Im Todeskorridor Bergsteigen Der zieht Tausende leichtsinniger Hobbyalpinisten an, in dem Massiv starben in dieser Saison schon 20 Kletterer. Den größten Skandal des Sommers löste ein Amerikaner aus – für den Gipfelerfolg riskierte er das Leben seiner Kinder.

Neue Schutzhütte Refuge du Goûter (r.) am Mont Blanc auf 3835 Metern Sport

n und Saint-Gervais, den Gemeinden am Fuße des Mont Blanc, Ikennt jeder den Namen Patrick Swee - ney. Die Geschichte des US-Amerikaners ist der Aufreger der Saison, über sie wird mehr geredet als über die Toten. Sweeney, 45, braun gebrannte Haut, breite Schultern, ist ein Unternehmer aus Keene, New Hampshire. Früher war er ei - ner der besten Ruderer der USA. Heute fährt er Mountainbike und startet bei Flug - zeugrennen. Seit 28 Jahren geht er auch zum Bergsteigen. Für dieses Jahr hatte sich Sweeney ein besonderes Abenteuer ein - fallen lassen: Im Sommer reiste er mit sei - ner Familie in die französischen Alpen, er wollte seine Kinder auf den Mont Blanc führen. Seine Tochter Shannon ist elf Jahre alt, sein Sohn PJ neun. Der Vater filmte die Familie während der Besteigung mit einer GoPro-Kamera. Später gab er die Aufnahmen an den ame - rikanischen TV-Sender ABC weiter, der in seiner Show „Good Morning America“ da - rüber berichtete. Die Bilder landeten auch schnell im Internet. Seitdem gehen sie um die Welt, und Patrick Sweeney ist jetzt ein Geächteter. Jean-Marc Peillex, der Bürgermeister von Saint-Gervais, hält den Amerikaner für einen „kranken Mann“. An den Stammtischen im Tal sprechen die Berg - führer über Sweeney, sie diskutieren, wo gesunder Eifer aufhört und wo übertrie - bener Ehrgeiz anfängt. Es sind Fragen, die am Mont Blanc inzwischen jedes Jahr ge - stellt werden. Der Mont Blanc liegt im Grenzgebiet von Frankreich und Italien, mit 4810 Me - tern ist er der höchste Berg der Alpen. Ein - heimische nennen ihn auch La Dame Blanche, die Weiße Dame, er hat einen mit ewigem Schnee bedeckten, zeltförmi - gen Gipfel. Zwischen Juni und September versu - chen täglich bis zu 400 Bergsteiger, auf sie - ben verschiedenen Routen zum Gipfel zu gelangen. Aufs Jahr verteilt sind etwa 30 000 Kletterer am Mont Blanc unterwegs, allein über die beliebte Go ûter-Route, die über die Nordwestflanke führt, wollen rund 17 000 Bergsteiger nach oben. Der Mont Blanc zählt zu den meistbes - tiegenen Bergen der Welt. Der neuseelän - dische Profikletterer Russell Brice stand 90-mal auf dem Gipfel und leitet seit den Neunzigerjahren Expeditionen am Mount Everest. Er sagt: „Alle sind immer ge - schockt, wie voll es am Everest ist, dabei ist das ein Witz im Vergleich zum Mont P F

A Blanc.“ Am Everest gebe es an zwei bis

/

T

O drei Tagen im Jahr Menschenschlangen, T A L C

am Mont Blanc dagegen fast täglich. E R R

E Das Geschäft mit der Weißen Dame I P

N boomt. In Italien und der Schweiz gibt es A E J

: jeweils rund 50 Agenturen, die geführte O T O

F Touren anbieten. In Frankreich sind es 70,

DER SPIEGEL ?A / ><=@ 123 Sport

allein 20 davon haben sich in Chamonix In diesem Jahr kamen in dem Massiv um Mitglieder einer okkulten Vereinigung, niedergelassen. Mit Training, Vorbereitung bislang 20 Alpinisten ums Leben. Ein 45- sie wollten auf dem Berg „spirituelle Ener - und Akklimatisierung in der Höhe dauert jähriger Deutscher rutschte in einer Stein - gie freisetzen“ und damit Ufos und Au - der Trip zum Gipfel rund eine Woche. Die schlagrinne aus, er fiel 200 Meter in die ßerirdische anlocken. Kunden bezahlen im Schnitt 1500 Euro, in - Tiefe. Im August stürzten drei Franzosen Peillex schritt ein, er verbot den Spin - klusive Bergführer. über 800 Meter weit hinab, sie hatten wohl nern, auf den Berg zu pilgern. Doch die „Die Nachfrage ist enorm, wir stoßen einen Schneeüberhang betreten, der unter meisten Aktionen, sagt er, bekomme er an die Decke“, sagt Bernard Prud’homme, ihren Füßen weggebrochen war. Jedes Mal im Voraus nicht mit. Vor zwei Jahren ver - der Chef des Tourismusbüros in Chamonix. musste Jean-Marc Peillex eine Pressemit - anstaltete ein Sportartikelhersteller auf Die Gemeinde mache „keine Werbung teilung veröffentlichen, Statements abge - dem Mont Blanc ein Konzert der franzö - mehr“ für den Mont Blanc, sagt er, „keine ben. Er sagt, jedes Unglück treffe ihn aufs sischen Sängerin Zaz, dafür wurde ein Anzeigen, keine Kampagnen. Sonst wären Neue ins Mark. Kontrabass auf den Gipfel geschleppt. Eine die Wege noch voller“. Ein sonniger Augusttag in Saint-Gervais, Gruppe von 20 Schweizern baute dort Der Mont Blanc ist das Sinnbild des Monsieur Peillex, blaues Sakko und Bürs - oben einen mobilen Whirlpool auf und ba - modernen Alpinismus, bei dem eine Ziel - tenhaarschnitt, sitzt an einem Glasschreib - dete darin. gruppe bedient wird, die nicht mehr aus tisch im Rathaus. Der Bürgermeister Peillex schenkt sich Kaffee in eine Tasse Bergsteigern besteht, sondern aus Aben - schaut aus seinem Bürofenster und blickt ein, die er dann eine Stunde lang nicht an - teuersportlern und Outdoor-Fans. Für sie auf das Bergmassiv. Er sei ein leidenschaft - rührt. Er redet sich so in Rage, dass er alles werden Gipfel wie Touristendestinationen licher Alpinist, sagt er. Doch wenn er über andere vergisst. „Die Leute fühlen sich an - vermarktet. den Mont Blanc redet, weicht jede Berg - gezogen vom Geist der Freiheit, der am Die Routen sind präpariert mit Haken romantik aus seiner Stimme. Mont Blanc herrscht“, sagt er, „das Pro - und Fixseilen, in die sich die Gipfelaspi - „Der Mont Blanc ist ein Misthaufen“, blem ist aber, dass einige diese Freiheit ranten einhängen können. Im vorigen Jahr sagt Peillex, „ein Berg aus Kot, Urin und mit Narrenfreiheit verwechseln.“ eröffnete auf 3835 Meter Höhe das Refuge dem Müll der vergangenen 50 Jahre. Die Die „größte Verfehlung“ aber habe sich du Go ûter, eine Schutzhütte in futuristi - Probleme sind zugedeckt durch einen hüb - Patrick Sweeney geleistet, sagt Peillex. Der schem Design, die vom französischen Al - schen, weißen Überzug aus Schnee. Aber Familienvater sei in „eine neue Dimension penverein gebaut wurde. Das vierstöckige ich möchte den Leuten die Realität vor der Dummheit“ vorgestoßen. Domizil hält Windgeschwindigkeiten von Augen führen. Und damit diejenigen tref - Es war der 18. März, als Sweeney mit 300 Stundenkilometern stand. fen, die den Berg missbrauchen.“ seinen Kindern vor dem Computer saß. Der Mont Blanc wurde domestiziert, In der Lokalzeitung Le Messager tauchte Sie recherchierten im Internet und fanden konsumierbar gemacht. Weniger gefährlich kürzlich ein Artikel über neun Briten auf. heraus, dass die jüngste Frau auf dem Mont ist er dadurch nicht. Im Gegenteil, er zählt Sie kündigten darin an, auf den Mont Blanc elf Jahre alt war, der jüngste Mann zu den Bergen mit der höchsten Todesrate. Blanc steigen zu wollen. Es handelte sich erst zehn. Die Sweeneys hatten ihr Ziel

Passy Gefährlich schön 3 Aufstiege zum Mont-Blanc-Gipfel Chamonix Höhenunterschied Route in Metern Saint-Gervais-les-Bains 2 Les 1 Normalweg (Goûter-Route)  Houches 2 Le Trois Monts   Couloir 1 du Goûter 3 Grands Mulets und Grat des Dôme du Goûter  Refuge de Tête Rousse 4 Voie du Pape  Refuge du Goûter Mont 5 Querung Miage, Bionnassay, Maudit FRANKREICH Mont Blanc   6 Éperon de la Tournette  ITALIEN Les Contamines-Montjoie 7 Arête de l'Innominata  

5 Tote und Vermisste auf dem Mont-Blanc-Massiv

   *      

7 Val Veny 6 4     SSatellitenbild:atellitenbild: Google Earth Quelle: Préfecture de Haute-Savoie *bis zum . August

124 DER SPIEGEL ?A / ><=@ gefunden, sie wollten die beiden Rekorde sei der Mont Blanc. Vier der fünf sind zum brechen. ersten Mal im Hochgebirge, eine Über - Der Vater nahm Kontakt zu TV-Produ - nachtung in der Hütte oder einen Führer zenten auf, die schon für National Geo - können sie sich nicht leisten. graphic und den Travel Channel gearbeitet Über die Gruppe donnert ein Rettungs - hatten. Sie vereinbarten, den Familientrip hubschrauber hinweg. Es ist Hochsaison auf den Mont Blanc mit einem Kamera - am Mont Blanc, da rücken die Bergretter team zu begleiten. Später stellte Sweeney TV-Bild des Bergunfalls der Familie Sweeney bis zu 30-mal am Tag aus. Auf einem Fel - einen Blog ins Internet. Dort berichtete er „Schnee, Schnee, bewegt euch!“ sen neben dem Refuge de T ête Rousse sind regelmäßig über den Rekordversuch und ein Dutzend Gedenktafeln aus Schiefer die Vorbereitungen. und Metall angebracht. Sie erinnern an die Shannon und PJ starteten derweil mit Bergsteiger, die ein paar Hundert Meter dem Trainingsprogramm, das ihr Vater für weiter oben, am Couloir du Go ûter, ums sie entworfen hatte. Sie lernten, mit Eis- Leben gekommen sind. pickel und Steigeisen umzugehen, zehn Die Passage gilt als der gefährlichste Ab - Stunden pro Woche gingen sie zum Wan - schnitt am Mont Blanc, zwischen 1990 und dern und in die Kletterhalle. Im Juni stie - 2011 starben dort 74 Menschen, 180 wurden gen sie mit ihrem Vater auf den Gran Pa - verletzt. Die meisten Unglücke passieren radiso, einen der höchsten Berge Italiens, an der Traverse, die auch Todeskorridor 4061 Meter hoch. Es war die Generalprobe genannt wird: Auf 3340 Meter Höhe gehen für den Mont Blanc, und sie glückte. die Kletterer durch eine 100 Meter lange Patrick Sweeney engagierte für den Bürgermeister Peillex Eisrinne, quer zu einem 48 Grad steilen Mont Blanc einen britischen Bergführer, „Neue Dimension der Dummheit“ Abhang. der bereits elfmal auf dem Mount Everest Mittags, wenn die Temperaturen steigen gestanden hatte. Es sollte nichts schiefge - Auf über 4000 Metern kann dann jeder und der schmelzende Schnee die Felsbro - hen. Ende Juni kam die Familie in Cha - Schritt, jeder Griff über Leben und Tod cken nicht mehr festhält, gibt es im Todes - monix an. Am 4. Juli gingen Sweeney und entscheiden. Es gab schon einige Bergstei - korridor im Durchschnitt alle 17 Minuten seine Kinder los. Sie wählten für den Auf - ger, die sich im Nebel verlaufen haben oder einen Steinschlag. In der Szene heißt die stieg die Go ûter-Route, den Normalweg, erfroren sind. Traverse „Bowlingbahn“, weil die Berg - bei dem 2450 Höhenmeter überwunden „Manche hören auf mich, andere igno - steiger in der Rinne wie Kegel von herab - werden müssen. Die Route gilt als der ein - rieren mich und rennen weg“, sagt Tse - fallendem Geröll und Eisbrocken getroffen fachste Weg zum Gipfel. ring. An manchen Tagen bekommt er Hil - werden können. Vor einem kleinen Holzhaus in rund fe von zwei Gendarmen, sie gehen im Auch Shannon und PJ Sweeney wurde 3000 Meter Höhe steht Tsering Phintso Hochgebirge auf Streife und reißen die diese Stelle zum Verhängnis. Am Vormit - Sherpa. Der nepalesische Bergsteiger trägt Zelte ab. tag des 5. Juli starteten sie mit ihrem Vater eine Sonnenbrille, in der Hand hält er ein Häufig treffen sie dort auf Leute in Jog - am Refuge de T ête Rousse, begleitet von Funkgerät. Jeder, der über die Normalrou - gingschuhen und Shorts. Es ist angesagt, ihrem Bergführer und zwei Kameraleuten. te auf den Gipfel möchte, kommt bei Tse - den Mont Blanc im Stil eines Crossläufers Knapp eine Stunde später erreichte die ring vorbei. Er ist so etwas wie der Portier hochzurennen. Das liegt vor allem an Ki - Gruppe den Couloir. Ein Kameramann am Mont Blanc, er gibt unerfahrenen Berg - lian Jornet, einem spanischen Extrem - stieg zuerst durch die Traverse, um die steigern Ratschläge. Tsering spricht neun sportler, der im vorigen Jahr einen Speed - Querung der Sweeneys von der anderen Sprachen fließend. rekord aufgestellt hat. Jornet rannte in 4 Seite zu filmen. Er musste auf dem Weg Es war die Idee von Bürgermeister Peil - Stunden und 57 Minuten von Chamonix Pausen einlegen, vor ihm rutschten immer lex, Tsering einzusetzen. Sein Arbeitsplatz auf den Gipfel und zurück. wieder kleine Schneefelder und Geröll den befindet sich an der Schneegrenze, hier „Das sendet ein falsches Zeichen“, sagt Hang hinunter. müssen die Alpinisten Steigeisen anlegen, Tsering, „der Mont Blanc ist keine Renn - Patrick band sich und seinen Kindern damit sie auf Schnee und Eis nicht weg - strecke, ohne richtige Ausrüstung bist du ein Kletterseil um, dann klinkte er das Seil - rutschen. „Die meisten können damit um - da oben schnell verloren.“ Er versuche, stück zwischen sich und Shannon in einen gehen“, sagt der Sherpa, „aber es gibt auch besonders arglose Kletterer zur Umkehr Karabinerhaken am Fixseil ein. Das Fixseil Leute, die stolpern mit den Steigeisen den zu bewegen, sagt Tsering, doch zwingen ist ein Stahlkabel, das über den Couloir Berg hinauf wie Betrunkene.“ könne er niemanden. hinwegführt. Es kann Bergsteiger, die das Nicht mal die Hälfte der Bergsteiger am Als die Familie Sweeney an seinem Gleichgewicht verlieren, vor dem Absturz Mont Blanc bucht einen Führer, die Mehr - Posten vorbeikam, war der Sherpa nicht bewahren. heit geht auf eigene Faust los. Viele sparen da. Er hatte an jenem Tag frei. „Leider“, Die drei stiegen los, Patrick ging voran. sich auch die Reservierung in den Berg - sagt er. Bis zur Mitte der Traverse lief alles gut, hütten, stattdessen schlagen sie entlang der Etwas weiter oben befindet sich das Re - doch plötzlich bemerkten sie von oben ein Route ihr Biwak auf. Kletterer, die einen fuge de T ête Rousse, eine Schutzhütte mit seltsames Rauschen. „Das hört sich an wie schweren Rucksack tragen, mit Zelten und 72 Schlafplätzen. Vor dem Gebäude, in - Schlangen“, sagte Shannon zu ihrem Vater. Schlafsäcken darin, spricht Tsering an. Er mitten eines Geröllfeldes, haben fünf Im selben Moment schrie ihr Führer zu ih - sagt ihnen, dass es verboten ist, auf über ukrainische Studenten ihre Zelte aufge - nen herüber: „Schnee, Schnee. Bewegt 3200 Metern zu zelten, und klärt sie über stellt, eine Frau und vier Männer, allesamt euch!“ ) . U

. die Gefahren auf. Anfang zwanzig. Im Boden steckt eine Doch es war zu spät. Eine Ladung R (

S Der Mont Blanc ist klettertechnisch nicht blau-gelbe Flagge, es gibt Brot und Speck. Schnee, feucht und schwer wie Zement, E G A

M sehr anspruchsvoll. Trotzdem hat der Berg Sie seien mit dem Auto über Polen bis hatte sich über den Sweeneys vom Berg I

Y T

T seine Tücken, das Wetter kann innerhalb nach Frankreich gefahren, erzählt einer gelöst. Die Lawine riss zuerst PJ von den E G

: von nur einer Stunde umschlagen. Starke der Studenten. Bisher waren sie im Som - Füßen, der ganz hinten lief. Der Junge O T O

F Winde verwischen dann die Schneespuren. mer immer beim Tauchen, ihr neues Ziel schrie auf, dann fegten die Schneemassen

DER SPIEGEL ?A / ><=@ 125 fallen, solch ein Gesetz durchzusetzen. Der Alpinismus lebt vom Prinzip, dass am Berg jeder willkommen ist. Kletterer wol - len Autonomie, damit sie ihre Grenzen ausloten können. Regeln stören da. Jean-Baptiste Estachy, Kommandant der Bergrettung in Chamonix, glaubt nicht, dass sich die Probleme am Mont Blanc lö - sen lassen. „Es ist paradox“, sagt er, „die Leute strömen ins Gebirge, aber sie wollen sich nicht mehr mit seinen Risiken und Gefahren auseinandersetzen. Sie sagen sich: Ich probiere es mal, wenn es nicht klappt, holt mich der Helikopter ab.“ Ein Hubschraubereinsatz am Mont Blanc kostet im Schnitt 8600 Euro. In Frankreich kommt der Staat dafür auf, nicht die Geretteten. Deshalb werden Es - tachy und seine Kollegen manchmal auch von Kletterern angerufen, die gar nicht in Not sind. „Es gibt Bergsteiger, die fordern uns an, weil sie müde sind oder Blasen ha - Bergsteiger am Mont Blanc: „Einige verwechseln die Freiheit mit Narrenfreiheit“ ben“, erzählt Estachy. „Einmal meldete sich eine Gruppe bei uns: Wir sollten vier seine Schwester weg. Vorn stieß Patrick Sweeney sagt, er bereue nichts. Wer be - Personen abholen, die in ihrem Zelt saßen mit Wucht seinen Eispickel in den Boden, haupte, kleine Jungs und Mädchen hätten und Angst vor Bären hatten.“ um einen Anker zu setzen und den Ab - nichts auf dem Mont Blanc verloren, lebe Manchmal scherzt er mit Kollegen, sie sturz zu verhindern. „im falschen Jahrhundert“. „Zu viele Kin - überlegen sich dann, wie es wäre, den La - Die Kinder rutschten gut 20 Meter den der sind überbehütet. Wir Eltern sollten den für eine Woche dichtzumachen. Ein Steilhang hinab, sie überschlugen sich, nicht all die großartigen Erfahrungen eli - wenig Entschleunigung, glaubt Jean-Bap - dann spannte sich das Seil zwischen ihnen minieren, die zum Erwachsenwerden da - tiste Estachy, würde helfen. Doch der und ihrem Vater. Ineinander verkeilt blie - zugehören.“ Trend am Mont Blanc geht in die andere ben Shannon und PJ schließlich liegen. Der Film, den die Sweeneys am Mont Richtung. „Alles ist gut, ihr seid sicher“, rief ihnen Blanc drehten, sei inzwischen fertig ge - Ein Auf- und Abstieg dauert in der Regel Patrick von oben zu, „dreht euch um, und schnitten. „Wir haben interessante Ange - drei Tage. Eine Firma aus der Nähe von klettert zu mir!“ Die Lawine hatte Shan - bote von mehreren Fernsehsendern“, sagt Chamonix bietet seit wenigen Wochen non und PJ nur halb zugedeckt. Nach einer Sweeney. eine schnellere Tour an: Der „Mont Blanc guten Minute hatten sie sich aus den Im Rathaus von Saint-Gervais seufzt Express“ ist ein Trip zum Gipfel und zu - Schneemassen befreit. Auf wackligen Bei - Jean-Marc Peillex, der Bürgermeister. Er rück in weniger als 24 Stunden. nen stapften sie zurück zu ihrem Vater, habe genug von Leuten wie Sweeney, die Bergretter Estachy hält die Turbo-Be - hilflos den Steinen ausgesetzt, die sich sich am Mont Blanc „als Abenteurer und steigung für „bescheuert“ und „töricht“. durch die Lawine gelöst hatten und an ih - GIs“ aufspielten, sagt er. Und er hat genug Wer das buche, ohne sich im Hochgebirge nen vorbei in die Tiefe stürzten. von den Todesfällen. gut auszukennen, für den könne eine sol - Nachdem sich alle wieder gesammelt Die Normalroute sei „Privateigentum“, che Expedition die letzte sein, sagt er. hatten, brach der Bergführer die Bestei - dieser Teil des Berges gehöre zu seiner Ge - Patrick Sweeney sagt, dass seine Tochter gung ab. „Das ist nicht unser Tag“, sagte meinde, wie ein Garten zu einem Haus Shannon vorerst genug habe von den Ber - er zu Patrick. Die ganze Gruppe kehrte gehört. „Niemand möchte, dass in seinem gen. Sie mache jetzt Triathlon. Sein Sohn um und stieg zurück zum Refuge de T ête Garten Menschen aus Leichtsinn sterben“, PJ allerdings gehe weiterhin gern ins Hoch - Rousse. sagt Peillex. gebirge. Mit ihm war er zuletzt in Colora - Sieben Wochen nach der Beinahe- Der Politiker will jetzt handeln. Er sei do und Washington unterwegs. Sie stiegen Katastrophe meldet sich Patrick Sweeney bereits in Kontakt mit der französischen zusammen auf sechs Viertausender, da - aus einem Internetcafé in Boston. Er hat Umweltministerin, sagt er, zurzeit bringt runter auch auf den Mount Rainier, einen lange überlegt, ob er einem Gespräch über er seine Ideen zu Papier – in der Hoffnung, der schwierigsten Berge der USA. Skype zustimmen soll. Die Kritik an ihm dass die Ministerin daraus einen Entwurf Sweeney setzt auf seinen Sohn, er habe ihn geschockt, sagt er, niemand wür - für ein Gesetz macht. möchte mit ihm zum Mont Blanc zurück - de die Wahrheit hören wollen. Peillex schlägt vor, die Bergsteiger dazu kehren. „Für den Altersrekord hat PJ noch Und was ist die Wahrheit? zu verpflichten, einen Führer zu buchen. Zeit bis Juni 2015“, sagt er. „Es gibt viele Bergsteiger am Mont Nach seinen Plänen soll es auch eine Art Die Konkurrenz ist allerdings groß. Im Blanc, die schlechter vorbereitet sind, als Einlasskontrolle am Mont Blanc geben. August hielt die Gendarmerie am Mont S E G

Shannon und PJ es waren“, sagt Sweeney, Die Gendarmerie soll vor dem Refuge de Blanc einen Österreicher und seinen Sohn A M I

„Training und Können sind wichtiger als Tête Rousse prüfen, ob die Kletterer eine vom Aufstieg ab. Der Junge war fünf Jahre P D D

/ das Alter und das Geschlecht. Die beiden Reservierung für die Hütten haben. Wer alt. Lukas Eberle, Victoria Weidemann R E B

haben nach der Lawine genau das ge - kein Ticket vorzeigen könne, müsse wie - O K Video: Segen und Fluch N A

macht, was gute Bergsteiger in einer sol - der nach unten. I T

moderner Ausrüstung S I chen Situation tun. Sie haben sich da selbst Bislang gibt es keine rechtliche Grund - R H C wieder rausgeholt, und sie haben wertvolle lage, Bergsteiger vom Mont Blanc wegzu - : spiegel.de/app372014montblanc O T O

Lektionen gelernt.“ schicken. Und es dürfte Peillex schwer - oder in der App DER SPIEGEL F

126 DER SPIEGEL ?A / ><=@