Leto : Kirill Serebrennikow

Autor(en): Schaar, Erwin

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Filmbulletin : Zeitschrift für Film und Kino

Band (Jahr): 60 (2018)

Heft 374

PDF erstellt am: 30.09.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-863023

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http://www.e-periodica.ch führt. Bei einem gemeinsamen Strandausflug mit den Leto Fans der Band treffen sie den Gitarristen Viktor Tsoi, der mit seinen Liedtexten ein Lebensgefühl trifft, das Maik als lyrische Ergänzung seiner eigenen Musik erkennt. Seine Förderung Viktors wird ihn aber in einen persönliche Zwiespalt bringen, wenn Natascha ihn um die Erlaubnis bittet, Viktor küssen zu dürfen. Die sich entwickelnde Zuneigung von Viktor und Natascha scheint nur durch einen Pakt des Verzichts gelöst werden zu können. Serebrennikow dient der einfache Handlungsfaden einer Beziehungsgeschichte vor allem als Klammer für die Präsentation der Musik, die für diese Lebensgeschichte prägend wird. In dem technisch oft So klingt der Aufbruch: Leto erzählt etwas burschikos inszenierten Schwarzweissfilm gibt es von der Rockmusik als Mittel farbige Inserts im Super-8-mm-Stil mit russischen und des Widerstands in der Sowjetunion. englischen Kritzeltexten und animierten Zeichnungen über Realbildern. Erinnerungen an die Undergroundfilme der Siebzigerjahre werden wach. Ein sporadisch auftauchender Erzähler unterbricht mit Texttafeln, und die Fahrt in einer Strassenbahn wird zu einem Musikvideo des Iggy-Pop-Songs «The Passenger», in den alle Anwesenden einstimmen. Im Kontrast dazu steht immer wieder die Brutalität der zivilen Polizei der späten Breschnew-Ära. Bei den widersprüchlichen Schilderungen und Kirill Beurteilungen der gegenwärtigen russischen Politik ist es schwer, den Stellenwert von Leto für Putins Regime einzuschätzen. Serebrennikow beurteilt seine Serebrennikow künstlerischen Bemühungen in Opposition zur offiziellen Politik folgendermassen: «Wir beleben eine Kultur, die für die Mächtigen und staatlichen Kulturrichtlinien Kirill Serebrennikow, Regisseur und Leiter des inakzeptabel ist, in genau derselben Weise wie Leningrad angesehenen Moskauer Gogol-Theaters, ist zur politischen 1983 weder die Zeit noch der Ort für Rockkultur Figur geworden: Mit dem fadenscheinigen Vorwurf, in der UdSSR war.» Die Widersprüchlichkeit der Fördergelder unterschlagen zu haben, wurde er kurz gegenwärtigen russischen Kulturpolitik zeigt sich allerdings vor Beendigung der Dreharbeiten zu Leto im August auch darin, dass der Film auf dem offiziellen Filmfestival 2017 festgenommen und unter Hausarrest gestellt. in Sotschi gezeigt wurde und die staatliche Seinen Film konnte er nur mithilfe eines internetgesperrten Nachrichtenagentur eine positive Kritik veröffentlichte. Computers und via Notizen für seine Dass Leto bei Insidern nicht nur auf Lob gestos- Mitarbeiterinnen fertigstellen. sen ist, machen die Urteile musikalischer Popgrössen Das Resultat ist ein musikalischer, historischer, deutlich. Der «Grossvater» des sowjetischen Rock, biografischer und auch politischer Film. Die Geschichte Boris Grebenschikow, beurteilte das Skript des Films zu Beginn der , Anfang der Achtziger]'ahre, als eine Lüge von Anfang bis Ende. Und der Musikproduzent dreht sich um die Rockmusik, die das Leben von eher Andrei Tropillo, der in den Achtzigern in seinem oppositionell eingestellten jungen Leuten bestimmte. Studio Aufnahmen mit der Band Kino mit Viktor Tsoi Da Vorbilder wie Lou Reed, die Talking Heads, Iggy Pop arrangierte, beschreibt Serebrennikow als jemanden, oder David Bowie aus dem Westen kamen und deren dem die Rockkultur fremd ist. Schallplatten schwarz gehandelt wurden, war dies Lassen wir trotzdem die Musik des Films auf für das sowjetische Regime mehr als nur ein Affront. uns wirken. Und wenn die Inszenierung einleuchtend Konzerte fanden abseits der Öffentlichkeit statt, von erscheint, gilt hier wohl, was der britischen Historiker staatlichen Aufpassern überwacht. Thomas Macaulay sagte: «Das beste Geschichtswerk Ein Rockclub in Leningrad bildet das Herz dieser ist eines, das solche Teile der Wahrheit vorführt, durch aufmüpfigen Bewegung, die so sehr einen jugendlichen die am ehesten die Wirkung eines Ganzen entsteht.» Freiheitswillen ausdrückt und zudem den Geist Erwin Schaar westlichen Fortschritts atmet. Im Club gibt Mailt Naumenko mit seiner Band Zoopark den Ton an und Regie: Kirill Serebrennikow; Buch: Kirill Serebrennikow, Michail Idow, Uli Idowa, Iwan Kapitonow; Kamera: Wladislaw Opeljants; c testet damit auch aus, was die Aufpasser durchgehen Schnitt: Juri Karich; Musik: Roman Bilik. Darstellerjn (Rolle): Teo Yoo lassen. Auch im öffentlichen Leben ist die Musikerexis- (Viktor Tsoi), Irina Starschenbaum (Natascha), Roman Bilik (Maik tenz eine Herausforderung, obgleich Mailt ein eher Naumenko). Produktion: Hype Film, KinoVista. Russland, Frankreich I 2018. Dauer: 126 Min. CH-Verleih: Xenix Filmverleih, D-Verleih: c bürgerliches Leben mit seiner Freundin Natasha und Weltkino Filmverleih S ihrem gemeinsamen Kind in engen Wohnverhältnissen Zimna wojna / Cold War Regie: Pawel Pawlikowski