Energiezukunft

Auf dem Weg zur Energiewende: PV-Freiflächen- anlage in Farchet Die Sonne scheint eh… PV-Anlagen auf Freiflächen

Die vier Landkreise im Oberland haben sich vorgenommen, sich bis 2035 vollständig mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Energiewende-Projekte stoßen freilich immer wieder auf Widerstand in der Bevölkerung. Das Thema Freiflächen- Photovoltaik beschäftigt gerade verstärkt Menschen und Kommunen in der Region. In beispielsweise steht gerade ein Solarpark in den Startlöchern.

enn wir das selbst gesteckte 2035-Ziel giewende Oberland (EWO) unter Federführung der Werreichen wollen, müssen wir verstärkt Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München auf die Hilfe der Sonne zurückgreifen. und mit Partnern wie der Hochschule Kempten, dem Im Rahmen des Forschungsprojektes INOLA ifo-Institut und den Stadtwerken Bad Tölz in der Re- (www.inola-region.de), das die Bürgerstiftung Ener- gion in die Praxis umsetzt, wurde sehr detailliert er- hoben, wie groß der aktuelle Anteil an erneuerbaren Energien und das naturräumliche Potenzial für ihre Produktion in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfrats- Stromerzeugung durch erneuerbare Energien im hausen, Miesbach und Weilheim-Schongau sind. Jahr 2014 im Oberland Die Analyse (s. Arbeitsbericht Nr. 2 des Projektes INOLA; www.inola-region.de) zeigt: Im Jahr 2014 wurden in der Region etwa 48 Prozent der gesamten Energie zur Stromversorgung durch erneuerbare Energien gedeckt, wobei auf die Photovoltaik nur neun Prozent entfielen (32 Prozent Wasserkraft, fünf Prozent Biomasse, 52 Prozent ungedeckt). Mit Blick auf die einzelnen Landkreise decken die erneuerbaren Energien in Bad Tölz-Wolfratshausen aktuell gut 80 Prozent des Stromverbrauches ab, in

10 Miesbach beläuft sich der Anteil auf knapp 15 Prozent und in Weilheim-Schongau auf knapp 50 Prozent. Im Vergleich dazu sind bayernweit derzeit 36,2 Prozent und deutschlandweit 27,4 Prozent durch Energie aus regenerativen Quellen gedeckt. Bei der Wärme sieht es dagegen nicht so gut aus: Hier stammen in der Region Oberland erst knapp 14 Prozent aus erneuerbaren Energien, dieser Wert liegt unter dem bayerischen Durchschnitt. Die Region macht sich auf den Weg Das Oberland hat großes Potenzial, die Strom- versorgung ausschließlich mit erneuerbaren Energien zu bewältigen. Alleine durch Solarstrom könnte das Elffache des Strombedarfes in der Region (s. Arbeits- berichte Nr. 1 und 3 des Projektes INOLA; www.ino- la-region.de) abgedeckt werden – sofern hier das ge- samte naturräumliche Potenzial ausgeschöpft würde. Neben dem Auf- und Ausbau von Freiflächenan- Potenzial für die jährliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien lagen kann das erhebliche Potenzial von Dach- und Fassadenflächen zur Stromerzeugung genutzt werden, wodurch etwa die Hälfte des Strombedarfes in der Re- gion gedeckt werden könnte. Dieses Potenzial ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft und könnte bei ver- stärktem Ausbau einen großen Beitrag zur Energie- wende leisten. Doch Gebäude-PV alleine reicht für die Umsetzung des 2035-Zieles nicht aus. Die größten Möglichkeiten bietet die Nutzung der Photovoltaik auf Freiflächen. Würden alle verfüg- baren Flächen der Region genutzt werden, soweit sie naturräumlich und rechtlich geeignet sind, könnte das Zehnfache des benötigten Stroms über Freiflächen- PV-Anlagen gedeckt werden. Dies zeigt: Das Oberland ist in der glücklichen Lage, geeignete Standorte für Freiflächenanlagen auszusuchen, die wenig einsehbar Umfrageergebnisse: Akzeptanz erneuerbarer Energien am Wohnort und von der Bevölkerung leicht akzeptiert sind. Ernstzunehmende Diskussionen mit Anwoh- nern, die sich Sorgen um den Werterhalt ihrer angren- zenden Immobilien machen, Blendung durch die Mo- mit kann der Landwirt sein Land doppelt nutzen (z.B. dule oder Lärmbelästigung durch Transformatoren Projekt APV Solar, www.agrophotovoltaik.de). Und fürchten, müssen geführt werden. Auch Einwände umgibt man die Freiflächenanlage mit Hecken und hinsichtlich der Flächenkonkurrenz mit der Landwirt- lässt die Vegetation unbeschnitten, können sich viele schaft bezüglich der Nahrungs- und Futtermittelpro- Arten ansiedeln, die bei einer intensiven landwirt- duktion und der Sorge um den Rückgang der Arten- schaftlichen Nutzung des Feldes keine Chance hätten. vielfalt müssen berücksichtigt werden. Im Fall eines Im Übrigen ist ein Rückbau der Freiflächenanlage Baues kann dann eine ökologische Einzelfallprüfung nach Jahrzenten problemlos und vollständig möglich. notwendig sein. Abgesehen davon ist die Ökobilanz in der Her- stellung der Photovoltaik-Module längst nicht so Doppelnutzung als Alternative schlecht, wie oft behauptet wird. Ein Solarmodul er- Es gibt allerdings schon viele Beispiele, bei denen zeugt im Durchschnitt in Deutschland binnen zwei eine Doppelnutzung der PV-Freifläche funktioniert: Jahren die gleiche Energiemenge, die es für seine zum Beispiel weidende Schafe in enger Symbiose mit Herstellung benötigt hat. Bei einer Lebensdauer von PV-Modulen. Die Tiere sparen den Rasenmäher, die 20 bis 30 Jahren erzeugt das Modul zehnmal so viel Module spenden gleichzeitig Schatten und geben Energie, wie für seine Produktion notwendig war Schutz vor Wind und Wetter. (https://www.isefraunhofer.de/content/dam/ise/de/do In landwirtschaftlich ertragreichen Gegenden cuments/publications/studies/aktuelle-fakten-zur- werden Solaranlagen über den Feldern errichtet – so- photovoltaik-in-deutschland.pdf). 

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Solarfeld am Farchet mit Elektroauto der EWO Recycling-Annahmestelle in Wolfratshausen bei Elektro Eibl

Auch können die Module ohne Probleme recy- lichte die Freiflächenanlage, die immer noch als Er- celt werden. Bei uns im Oberland befindet sich bei- folgsmodell gefeiert wird. Die Akzeptanz des Projektes spielsweise eine Rücknahmestelle in Wolfratshausen. ist bis heute groß – nicht zuletzt dank der aktiven Ein- bindung der Bürger. Die Präferenzen der Menschen In Penzberg kann nun ebenfalls ein Solarpark Das Projekt INOLA hat ermittelt, welche gängi- umgesetzt werden: Aktuell befindet sich eine PV-Frei- gen Technologien die Menschen im Oberland in Sa- flächen-Anlage durch die Stadtwerke im Aufbau. Die chen erneuerbare Energien an ihrem Wohnort befür- zwei PV-Felder, die zu beiden Seiten der Staatsstraße worten. 97,6 Prozent der Befragten sagen, dass ihnen 2063 in Richtung Bichl errichtet werden, sollen laut der verstärkte Ausbau und die stärkere Nutzung von Stadtwerke-Vorstand Josef Vilgertshofer 470 Haushal- erneuerbaren Energien wichtig sind. Knapp 81 Pro- te mit Strom versorgen können. zent der Befragten befürworten, dass Anlagen zur Ge- 15 Solarparks gibt es momentan im Landkreis winnung erneuerbarer Energien an ihrem Wohnort Weilheim-Schongau. Die Felder mit der höchsten Leis- weiter ausgebaut werden sollten. Dabei zeigte sich eine tung befinden sich in (3,5 Megawatt), in Pähl hohe Akzeptanz für Solarparks: Mehr als 60 Prozent (2,4 Megawatt) und in Schongau (2,1 Megawatt). der Befragten befürworten die Nutzung der Sonnen- Penzberg wird eine Leistung von zusammengerechnet energie auf Freiflächen an ihrem Wohnort. 1,5 Megawatt erreichen. Der leistungsstärkste Solar- Einen anderen Eindruck konnte man allerdings park im Landkreis soll bei Sachsenried entstehen – mit bei der im Januar 2018 getroffenen Entscheidung der rund sieben Megawatt Leistung auf einer Fläche von Gemeinde Uffing gewinnen. Bis 2020 wollte ein Un- rund 14 Hektar. ternehmer in mehreren Abschnitten Im Bereich Gug- genberg-Schachmoos eine Freiflächen-Photovoltaik- Politische Rahmenbedingungen anlage errichten. Jedes der drei Felder sollte eine Spit- PV-Freiflächenanlagen können allerdings nicht zenlast von 750 Kilowatt haben. Der Uffinger Gemein- überall gebaut werden. Die Errichtung wird maßgeb- derat lehnte das Vorhaben im Januar 2018 mehrheit- lich vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2016) lich ab, da die Bürger die geplanten Anlagen nicht beeinflusst. Darin festgeschrieben ist der Aufbau der wollten. Ganz vom Tisch ist das Projekt aber nicht: Die Anlagen ausschließlich auf versiegelten Flächen, Kon- Gemeinde ist für die Wende – es muss nur gemein- versionsflächen, Seitenrandstreifen von 110 Metern an schaftlich nach einem geeigneten Standort gesucht Autobahnen und Schienenwegen sowie auf Flächen werden. der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Seit 2013 steht in ein wahres Vorzei- Mit der Novellierung des Gesetzes im Jahr 2017 geprojekt: ein genossenschaftlich errichtetes Solarfeld (EEG 2017) haben die Bundesländer erstmals die mit einer Spitzenleistung von 1,3 Megawatt. Damit las- Möglichkeit, nach eigenem Ermessen Acker- und sen sich laut Vorstandsmitglied Erwin Welzmüller pro Grünflächen in »benachteiligten Gebieten« für die Jahr 1,3 bis 1,4 Gigawattstunden elektrische Energie Nutzung von PV-Freiflächenanlagen mit einer Nenn- erzeugen, was etwa dem Verbrauch von 15 Prozent der leistung über 750 KilowattPeak und bis maximal zehn Wielenbacher Haushalte entspricht. Die Gründung ei- MegawattPeak freizugeben, sofern die Bundesländer ner Energiegenossenschaft durch 19 Bürger ermög- eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen.

12 Fotos: Grafiken: INOLA EWO; Die Erfahrungen der Nachbarn nutzen: Exkursion nach Wielenbach

Bayern hat dies mit der Länderöffnungsklausel ge- gen, die im Rahmen der Energiewende immer brisan- Solarpreis 2011: Im Solarpark tan und unterstützt somit den Ausbau bayerischer PV- ter werden, betreffen die Möglichkeiten von Energie- Antdorf zeichnete Ingo Martin Freiflächenanlagen. In der Region Oberland sind bis auf speichern und Netzkapazitäten. (l., EWO) die Sieger (v.l.) Josef die Gemeindeflächen von Otterfing und Icking alle Flä- Vermehrte Nutzung von Solarenergie bedeutet, Schuster (Bürgermeister Burggen), Peter Feldl chen von der EU als landwirtschaftlich benachteiligte dass die tages- und jahreszeitlichen Schwankungen (Bürgermeister Antdorf) und Gebiete definiert worden. Dabei handelt es sich um Ge- der Energieverfügbarkeit ansteigen. In Spitzenzeiten Michael Asam (Bürgermeister biete mit ungünstigen natürlichen Standortbedingun- im Sommer wird viel mehr Strom produziert werden, ) stellvertretend für die gen (benachteiligte Agrarzonen, kleine Gebiete und als benötigt wird. Dagegen kann im Winter der Bedarf Bürger aus Berggebiete), daraus resultierenden unterdurchschnitt- durch Solar nicht gedeckt werden. Möglich ist dabei lichen Erträgen sowie einer geringen oder abnehmen- zumindest in Teilen der Einsatz von Speichern zum den Bevölkerungsdichte, wobei die Bevölkerung über- Ausgleich des Deltas. wiegend auf die Landwirtschaft angewiesen ist. Soll die Energie nicht gespeichert, sondern als Jährlich dürfen in Bayern maximal 30 dieser PV- Strom in die vorhandenen Netze eingespeist werden, Projekte gefördert werden. Dadurch soll ein zu starker ist die Netzkapazität der limitierende Faktor. Simon Flächenverbrauch vermieden sowie ein Ausgleich zwi- Köppl von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft schen landwirtschaftlicher Bewirtschaftung, natur- in München stellte beim Bürgerinformationsabend schutzfachlichen Belangen und PV-Nutzung gewahrt zur geplanten PV-Freiflächenanlage in Uffing den ak- werden. Zudem wurde im Rahmen des Landesentwick- tuellen Forschungsstand zu erneuerbaren Energien lungsplanes der Regierung von Oberbayern der soge- und Netzintegration dar. Die Netzkapazität in der Re- nannte Alpenplan festgesetzt. In der darin enthaltenen gion wird auch bei weiterem Ausbau der Solarenergie Zone C – an der die Region Oberland im Süden einen in der Region ausreichen – so seine Aussage. Eine Her- Anteil hat – sind keine PV-Freiflächenanlagen gestattet. ausforderung bleibt die Energiewende trotzdem. Unbeschadet etwaiger landesrechtlicher Verord- nungen gilt auch nach § 38a Abs. 1 Nr. 5 EEG 2017 … zum durchdachten Energie-Mix weiterhin, dass Standortflächen in einem festgesetzten Keine Frage – große Solaranlagen verändern das Naturschutzgebiet oder Nationalpark von vornherein Landschaftsbild. Und gerade in einer Region, die für ausgenommen sind. und mit dem Tourismus lebt, sind Diskussionen über Eingriffe in das Landschaftsbild verständlich. Die Rahmenbedingungen und Wege… Schritte weg von fossilen Energieträgern und hin zu ei- Es ist nicht die Frage, ob, sondern wie die Ener- ner vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Ener- giewende gelingen kann. Und dazu sind neben tech- gien führen uns allerdings entlang von Solarfeldern. nischen Lösungen auch politische Rahmenbedingun- Setzt man verstärkt auf einen gut durchdachten gen und ein gesellschaftlicher Diskurs notwendig. Ne- Energie-Mix aus verschiedenen Technologien auf Ba- ben dem Zubau auf geeigneten Dachflächen sollen für sis erneuerbarer Energien, können die Herausforde- Solarparks verstärkt Konversionsflächen und Bereiche rungen betreffend der Speicher- und Netzkapazitäten entlang der Autobahnen und Bahnlinien genutzt wer- leichter bewältigt werden. den. Zusätzlich sollen Vorranggebiete für die Errich- Dr. Cornelia Baumann und tung von Freiflächenanlagen generiert werden. Fra- Stefan Drexlmeier (EWO)

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