Repositorium für die Medienwissenschaft

Sophie G. Einwächter Louisa Ellen Stein: Millennial Fandom: Television Audiences in the Transmedia Age 2016 https://doi.org/10.17192/ep2016.2.4999

Veröffentlichungsversion / published version Rezension / review

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Einwächter, Sophie G.: Louisa Ellen Stein: Millennial Fandom: Television Audiences in the Transmedia Age. In: MEDIENwissenschaft: Rezensionen | Reviews, Jg. 33 (2016), Nr. 2. DOI: https://doi.org/10.17192/ep2016.2.4999.

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Louisa Ellen Stein: Millennial Fandom: Television Audiences in the Transmedia Age Iowa City: University of Iowa Press 2015, 228 S., ISBN 9781609383558, USD 24,–

Innerhalb der letzten Jahre sind ­mediale Stein arbeitet mit einer sehr breit auf- Fankulturen diskursiv in den Main- gestellten Auswahl aus Pressematerial, stream eingegangen, argumentiert Lou- einzelnen Fan-Postings, serienanaly- isa Ellen Stein in Millennial Fandom, tischen Beobachtungen, Situationen der und untersucht anhand einer Reihe von Rezeption und Interaktion von Fans mit Fallstudien diskursanalytisch, welche Stars, Medien und ihren Macher_innen. Aspekte und wiederkehrende Motive Da hier jeweils völlig unterschiedliche das Selbstverständnis von Serien-Fans narrative, institutionelle und produkti- sowie ihre Wahrnehmung durch die onsspezifische Kontexte hineinspielen, Medienindustrie aktuell prägen. Die wirkt die Analyse oft schlaglichtartig. meisten der von Stein untersuchten Der Grund für diese Unausgewogenheit Diskurs-Beispiele aus dem Radius der liegt vermutlich darin, dass drei separate US-amerikanischen Web- und Fern- Studien Steins, die 2010 und 2013 als sehserien Glee (2009-2015), Aufsätze publiziert wurden, im Nach- (2007-2012), Kyle XY (2006-2009), hinein für eine übergeordnete Argu- (2010-), Supernatural mentation zum titelgebenden Thema (2005-), The Lizzy Bennet Diaries(2012- zusammengezogen wurden. 2013) und Veronica Mars (2004-2007) Die Autorin sieht in den aufge- finden im Internet statt. führten Beispielen eine bestimmte Hörfunk und Fernsehen 245

Generation repräsentiert: die der zwi- Mit dem Begriff „Gleeks“ (S.55f.) als – schen 1982 und 2004 geborenen „Mil- von diesen bereitwillig übernommene lennials“ (vgl. S.5). Der Begriff stammt – Bezeichnung für ihre Fans, nähmen aus der Generationentheorie der US- die Produzierenden ein Branding ihrer amerikanischen Historiker Neil Howe Rezipient_innen vor, das der seman- und William Strauss, die Typisierungen tischen Logik typischer Fankommuni- von Gruppen der ­amerikanischen kation folge (Fans der Serie The X-Files Gesellschaft vornahmen, indem sie [1993-2002] nennen sich beispielsweise ihnen aufgrund ähnlicher soziokul- X-Philes). tureller Einflüsse gemeinsame Ideale TV-Serien wie Veronica Mars, Gossip und typische Eigenschaften attes­ Girl und Pretty Litte Liars, so argumen- tierten (wie etwa den ‚Babyboomers‘ tiert Stein im zweiten Teil, wiesen Cha- oder der ‚Generation X‘). Aufgewach- raktere und Handlungsstränge auf, die sen mit digitaler Technologie, sei den – an Motiven des Film Noir orientiert ­Millennials bewusst, dass Konzerne – eine negative Seite von Gemeinschaft und wirtschaftliche Interessen ihr im digitalen Zeitalter verkörperten. Leben zu einem großen Teil mit- Online-Mobbing als Tatbestand und bestimmten, es überwiege aber eine weibliche „filles fatales“ (S.94) als mit optimistische Grundhaltung, welche digitalem Werkzeug ausgestattete Stein als Motiv einer „millenial hope“ Intrigantinnen oder Detektivinnen (S.25f.) begreift. Millennials und Fans seien wiederkehrende Motive solcher haben laut Stein eine gemeinsame Narrationen und verdeutlichten Versu- Grundlage: „Like millennials, media chungen und Gefahren der Ermäch- fans have come to be known as digi- tigung durch neue Technologien. Im tally resourceful (and/or overdependent) dritten Teil beschreibt die Autorin and community oriented“ (S.3). Steins Verkomplizierungen des Verhältnisses Überlegungen fußen auf dem seit den von Fans und Produzent_innen, die späten 1980ern in den Cultural Studies sich durch kommunikative Rituale auf verbreiteten Verständnis von Fans als oder Tumblr äußerten und mit aktiven ­Rezipient_innen, und sie argu- einer gemeinsamen Zurschaustellung mentiert, dass sich die Rezeptionsprak- privater und affektiver Informationen tiken von Fankultur und Mainstream in einer „culture of feels“ (S.154) mün- innerhalb der erwähnten Generation deten. diskursiv aufeinander zu bewegten. Stein ordnet ihr Werk der dritten Zunächst analysiert Stein die dra- Welle der Fan Studies zu, die Fankul- maturgische Strategie der Musical-Serie tur als Alltagsphänomen begreift, und Glee, den optimistischen und kulturelle beschreibt anschaulich Resultate der Diversifikation bejahenden Zeitgeist der medial bedingten Öffnung fan­kultureller Millennials einzufangen und sich dabei Nischen in sozialen Netzwerken. Wer gezielt fankulturelle gemeinschaftsori- verallgemeinernde Generationenkon- entierte Praktiken anzueignen (z.B. in zepte nicht grundsätzlich ablehnt, wird Form von gruppenspezifischem Jargon). in Steins Ausführungen allenfalls ver- 246 MEDIENwissenschaft 02/2016 missen, dass sie auch auf andere Gene- Leser_innen ihr in Bezug auf die behan- rationen im Fankontext eingeht. Mit delten Gegenstände weit voraus sind. „millennial noir“ (S.77f.) und „millen- Bei populärkulturellen, noch in der Ent- nial hope“ (S.25f.) benennt sie Motive, stehung befindlichen Artefakten ist ein die sich in einer Reihe weiterer kontem- solcher inhaltlicher Versatz häufig kaum porärer Kulturprodukte wiederfinden zu vermeiden. Trotz der erwähnten lassen. Allerdings resultiert der exzes- Ungenauigkeiten im Vorgehen han- sive Gebrauch dieser Etiketten in einer delt es sich bei Millennial­ Fandom um Unschärfe. So benennt Stein alles, was eine gut strukturierte Abhandlung mit negativ und mit dem aktuellen Zeitgeist gewinnbringenden Einzelbeispielen, assoziiert ist, als „noir“ oder „noiresque“ die auch einen Beitrag dazu leistet, die (S.9) – sei es die Praktik des Raubkopie- dynamische Gegenwartskultur zu doku- rens unter Fans oder das serienimma- mentieren. nente Online-Mobbing einer Figur. Die Schnelllebigkeit der Serien- Sophie G. Einwächter (Marburg) landschaft hat zur Folge, dass Steins