicht gegeben gewesen. Deshalb habe der Verband ein umfangreiches Projekt zur Umsetzung der Europäischen Wasser- rahmenrichtlinie in die Wege geleitet. 36 Ein neuer, heller Durchlass ohne Stauanlage

„Im Mittelpunkt stand die Beseitigung des alten Staus, der mit einem Durch- lass kombiniert war. Landwirte nutz- ten die Überfahrt, um auf ihre Felder zu kommen. Deshalb musste ein neuer Durchlass geschaffen werden“, skiz- ziert die Verbandsgeschäftsführerin die Aufgabe. Der Stau stammte aus den 1970er Jahren. Er war im Zuge des Be- wässerungsprogramms der DDR gebaut gestaltet, so dass das im Ufer verschwin- Zur Regulierung worden. 2017 begannen die Planungen, dende Rohr zwischen den Pflanzen kaum des Abflusses aus um die Anlage wieder zu beseitigen. wahrnehmbar ist. Von dieser Stelle führt dem Ahlbornteich parallel zum Bullengraben unter der Erde in den Bullengraben Im folgenden Frühjahr rückten die Bau- eine 320 Meter lange Rohrleitung bis zum wurde ein neuer Mönch gebaut. fahrzeuge an. Da der Stau ohnehin nicht Ahlbornteich. Dort wurde die Böschung Foto: M. Kühnast mehr in Betrieb war, wurde er ersatzlos zu- rund um den Einlauf mit Steinen gesichert. rückgebaut. Die vom Verband beauftragte Am anderen Ende des Teiches entstand ein Firma riss die aus Betonplatten bestehen- neuer „Mönch“. Dieses quaderförmige Be- den Sohl- und Uferbefestigungen ab und tonbauwerk mit einer Rohrleitung am Bo- gestaltete ein naturnahes Gewässerbett. den des Gewässers dient zur Regulierung Der alte Durchlass aus Betonrohren wur- des aus dem Ahlbornteich wieder in den de beseitigt. Stattdessen kamen größere Bullengraben abfließenden Wassers. Rund Wellstahlrohre mit Maulprofil zum Einsatz. 115.000 Euro kostete das Projekt. Finanziert Darin konnte das Grabenbett durchgän- wurde es mit Mitteln der Europäischen gig mit Sohlsubstrat aus Lockergestein Union und des Landes Sachsen-Anhalt. gestaltet werden. Der neue Durchlass ist breiter, heller und ökologisch durchgängig. Ein Erfolg: 4,2 Kilometer ökologisch durchgängige Gräben Eine aufwändige Lösung zur Regulierung der Wasserstände Für Constanze Köppe ist dieses Projekt vor allem auch im Zusammenhang mit Damit waren die Arbeiten aber noch nicht früheren Maßnahmen zur Umsetzung abgeschlossen. Durch den Rückbau der der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie Stauanlage, dem Umbau des Durchlasses wichtig: „2012 haben wir an der Grundrie- Biber fühlen sich am und der naturnahen Gestaltung des Gra- he drei Stauanlagen zurückgebaut und Bullengraben wohl benbettes war der alte Abfluss in einen der drei Durchlässe nach heutigen Standards und bauen immer Ahlbornteiche verschwunden. „Das bedeu- umgestaltet.“ Damit war die Grundriehe wieder Staudämme. tete für uns eine besondere Herausforde- bis zur Mündung in den Bullengraben Foto: M. Kühnast rung“, erinnert sich Constanze Köppe, „an ökologisch durchgängig geworden. Was- der Stelle, wo der alte Abfluss war, wollten serorganismen konnten auf einer Strecke wir aus ökologischen Gründen keinen neu- von fast drei Kilometern ungehindert en einrichten. Dennoch sollte die Möglich- wandern. „Durch die Beseitigung der Stau- keit erhalten bleiben, dass bei hohen Was- anlage und Verbesserung des Durchlasses serständen im Graben ein Teil des Wassers im Bullengraben ist diese durchgängige in den Teich abfließt und von dort gegebe- Strecke nun insgesamt 4,2 Kilometer nenfalls auch wieder zurückfließen kann.“ lang“, freut sich die Geschäftsführerin.

Der Verband entwickelte mit den Inge- Wir verlassen den Biber und den Bullen- nieuren eine aufwändige, aber besser graben und fahren weiter in Richtung in die Natur eingebundene Lösung. Sie Emden. Nach einer Viertelstunde ist entschieden, den Abfluss grabenaufwärts der Ort erreicht. Über die westlich von an den Zusammenfluss von Grundriehe Emden gelegenen Wiesen nähern wir und Bullengraben zu verlegen. Dieser uns der zweiten Station unserer Tour, Mündungsbereich wurde mit Steinen neu der Mündung der Rieh in die Beber. 37 Rückbau eines Staus und Umbau eines Durchlasses für die Beber bei Emden

Europäischen Wasserrahmenrichtlinie realisierte. „Jahrelang hatten die Kühe ihren gewohnten Weg über die Wiesen genommen. Dazu gehörte auch die Über- querung der Beber an einer bestimmten Stelle“, erzählt die Verbandsgeschäftsfüh- Der frühere Durch- rerin. „Dann haben wir den Durchlass etwa lass bestand aus einem Betonrohr 50 Meter versetzt. Die Kühe sind natür- und behinderte lich prompt an die alte Stelle gegangen Fische und andere und nicht weitergekommen. Es dauerte Wasserlebewesen. einige Zeit, ehe sie akzeptiert haben, dass Foto: UHV Untere sie einen neuen Weg gehen müssen.“ Ohre Das war im Jahr 2018. Inzwischen ist von Stichwort: Mönch dem alten Durchlass und der früheren Überfahrt nichts mehr zu sehen. Nur alte Als Mönch wird das regulierbare Ablauf- Fotos geben zu erkennen, wie problema- bauwerk eines Teiches bezeichnet. Durch tisch der frühere Zustand der Beber in ihn kann mittels einer Rohrleitung am diesem Bereich war. Unter der etwa zehn Der alte Abfluss aus dem früheren Gewässerboden der Wasserspiegel ein- Meter breiten Überfahrt floss der Graben Mühlteich in die gestellt werden. Dabei wirkt er gleichzeitig durch ein dunkles und enges Betonrohr. Im Beber musste er- als Tiefenwasserableitung. Der Mönch Zulauf stand ein Schütz zur Wasserregu- neuert werden. besteht aus einem meist aus Beton ge- lierung. Das gesamte Bauwerk aus Beton, Foto: UHV Untere fertigten Hohlkörper über dem Ablauf- Stahl und Holz war ein Wanderhindernis Ohre rohr mit im Inneren variabel einsetzbaren für Fische, Amphibien und Säugetiere. Staubrettern. Teichseitig drückt das Wasser durch eine Aussparung in den Mönch, „Also griffen wir auf die für solche Zwecke dort wird der Ablauf je nach Höhe der heute meist genutzten Wellstahlprofil- Staubretter reguliert. Werden alle Staub- rohre zurück.“ retter entfernt, läuft das Teichwasser ohne Stau ab und der Teich fällt trocken. Der Unterhaltungsverband Untere Ohre nahm sich des Problems an. Constanze Köppe erläutert das Ziel: „Wir wollten Station 2: Verwirrte Kühe an der die Beber auf einer Strecke von etwa 1,9 Beber Kilometern ökologisch durchgängig ge- stalten. Die alte Stauanlage sollte kom- Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. plett verschwinden. Für den Durchlass Kühe sind es auch. Constanze Köppe hat suchten wir nach einer hellen, geräumigen es erlebt, als sie westlich von Emden in Variante.“ Die Geschäftsführerin räumt der Börde ein Projekt zur Umsetzung der ein, dass der Verband sogar prüfte, statt 38 des Durchlasses eine Furt zu schaffen. Doch das erwies sich als nicht praktikabel. „Also griffen wir auf die für solche Zwecke heute meist genutzten Wellstahlprofil- rohre zurück“, sagt Constanze Köppe.

Diese Lösung ermöglicht den Landwirten eine problemlose Überquerung des Gra- bens. Und die Wasserorganismen können sich in der Beber ungehindert bewegen. Das Gewässerbett ist im Durchlass durch- gängig mit einem Sohlsubstrat aus Lo- ckergestein und Steinen gestaltet. Im Zu- und Ablauf sind die Böschungen zur Sicherung mit Steinen gepflastert. Mit dem Bau des Durchlasses wurde auch das sich anschließende Bett der Beber bis zur Einmündung der Rieh naturnah gestaltet. für Wasservögel, Fische und Amphibien. Der frühere Mühl- Der „Weidenmühlenteich“ musste weiter Deshalb ist es wichtig, dass er nicht aus- teich liegt idyllisch mit Wasser gespeist werden trocknet“, erklärt Constanze Köppe. Um westlich von Emden das zu verhindern, wurde im Rahmen des und ist Lebensraum Einige Meter vom neuen Durchlass ent- Projekts der „Mönch“ am Abfluss saniert. für Wasservögel, Fi- sche und Amphibien. fernt ist mit Steinen ein inzwischen gut In trockenen Perioden kann damit ver- Foto: M. Kühnast bewachsener Ablauf geschaffen worden. hindert werden, dass Wasser aus dem Das im Ufer verschwindende Rohr nimmt „Weidenmühlenteich“ in die Beber ab- Wasser der Beber auf, um den „Weiden- fließt. Rund77 .000 Euro hat es gekostet, mühlenteich“ zu speisen. Dabei handelt die Beber in diesem Abschnitt ökologisch es sich um einen etwa 200 Meter ent- durchgängig zu gestalten und die Was- fernten Teich, der von hohen Bäumen serversorgung des Teichs zu sichern. umgeben ist. Die Beber fließt in einigen Metern Entfernung um den „Weidenmüh- Die Tour geht weiter. Ziel ist die dritte und Die Beber bietet lenteich“ herum und hat bachabwärts letzte Station: die Rosenmühle. Sie liegt zwischen Emden wieder einen Zufluss aus dem Teich. abseits der Landstraße 25 in der Nähe und der Rosenmüh- von Altenhausen. Es sind einige Gebäude, le vielen Pflanzen Hier soll früher eine Mühle gestanden die im Viereck stehen. Sie sind umgeben und Tieren einen haben. Von ihr ist nichts geblieben. Nur von hohen Bäumen, Büschen und Sträu- guten Lebensraum. der Teich ist übrig. „Er bietet Lebensraum chern sowie angrenzenden Wiesen. Foto: M. Kühnast

Mit dem Bau des neuen Durchlasses wurde auch der Abfluss zur Was- serversorgung des früheren Mühltei- ches neu gebaut. Foto: UHV Untere Ohre 39 Gestaltung eines naturnahen Bachlaufes an der Rosenmühle

Ich denke, wer es damals nicht selbst gesehen hat, kann sich den früheren Zustand schlecht vorstellen. Dieser Ab- schnitt der Beber hat sich vollständig verändert. In der Richtung, in der im Hintergrund die Häuser zu erkennen sind, stand ein großer Stau. Es war ein gemauertes Bauwerk, das teilweise schon zerfallen war. Es gab auch Stellen, an denen querliegendes Holz und Stei- ne den Gewässerlauf behinderten. Die Beber war hier in keinem guten Zustand.

Noch ein Wort zur Rosenmühle. Man braucht schon einige Phantasie, um sich Die alten Stauanla- Station 3: Eine „Grabentasche“ an der vorzustellen, dass hier wirklich eine Mühle gen an der Rosen- Rosenmühle in Betrieb war. Das stimmt. Diese Gebäude mühle waren ver- gehörten früher tatsächlich zu einer Ge- fallen und mussten Frau Köppe, wie sah es hier an der Ro- treidemühle. Ihre Ursprünge reichen bis ins beseitigt werden. senmühle aus, bevor Sie mit dem 14. Jahrhundert zurück. Sie wurde mit Was- Foto: UHV Untere Unterhaltungsverband das Projekt zur ser betrieben. Deshalb gab es hier einen Ohre Umsetzung der Europäischen Wasser- Mühlteich, einen Mühlgraben und mehrere rahmenrichtlinie realisiert haben? Stauanlagen.

Der Unterhaltungs- verband Untere Ohre schaffte die ökologi- schen Probleme aus der Welt und gab der Beber ein neues Bett. Foto: UHV Untere Ohre 40 Die Beber hat sich an der Rosenmühle nach dem Projekt gut entwickelt. Foto: M. Kühnast

Was genau haben Sie hier gemacht? das dortige Projekt in eine Kette von Maß- nahmen einreiht. Ist es hier an der Rosen- Zunächst haben die Arbeiter alle alten mühle ähnlich? Mauersteine abgerissen und Gestein beseitigt. Dann haben wir ein naturna- Ja, auch an der Beber haben wir seit 2011 hes Grabenbett geformt. Da die Beber an verschiedenen Stellen Stauanlagen in diesem Abschnitt einen Höhenunter- abgerissen und neue, naturnahe Gewäs- schied von einigen Dezimetern über- serbetten geschaffen. Ziel war es, den windet, haben wir zum Ausgleich des Bach von der Landstraße zwischen Erx- Gefälles Störsteine eingebracht und leben und Altenhausen bis nach Emden sogenannte unvollständige Querriegel ökologisch durchgängig zu gestalten. gebaut, die die Fließgeschwindigkeit Mit dem Abriss der baufälligen Anlagen reduzieren. Außerdem haben wir eine hier an der Rosenmühle war ein wich- „Grabentasche“ eingerichtet. Es ist eine tiger Schritt getan. Ebenso wichtig war Fläche, in die das Wasser ab einer be- das Durchlass-Projekt Weidenmühle, das stimmten Höhe hineinfließen kann. Dort wir zuvor angeschaut haben und das finden Wasserorganismen eine Ruhezone. gleichzeitig realisiert wurde. Das ist nicht weit weg von hier. Früher gab es auch In welchem Zeitraum haben Sie das alles einen Weg entlang der Beber dorthin. geschafft? Constanze Köppe Frau Köppe, wir haben heute drei Orte in ging bestens vor- Wir haben Anfang März 2017 mit den Pla- Ihrem Verbandsgebiet besucht, an denen bereitet auf die Tour nungen begonnen. Ende Januar 2018 konn- Gewässer in einem guten Zustand sind. und hatte beispiels- te die beauftragte Firma hier vor Ort los- Das Gebiet ist aber viel größer und Sie sind weise die in der Beber legen. Zwei Monate später war alles fertig. viel unterwegs. Welches ist Ihr Lieblings- lebende Tiere notiert. ort? Foto: M. Kühnast Was hat es gekostet, diesen Bereich der Be- ber an der Rosenmühle ökologisch durch- Es gibt einige Stellen im Verbandsgebiet, gängig zu gestalten? in denen ich gerne bin. Das Naturschutz- gebiet Klüdener Pax bei Flechtingen Die reinen Baukosten lagen bei knapp gehört zum Beispiel dazu. Oder auch das 16.000 Euro. Hinzu kamen weitere fi- Naturschutzgebiet Rogätzer Hang. Dort nanzielle Aufwendungen zum Beispiel fließt der Unterholzkanal, der eigentlich für Ingenieurleistungen. Am Ende hat kein Kanal ist, sondern ein Graben. Das das Projekt Rosenmühle insgesamt et- Gebiet ist schwer erreichbar und natur- was mehr als 22.000 Euro gekostet. belassen. Selbst Einheimische kennen es kaum. Es gibt dort Biber. Und es ist still. Sie haben schon vorhin an der ersten Sta- Dort bin ich gern und es ist in unmittel- tion am Bullengraben erwähnt, dass sich barer Nähe des Verbandssitzes in Zielitz. 41 Gestaltung einer Sohlgleite im Tangelnschen Bach

Stichwort: Wanderfischprogramm Wie ein alter Stau durch eine Sohlgleite er- setzt wurde Das Wanderfischprogramm Sachsen-An- halt gibt es seit 2009. Federführend ist Souverän steuert Uwe Heinecke den Ge- das Institut für Binnenfischerei e.V. Pots- ländewagen über die altmärkischen dam-Sacrow. Nach zweijährigen wissen- Wiesen. Ungeübte Augen sehen hier schaftlichen Voruntersuchungen wurden überall nur Gras. Der Geschäftsführer des im Rahmen des Programms Ende Oktober Unterhaltungsverbandes Jeetze dagegen 2009 erstmals Lachse in der Nuthe bei ahnt treffsicher eine Fahrspur in all dem Die marode Stau- Zerbst ausgesetzt. In den Folgejahren Grün, das wegen der Trockenheit einen anlage verhinderte erfolgte auch in der Jeetze, der Salzwe- leichten Gelbstich hat. Dass der Wasser- die ökologische deler Dumme und im Tangelnschen Bach experte diese Gegend und den kaum Durchgängigkeit des der Besatz mit Meeresforellen. Ziel des sichtbaren Weg aus dem Effeff kennt, Tangelnschen Baches. Programms ist die Wiederansiedlung liegt an einem Projekt, das sein Verband Foto: UHV Jeetze dieser Wanderfische in Sachsen-Anhalt. 2018 hier realisiert hat. Unweit des Dörf- chens Tangeln wurde eine alte Stauanla- ge im Tangelnschen Bach abgerissen.

„Eine ungenutzte Anlage, an der die ökologische Durchlässigkeit stark einge- schränkt war.“

„Das Bauwerk stammte aus der Zeit um 1930. Alles war massiver Beton“, erzählt Uwe Heinecke. Schon zu DDR-Zeiten sei der Stau nicht mehr in Betrieb gewesen. „Das war eine ungenutzte Anlage, an der die ökologische Durchgängigkeit stark ein- geschränkt war. Das wollten wir ändern“, blickt der Gewässerfachmann zurück. Im Jahr 2015 begannen im Verband die Planun- gen für den Abriss des Staus und die Neu- gestaltung des Bachbettes. Das Projekt kam gut voran, doch es gab ein großes Problem. Die Baustelle war nur über feuchte Wiesen zu erreichen. Der Boden hätte schweren Fahrzeugen nicht standgehalten. Einzige Lö- sung wäre der Bau einer provisorischen Zu- fahrt gewesen. Das hätte zusätzliche Kosten verursacht und die Natur beeinträchtigt. 42 Inzwischen hat die Natur an der ehe- maligen Baustelle die Spuren des Eingriffs verschwinden lassen. Foto: M. Kühnast Also ließ der Verband das Projekt zunächst ist die unten im Stau querliegende Bohle. ruhen. Und manchmal hilft Warten wirk- Sie sorgte dafür, dass der Wasserstand auf lich. Das Jahr 2018 brachte langanhaltende der einen Seite höher war als auf der ande- Trockenheit. Sie war zweifellos an vielen ren“, erläutert Uwe Heinecke, „dieser höhe- Orten problematisch für die Natur und re Wasserstand sollte hier auch ohne Stau auch für die Landwirtschaft. Dem Unter- gewährleistet werden, damit das oberhalb haltungsverband Jeetze eröffnete sie gelegene Grünland weiter genug Wasser jedoch die Möglichkeit, das Vorhaben am bekommt und nicht beeinträchtigt wird.“ Tangelnschen Bach in die Tat umzusetzen. Die Wiesen und der Boden waren durch die Nach der Fertigstellung wurde regelmäßig Trockenheit so fest geworden, dass LKW geprüft, ob die Steine diesen Zweck auch und Tieflader problemlos hunderte Meter erfüllten. Die Ergebnisse waren positiv. an den Bach fahren konnten. Eine Firma Der Wasserstand oberhalb war jedes Mal aus der Region bekam den Auftrag und leg- höher als unterhalb der Störsteine. Auch te los: Die dicken Betonwände der Stauan- die ökologischen Ergebnisse können sich lage wurden abgebrochen und ein neues sehen lassen. Der Tangelnsche Bach ist nun Bachbett geformt. Die Gesamtkosten für hier für Wasserorganismen durchgängig. das Projekt betrugen rund 45.000 Euro. Das ist wichtig. Der Bach ist Besatzstrecke im Wanderfischprogramm Sachsen-An- Der Laichkies für Ein Störsteinensemble sorgt für den Erhalt halt. Jedes Jahr werden Jungfische ein- die Gestaltung des der Fachbaumhöhe gesetzt. Außerdem leben in dem Bach neuen Bachlaufs viele andere Fische wie Schlammpeitzker wird angeliefert. Inzwischen ist von der Baustelle nichts und Bachforellen. „Das Gewässer hat sich Foto: UHV Jeetze mehr zu sehen. Nicht nur, dass die genutz- verbessert und ist in einem guten Zu- te Zufahrt kaum erkennbar ist, auch die stand“, schätzt Uwe Heinecke zufrieden ein Bachufer sind wieder gut mit Bäumen und und steigt in den Geländewagen, um ihn Sträuchern zugewachsen. In ihrem Schat- wieder über die nur für Kenner sichtbare ten plätschert der Tangelnsche Bach durch Fahrspur zurück zur Straße zu steuern. sein neues Bett. Auffallend sind jede Men- ge große Steine, die über eine Länge von etwa zwanzig Metern wie zufällig im kla- ren Wasser liegen. „Diese Störsteine brem- sen den Wasserfluss. Dadurch wurde nach Einige der Stör- oberhalb der Wasserstand gehalten, der steine sind zum sich aufgrund der Fachbaumhöhe der alten Lebensraum für Stauanlage über Jahrzehnte eingestellt Pflanzen geworden. hat“, sagte Uwe Heinecke. „Der Fachbaum Foto: M. Kühnast 43 Rückbau eines Staus im Molmker Bach bei Abbenrode

dabei sind. Uwe Heinecke kennt das. Er prüft sehr sorgfältig, ob der Weg über eine Koppel wirklich frei ist. „Die Tiere können ziemlich angriffslustig sein“, sagt Uwe Heinecke, „wenn wir an Gräben oder Bäche fahren, um sie zu pflegen, klären wir das vorher mit den Landwirten.“

Ohnehin ist der Dialog mit den Anrai- nern der Gewässer ein wichtiger Teil der Arbeit des Verbandsgeschäftsführers. Das betrifft die normale Unterhaltung und Pflege ebenso wie Projekte, die den Zu- stand von Gewässern verbessern sollen. „Klar“, betont Uwe Heinecke, „wir müssen ständig mit den Leuten reden. Da geht es beispielsweise um Erntezeiten, damit wir Eine alte Stauanla- „Mein Lieblingsort im Verbandsgebiet“ mit der Technik an die Gräben kommen ge verhinderte die oder auch um die Akzeptanz für einen ökologische Durch- „Am liebsten bin ich in der Gegend um Staurückbau oder die Neugestaltung eines gängigkeit des Wallstawe. Das ist der Bereich des Kalten Gewässerbettes. Das hat ja oft Auswirkun- Molmker Baches. Grabens und der Beeke. Ich finde diese Ge- gen auf das bewirtschaftete Umland.“ Foto: UHV Jeetze wässer interessant. Wir haben dort auch ein paar gute Projekte realisiert. Außerdem Das Ende für „Nummer 164“ gibt es in diesem Gebiet ein Vorkommen der Kleinen Bachmuschel (Unio crassus). Das traf auch auf eines der ersten Projekte Sie ist sehr selten. Deshalb wurde dort zu, die der Unterhaltungsverband Jeetze auch das FFH-Gebiet Beeke- und Dum- zur Umsetzung der Europäischen Wasser- meniederung (FFH0288) ausgewiesen.“ rahmenrichtlinie initiierte. „Im Jahr 2013 haben wir uns daran gemacht, einen alten Uwe Heinecke, Geschäftsführer des Stau am Molmker Bach in der Nähe von Unterhaltungsverbandes Jeetze Abbendorf zu beseitigen“, erinnert sich Uwe Heinecke. Etwa zweieinhalb Kilometer Am Molmker Bach realisierte der Unter- von der Quelle entfernt, schränkte die An- haltungsverband Jeetze eines seiner ersten lage die ökologische Durchgängigkeit des Projekte zur Umsetzung der Europäischen Baches ein. Es war ein kleines Betonbau- Wasserrahmenrichtlinie werk, dessen Alter nicht bestimmt werden konnte. Genutzt wurde es schon längere Mit Mutterkuhherden muss man respekt- Zeit nicht mehr. Die Anlage hatte die voll umgehen. Noch dazu, wenn Bullen schlichte Bezeichnung „Stau Nummer 164“. 44 Nach dem Abriss des Staus wurden der Lauf neu ge- formt und die Ufer unter anderem mit Steinen gesichert. Foto: UHV Jeetze

Der Projektverlauf war dann nach Uwe ab und kurz darauf stoppt das Auto. Es Heineckes Worten so unkompliziert und folgen noch rund einhundert Meter Fuß- unspektakulär wie der Name des Bau- weg bis zu einer Stelle, an der der Bach werks. Die vom Verband beauftragte um eine Neunzig-Grad-Kurve fließt. Firma baute die Anlage einfach ersatzlos zurück. Zur Sicherung der Ufer in dem Sechs Jahre liegt der Abriss des Staus zu- früheren Staubereich wurden Faschinen rück. Dass es ihn je gegeben hat, ist nicht und Steine verbaut. Größere Aufmerksam- mehr zu erkennen. Die Ufer sind dicht keit erforderten jeweils nur die An- und mit Gras bewachsen. Aus dem Wasser Abfahrten. Denn der Stau lag zwischen ragen Schilf und Rohrkolben. Der Bach Koppeln, auf denen die eingangs erwähn- fließt ruhig, teils im Schatten hoher Bäu- ten Kühe weideten. Vorsicht war geboten. me. Wasserpflanzen bewegen sich mit der Strömung. In dem Bach leben zahl- Mutterkuhfreie Zufahrt zum Molmker Bach reiche Fischarten, aber auch die seltene Kleine Bachmuschel und der Deutsche Mit der Erfahrung von damals schaut Edelkrebs. „Das sieht sehr gut aus“, freut Uwe Heinecke nun beim Vor-Ort-Termin sich Uwe Heinecke, „wir haben hier mit genau, ob der Weg frei ist. Er ist es. Kei- unserem Projekt uneingeschränkte öko- Die Pflanzen im ne Rinder weit und breit. Die Fahrt geht logische Durchgängigkeit geschaffen. Molmker Bach sorgen problemlos über die ausgedehnten Kop- Die Natur hat dann ihren Teil dazu bei- für unterschied- peln. Nach der Überquerung des Molm- getragen, dass es so aussieht, als sei liche Strömungs- ker Baches biegt Uwe Heinecke rechts hier nie eine Stauanlage gewesen.“ verhältnisse und bieten verschiedene Lebensräume. Foto: M. Kühnast

Die Ufer des Molm- ker Baches bieten vielen Pflanzen und Tieren einen gu- ten Lebensraum. Foto: M. Kühnast 45 Rückbau einer Brücke über die Untermilde bei Vienau

„Mein Lieblingsort im Verbandsgebiet“ Fördermittel ermöglichten die Beseitigung einer ungenutzten Brücke über die Unter- „Lieblingsorte gibt es im Verbandsgebiet milde zahlreiche, denn jeder Ort hat etwas Be- sonderes, was ihn von den anderen unter- 1324 ist das Jahr der ersten urkundlichen scheidet und interessant macht. Dazu Erwähnung von Vienau. Ein Altmarkdorf gehört auch die Gegend bei Kremkau. Dort an der Untermilde mit langer Geschichte. fließen unter anderem der Holzgraben und Sehenswertes Zeugnis der Jahrhunder- der Secantsgraben. Die Gräben und Bäche te ist die Kirche. Das schlichte Bauwerk wurden dreißig Jahre lang normal unter- mit dem roten Ziegeldach markiert den halten. Wir haben dann vor einiger Zeit Mittelpunkt des Dorfes. Die Ursprünge angefangen, in diesen Gewässern mit dem der Kirche reichen bis ins 13. Jahrhundert Mähbalken die Sohle zu krauten. Wechsel- zurück. Es gibt eine Adelsloge. Die Bronze- seitig bleibt Bewuchs erhalten. Das verän- glocke ist aus dem 18. Jahrhundert. Der dert das Fließverhalten. In den Seitenstrei- Westturm stammt aus frühgotischer Zeit. fen können sich Fische verstecken. Diese Gewässer haben sich gut entwickelt.“ Andere Bauwerke bei Vienau hatten eine deutlich kürzere Lebensdauer. Das gilt bei- Werner Mertens, ehemaliger Vorsteher spielsweise für eine kleine Brücke über die des Unterhaltungsverbandes Milde-Biese Untermilde südlich des Ortes. Für sie kam

Die alte marode Brücke war nicht mehr nutzbar und aus ökologischer Sicht ein Problem. Foto: UHV Milde-Biese 46 bereits nach einigen Jahrzehnten das Aus, weil sie keinen Zweck mehr erfüllte, ver- fallen war und das Ökosystem des Flusses störte. „Vorwiegend Landwirte hatten die Brücke zur Überquerung des Flusses genutzt. Wann sie genau gebaut worden war, lässt sich nicht mehr ermitteln“, sagt Werner Mertens. Er war Vorsteher des Unterhaltungsverbandes Milde-Biese, als sich der Verband im Jahr 2012 daran mach- te, die Reste des Bauwerks zu beseitigen. Ein fischreicher Fluss in ökologisch gutem Von der alten Brücke Einstürzende Mauern und morsche Zustand bei Vienau ist nichts Balken mehr zu sehen. Bei den Arbeiten wurden allerdings nicht Foto: M. Kühnast Denn diese Überbleibsel sahen nicht nur nur die Reste des verfallenen Bauwerks ab- unschön aus, sondern sie behinderten gerissen, sondern auch der Gewässerlauf auch die Durchgängigkeit in diesem Ab- in den ursprünglichen Zustand versetzt. schnitt der Untermilde. Mitten im Fluss Im Bereich der Brücke war die Untermilde stand ein bröckelnder Stützpfeiler aus auf einer Länge von etwa 20 Metern ein- Beton. An den Ufern dienten dicke Mau- geengt gewesen. An dieser Stelle erhielt ern als Sockel für morsch gewordene der Fluss seine natürliche Breite zurück. Zur Träger aus Holz. Auf ihnen waren ver- anfänglichen Sicherung der neuen Ufer- einzelte querliegende Bohlen übrig. Ein und Böschungsbereiche wurden Holz-Fa- Die Untermilde fließt Geländer gab es nicht mehr. Außerdem schinen und Feldsteine genutzt. Teil des nun ohne Hinder- bildeten an die Brücke grenzende Mauern Projekts war außerdem die Anbindung von nis durch die Alt- am Ufer eine Art kleine Anlegestelle. drei Gräben, die in der Nähe der abgeris- mark bei Vienau. senen Brücke in die Untermilde münden. Foto: M. Kühnast Über die Jahre war das alles völlig un- Diese Zuläufe wurden erneuert und Stei- brauchbar geworden. Da es auch an- ne zur Böschungssicherung eingebaut. dere Möglichkeiten zur Überquerung der Untermilde gab, entschied sich Die Kosten für das Projekt betrugen etwa der Unterhaltungsverband Milde-Bie- 46.700 Euro. Gefördert wurde es mit Mit- se, die Brückenreste abzureißen. Die teln der Europäischen Union, des Bundes Europäische Wasserrahmenrichtlinie und des Landes Sachsen-Anhalt. „Die bot die finanziellen Möglichkeiten für damit angestrebten Ziele der Europäischen das Projekt. Nachdem die Planungen Wasserrahmenrichtlinie sind erreicht“, abgeschlossen waren, ging im Herbst schätzt Werner Mertens ein, „die Unter- 2012 alles sehr schnell. Am 8. Oktober milde ist in diesem Abschnitt nun in einem begann die beauftragte Firma mit dem guten ökologischen Zustand.“ Das ist gera- Abriss. Ende des Monats war alles fertig. de für einen so fischreichen Fluss immens wichtig, denn in der Untermilde sind mindestens sechzehn verschie- dene Fischarten heimisch. Dazu ge- hören Hecht, Döbel und Rotaugen.

Mit dem Abriss der Brücke wurden auch drei Zuläufe von Gräben erneuert. Foto: M. Kühnast 47 Erneuerung des Staus und Bau eines Fischpasses am Secantsgraben

Die alte Stauanlage bei Neuendorf war marode geworden und musste er- neuert werden. Foto: UHV Milde-Biese

Stichwort: Niederungsgebiet Secants- Bei Neuendorf in der Altmark ist der graben und Milde Secantsgraben wieder ohne Barriere

Das landschaftlich reizvolle Gebiet ist etwa Wer am Secantsgraben nördlich von 25 Kilometer lang. Es befindet sich unweit Neuendorf Rast macht, hat die beste von Kalbe/Milde an der Grenze der alt- Gelegenheit, eine kleine Lektion in sach- märkischen Kreise Salzwedel und Stendal. sen-anhaltischer Heimatkunde zu be- In dem Bereich gibt es viele artenreiche kommen. Wenige Meter von einer neu Feuchtwiesen und Niedermoore. Es ist gebauten Überfahrt entfernt warten von überregionaler Bedeutung, weil auf zwei Bänke, ein Tisch und zwei Schau- den Wiesen viele teils seltene Vogelarten tafeln. Haben sich Radler oder Wande- brüten. Außerdem machen hier zahlreiche rer gestärkt, sollten sie sich einen Blick Zugvögel auf ihrer Reise Station. Deshalb auf die Texte, Zeichnungen und Fotos gibt es in der Gegend viele Vogelschutz- gönnen. Die Tafeln erläutern kurz und bereiche sowie Gebiete der Flora-Fau- präzise die weit über die Altmark rei- na-Habitatrichtlinie (FFH-Gebiete). chende Bedeutung des Niederungsge- 48 Der neue Stau bei Neuendorf dient der Regulierung des Wassers, damit das umliegende Grün- land ausreichend Feuchtigkeit hat. Foto: M. Kühnast biets von Secantsgraben und Milde als war eine Holzkonstruktion, die auf bei- Lebensraum für Tiere und Pflanzen. den Seiten des Grabens auf Betonsockeln lagerte. Anschließend wurden ein Well- So sind beispielsweise im Secantsgraben, blechdurchlass mit Maulprofil eingesetzt der in Sichtweite zum Rastplatz gemäch- und die Böschungen neu geformt. Diese lich fließt, zahlreiche Fischarten heimisch. wurden am Zu- und Ablauf des Durch- Die Quappe schwimmt hier ebenso wie lasses mit Natursteinen gesichert. Die Schlammpeitzger und Bitterling. Diese Fahrbahn erhielt einen Asphaltbelag. Fische können in diesem Abschnitt seit dem Jahr 2018 ungehindert wandern. Der neue Durchlass ist mit fünf Metern Wer hier ankommt, Auch für die im Secantsgraben lebenden Breite nur wenig schmaler als der natür- hat es geschafft: das Muscheln und alle anderen Wasserorganis- liche Lauf des Secantsgrabens. Wasser- oberste Becken des men haben sich die Lebensbedingungen organismen können hier ungehindert Passes, von dem aus verbessert. Erreicht hat das der Unter- wandern. Es ist hell und geräumig, so die Fische wieder haltungsverband Milde-Biese mit zwei dass auch Pflanzen wachsen. Enten in den Secantsgra- zusammenhängenden Projekten, die zur und Schwäne schwimmen problem- ben gelangen. Umsetzung der Europäischen Wasser- los durch den neuen „Wassertunnel“. Foto: M. Kühnast rahmenrichtlinie verwirklicht wurden.

Ohne neue Brücke keine „Fischtreppe“

„Dabei war die Umsetzung des einen Vorhabens die Voraussetzung für die Realisierung des zweiten Projekts“, erin- nert sich Werner Mertens, der seinerzeit Vorsteher des Unterhaltungsverbandes war. Eigentlich sei es um einen alten Stau gegangen. Er sollte erneuert und durch einen Fischaufstieg ergänzt werden. „Wir kamen aber mit den Baufahrzeu- gen nicht an die alte Anlage heran. Die einzige Brücke, die dorthin führte, hielt schweren Lastkraftwagen oder Baggern nicht stand“, erläutert Werner Mertens.

Also entschied sich der Verband, zunächst diese Überfahrt und den Durchlass zu erneuern. Im Jahr 2017 rissen die beauf- tragten Firmen die alte Brücke weg. Es 49 Der Durchlass und Freie Bahn für Fische und Feuchtigkeit für etwas mehr als 43 Metern überwindet die Überfahrt muss- die Wiesen der Aufstieg einen Höhenunterschied von ten erneuert werden, 90 Zentimetern. „Wir haben große Steine damit die Baufahr- Für den Unterhaltungsverband Milde-Biese in die Becken eingebracht. Sie bieten den zeuge zum Stau war die Fertigstellung des neuen Durch- Fischen Schutz- und Ruhezonen“, sagt der gelangen konnten. lasses das Startsignal für den Umbau des ehemalige Verbandsvorsteher. Das Bau- Foto: M. Kühnast etwa einhundert Meter entfernten Staus. werk ist so konzipiert, dass alle im Secants- Die von Neuendorf anrollenden schweren graben lebenden Fischarten das gesamte Fahrzeuge hatten nun freie Fahrt. Im April Jahr über den Stau passieren können. 2018 begann der Rückbau der alten Anlage. Zunächst wurde ein Umfluter geschaf- Der finanzielle Aufwand für diese beiden fen, damit das Wasser weiter im Graben zueinander gehörenden Projekte war er- um die Baustelle herum fließen konnte. heblich. Die Kosten betrugen insgesamt rund 1,2 Millionen Euro. Finanziert wur- Anschließend wurde ein neuer Stau ge- den die Vorhaben von der Europäischen baut. „Dass wir an der Stelle den Wasser- Union und dem Land Sachsen-Anhalt. spiegel des Secantsgrabens regulieren Werner Mertens sieht das Geld gut an- können, ist wichtig, damit die umliegenden gelegt: „Wir haben in diesem Bereich des Wiesen im Sommer nicht austrocknen“, Secantsgrabens beste ökologische Be- erklärt Werner Mertens. Flankierend wurde dingungen geschaffen. Die Fische können ein Fischaufstieg gestaltet. Es ist ein Rau- ungehindert wandern. Und wir sind in gerinne bestehend aus neun Becken und der Lage, den Wasserhaushalt des um- zehn Steinschwellen. Über eine Länge von liegenden Grünlandes zu regulieren.“

Eine Tafel an der neuen Überfahrt informiert über die im Secantsgraben lebenden Fische. Foto: M. Kühnast 50 Renaturierung der Wirbke bei Harbke

„Mein Lieblingsort im Verbandsgebiet“

„Das ist an der Wirbke bei Harbke, wo wir dieses Projekt zur Umsetzung der Europäi- schen Wasserrahmenrichtlinie realisiert haben. Da hat am Ende alles gepasst. Wir hatten die notwendigen Flächen. Das Pro- jekt lief mit allen Beteiligten reibungslos. Die Ergebnisse sind sehr gut und entspre- chen voll den Entwicklungserwartungen. Ich bin deshalb sehr gern an der Wirbke. “

Uwe Neumann, Geschäftsführer des Unterhaltungsverbandes Großer Graben

Stichwort: „Akte Kanal“

Die Wirbke ist 1988 Schauplatz einer spektakulären Flucht. Ein junger Mann, der von einer Reise in den Westen nicht zurückgekehrt war, holt seine Familie nach. Er kriecht durch das Betonrohr, durch das die Wirbke in der Nähe von Harbke sei- lie durch die Wirbke-Rohre in den Westen Yvonne König und nerzeit fließt, in den Osten. Dort warten fliehen. Daran erinnert heute eine Ge- Uwe Neumann be- seine Frau und seine Tochter. Gemeinsam denksäule, die der Unterhaltungsverband sprechen am Sitz des kämpfen sie sich hunderte Meter durch nach der Freilegung des Baches aufgestellt UHV Großer Graben die dunkle Röhre zurück nach Niedersach- hat. Geschäftsführer Uwe Neumann und in Neuwegers- leben ein Projekt. sen. Die Flucht ist im Buch „Akte Kanal“ Yvonne König, Projektmanagerin beim Foto: UHV Großer beschrieben und wird im gleichnami- Ingenieurbüro Weinkopf in Helmstedt, Graben gen Dokumentarfilm nachgezeichnet. erläutern im Gespräch, welche Heraus- forderungen gemeistert werden muss- Der Unterhaltungsverband Großer Graben ten und welche Erfolge erzielt wurden. realisierte ein umfangreiches Projekt an der Wirbke Frau König, Herr Neumann, beginnen wir Jahrzehntelang floss die Wirbke südlich mit ein paar Worten über diesen Bach, der von Harbke fast 400 Meter durch Rohre. Es Teil des Eisernen Vorhangs war. Ist seine war Grenzgebiet. Trotz der hohen Sicher- Quelle im damaligen Osten oder im Wes- heitsvorkehrungen konnte 1988 eine Fami- ten? 51 Vor der Realisie- rung des Projekts floss die Wirbke mehrere hundert Meter durch Rohre. Foto: UHV Großer Graben Uwe Neumann: Die Wirbke entspringt In welchem Zustand war die Wirbke in dem bei Marienborn wenige Kilometer öst- Abschnitt Harbke, bevor Sie das Projekt lich der damaligen Grenze und durch- realisiert haben? läuft naturnah den Harbker Wald bis zum Bauabschnitt. Sie fließt dann in Richtung Yvonne König: Der Bach floss östlich der Hohensleben. Der Bach ist einige Kilometer Landstraße schnurgerade und kanalisiert lang die Grenze zwischen der Bundesrepu- durch Betonprofile. Die waren in den Eine Aufnahme aus der Luft, die ein- blik und der DDR gewesen. Ein Stück weiter 1960er Jahren gebaut worden, als aus drucksvoll zeigt, mündet die Wirbke in den Kupferbach. dem benachbarten Tagebau ein Kohle- welche Dimensionen bagger umgesetzt wurde und das Riesen- das Projekt hatte. Yvonne König: Die Wirbke ist übrigens bis gerät über die Wirbke fahren musste. Foto: UHV Großer zur Mündung in den Kupferbach insge- Graben samt 8,6 Kilometer lang. Uwe Neumann: Auch der Durchlass der Wirbke unter der Kreisstraße war in schlechtem Zustand und ökologisch un- durchlässig. Und dann verschwand der Bach hunderte Meter in Betonrohren und Schächten.

In welchem Zeitraum haben Sie dann der Wirbke einen neuen naturnahen Lauf zu- rückgegeben?

Uwe Neumann: Wir haben das Projekt in den Jahren 2014 und 2015 realisiert. Zu den Herausforderungen gehörte, etli- che Eigentumsfragen zu klären. Das ist uns aber gelungen. So hatten wir am Ende genug Flächen zur Verfügung, um einen mäandrierenden Bachlauf zu ge- stalten und auch die Böschungen zu bepflanzen. Zwei neue Kreisbogendurch- lässe rundeten die Anforderungen an die ökologische Durchgängigkeit ab.

Yvonne König: In dem Bereich westlich der Kreisstraße haben wir ein Stillgewäs- ser angelegt, das zusätzlichen Lebens- 52 raum bietet. Dort war auch der Damm der alten Bahn, die Kohle vom Tagebau Wulfersdorf abtransportiert hat. Die Wirbke floss in Rohren darunter hindurch. Diesen Damm haben wir geöffnet, da- mit der Bach wieder frei fließen kann.

Uwe Neumann: Es gab dort auch eine schöne Initiative eines Naturfreundes aus der Gegend. Er hat aus Mauerstei- nen, Holz und anderem Material ein „Amphibienhotel“ gebaut, in dem die Tiere ganzjährig Unterschlupf finden.

Wieviel hat die Renaturierung der Wirb- ke in diesem Abschnitt gekostet?

Uwe Neumann: Die reinen Baukosten lagen bei 330.000 Euro. Hinzu kamen noch finanzielle Aufwendungen beispiels- weise zur Klärung von Eigentumsfragen oder auch für Genehmigungsverfahren. Am Ende kamen 490.000 Euro zusam- men. Finanziert wurde das Projekt mit mungsverhältnisse. Die neuen Durchlässe Der neue Durchlass Mitteln der Europäischen Union, des funktionieren. Wir haben ja nicht nur den unter der Land- Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt. Durchlass unter der Landstraße erneuert, straße südlich von sondern auch den unter dem Weg, den Harbke ist ökolo- früher die Grenzsoldaten benutzt haben. gisch durchgängig. Hat sich nach der Fertigstellung alles so Foto: M. Kühnast entwickelt, wie Sie sich das erhofft hatten? Yvonne König: Von dieser Grenze ist zum Glück nichts mehr zu sehen. Und auch für Uwe Neumann: Ja, auf jeden Fall. Die Ufer das Leben in der Wirbke gibt es keine Hin- und Böschungen sind gut bewachsen. Im dernisse mehr. Der Bach ist in diesem Ab- großzügig mäandrierenden Bach sorgen schnitt nun renaturiert, ökologisch durch- Störsteine für unterschiedliche Strö- gängig und in einem sehr guten Zustand.

Das „Amphibienho- tel“ in direkter Nach- barschaft zur neu- gestalteten Wirbke. Foto: M. Kühnast 53 Rückbau einer Stau- anlage an der Aller bei Wefensleben

zusammenfließen: Eggenstedter Aller, Gehringsdorfer Aller, See- häuser Aller, Siegersleber Aller. • Die Aller durchquert in Sachsen-Anhalt das „Wormsdorfer Bruch“ und fließt über Ummendorf bis Oebisfelde, wo sie Grenzgewässer mit Niedersachsen ist. • Die Aller fließt ab Grafhorst durch Niedersachsen – dabei auch durch Wolfsburg – bis sie unterhalb von Verden in die Weser mündet. • Die Aller ist etwa 260 Kilometer lang. • Die Aller ist der größte, nicht ins Meer mündende Fluss Norddeutschlands.

Schatten statt Stau – Bei Wefensleben ist die Aller wieder ökologisch durchgängig

Die Projektbetei- „Mein Lieblingsort“ Zufrieden steht Andreas Löbe im knie- ligten besprechen hohen Gras und blickt über die Aller. Der am Stau Nr. 164 den „Ich mag das Allertal zwischen Wefer- Fluss, der in Niedersachsen in die Weser geplanten Bauablauf. lingen und Morsleben. Es wird hier be- mündet, ist hier nur gut einen Meter breit. Foto: UHV Aller grenzt vom Flechtinger Höhenzug und Oberhalb des gegenüberliegenden Ufers dem Lappwald. Man trifft auf ein vielfältig dehnt sich ein fast blickdichter Streifen strukturiertes Landschaftsbild aus steilen aus Weiden, verschiedenen Büschen und Hanglagen, naturnahen Mischwäldern, Sträuchern aus. „Das ist alles gut ange- saftigen Wiesen, fruchtbaren Äckern, alten wachsen“, freut sich der Geschäftsführer Ortslagen mit Gebäuden aus Fachwerk des Unterhaltungsverbandes Aller. Ent- und Sandstein – und natürlich auf die Aller standen ist in Sichtweite zum Örtchen als Lebensader von Mensch und Natur.“ Wefensleben ein sehenswerter Lebens- raum für Singvögel und Insekten, der Andreas Löbe, Geschäftsführer des auch dem Landschaftsbild gut tut. Unterhaltungsverbandes Aller Angelegt wurde der Grünstreifen im Jahr 2013. Die Anpflanzung war Teil Norddeutschlands besonderer Fluss eines Projekts zur Umsetzung der Euro- päischen Wasserrahmenrichtlinie. Eine • Die Aller hat in der Börde mehre- Stauanlage aus DDR-Zeiten verhinderte re Quellbäche, die am „Allerkreuz“ an dieser Stelle die ökologische Durch- 54 Andreas Löbe ist mit der Entwicklung der Aller nach dem Projekt zufrieden. Foto: M. Kühnast lässigkeit der Aller. Mit dem Betonbau- gebaut wurden, sorgten dafür, dass die werk wurde früher Wasser angestaut. Aller in diesem Bereich über weite Strecken Landwirte nutzten es vermutlich zur ökologisch durchlässig geworden ist. Beregnung der Felder und Äcker. Für Fische und andere Organismen gab es an Ein schattiges Plätzchen dieser Stelle des Flusses kein Durchkom- men. Das sei alles andere als naturnah Damit sich Elritzen und andere Fische gewesen, blickt Andreas Löbe zurück. wohlfühlen, muss aber nicht nur der Weg frei, sondern auch das Wasser von guter „Wir rannten bei der Gemeinde offene Qualität sein. Dazu tragen die seinerzeit Türen ein.“ gepflanzten Bäume und Büsche bei. Sie sind so gut gewachsen, dass sie mittler- Auch die Gemeinde war nicht zufrieden weile je nach Sonnenstand Schatten bis mit dem Zustand. Als Eigentümer hatte über die Aller spenden. Fachmann And- sie die Kosten zur Betriebssicherung der reas Löbe zeigt auf den Wasserspiegel: nicht mehr benötigten Anlage zu tragen. „Im Schatten ist es kühler. Dadurch ist „Da rannten wir als Unterhaltungsver- im Sommer in diesem Bereich auch der band offene Türen ein, als wir mit dem Sauerstoffgehalt höher und die Was- Rückbau-Projekt kamen. Die Gemeinde serqualität besser.“ Außerdem hat der Die Büsche und war sofort einverstanden mit unserem Schatten noch einen ökonomischen Bäume am Ufer Vorhaben“, erinnert sich Andreas Löbe. Im Aspekt: Die Pflanzen wachsen in diesen bieten Vögeln einen Jahr 2012 begannen die Planungen. Über Abschnitten weniger stark. Dadurch ver- Lebensraum und eine Ausschreibung wurde eine Firma aus ringert sich der Pflegeaufwand, den der fügen sich gut in der Altmark gewonnen, die im Folgejahr Unterhaltungsverband betreiben muss, die Landschaft ein. den Stau und auch die oberhalb gelegene was wiederum langfristig Kosten spart. Foto: M. Kühnast aus Beton gefertigte, wannenartige Ein- fassung des Baches zerlegte. Rund 35.000 Euro kostete die Realisierung des Projekts.

Das Geld floss nicht nur in den Abriss der alten Betonwände sondern auch in die Ge- staltung des Bachgrundes. Dort wurde eine Kiessohle eingebracht. „Wir haben hier Die Aller bei We- in der Aller viele Forellen. Sie nutzen die fensleben ist über Kiessohle als Laichplatz“, erläutert Andreas weite Strecken Löbe, der als Geschäftsführer des Ver- ökologisch durch- bandes nicht nur die eine verschwundene gängig und in einem Stauanlage im Blick hat. Zwei flankierende guten Zustand. Projekte, bei denen Stauanlagen zurück- Foto: M. Kühnast 55 Fischaufstiegsanlage an der Buchholzmühle

Ein altes Wehr in der Rossel staute einst Wasser für die Mühle an. Foto: LHW Stichwort: Buchholzmühle – Bauwerk Feriengästen Unterkunft und Erholung. Ein Ein Schlitzpass sorgt mit wechselvoller Geschichte besonderer Ort – geprägt von der Rossel. an der Buchholzmüh- le dafür, dass Fische Schneidemühle, Jagdhaus, Genesungs- wieder ungehindert heim und Kinderferienlager. Die Buch- Die Rossel ist an der Buchholzmühle wandern können. holzmühle wenige Kilometer nördlich von wieder ökologisch durchgängig Foto: S. Reh Roßlau hat eine wechselvolle Geschichte. Ein Müller namens Martin Pauli kaufte 25 Kilometer lang ist die Rossel. Der Bach 1729 das Stück Land, um eine Mühle am speist sich aus mehreren Quellarmen Flüsschen Rossel zu bauen. Zwei Jahrhun- zwischen Köselitz und Crochwitz und fließt derte bleibt die Anlage in Betrieb. In den westlich der Autobahn 9 bis nach Roßlau, 1930er Jahren wird die Mühle zum Wohn- wo er in die Elbe mündet. Zu DDR-Zeiten haus umgebaut. Später bezieht die Rote gab es Pläne, die Rossel für die landwirt- Armee das Anwesen, danach übernimmt schaftliche Nutzung zu begradigen. Un- es der »Freie Deutsche Gewerkschafts- gewöhnlich für jene Jahre war, dass sich er- bund« (FDGB). Einige Jahre lang wird die folgreich Widerstand aus der Bevölkerung Buchholzmühle sogar als Kurheim ge- gegen die Begradigung regte. Und so ist nutzt. Sie ist in dieser Zeit Außenstelle des der Bach über weite Strecken sehr natur- Eisenmoorbads Bad Schmiedeberg. Heute nah geblieben und somit ein ideales Fo- bietet die Buchholzmühle als Waldpension rellengewässer. Nicht nur deshalb gilt die 56 Rossel als ein Gewässer erster Ordnung mit erheblicher Bedeutung für die Wasserwirt- schaft. Der Bach wird zudem wirtschaftlich genutzt. In Thießen gibt es einen Forellen- hof und in früherer Zeit standen entlang der Rossel insgesamt zwölf Mühlen. Einige werden heute noch als Museum, wie etwa der Kupferhammer Thießen oder als Pen- sion, wie die Buchholzmühle, betrieben.

Das Buchholzmühlenwehr: Ungenutzt und hinderlich

An der Buchholzmühle teilt sich die Ros- sel in ein Freiwasser, das beständig und mit hoher Geschwindigkeit fließt und ein Mahlwasser, das am alten Mühlen- gebäude vorbeiführt. Von der Mühle in den Wald führt eine Fußgänger- und Fahrradbrücke, unter der sich die alte und Radfahrern einen sicheren Weg Die neue Brücke an Wehranlage befand. Dort konnte man über die Rossel. Der alte Wehrriegel der Buchholzmühle die Rossel aufstauen. „Ein Absperrbau- wurde erhalten und erinnert heute als ist ein Blickfang. werk, das die ökologische Durchgängig- Dekoration an der Zufahrt zur Buchholz- Foto: S. Reh keit der Rossel erheblich beeinträchtigt mühle an das verschwundene Bauwerk. hat“, erzählt Frank Torger, Flussbereichs- Investiert wurden in die verschiedenen ingenieur beim Landesbetrieb für Hoch- Maßnahmen insgesamt 350.000 Euro. wasserschutz und Wasserwirtschaft in Wittenberg. Diese alte Anlage sei nicht „Sonst wären solche Investitionen nur defekt und völlig desolat gewesen, umsonst.“ sondern auch nicht mehr genutzt worden. Dazu gehört – als größte Herausforde- Um den Zustand der Rossel in diesem Be- rung – die Meinsdorfer Mühle. In dem reich zu verbessern, initiierte der Landes- nördlichen Vorort von Roßlau verhindert betrieb 2017 ein Projekt zur Umgestaltung. eine große Stauanlage die Wanderung der Zunächst rissen die Arbeiter das kaputte Fische. „Wegen der engen Wohnbebau- Wehr ab. Um die Fallhöhe des Wassers von ung, muss an dieser Stelle eine besondere fast einem Meter an dieser Stelle auszu- Lösung für eine Fischaufstiegsanlage ge- gleichen, entwarfen die Ingenieurinnen funden werden“, schätzt Frank Torger ein, und Ingenieure eine speziell zugeschnit- der die Projekte energisch vorantreibt. Ein Noch immer wird tene Fischtreppe. Es ist ein sogenannter Ingenieurbüro aus Lübben arbeite bereits auch der Mühlenbach „Schlitzpass“ aus geometrischen Steinen, an einer Lösung für den Meinsdorfer Stau. mit Wasser versorgt. die im Wasser stehen. Insgesamt sind es Foto: S. Reh zehn Becken, in denen sich die Fische aus- ruhen können bis zum Sprung durch einen Schlitz in das nächste Becken. Obwohl die Anlage erst 2018 fertig gestellt wurde, fügt sie sich schon perfekt in die Natur ein. Die Steine sind mit Algen bewachsen und schimmern leicht rotbraun, da die Rossel sehr eisenhaltiges Wasser führt. Ein Problem gelöst, etliche Probleme blei- ben. Das alte Wehr steht noch immer an der Nicht nur die Fischtreppe wurde ge- Buchholzmühle. baut, sondern auch die Brücke erneuert. Heute aber nur noch Eine witterungsbeständige Stahlkon- als Dekoration. struktion bietet nun Spaziergängern Foto: S. Reh 57 Impressum

Foto: S. Reh/M. Kühnast

Diese Schrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt kostenlos herausgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Missbräuch- lich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informatio- nen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zweck der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer be- vorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme zu Guns- ten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.

Herausgeber: Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt Referat Presse und Öffentlichkeitsarbeit, 2020 Leipziger Straße 58 39112 Magdeburg Tel.: 0391 / 567 - 1950 Fax: 0391 / 567 - 1964 E-Mail: [email protected] Internet: www.mule.sachsen-anhalt.de www.saubereswasser.sachsen-anhalt.de Textbearbeitung: Susanne Reh und Michael Kühnast Druck und Gestaltung: Harzdruckerei GmbH, 58