ISSN 1866-0843

HEFT 288 – DEZEMBER 2012 52. JAHRGANG

• Militärethik – • Arabischer Frühling – • XXV. Forum KAD international (Teil 2) Medientagung des CV • Eugenio Pacelli – • Neuer koptischer • Katholischer Leben und Wirken Papst (Teil 2) Medienpreis 2012 bis 1939 (Teil 2) INHALT AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 • 52. JAHRGANG

EDITORIAL ...... 3 KIRCHE UNTER SOLDATEN In der „Kirche unter Soldaten zuhause SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN ...... 4 Walter Wakenhut wurde 70 von Carl-H. Pierk ...... 41 PRESSEMITTEILUNG DER GKS ZUR VERLÄNGERUNG DES AFGHANISTAN-MANDATES ...... 5 Einweihung der Pater Rupert Kapelle Pressestelle GebJgBrig 23 ...... 42 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Der Heilige Sebastian AMI Tagung in Belgien von Andreas M. Rauch ...... 43 von Christoph Auer ...... 6 Herbstbesprechung der AKS Militärethik Finnland von Rainer Zink ...... 45 von Dieter Ponsold ...... 7 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS Militärethik USA von Christoph Auer ...... 9 GKS KREIS AUGUSTDORF Kontrastreiches Programm ...... 48 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Arabischer Frühling (CV-Medientagung) GKS-BEREICH WEST von Bertram Bastian ...... 11 Reales Familienleben versus virtuelles Leben . . 48 Jemen – der Sonderweg von Said AlDailami ...... 15 Neuer koptischer Papst (Teil 2) KURZ BERICHTET: ...... 10, 21, 36, 40, 47, 50 von Dieter Kilian ...... 18 TERMINE: ...... 51 Patriarch von Alexandria krank von Dieter Kilian ...... 22 IMPRESSUM: ...... 52 Das Zeichen des Kreuzes von Andreas M. Rauch ...... 23 Juden und Christen heute von Andreas M. Rauch ...... 24

BILD DES SOLDATEN Nach dem Arbeitsleben von Fritz Mahn ...... 26

RELIGION UND GESELLSCHAFT Katholische Akademikerarbeit Deutschlands Redaktionsschluss für XXV. Forum und Mitgliederversammlung von Bertram Bastian ...... 27 Impulsreferate beim Gesprächsprozess Bischof Overbeck, Bischof Bode ...... 28 AUFTRAG 289 Herbstvollversammlung ZdK von Joachim Lensch ...... 32 Freitag, 25. 01. 2013 Die Herzen der Menschen berühren Katholischer Medienpreis 2012 von Bertram Bastian ...... 35

BLICK IN DIE GESCHICHTE Leben und Wirken von E.Pacelli (Teil 2) von Philipp Weber ...... 37

Titelbild: Der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, der Bischof von Rottenburg- Dr. Gebhard Fürst, mit den Preisträgern (von links: für Elektronische Medien: Hauke Wendler und Carsten Rau vom NDR, rechts neben Bischof Fürst der Preisträger für Printmedien: Wolfgang Bauer vom Magazin NIDO)

2 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 • 52. JAHRGANG editorial:

Finnland und den Vereinigten Staaten von Amerika fort. Dieter Kilian stellt den neuen koptischen Papst vor, der kürzlich gewählt wurde.

Von der Medientagung des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studenten (CV) wird berichtet ebenso wie von dem XXV. Forum und der Mitglieder- versammlung der Katholischen Akademikerarbeit, der die GKS angehört. Zusammen mit dem Bericht von Joachim Lensch über die Herbstvollversammlung des ZdK bekommen Sie einen guten Einblick in das „Ka- tholische Deutschland“.

Der Gesprächsprozess ist mit einem Wochenende in Hannover fortgesetzt worden. Bei der Auswertung in verschiedenen Verbänden, an denen die Redaktion teilnahm, wurde festgestellt, dass wenig vom Gespräch- sprozess einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. Deshalb hat sich die Redaktion entschlossen, zwei Impulsreferate der Tagung in Hannover abzudru- cken, von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck aus Essen und von Bischof Dr. Franz-Josef Bode aus Osnabrück. Diese beiden Referate zeigen, dass erstens der Gespräch- sprozess ernst genommen wird und zweitens, dass sich die Bischöfe den Problematiken durchaus bewusst sind.

Geschichtlich betrachtet, wird der Bericht über die Liebe Leserschaft, Zeit von Eugenio Pacelli bis zu seiner Papstwahl 1939 abgeschlossen. in der Vorweihnachtszeit herrscht gelegentlich Hek- tik. So auch in der Redaktion, die krankheitsbedingt Anlässlich des 70. Geburtstages des Apostolischen das Septemberheft erst im November heraus brachte und Protonotars Militärgeneralvikar Walter Wakenhut gleichzeitig am Dezemberheft arbeitete. Die Redaktion schrieb Carl H. Pierk einen Bericht über den Seelsor- wurde nach Erscheinen des Heftes 287 aufmerksam ge- ger, der wie kein anderer die „Kirche unter Soldaten“ macht, dass Urheberrechte verletzt worden seien. Des- darstellt. halb hat die Redaktion in der elektronischen Form auf der Web-Seite den Artikel auf den Seiten 43 bis 47 im Für die bevorstehende Jahreszeit wünscht die Re- AUFTRAG 287 aus dem Netz genommen. Wir bitten daktion Ihnen besinnliche Tage, die Zeit und Gele- Sie um Beachtung dieser Maßnahme und weisen auf genheit geben, Kräfte zu sammeln, ein schönes Weih- den Artikel von Prof. Thomas Hoppe im AUFTRAG 286 nachtsfest und für das kommende Jahr alles Gute und hin, der dort auf den Seiten 11 bis 17 die „resposibility Gottes reichen Segen, Ihr to protect (R2P) beschrieben hat.

Interessante Themen erwarten sie in dieser Ausga- be. Der Internationale Sachausschuss setzt seine Rei- he über die Militärethik in den anderen Nationen mit

3 SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN

„Ein Blick zurück – und nach vorn!“

er Jahreswechsel ist immer wieder Anlass zum Es gibt Waffensysteme oder Kampfmittel, die we- DInnehalten, zum Bilanzziehen und um einen gen ihrer spezifischen Eigenschaften grundsätzlich Ausblick zu wagen. Dies drängt sich auch in diesem abzulehnen sind. Streubomben und Landminen ge- Jahr auf, denn wir haben manches erreicht und wei- hören zu dieser Gattung, die auch Jahrzehnte nach tere Herausforderungen liegen noch vor uns. ihrem Einsatz eine unkontrollierbare Gefahr für die Auf das Erreichte können wir mit Stolz zurück- Zivilbevölkerung darstellen. Dieses Merkmal sehe blicken. Beim 98. Katholikentag in Mannheim ist ich bei unbemannten, bewaffneten Luftfahrzeugen es uns zusammen mit unseren Mitstreitern gelun- nicht gegeben. Ich meine, es geht vielmehr um die gen, ein sicherheitspoliti- Frage,F in welchem Gesam- sches Thema aus ethischer trahment dieses Waffen- Perspektive betrachtet auf systems seine Fähigkeiten das Podium zu hieven. Die entwickelt.e Genau in die- Frage nach dem Rückzug ses Diskussion um die Aus- aus Afghanistan beschäf- gestaltungg der Rahmenbe- tigt uns Soldaten im Alltag, dingungend sollten wir uns denn die Rückverlegung des einbringen.e Wie zuverläs- dort in zehn Jahren immer sigs wird ein Ziel aufgeklärt wieder aufgestockten Ma- undu bei der Bekämpfung terials wird eine große Auf- überwacht?ü Wie ist der Be- gabe. Der GKS ging es je- dienerd in die Führungs- doch mehr um die Frage, wie kettek eingebunden und wo ein verantworteter Rückzug befindetb er sich? Das sind aussehen mag. Schließlich nurn einige der Fragen, die war es das erklärte Ziel, das ini diesem Zusammenhang Land für die Afghanen le- zuz betrachten sind. Man- benswerter zu machen als chec sind noch nicht einmal es vorher war. neu,n sondern stellen sich Auch bei der Bundes- aucha beim Waffeneinsatz konferenz konnten inhaltli- vonv bemannten Luftfahr- che Akzente gesetzt werden, zeugen.z Möglicherweise ist die uns weiter beschäftigen ese die Gelegenheit, auch werden. Die Bewertung ak- hierh noch einmal genau tueller Konflikte stellt im- hinzuschauen.h Wenn wir mer die Frage nach der Verantwortung für das eigene den Blick nach vorn richten, sollten wir dies tun! Handeln oder eben Unterlassen. Die Konzeption der Beim Blick nach vorn möchte ich schon jetzt auf „Schutzverantwortung“ (responsibility to protect – die GKS-Akademie „Oberst Dr. Helmut Korn“ hin- kurz R2P) gewinnt dabei weiter an völkerrechtlicher weisen, die vom 04. bis 08.11.13 wieder in Fulda Relevanz und setzt anerkannte Maßstäbe. stattfinden wird. Unseren Beitrag zur Vermittlung von Urteilsfähigkeit – auch in der obigen Frage – wollen ir müssen aber mit Blick nach vorn weiter- wir bei dieser Veranstaltung vermitteln. Whin die konkreten Fragestellungen aufgrei- Zunächst aber wünsche ich uns allen ein ge- fen, die zu unseren Kerninteressen gehören. Die segnetes Weihnachtsfest und einen guten Start ins aktuelle Diskussion um sogenannte „Kampfdroh- Neue Jahr. nen“ ist so eine Frage. Hier ist es für uns wichtig, mit eigener Position anzutreten, um die öffentliche Rüdiger Attermeyer, OTL Debatte mitzutragen. Die Thematik ist nicht ein- Bundesvorsitzender der fach, sind doch viele Aspekte zu berücksichtigen. Gemeinschaft Katholischer Soldaten

4 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 5 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Apostolat Militaire International (AMI) Jahrestagung des AMI 2012 in Retie, Belgien

VON CHRISTOPH AUER

an hätte die berühmte Steck- 25 Jahre lang als RAF flight sergeant zweifeln, ob seine Rollen als Christ Mnadel fallen hören können, als in der Royal Air Force gedient, hat und Soldat noch zusammenpassten. Diakon Neil Galloway aus Großbri- Einsätze im Irak und Afghanistan ab- Und er thematisierte die Bibelstelle, tannien die letzten Sätze seines Bei- solviert und den Zuhörern einen be- die ihm Kraft gab: „Sie [die staatli- trages sprach1: wegenden Einblick in seinen Glau- che Gewalt] steht im Dienst Gottes „Wer aber bleibt übrig, wenn das ben und das Heranreifen des Ent- und verlangt, dass du das Gute tust. Orgelspiel aufhört, alle Gebete ge- schlusses, den Soldatenberuf aufzu- Wenn du aber Böses tust, fürchte sprochen und alle Kränze niederge- geben und stattdessen Diakon in der dich! Denn nicht ohne Grund trägt legt sind? Es sind vier Menschen, Militärseelsorge zu werden, gewährt. sie das Schwert. Sie steht im Dienst zwei davon in Uniform. Der erste im Und damit sind wir mitten im Gottes und vollstreckt das Urteil an Rollstuhl, seine Verwundung für je- Thema der diesjährigen Konferenz dem, der Böses tut.“3 Zusammenfas- dermann sichtbar. Er hat seine Jugend des Apostolat Militaire International send stellte er für sich fest, dass ihm und seine Unversehrtheit der gerech- (AMI) in Retie, Belgien. Unter dem in den Phasen großer Anspannung ten Sache geopfert. Wer kümmert sich Generalthema „The Christian Soldier und Belastung der persönliche Glau- um ihn? Der zweite steht aufrecht und in the Service of Just Peace. To live be und das Gebet Kraft gegeben hat. wirkt stark und unversehrt mit seiner authentically according to the Word Und er wies darauf hin, dass gelebter ordensgeschmückten Brust. Niemand of God and to spread the gospel.“ ging Glaube von den Untergebenen sehr sieht ihm seine psychischen und see- es im Speziellen um das Gedenken wohl registriert wurde. lischen Wunden an. Wer kümmert sich an die Gefallenen, militärische Ze- Wim Smit näherte sich um ihn, wenn ihn Alpträume plagen? remonien der Trauerfeierlichkeiten in seinem Vortrag dem Thema über Die anderen beiden Personen sind und die Fragestellung, ob und wie die Fragestellung, wie lange Trau- noch trauriger. Eine junge Witwe , der persönliche Glaube bei der Be- matisierung durch gewaltsamen Tod die die Liebe ihres Lebens verloren wältigung von Angst und Furcht auf anhalte und machte am Genozid an hat. Ihr Mann ist im Sarg zurückge- dem Gefechtsfeld hilft. den Juden im 2. Weltkrieg klar, dass kommen. Wer hilft ihr in ihrer Trauer Diesem Thema stellten sich un- diese Nachwirkungen bis in die dritte und der Rolle der alleinerziehenden ter der Leitung des neuen Präsiden- Generation danach habe. Entschei- Mutter, in die sie gestoßen wurde? An ten des AMI, Herrn Generalmajor dend allerdings war sein Fazit: er ihrer Hand ein kleines Mädchen. Ihr Norbert Sinn, Kommandeur der Mi- forderte ein Glaubensfundament, das Vater kam nicht nach Hause und wird litärakademie des Österreichischen weder Dogmen, noch eine vermeint- auch an Weihnachten nicht da sein. Bundesheeres, Delegationen aus 12 liche Sinnhaftigkeit des Leidens in Er wird nicht zu ihrer Theaterauffüh- Ländern von vier Kontinenten2. den Mittelpunkt stelle, sondern dem rung in der Schule kommen, er wird Dazu legte ein weiterer Vortra- traumatisierten Leben die Hoffnung ihr nie mehr die Kummertränen von gender, Brigadegeneral Arie Vermeij auf die Wiederauferstehung entge- den Wangen küssen und er wird seine aus den Niederlanden, der aus sei- gensetze. kleine Prinzessin nicht an den Trau- nen Erfahrungen als stellvertretender In anderen Sachvorträgen4 wur- altar führen. Und wer hilft ihr, wenn KpChef 1982 im Libanon, als Batail- den weitere theoretische Grundlagen sie versucht ihre weinende Mutter zu lonskommandeur 1998/99 bei SFOR vermittelt, aber auch Einblicke in trösten? und schließlich als stellvertretender die bei der Bundeswehr gefundenen Ich habe den Ruf gehört; das ist Kommandeur des Regional Command Formen und Zielsetzungen der Trau- meine Aufgabe. Ich hatte die Ehre, South in Kandahar, Afghanistan be- erfeierlichkeiten im Einsatzland, der lange Zeit als Offizier in der Royal richtete. Er sprach von der Sinn- Ankunft der Gefallenen in Deutsch- Air Force mit herausragenden Män- Suche der Soldaten, die im Einsatz land, der Zentralen Trauerfeier und nern und Frauen zusammenarbeiten nicht nur den Sonntagsgottesdienst, schließlich der Beisetzung in einem zu dürfen. Es ist nun eine große Ehre sondern auch Bibelabende besuch- Ehrengrab der Bundeswehr gegeben. für mich, ihnen und ihren Familien ten, von der eigenen Nähe zu Gott, Besondere Erwähnung verdient als ihr Seelsorger zu dienen.“ von den schwierigen Entscheidungen auch die Abhandlung von Oberst i.G. Neil Galloway hat vor seiner erst über Leben und Tod, vom Umgang mit MMag. DDr. Phil. Andreas Stupka kürzlich erfolgten Weihe zum Diakon verwundeten und gefallenen Kame- von der Österreichischen Verteidi- raden. Aber auch von seinen Selbst- gungsakademie, in der die Typen des 1 Freie und sinngemäße Übersetzung. „Miles protector“, also dem Soldaten Im Original auf Englisch gehalten. 2 Belgien, Deutschland, Gambia, Nachzulesen unter www.apostolat-mil- Großbritannien, Kenia, Niederlande, 3 Römerbrief, Kapitel 13, Vers 4 [und 1] itaire-international.com / latest con- , Österreich, Philippinen, 4 Alle Vorträge und Grußworte fi nden ference / My_wittness_Deacon_Neil Slowakei, Ungarn und Vereinigte sich im Internetauftritt des AMI, siehe Galloway.pdf Staaten von Amerika Fußnote 1

6 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK als Diener eines gerechten Friedens, stabschef der Streitkräfte, General war, dass der persönliche Glaube ein dem (religiösen) Fanatiker und dem Van Caelenberge, vom ersten stv. starkes Fundament für den verant- Söldner gegenüber gestellt wurden. Sprecher des Landesparlaments von wortungsvoll handelnden Soldaten Sie würden sich nicht nur durch ihre Flandern, Carl Decaluwé in Brüs- ist. Aber schon in der Frage der an- intrinsische Motivation, auch durch sel, der Gouverneurin der Provinz gemessenen Form des Totengeden- ihre Vorgehensweise, ihre Befürch- Antwerpen, Cathy Berx und dem 2. kens, bzw. des Heldengedenkens, tungen sowie die Kriterien des Erfol- Bürgermeister der Stadt Antwerpen wenn man den 2. Weltkrieg als Opfer ges und Misserfolges unterscheiden. Marc van Peel wahrgenommen. Da- Deutschlands und seiner Verbünde- Daraus ließen sich unmittelbar ihre bei war uns klar, dass wir dies vor ten erlebte, gibt es keine gemeinsa- Ängste, ihre Schwächen und damit allem auch den hohen kirchlichen me Meinung. Auch der Umgang mit ihre Bekämpfbarkeit ableiten. Würdenträgern unter uns zu ver- den Opfern der Einsätze aus jün- Während der Konferenz haben danken hatten, welche die Delega- geren Zeiten und dem Veteranen- die Delegationen aber auch den Kon- tionen ihrer Länder begleiteten und gedenken zeigt über die Nationen takt mit der Öffentlichkeit gesucht sich in die Konferenz einbrachten. und Kontinente hinweg historisch und wir haben unsere Anliegen als Bischof Rotich aus Kenia, Bischof gewachsene Unterschiede. Insofern Soldaten und Christen nach außen Rábek aus der Slowakei und Bischof konnte es keine gemeinsame Erklä- getragen. Schon der Eröffnungsgot- Moth aus Großbritannien bereicher- rung zu den konkreten Ergebnissen tesdienst, ein vom Erzbischof von ten unsere Konferenz und be- und dieser Konferenz geben. Mecheln-Brüssel, zugleich katho- geleiteten uns in unserem Handeln Meines Erachtens ergibt sich lischer Militärbischof von Belgien und Denken. aber für die Kreise und Gremien der zelebriertes Pontifikalamt in der Welchen Fazit zieht man aber aus GKS eine Frage, deren weitere Er- Kathedrale von Antwerpen wurde einer solchen Konferenz? örterung lohnt. „Wie kann uns un- mit der dortigen Gemeinde gefeiert. Zunächst ist der größte Wert das ser Glaube im täglichen Dienst und Auch an allen anderen Tagen feier- gesponnene und gepflegte Netzwerk im Einsatz Richtschnur und Hilfe ten wir die Eucharistie zusammen und der Informationsaustausch. Bei sein?“ Das Gespräch darüber ist mit anderen Christen: zweimal mit vielen Mitgliedsländern führt der hilfreich und gibt Halt. der Gemeinde von Retie, einmal in Weg zu den aktiven Laien (und das Und um das Thema endlich auf der Militärakademie in Brüssel zu- AMI wurde als ein Verband der Lai- Deutsch zu nennen: Wenn wir durch sammen mit den dortigen Offizieran- en gegründet) über die Militärgeistli- unser Beispiel ein Glaubenszeugnis wärtern und abschließend in einem chen. Diese erfahren, wie in anderen ablegen wollen und die Botschaft Pontifikalamt mit dem Apostolischen Ländern die Laien in die Militärseel- des Evangeliums verbreiten wollen, Nuntius in Belgien, Msgr. Giacinto sorge eingebunden werden und die dann lasst uns unseren Glauben of- Berloco mit der Gemeinde der Caro- Laien lernen Organisationsformen fen bekennen, geben wir unseren Ka- lus Boromaeus Kirche in Antwerpen. kennen, die eine Weiterentwicklung meraden Anknüpfungspunkte zum Aber auch im politischen Raum in ihrem eigenen Land anstoßen und Gespräch, lasst uns die GKS an der wurden wir wiederum von hohen Re- beflügeln können. Basis der Kreise so lebendig werden, präsentanten des Gastlandes, ins- Dann muss man aber einräumen, dass man uns kennt und wir kein besondere von Belgischen General- dass die Konferenz sich zwar einig Dasein im Verborgenen führen. ❏

Internationaler Sachausschuss Militärethik in Finnland

VON OLIVER PONSOLD1

is zum heutigen Tag hat sich in gerichtet, sich im Kriegsfall durch die Beteiligung an ISAF ist mit 156 BFinnland die Wehrpflicht erhal- Reservisten zu verzehnfachen3. Das Soldaten eher symbolisch4. Finnland ten. Sie gehört zum Alltag. Nur je- entspräche einem Zehntel aller in steht militärischen Bündnissen äu- der fünfte finnische Junge beantragt Finnland lebenden Menschen. Mit ßerst skeptisch gegenüber; ist bis Ersatzdienst. Im Juli 2011 wurden militärischen Ambitionen in der Au- heute nicht Mitglied der NATO. Zur 14.000 zum Dienst an der Waffe ge- ßenpolitik hat dies wenig zu tun. So Mitgliedschaft in der Nordic Defence rufen, darunter – freiwillig – 200 sendete Finnland keine Soldaten in Cooperation (NORDEFCO) wird im Frauen2. Die Armee ist darauf aus- den Militäreinsatz in Libyen 2011, jährlichen finnischen Militärreport betont, dass es sich hier um eine rei- 1 Major Oliver Ponsold ist Mitglied im Kurzmeldung von Juli 2011 ne militärische Kooperation, nicht Internationalen Sachausschuss 3 Wikimedia Foundation Inc.: Deutscher 2 Cornelia H.E. Kiaupa: Onlineauftritt Auftritt der Wikipedia z.T. „Finnische 4 Wikimedia Foundation Inc.: Deutscher „Finnland on Line“ in einer Streitkräfte“ Auftritt der Wikipedia z.T. „ISAF“

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 7 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK um ein Militärbündnis, „not a de- und damit einhergehender Kompro- Erfahrungen im letzten Jahrhundert fensive alliance“5, handelt. Die Mi- misse in der Wahl der Mittel. ordnete sich folgerichtig staatliche litärethik in Finnland wird anhand Souveränität im militärischen As- von zwei Thesen untersucht und dar- Zweite These: pekt einer weltumspannenden Völ- gestellt. Ein militärischer Einsatz steht kergemeinschaft, dem Völkerrecht in der praktischen Umsetzung und einem grundsätzlichen Gewalt- Erste These: an der Schwelle der Unmoral verbot unter10. Finnische Außenpo- Militärethik in Finnland, auf litik in der Nachkriegszeit war von politischer Ebene und ebenso in Die Nähe zum Abgrund der Un- einem festen Wunsch nach Frie- den Köpfen der Bevölkerung, moral zeigt sich am Beispiel Finn- den und Neutralität geprägt. Die ist von einem tief verwurzelten lands im Fortsetzungskrieg zur Rück- erste blockübergreifende Konferenz Wunsch nach staatlicher Souve- eroberung sowjetisch besetzter finni- über Sicherheit und Zusammenar- ränität geprägt! scher Gebiete. Einerseits, von offizi- beit in Europa (KSZE) fand in Hel- eller Seite betont, war Finnland 1939 sinki statt. Nach Wegfall der Blöcke Für die These spricht die expo- kein Verbündeter Deutschlands, son- beteiligten sich dann Finnland und nierte geostrategische Lage, doku- dern ein gleichzeitig Krieg führen- Russland an der „Partnerschaft für mentiert in der Geschichte des Lan- der Staat. Vorherige Bemühungen, den Frieden“ (PfP) der NATO. Eine des der letzten 1000 Jahre. Finnland sich mit skandinavischen Nachbarn übernationale Heimat hat Finnland feiert erst in Kürze seine hundert- oder den Westalliierten zu verbün- mit der EU gefunden. Es beteiligt jährige Selbstständigkeit als Nation den, waren gescheitert. 300 Juden sich im Rahmen gemeinsamer Si- feiert! Die Jahrhunderte zuvor waren kämpften nun für ihr Vaterland in cherheits- und Außenpolitik mili- Land und Bevölkerung Spielball der der finnischen Armee, teils Seite tärisch, stellt Soldaten für die EU lokalen Großmächte Schweden und an Seite mit Waffen-SS-Verbänden7. Battlegroups. Nowgorod, später Russland. Eine Na- Es wurde eine Feldsynagoge einge- Doch selbst in Einsätzen, völ- tion, fremd bestimmt in Sprache und richtet. Höhepunkt dieser Groteske kerrechtlich legitimiert und mit Ein- Kultur, unfreiwilliger Teilnehmer6 war der Versuch, Salomon Klass und satzregeln (RoE) hinterlegt, lauert kriegerischer Auseinandersetzungen Leo Skurnik das deutsche Eiserne der moralische Abgrund. Professor und Grenzziehungen auf finnischem Kreuz zu verleihen, beide lehnten Aki-Mauri Huhtinen, ehemals Do- Boden. In den ersten Jahren der Un- dankend ab8. zent im Bereich Führungslehre der abhängigkeit nach 1917 verursach- Andererseits wurde im Verborge- National Defence University in Hel- te die neu gegründete Sowjetuni- nen das Einsatzkommando Finnland sinki, postuliert ein neues ethisches on innenpolitische und außenpoliti- (EK) gegründet, um ideologisch und Dilemma für finnische Soldaten die- sche Instabilität. Die erneut gefühlte rassisch minderwertige Individuen ses Jahrhunderts hinsichtlich der zu- Ohnmacht manifestierte sich in den auszumerzen, unterstützt von einer nehmenden Vermischung von Unter- Gebietsansprüchen und dem nach- rechtsextrem orientierten finnischen haltung und Krieg11. Filme und Spie- folgenden Einmarsch sowjetischer Staatspolizei9. Rund 100 Gefange- le greifen auf die Erfahrungen der Soldaten trotz bestehendem Nicht- nenlager betrieben die Deutschen Kriege zurück, um Spannung durch angriffspakt und Resolution im Völ- zwischen 1941 und 1944 auf finni- die Illusion von Realität zu erzeu- kerbund. In der Nachkriegszeit war schem Boden. Der finnische Soldat, gen. Umgekehrt wächst die Distanz Finnland neutral, eine politische He- mehrheitlich konfessionell gebun- der Soldaten zum realen Gesche- rausforderung in unmittelbarer Nach- den, dem militärischen Gehorsam hen. Militärische Aufklärungsmittel barschaft zum Warschauer Pakt. Im und seinem Gewissen verpflichtet, und Waffen werden vom Heimatland bereits zitierten Militärreport heißt dürfte es in dieser Zeit schwer gehabt ferngesteuert zur Wirkung gebracht. es: „in Finland, national defence haben, in der konkreten Situation An der Steuerungskonsole wird die concernes the entire country and all zwischen Gut und Böse zu entschei- reale Welt virtuell dargestellt, kaum citizens“. Sind Militärpolitik, Einsät- den. Die ethische Gesamtbewertung noch von Spielwelten unterscheid- ze und Krieg grundsätzlich ethisch gleicht einem Drahtseilakt. bar. Besonders kritisch sieht Profes- vertretbar, wenn sie konsequent auf Der „gerechte Krieg“ , lat. „bel- sor Aki-Mauri Huhtinen in diesem den Schutz der Bevölkerung und des lum iustum“, engl. „Just War“, ist in Zusammenhang amerikanische Be- Landes ausgerichtet sind? Die Achil- der praktischen Umsetzung Mythos werbungsplattformen, die sich der lesferse dieses Ansatzes liegt in der und Illusion. Nach den dramatischen Unterhaltungsindustrie bewusst be- praktischen Ausübung der Gewalt dienen. Die Militärethik der USA ist 7 Hannu Rautkallio: Cast into the Lion’s ein weiteres Themenfeld, welches ei- Den’: Finnish Jewish Soldiers in the ❏ 5 Defence Command Public Information Second World War ner genaueren Betrachtung lohnt. Division 2011: The Finnish Defence 8 Onlineredaktion „Zweiter- Forces Annual Report 2010 Weltkrieg-Lexikon.de“, Abschnitt 6 „Finnische Soldaten machten den größ- Auszeichnungen, Eisernes Kreuz und 10 Charta der Vereinten Nationen, Artikel ten Teil der schwedischen Armeen aus“, Ritterkreuz 2 Ziffer 4 Quelle: Wikimedia Foundation Inc.: 9 Oula Silvennoinen : „Hemmelige 11 Aki Huhtinen: The worlds of service: Deutscher Auftritt der Wikipedia z.T. Vaapenbrödre“ (Heimliche Military recruitment from reality to the „Geschichte Finnlands“ Waffenbrüder) virtual and back

8 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Internationaler Sachausschuss Militärethik in den Vereinigten Staaten von Amerika

VON CHRISTOPH AUER1

ie Welt erwartet von der westli- source“, es gibt kein grundlegendes Die U.S. Army vermittelt diese Dchen Führungsnation, dass die- Basisdokument. Aber es gibt viele Werte über alle Dienstgrade hinweg se sich für den Frieden auf der Welt Grundlagenpapiere und Institutionen. im Center for Army Profession and einsetzt und dabei in der Wahl ihrer Ähnlich wie bei der Militärseelsorge, Ethic (CAPE), die U.S. Navy unterhält Mittel ethischen Grundforderungen die teilstreitkraftsweise verfasst und mit ähnlicher Zielsetzung das Stock- gerecht wird. Wie jeder Staat, erwar- organisiert ist2, unterhält jede Teil- dale Center for Ethical Leadership. ten auch die Vereinigten Staaten von streitkraft ihre eigene Bildungsein- Abschließend sollen nun die ver- Amerika, dass ihre Soldaten tapfer richtung für Militärethik und erlässt mittelten Inhalte exemplarisch an ei- und situationsgerecht untadelig han- auch die jeweiligen Vorschriften. ner (in toto sehr lesenswerten) Rede deln. Beide Gruppen, der Amerikani- So wurde im Field Manual 6-2 des Leiters der des Navy-Stockdale sche Staat als Gesamtheit, wie auch (Army Leadership) im Oktober 2006 Centers an der Air Force Academy in die Amerikanischen Streitkräfte se- die Grundlagen für die Anforderungen Colorado Springs im November 2007, hen sich aber in der öffentlichen Mei- an Army-Angehörige bezüglich ihres die noch nichts von ihrer Aktualität nung, zumindest aber in der veröffent- Charakters und ethischen Festigung verloren hat, beleuchtet werden. lichten Meinung der Medien Vor- und gelegt. Aufgebaut auf einem Drei- Dr. George R. Lucas jr. referier- Anwürfen ausgesetzt, die im Kern un- klang SEIN – WISSEN – HANDLEN te vor dem Führernachwuchs der moralisches Handeln thematisieren. werden die grundlegenden Prinzipi- U.S. Luftwaffe über „Unangenehme Guantánamo, Abu Grey, geziel- en, Konzepte und Ausbildungsinhalte Wahrheiten“3 und vertrat dabei insbe- te Liquidationen mit Drohnen und für Leadership niedergelegt. Die acht sondere eine These: Noch nie in der ins Rampenlicht gezerrte Verfehlun- Kernkompetenzen werden dabei ge- Geschichte war dem einzelnen Solda- gen einzelner Soldaten sollen hier mäß der abgebildeten Graphik (Bild ten so große Macht in die Hand ge- als Schlagworte dienen. Wie stehen 1) miteinander verwoben. geben. Und noch nie zuvor waren die die U.S.A. also zur Militärethik, zu An der U.S. Militärakademie in Folgen von falschem Machtgebrauch, den Postulaten, dass der Soldat tap- Westpoint werden diese Werte durch Macht-Missbrauch oder schlichten fer aber auch klug, gerecht und be- das Simon Center for Professional Ermessensfehlern so schwerwiegend sonnen zu handeln hat und der Staat Military Ethic (SCPME) vermittelt. und weitreichend. Während früher die sein Machtmonopol nur in den Gren- Daneben gibt es an dieser Militär- Trennlinie zwischen dem Staatsrecht zen des Internationalen Rechts und akademie aber auch das R.E.A.L. (jus ad bellum) und dem persönlichen der engen moralischen Grenzen einer Dieses Akronym, ein wohl gewolltes Wohlverhalten im Kriege (jus in bel- allgemeingültigen Friedensethik ge- Apronym, das einen Gegenpol zur lo) klar gezogen war, so ist sie heute brauchen darf? Im Vordergrund die- virtuellen Welt des Krieges mit vi- hoffnungslos unscharf und die beiden ses Artikels soll aber nicht die Fra- deospielartig kontrollierten Wirkmit- moralischen Betrachtungsweisen un- ge nach dem Recht (oder der Pflicht) teln großer Distanz bildet, steht für trennbar verbunden4. des Staates, Militär einzusetzen (jus „Respect, Ethics And Leadership“ Denn in der Öffentlichkeit wird ad bellum) stehen, sondern das recht- (Bild 2). Es wurde von den Kadetten jedes Fehlverhalten einzelner Solda- mäßige Verhalten der Soldaten (jus in selbst gegründet und wird durch die- ten zum Anlaß genommen, die staats- bello), das aber sehr wohl Rückwir- se geführt. Die Zielsetzung ist ehr- rechtliche Rechtfertigung des zugrun- kungen auf den Einsatz insgesamt hat. geizig: „Förderung und Entwicklung de liegenden Militäreinsatzes in Zwei- Die Kernfrage ist also: Was tun die der Fähigkeit zum kritischen Denken, fel zu ziehen. Amerikanischen Streitkräfte, um ihre moralischem Abwägen und werteba- Verantwortlich dafür sei nicht nur Soldaten zu ethisch untadeligem Ver- sierter Entschlussfassung durch Aus- der „CNN-Effekt“ also die stete Teil- halten zu befähigen und zu erziehen? tausch mit anderen Studenten in ganz habe der Öffentlichkeit am militäri- Um es vorwegzuschicken: das Amerika.“ schen Handeln. Viel entscheidender Thema der Überschrift sprengt jeden Die Kadetten stellen sich also ist das stete Wechseln müssen des Rahmen. Bei einer ungefilterten Su- ganz bewusst in die Diskussion mit Soldaten zwischen seiner Rolle als che in google bringt „military ethics Gleichaltrigen ihres Intellekts um mi- u.s.“ ungefähr 181 Millionen Treffer. litärisches Denken und Handeln aus 3 20th Annual Joseph Reich, Sr. Memorial Lecture Rückfragen bei Vertretern der Mili- einem „zivilen“ Blickwinkel zu re- U.S.Air Force Academy (Colorado Springs) tärseelsorge in den Amerikanischen flektieren. November 7, 2007 Streitkräften bringt hingegen eine ein- “Inconvenient Truths” -Moral Challenges heitliche Antwort: „There is no single to Combat Leadership in the New 2 siehe Sozialwissenschaftliche Institut Millennium- 1 Oberstleutnant Christoph Auer ist der Bundeswehr, Forum 20, Religion G. R. Lucas U.S. Naval Academy Vorsitzender des Internationalen within the Armed Forces, ISSN 0177- (Annapolis) Sachausschusses 7599, Straussberg, 1998 4 Ebenda, Seite 27

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 9 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK militärischer Kämpfer und als „Peace- tiven Aufschrei der Empörung und den Algerienkrieg und die Fehler keeper“. Und in der Rolle des unpar- massenhaften Zulauf zu den Taliban der Franzosen bei der Bekämpfung teiischen Friedenshüter werden weder bewirkt. der Aufständischen geschrieben hat, Fehler, geschweige denn Fehlverhal- Nicht von ungefähr hat der gehört zu weniger bekannten Fak- ten toleriert. „In unserer Antwort auf Grundsatz „assume additional risk ten11. Auch wenn sein überraschender Terrorismus, in unseren Bemühun- to minimize potential harm“ Eingang Rücktritt von seinem letzten öffentli- gen einer geschundenen Bevölkerung in das Field Manual 3-24 der U.S. chen Amt als Direktor der CIA einen Hilfe zu leisten, stehen und fallen wir Army gefunden9. Dieses mit „Coun- gewissen Schatten auf sein bis dato als Soldaten und unsere ganze Nation terinsurgency“ (COIN) betitelte Stan- makelloses Ansehen wirft: Würde je- steht und fällt mit den Handlungen dardwerk für die Bekämpfung Auf- der Soldat der U.S. Streitkräfte die in von jedem einzelnen Soldaten. Hier ständischer trägt ganz deutlich die den beiden genannten Vorschriften gelten keine Entschuldigungen, gibt Handschrift von General Petraeus, niedergelegten Grundsätze beherzi- es keine Ausnahmen, keine Teppiche, der wohl wie kein anderer Kompetenz gen: die Vereinigten Staaten hätten unter die man Fehler oder Fehlverhal- in dieser Materie besitzt. Sein Wirken nur untadelig handelnde Soldaten. ❏ ten kehren könnte.“5 als Oberbefehlshaber im Irak und in Er machte seinen Zuhörern klar, Afghanistan ist weithin bekannt. Dass American military and the lessons of dass der Soldat von heute im Zwei- dieser promovierte Wissenschaftler : a study of military infl uence 10 and the use of force in the post-Vietnam felsfall ein erhöhtes Risiko auf sich in seiner Doktorarbeit auch über era. Princeton, NJ: Princeton University. nehmen muss, um potentiellen Scha- 9 Field Manual 3-24, No. 7-30, Dec 2006 OCLC 20673428. den für den Einsatz insgesamt zu ver- 10 Petraeus, David H. (1987). The 11 Siehe Fußnote 2, ebenda Seite 16 meiden. Dies machte er am Beispiel des tragischen Ausgangs der „Ope- ration Red Wing6“ klar. Als sich ein vierköpfiges SEAL-Team bei einer Talibanverfolgung entschied, drei Schäfer unbehelligt zu lassen, wuss- Kurznachrichten ten sie noch nicht, dass diese ihnen eine Hundertschaft Insurgenten auf Renovabis fordert mehr Solidarität den Hals hetzten. Dabei kamen drei von vier um und die 16 zu ihrer Ret- tung eingesetzten Kameraden kamen mit Behinderten in Osteuropa beim Abschuss ihres Hubschraubers ebenfalls zu Tode. Dennoch war das Handeln des SEAL-Teams richtig. as katholische Hilfswerk sert, so der rumänische Ca- Die drei Schäfer vorsorglich zu er- DRenovabis ruft zu mehr ritasdirektor. Dennoch werde schießen, wäre nicht nur juristisch Solidarität mit Behinderten in es weitere 50 Jahre dauern, angreifbar, sondern auch moralisch Osteuropa auf. Die Folgen der um die in 50 Jahren „sozia- verwerflich gewesen. sozialistischen Behindertenpo- listischer Verdrängungspoli- Auch wenn sich der einzig Über- litik seien in Rumänien, aber tik“ gewachsenen Strukturen lebende in seinem Buch „Lone Survi- auch in anderen Teilen Ost- zu verändern. Beim Partner- 7 8 vor “ die heftigsten Vorwürfe macht , europas heute noch spürbar, schaftstreffen beschäftigten die drei Afghanen nicht getötet, und sagte Caritasdirektor Andras sich rund 140 Teilnehmer aus damit den Tod von 19 Kameraden mittelbar herbeigeführt zu haben, es Marton aus Alba Iulia beim Pfarrgemeinden und katholi- wäre falsch und unrecht gewesen. bundesweiten Renovabis-Part- schen oder kirchennahen Or- Eine medienwirksame Darstellung nerschaftstreffen in Freising. ganisationen mit dem Thema als Gräueltat der ISAF an unbewaff- Aus den Zeiten seiner Kind- der Renovabis-Pfingstaktion neten Afghanen hätte einen kollek- heit in Tirgu Mures, einer Stadt 2013, das die Situation Be- mit rund 150.000 Einwohnern hinderter in Osteuropa in den 5 Ebenda, Seite 27 f 6 Siehe auch: Laura Blumenfeld in in Siebenbürgen, könne er sich Fokus stellt. „The Sole Survivor“ Washington Post, lediglich an eine Handvoll be- Der Katholikenrat beim Ausgabe vom 11. Juni 2007 hinderter Menschen erinnern. Katholischen Militärbischof 7 Lone Survivor, Marcus Luttrell, 2007 8 It was the stupidest, most south- „Die Menschen wurden sys- unterstützt mit seiner Aktion ern-fried, lamebrained decision I ever tematisch an den Rand und Nachbarschaftshilfe in Zusam- made in my life,” he writes in the book. aus der Gesellschaft gedrängt.“ menarbeit mit Renovabis Pro- “I must have been out of my mind. I had ❏ actually cast a vote which I knew could Der Umgang mit Behinderten jekte in Osteuropa. sign our death warrant. I’d turned into habe sich zwar heute verbes- (KNA) a f---ing liberal, a half-assed, no-logic nitwit, all heart, no brain, and the judg- ment of a jackrabbit.

10 AUFTRAGAUFTRAG 288 • DEZDEZEMBEREMBER 20122 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Cartellverband der katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) Arabischer Frühling Aufbruch zur Demokratie oder Weg ins Ungewisse?

VON BERTRAM BASTIAN

on Freitag, den 2. November bis Sonntag, den 4. November hatte der der katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) zu seiner diesjährigen Medientagung, die in Kooperation mit der VHanns-Seidel-Stiftung durchgeführt wird, ins Kloster Banz eingeladen. Arabischer Frühling – die Revo- lutionen in den nordafrikanischen und arabischen Staaten wurden allenthalben als Errungenschaften auf dem Weg zu demokratischen Verhältnissen gefeiert. Inzwischen hat sich die Sicht der Dinge relativiert. Zwar hat sich die Lage im nördlichen Afrika weitestgehend beruhigt, ohne dass allerdings die zukünftige Entwicklung mit ab- soluter Sicherheit abzuschätzen wäre. Weiter östlich ist die Revolution in Syrien noch in vollem Gange und das mit einem ungewissen Ausgang. Dabei stehen die Fragezeichen nicht nur über der Zukunft Syriens. Der dorti- ge Konflikt hat vielmehr in verschiedener Weise auf die Nachbarländer übergegriffen. Inwieweit er den Liba- non und Jordanien infizieren wird, ist momentan noch ungewiss. Und auch, wer in den Kämpfen am Ende die Oberhand behalten wird. Würde sich der Grenzkonflikt zwischen Syrien und der Türkei im weiteren Verlauf noch ausweiten, könnte für die NATO schnell ein Bündnisfall werden. Und unabhängig von alldem schwelt der Konflikt zwischen Israel und Iran. Diese Lage wurde auf der Medientagung von Experten beleuchtet. Die Spann- weite ging von einem Mitglied des syrischen Nationalrates bis hin zum Generalkonsul Israels, die ihre Sicht der Dinge den Teilnehmern darlegten und für Fragen zur Verfügung standen.

reitagabend hielt das Mitglied des sönlich im Dezember 2011 überfal- seien, der ab September militarisiert Fsyrischen Nationalrates Ferhad len und zusammengeschlagen, ein sei. Leider seien die Oppositionellen Ahma1 aus Berlin seinen Vortrag mit Gerichtsverfahren sei anhängig und aber uneins und es werde nur auf lo- dem Titel: „Der arabische Frühling noch nicht entschieden. Seit dem 2. kaler Basis geführt, eine große, zent- und der Westen – mit Fallbeispiel Februar 2011 gebe es diese quasi öf- ralisierte Macht gäbe es nicht, was es Syrien“. fentliche Opposition gegen das Assad- dem Regime erleichtert, diese Kräfte Zu Beginn seines Vortrages mach- te Ferhad Ahma (Bild 1) klar, dass es keine einfachen Antworten gäbe. Der Staat Syrien habe seit seiner Unab- hängigkeit von Frankreich 1946 erst einmal Wahlen kennen gelernt, die demokratisch genannt werden könn- ten. Seit 1963 herrsche eine einzige Partei und seit 1970 die Familie As- sad. Unter der Herrschaft von Ha- fiz al Assad, dem Vater des jetzigen Präsidenten, seien politische Ange- legenheiten nicht in der Öffentlich- keit behandelt worden, führte Ahma aus, der sich im Selbstverständnis als Stimme der unterdrückten Syrer sieht. Dazu unterhalte er tägliche Kontak- te nach Syrien, so dass er immer ei- nen aktuellen Überblick habe. Diese Das Mitglied des syrischen Nationalrates Ferhad Ahma (links) vor seinem Kontakte seien für ihn und seine Te- Vortrag im Gespräch mit Wolfgang Braun (Pressesprecher CV, rechts) und lefonpartner gefährlich, werde doch Richard Weißkorn (Sekretär CV, Mitte) der Funkverkehr überwacht, was un- ter anderem dazu führte, dass er per- Regime, führte der Redner aus. Zuerst als Terroristen abzustempeln und mit Demonstrationen, welche ohne großes großer Waffengewalt zu bekämpfen. In 1 Der Syrer Ferhad Ahma lebt seit 1996 Publikum stattgefunden hätten, dann Syrien selbst sei ein Übergang wegen in Deutschland, ist in Berlin-Mitte für ab dem 16.03.2011 landesübergrei- der fast 30.000 Toten nicht mehr vor- Bündnis 90/Die Grünen politisch aktiv und arbeitet als Übersetzer für deutsch- fende Demonstrationen, die allmäh- stellbar, denn das Regime habe sich arabische Literatur lich in den Aufstand übergegangen selbst diskreditiert. Die Auswirkun-

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 11 GESELLSCHAFT NAH UND FERN gen auf die Nachbarn nähmen zu, in verletzungen gekommen, die aufge- ein funktionierendes Zivilrecht gege- der Türkei mit dem Flüchtlingspro- klärt und geahndet werden müssten, ben, in Ägypten habe die Bevölkerung blem, in Jordanien mit Anschlägen, führte Ahma aus. Einen Religions- hohe Erwartungen an die Muslimbru- so dass die gesamte Region ins Chaos krieg sähe er nicht, betonte der Red- derschaft, die sich um die alltäglichen abzusinken drohe. Leider sei auch im ner, denn die Unterdrückung betraf Kleinigkeiten kümmere und in Lybien Westen kein Plan erkennbar, was man das gesamte Volk. Dies sei auch der läge die Problematik unter anderem tun könne, wenn und Russland Grund, warum der Schutz von Min- in der willkürlichen Grenzziehung ihr Veto zurückzögen. Dadurch fühlten derheiten von Seiten der Regimegeg- durch die Kolonialmächte und die sich die Syrer im Stich gelassen, führ- ner so betont würde. Dass es in Syri- wirtschaftliche Unselbständigkeit der en seit der zwangsweisen Gründung schon acht Putsche gegeben hätte, sei richtig, erklärte Ferhad Ahma in der Diskussion, aber er verwahre sich, dass den Syrern die Demokratietaug- lichkeit einfach abgesprochen würde. Die demokratische Entwicklung sei auch in den westlichen Staaten eine längere Entwicklung gewesen, führte er als Beispiel aus. Die interessante Diskussion wurde anschließend im hauseigenen „Bierstübla“ fortgesetzt.

m Samstagmorgen setzte der Der Sprecher für Äußeres der ASprecher der Landesgruppe der Ulrich Pick, langjähriger ARD- CSU-Landesgruppe im Deutschen CSU im Deutschen Bundestag für Äu- Hörfunkkorrespondent in Teheran Bundestag Thomas Silberhorn ßeres Thomas Silberhorn die Reihe und Istanbul der Vorträge fort. Sein Thema „Die te Ahma aus. Ein Weg wäre, die Her- westliche Außenpolitik und die ara- einzelnen Stämme. Gemeinsam sollte stellung eines Gleichgewichtes zwi- bisch-nordafrikanischen Staaten. Ein sein, dass durch den Aufbau von funk- schen den Parteien durch die Liefe- Rückblick auf den Umgang des Wes- tionierenden Institutionen wie Verwal- rung von Waffen, so dass die Syrer ihr tens mit den innenpolitischen Ent- tung und Justiz die Grundlage für eine Problem selbst lösen könnten. In der wicklungen dieser Länder.“ Ähnlich Umsetzung und Sicherung der Verän- Zwischenzeit denken die verschiede- wie Ferhad Ahma am Vortag, betonte derungen gelegt würde, führte Silber- nen Gruppierungen über die Zukunft auch das Mitglied des Bundestages, horn aus. Leider gäbe es in Europa Syriens nach. Er selbst, der in Berlin dass der arabische Frühling der Be- kein einheitliches Vorgehen, da die mitdiskutiert hatte, geht von einem ginn eines langen, steinigen Weges Interessenlage de einzelnen Staaten in Zeitraum von mindestens zehn Jahren sei. Nicht die Sehnsucht der Völker dieser Region unterschiedlich seien. aus, bis Syrien eine Form geschaffen der Region nach Demokratie habe Man gehe von Hilfe zur Selbsthilfe aus hätte, in der die Minderheiten – die in diese Revolution ausgelöst, sondern und agiere äußerst vorsichtig, um den das Land gehörten – durch ein funk- der Bruch mit der Systemherrschaft Umschwung nicht zu diskreditieren. tionierendes Rechtssystem geschützt sei das auslösende Moment gewesen, Nach der Kaffeepause trug der würden. Da in dem Land eine Vielzahl führte Silberhorn aus. Eine zweite langjährige ARD-Korrespondent in von Minderheiten existiere, sei nicht Besonderheit sei die Tatsache, dass Teheran und Istanbul Ulrich Pick über zu befürchten, dass eine von diesen diese Entwicklung nicht von der Ar- den iranischen Frühling vor: „Der Übergewicht bekäme. Das positive mee ausgegangen sei, sondern vom iranische Frühling und seine Nieder- Signal für die Zukunft Syriens sehe Volke selbst, das eine Verbesserung schlagung – Was ist bis heute davon er in dem großen Zusammenhalt der der alltäglichen Situation herbeifüh- geblieben?“. Zu Beginn seines Vor- Christen und Muslime sowohl im Sü- ren wolle. Ob der eingeschlagene Weg trages stellte er fest, dass sowohl die den des Landes als auch im Norden. zum Pluralismus führen würde, könne Türkei als auch der Iran (früher Per- In der anschließenden Diskussion man nicht mit absoluter Gewissheit sien) sich nicht der „arabischen Welt“ machte der Redner noch mal deutlich, sagen, schließlich habe die Religion zurechneten. Beide Staaten hätten dass die syrische Armee durch die Fa- in diesen Ländern einen anderen Stel- eine große Vergangenheit und waren milie Assad beherrscht würde. Zwar lenwert als im säkularisierten Euro- in ihren Epochen Weltmächte. Leider gebe es einzelne Desertionen, aber pa. Die Herrscherhäuser seien durch vergäßen dies heute auch viele west- das ganze Großverbände zu den Op- die Religion, deren Oberhaupt sie liche Politiker. Die „grüne Revoluti- positionellen überlaufen würde, dies darstellten, quasi „akkreditiert“. In on“ habe nach der – mit hoher Wahr- gäbe es nicht, so dass die Armee nach jedem Land lägen die Dinge anders, scheinlichkeit – manipulierten Präsi- wie vor ein Machtfaktor des Regimes führte der Sprecher der CSU-Lan- dentenwahl 2009 begonnen und hät- sei. Leider sei es auch auf Seiten der desgruppe aus. In Tunesien habe es te sich bis Februar 2010 hingezogen. Rebellen schon zu Menschenrechts- seit 1956 starke säkulare Kräfte und Der Wächterrat habe die Auszählung

12 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GESELLSCHAFT NAH UND FERN der Wahlergebnisse nie wiederholt, Revolution von 1979. Während des gend finde keine Arbeit und sei so was in den Augen der Bevölkerung Iran – Irak Krieges wurde die Anla- leichte Beute für Extremisten, führte für eine Manipulation spräche, führ- ge in Buschehr durch Luftangriffe be- die Dozentin aus. Anhand der Lage- te Pick aus. Nach Februar 2010 sei schädigt, ab 1995 mit russischer Hilfe karte stellte sie die Unterschiedlich- die Opposition zwar verstummt, aber wieder aufgebaut und vollendet und keit der politischen Systeme in dieser noch existent, wie die Ereignisse von ging 2011 erstmals ans Netz. Ahme- Region den Zuhörern vor und resü- Februar 2011 zeigten, als wiederum dinedschad habe die Atompolitik zu mierte, dass in den feudalen Syste- Demonstrationen aufflammten. Sofort einem Pfeiler seiner Politik gemacht men die Auswirkungen der arabischen seien die Führer der Opposition unter und wisse sich in dieser Frage von der Revolution nicht so ausgeprägt seien Bevölkerung unterstützt. Diene doch diese Politik zur Wiederherstellung der Großmacht Iran, so der Redner. Er gab zu bedenken, dass Iran im Gegensatz zu den Atommächten In- dien und Pakistan, sowie der heimli- chen Atommacht Israel den Atomwaf- fensperrvertrag unterschrieben habe und sich so auf das verbriefte Recht der Nutzung atomarer Energie beru- fe. Seit 2009 liefe eine zweite Anrei- cherungsanlage, allerdings unterir- disch in Fordo und somit weitgehend vor Luftangriffen geschützt. In der Diskussion schilderte Ulrich Pick, Monsignore Joachim Schroedel, wie sehr die Bevölkerung unter den Dr. Irmgard Jehle, Wissenschaftliche Seelsorger der deutschsprachigen wirtschaftlichen Sanktionen litte, die Reiseleiterin, Autorin und Dozentin Gemeinde in Kairo verhängt wurden, nachdem sich Iran in der Erwachsenenbildung mit nicht den verschiedenen Resolutionen Schwerpunkt Mittelmeer und Naher Hausarrest gestellt worden. Als diese gebeugt hatte. Mehr und mehr gäben Osten behaupteten, die „Arabellion“ sei die die einfachen Leute nicht mehr länger Fortführung der grünen Revolution dem Ausland die Schuld an der wirt- als in den parlamentarischen Repu- von 2009, konterte der Präsident Ah- schaftlichen Notlage, sondern mach- bliken mit Führungspersönlichkei- medinedschad sofort „die Arabellion ten das Regime dafür verantwortlich. ten an der spitze. Dies könne auch sei die Weiterführung der iranischen Da Ahmedinedschad in den nächsten mit den Repressalien zu tun haben, Revolution von 1979“ um so die Mei- Wahlen nicht mehr antreten darf, sei die in den feudalen Staaten stärker nungsführung zu seinen Gunsten zu es spannend zu sehen, wer dann – mit ausgeprägt seien, erklärte Dr. Jehle. übernehmen, so Pick weiter. Billigung der religiösen Führer – den Mit diesem Vortrag wurde deutlich, Zum Verhältnis Iran zu Syrien Wahlkampf für sich entscheiden wer- wie unterschiedlich die verschiede- gäbe es die offizielle Darstellung aus de, beendete Pick die lebhafte Dis- nen Entwicklungen in den einzelnen Teheran, dass der Iran neutral sei kussionsrunde. Staaten dieser Region sind, so dass und vermitteln wolle, wohingegen die die Einzelfallbetrachtung die einzige syrische Opposition sage, der Iran achmittags hielt Dr. Irmgard Jeh- Möglichkeit darstellt, den Menschen unterstütze Assad und sein Regime. Nle, Wissenschaftliche Reiseleite- in der betroffenen Region gerecht zu Tatsache ist, dass Iran mit moderns- rin, Autorin und Dozentin in der Er- werden. Es wurde aber auch deutlich, ter Technik unterstützt und Teile der wachsenenbildung mit Schwerpunkt dass nur die Hilfe zur Selbsthilfe die- Revolutionsgarde ebenfalls in Syrien Mittelmeer und Naher Osten, ihren sen Völkern nützt, um ihren Platz in in Gefangenschaft gingen. Iranische Vortrag. Unter dem Titel „Erwartet der Völkergemeinschaft zu finden. Kriegsschiffe seien durch den Suez- der Westen vom Arabischen Frühling Der Vortrag „Islam, Christentum Kanal nach Tarsus verlegt worden, was zuviel?“ stellte sie kulturelle und ent- und der Westen – welche Rolle spielt nur mit Duldung der Muslimbruder- wicklungsgeschichtliche Aspekte der die Religion für die Zukunft der arabi- schaft in Kairo gehen konnte. Somit nordafrikanisch-arabischen Welt vor. schen Welt“ von Msgr. Joachim Schro- seien die politischen Dinge wesent- Auch in diesem Vortrag wurde deut- edel, dem Seelsorger der deutsch- lich enger verflochten, als offizielle lich, dass die Bezeichnung „arabische sprachigen Gemeinde in Kairo, be- Stellen dies zugäben, referierte Pick. Revolution“ statt „arabischer Früh- endete die Vorträge für den Freitag. Gegen Ende seines Vortrages ging ling“ geeigneter sei, die Entwicklung Msgr. Schroedel machte den Zuhö- Ulrich Pick auf das iranische Atom- zu beschreiben. Wenn auch der An- rern deutlich, dass für den Muslim programm ein. Dieses sei schon un- fang einer „Diktatorendämmerung“ auch Äußerlichkeiten der Religions- ter dem Schah 1967 mit einem For- gegeben sei, so seien die Ursachen ausübung eine wichtige Rolle spiel- schungsreaktor gestartet worden, so- der Unzufriedenheit nicht beseitigt. ten. Es gebe keine „Privatsache Re- mit keine Erfindung der iranischen Eine teils sehr gut ausgebildete Ju- ligion“ und so sei der Grundstein ge-

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 13 GESELLSCHAFT NAH UND FERN legt für Missverständnisse zwischen Der Generalkonsul betonte, dass es Region voraus, welches den Volkswirt- dem Christentum und dem Islam. Für ihm wichtig gewesen sei, diesen Vor- schaften Ressourcen entzöge, die an- Ägypten sei ein säkularer Staat keine trag zu halten, denn die Demokratien derswo benötigt würden, führte Schlos- Alternative, führte der in Kairo tätige seien in der Minderheit auf der Welt ser aus. Die Angebote der israelischen Geistliche aus. Dass so kurz nach dem und Demokratie sowie die diese stüt- Regierung von 2008 wurden gar nicht Regierungsantritt des Präsidenten in zenden Werte müssten immer wieder beantwortet, ebenso blieb der Stopp Kairo noch keine spürbare Besserung neu „erstritten“ werden. Dies gelte es der Siedlungsbauten für 10 Mona- eingetreten sei, wäre nicht verwun- auch bei der Entwicklung in der arabi- te ohne Reaktion der Palästinenser. derlich, schließlich war Mursi noch schen Welt zu beachten und zu unter- Mit wem solle man also verhandeln, Ende Januar inhaftiert. Nach seiner stützen. Die Entwicklung hin zu mehr schlussfolgerte der Generalkonsul. Einschätzung müsste innerhalb der Demokratie in dieser Region sei wün- Die Grundidee der Verhandlungen nächsten sechs Monate eine Verän- schenswert, aber Israel müsse skep- von Oslo war, die Probleme am Ende der Verhandlungen gelöst zu haben, nicht zu Beginn der Gespräche. Nur sei im Moment der Gesprächspartner abhanden gekommen, führte Schlosser aus. Es gäbe zurzeit keine einheitliche Führung der Palästinenser. Für demokratische Entwicklun- gen würden Erziehung und Bildung benötigt, dazu wiederum seien ein prosperierender Mittelstand für die wirtschaftliche Entwicklung und eine Rechtsstaatlichkeit notwendig. Alles Dinge, die sich erst im sogenannten arabischen Frühling entwickeln müs- sten, dazu benötige man Zeit. Da er kein Prophet sei, könne er auch keine Vorhersage treffen, wie es weiterginge. Israel könne in einer befriedeten Re- gion ein Motor der Weiterentwicklung Generalkonsul des Staates Israel in München Tibor Shalev Schlosser (links) sein, führte der Redner aus, aber man im Gespräch mit dem Moderator der Tagung Christoph Dicke (mitte) und müsse sich gegenseitig anerkennen Wolfgang Braun, Pressesprecher CV und nicht bedrohen. Gerne würde Is- rael auch verhandeln, aber die Frage derung zum Guten eintreten, sonst tisch bleiben, denn es gehören auch ist immer mit wem und welche Legi- hätten die Regierungsparteien ihre funktionierende demokratische Insti- timation habe der Verhandlungspart- Vertrauensbasis verloren. Ein großes tutionen in den betreffenden Staaten ner? Ob die Gründung einer Freihan- Problem der Region sei die Tatsache, dazu und diese Entwicklung benötige delszone die Probleme entschärfen dass das Analphabetentum noch stark Zeit. Die Lage Israels sei schwierig: so würde, sah der Generalkonsul skep- ausgeprägt sei. Durch das Zitieren des groß wie das Bundesland Hessen, ex- tisch. Zu groß seien die Unterschiede Koran entziehe sich dieser einer Ex- trem schlank (12 km an der engsten zwischen Israel und seinen Nachbarn, egese. Die Tatsache, dass der Koran Stelle) sei Israel seit seiner Gründung hier seien zuerst Vertrauen und Sta- in der Sprache des 6. bis 7. Jahrhun- 1948 ständig bedroht und habe schon bilität notwendig. Ein eigener Staat derts geschrieben sei, mache die Sa- sechs Kriege führen müssen. Grana- für die Palästinenser würde Israel che nicht einfacher, führte Joachim ten auf Nordisrael und die Raketen sicherer machen, wenn dieser Staat Schroedel aus. der Hamas auf Südisrael seien nicht auch dementsprechend gestaltet sei, Den anschließenden Abendgot- die einzige Bedrohung. Schließlich sei sprich auch funktionierende demokra- tesdienst in der Klosterkirche zeleb- im Iran eine Regierung an der Macht, tische Institutionen hätte. Eine solche rierte der Bamberger Erzbischof Dr. die Israel auslöschen möchte und die Staatsgründung bejahe die israelische Ludwig Schick, bevor sich die Teil- verdächtigt wird, nach Atomwaffen Bevölkerung, schloss der Generalkon- nehmer beim „Fränkischen Abend“ zu streben. Israel könne sich in sei- sul die lebhafte Fragerunde, in der er weiter den interessanten Diskussio- ner exponierten Lage nicht erlauben, keiner Frage auswich. nen widmeten. einen Krieg zu verlieren. Um Frieden Nach dem Dank an die Organisa- für die kommenden Generationen zu toren, beschlossen die Teilnehmer als m Sonntagmorgen hielt der Gene- erreichen habe man im Jahr 2000 die nächstes Thema für die CV-Medien- Aralkonsul des Staates Israel, Tibor weitest reichenden Vorschläge an die tagung 2013 den demographischen Shalev Schlosser, den Vortrag: „Ara- Palästinenser gemacht, die aber abge- Wandel zu behandeln. Die nächste bischer Frühling – Mehr Sicherheit lehnt wurden. Er sehe in Zukunft ein Tagung wird vom 1. bis 3. November oder mehr Unsicherheit für Israel?“ noch größeres Wettrüsten in dieser 2013 stattfinden. ❏

14 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Der Jemen: ein Sonderweg des arabischen Frühlings? Lagebericht und Zwischenbilanz

VON SAID ALDAILAMI

ie Menschen im Jemen sind die spitzt und manifestieren sich alltäg- dersetzungen geht es insbesondere DErsten auf der arabischen Halb- lich im Straßenbild der Großstädte um politische oder wirtschaftliche In- insel gewesen, die sich vom arabi- des Jemen. Auf dem Höhepunkt der teressenkonflikte, sie werden jedoch schen Aufbruch in den nordafrikani- Proteste, kurz vor dem Anschlag auf ideologisch aufgeladen. Gekämpft schen Ländern Tunesien und Ägyp- den Präsidenten und seine Führungs- wird – mit zum Teil unbeschreiblich ten inspirieren ließen. Bereits Ende riege im Juni 2011, glich die Haupt- exponentiellen Mitteln, die jeglicher Januar 2011 gingen die Protestieren- stadt Sanaa in den Abendstunden ei- Menschlichkeit entbehren – für die den zu Tausenden auf die Straßen, um ner Geisterstadt. Kein Auto fuhr mehr wahre religiös-politische Ideologie, gegen den seit 32 Jahren regieren- auf den Straßen. Der Liter Benzin die im Jemen zukünftig den Staats- den Diktator Ali Abdullah Saleh und erreichte einen Preis von 700 Riyal islam prägen soll. Die schrecklichen sein korruptes Militärregime zu de- (umgerechnet 2,30 Euro) – und das Folgen dieser gewaltsamen Konfron- monstrieren. Unaufhörlich skandier- in einem Land, in dem über 45 % der tationen sind tief sitzende Wunden, ten die Demonstrierenden „Verlasse Bevölkerung unter der Armutsgrenze die in einer tribal geordneten Gesell- das Land“, „Das Volk will den Sturz leben. Die Lebensmittelpreise stiegen schaft Generationen überdauern und des Regimes“. exponentiell an. Hochwertige Lebens- den sozialen Frieden auch langfristig Die Antwort des Potentaten ließ mittel, insbesondere Fleisch, leisten gefährden können. nicht lange auf sich warten. Waffen sich im Jemen ohnehin nur noch die Für den einfachen Jemeniten, so kamen zum Einsatz und für mehre- Reichen. Die Mehrheit der Jemeniten die Stimmungslage derzeit in Sanaa, re Wochen herrschten nahezu bür- ernährt sich vorwiegend von Brot und Hodeida und Aden, den größten Städ- gerkriegsähnliche Zustände in der Bohnen. Daneben bereitet die man- ten des Jemen, haben die Revolten Hauptstadt des Jemen, Sanaa. Bis gelhafte Stromversorgung den Men- lediglich das Leiden der Bevölke- heute sind die genauen Opferzah- schen erhebliche Schwierigkeiten. rung intensiviert: mehr Hunger, mehr len nicht bekannt. Nach Angaben Pro Tag werden die Haushalte maxi- Elend und eine noch stärker gewach- von Menschenrechtsorganisationen mal fünf Stunden mit Strom versorgt. sene Kluft zwischen arm und reich. muss von mehreren Tausend Opfern Die Wohlhabenden im Land besit- Der sozio-ökonomische Abstieg der seit Beginn der Revolution bis heute zen eigene Stromerzeugungsaggrega- unteren Mittelschicht ist nach zwei ausgegangen werden. Fast ein Jahr te. Für den Großteil der Bevölkerung Jahren der Anarchie im Jemen besie- nach dem Entflammen der Demonst- ist die Anschaffung von Stromgene- gelt. Was aber macht diesen „Staat“ rationen, am 22. Januar 2012, schien ratoren zu kostspielig, denn der Be- im arabischen Vergleich so anders? die Stimme des Volkes gehört worden trieb und die Instandhaltung solcher Worin liegt der tiefere Grund für die zu sein. Saleh verzichtete auf das Amt Generatoren bringen hohe Ausgaben gesellschaftliche Fragmentierung und des Präsidenten und erfüllte somit die mit sich, die nur von der wohlhaben- für die undurchsichtige, in den Au- ursprüngliche Hauptforderung der den Schicht gedeckt werden können. gen westlicher Diplomaten zum Teil protestierenden Bevölkerung. Kann Neben diesen desaströsen wirt- paradox wirkende Politik der Verant- deshalb von einem Erfolg der „Revo- schaftlichen Verhältnissen bleibt der wortlichen in der Hauptstadt Sanaa? lution“ im Jemen gesprochen werden? Jemen auch in dieser misslichen Lage nicht von den ihn plagenden, konfes- Im Jemen herrschen andere Gesetze Lage in Jemen sionell motivierten Auseinanderset- esichtsverlust (figdan maá al- o einfach und überschaubar ist die zungen verschont, die das Land seit Gwajh), vernichtende Demütigung SLage im Jemen nicht. Das einsti- den 1980er Jahren verstärkt heimge- (ihanah bzw. idhlal), Schadenfreude ge arabia felix ist nach der Schein- sucht haben. Die ideologischen Gra- des Feindes (shamtat al-adw) sind Entmachtung Salehs tiefer gespalten benkämpfe zwischen den Salafiten jene Begriffe, die das tägliche sozi- denn je. Die 1962 ausgerufene Repu- und den Schiiten erreichten in den ale und politische Geschehen im Je- blik steht vor den größten Herausfor- letzten Jahren ihren Höhepunkt. Die men beherrschen. Sie sind eng mit derungen ihrer Geschichte. Die Ein- verbalen Entgleisungen der Vorbeter dem Ehrbegriff liiert. Wer die Wirk- heit zwischen dem Nord- und dem (Imame) auf den Kanzeln gegenüber mächtigkeit und die sozio-politische Südjemen, die als nationale Einheit ihren Rivalen aus dem jeweils ande- Ausstrahlkraft dieses gesellschaft- noch nie in realiter existierte, wird ren konfessionellen Lager resultieren lich prägenden Ehrenkodex unter- von vielen Südjemeniten in Frage ge- – in einem Staat ohne flächendecken- schätzt, analysiert die Ereignisse im stellt. Die sozio-ökonomischen Prob- de Staatsgewalt – nahezu alltäglich in Jemen oberflächlich und jenseits der leme, mit denen sich das Land bereits gewaltsamen Auseinandersetzungen in dieser Gesellschaft geltenden un- seit 50 Jahren konfrontiert sieht, ha- zwischen ihren Anhängern. In diesen geschriebenen Gesetze und Verhal- ben sich im Jahr der Revolten zuge- temporären kriegerischen Auseinan- tensstandards. Das Konglomerat aus

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 15 GESELLSCHAFT NAH UND FERN geschriebenen religiösen Dogmen, Kameras, dass Saleh das Land nie mehr, als es der frei gewählte Tod je ungeschriebenen Stammesgesetzen mehr regieren werde. Mit diesem Pos- tun würde. Vor die Wahl gestellt vom und über Jahrhunderte konservier- tulat hat Scheich Sadeq indirekt sei- Gegner öffentlich gedemütigt, ent- ten Traditionen dominiert das soziale ne Schadenfreude über den Anschlag würdigt und verunglimpft zu werden und politische Leben im Jemen und auf Saleh öffentlich kund getan. Die oder einen heldenhaften Tod zu ster- wird auch nach dem Sturz des Regi- Botschaft erreichte die Opfer des An- ben, entscheidet sich jeder Jemenit mes weiterhin die Gesichtszüge des schlags, allen voran Saleh, während für letztere Option. „neuen Jemen“ prägen. sie sich im Nachbarstaat Saudi-Arabi- Salehs Kampf nach seiner Rück- An einem Beispiel soll die Bri- en medizinisch behandeln ließen. Von kehr galt folglich vor allen Dingen sanz und die Tragweite dieser für alle diesem Zeitpunkt an war völlig klar, seiner Rehabilitation. Er wollte Stär- Jemeniten gleichermaßen verbindli- dass eine Genesung des Präsidenten ke demonstrieren, er wollte für einen chen, handlungsleitenden Maximen auch dessen Rückkehr ins Land be- gesichtswahrenden Rückzug von der illustriert werden. Dabei wird ledig- deuten würde. Selbst im Rollstuhl politischen Bühne kämpfen, und vor lich auf die angesprochene, wichti- wäre er zurückgekehrt, um unmiss- allem wollte er den Schwur seines ge Wertkategorie der Ehre bzw. der verständlich allen Beteiligten und Gegners brechen, indem er das Land Reputation Bezug genommen. Wirt- insbesondere seinen größten Kon- tatsächlich noch einmal regiert und schaftliche, politische und sozio-öko- kurrenten, den Al-Ahmar-Brüdern, die eigene Immunität erzwingt. Mit nomische Faktoren, die das Verhalten zu demonstrieren, wer in diesem of- dem Bruch des Schwures von Sadiq und Handeln der Verantwortlichen im fen ausgetragenen Wort- (und Waffen-) Alahmar hat er ihm moralisch-sittlich Jemen selbstverständlich ebenfalls Duell als Sieger den Platz verlassen vor den Augen der Öffentlichkeit ei- entscheidend mitbestimmen, werden wird. Denn nichts ist beschämender nen K.O.-Schlag versetzt. Mit welcher nicht berücksichtigt, da sie auch für für einen Jemeniten als die Schaden- Genugtuung er jede Regierungsent- westliche Gesellschaften gelten und freude des Feindes über ihn öffent- scheidung und jede politische Ges- hinreichend erforscht und bekannt lich zu vernehmen. Lieber erläge er te ausübte, konnte der aufmerksame sind. den Verletzungen des Anschlages, als Beobachter in den letzten Wochen vor Im Juni 2011 verübten Unbe- dass ihn die Schmach dieser demüti- seinem endgültigen Abgang deutlich kannte einen Anschlag auf den da- genden und entehrenden Worte seines sehen. Die andere Seite hingegen, die mals noch amtierenden Präsidenten Opponenten erreichte. der al-Ahmar-Brüder, übte sich in gro- Saleh während des Freitagsgebets in In einem tribal geordneten, pa- ßer Zurückhaltung und vollkommener der Moschee nahe seines Regierungs- triarchal dominierten Staat wie dem Demut, was unumstritten die richtige palastes. Unter den Toten und Verletz- Jemen hat auch die „Männlichkeit“, und einzig verbliebene Option für sie ten waren auch hochrangige Regie- eine Art spezielle jemenitische Viri- zu sein schien. rungsmitglieder. Saleh selbst überleb- lität, die sich in Form von Tugend- Ein großer Mann muss nach ara- te das Attentat und wurde zur ärztli- haftigkeit, Entscheidungsfreudigkeit bischem Sittengesetz als großer Mann chen Versorgung nach Saudi-Arabien und Souveränität ausdrückt, bis heute abtreten. Seinen Wunsch nach Immu- ausgeflogen. Viele Beobachter gingen eine große Bedeutung. Das größte Lob nität (für seine Person und für seine davon aus, dass Saleh nach dem At- erteilt man einem Jemeniten, indem Familienangehörigen) ließ Saleh bis tentat nicht mehr zurückkehren würde man ihm bescheinigt, dass er in einer ins kleinste Detail erfüllen, um al- – u.a. vor dem Hintergrund, dass er kniffligen Situation „Mann“ geblieben len Beteiligten und Beobachtern ein- nach öffentlicher Wahrnehmung Op- sei. „Seinen Mann stehen“, auch in drucksvoll vor Augen zu führen, wer fer eines feigen Anschlags geworden schwierigen Zeiten – gegebenenfalls tatsächlich noch das Sagen im Land sei und daher die politische Bühne als sich der Gefahr hingebend, das eigene hat. Die theatralische Inszenierung Held verlassen habe. Was die Analys- Leben zu verlieren – ist in einem Kon- der Übergabe des Präsidentenamtes ten nicht berücksichtigten, waren die flikt viel ehrwürdiger als die Flucht zu ist der letzte Akt Saleh`scher Rehabi- nach dem Anschlag erfolgten verbalen ergreifen oder im Sinne des Sprich- litationsanstrengungen und zugleich Attacken der Widersacher des Präsi- wortes „der Klügere gibt nach“ zu der bitterste Moment für seine politi- denten, die unter Verletzung der gül- agieren. Denn nicht der Klügere gibt schen Widersacher gewesen. tigen gesellschaftlichen Verhaltens- im Jemen gewöhnlich nach, sondern richtlinien ihre Schadenfreude offen der Schwächere. Dieser Befund lässt Quo vadis Jemen? kommunizierten und damit den Prä- sich im Übrigen auch in vielen ande- er Abgang Salehs kann die gi- sidenten Saleh mittel- oder unmittel- ren arabischen Gesellschaften diag- Dgantischen Herausforderungen, bar zu einer Reaktion zwangen, mit nostizieren. Insofern war die Flucht vor denen das Land momentan steht, Hilfe derer er seine verlorene Ehre Ben Alis aus seinem Land die rühm- nicht lösen. Denn an den prinzipiel- und Würde wiedererlangen könnte. liche Ausnahme im Machtkampf der len Problemen des Landes ändert der Unmittelbar nach dem Anschlag Protestierenden gegen die Despoten. Sturz des Diktators relativ wenig, zu- wandte sich der bis dahin zum Erz- Mubarak, Gaddhafi, Saleh und Assad mal seine Familie und seine loyalen rivalen des Präsidenten avancierte kämpften bzw. kämpfen bis zur letz- Anhänger an den Schlüsselpositio- Scheich, Sadeq Al-Ahmar (Führer ten Sekunde, um ihre Ehre und Re- nen im Staats- und Sicherheitsapparat des Haschid-Clans), an die Protes- putation zu verteidigen. Schande und weiterhin präsent sind. Seine engsten tierenden und schwor vor laufenden Schmach schädigen die eigene Person Familienangehörigen, allen voran sein

16 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Sohn, Ahmad Saleh – Kommandeur legentlichen Zuwendungen des alten in Gang setzen können. Das strategi- der schlagkräftigen Revolutionsgar- Saleh-Regimes aus machtpolitischem sche und operative Zentrum der soge- den – haben die Exekutivorgane von Kalkül zugunsten einiger schiitisch nannten „al-Qaida auf der arabischen Militär, Polizei und Geheimdiensten geprägter Stämme und Organisatio- Halbinsel“ ist und bleibt der Jemen, zumindest bis zum endgültigen Ab- nen dürften beendet sein, sodass die da dort momentan die günstigsten zug der Saleh-Dynastie noch in ihrer ohnehin auf den nördlichen Teil des Rahmenbedingungen herrschen. Gewalt. Er selbst residiert in seinem Nordjemens beschränkte Machtba- Der zukünftige Staat im Jemen Privatdomizil in Sanaa. Für viele Je- sis der Schiiten deutlich schrumpfen wird seine heterogene Basis in der meniten bleibt er weiterhin der stärks- wird. Umso mehr wird die al-Huthi- neuen Regierung widerspiegeln müs- te Mann auf der politischen Bühne im Bewegung als „letzte schiitische Bas- sen, sollte er seine bisherige Schein- Jemen, wenn auch seine Töne immer tion“ für alle Zaiditen (größte schiiti- Staatlichkeit beibehalten wollen. Ne- leiser werden und seine Tage als in- sche Gruppierung im Jemen) an Be- ben den Stämmen, dem Gegensatz offizieller Machthaber gezählt zu sein deutung gewinnen dürfen, solange sie Schiiten und Salafiten sowie der an scheinen. sich ideologisch nicht noch deutlicher Elan gewinnenden „Bewegung des Die jemenitische Gesellschaft an die Zwölfer-Schia des Iran annä- Südens“ werden sich auch neue Ge- bleibt auch nach der Saleh-Ära nach hern sollte. Sollte die Huthi-Bewe- sichter profilieren, die bisher aus der Stammeszugehörigkeit, konfessionel- gung in der zukünftigen Regierung zweiten Reihe operierten und sich vor ler Prägung und regionalem Verbun- nicht berücksichtigt werden, so ist dem Vorwurf der Korruption und des denheitsgefühl fragmentiert. Der Staat davon auszugehen, dass die militäri- Klientelismus sowie der ineffizienten auf der einen Seite und die Stammes- schen Konflikte in der Saada-Region Verwaltung schützen konnten. Aus führer auf der anderen Seite bilden mittelfristig nicht abebben werden. der Reihe dieser neuen politischen die beiden Pole, die das zukünftige Das nördliche Hochland Saada zählt Akteure wird die zukünftige militä- Geschehen im Jemen beherrschen seit Jahrzehnten zu den unregierba- rische und zivile Führung des Jemen werden. Nachdem Saleh es im letz- ren und unbotmäßigen Randbezirken hervorgehen. ten Jahrzehnt geschafft hat, die Stam- des Jemen. Die wirtschaftliche und Die bisher regierende Saleh- mesführer durch die enge Anbindung infrastrukturelle Entwicklung dieser Partei – Kongresspartei – hat in den und Beteiligung an der Macht von Grenzregion zu Saudi-Arabien ist in 1990er Jahren bereits bewiesen, dass ihrer Basis zu lösen und den Stamm den letzten 30 Jahren vergleichswei- sie eine Koalition mit den Islamis- als Institution weitestgehend vom po- se dürftig ausgefallen. ten (Islah-Partei) eingehen kann, je- litischen Entscheidungsprozess zu Die Islah-Partei wird ihre eher doch ist die Ausgangslage diesmal exkludieren, haben die Scheichs im egalitär und anti-hereditär ausfor- grundverschieden. Mit Blick auf den Zuge der Revolten die Nähe zu ihren mulierte Lehre besser mit dem neu- frisch gekürten Präsidenten, Saleh‘s Stämmen wieder entdeckt. Ihre direk- en System vereinbaren können als die bisherigem Stellvertreter, Abdrabbuh te oder indirekte Beteiligung an der rebellische Huthi-Ideologie. Ohnehin Mansur Hadi, einigte man sich auf ei- Staatsführung der zukünftigen jeme- waren und sind sunnitische Salafiten nen Kandidaten, der über keinerlei nitischen Republik ist eine Selbstver- stets bereit, sich mit jeder politischen Durchsetzungsfähigkeit verfügt. Das ständlichkeit, um das Land nicht in Herrschaft zu arrangieren, solange ih- dürfte sich auch nach seinen bisher einen Bürgerkrieg bzw. in eine soziale nen die Freiheiten gewährt werden, erlassenen, teilweise Hoffnung schü- Katastrophe zu stürzen. die Menschen mit ihrer puritanischen renden Präsidialbeschlüssen kaum Neben den Stammeszugehörigkei- und rückwärtsgewandten wahhabiti- ändern. Damit kann auch langfris- ten und der damit verbundenen abso- schen Ideologie zu indoktrinieren. tig nicht von einer Stabilisierung des luten Loyalität der Stammesmitglieder Landes gesprochen werden. Mit einem zu ihrem jeweiligen Clan tritt im Je- Ausblick schwachen Präsidenten an der Spitze men der angesprochene ideologische Die geostr ategisch besondere des Jemen dürften vor allem macht- Kampf zwischen Sunniten und Schi- Lage des Jemen macht es unvermeid- politische Kämpfe zwischen einzelnen iten immer augenscheinlicher zutage. bar, einen Blick auf die wirtschaftli- Stämmen zunehmen. Die allgemeine Die Machtkämpfe innerhalb des sich chen und außenpolitischen Interessen Sicherheitslage wird folglich weiter- entwickelnden jemenitischen Staates regionaler und internationaler Akteu- hin rapiden Schwankungen unterlie- werden neben der Stammes- nun auch re zu werfen. Diese haben bereits in gen und den Staat in seinen Grund- die Ideologie-Komponente tragen. Die der Vergangenheit großen Einfluss auf festen gelegentlich erschüttern. Nicht Islah-Partei mit ihrer orthodox-sala- die nationale Entwicklung des Jemen von ungefähr sehnen sich viele Jeme- fitischen Gesinnung ist sich der Un- ausgeübt und scheuten es nicht, in niten bereits heute nach einem star- terstützung des saudischen Königs- den Jahren der Revolution ihren Wir- ken Mann als Staatsoberhaupt, der hauses gewiss und wird in den kom- kungsbereich im Jemen auszudehnen um die Eigenheiten dieses verfeh- menden Wahlen nach dem Vorbild der (Saudi-Arabien, USA und seit kurzem deten Landes weiß und in der Lage Nour-Partei in Ägypten vor allem die der Iran). Für die al-Qaida bleibt der ist, Stammesrivalitäten sowie soziale, sozial Schwachen mit großen finan- Jemen trotz der kürzlich erzielten Er- ethnische und konfessionelle Span- ziellen Zuwendungen und auf Wohl- folge der US-Drohnen die sicherste nungen durch raffiniertes Eingreifen, fahrt ausgerichteten Dienstleistungen Basis, aus der sie ihre Angriffe natio- politisch-versiertes Kalkulieren und auf ihre Seite ziehen können. Die ge- nal und international vorbereiten und Täuschen rechtzeitig zu beenden oder

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 17 GESELLSCHAFT NAH UND FERN auch zu initiieren! Die ideale politi- Ob der Begriff Demokratie im Menschenrechten die Intensität sche Führungspersönlichkeit in den Fall des Jemen in Vergangenheit, ihres Bekehrungseifers überden- Augen der Jemeniten ist diejenige, Gegenwart und mit Blick auf die ken. Medikamente erzielen nur die aus Intuition stets richtige Ent- kommenden zwei Jahrzehnte rich- dann die optimalste Heilwirkung, scheidungen trifft und – um es mit den tig gewählt ist, sollte abschließend wenn sie in der vorgeschriebe- Worten des entmachteten Diktators gründlich überdacht werden. Die nen Dosierung verabreicht wer- Saleh wiederzugeben – das Tanzen nächsten Jahrzehnte werden eine den. Die Transformation der ara- auf den Köpfen der Schlangen brillant Fülle von arabischen Demokra- bischen Staaten von autoritären beherrscht. Der Jemen bleibt auch tievarianten hervorbringen, die Regimen hin zu quasi-demokra- nach Saleh ein höchst fragiler Staat, das konventionelle westliche Ver- tischen Staaten steht auch nach in dem die Staatsgewalt wie bisher ständnis von der „Herrschaft des zwei Jahren erst am Anfang eines weder von der Mehrheit des Volkes Volkes“ herausfordern könnten. Jahrzehnte andauernden Prozes- noch von den gewählten Regierungs- Solange diese „arabischen De- ses, dessen Ende auch maßgeb- vertretern im Staatsapparat ausgeht, mokratien“ eine relative Verbes- lich davon abhängen wird, wie sondern von einzelnen Akteuren, die serung der Lage der Menschen sich der säkulare Rechtsstaat in über Macht, Geld, „Mannstärke und vor Ort herbeiführten, sollten die Europa in Zukunft behaupten Feuerkraft“ verfügen. Missionare von Demokratie und wird. ❏

„Habemus Papam“ am Nil (Teil 2) Die koptisch-orthodoxen Christen haben ein neues Oberhaupt

VON DIETER KILIAN

och im August hatte es gehei- Zeitplanung geändert und das neue land seine Kandidatur zurückgezogen Nßen, die Wahl des neuen Ober- Oberhaupt bereits am 4. November hatte – war eine bereinigte Liste mit haupts würde im September 2012, gewählt. 14 Namen übrig geblieben. Diese 14 sechs Monate nach dem Ableben von Auf der vorläufigen Kandidaten- Kandidaten stellten sich Anfang Ok-

Bild 1: Bischof Tawadros (* 1952) Bild 2: Die Bekanntgabe des Namens des Gewählten. Zum Beweis, dass als Kandidat alle Kandidaten gewählt werden konnten, werden die beiden anderen Namen der Wahlversammlung gezeigt Papst Shenouda III., stattfinden. Doch am 13. September meldete ein Spre- liste (siehe Teil 1 im „Auftrag Nr. 287) tober dem 18-köpfigen Wahlkomitee. cher der koptisch-orthodoxen Kirche befanden sich 17 Namen – 7 Bischö- So sehr auch die Endphase der Wahl in Kairo plötzlich, dass der Wahlter- fe und 10 Mönche. Nach Berück- transparent und frei von Außenein- min auf den 2. Dezember verschoben sichtigung einiger Einsprüche und flüssen war – die ägyptischen Zeitun- wäre. Dann wurde aber auch diese nachdem Bischof Kyrillos von Mai- gen nannten sie „Altar-Lotterie“ – so

18 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GESELLSCHAFT NAH UND FERN trifft dies für die einzelnen Vor-Wahl- Vorschlag, erstmals zu den Zetteln rechts nach links zu lesenden Papy- gänge nicht unbedingt zu. So schei- mit den Namen der drei Kandidaten rusblatt. Der Name Tawadros ist die terten zum großen Erstaunen vor dem einen vierten ohne Namen hinzuzufü- arabische Version des griechischen Wahlkomitee im drittletzten Wahlgang gen. Würde dieser namenlose Zettel Namens Theodoros (= Geschenk Got- drei bisherige Favoriten, der populä- gezogen, wäre damit erkenntlich, dass tes). Der erste koptische Patriarch mit re Bischof Bishoy, der Sekretär der keiner der drei Vorgeschlagenen dem diesem Namen stand als 45. Patriarch Heiligen Synode und Metropolit von Willen Gottes entspräche, und dann von 730 bis 742 n. Chr. an der Spitze Damietta, sowie die beiden früheren müsste das Wahlverfahren in Teilen der Gemeinde. Sekretäre von Papst Shenouda III., wiederholt werden. Doch wurde die- Die schriftliche Anrede von Bi- die Bischöfe Youannes und Botros. ser Vorschlag bei der Wahl 2012 nicht schof Tawadros auf dem Wahlzettel Erzbischof Bachomios, der Metropo- umgesetzt. mit „Eminenz“ erfolgte wohl aus Höf- lit der Erzdiözese Beheira und Inte- lichkeit gegenüber dem Kandidaten. rimsvertreter, verkündete im Oktober Tatsächlich ist die offizielle Anrede auf einer Pressekonferenz im Kloster St. Bishoy im Wadi Natroun, nörd- lich von Kairo, die Namen derjeni- gen fünf Kandidaten, die im drittletz- ten Wahlgang durch das Wahlkomitee die meisten Stimmen erhalten hatten: Vater Bachomios El-Syrian (* 1963), Bischof Raphael (* 1954), Vater Ra- phael Ava Mina (* 1942), Vater Sera- phim Al-Syrian (* 1959) und Bischof Tawadros (* 1952, Bild 1). Am Montag, dem 29. Oktober, fand der vorletzte Wahlgang in der Kairoer Kathedrale statt. Die 2.411 Männer und Frauen der Wahlver- sammlung wählten zwischen 09.00 und 17.00 Uhr in der St. Markus-Ka- thedrale in geheimer Wahl aus den Bild 3: Papst Tawadros II als 118. Koptisch-orthodoxer Patriarch auf dem fünf verbliebenen Kandidaten dieje- St. Markus Thron nigen drei aus, deren Namen im letz- ten Wahlgang schließlich in den Kelch m Sonntag, dem 4. November für die Bischöfe in der koptisch-or- gelegt werden. Nachdem die acht glä- A2012, führte die Hand Gottes thodoxen Kirche „Your grace“ (Euer sernen Wahlboxen geleert und alle die des kleinen Jungen Bischoi Gir- Gnaden) und nur für die Erzbischöfe Stimmen ausgezählt waren, stand das gis Musaad, der – unter Aufsicht von (Metropoliten) „Eminenz“. Kurz nach Ergebnis fest: Bruder Raphael und die Erzbischof Bachomios und beobach- der Verkündung werden auch die an- beiden Bischöfe Raphael und Tawad- tet von zahlreichen Fernsehkameras deren beiden Namensrollen aus dem ros. Einer von ihnen würde der 118. – mit verbundenen Augen den Namen Kelch genommen, aufgerollt und von Patriarch auf dem Stuhl des Heiligen des neuen Papstes aus dem Kristall- einem Priester den Gläubigen gezeigt, Markus werden. Kelch zog. Auch er war – um jegli- um jegliche Vorwürfe einer Manipu- Sechs Tage später schließlich chen Verdacht einer Einflussnahme lation zu vermeiden (Bild 2). folgte der letzte und entscheidende auszuschließen – willkürlich aus ei- Bischof Tawadros wurde an sei- Wahlgang während einer öffentlichen ner Liste von 12 Knaben ausgewählt nem 60. Geburtstag zum 118. Patriar- Zeremonie in der Kathedralkirche in worden. Der Junge überreichte dem chen der koptisch-orthodoxen Kirche Kairo. Die Namen der drei Kandi- Bischof die mit rotem Wachs versie- gewählt. Er war – trotz seiner zwölf daten lagen – auf eingerollten, ver- gelte und mit weißen Bändern zuge- Bücher, die er bisher geschrieben schnürten und versiegelten Papyrus- bundene Namensrolle. Acht Monate hatte – in der Vergangenheit selten an rollen geschrieben – in dem gläsernen hatten die koptisch-orthodoxen Chris- die Öffentlichkeit getreten und zähl- Wahlkelch. Dieses Verfahren mag in ten sehnlich auf diesen Moment, auf te deshalb nicht zu den bekannten westlichen Augen einer Lotterie äh- den „weißen Rauch“ aus Kairo, ge- geistlichen Führern der koptischen neln. Tatsächlich aber wird auf diese wartet. Dann entrollte Metropolit Ba- Kirche. Gleichwohl sahen sechs Bi- Weise jeglicher Einfluss von außen, chomios den Zettel und hielt den auf schöfe – darunter der Bischof der kop- z.B. durch politische Kräfte, verhin- Arabisch geschriebenen Namen unter tischen Gemeinde in Deutschland, dert. Das Wahlverfahren von 1957 war dem Jubel tausender Gläubiger in die Anba Damian, und der Bischof von vor einigen Jahren in einigen Punkten Kameras: „Eminenz, Al-Anba Tawad- Melbourne, Anba Suriyal – in ihm geändert, aber nicht in allen vom da- ros – allgemeiner Bischof“ (= Bischof, einen geeigneten Kandidaten für das maligen Papst Shenouda III. akzep- der keine eigene Diözese führt) stand Amt des Patriarchen und schlugen tiert worden. Darunter war auch der auf Arabisch auf dem weißen, von ihn dazu vor. Auch Anba Raphael, der

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Weihbischof von Zentral-Kairo und abschloss. Danach aber vertief- Beitrag der koptischen Kirche zum derjenige seiner Mit-Kandidaten für te er seine Pharmazie-Kenntnisse Aufbau einer friedlichen Gesellschaft das Patriarchen-Amt, der in den Vor- durch ein ergänzendes Studium in in Ägypten. wahlen die meisten Stimmen erhalten England und wurde 1985 Mitglied Am Sonntag, dem 18. November hatte, hatte den Vorschlag Tawadros der „British International Health 2012, bestieg Papst Tawadros II. als unterstützt. Care Association“. Ein Jahr spä- 118. Koptisch-orthodoxer Patriarch in Der neue Papst Tawadros II. war ter jedoch beschloss er, seine welt- der überfüllten Kathedrale in Kairo mit dem Namen Wagih Sobhy Bakky liche Karriere zu beenden und sein den St. Markus-Thron von Alexandria Suleiman in der kleinen Stadt Mansura Leben Gott zu weihen. Er trat in das (Bild 3). Aus der Hand von Erzbischof im Nildelta am 4. November 1952 ge- Kloster St. Bishoy im Wadi Natrun Bachomios empfing er – mit Tränen boren worden. Das Ehepaar mit dem ein und erhielt den Namen Tawadros in den Augen – während der vier- Sohn und zwei Töchtern war sehr re- (Theodorus). 1988 wurde er zum stündigen Zeremonie als Zeichen sei- ligiös. Viele der zahlreichen Onkel Mönch und 1990 zum Priester ge- ner Würde die Krone und das Kreuz, und Neffen dienten in der Kirche als nachdem ihm dieser zuvor eine Bibel Priester und Mönche. Bedingt durch auf den Kopf gelegt und damit dessen den Beruf des Vaters – Abu Wagih Treue zum Glauben bekräftigt hatte war ein Landschaftsingenieur – zog (Bild 4). Während der Inthronisation die Familie mehrfach um: 1957 von ergriff der neue Papst selbst nicht Mansura nach Sohag in Mittelägypten, das Wort, sondern ließ eine Botschaft 1960 wieder in den Norden nach verlesen, in der er gelobte für das Damanhur, etwa 50 km südostwärts Wohl ganz Ägyptens zu arbeiten – für von Alexandria. Dort besuchte der Christen und Muslime. Junge eine koptische Schule, die von Unter den zahlreichen der Schwester des damaligen Papstes Ehrengästen, die der feierlichen Kyrillos VI. geleitet wurde. „Unser Amtseinführung beiwohnten, waren ganzes Leben war der Kirche ge- hohe Würdenträger der orientalischen widmet“, sagte Tawadros in einem und abendländischen Kirchen, wie Interview. 1967 starb der Vater, und z.B. das Oberhaupt der Malankara sein Sohn Wagih beschloss, nach Bild 4: Papst Tawadros II mit Krone Orthodoxen Syrischen Kirche in Abschluss seiner Schulzeit im Jahre und Kreuz als Zeichen seiner Südindien, Catholicos Basileus M. 1969 für begrenzte Zeit in den Dienst Würde Paulose II., und der griechisch-or- der Kirche zu treten. In der koptischen thodoxe Patriarch von Alexandria, Kirche besitzt diese Einbindung von weiht. Dann aber kehrte er dem kon- Theodoros II., Kurienkardinal Kurt Laien eine lange Tradition. Zwei templativen Leben den Rücken und Koch und der Wiener Weihbischof Jahre später, im Jahre 1971, wurde übernahm in seiner Heimatgemeinde Franz Scharl, sowie der oberste der Priester Bachomios zum Bischof Damanhur die Aufgabe eines Priesters Geistliche der sunnitischen Muslime seiner Heimatdiözese Beheira (auch für die Jugendarbeit. Im Jahre 1997 in Ägypten, Groß-Mufti Sheikh Buhayrah) geweiht, dessen Zentrum wurde er von Bischof Bachomios zum Mohammed Ali Gomaa (Bild 5). Die die Stadt Damanhur ist. Da es damals Weihbischof („Generalbischof“) be- Spitze der ägyptischen Politiker führ- dort jedoch noch keine Kathedrale rufen und erhielt die Bischofsweihe. te Premierminister Hisham Qandil an, gab, nutzte Bischof Bachomios die 1999 reiste er für längere Zeit zu begleitet von seinem Innenminister kleine Gemeindekirche, in der Wagih Studienzwecken nach Singapur. Ahmed Gamal al-Din, sowie der vorma- und dessen Familienangehörige je- Innerhalb der Bischofssynode war lige Generalsekretär der Arabischen den Sonntag den Gottesdienst be- Bischof Tawadros zuständig für Liga und Präsidentschaftskandidat, suchten, als seine Bischofskirche. Glaubensfragen, Erziehung und Amr Moussa und der frühere Wagih hatte inzwischen an der Seelsorge. Zum engeren Kreis von Generaldirektor der Internationalen Universität von Alexandria mit dem Papst Shenouda III. gehörte er je- Atomenergiebehörde (IAEO) und heu- Studium der Pharmazie begonnen doch nicht. tige Oppositionspolitiker Mohamed und schloss dieses 1975 ab. Danach apst Benedikt XVI. sandte dem El-Baradei. Der Präsident des päpstli- arbeitete er in einem staatlichen Pgewählten koptischen Oberhaupt chen Rates für die Einheit der Christen, Pharma-Unternehmen und stieg in am 5. November eine Grußbotschaft, in der Schweizer Kurt Kardinal Koch, die Manager-Ebene des Betriebes auf. der der Heilige Vater auf die Verdienste übergab ein Glückwunschschreiben Seit 1971 hatte er Bischof Bachomios des Vorgängers als eines „wirkungs- von Papst Benedikt XVI. Der ägyp- regelmäßig getroffen, da dieser enge vollen Partners“ hinwies und die tische Präsident Mursi hingegen Kontakte zur Jugend seiner Diözese Bedeutung der Zusammenarbeit al- nahm an der Inthronisation nicht pflegte. Und so war es ein folgerich- ler Christen „in diesen herausfor- teil. Er hatte – möglicherweise we- tiger Schritt, dass Wagih sich 1981 dernden Zeiten“ betonte. Erzbischof gen der Gaza-Krise, aber vielleicht entschied, parallel am Theologischen Zollitsch, der Vorsitzende der deut- auch wegen der Aufkündigung Kolleg von Alexandria Theologie zu schen Bischofskonferenz würdigte in der christlichen Mitarbeit in der studieren und dieses im Jahre 1983 seinem Glückwunschschreiben den Verfassungskommission – nur sei-

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tens aus der Verfassungskommission zurückgezogen. Der koptisch-katho- lische Patriarch-Vikar Samaan – im Gleichklang mit Papst Tawadros – stellte ebenfalls fest, dass der bishe- rige Verfassungsentwurf „den Weg für einen religiösen Staat“ bereite. Mo- hammed Badi-a, der Oberste Führer der Muslimbruderschaft (Dschama-at Al-Akhwan Al-Muslimun), sowie der Chef der dieser nahestehenden Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ („Hizb Al-Hurriya Wal-’Adala“ – FJP), Mo- hammed Saad al-Katatni, gratulierten dem neuen Oberhaupt via Facebook. Sie wären „optimistisch hinsichtlich einer ertragsreichen Zusammenar- beit unter Berücksichtigung der Werte Bild 5: Der oberste Geistliche der ägyptischen Sunniten Sheikh Mohammed Freiheit, Gerechtigkeit und Gleich- Ali Gomaa gratuliert dem neuen koptischen Papst heit“. In seinem Verhältnis zu den Mus- nen Premierminister geschickt, der auch in der Vergangenheit vorbildlich limen hatte Tawadros noch als Bischof allerdings erst mit zweistündiger gewesen und wird diesen zweifelsohne stets die gemeinsamen Wurzeln be- Verspätung eintraf. Weg fortsetzen. tont. „Betrachten Sie die Schönheit Das neue Oberhaupt der koptisch- Die Zusammenarbeit mit der neu- unserer Vielfalt: Der Obelisk aus pha- orthodoxen Kirche steht vor großen en ägyptischen Regierung hingegen raonischer Zeit, der christliche Kirch- Herausforderungen. Er muss in ei- dürfte weit schwerer werden. Schon turm und das Minarett sind das Erbe ner schwierig gewordenen politischen während der Diskussion um die neue unseres Landes und unsere Botschaft Lage in Ägypten den Dialog mit der Verfassung hatte Tawadros noch als an die Welt.“ Nun bleibt abzuwarten, Regierung, den stärker gewordenen Bischof im Fernsehsender ONTV vor ob die im Augenblick wieder tonange- muslimischen Parteien und den reli- einem zu Islam-lastigen Entwurf ge- benden radikalen muslimischen Kräf- giösen Führern pflegen. Gleichwohl warnt; dies wäre in Ägypten nicht te – obgleich nicht repräsentativ für wird erwartet, dass er eine stärker pa- nur für Kopten nicht hinnehmbar. das mehrheitlich weltoffene Land am storale und weniger politische Rolle Präsident Mursi forderte er auf, ein Nil – dieses Angebot des neuen kop- im neuen Ägypten verfolgen wird als Zeichen zur Beruhigung zu geben. tischen Papstes annehmen werden. sein Vorgänger. Dieser hatte der kopti- Wirkung gezeigt hat dieser Appell Zweifel sind angebracht, steht Dia- schen Kirche durch enge Bindung an bisher nicht. Zwischenzeitlich haben log doch weltweit bei keiner radika- Mubarak zwar einen gewissen Frei- sich alle christlichen Kirchen Ägyp- len Gruppe auf dem Arbeitsplan. ❏ raum verschafft, ohne dass dadurch allerdings die Benachteiligung der Kopten in vielen Feldern des All- tagslebens aufgehoben worden wäre. Die ersten Äußerungen des neuen Kurznachrichten Papstes waren behutsam. So hatte er Bundespräsident würdigt Sozialreformer Adolph Kolping angekündigt, seine Aufmerksamkeit zunächst dem „Haus im Inneren“ zu undespräsident Joachim Gauck kommt zum 200. Geburtstag des ka- widmen. In der Tat kommt z.B. durch Btholischen Sozialreformers Adolph Kolping im kommenden Jahr nach den Weggang vieler Kopten aus ihrem Köln. Am 2. Februar spricht er im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Köl- Heimatland der Verbindung zwischen ner Gespräche“ zum Thema „ Kolping - Eine Geschichte mit Zukunft“, der Mutterkirche und ihren Gläubigen wie das Kolpingwerk Deutschland am Dienstag in Köln mitteilte. Zuvor im Exil eine wachsende Bedeutung zu, werde der Bundespräsident an einem Gottesdienst in der Grabeskirche um ein Auseinanderdriften und eine Adolph Kolpings (1813-1865), der Kölner Minoritenkirche, teilnehmen. Entfremdung zu vermeiden. Tawadros Der auch als Gesellenvater bezeichnete Priester Adolph Kolping wur- betonte, wie wichtig ihm dabei der de am 8. Dezember 1813 geboren. Er gründete 1849 in Köln den ersten Dialog wäre. „Es reicht nicht mehr, katholischen Gesellenverein, um damit in Zeiten großer gesellschaftlicher einfach zu sagen: Hier geht es lang!“, Umbrüche jungen Handwerksgesellen Halt und Heimat zu geben. Kolping äußerte er jüngst. Aus seiner Jugend- starb 1865 und wurde 1991 seliggesprochen. Der Gesellenverein wurde arbeit weiß er um deren Bedeutung, 1935 in Kolpingwerk umbenannt. Dem Deutschen Kolpingwerk gehö- doch in der Einbindung der jungen ren nach eigenen Angaben mehr als 250.000 Mitglieder an. ❏ (KNA) Generation ist die koptische Kirche

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 21 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Patriarch von Alexandria schwerkrank Patriarch-Vikar übernimmt Führung

VON DIETER KILIAN

or zwei Jahren, am 20. Novem- marsches radikaler und extremisti- mit nur etwa 200.000 bis 250.000 V ber 2010, war Antonios I. Na- scher islamischer Gruppen mit immer Gläubigen zwar die größte, doch sie guib (* 1935), der Patriarch der mit größerer Skepsis beobachtet. Im Ok- steht im Schatten der zahlenmäßig Rom unierten koptisch-katholischen tober 2010 war er als Chefberichter- weit größeren koptisch-orthodoxen Kirche Ägyptens, von Papst Benedikt statter der von Papst Benedikt nach Kirche. Kardinal Naguib war eine XVI. als dritter Patriarch von Alexan- Rom einberufenen Synode für den prominente und engagierte Stimme dria, in das Kardinalskollegium erho- Nahen Osten in Rom eine der zentra- im Chor der orientalischen Ostkir- ben worden – als erster sogar auf der len Persönlichkeiten dieses Treffens chen. Sein Ausfall wird lange nicht gewesen,g bei dem erst- malsm Arabisch eine der ArbeitssprachenA war.1 Vor einem Jahr aaber brach die alte KrankheitK wieder aus. EinE Schlaganfall im JanuarJ dieses Jahres verschlimmertev die gesundheitlicheg Lage vonv Kardinal Naguib sos sehr, dass sich die BischofssynodeB im Fe- bruarb entschloss, den bisherigenb Bischof vvon Assiut, Kyrillos KKamal William SamaanS (* 1946, Bild 3), Bild 3: Patriarch-Vikar Bischof der zum Franziska- Kyrillos Kamal William Samaal Bild 1: Papst Benedikt XVI. mit Patriarch Antonios I ner-Orden gehört, Naguib nach Artikel 132 des Kanonischen Rechts Stufe eines Kardinalbischofs (Bild 1). der Ostkirche zum Patriarch-Vikar mit Aus diesem Anlass war ihm die Ehre dem Recht vollständiger Jurisdiktion zuteil geworden, gemeinsam mit dem und der Nachfolge zu ernennen. Bi- Papst und weiteren Mit-Zelebranten schof Samaan, der in den 80-er Jahren das Feierliche Hochamt am Papstaltar ebenfalls in Rom studiert hatte, war über dem Petrusgrab unter der Kuppel 1990 zum Bischof geweiht worden. des Petersdoms zu zelebrieren. Unter den sieben katholischen Naguib hatte 1960 die Priester- Gemeinschaften Ägyptens ist die kop- weihe empfangen, nachdem er von tisch-katholische Kirche, die den rö- 1953 bis 1958 in Rom an der Päpst- mischen Papst seit Ende des 19. Jahr- lichen Universität Theologie studiert hunderts als Oberhirten anerkennt, hatte. 1977 war er zum Bischof der Diözese Minya gewählt worden und 1 Zum ersten Mal in der langen Geschichte des Synoden hat- stand seinem Bistum in Mittelägyp- te der Papst – neben den beiden Bild 2: Patriarch Antonios I Naguib ten bis zu seiner Erkrankung im Jahre „Arbeitspräsidenten“ – dem Patriarchen an seinem 72. Geburtstag mit dem 2002 vor. Wieder genesen, wurde er Ignace Joseph III. Younan von Autor Dieter Kilian 2006 von der koptisch-katholischen Antiochien (* 1944) und Leonardo Kardinal Sandri (* 1943), dem Bischofssynode zum Nachfolger des Präfekten der Kongregation für die auszugleichen sein. An der 13. Or- greisen Patriarchen Stephanos II. Kar- orientalischen Kirchen – auch zwei dentlichen Generalversammlung der dinal Ghattas (1920-2009) gewählt „Ehren-Präsidenten“ ernannt – die Bischofssynode im Oktober dieses (Bild 2). Kardinal Naguib hatte die Kardinäle Nasrallah Sfeir, den 90-jäh- Jahres unter der Leitung des Papstes rigen Patriarchen der Maroniten und „Arabische Revolution“ anfangs be- Emmanuel III. Delly, den 83-jährigen in Rom konnte er bereits nicht mehr grüßt, sie dann aber wegen des Vor- Patriarchen der Chaldäer im Irak. teilnehmen. ❏

22 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Buchbesprechung Das Zeichen des Kreuzes

VON ANDREAS M. RAUCH

as Zeichen des Kreuzes durch- sie ihr Kreuz zur Kreuzigungsstätte vorstehenden Endes der Welt und auf Dläuft in Kirche, Theologie und tragen mussten. Im Falle von Jesus das Kommen des Erlösers und Ret- Kunstgeschichte unterschiedliche mussten sie dafür die Altstadt von ters. Die Mitglieder der christlichen Wahrnehmungs- und Deutungsmus- Jerusalem durchqueren, bis hin zur Urgemeinde lebten in der Annahme, ter. In der römischen Antike war dıe Kreuzigungsstätte Golgatha, genannt dass sie noch in ihrer Lebenszeit das Kreuzigung zunächst einmal eine Schädelhöhe, weil dort die Überreste Ende der Welt durch den bereits auf- Strafe für Nichtrömer und in der Re- von Gekreuzigten zu finden waren. An erstandenen und wiederkommenden gel für Angehörige der Unter- und der Kreuzigungsstätte angekommen Jesus erleben werden; für sie hatte be- Mittelschicht. Römisches Recht war wurden die Verurteilten an das mit- reits mit der Auferstehung Jesus das hart und streng. Römische Bürger wie geschleppte Holzkreuz genagelt und Reich Gottes (Eschaton) und Gottes der Apostel Paulus hatten das Recht, dann wurde das Holzkreuz aufgestellt. Herrschaft auf Erden begonnen. Das dass ihr Fall vor einem Gericht in Rom Die Verurteilten wurden so am Kreuz Kreuz spielte in diesem Zusammen- gebracht wurde. Als jüdischer Bürger angebracht, dass sıe mit ihrem Gesäß hang keine Bedeutung. aus Nazareth in der Provinz Galilaea, auf einem kleinen Holzhöckerchen sa- die von den römischen Statthaltern oh- ßen. Dadurch lag nicht das gesamte Geheimes Symbol nehin als aufrüherische Gegend wahr- Körpergewicht auf den angenagelten uf dem Apostelkonzil in Jerusa- genommen wurde, kam Jesus eine Händen und Füßen. Durch die halb- Alem im Jahr 48 n. Chr., also etwa Verhandlung in seiner Heimat zu, in sitzende Haltung wurde aber auch 15-18 Jahre nach Jesu Tod und Auf- seinem Fall bei seinem aktuellen Auf- der Prozess des Sterbens und Leidens erstehung, vergegenwärtigten sich die enthaltsort, also Jerusalem. In Jerusa- verlängert. Einige Delinquenten ver- Jünger Jesu, dass das Ende der Welt lem und Caesarea Maritima unterhielt loren durch Schmerzen und Blutver- vielleicht jetzt doch nicht so schnell der römische Statthalter Paläste. Doch lust in Folgen der Geißelung und des komme, wie ursprünglich gedacht. die meiste Zeıt hielt sich der römische Einschlagens der Nägel ihr Bewusst- Bis es soweit ist, sei es Auftrag der Statthalter Pontius Pilatus sowie seine sein und verstarben dann. Doch die Apostel, den Glauben Jesu zu ver- Vorgänger und Nachfolger in Caesa- Mehrheit der Verurteilten hing noch kündigen und zu verbreiten. In die- rea Maritima auf, weil dort die Masse tagelang bei vollem Bewusstsein am sem Wirkungszusammenhang erhielt der römischen Soldaten in der Provinz Kreuz und verstarb dann aufgrund der das Kreuz eine neue Bedeutung. In Paelestina stationiert war, es dort in offenen, nicht behandelten Wunden der vorkonstantinischen Zeit, also bis der Regel wärmer als im übrigen Land sowie des Mangels an Trinken und hin zum Mailänder Toleranzedikt von war, aller römischer Komfort existier- Essen. Damit Angehörige den Verur- 313 n. Chr., musste die christliche te war und im Falle von Spannungen teilten nicht zu Essen und zu Trinken Religion im Verborgenen ausgeübt stets die Fluchtmöglichkeit über den gaben oder sie sogar vom Kreuz ab- werden. Nur wenige Menschen wa- sicheren Seehafen von Caesarea Ma- nahmen, wurden römische Soldaten ren Christen. Gottesdienste wurden ritima nach Rom bestand. bei den Verurteilten postiert, die diese meist in Privaträumen abgehalten, die bewachten. Die Lage auf einer Anhö- auch immer wieder wechselten, um Das Kreuz als Abschreckung he oder am Wegrand gewährleistete, der Gefahr von Verfolgung, Denunzi- ie Kreuzigungsstrafe diente vor dass die Gekreuzigten zur Abschre- ation und Verhaftung zu entgehen. In Dallem der Abschreckung. An der ckung von der Bevölkerung weithin dieser angespannten Situation diente Spitze des Kreuzes war auf einem sichtbar waren. das Zeichen des Kreuzes als Erken- Holztäfelchen der Name des Veur- Soweit uns bekannt ist, spielte nungszeichen, welches an Kettchen teilten und der Grund seiner Verur- das Kreuz in der christlichen Urge- um den Hals getragen wurde oder als teilung angegeben. Bei Jesus war das meinde in Jerusalem keine besondere Kreidezeichen um an einer Hauswand bekanntlıch INRI, also “Jesus Naza- Rolle. Wesentlich war für die Jünger oder einem Türpfosten markiert war. rerum rex judaicum” – Jesus aus Na- Jesu vor allem, das Jesus auferstan- Die ältesten uns erhalten gebliebenen zareth, König der Juden. In der Re- den und den Tod überwunden hat. Kreuzeszeichen sind uns in den Ka- gel handelt es sich bei den Gekreu- Die Christen der Jerusalemer Urge- takomben in Rom aus dem 2. und 3. zigten um Gewohnheitsverbrecher, meinde lebten in einer Naherwar- Jahrhundert überliefert. also Diebe, Betrüger und Mörder. Zur tung. Wie viele andere Menschen der Abschreckung gehörte nicht nur die damaligen Zeit dachten sie, dass das Kreuz als Siegeszeichen Kreuzigung per se, sondern das die Ende der Welt kurz bevorstehen und m 4. Jahrhundert n. Chr. änderte Deliquenten zuvor geschlagen, aus- jeden Augenblick auf sie einbrechen Isich mit Konstantin den Großen gepeitscht, getreten und misshandelt könnte. Die Auferstehung Jesu wur- (311-337 n. Chr.) die Wahrnehmung wurden. Danach wurde ihr gefolter- de als Heilszeichen wahrgenommen des Kreuzeszeichens. Konstantin hat- ter Körper öffentlich gezeigt, indem hinsichtlich des scheinbar kurz be- te in der Nacht vor der entscheidenden

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 23 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Schlacht gegen seinen Widersacher rend des gesamten Mittelalters waren Maxentius vom Kreuz geträumt, und die Christen in Europa durch vielfäl- Christentum, also in der Alten Kir- das er in diesem Zeichen gegen sei- tigen Schmerz und Leideserfahrungen che. Sie erreicht dann im Mittelalter nen Gegner siegen würde. Und genau geprägt, sei es durch Kriege, Plünde- seine volle Ausprägung, vor allem in dieses trat ein. Das Kreuz wurde fort- rungen oder die Pest. Durch vielfälti- der Kunstgeschichte. Zur Zeit der an zum Siegeszeichen des römischen ge Erfahrungen von Kummer und Pein Reformation und in der Frühen Neu- Reiches. Alle Legionärsstandarten, geprägt, die bekanntermaßen Kinder zeit, also der nachtridentinischen Zeit, die einer Legion vorneweg getragen zu einem Kinderkreuzzug veranlass- sind diese verschiedenen, angespro- wurden, wurden mit dem Kreuzeszei- ten, der dann ganz tragisch endete, chenen Facetten des Kreuzes, vor al- chen ausgestattet, auch die goldene erhielt das Kreuz neue Deutungsmus- lem das Kreuz als Siegeszeichen der Standarte, die dem römischen Kaiser ter: das Kreuzeszeichen als Ausdruck römischen Kirche, zum Tragen ge- bei offiziellen Anlässen vorneweg ge- des mitleidenden Jesus. Nicht nur kommen. Darüber hinaus existiert tragen wurde. Diese goldene Standarte die zahlreichen Kreuzwegstationen auch der kaiserlich-habsburgische wird in abgeänderter Form auch heute künden von dieser durch menschli- Kreuzeskult, der von den katholi- noch bei Papstmessen beim Ein- und ches Leid geprägten Kreuzeserfah- schen Machthabern Europas konfes- Auszug des Heiligen Vaters vorneweg rung, sondern sie verbanden sich mit sionspolitisch eingesetzt wird. Hier- getragen, wie auch in weniger kostba- den berühmten „ecco homo“-Darstel- über informiert die vorliegende Ver- ren Ausführungen bei jeder katholi- lungen, also Bildern vom gepeinigten öffentlichung in 16 Beiträgen; sie lie- schen Festmesse. In diesem christli- und gequälten Christus, der am Leid fert neue Forschungsansätze zu einer chen Kontext bedeutet das Kreuz aber der Menschen teilhat und das Leid bisher fehlenden Kunstgeschichte des nicht den Sieg über einen Gegner, son- der Welt beweint. Trotz allen Leides, Kreuzes in reformatorischer und nach- dern der Sieg über den Tod durch die so vor allem die neuzeitliche Wahr- reformatorischer Zeit. ❏ Auferstehung Jesu Christi. nehmung, ist das Kreuz ein Zeichen Das Kreuz als Siegeszeichen hat der Hoffnung, und eben deshalb wird Carla Heussler, Sigrid Gensichen: in seiner christlichen Bedeutung bis es auch von Mitgliedern der Gemein- Das Kreuz. Darstellung und Ver- heute Bestand. Doch überwiegen in schaft katholischer Soldaten getragen. ehrung in der Frühen Neuzeit. Vergangenheit und der Gegenwart Die Darstellung und Verehrung Schnell+Steiner Verlag: andere Bedeutungsmuster. Schon mit des Kreuzes entwickelt sich also – Regensburg 2012, der Völkerwanderungszeit und wäh- wie aufgezeigt – bereits im frühen ISBN 978-3-7954-2643-9

Buchbesprechung Juden und Christen heute

VON ANDREAS M. RAUCH

itunter erscheint die römisch- geschrieben. Archäologische Funde Heinz-Joachim Fischers im LIT-Ver- Mkatholische Kirche starr und und Bibelforschung haben in den ver- lag: „Jesus von Nazareth kontrovers. unbeweglich. Tatsächlich hat sie sich gangenen Jahren ergeben, dass zu die- Rückfragen an Joseph Ratzinger“ bewegt, wie der Vatikan-Journalist sem Zeitpunkt die Hebräische Bibel (2007), „Der Papst im Kreuzfahrer. und Vatikan-Insider Heinz-Joachim noch gar nicht abgeschlossen war, Zurück zu Pius oder das Konzil fort- Fischer belegt, auch wenn sie als In- sondern dass etwa die Chroniken erst schreiben?“ (2009), „Vom Theologen stitution in Jahrhunderten denkt und im ersten nachchristlichen Jahrhun- zum Papst. Joseph Ratzinger – Be- handelt. Das gilt auch in ihrem Ver- dert ihre Schlussredaktion erlebten. nedikt XVI.“ (2010), „Vatikan von hältnis zur jüdischen Religion und Das bedeutet im Kern, dass auch das innen. 1975-2010“ (2010) und „Die zum jüdischen Volk. Judentum als Phänomen im ersten, Päpste und der Sex. Kirche in der Jesus war selber Jude und das nachchristlichen Jahrhundert kei- Sackgasse“ (2011). Alle sechs Bände gesamte Neue Testament lässt sich nesfalls abgeschlossen war und noch basieren auf Artikel von Fischer, sind nur im Zusammenhang mit der Heb- nach seiner Identität suchte, wie die ergänzt durch eigene Texte, Beiträge räischen Bibel, also dem Alten Tes- verschiedenen jüdischen Religions- anderer Autoren sowie durch Doku- tament, verstehen. Hier hat es auch gruppen der Zeit, etwa die Pharisäer mente und Bibelzitate. Neuerungen durch die Forschung und Sadduzäer, dies auch anzeigen Vor allem zeichnen sich alle sechs gegeben. Das Neue Testament, also und belegen. Bände aus, dass ihr Inhalt gut struk- die Griechische Bibel, wurde zwi- Der vorliegende Band „Päpste turiert ist, auch wenn sie nicht unter schen 50 n.Chr. (erste Paulus-Brie- und Juden. Die Wende unter Johan- streng wissenschaftlichen Kriterien fe) und ca. 120 n.Chr. (Apostelge- nes II. und Benedikt XVI.“ reiht sich gesehen werden dürfen. Vor allem schichte und Johannes-Evangelium) ein in fünf weitere Veröffentlichungen geben die Publikationen Zeugnis ab

24 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 GESELLSCHAFT NAH UND FERN vom Vatikankenner Fischer, der eben Und als Papst Johannes XXIII. Juden, etwa im Gedenken an den Ju- als Korrespondent der angesehenen sich zu einem Zweiten Vatikanischen denmord im Jahr 2005 und seinem Tageszeitung „Frankfurter Allgemei- Konzil entschlossen hatte, da ging es Besuch in der Synagoge zu Köln, ne Zeitung“ vor Ort in Rom und in der auch um Frieden und Dialogbereit- der Staatsbesuch Benedikt XVI. in Vatikanstadt hautnah Ereignisse und schaft mit den anderen Religionsge- Berlin, der ebenfalls dem jüdisch- Entwicklungen des Heiligen Stuhles meinschaften, so auch mit dem Ju- christlichen Versöhnung dient und als Zeitzeuge selbst miterlebten durfte dentum. In diesem Zusammenhang der Besuch der Römischen Synagoge und in dieser Rolle als Zeitzeuge kom- benennt Fischer die wichtigen Etap- im Jahr 2010. Papst Benedikt steht men den Texten eine ganz besondere, pen im jüdisch-christlichen Verhält- in vielem für eine gewisse Konti- auch wissenschaftliche Bedeutung zu. nis, Personen wie etwa Kardinal Au- nuität hinsichtlich des Pontifikates Im vorliegenden Band setzt sich gustin Bea und Ereignisse wie etwa von Papst Johannes Paul II., so auch Fischer mit dem Verhältnis zwischen die Pilgerreise von Papst Paul VI. in im Bemühen um eine Verbesserung Christentum und Judentum im 20. das Heilige Land (1964), das Zweite des jüdisch-christlichen Verhältnis- und beginnenden 21. Jahrhundert Vatikanische Konzil und die Konzil- ses, sowohl gegenüber einzelnen Ju- auseinander, vor allem unter den senzyklika „Nostra Aetate“ (1965), den wie auch jüdischen Gemeinden. Pontifikaten von Johannes Paul II. die Kommission für die religiösen Abschließend sei auf gemeinsame (1978-2005) und Benedikt XVI. (seit Beziehungen mit den Juden (1974) Forschungsvorhaben und Wissen- 2005). Gerade in den ersten Kapiteln und die Verurteilung des Antisemi- schaftskontakte zwischen Judentum bei Fischer wird deutlich, dass die tismus (1975). und Christentum hingewiesen. So legt Judenthematik im 20. Jahrhundert viel Sodann behandelt der Verfasser die Forschung auf dem Gebiet der mit Holocaust und Judenverfolgung eine weitere Wende im jüdisch-christ- Biblischen Archäologie nahe, dass unter der nationalsozialistischen lichen Verhältnis, und die verbindet zum Judentum in Palästina, vor allem Herrschaft Adolf Hitlers zu tun hat, sich mit Johannes Paul II., einem während der Königreiche von David aber auch mit seinen Kollaborateuren wichtigen Mahner für ein positives, und Salemon, Fragen offen sind. So wie Benito Mussolini. Und diesen ausgeglichenes und verständnisvolles wird gegenwärtig diskutiert, ob etwa Herausforderungen muss sich auch Verhältnis zwischen Juden und Chris- der jüdische König Salemon nicht die römisch-katholische Kirche stel- ten. Dieses wurde bereits zu Beginn schon im 8. oder 9. Jahrhundert ge- len, etwa in der Auseinandersetzung des Pontifikats mit einem Besuch des lebt hat, und nicht etwa zwischen um die Rolle Papst Pius XII. und Rolf Konzentrationslagers in Auschwitz- ca. 965-926 v. Chr., und Salemon Hochhuths „Stellvertreter“. Birkenau eingeleitet und dann im- möglicherweise gar nicht über eine mer weiter fortentwickelt, etwa mit Großreich, sondern ein äußerst über- Suche nach Frieden und Dialogbereitschaft regelmäßigen Kontakten zu jüdischen schaubares Gebiet regierte. Kurzum, chon Papst Benedikt XV. hatte Gemeinden, der neuen vatikanischen Fischer kommt zu dem Ergebnis, dass Sim Kontext des I. Weltkrieges die Nahost-Politik – unter anderem durch im Verhältnis Judentum und Chris- Suche nach Frieden als vorrangige den Empfang Arafats sowie das Be- tentum Fragen offen und neue Initi- Aufgabe von Politik und Gesellschaft mühen um Erinnern und Versöhnen ativen zum gegenseitigen Verstehen und eben auch der Kirche formuliert. des Papstes im Heiligen Jahr 2000, notwendig sind. ❏ Zunächst behandelt Fischer das Ver- auch gegenüber den Juden. Auch ist hältnis der Kirche zum Judentum vor in den Ostermessen und überhaupt Heinz-Joachim Fischer: Päpste 1945. Dadurch, dass Fischers Veröf- in den Fürbitten in einem positive- und Juden. Die Wende unter fentlichung auf zahlreichen Artikelver- ren Sinne zu gedenken, so der Willen Johannes Paul II. und Benedikt öffentlichungen in der Frankfurter All- des Papstes. XVI. LIT-Verlag: Berlin, gemeinen Zeitung basiert, springt der Das Buch schließt ab mit dem Münster, Wien, Zürich, London Autor zwischen den Jahren und Deka- Bemühungen Joseph Ratzingers als 2012, gebunden, 275 S., den und auch zwischen den einzelnen Papst Benedikt XVI. gegenüber den ISBN 978-3-643-11699-4 Päpsten von Pius X. bis zu Benedikt XVI., ist also in der zeitlichen Abfol- ge nicht stringent. Gleichwohl werden zentrale Punkte wie die Verurteilung des Antisemitismus durch Papst Pius XI. und seine Anti-Nazi-Enzyklika von 1937 angesprochen, ebenso wie die Redaktionsschluss für spätere Rolle von Pius XII. und sein ablehnendes Verhältnis zum National- sozialismus. Es dürfen hier allerdings AUFTRAG 289 keine Vergleiche mit wissenschaftli- chen Publikationen zu diesem Thema gezogen werden, dienen aber als eine Freitag, 25. 01. 2013 Einführung in die Problematik Kirche und Nationalsozialismus.

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 25 BILD DES SOLDATEN

Seminar Dritte Lebensphase „Nach dem Arbeitsleben fängt das Leben an“ ür vier Tage sollte die Qualität der der Sicht- und Betrachtungsweise des sen, nicht mehr „abspringen“ kann. F„dritten Lebensphase“ Thema für dahinterstehenden Menschen. Wer einmal Anregungen zum „Zug Ehepaare sein, die den Übergang vom Der zweite Tag begann mit einer des Lebens“ aufnehmen möchte dem aktiven Berufsleben in den verdien- kurzen Andacht und setzte sich mit sei diese Geschichte sehr empfohlen. ten Ruhestand bereits in Sichtweite dem Thema „Hilfe! Das Leben be- Prof. Dr. Ertl konnte sich dabei auch haben. ginnt“ fort. Prof. Dr. Ertl führte, biswei- als stolzer (neu)Großvater „outen“. Die Akademie Caritas-Pirckhei- len recht bildhaft und immer wieder Franziska hatte am Tag zuvor das Licht mer-Haus in Nürnberg, in unmittel- mit einem Nebensatz der ausdrück- der Welt erblickt. Der Nachmittag ge- barer Nähe zum Hauptbahnhof, einge- lich zum schmunzeln anregte, aus. Im hörte dem Versorgungs- und Sozial- wachsen in die Nürnberger Innenstadt Gespräch ergaben sich Gedanken und recht. RAmtFr Claudia Hartmann vom und mit allen Voraussetzungen für die Perspektiven zur individuellen Zu- Sozialdienst des Standortservice Roth Durchführung eines mehrtägigen Ver- kunftsgestaltung. Anschließend führ- referierte zu diesem wichtigen Thema. Beispielhaft und sehr transparent ver- mittelte sie diese für die soziale und materielle Absicherung unser aller Zu- kunft so wichtige Thematik. Der Samstag begann mit einem Morgenlob und setzte sich, geleitet durch Pater Johannes Jeran mit der Thematik „Gott ist immer für Überra- schungen gut“ fort. Die anspruchsvolle Die Teilnehmer während der Stadtbesichtigung Thematik führte zu einer kontrovers ge- führten Diskussion die noch mehrmals anstaltung versehen, stellte dazu den te uns Frau Ursula Gölzen durch die an anderer Stelle aufgegriffen wurde. häuslichen Rahmen. Die Leitung des alte Patrizierstadt Nürnberg (Bild). In Am programmfreien Abend trafen sich Seminars lag in den bewährten Hän- bewährter Weise standen nicht nur Da- alle Teilnehmer im Heilig Geist Stift. den von Prof. Dr. Heimo Ertl, unter- ten und Fakten an sondern auch viele Ein gemeinsames Abendessen sollte es stützt durch Pater Johannes Jeran SJ, kleine Episoden zur Geschichte der werden. Zu später Stunde verließen wir der dazu eigens aus Dresden angereist Stadt Nürnberg. Prof. Dr. med. Thomas als letzte Gäste den „Barfüßer“, eine war und durch OStFw a. D. Friedrich Ebert referierte anschließend aus der traditionsreiche Hausbrauerei im Kel- Mirbeth als Vertreter der GKS. ärztlichen Sicht zum Thema des „Älter ler der Nürnberger Mauthalle. Manch So starteten wir nach der offiziel- werden – nichts für Feiglinge“. Gesund ein Teilnehmer hatte schon lange nicht len Begrüßung durch OStFw a. D. Jo- gestorben wird mit maximal Lebens- mehr so befreit gelacht, besonders un- hann Schacherl, dem Haushaltsbeauf- jahren, wer mehr und länger will muss sere Damen beförderten die Stimmung tragten der GKS, mit dem durch den auch die kleinen alltäglichen Zipper- zu immer wieder neuen Höhen. Hier Bayerischen Rundfunk produzierten leins ertragen können. Fakten, Hinter- entstand auch der feste Wille sich un- Fernsehfilms „Caritas Pirckheimer, gründe und Einsichten zum körperli- bedingt wieder zu treffen und Erfah- die starke Frau von Nürnberg“ und chen Älter werden ergänzten sich bis- rungen auszutauschen. Alle sind schon hatten damit unmittelbar den thema- weilen mit launigen Geschichten aus heute darauf gespannt. tischen Kontakt zum Haus und sei- dem reichhaltigen Erfahrungsschatz Der Sonntag begann dann noch ner Umgebung hergestellt. Nach dem eines erfahrenen Mediziners. einmal mit einem ernsten Thema. „Vor- Abendessen und vor dem geselligen Der nächste Tag begann mit einer sorgevollmacht, Betreuungs- und Pati- Ausklang des Tages fand dann noch Eucharistiefeier in der stimmungsvol- entenverfügungen“ standen im Mittel- eine etwas andere Art der Vorstellung len Hauskapelle des Hauses. Eigens punkt. Prof. Dr. Ertl machte die Teil- der Teilnehmer statt. Die für Solda- dazu angereist war der stv Ltd MilDe- nehmer bisweilen launig aber auch ten gewohnte Aneinanderreihung von kan Alfons Hutter. Leider hatte er an stets plastisch, deutlich diese jeder- Name, Dienstgrad, wo komm ich her, diesem Tag einen mehr als gefüllten mann betreffende Thematik nicht auf wo und was war ich bisher, was mache Terminplan. So reichte es nur zu ei- die lange Bank zu schieben. Nach dem ich… wurde dabei ersetzt durch eine nem kurzen Frühstücksplausch. Prof. Mittagessen blieb leider nur noch „vie- Auswahl von Bildern. Aus einer gro- Dr. Ertl las anschließend die Kurzge- len Dank und Lebewohl“ zu sagen. Ver- ßen Auswahl von Fotografien wurde schichte „Reisender ohne Fahrkarte“ bunden damit war für die Teilnehmer ein oder auch mehrere Bilder individu- von Rudolf Otto Wiemer. Ein Reisen- der feste Wille „ wir sehen uns wie- ell ausgewählt und anschließend der der findet sich in einem Zug für den der und tauschen unsere Erfahrungen Gruppe interpretiert. So wurden nicht er keine Fahrkarte benötigt. Während aus“. ❏ nur Namen und Fakten preisgegeben, der Fahrt stellt er dann entsetzt fest, (Text: Fritz Mahn, es entstand auch ein erster Eindruck dsas er diesen Zug nicht mehr verlas- Foto: Uwe Sämann)

26 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Katholische Akademikerarbeit Deutschlands XXV. Forum und Mitgliederversammlung

VON BERTRAM BASTIAN

m 10. November 2012 fand che Herrschaft war nicht mehr länger „passendes“ Modell herauszusuchen, Adie Mitgliederversammlung moralisch gerechtfertigt und „gottge- das er selbst dann auch moderieren der Katholischen Akademikerarbeit wollt“, zumindest nicht im ursprüng- könne. Selbst in der Katholischen Deutschlands in Bonn im Haus des lichen Maße. Diese Trennung mit der Kirche habe mit den Glaubensge- katholischen Studentenverbandes Ri- Verlagerung des Religiösen in den Pri- meinschaften eine „Binnenpluralisie- puaria statt. Im davor stattfindenden vatbereich war ein „schleichender“ rung“ eingesetzt, die dazu beitragen XXV. Forum hielt Prof. Dr. Patrik Hö- Prozess, der in den 60er Jahren des würde, dass das Feld des Religiösen ring1 den Vortrag: „Jeder ein Sonder- vergangenen Jahrhunderts erheblich heute ein bunter Markt sei, der um fall? – Wie Menschen heute glauben“. an Dynamik zulegte. Waren in den die Gläubigen werben müsse, trug Der Tag der Mitgliederversamm- 50er Jahren noch Schlangen vor den Patrik Höring vor. Diese Binnenplu- lung begann mit einer Heiligen Messe Beichtstühlen, um sich auf das Oster- ralisierung sei in anderen Religionen in der Kirche St. Sebastian in Bonn, fest vorzubereiten, so seien es heute genauso vorhanden, so Höring wei- welche die erschienenen Teilnehmer die Schlangen vor den Supermarkt- ter. Dabei würden religiöse Rituale mit Pater Niccolo Steiner SJ vom Alo- kassen, welche die Zeit vor Feierta- von den sinn-suchenden Menschen isius Kolleg feierten. Prof. Höring gen prägten. Dies solle als Beispiel nach Bedarf ausgewählt, nicht we- hielt danach den Festvortrag. Seinen genügen, wie sehr früher der Alltag gen einer persönlichen Bindung an Festvortrag begann Prof. Höring mit durch die Religion geprägt gewesen eine Gemeinschaft, trug der Redner der bekannten Antwort des damali- sei und wie bestimmend die Kirche vor und schilderte Beispiele aus der gen Kardinals Ratzinger auf die Frage auftrat, wohingegen heute die Kon- Praxis, in denen kirchenferne Men- des Journalisten Peter Seewald „Wie sumtempel die Anlaufstellen seien. schen sich Rituale wünschten, weil viele Wege gibt es zu Gott?“ Ratzin- Auch die Durchmischung der Bevöl- diese „so cool“ seien. Wie im Super- ger gab ihm zur Antwort: „Soviel wie kerung Deutschlands nach dem Zwei- markt, so suche der heutige Mensch, es Menschen gibt!“ Dies gelte für die ten Weltkrieg habe dazu geführt, dass sich das ihm passende heraus. persönliche Suche nach Gott, wie für die Grenzen zwischen den Konfessi- die je unterschiedliche Art und Wei- onen durchlässiger und im Erleben Individualisierung se Glauben zu praktizieren. Höring des Einzelnen nahezu unkenntlich rof. Höring führte aus, dass die beschränkte sich daher auf die deut- geworden sind. Nach 1968 vollzog Pgeschilderten Phänomene zwangs- sche Glaubenslandschaft. Tatsache sich mehr und mehr der Wandel von läufig Individualisierung ermöglich- sei, dass nach der Wiedervereinigung der „Gnadenanstalt Kirche“ zu einer ten und erforderten. In einer plura- die Anzahl der Menschen geringer „Sozialanstalt“, auch auf dem Hinter- len Welt der Weltanschauungen müs- wurde, die sich als religiös gebunden grund zunehmender Professionalisie- se man sich entscheiden, aber ent- bezeichneten. Dieser Trend sei ebenso rung (aufgrund sprudelnder Kirchen- scheiden berge zugleich die Gefahr im Parlament vertreten, in dem sich steuereinnahmen). Doch auch diese des Scheiterns. Also zeige man sich heute nur noch 59 % der Abgeordne- Form von Kirche komme an ein Ende. mehrseitig und lege sich zumeist nicht ten als Christen bezeichneten, 35 % Während der Kirchenaustritt weitge- mehr fest. Ja, angesichts der Komple- keine Angaben machten, gleichwohl hend als normal angesehen würde, die xität heutiger Zusammenhänge könne aber nur 4,3 % explizit als religions- Zahl der Gottesdienstbesucher sich man sich auch kaum noch festlegen. los bekannten. Der Redner machte auf einem niedrigen Niveau stabili- Was früher als gut und richtig angese- für diese Veränderung drei Phänome- sierte, sei hingegen die Anzahl der hen wurde, ist heute abzulehnen. Zu ne verantwortlich: die Säkularisation, Sakramentenspendungen (zunächst) erinnern sei etwa an den Umgang mit die Pluralisierung und die Individu- annähernd gleich geblieben. Es gäbe der Kernenergie. Wer sagt uns heute, alisierung. nicht unbedingt ein weniger an Reli- dass diese oder jene Entscheidung giosität, sondern die Menschen such- Morgen sich nicht als fatal heraus- Säkularisation ten neue Wege der Religiosität und stellt? Fazit: Wer sich festlegt, kann nter der napoleonischen Herr- würden dabei die Angebote der Kir- scheitern. Das kann auch zur Über- Uschaft wurde die weltliche von che nur noch als eine unter anderen forderung werden, sodass manche, der religiösen Herrschaft getrennt. wahrnehmen. denen die Wahl zur Qual geworden Die Kirchen und Klöster wurden ent- sei, sich fundamentalistischen Grup- eignet, aber wichtiger noch, die weltli- Pluralisierung pen oder extremen politischen Orien- icht erst durch die Globalisierung tierungen anschlössen. Prof. Höring: 1 Patrik Höring ist Professor an der Phil.- Nwürden heutzutage viele Religio- „Man flüchtet sich vor Entscheidun- Theol. Hochschule der Steyler Missio- nen in einem Stadtbild sichtbar. Da- gen und unterwirft sich Entscheidun- nare in Sankt Augustin und Mitarbeiter in der Abteilung Jugendseelsorge des durch bekomme der Suchende die gen anderer“. Zum Schluss seines Erzbistums Köln. Möglichkeit, sich aus der Vielfalt ein Vortrages konfrontierte Prof. Höring

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 27 RELIGION UND GESELLSCHAFT die Zuhörer noch mit drei Thesen zu sich nahezu von allein das Gesicht 2. Vizepräsidentin und Schatzmeiste- diesem Gebiet: katholischer Verbände verändern. In rin Elke Peters und dem Bericht des Religiöse Vielfalt führe zu einem jedem Fall bildeten sie ein ganz ei- Kassenprüfers wurde der Vorstand „Mehr“ an Religiosität genes, unersetzbares Lern- und Er- entlastet. Die Neuwahlen ergaben fol- Religiöse Vielfalt relativiere die fahrungsfeld von Kirche in der Welt gende Zusammensetzung des Präsidi- eigenen religiösen Überzeugungen von heute. ums: zum Präsidenten wurde Bertram Religiöse Vielfalt führe zu einer Eine lebhafte Diskussion schloss Bastian gewählt, 1. Vizepräsident Hu- Verschmelzung verschiedener religi- sich den Ausführungen des Vortragen- bertus Wübken wurde bestätigt, eben- öser Überzeugungen den an. Dabei wurde deutlich, dass so die 2. Vizepräsidentin und Schatz- die „Amtskirche“ hier auch keinen meisterin Elke Peters. Als Beisitzer ie erste These sei in Deutsch- Königsweg bereit hält, denn in den wurden gewählt: Mechtild Kerckhoff, Dland durch die anfangs genann- Diözesen werde sehr unterschiedlich Dr. Patrik Höring, Hermann-Josef ten Zahlen zu widerlegen: Die Vielfalt reagiert. Der Priestermangel sei kei- Grossimlinghaus. Im weiteren Ver- an Religionen, wie sie vor allem in den ne ausreichende Begründung für den lauf der Mitgliederversammlung lag Städten erlebbar sei, gehe einher mit Zustand der Kirche. Die Bedeutung der Schwerpunkt der Beratungen auf einer hohen Zahl an Religionslosen. der Orden und der Verbände für die den Salzburger Hochschulwochen, die Die zweite These träfe daher eher Erneuerung der Kirche war bei allen in diesem Jahr durch den Preisträger zu, wobei einzuräumen sei, dass die Teilnehmern unumstritten. und verschiedene Referenten einige Freiheitsgrade in den Städten größer Unruhe hervorgerufen hatten. Einig seien als auf dem Land, so dass nicht ach dem gemeinsamen Mittages- war man sich darin, dass die Veran- allein die Vielfalt religiöser Angebo- Nsen eröffnete Hubertus Wübken, staltungen auf keinen Fall „stromli- te die Ursache für diese Situation sei. der 1. Vizepräsident in Wahrnehmung nienförmig“ sein sollten, sie sollten Die dritte These schließlich ließe sich der Aufgaben für den erkrankten Prä- Anlass zu Diskussion und Reflexi- ebenfalls bestätigen, führe religiö- sidenten Dr. Wolfgang Burr, die Mit- on sein. Im nächsten Jahr finden die se Vielfalt doch tatsächlich in vielen gliederversammlung der Katholischen Salzburger Hochschulwochen vom Fällen zu sogenannten „Patchwork- Akademikerarbeit Deutschlands. Der 29.07. bis 4.08.2013 unter dem Mot- Religionen“. Bericht des amtierenden Präsiden- to „Gefährliches Wissen“ statt. ❏ Als Schlussfolgerung verglich ten beschäftigte sich mit der zweiten Höring die katholische Verbandsar- Veranstaltung des Dialogprozesses bild „Vielfalt als Bereicherung erleben“ „Gesellschaftliche Pluralität – Vielfalt beit mit einem Biotop, in dem sich in Hannover. Hier seien gute An- und Einheit des Katholischen“ von Bi- Gleichgesinnte und Suchende, Über- sätze sichtbar gewesen, die optimis- schof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen) zeugte und zufällig Hineingeratene tisch stimmen würden, führte Wübken und der Impuls zum Zukunftsbild „Den träfen, die in lebendigem wechselsei- aus2. Nach dem positiven Bericht der Menschen nah sein“ „Diakonisches und pastorales Wirken in der Kirche“ von tigen Prozess auch das Verbandsprofil 2 Zum besseren Verständnis des Dialog- Bischof Dr. Franz-Josef Bode (Osna- weiterentwickeln könnten. So werde prozesses ist der Impuls zum Zukunfts- brück) nachfolgend abgedruckt

Gesprächsforum „Zivilisation der Liebe“ „Gesellschaftliche Pluralität – Vielfalt und Einheit des Katholischen“

VON BISCHOF DR. FRANZ-JOSEF OVERBECK (ESSEN)1

nsere Kirche hat große Aus- ten im Supermarkt. Die Menschen ren festgelegt wurde, kann ich heute „Ustrahlungskraft, wenn sie rücken im Zeitalter der Globalisie- selbst entscheiden. Vielfalt als Bereicherung erlebt.“ – rung und zunehmender Mobilität im- Vielfalt erweitert den Horizont; So ist im vergangenen Jahr in Mann- mer enger zusammen und nehmen Vielfalt erfordert Toleranz; Vielfalt heim ein Zukunftsbild beschrieben sich dabei in ihrer Vielfältigkeit und verlangt aber auch meine eigene Ent- worden, mit dem wir jetzt hier in Han- Viel- Gesichtigkeit stärker als früher scheidung und Entschiedenheit. nover weiter arbeiten wollen. wahr. Im Internet, in sozialen Netzen Im Bereich des Religiösen stellt Wir leben in einer bunten und können wir mit unzähligen „friends uns die Pluralität vor große Heraus- vielfältigen Welt. Die Möglichkeiten, and followers“ täglich mehrere Stun- forderungen. Wie kann ich im bun- unter denen ich wählen kann, nehmen den intensiven lebendigen Austausch ten Reigen der unterschiedlichsten ständig zu, nicht nur bei den Fernseh- erleben. Unser Leben, unser Zusam- Sinnanbieter den wahren Sinn des Le- programmen oder den Produktpalet- menleben wird geprägt von einer Viel- bens entdecken? Als Katholiken spü- falt von Lebensentwürfen, Weltan- ren wir, dass wir weniger werden. Un- 1 Impuls zum Zukunftsbild „Vielfalt als Bereicherung erleben“, gehalten am 14. schauungen, Kulturen und Religi- sere Stimme ist nur eine unter vielen. September 2012 in Hannover onen. Was früher einmal von ande- In manchen Schulklassen sind katho-

28 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 RELIGION UND GESELLSCHAFT lische Kinder und Jugendliche die (Redemptor hominis 14). Der univer- gebracht und zeitgemäßer gestaltet kleinste Minderheit. Kann ich mein salen Sorge Gottes um jeden Men- werden kann.“ Christsein noch konsequent leben, schen muss auch die universale Sorge Nicht zu verschweigen ist jedoch, wenn ich sehe, wie Menschen mit an- der Kirche um die gesamte Mensch- dass Pluralität auch zu Fragmentie- deren religiösen Überzeugungen oder heit in ihrer Vielfalt entsprechen. rung und Orientierungslosigkeit füh- ganz ohne Glauben an Gott ihr Leben Pluralität ist also etwas, vor dem ren kann. Die Vielfalt auf der einen scheinbar problemlos gestalten? wir uns nicht fürchten müssen. Die Seite benötigt die Einheit auf der an- Pluralität, Vielfalt hat etwas unge- plurale Gesellschaft ist der Kontext, deren Seite. Und genau das ist der mein Faszinierendes, aber auch etwas in den hinein sich heute die Kirche Beitrag, den unsere Kirche mit der sehr Herausforderndes. Wachsende inkulturiert. Wir dürfen uns als Kir- ihr eigenen Erfahrung von Vielfalt Pluralität macht es schwer, den Über- che nicht abschotten von der Welt, und Einheit für die plurale Gesell- blick zu behalten. Wie soll ich mich wie wir sie vorfinden. Es gibt keine schaft leisten kann. Die Kirche ver- entscheiden, wenn ich gar nicht alles Sonderwelt für die Kirche, sondern steht sich als „Sakrament, das heißt kennen lernen und prüfen kann? Wie nur die, in der wir leben. [als] Zeichen und Werkzeug für die kann ich im Wirrwarr der Stimmen Die plurale Gesellschaft fordert innigste Vereinigung mit Gott wie für und Meinungen das Wahre finden, von uns Christen ein klares und ent- die Einheit der ganzen Menschheit“ das mich zum Glück führt? Gibt es schiedenes Bekenntnis. Die plurale (Lumen Gentium 1). Das bedeutet, in einer pluralen Welt noch Verbind- Gesellschaft zeigt uns in besonderer dass die Kirche ihre Aufgabe genau lichkeit und Festigkeit oder führt Plu- Weise die Vielseitigkeit und Größe darin sieht, die Einheit der Menschen ralität unweigerlich zur Beliebigkeit? des Menschen und damit die Würde, durch die Einheit der Kinder Gottes Wo in der pluralen Gesellschaft bleibt mit der uns der Schöpfer ausgestattet zu stärken. der Mensch mit seiner Sehnsucht nach hat. Die plurale Gesellschaft ist die Der Bund, den Christus mit sei- Halt und Schutz? Einladung an uns Christen, auf im- ner Kirche geschlossen hat, stellt eine Nun ist Vielfalt für uns Katholi- mer wieder neue Weise die Botschaft verlässliche Beziehung dar, die uns ken eigentlich gar nichts Neues. Von von der Liebe Gottes zu verkünden. Christen Kraft und Halt verleiht, um Anfang an hat sich unsere Kirche Das Zweite Vatikanische Konzil der pluralen Gemeinschaft der Men- in Vielfalt entwickelt: Die Apostel hat im Artikel 44 der Pastoralkon- schen zu Aufbau und Festigung zu konnten unterschiedlicher gar nicht stitution mutig formuliert, was die verhelfen. Die Kirche versteht sich sein. Und jeder hat auf seine Weise Kirche von der heutigen Welt – und als eine Einheit in Vielfalt. das Wort des Evangeliums weiterge- damit auch von ihrer Pluralität – ler- Da die Kirche kraft ihrer Sendung geben. Schon sehr schnell kam das nen kann. Lassen Sie mich drei Sät- und Natur an keine besondere Form Christentum mit unterschiedlichen ze zitieren: menschlicher Kultur und an kein be- Kulturen und Denkweisen zusammen. „… die Reichtümer, die in den sonderes politisches, wirtschaftliches Wir kennen ja die frühen Auseinan- verschiedenen Formen der mensch- oder gesellschaftliches System ge- dersetzungen zwischen den jüdisch lichen Kultur liegen, durch die die bunden ist, kann sie kraft dieser ih- und griechisch geprägten christlichen Menschennatur immer klarer zur Er- rer Universalität ein ganz enges Band Gemeinden. scheinung kommt und neue Wege zur zwischen den verschiedenen mensch- Die Gemeinschaft der Christen Wahrheit aufgetan werden, gereichen lichen Gemeinschaften bilden (vgl. ist keineswegs eine homogene Masse. auch der Kirche zum Vorteil.“ Gaudium et spes 42). Wir bekennen uns im Credo zwar zu „Zur Steigerung dieses Aus- Wo Unverbindlichkeit, Beliebig- der „einen“ Kirche; allerdings ist un- tauschs [zwischen der Kirche und keit und Orientierungslosigkeit dro- sere Kirche alles andere als ine „Ein- den verschiedenen (…) Kulturen] be- hen, bringen Christen den Wert ver- heitskirche“. Die katholische Kirche darf die Kirche vor allem in unserer lässlicher Beziehungen, das Verbin- präsentiert sich heute als eine welt- Zeit mit ihrem schnellen Wandel der dende und Verbindliche, Halt und umfassende Gemeinschaft von Orts- Verhältnisse und der Vielfalt ihrer Orientierung, die allesamt aus der kirchen. Der Papst hat die schwierige Denkweisen der besonderen Hilfe Verlässlichkeit der Gottesbeziehung Aufgabe des Dienstes an der Einheit der in der Welt Stehenden, die eine herrühren, in die plurale Gesellschaft der Kirche. Nicht nur unterschied- wirkliche Kenntnis der verschiedenen ein. liche Sprachen und Kulturen, auch Institutionen und Fachgebiete haben Die Vielfalt innerhalb der Kir- unterschiedliche Liturgien, Theolo- und die Mentalität, die in diesen am che selbst ist ein Geschenk des Hei- gien, Mentalitäten und Zivilisatio- Werk ist, wirklich verstehen, gleich- ligen Geistes, der die Menschen mit nen prägen das vielfältige Bild unse- gültig, ob es sich um Gläubige oder unterschiedlichen Begabungen und rer Kirche, oft sogar auch in unseren Ungläubige handelt.“ Charismen ausstattet. Diese verschie- Gemeinden vor Ort. „Da die Kirche eine sichtbare ge- denen Begabungen gilt es in gegen- Und immer geht es um den Men- sellschaftliche Struktur hat (…), sind seitiger Ergänzung für die Kirche, schen, wie, wo und wann auch immer für sie auch Möglichkeit und Tatsa- für die Gesellschaft fruchtbar zu ma- er lebt. Der selige Papst Johannes che einer Bereicherung durch die chen. Im ersten Petrusbrief des Neu- Paul II. hat in seiner Antrittsenzyklika Entwicklung des gesellschaftlichen en Testamentes heißt es unter der den programmatischen Satz geprägt: Lebens gegeben, (…) weil sie so tie- Überschrift „Rechtes Verhalten in der „Der Weg der Kirche ist der Mensch“ fer erkannt, besser zur Erscheinung Welt“: „Dient einander als gute Ver-

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 29 RELIGION UND GESELLSCHAFT walter der vielfältigen Gnade Gottes, Ehemoral erweist; sie hat jene Werte che wahrzunehmen. Wir müssen neu jeder mit der Gabe, die er empfangen zu erschließen, die in den Sinnbezü- entdecken, was die Verantwortung der hat“ (1 Petr 4,10). gen menschlicher Geschlechtlichkeit Getauften und Gefirmten für unsere Ich möchte im Folgenden noch ei- angelegt sind und zum Ausdruck kom- Kirche bedeutet. nige Aspekte von Vielfalt benennen, men“ (Kath. Erwachsenenkatechis- Vor allem aber müssen wir das die für uns als Kirche eine besondere mus, Zweiter Band, 343). Miteinander von Frauen und Män- Herausforderung darstellen: Mit ihrer Wertschätzung von Lie- nern im Leben und Wirken der Kirche Da denke ich zunächst an die be und Sexualität will die Kirche den bedenken. Wir Bischöfe und Priester Pluralität der Lebensverhältnisse und Menschen in ihren unterschiedlichs- geben der Kirche ein männliches An- Lebensformen: Wenn auch für die ten Lebensweisen Halt und Orientie- gesicht. Um aber überzeugender unse- Mehrzahl der Bevölkerung die Ehe rung geben. Sie „will mit Menschen, ren Dienst für die Welt wahrnehmen noch ein hohes und erstrebenswertes die in nichtehelichen Gemeinschaf- zu können, müssen wir der Kirche Gut darstellt, wird sie aber von vielen ten leben, im Gespräch bleiben oder auch ein weibliches Angesicht ver- nicht mehr als einzig gültige Form von Verbindung mit ihnen halten“, damit leihen. Wir müssen darüber nach- Partnerschaft angesehen. Die wach- sie „nicht durch harte Urteile aus denken, welche Leitungsfunktionen sende Zahl nichtehelicher Lebensge- dem Lebensraum der Kirche ausge- in unserer Kirche – die nicht an die meinschaften wird in zunehmendem stoßen werden, sondern im Rahmen Weihe gebunden sind – verstärkt von Maß von der Gesellschaft akzeptiert. des Möglichen zum Mitleben mit der Frauen wahrgenommen werden kön- Die von der Kirche verkündeten Ori- Kirche ermutigt werden“ (vgl. Kath. nen und diese dann auch darin fördern entierungen zu Geschlechtlichkeit Erwachsenenkatechismus, Zweiter und unterstützen. Wenn wir in unse- und Ehe finden in der Vielfalt unter- Band, 383). re Pfarreien und Verbände schauen, schiedlicher Anschauungen und The- Ich möchte noch auf einen wei- stellen wir immer wieder fest, wie sehr orien über Sexualität und Ehe weni- teren Aspekt von Vielfalt zu spre- das Leben der Kirche doch von Frauen ger Gehör. chen kommen, der zunächst eine bin- getragen wird. Es sind häufig beson- Eine besondere Form nichteheli- nenkirchliche Angelegenheit zu sein ders die Frauen, die ihre Kreativität cher Lebensformen stellt die gleichge- scheint, aber bei genauerem Hinsehen und Weisheit, ihr tatkräftiges Enga- schlechtliche Partnerschaft dar. Wenn eine große Bedeutung für den Weltauf- gement und solidarisches Vermögen die Kirche diese Lebensform zwar trag der Kirche besitzt. Es geht um die zum Wohle aller als Glaubenszeugnis nicht als Institution anerkennen kann, Vielfalt von Charismen und Diensten der Kirche einbringen. verbietet die Kirche jegliche Diffa- in der Kirche. „Unsere Kirche hat große Aus- mierung und ungerechte Zurückset- Wir sind auf der Suche nach ei- strahlungskraft, wenn sie Vielfalt als zung gleichgeschlechtlich veranlagter nem neuen Miteinander von Pries- Bereicherung erlebt.“ – Das ist kein Menschen und fordert Achtung und tern und Laien oder – um mit der utopisches Zukunftsbild, sondern be- seelsorgliche Unterstützung für sie. Kirchenkonstitution des Konzils zu reits Wirklichkeit, die wir uns bei den Aufgabe der Kirche ist es, „im sprechen – nach einem neuen Mitein- Gesprächen heute und morgen be- Geist des Evangeliums die Botschaft ander von „Priestertum des Dienstes“ wusst machen sollten. Dabei wollen von der Beziehung der Geschlech- und „gemeinsamem Priestertum“ der wir bedenken, wie wir die Vielfalt als ter so zu verkünden, dass sie sich Getauften. Wir müssen neu lernen, Beitrag für eine Zivilisation der Liebe als menschenfreundliche Sexual- und was es heißt, Leitung in unserer Kir- fruchtbar machen können. ❏

Gesprächsforum „Zivilisation der Liebe“ „Diakonisches und pastorales Wirken in der Kirche“

VON BISCHOF DR. FRANZ-JOSEF BODE (OSNABRÜCK)1

nsere Kirche hat große Aus- ein entscheidendes Stichwort einer Magna Charta, besonders ihre Prä- „Ustrahlungskraft, wenn sie den Pastoral, die Menschen weder falsch ambel: „Freude und Hoffnung, Trauer Menschen nahe ist.“ So haben wir es vereinnahmen noch in ein Desinter- und Angst der Menschen von heute, im vergangenen Jahr in Mannheim esse an deren existenziellen Fragen besonders der Armen und Bedrängten für die Zukunft unserer Kirche for- abgleiten will. Auf vielfältige Weise aller Art, sind auch Freude und Hoff- muliert. Nähe zum Menschen aus der greift die Heilige Schrift diese Wirk- nung, Trauer und Angst der Jünger Nähe zu Gott und Nähe zu Gott aus lichkeit auf (vgl. Mk 1,15; Eph 2,13; Christi.“ Weniger häufig zitiert wird der Nähe zum Menschen. „Nähe“ ist Lk 10,25-37; Jak 4,8). der zweite Satz: „Und es gibt nichts Für diese Nähe ist die Pastoral- wahrhaft Menschliches, das nicht in 1 Impuls zum Zukunftsbild „Den Menschen nah sein“, gehalten am 14. konstitution „Gaudium et spes“ des ihren Herzen seinen Widerhall fände September 2012 in Hannover Zweiten Vatikanischen Konzils die (resonare)“ (GS 1). Hier wird deut-

30 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 RELIGION UND GESELLSCHAFT lich: Nicht nur unsere Botschaft soll Caritas verwirklichen sich in lokalen Priestern, Diakonen und Laien, von bei den Menschen Resonanz finden, Bezügen (in Klöstern, Bildungshäu- Hauptamt und Ehrenamt und allen sondern auch die Menschen sollen in sern, sozialen Einrichtungen …). Vie- Formen freiwilligen Dienstes wird ihrem Fragen und Suchen Resonanz les ist temporal geprägt: Kirchliche differenzierter. Und so kann Kirche bei uns finden, so dass ein dialogi- Angebote werden zu bestimmten Le- auch differenzierter auf die Lebens- sches Geschehen in Gang kommt, das benszeiten oder vorübergehend zum situationen von Menschen reagieren. stark vom gegenseitigen Hören und Beispiel in der Passanten- und Ci- Nähe zu den Menschen wird konkret Wahrnehmen geprägt ist. Es geht um typastoral wahrgenommen. Ein neu- bis in die vielfältigen Lebenssituatio- eine Pastoral des hörenden Herzens es Feld tut sich auf im medialen Be- nen mit Brüchen, Entfremdungen und (vgl. 1 Kön 3,9), eines Herzens aus reich, in social communities und in Scheitern und in die Verschiedenheit Fleisch und nicht aus Stein (vgl. Ez der sich ständig erweiternden Welt der Lebensformen hinein. Hier sind 11,19) und in diesem Sinn um Pastoral der elektronischen Medien. Und auch die Grundbegriffe unseres Treffens einer Barmherzigkeit, die Maß nimmt die globale Dimension, die Erfahrung in Mannheim entscheidend: commu- an der Barmherzigkeit Gottes. „Seid weltweiter Kirche in Großereignissen nicatio in echtem Dialog, compassio barmherzig, wie euer Vater im Him- („Events“), ist nicht zu unterschät- in hoher Sensibilität und Wahrneh- mel barmherzig ist“ (Lk 6,36). zen. Diese Vielortigkeit und Vielge- mungskraft für die existenziellen Fra- In seinem Schreiben zum Jahr des staltigkeit ist nicht immer ideal, sie gen der Menschen, und participatio in Glaubens spricht Papst Benedikt von bringt viele Herausforderungen für der wirklichen Teilhabe und Teilga- der Kirche als „sichtbarer Gemein- den Dienst an der Einheit mit sich. be am gemeinsamen Priestertum der schaft seiner [Jesu] Barmherzigkeit“ Aber sie ist vital und für die Zukunft Getauften. (Porta fidei 15). der Kirche lebensnotwendig, vor al- Solche Pastoral muss durchdrun- Dem entsprechend ist alles dafür lem in ihrem Miteinander von Caritas gen sein von den Grunddimensio- zu tun, dass sich Menschen mit dem, und Pastoral. Gerade in diesem Zu- nen, die Papst Paul VI. schon 1975 was ihr Leben prägt, mit Gelingen und sammenwirken von Pastoral und Cari- (zehn Jahre nach dem Zweiten Vati- Scheitern, mit Höhen und Abgründen tas sind in den letzten Jahren wichtige kanischen Konzil) in dem Apostoli- von den Christen, von der Kirche an- Initiativen und gute Projekte entwik- schen Schreiben „Evangelii nuntia- genommen fühlen; vor allem in ihrem kelt worden. ndi“ zur Evangelisierung in der Welt Menschsein, wie es von der Ebenbild- Im Blick auf die großen Seelsor- von heute herausgestellt hat: Zeug- lichkeit Gottes her in seiner Freiheit geeinheiten von heute ist mir wichtig, nis des Lebens, ausdrückliches Wort, und Würde bestimmt ist. dass sie nicht riesig vergrößerte Zen- Zustimmung des Herzens, konkrete Dies verlangt eine Pastoral und tralpfarreien nach dem Modell der tra- Gemeinschaft, Zeichen und Symbo- Caritas, die den komplexen Lebensla- ditionellen Pfarrei sind, sondern ein le, Aufbruch und Vollzug – LEBEN / gen und Lebenssituationen der Men- lebendiges und durchlässiges Netz- WORT / HERZ / GEMEINSCHAFT schen heute gerecht werden. Sowohl werk bilden mit verschiedenen Kno- / ZEICHEN / AUFBRUCH sind Zu- Pastoral als auch Caritas vollziehen tenpunkten durch unterschiedliche gänge und Schritte, die nicht nur li- sich in vielfältigen Gestalten und an Orte und Gemeinschaften. near ein Weg, sondern in ihrem viel- unterschiedlichen Orten; in einer Solche großen Netzwerke, die sich fältigen Zusammenspiel Kerngestalt Vielfalt, wie sie vielleicht noch nie heute in die Weite spannen, dürfen einer missionarischen Pastoral sind. in der Kirchengeschichte gefordert auf keinen Fall der Nähe und der Tie- Dabei bleibt die Spannung, dass die war. Sind doch die Menschen heute fe entbehren: der Nähe zu den Men- christliche Botschaft nicht nur bestä- mehr denn je geprägt von einer span- schen vor Ort durch konkrete Gesich- tigend, sondern auch herausfordernd nungsvollen und zugleich bereichern- ter und der Tiefe ihrer inneren Bezie- ist, dass sie sich an dem Suchen der den Pluralität sowie einem hohem hung zu Gott. Menschen orientiert und doch auch zu Freiheitssinn. Ohne diese untrennbare Weite, Zielen findet, die über das menschlich Pastoral und Caritas orientieren Nähe und Tiefe in großen Pastoralen Gewünschte, Erdachte oder auch Zu- sich an territorialen/parochialen2 Zu- Räumen wird Kirche gesichtslos und sammengebastelte hinausgehen (die sammenhängen; die Zugehörigkeit nicht mehr erreichbar, sie wird der Begegnung Jesu mit der Samariterin durch den jeweiligen Lebensort spielt Zuwendung unfähig und erreicht die in Joh 4 ist ein Beispiel dafür). hier eine Rolle. Sie vollziehen sich in Menschen nicht mehr. In den Pasto- Ein sehr konkretes Feld, auf dem kategorialen Feldern (Krankenhaus, ralen Räumen ist daher das Zusam- sich eine Pastoral der Nähe zu bewäh- Gefängnis, Schule, Urlaub, Sport …), menwirken der kirchlichen Dienste ren hat, ist der Umgang mit wiederver- in den sozialen Lebensräumen und mit allen Charismen und Begabun- heirateten Geschiedenen. Die Kirche den persönlichen Lebenswelten der gen unerlässlich, um so „Christus in will und muss das Zeugnis der Treue Menschen. Die personale Dimension seiner vollendeten Gestalt“ darzustel- Gottes in der von Jesus verkündeten ist wichtig: Beziehungen, Gruppen len (Eph 4,7). Eine zentrale Aufgabe Unauflöslichkeit der Ehe bewahren und Gemeinschaften … Pastoral und der Hauptamtlichen und Hauptbe- als kostbares Gut, als sacramentum, ruflichen besteht darin, Charismen als heiliges Zeichen der einzigarti- 2 Parochial“ ist das, was zum Parochus zu entdecken und Ehrenamtliche zu gen und unverbrüchlichen Liebe Got- gehört. Der Parochus ist derjenige, der die Sakramente im Auftrag des Bischofs befähigen, zu begleiten und zu be- tes. Zugleich will und soll die Kirche darreicht (Priester, Pfarrer) auftragen. Das Zusammenspiel von aber immer wieder auch Zeichen der

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 31 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Barmherzigkeit Gottes setzen, des Got- terten Ehen, ob wiederverheiratet oder gottgewolltes und menschendienliches tes, der jedem Menschen, in welchem nicht, eine ganz neue Aufmerksamkeit Miteinander von Verkünden, Feiern Scheitern auch immer, eine neue Mög- geschaffen werden. Wenn dies gelingt, und Handeln (martyria, liturgia, diako- lichkeit anbietet. können wir auch die Frage der Zulas- nia) zu kommen. Dazu müssen wir uns Der generelle und dauerhafte Aus- sung zu den Sakramenten nicht über- der Vision und Mission einer Kirche schluss der wiederverheirateten Ge- gehen. Es geht um eine grundsätzliche stellen, die heute Gott und den Men- schiedenen vom Sakramentenemp- Frage an die Theologie und Spiritua- schen nahe sein will und ihr Zusam- fang erscheint vielen bis in die Mitte lität der Ehe. Zugleich ist alles zu tun menleben mit den Menschen von heute der Kirche hinein als eine untragba- für eine gute, intensive Vorbereitung so gestaltet, dass diese den Glauben re Konsequenz. Deshalb sind in den und Begleitung der Ehen: Hilfen aus sinnstiftend und erfüllend, kritisch vergangenen Jahrzehnten Anstrengun- dem Glauben, die der Verlässlichkeit und befreiend erleben können, sich gen in allen theologischen Disziplinen der Beziehungen dienen, gilt es zu ent- in der jeweiligen Lebenswirklichkeit gemacht worden, auf die Frage eines decken. Die positive Kraft des Glau- angenommen wissen und in Kirche Hinzutretens Wiederverheirateter zu bens, der Hoffnung und der Liebe sind ein Zuhause und echte Gemeinschaft den Sakramenten eine neue Antwort für das Gelingen einer Beziehung zu finden können. Wir wären damit in zu geben. Das kann und darf nicht nur erschließen. Die kirchlichen Ehebe- der Spur unseres Taufglaubens an den Reaktion auf die Menge der zerbro- ratungsangebote bieten wichtige Un- dreifaltigen Gott, der als der immer chenen Lebensbeziehungen sein – in terstützung für Paare. Schließlich ist Größere, als Vater und Schöpfer ge- Deutschland nehmen fast die Hälfte auch eine neue und mutige, differen- sucht und gefunden werden will, der aller Ehen diesen Weg. Auch dürfen zierte und vertiefte Auseinanderset- sich als der Sohn bis in die Abgrün- die Fragen nicht auf die Zulassung zung mit der Sexuallehre der Kirche de der Menschen herabgelassen hat zu den Sakramenten enggeführt wer- erforderlich. Sie geht von dem posi- und der als Heiliger Geist Gemein- den, wie es immer wieder geschieht. tiven Begriff ganzheitlicher Liebe im schaft in bereichernder Verschieden- Zuerst kommt es darauf an, dass es in christlichen Glauben aus. – Es ist mir heit schenkt. Und wir blieben so dem der Kirche für Menschen, deren Be- ein dringendes Anliegen, dass wir in Menschen auf der Spur, nach dem Gott ziehungen zerbrochen und gescheitert diesen Fragen vorankommen. – in Umkehrung des berühmten Augu- sind, einen authentischen Platz gibt. Unser in Mannheim begonnener stinus-Wortes – selbst ständig unruhig Wiederverheiratete sind nicht einfach Weg hat in der verheutigenden relec- auf der Suche ist, bis er ihn gefunden exkommuniziert, wie man oft denkt. ture des Zweiten Vatikanischen Kon- hat, um ihm näher zu bleiben, als der Also muss für Menschen aus geschei- zils eine große Chance, in ein neues Mensch es sich selbst ist. ❏

Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) Vollversammlung des ZdK

VON JOACHIM LENSCH1

raditionell fand die Herbstvoll- ken von Frauen und Männer in der den Vollversammlungen teilnehmen, Tversammlung (22./23. November Kirche“. Des Weiteren hat die Voll- ein akzeptierter und fester Bestand- 2012) des höchsten katholischen Lai- versammlung des Zentralkomitees der teil dieses Gremiums geworden sind. engremiums in Deutschland, des Zen- deutschen Katholiken hat am Freitag, Auch aus der Politik wurden nam- tralkomitees der deutschen Katholi- dem 23. November 2012, 45 Persön- hafte Einzelpersönlichkeiten gewählt ken (ZdK), in der Stadthalle in Bonn- lichkeiten als „weitere Mitglieder“ wie z.B. Prof. Dr. Maria Böhmer, Julia Bad Godesberg statt. für einen Zeitraum von vier Jahren Klöckner, Annegret Kramp-Karren- Das ZdK sprach über derzeit re- gewählt. bauer, Winfried Kretschmann, Armin levante Themen wie den Dialogpro- General a.D. Lather war einer von Laschet, Dr. Philipp Rösler, Dr. h.c. zess, „Christen und Muslime – Partner 80 Kandidaten-/innen, die sich zur Wolfgang Thierse. in der pluralistischen Gesellschaft“, Wahl stellten. Er wurde bereits im ers- „Nachhaltig wirtschaften und einkau- ten Wahlgang gewählt. Dies sehe ich Präsident Alois Glück berichtete fen“, Kürzungsbeschlüsse im Ent- als eine Wertschätzung seiner Person zur Lage wicklungshaushalt, Umgang mit wie- und auch seiner Arbeit im ZdK, auch räsident Glück blickte auf den Ka- derverheirateten Geschiedenen und als Mitglied im Hauptausschuss. Si- Ptholikentag in Mannheim 2012 zu- „Partnerschaftliches Zusammenwir- cherlich ist es auch ein Beweis dafür, rück und sprach von eindrucksvollen dass wir Vertreter des Katholikenra- Tagen. „Dieser Katholikentag hat eine 1 Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch tes (BG Blotz, OTL Assmuth, OSF lebendige, glaubensstarke und vitale ist einer der drei Vertreter des Katholikenrates beim Katholischen Lensch) und der Vertreter der GKS Kirche gezeigt, wir konnten Kraft und Militärbischof im ZdK (OTL Attermeyer), die in Uniform an Selbstbewusstsein für unsere Aufga-

32 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 RELIGION UND GESELLSCHAFT ben in Kirche und Gesellschaft schöp- – Die Diakonie in ihrer ganzen Viel- ben unterschiedlicher Weltanschau- fen“, so Glück. Der Katholikentag falt gehört zentral zum Wesen der ungen und Religionen in einer plura- war eine wichtige Station im Dialog- Kirche. Die Diakonie muss in das len Gesellschaft nicht immer friedlich prozess der katholischen Kirche in Leben der Gemeinden und Ge- und konfliktfrei verlaufe. So erinnerte Deutschland. Das wird auch für den meinschaften er an die an- 99. Deutschen Katholikentag 2014 in besser integ- tisemitischent Regensburg gelten. Auf Vorschlag der riert werden, ÜbergriffeÜ in Katholikentagsleitung hat der Haupt- es ist nicht dder Öffent- ausschuss das Leitwort „Mit Christus nur ein Spe- llichkeit, von Brücken bauen“ beschlossen. zialauftrag ddenen auch Präsident Glück lobte die positive an die orga- eine ehemaliges Eigendynamik des Dialogprozesses in nisierte Dia- MitgliedM des der katholischen Kirche. Dieser sei konie der Ca- Gesprächs-G nicht auf die der Bundesebene be- ritas. kreisesk „Juden grenzt, sondern in den Gemeinschaf- – Wir enga- undu Christen“ ten der Kirche und in den allermeis- gieren uns beimb ZdK, ten Diözesen angekommen. Spürbar gemeinsam RabbinerR Da- werde die Dynamik auch in der zu- als Kirche nieln Alter, be- nehmend angstfreien Gesprächs- und im Sinne der troffent war, Diskussionskultur. „Gemessen an der christlichen undu lenkte den Situation vor 2010 wird, so jedenfalls Sozialleh- BlickB auf die meine Beobachtung, weithin wieder re und der DDebatte über offener und ehrlicher miteinander besonderen dasd sogenann- geredet“, so Glück wörtlich. Das ist Tradition der tet Beschnei- eine Grundvoraussetzung, vor allen katholischen Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch, dungsurteil Sachfragen, damit unsere Kirche eine Kirche in Mitglied des ZdK des Kölner neue innere Lebendigkeit, ein gutes Deutschland Landgerichts. Miteinander und neue Ausstrahlung in den gesellschaftlichen und po- Auch die Verletzung religiöser und Anziehungskraft entwickelt. litischen Aufgaben unserer Zeit. Gefühle, unter anderem durch ei- Als positive Zwischenergeb- Das wichtigste Ergebnis in Han- nen, den Religionsstifter Mohammed nisse des Dialogprozesses würdigte nover sind die Selbstverpflichtungen verunglimpfenden Film, aber auch Glück das Dokument der Gemein- der einzelnen Gruppen. Das gilt für durch ehrverletzende Darstellung des samen Konferenz zum „Zusammen- die Bischofskonferenz, das gilt für Papstes, habe viele Gläubige pro- wirken von Charismen und Diens- die Laienverbände und all die ande- voziert. In manchen Fällen sei die- ten im priesterlichen, prophetischen ren Gruppierungen. se Provokation für den Aufruf zur und königlichen Volk Gottes“, und Mit großer Sorge sieht der Präsi- Gewalt instrumentalisiert worden. den Brief der deutschen Bischöfe an dent, dass die Neustrukturierung der So komme es, etwa im Fall von ge- die Priester in Deutschland. In die- Pfarrseelsorge weithin primär als eine waltbereiten Salafisten, zu einer po- sen Dokumenten werde die gemein- organisatorische Maßnahme auf der litischen Radikalisierung, die eine same Verantwortung aller Getauften Basis von Mangelverwaltung umge- Gefahr für die öffentliche Sicherheit hervorgehoben. „Diese beiden Doku- setzt werde. Notwendig sei aber eine darstelle. Zugleich entstehe auf die- mente können wegweisend und prä- „situationsbezogene Gemeindeent- se Weise in der Öffentlichkeit ein gend werden für eine der wichtigsten wicklung“. Für die allermeisten Gläu- verzerrtes Bild des Islam, der als Weichenstellungen der katholischen bigen ist aufgrund ihrer Erfahrungen Bedrohung und nicht als gesellschaft- Kirche in Deutschland in diesen Jah- mit der Kirche und dem kirchlichen liche Ressource wahrgenommen wird, ren, die künftige Seelsorgestruktur in Leben Kirche immer noch nur dort, obwohl in Deutschland das friedliche den Pfarreien.“ wo der Pfarrer ist. Hier ist ein tief- Zusammenleben der Angehörigen un- Eine weitere wichtige Station im greifender Kulturwandel notwendig. terschiedlicher Religionen die Regel Dialogprozess war das Treffen am sei. 14./15. September diesen Jahres in „Christen und Muslime – Partner „Diese drei Beispiele unterstrei- Hannover. Hier wurden mit der The- in der pluralistischen Gesellschaft“ chen die Notwendigkeit des interreli- menwahl durch die veranstaltende hristen und Muslime haben ge- giösen Dialogs. Er braucht unseren be- Bischofskonferenz und durch die Er- Cmeinsam den Auftrag unsere Ge- ständigen Einsatz. Es gibt vieles, das gebnisse drei wichtige Richtungsbe- sellschaft auf der Grundlage gemein- uns als Christen, Juden und Muslime stimmungen vorgenommen: samer Überzeugungen mitzugestalten. verbindet“, so Glück wörtlich. – Ja zur Vielfalt in unserer Kirche! Deshalb braucht der interreligiöse Vielfalt ist Reichtum und nicht Dialog unseren beständigen Einsatz. Kürzungsbeschlüsse Bedrohung. Wir sind eine gro- Präsident Glück verwies auf Erfah- im Entwicklungshaushalt ße Kirche, aber keine Einheits- rungen der letzten Monate, die deut- as Zentralkomitee der deutschen kirche. lich machten, dass das Zusammenle- DKatholiken (ZdK) fordert die Bun- AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 33 RELIGION UND GESELLSCHAFT desregierung und den Deutschen Bun- In einer verabschiedeten Erklä- geschiedene und wiederverheiratete destag auf, die Kürzungen im Entwick- rung mit dem Titel „Verantwortung für Gläubige leiden darunter, dass sie aus lungshaushalt zurückzunehmen. Der die Umsetzung der Menschenrechte wichtigen Bereichen der kirchlichen folgende Initiativantrag wurde von und Bewahrung der Schöpfung – öf- Gemeinschaft und insbesondere vom der ZdK-Vollversammlung am Freitag, fentliche und kirchliche Beschaffung Empfang der heiligen Kommunion dem 23. November 2012 mit überwäl- nach sozialen und ökologischen Kri- ausgeschlossen sind. Ihr Leiden ist tigender Mehrheit angenommen: terien“ ruft das ZdK staatliche und auch das Leiden der „Jünger Chris- Für die Wahrnehmung globaler kirchliche Institutionen dazu auf, ihr ti“ (Gaudium et spes, 1) und damit Verantwortung – Das ZdK ist darüber Kauf- und Konsumverhalten an ethi- unserer Kirche. besorgt, dass Deutschland trotz Steu- schen Kriterien zu orientiert und die Das Zentralkomitee der deut- ereinahmen in Rekordhöhe mit dem Märkte gleichsam von innen heraus schen Katholiken (ZdK) unterstützt Haushaltsentwurf 2013 eine deutliche zu lenken. mit Nachdruck alle auf verschiedenen Abkehr von der Erfüllung internatio- Das ZdK ruft die Bundesregie- Ebenen angestoßenen Anstrengun- naler Verpflichtungen zur Armutsbe- rung ganz konkret auf, ein Aktionspro- gen, diese seit vielen Jahren bedau- kämpfung vornimmt und damit ein fal- gramm aufzulegen mit dem Ziel, Ein- erte Situation im Sinne des Heils der sches Zeichen im Einsatz für globale richtungen des Bundes, der Länder Menschen (salus animarum, c. 1752 Gerechtigkeit setzt. und der Kommunen dabei zu fördern, CIC) und damit einer dienenden und Der ursprüngliche Entwurf für den ihre Beschaffung nach sozialen und barmherzigen Kirche zu lösen. Es un- Entwicklungshaushalt (Einzelplan 23) ökologischen Kriterien zu gestalten. terstützt ausdrücklich Aufforderun- sah noch eine geringfügige Steigerung Die „Kompetenzstelle für nachhaltige gen zu konkreten Fortschritten wie der Mittel in Höhe von 37 Mio. € ge- Beschaffung“ müsse mit ausreichend etwa aus den Diözesanräten und Ver- genüber 2012 auf insgesamt 6,420 materiellen und personellen Ressour- bänden (z. B. die Unterschriftenakti- Mrd. € vor. Im Laufe der Haushaltsbe- cen ausgestattet werden, so dass eine on der Katholischen Frauengemein- ratungen ist dann jedoch eine Absen- umfassende Beratung, Berichterstat- schaft Deutschlands und den jüngsten kung um 124 Mio. € (86,5 Mio. gegen- tung und Weiterentwicklung nach- Aufruf des Katholischen Deutschen über 2012) vorgenommen worden. Der haltiger öffentlicher Beschaffung in Frauenbundes) und die Vorschläge, Finanzplan für das BMZ wird darüber Deutschland möglich wird. Gleich- die der Katholisch-Theologische Fa- hinaus bis 2016 stagnieren. Zum Er- zeitig sei die Einkaufspraxis des Bun- kultätentag „Zum Kommunionemp- reichen der Verpflichtungen bis 2015 des konsequent so zu gestalten, dass fang wiederverheiratet Geschiede- wäre dagegen ein jährlicher Aufwuchs sie ökologischen und sozialen Kri- ner“ zum Dialogprozess der Deut- von mindestens 1,2 Mrd. € nötig. terien entspricht und so zum Vor- schen Bischofskonferenz beigetragen Wir appellieren eindringlich an bild für lokale Beschaffungsstellen hat. Besonders begrüßt das ZdK die die Bundesregierung und den Deut- und Privatkonsumenten/-innen wer- Bemühungen der deutschen Bischö- schen Bundestag, diese entwicklungs- den kann. fe, über die unmittelbar drängen- politisch unverständliche Entschei- Auch an die Gemeinden und Bis- de Frage des Kommunionempfangs dung zurückzunehmen und damit tümer appelliert das ZdK, die eigene hinaus auch weitere Bereiche des ein deutliches Signal zu geben, dass Beschaffung an sozialen und ökolo- kirchlichen Lebens bis hin zu den Deutschland sich seiner internationa- gischen Kriterien auszurichten und arbeitsrechtlichen Konsequenzen in len Verantwortung gerade gegenüber dabei insbesondere regionale, ökolo- eine befriedigende pastorale Lösung den Ärmsten bewusst ist. gische und Produkte aus dem Fairen einzubeziehen. Das ZdK setzt hohe Handel zu verwenden sowie die Mög- Erwartungen in die Ergebnisse der Nachhaltig wirtschaften lichkeiten des ethischen Investments Arbeitsgruppen, die die Deutsche Bi- und einkaufen konsequent zu nutzen. schofskonferenz dazu eingesetzt hat. ach einem Einführungsvortrag Auch das ZdK seinerseits wird sich Nvon Dr. Philipp Rösler, Bundes- Plädoyer des ZdK für einen anderen weiter an dieser Suche beteiligen und minister für Wirtschaft und Techno- Umgang mit wiederverheirateten in den im ZdK zusammenwirkenden logie gab dieser gemeinsam mit Jür- Geschiedenen Räten und Verbänden für eine baldi- gen Nimptsch, Oberbürgermeister der ie Vollversammlung des Zent- ge Klärung einsetzen. Stadt Bonn ein Interview zu den poli- Dralkomitees der deutschen Ka- Das ZdK ist davon überzeugt: Die tischen Rahmenbedingungen und Er- tholiken (ZdK) hat am Samstag, dem Wertschätzung der unauflöslichen fahrungen mit nachhaltiger Beschaf- 24. November 2012, eine Entschlie- Ehe wird bei den Gläubigen wie in fungspraxis und der gesellschaftspoli- ßung verabschiedet, in der sie sich der Gesellschaft insgesamt steigen, tischen Verantwortung von Unterneh- für die Fortsetzung des kirchlichen wenn die Kirche zugleich die un- men. Das ZdK fordert dazu auf, die Dialogs über die pastorale Situation zerbrechliche Liebe Gottes auch bei öffentliche und kirchliche Beschaf- der wiederverheiratet Geschiedenen einem tragischen, ja sogar schuld- fung nach sozialen und ökologischen einsetzt. Die Resolution hat folgen- behafteten Scheitern durch ihr Tun Kriterien auszurichten und damit den den Wortlaut: lebensdienlich erfahrbar macht. Die Schutz der Menschenrechte weltweit Ein großes Leiden für wieder- nächste Vollversammlung des ZdK und den Schutz der natürlichen Le- verheiratet Geschiedene und die findet am 26./27. April 2013 in Mün- bensgrundlagen zu fördern. heutige Kirche – Viele zivilrechtlich ster statt. ❏

34 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Katholischer Medienpreis 2012 Die Herzen der Menschen berühren

VON BERTRAM BASTIAN

er Katholische Medienpreis wird die in diesem Jahr 170 eingereichte Wadim, der ältere der beiden Söhne Dseit 2003 von der Deutschen Bi- Beiträge begutachten musste. Davon wird nach seinem 18 Geburtstag nach schofskonferenz in Kooperation mit waren 67 Beiträge aus dem Bereich Lettland abgeschoben, die Familie der Gesellschaft Katholischer Publi- Print Medien und 103 aus dem Be- wird auseinander gerissen, obwohl sie reich elektronische Medien. Schwer- punkt der eingereichten Arbeiten wa- ren „Flucht und Migration“. Bischof Fürst hob in seiner Begrüßung (Bild 1) hervor, dass gerade in diesen bei- den Themenbereichen der Journa- list die Stimme erheben kann für die „Schwächsten der Schwachen“. Da- bei seien Authentizität und sachge- rechter Umgang mit Bild und Sprache wesentlicher Bestandteil der Bericht- erstattung, um den betroffenen Men- schen – unseren Nächsten – gerecht zu werden. Im Bereich der elektronischen Medien wurde ein Filmbeitrag von Bild 1: Bischof Gebhard Fürst bei Carsten Rau und Hauke Wendler aus- Bild 2: Der Laudator Dr. hc Fritz seiner Begrüßung während des gezeichnet. Im Film „Wadim“ be- Pleitgen bei der Würdigung des Festaktes schreiben sie den Weg einer Fami- Beitrages lie, Vater, Mutter und zwei Söhne, die zisten Deutschlands e.V. (GKP) und nach Zusammenbruch der Sowjetuni- doch Heimat suchte! In Lettland gilt dem Katholischen Medienverband on aus Lettland kommend, in Ham- Wadim wiederum als Staatenloser, für (KM) ausgeschrieben und verliehen. burg Asyl suchen. Die Behörden aber den sich niemand „zuständig“ fühlt. Der Vorsitzende der Publizistischen sehen diese vier Personen als Staa- ER schlägt sich nach Deutschland durch, wird erneut abgeschoben. Nach seiner zweiten „Rückkehr“ und dem Scheitern aller Bemühungen, verübt Wadim Selbstmord auf den Hambur- gern S-Bahn Gleisen. Die Autoren Rau und Wendler ergreifen nicht Par- tei, bleiben auf Distanz und lassen sich nicht von Gefühlen hinreißen. Aber sie zeigen in aller Deutlichkeit das Unmenschliche, das schier Nicht- Begreifbare. Sie lassen die Familie zu Wort kommen, Zeitzeugen schil- dern die Versuche, sich in eine Ge- sellschaft zu integrieren, die ihnen nur die bürokratische, kalte Schul- ter zeigt. Der Laudator Fritz Pleitgen (Bild 2) gratulierte den Autoren zu ihrem Beitrag, der aufrüttele, wich- tige Aufklärungsarbeit schildere und Bild 3: Die Gruppe Liquid Soul umrahmte den Festakt. In der Mitte die hoffentlich auch Wirkung zeigen wer- Wasserstichorgel. de, wie der Laudator ausführte. Damit hebe er sich deutlich von den massen- Kommission der Deutschen Bischofs- tenlose, somit werden sie lediglich weise produzierten Schlagzeilen ab, konferenz, der Bischof von Rotten- geduldet, das bedeutet, sie können die immer nur das Schlechte in der burg-Stuttgart Dr. Gebhard Fürst, ist jederzeit ausgewiesen werden. Alle Asyldebatte blitzlichtartig beleuch- zugleich auch Vorsitzender der Jury, Versuche, dies zu ändern scheitern. teten, ohne wirklich zu informieren.

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 35 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Für den Bereich Print-Medien Verfügung gestellt wird. Er nennt die- wenn sie erfolgreich sein soll. Nach- erhielt der Reporter Wolfgang Bau- se Tatsachen einfach Camp-Manage- dem die Großen der Berichterstattung er vom Magazin Nido für seine Re- ment-Problem und wertet nicht, er die Schlagzeilen hatten, kommt leise portage „Endstation Dadaab“. Hier informiert. Er schildert auch die An- und eindringlich die Reportage des schildert er die Zustände in diesem teilnahme der Pflegekräfte, die mit Preisträgers, der der Welt zeigt, wie größten Flüchtlingscamp der Welt ansehen müssen, wie die Kinder vor ihre Hilfe wirklich ankommt, bzw. was im Osten Kenias. Nachdem die gro- ihren Augen verhungern, selten den sie wirklich anrichtet. ßen Sender sich von der humanen Sprung ins Leben zurück schaffen. Musikalisch umrahmt wurde der Katastrophe abgewandt hatten, ist er „Wenn ein Kind zum ersten Mal lacht, Abend durch die Gruppe „Liquid mit dem Fotografen Matthias Ziegler dann hat es diesen Sprung geschafft“, soul“, die mit ihren Darbietungen hingefahren und hat sensibel und un- wird ein Pfleger sinngemäß zitiert. das Publikum erfreuten. Mit teilwei- aufdringlich die Lage der dort hun- Der Laudator Uwe Vorkötter betonte se unbekannten Instrumenten wie der gernden Menschen, vor allem Frau- in seiner Rede, dass Wolfgang Bauer Wasserstichorgel (Bild 3) boten sie ein en und Kinder, geschildert und der nicht anklagt, er informiert, dass in- musikalisches Programm, das gut zu Welt zugänglich gemacht. Er schildert ternationale Hilfe sich eben nicht nur den Beiträgen passte. Man darf sich die Versuche des eingesetzten Perso- auf Geld oder Hilfslieferungen aus heute schon auf die nächste Preisver- nals, die Kinder zu retten, die aber Überschussproduktionen beschrän- leihung am Montag, den 28. Oktober an Reis gewöhnt sind statt an Mais, ken dürfe, sondern immer die kultu- 2013 freuen. ❏ der von der internationalen Hilfe zur rellen Hintergründe beachten müsse, (Fotos: Bertram Bastian)

Kurznachrichten Adveniat eröffnet Weihnachtsaktion – Bolivien als Beispielland

it einem Gottesdienst in der Hildesheimer Basi- in Deutschland und Lateinamerika. Zugleich betonte Mlika Sankt Godehard hat das katholische Hilfs- auch er, dass das Evangelium die Grundlage des kirch- werk Adveniat seine Weihnachtsaktion eröffnet. Sie lichen Lebens sei. Das habe letzten Endes zu der Idee steht unter dem Motto „Mitten unter euch“ und stellt der Basisgemeinden geführt. „Wir alle, Papst, Bischöfe, „Kirchliche Basisgemeinden“ am Beispielland Boli- Priester und Gläubige müssen hören, was der Geist den vien in den Mittelpunkt. In seiner Predigt mahnte der Gemeinden sagt“, betonte der Bischof von Santa Cruz. Hildesheimer Bischof Norbert Trelle, Kirche dürfe Außer Trelle und Gualberti feierten den Gottes- sich nicht vom Leben der Menschen entfernen. Dies dienst in der voll besetzten Basilika unter anderen gelte für Lateinamerika ebenso wie für Europa. Trotz auch Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck und der Strukturreformen und größer werdenden Pfarreien Geschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks, Prä- hätten die Christen auch in Deutschland die Aufga- lat Bernd Klaschka, mit. Im Anschluss an den Gottes- be, sich einzubringen „für unsere Nächsten und mit dienst gab es einen Empfang durch Hildesheims Ober- unseren Nächsten“. bürgermeister Kurt Machens im Rathaus. Zwischen Die „Kirchlichen Basisgemeinden“ bezeichnete dem Bistum Hildesheim und Bolivien, dem Beispiel- Trelle als „Geschenk der Kirche in Lateinamerika an land der diesjährigen Adveniat-Aktion, besteht seit die Weltkirche“. Mit dem Begriff sei kein Gegensatz 25 Jahren eine Partnerschaft. von „unten und oben“, von Volk Gottes und Amtskir- Adveniat fördert seit mehr als 50 Jahren kirchli- che gemeint, betonte der Hildesheimer Bischof. Viel- che Initiativen zugunsten der Armen und Benachtei- mehr gehe es darum, sich auf die Botschaft Christi ligten in Lateinamerika und der Karibik. Mit 3.000 als Fundament der Kirche zu besinnen. Es gelte, die Projekten im Jahr mit einem Gesamtvolumen von 40 persönlichen Erfahrungen mit Gottes Wort zu teilen. Millionen Euro gehört das Hilfswerk zu den weltweit „Dort, wo Christus mitten unter uns ist, da wächst Ge- größten dieser Art für Lateinamerika. Die bundesweite meinschaft im Glauben“, sagte Trelle in Anspielung Kollekte für die Weihnachtsaktion findet traditionell auf das Motto der Aktion. in den katholischen Gottesdiensten an Heiligabend Der bolivianische Bischof Sergio Alfredo Gualberti und am ersten Weihnachtstag statt. ❏ würdigte die Partnerschaft zwischen den Katholiken (KNA)

36 AUFTRAGAUFTRAG 288 • DEZDEZEMBEREMBER 202012122 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Blick in die Geschichte Leben und Wirken Eugenio Pacelli (bis 1939) (Teil 2)

VON PHILIPP WEBER1

Der Kardinalstaatssekretär

m Februar 1930 übernahm Eugenio 1933 wurde das Konkordat durch nal Pacelli die Gefahren des Natio- IKardinal Pacelli von seinem Vor- Franz von Papen und Kardinal Pace- nalsozialismus. gänger Kardinal Gasparri die Amts- lli unterzeichnet, welches heute noch Obwohl der ehemalige Nuntius geschäfte als Kardinalsstaatssekre- Gültigkeit besitzt. bereits in München und Berlin die tär. Fortan war er engster Vertrauter Hitler nutzte das Reichskonkor- Hoffnung hegte, ein Reichskonkor- Papst Pius‘ XI. Auch während die- dat, um sich auf nationaler und in- dat abzuschließen und er 1929 die- ser Zeit riss der Kontakt zu Deutsch- ternationaler Ebene als Staatsmann sen Wunsch weiterhin verfolgte, war land nicht ab. Als im Vorfeld der po- und berechenbarer Verhandlungspart- es 1933 nicht der Vatikan, der auf das litischen Veränderungen Hermann ner zu geben. Obwohl das Konkordat Konkordat drängte. Es war das Deut- Göring Rom besuchte, versuchte er fortan als ein Prestigeobjekt des na- sche Reich, welches diesmal die Ver- sich dem Vatikan anzubiedern und tionalsozialistischen Regimes genutzt handlungsbereitschaft signalisierte. Sympathien für die nationalsozialis- wurde, war es die Absicht Pacellis und Der Vatikan nutzte daher die sich tische Bewegung zu sammeln. Göring des Papstes Pius XI., den Christen in ergebende Möglichkeit, um aus Sicht bestand damals darauf, von Kardinal Deutschland einen rechtlichen Schutz Kardinal Pacellis einen „Rettungsan- Pacelli empfangen zu werden. Jedoch vor staatlich organisierten Übergrif- ker“ für die Katholiken zu schaffen. lehnte dieser ab und ließ sich ent- fen zu geben. Der spätere Pius XII. war bereits zu schuldigen. Daraufhin wurde er „nur“ Trotz des Konkordates und dem dieser Zeit über die Ausschreitun- von Untersekretär Giuseppe Pizzardo damit einhergehenden rechtlichen gen gegen die Juden informiert und empfangen. Der Bayrische Gesandte Schutz der Kirche im Deutschen ließ daher Informationen über die am Heiligen Stuhl, Otto Freiherr von Reich kam es wiederholt zu Übergrif- Aktionen gegen Kirche und Juden Ritter zu Groenesteyn, erinnerte sich fen auf Kirche und Katholiken. Sogar sammeln. Am 04. April 1933 wies später an das Treffen und berichtete, während der Konkordatsverhandlun- er seinen Nachfolger in Berlin Cesa- dass Göring selbstbewusst, teilwei- gen gab es ständig Ausschreitungen re Orsenigo an, gegen antisemitische se arrogant aufgetreten sei und nur gegen Christen in Deutschland. Als Exzesse zu protestieren. allgemeine Phrasen verwendet habe. Reaktion darauf brach der Kardinal- Pacelli trat 1938 noch entschiede- Der Kardinalstaatssekretär sah staatssekretär zeitweilig die Verhand- ner für die Juden ein. Er appellierte in den Nationalsozialismus als große lungen ab, was auf diplomatischer seiner Funktion als Kardinalstaatsse- Gefahr für Deutschland. Bereits als Ebene als ein sehr deutliches Signal kretär damals weltweit an alle Bischö- Nuntius in München hatte er den Hit- zu werten ist. Nach der Ratifizierung fe, den zum Katholizismus konvertier- ler-Putsch 1923 erlebt und in der Fol- des Reichskonkordats protestierte ten und auch den verfolgten Juden zu gezeit sowie als Nuntius in Berlin den fortan der Vatikan bei Konkordats- helfen, sollten diese in Not sein. allmählichen Aufstieg der NSDAP verstößen und bestellte mehrfach den Der ehemalige Präsident des ös- kritisch beobachtet. Als er nach Rom Botschafter beim Heiligen Stuhl ein. terreichischen Bundesrates, Dr. Her- wechselte, äußerte er gegenüber Ga- In Folge dieser Entwicklung be- bert Schambeck, vermerkt in seinem len seine Befürchtungen und erkann- auftragte Papst Pius XI. am 21. März Buch über Pius XII., dass Kardinal te die politische Bedeutung, wenn er 1934 die Congregatio pro doctrina Pacelli in den 1930er Jahren die Si- Göring empfangen hätte. Nachdem fide, die Kongregation für die Glau- tuation betreffend des Konkordats, die Nationalsozialisten am 30. Januar benslehre, die Doktrin des National- der Ausschreitungen gegen Katholi- 1933 die Macht ergriffen und Hitler sozialismus zu überprüfen. Als Resul- ken und Minderheiten in seinen Auf- Reichskanzler wurde, empfand Kar- tat wurde die Unvereinbarkeit von Ka- zeichnungen mit einem Wort zusam- dinal Pacelli dies als Niederlage für tholizismus und Nationalsozialismus mengefasst hat: Verfolgung. Deutschland und die Kirche. festgestellt. Papst Pius XI. verurteil- Aufgrund der fortlaufenden Ent- Kurze Zeit später nahm das Hit- te den Nationalsozialismus, da dieser wicklungen im Deutschen Reich mit ler-Regime Kontakt zum Vatikan auf sich als politische Religion etablieren sich häufenden Ausschreitungen ge- und es kam zu Konkordatsverhand- wollte. Der Heilige Vater und sein gen Minderheiten und Christen, ent- lungen mit dem Vatikan. Am 20. Juli Kardinalstaatssekretär sahen darin schloss sich Papst Pius XI. eine En- Staatskult, der eine neue Form des zyklika zu veröffentlichen, um den 1 Leutnant Philipp Weber ist Student Heidentums propagierte. Aufgrund Nationalsozialismus aus christlicher an der Universität der Bundeswehr in der Vorgeschichte des Konkordats, Sicht zu kritisieren. Dazu bestell- Neubiberg und hat über den gesamten Themenbereich eine Bachelor-Arbeit den folgenden staatlichen Ausschrei- te er die deutschen Kardinäle Adolf verfasst, die hier in gekürzter Weise tungen und den Erfahrungen während Bertram aus dem Bistum Breslau, wiedergegeben wird. der Zeit als Nuntius erkannte Kardi- den Münchner Erzbischof Michael

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 37 BLICK IN DIE GESCHICHTE von Faulhaber, den Kölner Erzbischof te. Jedoch wurde diese aufgrund des gesandt. Im Jahr 1934 schickte ihn Karl Joseph Schulte sowie den Bischof Todes Pius‘ XI. nicht mehr fertig ge- Papst Pius XI. als seinen persönlichen von Berlin, Konrad Graf von Preysing, stellt. Heute behaupten Kritiker, dass Vertreter zum Eucharistischen Welt- nach Rom ein, um mit Eugenio Kar- Pius XII. das Lehrschreiben nicht kongress nach Argentinien. Der Kar- dinal Pacelli an der Enzyklika Mit veröffentlichen wollte, obwohl er da- dinal besuchte während dieser Rei- brennender Sorge zu arbeiten. von wusste. Jedoch ist es im Vatikan se auch Brasilien. Zeitzeugen sagten Nachdem die deutschen Bischö- üblich nach dem Tod eines Papstes später, er habe den Feierlichkeiten fe ihre Arbeit abgeschlossen hatten, dessen Dokumente zu versiegeln, so einen besonderen Glanz verliehen. erweiterte Pacelli die Ausführungen dass sie vorerst nicht mehr verwen- Schwester Pascalina Lehnert erwähn- und formulierte sie zu einem päpstli- det werden können. Auch muss zu te in ihren Erinnerungen auch, dass er chen Lehrschreiben. dieser Rassenenzyklika bemerkt wer- sich einmal während seines Aufent- In der Enzyklika wird in einer den, dass Pius XII. befürchtete, eine haltes von seinen Begleitern entfern- theologisch gehaltenen Sprache der neue Enzyklika mit derselben Schärfe te und in ein Armenviertel von Bu- nationalsozialistische Kult kritisiert. könne zu einem diplomatischen Bruch enos Aires ging, um dort die Armen So werden die Rassenlehre, der Na- und in der Folge zur Auflösung des und Obdachlosen zu treffen. Kardinal tionalsozialismus als eine Form der Konkordats führen. Pacelli hinterließ bei den Menschen Staatsreligion, der Antijudaismus, die Weiterhin führen in diesem Zu- in Argentinien ein sehr positives Bild Kirchenfeindlichkeit, die Einfluss- sammenhang die Kritiker Pius XII., und reiste nach diesem Erfolg zurück nahme auf die Kirche und die Re- welche ihm Judenfeindlichkeit un- nach Rom. pressalien gegen sie, der Versuch die terstellen wollen, an dass er in den Im darauf folgendem Jahr und Etablierung einer Nationalkirche, der Tagen der Aufstände in München mit 1937 reiste Pacelli zweimal als Kar- religiöse Kult des Nationalsozialis- jüdischen Bolschewisten in Kontakt dinallegat nach Frankreich. Dort be- mus, die Unsittlichkeit von Gesetzen, gekommen sei und seitdem eine Ab- suchte er unter anderem Paris und fei- die Staatsideologie und die Ausnut- neigung gegen diese habe. Seine Ab- erte eine Heilige Messe in der Kathe- zung der Jungend scharf kritisiert. Am neigung galt jedoch dem Bolsche- drale Notre-Dame de Paris, bei der die Ende ruft der Papst die Gläubigen zu wismus und nicht dem Judentum. Basilika restlos gefüllt war. Bei seiner Standhaftigkeit und Stärke im Glau- Als Beweis dafür kann man aus dem zweiten Reise nach Frankreich weihte ben auf und fordert, sich nicht dem engeren Kreis der Vertrauten Pacel- er 1937 die neu erbaute Kathedrale Nationalsozialismus zu unterwerfen. lis die Kardinäle Faulhaber, Gasparri von Lisieux ein. Bei beiden Frank- Der Verlesung der Enzyklika im und Merry del Val anführen, da diese reichbesuchen als Legat rief Kardinal Deutschen Reich ging am 19. März den jungen Nuntius, Erzbischof und Pacelli zu christlichen Werten auf und 1937 die Enzyklika Divini redemp- Kardinal prägten und berieten. Sie hob die besondere Bedeutung Frank- toris voraus, in welcher zunächst der bezogen regelmäßig die Vereinsbro- reichs als eines der ältesten christli- Kommunismus verurteilt wurde. Am schüre Pax super Israel der Priester- chen Länder in Europa hervor. 21. März 1937 verlasen die Priester vereinigung Amici Israel, in welcher Die letzte Reise als päpstlicher in den Sonntagsmessen die Enzyklika für ein neues Verhältnis zu den Juden Legat führte ihn 1938 nach Ungarn von den Kan- geworben wurde. zum eucharistischen Weltkongress. zeln. Zuvor mussten unter größtmög- Außerdem lässt sich feststellen, Auch hier wurde er mit hohen Ehren licher Geheimhaltung die Texte an die dass Eugenio Pacelli seit seiner Kind- empfangen und den Menschen in Bu- Pfarreien im Reich verteilt werden, heit mit Juden Kontakt hatte und ih- dapest blieb der Besuch in bleibender wo die Drucke sogar im Tabernakel nen gegenüber nie negativ eingestellt Erinnerung. versteckt wurden, so dass die Organe war. Ansonsten wäre er nicht mit Gui- Papst Pius XI. wollte durch die der Nationalsozialisten sie nicht fin- do Mendes befreundet gewesen und Reisen seinen Kardinalstaatssekre- den und so die Verlesung hätten ver- hätte auch nicht das Anliegen des tär auf den Stuhl Petri vorbereiten hindern können. Münchner Oberrabbiners bezüglich und ihn mit der Weltkirche vertraut Bereits kurz nach der Verlesung des Laubhüttenfest unterstützt. machen. Dazu schreibt Pierre Blet in reagierte der NS-Staat mit Härte. In Des Weiteren wäre dann nicht seinem Buch, dass der Papst Pius XI. der Woche nach der Verkündigung des durch Kardinal Pacelli eine Anwei- über Pacelli einmal gesagt habe: „Sarà päpstlichen Lehrschreibens kam es sung an die katholischen Fakultä- un bel Papa!“ – „Er wird ein guter zu einer Welle von Verhaftungen und ten Deutschlands ergangen, die Ideo- Papst!“ Durchsuchungen. Der Staatsapparat logien des Nationalsozialismus und Als am 10. Februar Pius XI. starb, demütigte Priester und Ordensleute des Rassismus theologisch und wis- ahnte Eugenio Pacelli noch nicht, durch Sittlichkeitsprozesse bzw. Ver- senschaftlich zu widerlegen und als dass er ihm im Amt nachfolgen wür- mögensdelikten und es wurde eine Papst hätte er 1955 keine Änderung de. Auch war es nicht üblich, dass ein Protestnote beim Heiligen Stuhl ein- der Karfreitagsfürbitte für die Juden Kardinalstaatssekretär zum Papst ge- gereicht. vorgenommen. Neben der politischen wählt wurde und kam seit Hunderten Bereits im darauf folgenden Jahr Tätigkeit als Kardinalstaatssekretär von Jahren nicht mehr vor. Er wies arbeitete man im Vatikan an einer wei- wurde Kardinal Pacelli mehrmals seine Haushälterin Madre Pascalina teren Enzyklika, welche Rassismus als Legat des Papstes zu Veranstal- an, die Wohnung zu räumen und für und Antisemitismus verurteilen soll- tungen in Europa und Südamerika einen Urlaub im Schwesternhaus Stel-

38 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 BLICK IN DIE GESCHICHTE la Maris in Rohrschach am Bodensee antwortete nach einem weiteren Brief Arbeit aufgenommen hatte, erhielt er in der Schweiz zu packen. des Kardinals am 07. Juli 1919 und am 28. Dezember 1933 einen Brief Nach dem Begräbnis Pius XI. versprach, sich der Sache unterstüt- vom Freiburger Erzbischof Conrad zogen sich die Kardinäle in die zend anzunehmen. Im Oktober 1919 Gröber. Dieser meldete seine Beden- Sistina zurück. Schon nach nur drei sandte Pacelli eine Demarche an die ken bezüglich des 1933 erlassenen Wahlgängen wählten sie Eugenio deutsche Reichsregierung, in der er Sterilisierungsgesetzes und der In- Pacelli, den vormaligen Camerlengo gegen staatliche Eingriffe bei inner- haftierung von kritischen Geistlichen. und Kardinalstaatsekretär, zum 259. kirchlichen Angelegenheiten prote- Daraufhin antwortete ihm Kardinal Nachfolger des Heiligen Petrus. stierte. Pacelli am 04. Januar 1934 und si- Fortan war er nicht mehr Eugenio Als der Nuntius im Januar 1920 cherte ihm Hilfe zu. Selbiges schrieb Pacelli, sondern er wählte sich den die Verhandlungen zum preußischen er am 23. Februar allen deutschen Papstnamen Pius XII. Als Schwester Konkordat vorbereitete, wandte er Bischöfen und unterstrich in seinem Pascalina zum ersten Mal den sich an Kardinal Bertram und bat um Schreiben die schwierige Lage trotz Neugewählten erblickte, sagte die- die Entsendung von Fachleuten nach Konkordats. Er sprach den Bischö- ser zu ihr: „Sehen Sie, wie man mich München. Der Erzbischof antwortete fen Mut zu und bat um Vorschläge, zugerichtet hat (...).“Dieser Ausdruck am 05. Februar 1920, dass er das Vor- welche den Entwicklungen kritisch bringt die Demut Pius‘ XII. zum haben unterstütze, aber nur zeitwei- entgegenwirken sollten. Ausdruck und zeigt gleichzeitig auch lig Sachverständige entsenden könn- Noch vor dem Brief des Freibur- seine Überraschung über die Wahl. te. Am 04. Januar 1922 beschrieb ger Erzbischofs wandte sich der Kar- Bereits in seiner ersten Rede, Kardinal Bertram dem Nuntius die dinalsstaatssekretär am 19. Oktober wies Papst Pius XII. auf den Wert schwierige Lage, da zwischen Kirche 1933 in zwei Demarchen an den deut- des Friedens hin. Am 24. August und Staat kein Vertrag bestand. Trotz- schen Botschafter Diego von Bergen 1939 wandte sich Pius XII. in ei- dem hatte die Reichregierung ohne und protestierte gegen Konkordats- ner Radioansprache an die weltli- Rechtsgrundlage in kirchliche An- verstöße in Bayern und im Reichs- chen Machthaber: „Nichts ist mit gelegenheiten eingegriffen, war aber gebiet, die Beschlagnahme von Kir- dem Frieden verloren. Aber alles weiterhin Bemühungen um Konkor- chengütern, Niederhaltung von Gläu- kann mit dem Krieg verloren sein.“ datsverhandlungen ausgewichen. bigen sowie unrechtmäßige Einfluss- Am 31. August 1939 forderte der Daraufhin wandte sich Erzbischof nahmen in kirchlichen Angelegen- Papst in Telegrammen an die europä- Pacelli in einer Protestnote an den heiten. Selbiges wiederholte sich in ischen Staats- und Regierungschefs Wissenschaftsminister Dr. Otto Bo- einem Schreiben an den bayrischen jeglichen bewaffneten Konflikt zu elitz. Diesem legte er die schwierige Gesandten vom 25. November und vermeiden. Des Weiteren bot er im Situation aufgrund fehlender Verträ- 11. Dezember 1933. Am 31. Januar April 1940 an, auf einer internatio- ge dar und empfahl zum beidersei- 1934 erfolgte eine erneute Protestno- nalen Friedenskonferenz zwischen tigen Vorteil Verhandlungen aufzu- te wegen diverser Verstöße. Drei Tage den Konfliktparteien zu vermitteln. nehmen. Im selben Anliegen schrieb später beantwortete die Deutsche Bot- Auch kritische Autoren erkennen die der Nuntius am 29. November 1922 schaft die Demarche, relativierte die Friedensbemühungen Pius‘ XII. an. an den Erzbischof von Köln und bat Vorwürfe mit der Behauptung, dass ihn um seine Einschätzung und Rat- Fehlinformationen vorlägen. Der Notenwechsel der Nuntiaturen schläge in dieser Situation. Kardinal In einem Brief vom 20.April 1934 und des Staatssekretariats Bertram teilte Pacelli im Schreiben informierte Pacelli Kardinal Bertram ährend der verschiedenen Tä- vom 10. Dezember 1922 mit, dass er über seine Sorgen hinsichtlich des Wtigkeiten Eugenio Pacellis im bezüglich eines Konkordates bei der Nationalsozialismus und der Hitler- kirchlichen Dienst entstanden eine Reichsregierung erfolglos vorgespro- jugend. In der folgenden Zeit wurden große Anzahl an offiziellen Noten. chen hätte. weitere Protestnoten an die Deutsche Diese wurden im Originalwortlaut in Infolge der Inflation und ausblei- Botschaft gesandt. Solche Proteste mehreren Büchern zur zeitgeschicht- bender Reparationszahlungen besetz- wiederholten sich bis zur Papstwahl lichen Forschung zusammengefasst. ten französische und belgische Trup- 1939. Es geht aus Demarchen her- Sie geben Aufschluss über sein Wir- pen im Januar 1923 das linksrhei- vor, dass sich Kardinal Pacelli für ken als Apostolischer Nuntius und nische Gebiet. Nachdem es zu Aus- unschuldig Verfolgte und inhaftier- Kardinalstaatsekretär. Im Folgenden schreitungen gegen die Bevölkerung te Personen einsetzte. Trotz der Re- geben einige ausgewählte Demarchen kam, wandte sich der Kardinal von pressalien und Verfolgungen des NS- und Briefe Einblick in das Handeln Köln an den Nuntius in Deutschland Staats gegen die Kirche forderte der Eugenio Pacellis. und schilderte die Lage mit der Bitte Kardinalstaatssekretär die Bischöfe Kurz nach dem Ersten Weltkrieg um Intervention des Heiligen Stuhls, auf, von voreiligen und zu offensiven wandte sich Kardinal Bertram am was der Titularerzbischof von Sardes Protesten Abstand zu nehmen. Die 20. Mai 1919 an Erzbischof Pacelli unterstützte. deutschen Bischöfe informierten re- und bat ihn, den Heiligen Stuhl Nachdem die diplomatische Mis- gelmäßig den Heiligen Stuhl über die über die nur schwer tragbaren sion in Deutschland für Kardinal Entwicklungen im Deutschen Reich. Friedensbedingungen zu informie- Pacelli beendet war und er 1930 als Kardinal Pacelli und der Papst beob- ren und um Intervention. Der Nuntius Kardinalstaatssekretär in Rom seine achteten dies besorgt und forderten

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 39 BLICK IN DIE GESCHICHTE den deutschen Klerus auf, nicht un- Reichregierung als eine Unhöflich- nen handelte als auch auf offiziellen überlegt zu handeln, sondern deute- keit zurück und verwies auf die nö- diplomatischen Wegen intervenierte. ten an, vorzugsweise im Hintergrund tige diplomatische Contenance. Der Trotz der Gefahren eines diplo- zu agieren. Kardinal nahm die deutschen Bischö- matischen Bruchs oder möglicher Am 12. April 1937 protestierte fe in Schutz, indem er anführte, dass Folgen für die Katholiken in Deutsch- das Deutsche Reich mit einer De- diese ein päpstliches Lehrschreiben land, fand der Kardinalstaatssekretär marche beim Heiligen Stuhl gegen verkündet hätten und keine Kritik am die angemessene Schärfe in seinen die Enzyklika Mit brennender Sorge, Staat geübt hätten. Diese Ausführun- Protestnoten sowie das nötige Takt- worauf Eugenio Kardinal Pacelli mit gen belegen, dass Kardinal Pacelli gefühl, um durch diese Demarchen entschiedener Schärfe antwortete. Er in den offiziellen Schreiben an das trotzdem diplomatisch zu protestie- wies auf unzählige Konkordatsverstö- Deutsche Reich sowie der Korres- ren. ❏ ße hin und zeigte auf, dass das Deut- pondenz mit seinen Mitbrüdern oft sche Reich konkordatsbrüchig ge- auf Missstände und Verletzungen des Das umfangreiche Literaturverzeich- worden sei und nicht der Vatikan. Er Reichskonkordates hinwies. Es zeigt nis kann elektronisch bei der Redak- wies den Ton im Protestschreiben der sich hier, dass er sowohl im Verborge- tion angefragt werden.

Kurznachrichten Rudolf Voderholzer zum Bischof von Regensburg ernannt

er Heilige Vater Benedikt XVI. hat Rudolf Im Jahre 2003 wurde er oberster Assistent der DVoderholzer zum neuen Bischof von Regens- Fakultät für Glaubens- und Religionswissenschaft burg ernannt. Die Diözese Regensburg soll sich in und Philosophie an der theologischen Fakultät von einer ersten Reaktion über die Ernennung erfreut Fribourg (Schweiz), deren Präsident er 2004 wurde. gezeigt haben und dankt dem Heiligen Vater für die- Gleichzeitig lehrte er dort dogmatische Theologie. se Entscheidung. Seit 2005 ist er Professor für Dogmatische Theo- Voderholzer lehrt als Professor für Dogmatische logie und Dogmengeschichte an der theologischen Theologie an der theologischen Fakultät der Uni- Fakultät von Trier und seit 2008 Direktor des Insti- versität Trier und am Institut Papst Benedikt XVI. tutes Papst Benedikt XVI. in Regensburg. in Regensburg, das die Gesammelten Werke von Seinen pastoralen Dienst leistet er in der Pfarrei Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. herausgibt. Voder- des hl. Nikolaus in Kasel (DiözeseTrier). holzer ist Schüler von Erzbischof Gerhard Ludwig Laut Domradio äußerte er sich folgendermaßen Müller, der bis Anfang Juli das Bistum Regensburg zu seiner Wahl: „Papst Benedikt hat mir zuerst die leitete und seither als Präfekt der Römischen Glau- Herausgabe seiner gesammelten Schriften anver- benskongregation vorsteht. traut, dann die Leitung der theologischen Begeg- Rodulf Voderholzer wurde am 9. Oktober 1959 nungsstätte in seinem Wohnhaus in Pentling und in München geboren. Nach seinem Philosophie- nun auch das Kostbarste, das es gibt, nämlich die und Theologiestudium in München empfing er am Menschen im Bistum Regensburg.“ 17. Juni 1987 die Priesterweihe in der Erzdiözese Der Bruder des Papstes, Msgr. Georg Ratzinger, München und Freising. habe sich zufrieden über den neuen Regensburger Von 1987 bis 1991 war er Kaplan von Traunreut, Oberhirten gezeigt und nannte ihn eine „sehr gute Haar und Zorneding. Danach setzte er seine Theo- Lösung“, so Domradio weiter. Er selbst habe zwar logiestudien an der theologischen Universität von keinen Wunschkandidaten gehabt, doch einige vor- München fort; gleichzeitig arbeitete er als wissen- ab in Medien spekulativ genannte Namen hätten schaftlicher Assistent des Lehrstuhls für Dogmati- ihm „nicht so gut gefallen“. Er halte den Münchner sche Theologie. 1997 schloss er sein Doktorat und Diözesanpriester für „absolut episkopabel“. ❏ 2004 seine Habilitation in Theologie ab. (ZENIT)

40 AUFTRAGAUFTRAG 288 • DEZDEZEMBEREMBER 202012122 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Kirche unter Soldaten In der „Kirche unter Soldaten“ zuhause Militärgeneralvikar Walter Wakenhut wurde 70 Jahre

VON CARL-H. PIERK

enn Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr all- Hause schicken, die von den Diözesen wegen des dort Wjährlich zu den verschiedensten Wallfahrtsorten pil- herrschenden gravierenden Personalmangels nicht mehr gern, um ein lebendiges Zeugnis für den Frieden abzulegen, ersetzt werden können“, sagte Wakenhut. „Eine vernünf- dann ist Walter Wakenhut, Apostolischer Protonotar und tige, überschaubare Personalausstattung der Militärseel- Militärgeneralvikar, unter ihnen. Sieht er doch die Solda- sorge ist unabdingbar, damit wir unseren Auftrag erfüllen tinnen und Soldaten als „Diener des Friedens“, gerade in können“. Der Militärgeneralvikar warf die Frage auf, wie den schwierigen Zeiten, seit die Soldatinnen und Soldaten das Recht auf Seelsorge garantiert und das „Vakuum an der Bundeswehr im Einsatz sind. Ein Herzensanliegen ist Seelsorgebedarf in der Truppe“ abgedeckt werden könne. Wakenhut die alljährliche Internationale Soldatenwallfahrt Mit Blick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr plä- nach Lourdes. Die weltweit größte Pilgerfahrt für Militär- dierte er dafür, dass erfahrene Pfarrer länger als zwölf Jahre angehörige geht zurück auf das Jahr 1944, als französische in der Militärseelsorge verbleiben können. Dies sei wegen Soldaten erstmals gemeinsam nach Lourdes reisten. Die der sehr aufwändigen Ausbildung und der notwendigen erste Internationale Soldatenwallfahrt fand 1958 statt. Sol- Vorbereitungszeit auf einen Auslandseinsatz erforderlich. daten aus ehemals verfeindeten Ländern sollten Versöh- Derzeit führe der chronische Personalmangel dazu, dass nung und Gemeinschaft erfahren, ein Zeichen des Friedens Pfarrer und Pastoralreferenten in immer kürzeren Abstän- setzen. Entsprechend bezeichnete Wakenhut während der den in den Einsatz gezwungen werden. Messfeier zu Beginn der diesjährigen 54. Internationalen Die Woche der Begegnung ist das zentrale Treffen der Soldatenwallfahrt den Marienwallfahrtsort am Fuße der ehrenamtlichen Delegierten aus den Gremien des organi- Pyrenäen als ein „Paradebeispiel des Friedens“. sierten Laienapostolates im Jurisdiktionsbereich des Ka- Neben den religiösen Programmpunkten in Lourdes tholischen Militärbischofs. Das sind der Katholikenrat (KR) ist auch die Wanderung zum Pic du Jer alljährlich fester und die Bundeskonferenz der Gemeinschaft Katholischer Bestandteil der Pilgerfahrt. Vom 950 Meter hohen Pic du Soldaten (GKS), Die „Woche der Begegnung“ verbindet Jer hat man einen herrlichen Blick auf Lourdes, Tarbes, die jährliche Vollversammlung des „Katholikenrats beim Pau, das Tal von Argèles Gazost und die Pyrenäen. Der Katholischen Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr“ Gipfel ist auch bequem mit einer hundert Jahre alten Seil- mit der Bundeskonferenz der GKS. Für den Militärgene- bahn zu „erklimmen“. Dieses Angebot aber lehnt Mili- ralvikar bedeutet die konstruktive Zusammenarbeit der tärgeneralvikar Walter Wakenhut schmunzelnd ab. Er ist hauptamtlichen mit den vielen engagierten ehrenamtlichen schließlich routinierter Bergsteiger und der Aufstieg zum Mitarbeitern eine wichtige Basis für das erfolgreiche Wir- Pic du Jer bedeutet für ihn nicht einmal den Schwierig- ken der Militärseelsorge. Ohne das organisierte Laienapo- keitsgrad 1, also die einfachste Form des Kletterns. Es ist stolat wäre Militärseelsorge für Wakenhut kaum vorstell- eben eine Wanderung. bar. Zugleich unterstützte Wakenhut immer Bemühungen, Regelmäßig besucht der Militärgeneralvikar im Rah- Bedingungen für ein gewissensorientiertes und ethisch re- men der Dienstaufsicht die Einsatzregionen und sucht be- flektiertes Handeln der Soldaten zu schaffen. So gilt das wusst das Gespräch zu seinen im Einsatz tätigen Militär- Engagement der Militärseelsorger seit Jahren verstärkt den seelsorgern. „Das brüderliche Miteinander mit den Mili- Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sowie den Familien- tärseelsorgern, ihre Arbeitsbedingungen und der Kontakt angehörigen, deren Situation sich durch die Transformation zu den im Einsatz befindenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr entscheidend verändert hat. ist mir ein Herzensanliegen,“ bekundete der Leiter des Für Wakenhut, der am 17. September in Berlin seinen Katholischen Militärbischofsamtes in seinen zahlreichen 70. Geburtstag mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Gesprächsrunden. Gerade die Erfahrungswerte der Militär- tern aus der Kurie sowie vielen Gästen mit einem Ponti- seelsorger bei der aktiven Begleitung von Soldatinnen und fikalamt in der Rosenkranzbasilika und anschließendem Soldaten im Einsatz sowie die Wahrnehmung der Seelsorge Festakt feierte, ist die Nähe zu den Soldatinnen und Solda- durch die Truppe stehen dabei im Mittelpunkt des Interes- ten stets der Schlüssel zu seiner seelsorgerischen Arbeit. ses. Somit ist auch für ihn der Dialog und die brüderliche In dieser „Kirche unter Soldaten“ ist der Militärgeneral- Begleitung der Militärgeistlichen im Einsatz ein wesent- vikar seit mehr als 25 Jahren zuhause. Treffender hätte licher Kernauftrag der kontingentbezogenen Dienstreisen. auch das Leitwort der 52. „Woche der Begegnung“ vom 9. Doch wie kann das Recht auf Seelsorge garantiert bis 14. September 2012 in Berlin nicht sein können: „Kir- werden? Bei der 50. „Woche der Begegnung“ vor zwei che unter Soldaten – Verantwortung durch Gottvertrauen“. Jahren in Bensberg kritisierte Militärgeneralvikar Walter Jenseits der ethischen Perspektiven, die sich heute aus Wakenhut einen Mangel an Seelsorgern für die Soldaten. der Verantwortung der Bundeswehr ergeben, sieht sich „Augenblicklich müssen wir erfahrene Seelsorger nach die GKS als unabhängiger Verband im Jurisdiktionsbe-

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 41 KIRCHE UNTER SOLDATEN reich des Katholischen Militärbischofs besonders gegen- in Burghausen im Bischöflichen Studienseminar St. Alt- über Militärgeneralvikar Wakenhut zu Dank verpflichtet. mann, zunächst als Präfekt, später als Direktor. Am 1. In ihm hatte und hat sie stets einen Ansprechpartner und September 1980 wechselte er als Pfarrer in den Bayerwald ideellen wie finanziellen Unterstützer. nach Regen. Mehrere Jahre war er Schuldekan und dann Bei den Gesprächen mit den Vertretern des organi- Dekan für das Dekanat Regen. Ab 1986 war er Standort- sierten Laienapostolates geht es immer wieder auch um pfarrer im Nebenamt. 1989 wechselte Wakenhut an die das fünfte Gebot aus dem Alten Testament: Du sollst nicht Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Am 18. töten. Wie verträgt sich das mit dem Beruf des Soldaten Februar 1990 folgte die Ernennung zum Militärpfarrer und und mit dem Auftrag der Bundeswehr? Für Wakenhut ist am 1. März 1991 zum Militärdekan. Im März 1993 wurde die Idee des „Gerechten Friedens“ als das zentrale poli- er Personalreferent und Stellvertreter des Militärgeneral- tisch-ethische Leitbild der friedensethischen Entwürfe der vikars im Katholischen Militärbischofsamt in Bonn. Am christlichen Kirchen stets maßgebend, denn „Gerechter 23. März 1995 erhielt er von Papst Johannes Paul II. den Friede“ gebe Orientierung im politischen Entscheiden und päpstlichen Ehrentitel Monsignore und 1997 den eines Handeln. Stets betont er, dass das Weltgemeinwohl nach Prälaten. 1997 übernahm er die Aufgaben des Wehrbe- einer ethisch reflektierten staatlichen Interessenpolitik reichsdekans im Wehrbereich VI in München. In dieser verlangt. Seit 2007 gilt die Denkschrift des EKD-Rates Zeit war er auch in der Seelsorge als Pfarrer von St. Mi- „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sor- chael in Arget tätig. Militärbischof Dr. Walter Mixa berief gen“, seit 2000 das Hirtenwort zum „Gerechten Frieden“ ihn im November 2000 zu seinem Generalvikar. Am 17. der katholischen Bischöfe. Beide Dokumente distanzieren September 2007 erhielt er von Papst Benedikt XVI. den sich von der mittelalterlichen Lehre des Thomas von Aquin Ehrentitel Apostolischer Protonotar, die höchste Stufe (1225-1274) von einem „gerechten Krieg“. Es geht heute päpstlicher Ehrentitel. Nach dem Rücktritt von Militär- um ein vorausschauendes, sozial gerechtes Handeln in der bischof Dr. Walter Mixa 2010 nahm er bis zur Ernennung Welt, um Konflikte zu vermeiden, statt sie im Nachhinein des neuen Militärbischofs im Februar 2011 gemäß den mit Waffengewalt lösen zu wollen. Der Militäreinsatz darf kirchenrechtlichen Vorgaben die Leitung der Katholi- danach immer nur das allerletzte Mittel (ultima ratio) sein, schen Militärseelsorge wahr. Der neue Militärbischof Dr. wenn alle friedlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Franz Josef Overbeck berief ihn erneut in dieses Amt, das Walter Wakenhut wurde am 17. September 1942 in er bis heute ausübt. Burghausen an der Salzach geboren und besuchte dort Militärgeneralvikar Wakenhut blickt in seinem Prie- Volksschule und Gymnasium. Nach dem Abitur 1962 trat sterleben auf viele Stationen in verantwortlicher Position er in das Priesterseminar St. Stephan in Passau ein und zurück. Eine davon ist freilich wenig bekannt. Walter Wa- wurde dort nach dem Studium der Theologie und Philo- kenhut, seinerzeit Pfarrer von St. Michael in Arget, einem sophie am 29. Juni 1968 zum Priester geweiht. Waken- Ortsteil der Gemeinde Sauerlach in Oberbayern, ist dort hut war Kaplan in Passau-Hacklberg und wirkte ab 1969 erster Vorsitzender des Männerchores. ❏

Kirche unter Soldaten Einweihung der Pater-Rupert-Mayer Kapelle

m Mittwoch, den 7. November fand in der Reichen- Im Jahre 2008 entschied die Brigadeführung auf An- Ahaller Hochstaufen-Kaserne die Einweihung der Pa- frage Pfarrer Martin Strasser, das Projekt erneut aufzu- ter-Rupert-Mayer Kapelle, durch den Militärbischof Dr. greifen, einherging der Entschluss zum Neubau. In enger Franz-Josef Overbeck, statt. Erste Gedanken zur Errich- Kooperation mit Militärpfarrer Strasser, den öffentlichen tung einer Kapelle gehen zurück in das Jahr 2007. Vor fünf Einrichtungen und örtlichen Unternehmen begann dann Jahren war es der katholische Militärpfarrer Martin Stras- 2011 der Bau der „Pater-Rupert-Mayer“ Kapelle mit der ser, der den damaligen Kommandeur Gebirgsjägerbrigade Grundsteinlegung nach dem Motto „von Soldaten, für 23, Brigadegeneral Erich Pfeffer, für sich gewinnen konn- Soldaten“. Maßgeblich an der Planung, Umsetzung und te. Dies fand mit dem feierlichen Akt, einen Pontifikalgot- am Bau der Kapelle war der Oberstabsfeldwebel Rainer tesdienst, in der Hochstaufen-Kaserne seinen Abschluss. Flechsenhar, Leiter Unterstützungspersonal Standortälte- Nach der Auflösung der Karfreitkaserne in Brannen- ster, eingebunden. burg und der Überlegung zum Verbleib der dortigen Ka- Die Weihe der Kapelle und Gedenkstätte fand im Rah- pelle, entstanden die ersten Ideen zu einer möglichen Ver- men eines Pontifikalgottesdienstes auf dem Platz vor der legung nach Bad Reichenhall. Aufgrund der Besonderhei- Kapelle statt und wurde durch Militärbischof Dr. Franz- ten vor Ort musste man dies sehr früh wieder verwerfen, Josef Overbeck, zelebriert (Bild). Bei der Begrüßung er- da sich die Versetzung des Rundbaus als technisch kaum läuterte Militärpfarrer Strasser die wesentlichen Beweg- realisierbar erwies. Der Gedanke und Wunsch nach einem gründe, die den Bau der Kapelle vorangetrieben haben. Gotteshaus in der Kaserne blieb. Die Schaffung eines Ruhepols für die Soldaten, ein Rück-

42 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 KIRCHE UNTER SOLDATEN

zur Durchführung ihrer familiären Feierlichkeiten, meh- rere Anfragen für Taufen liegen bereits vor. Nicht zuletzt dient sie den Soldaten vor allem auch als Gedenkstätte an die verstorbenen und gefallenen Kameraden. Umrahmt wurde der Gottesdienst durch die Karlstei- ner Böllerschützen, den Kirchenchor der Stadtpfarrei St. Nikolaus, der Organistin Frau Barbara Knetsch-Mainardy und einer Abordnung des Gebirgsmusikkorps Garmisch- Partenkirchen. Beigewohnt haben der Veranstaltung Ober- bürgermeister Dr. Herbert Lackner, Landrat Georg Grabner, der Divisionskommandeur der 10. Panzerdivision Gene- ralmajor Erhard Bühler und sein Stellvertreter, Brigade- general Johann Langenegger, sowie ca. 400 weitere Gäste und Soldaten. Im Anschluss an das Zeremoniell fand ein Empfang der geladenen Gäste in der Unteroffizierskame- Am Altar v.l.: Militärpfarrer Martin Strasser, radschaft und dem Mannschaftsheim des Standortes statt Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck, Leitender und nahm somit ihr offizielles Ende. Militärdekan Monsignore Reinhold Bartmann, Pater Am Abend wurde interessierten Bürgern die Gele- Peter Linster SJ, Stadtpfarrer Eugen Strasser-Langenfeld, genheit gegeben, durch eine Führung des Oberstabsfeld- Militärdekan Siegfried Weber webels Rainer Flechsenhar, sich über die Entstehung der Kapelle zu informieren und einer ökumenischen Aben- zugsort zum Innehalten und Kraftschöpfen waren ebenso dandacht beizuwohnen. Dies wurde von Jung und Alt zahl- Leitgedanken wie die Möglichkeit zum Empfang der Sa- reich genutzt. ❏ kramente. Natürlich bietet sie den Soldaten auch Raum (Text und Foto: Pressestelle GebJgBrig 23)

Buchbesprechung Der Heilige Sebastian – Schutzpatron der Soldaten

VON ANDREAS M. RAUCH1

m Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen sich Heilige, besonders aus der Zeit der Alten Kirche in den Idie katholischen Christen zur „Gemeinschaft der Hei- ersten fünf nachchristlichen Jahrhunderten, erfreuten sich ligen“. Über die Heiligen erhoffen sich Christen Fürspra- besonderer Beliebtheit unter den Gläubigen, weshalb sie zu che bei Gott. Viele Heilige der katholischen Kirche sind Schutzheiligen von der katholischen Kirche erkoren wur- auch Märtyrer, also Blutzeugen Christi. Der Begriff „Mär- den. Dies trifft auch auf den heiligen Sebastian zu. Neben tyrer“ geht auf das griechische Wort „martys“ zurück und den Soldaten ist Sebastian Schutzheiliger der Veteranen, bedeutet der „Wortzeuge“ oder „Tatzeuge“. Märtyrer ha- der Schützen, der Feuerwehrleute und der Gärtner. ben ihren christlichen Glauben bezeugt und gelitten, so wie es Jesus Christus selbst am Kreuz getan hat. Durch ihr Lebensgeschichte Blutzeugnis gelten Märtyrer als besonders glaubhafte Be- us der Sicht der Alten Kirchengeschichte und der kenner des christlichen Glaubens. Märtyrer unterscheiden AChristlichen Archäologie müssen wir sagen, dass wir sich von den heutigen Selbstmordattentätern im Kontext über keine unmittelbaren Befunde über das Leben des des Islamismus dadurch, dass sie ihren Tod weder ersehnt Sebastian verfügen. Gesichert ist lediglich, dass der Hl. noch geplant haben, ihn aber in Kauf nahmen, als sie vor Sebastian im römischen Heiligenkalender am 20. Janu- die Wahl zwischen christlichen Gottesglauben und heid- ar auftaucht und dort erstmals im Jahr 354 genannt wird. nischen Opferkult standen. Vermutlich ist Sebastian im Jahr 288 n. Chr. verstorben. Mit der Verfestigung der Kirche als Organisation ab Tatsache ist, dass der römische Kaiser Diokletian (284- dem 4. Jahrhundert erfolgte eine Zuordnung vieler Heili- 305 n. Chr.), der einen Großteil seines Lebens in Mili- gen zu einzelnen Berufsständen, damit sich die Gläubigen tärlagern verbrachte, sich von Beginn seiner Herrschaft leichter mit einzelnen Heiligen identifizieren können. Da an gegen die Christen wendete, aber auch gegen andere der Heilige Sebastian in seinem irdischen Leben Soldat religiöse Minderheiten wie etwa den im 3. Jahrhundert gewesen ist, wurde er Schutzpatron der Soldaten. Einzelne vor allem in Rom verbreiteten Mithraskult, der beson- ders unter Soldaten beliebt war. Diokletian forderte das 1 Professor (eh) Dr. Andreas M. Rauch lehrt Internationale Politik an den Universitäten Duisburg-Essen und Nürnberg-Erlangen allgemeine Opfer für sich und die römischen Götter. Vor und ist im Schuldienst in Köln tätig, wo er als Israel-Koordinator allem seit dem Jahr 295 n. Chr. kam es zu immer stren- agiert. geren Gesetzen gegen die Christen. Wohnräume, die als

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 43 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Gottesdiensträume genutzt wurden, werden ebenso zer- also Befehlshaber der Leibgarde von Kaiser Diokletian. stört wie kleine christliche Gotteshäuser. Auch wurden Eine Kohorte bestand aus etwa 480 Soldaten bzw. drei christliche Schriften verbrannt. Wer dem Kaiser opferte, Manipelen, wobei ein Manipel sich aus 160 Mann zu- blieb in Freiheit, wer sich weigerte, wurde verhaftet und sammensetzte. Sebastian war für die Sicherung des Kai- meist getötet. Vor allem der weströmische Mitkaiser Ma- serpalastes und des Gefängnisses in Rom zuständig. Sei ximian (286-305 n. Chr.) wütete besonders heftig gegen Vorgesetzter war Hauptmann Castulus, der für die Zere- die Christen in den Jahren 305-311. Hinzu kam, dass die monien und vor allem für die Tafel des Kaisers und die christliche Sekte in Konkurrenz zum Mithras-Kult stand Kaiserliche Küche verantwortlich war. Angesichts der und es viele gegenseitige Verdächtigungen, Beschuldi- vielen Anschläge und Giftmordversuche auf Kaiser Dio- gungen und Anzeigen gab, um die jeweilige Gegenseite kletian waren beide Positionen von Castulus und Sebasti- auszuschalten. naus Vertrauensstellungen. Beide waren jedoch Christen Erst das Toleranzedikt von Mailand von Kaiser und als diese ihren christlichen Glauben gegenüber dem Konstantin den Großen im Jahr 313 n. Chr. ließ es wie- Kaiser öffentlich machten, wurden beide hingerichtet, da der zu, dass Christen nicht weiter verfolgt wurden, was der Kaiser sein Vertrauen in diese Männer verloren hat- zwei Jahre zuvor in Teilen des Römischen Reiches be- te. Für Kaiser Diokletian waren die Todesurteile gegen reits angeordnet war. Unter Kaiser Konstantin gab es Castulus und Sebastianus eine reine Frage der Machter- dann 325 n.Chr. das Kirchenkonzil von Nicäa unter dem haltung. Das beide Männer über so lange Zeiträume im Vorsitz des römischen Kaisers, auf dem das Apostolische Verborgenen Christen in Rom helfen konnten, war nur Glaubensbekenntnis (credo) formuliert wurde, in dem möglich gewesen, weil der Kaiser sich nur selten und nur auch von der Gemeinschaft der Heiligen (communio wochenweise in Rom aufhielt. sanctorum) gesprochen wird. Zu diesem Zeitpunkt war Das Besondere an Sebastian und auch Castulus ist, der Mithras-Kult weitgehend zurückgedrängt. Vor dem dass sie ihren Glauben in vorkonstantinischer Zeit be- Hintergrund dieser Auseinandersetzungen wird deutlich, kannten. So wie für viele andere Märtyrer der ersten drei dass es vor 325 n. Chr. keine Unterlagen zu Sebastian gibt nachristlichen Jahrhunderte bekannten diese Christen ih- und er erst 354 in einem römischen Heiligenkalender ren Glauben in einer Zeit, als es die katholische Kirche auftaucht. als Organisation im heutigen Sinne noch gar nicht gab. Das Christentum war eine von vielen religiösen Gruppie- Der geschichtliche Befund rungen in der damaligen Zeit, deren Konturen ohne den as teilweise brutale und rücksichtslose Vorgehen ge- wortgewaltigen Paulus vielen gar nicht veranschaulicht Dgen die Christen in der vorkonstantinischen Zeit ist worden wäre. Zudem befanden sich die Christen in schar- erklärungsbedürftig und vor dem Hintergrund des west- fer Konkurrenz zum Mithras-Kult, der aus dem persischen römischen Reiches zu sehen. Unter Kaiser Augustus (30 Raum stammte und vor allem bei Soldaten sich hoher Be- v.Chr.-14 n. Chr.) erlebt das Römische Reich eine Zeit liebtheit erfreute. Es war also für Sebastian also überhaupt des Friedens (Pax Augusta) und unter den Kaisern Trajan noch nicht erkennbar oder absehbar, jemals seiner Taten (98-117 n. Chr.) und Hadrian (117-138 n. Chr.) hat das gewürdigt zu werden oder sie anerkannt zu bekommen Römische Reich seine flächenmäßig größte Ausdehnung. – außer im Angesicht Gottes. Es sah vor der Herrschaft In der Zeit der römischen Soldatenkaiser hingegen von des Konstantin eher so aus, dass das Christentum sich 235-284 n.Chr. befindet sich das Römische Reich in ei- voraussichtlich in absehbarer Zeit auflösen oder zumin- ner Krise, die es nur durch Soldatenherrscher überwand. dest in die Bedeutungslosigkeit abdriften würde, so wie Diese Schwächen des Römischen Reiches wird heute viel- es auch zuvor schon vielen anderen Sekten ergangen war. mals durch die Herrschaft Kaiser Diokletians und Kaiser Neben dem Eintrag im römischen Heiligenkalender Konstantins des Großen (306-337) und ihre Leistungen gibt es über der Stelle, an der Sebastian begraben wurde, überdeckt, sie waren jedoch Vorboten eines allmählichen die Basilika San Sebastiano in Rom, die Papst Damascus Niederganges des Römischen Reiches. Kaiser Diokletian I. (366-384 n. Chr.) als eine der sieben frühchristlichen gilt als erfolgreicher Kaiser, da ihm eine große Verwal- Pilgerkirchen Roms in Form einer dreischiffigen Basili- tungsreform gelang und die Steuereinnahmen auf hohem ka errichten ließ. Dort wurden auch lange Zeit die Ge- Niveau stabilisiert werden konnten. Allerdings wollte beine der Apostelfürsten Petrus und Paulus aufbewahrt. Diokletian die Einheit des Römischen Reiches dadurch Die Basilika San Sebastiano liegt an der Via Appia und stabilisieren, dass seine Bewohner noch stärker als bis- über einen Eingang zu den Katakomben mit Graffiti und her zur altrömischen Religion zurückkehren sollten. Als Wandzeichnungen aus dem 4. Jahrhundert. Die ältesten Kaiser störte es Diokletian, dass die Christen nur wider- Darstellungen des Heiligen Sebastian finden sich in der willig Soldatendienst leisteten und ihm seine Ehrerbie- Caecilia-Gruft der Calixtus-Katakombe in Rom, wie er in tung als Gott Jovius verweigerten. Tunika und Pallium gekleidet wird. Erst ab dem 7. Jahr- Den Kaiserpalast, der als erster Dienstsitz diente, hundert wird Sebastian vor allem als Soldat porträtiert, der hatte Diokletian in das heute kroatische Split gelegt. Es meist an einem Baum steht und von Pfeilen durchbohrt gab zwar den kaiserlichen Palast auf dem Palatin in Rom, wird. In der bildenden Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts doch dieser Palast hatte den Rang eines zweiten Dienst- in Süddeutschland und Italien wird der Heilige Sebas- sitzes des Kaisers, der sich nur wenige Wochen im Jahr tian meist als junger Mann dargestellt, eben weil in der in Rom aufhielt. Auch die Bevölkerung Roms war ge- Zeit der Renaissance und des Barock auf antike Vorbil- schrumpft. Sebastian war ein „princeps primae cohortis“, der Bezug genommen wird, zum anderen, weil Sebastian

44 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 KIRCHE UNTER SOLDATEN zum Zeitpunkt seines Todes zwischen 25 und 35 Jahren Sebastian darin, dass er Menschen in Not geholfen hat alt gewesen sein muss. Zudem sollen Sebastian-Darstel- und er auch in Todesgefahr seinem Gewissen und seinen lungen als eine Möglichkeit zur Identifikation und zum Glauben an einen christlichen Gott gefolgt ist. Vorbild für Soldaten dienen, und die weisen eben meist ein jüngeres Lebensalter aus. Reinhard Abeln: Der heilige Sebastian. Leben – Für Christen im Allgemeinen und für die katholische Legenden – Bedeutung. Topos Taschenbücher Ke- Kirche im Besonderen liegt die Bedeutung des Heiligen velaer 2012, 95 S., ISBN 978-3-8367-0797-8

Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten in Österreich AKS – Herbstbesprechung 2012 in Wien

VON RAINER ZINK

ie diesjährige Herbstbesprechung der Arbeitsge- Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe…“. Ferner stellte Dmeinschaft Katholischer Soldaten (AKS)1 fand in der Meurers in seinem Einleitung die Fragen „Wo stehen wir Woche vom 15. Oktober bis zum 19. Oktober in Wien an – als Christen, Soldaten und Bürger? Welche Verantwor- der Heereslogistikschule statt. Das Generalthema dieser tungsräume tun sich auf?“

Thesen und Fragen zum Thema „Verantworten“ Nach diesen Fragen stellte der Generalsekretär noch folgende Thesen den Delegierten vor: These 1: Krisen und Konflikte fordern Theologie und Politik – These 2. Verantwortung in Tod und Leben – These 3: Mit Maß und Ziel in die Zukunft – These 4: Verantwortung als zentrales Kriterium in Ethik, Entwicklung und Politik – These 5: Verantwortung verlangt Mut – Über diese Thesen fand im Anschluss unter den De- legierten ein reger Gedankenaustausch statt, denn der Generalsekretär hatte mit dieser Einleitung bei den Delegierten starkes Interesse geweckt. Nach der bewegten Diskussion sollten noch weitere Fragen an- gedacht und behandelt werden, die im folgenden dar- gestellt werden: – Was heißt es, Verantwortung zu übernehmen? Generalmajor Norbert Sinn (links) übergibt die Führung – Wer trägt für was oder wen Verantwortung? der AKS an Brigadier Mag. Martin Jawurek (rechts) Wie kann die Gegenwartsfixierung aufgebrochen wer- den, damit wir wieder mehr unserer Verantwortung für die Veranstaltung wurde mit dem Oberbegriff „Verantworten“ Zukunft gerecht werden? bestimmt. Die Begrüßung wurde vom Präsidenten, Gene- Mit diesen Fragen motivierte Meurers die Zuhörer für ralmajor Sinn durchgeführt. Dabei erwähnte der General die am Dienstag stattfindende Enquete 2012, denn diese insbesondere die gute Zusammenarbeit mit der Gemein- gesamte Themenstellung wurde zusammengefasst unter schaft katholischer Soldaten. Danach konnte das Programm dem ersten Abschnitt: „Verantworten 1– Sind wir ver- zeitgerecht durch den Generalsekretär der AKS, Oberst pflichtet, andere zu schützen?“ Mag. Meurers mit dem 1. Abschnitt: „Sind wir verpflich- tet, andere zu schützen? – Rechtliche und ethische Fra- Enquete des Instituts für Religion gen der Responsibility to Protect (R2P)“ eröffnet werden. und Frieden 2012 Etwa 40 Delegierte aus allen Bundesländern Österreichs iner der Höhepunkte der Herbstbesprechung war die hörten interessiert den Einstieg ihres Generalsekretärs. EEnquete des Instituts für Religion und Frieden. Die- Diesen begann Oberst Meurers mit den Worten von Erz- se beschäftigte sich in der Landesakademie in Wien mit bischof Robert Zollitsch, dem Vorsitzenden der Deutschen der Thematik „Sind wir verpflichtet andere zu schützen? Bischofskonferez: „Er übertrug alle Verantwortung seinen Rechtliche und ethische Fragen der Responsibility to Pro- tect (R2P)“. Der Militärbischof Christian Werner und Bi- 1 Die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten (AKS) in Österreich ist das Pendant zu unserer Gemeinschaft der schofsvikar Werner Freistetter, der Leiter des Instituts für Katholischen Soldaten (GKS) in Deutschland. Religion und Frieden, konnten bei dieser Veranstaltung

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 45 KIRCHE UNTER SOLDATEN hochrangige Besucher begrüßen. So waren zu Gast der Mi- und hätten einen zeitlichen Verlauf von der Wahrnehmung litärerzbischof für Brasilien, Osvino José Both, der kroati- über die Erkenntnis des Bedarfs zur Handlungsabsicht bis sche Militärbischof Juraj Jezerinac, der britische Militär- zur Planung, Durchführung und Erfolgsüberprüfung. Dabei bischof Richard Moth, Militärbischof František Rábek aus seien wichtige psychologische Aspekte laut Fleck die Mo- der Slowakei sowie der US-Militärauxiliarbischof Richard tivation, die Bezogenheit und Beziehungsgestaltung sowie Spencer. Darüber hinaus waren weitere Vertreter der Mi- die Identifikation mit dem bedrohten Opfer, Einfühlung litärseelsorge aus Mexiko, Italien, Bosnien-Herzegowina, und Einsfühlung sowie Verantwortung und Verbindlichkeit. Deutschland, Frankreich, der Tschechischen Republik, Slowenien, Niederlande, Belgien, Polen und Irland unter Moralphilosophische Debatte den Gästen. um das Recht im Krieg m zweiten Panel stieg Bernhard Koch vom Institut für Entstehung des Konzepts R2P ITheologie und Frieden (Hamburg)in die moralphiloso- m Panel 1 behandelte der Botschafter Hans Winkler, phische Debatte um das Recht im Krieg ein. Er bezog sich IStaatssekretär a.D. und Direktor der Diplomatischen dabei auf den Philosophen Jeff McMahan, der im Alltag Akademie in Wien, die Vorgeschichte der Entstehung des Gewalt legitimiert oder delegitimiert, besonders bei einer Konzepts R2P.Er erwähnte, dass neben der Konvention Notwehrsituation, denn er geht von einer unterschiedli- gegen den Völkermord 1948 hauptsächlich die Weltkon- chen Verantwortlichkeit der Beteiligten aus und leitet da- ferenz zum Schutz der Menschenrechte 1993 in Wien von von die Legitimität der Gewaltanwendung ab. Ist ein An- gravierender Bedeutung sei, denn diese beteuerte die Aus- greifer am Angriff nicht schuld, darf gegen ihn auch kei- sage, dass die Sorge um Menschenrechte in anderen Staa- ne Gewalt zur Abwehr des Angriffs angewendet werden, ten keine Einmischung in deren inneren Angelegenheiten so als ob er ein Unbeteiligter wäre. Dies bezog wiederum darstelle. „Die R2P ist in erster Linie die Verantwortung Koch auf die Soldaten und er verdeutlichte, dass bei ei- des Staates, seine Bürger vor Menschenrechtsverletzungen nem gemeinsamen Kampf von Soldaten mit einem Dikta- zu schützen, und in zweiter Linie jene der internationalen tor diese zum Komplizen des Diktators oder Verbrechers Gemeinschaft, Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Staat würden und umgekehrt: „Wer als Soldat in humanitären dieser Verantwortung nicht nachkommen kann oder will“, Interventionen kämpft, tut das heute nicht so sehr als In- so der Botschafter. Darüber hinaus betonte er, dass es neu strument seines Staates, sondern im Dienst eines globa- ist, dass der Sicherheitsrat bei schweren Menschenrechts- len Menschenrechtsschutzes“, intonierte Bernhard Koch. verletzungen innerhalb eines Staates Maßnahmen ergreifen kann, ohne sich auf eine Gefährdung des internationalen Einschränkung der staatlichen Souveränität Friedens berufen zu müssen. ls letzter Sprecher im zweiten Panel trat der For- Aschungsdirektor und stellvertretender Direktor des R2P-Konzept als Neuformulierung Instituts für Theologie und Frieden, Gerhard Beestermöl- der staatlichen Souveränität ler vor das Plenum. Er „durfte“ als Ersatzmann aushelfen, ie zweite Sprecherin im ersten Panel war Ursula Hann hat aber mit seinem Vortrag die Teilnehmer bei dieser En- Dvom Referat Internationales Recht im Bundesminis- quete absolut überzeugt und gefesselt. Er begann seinen terium für Landesverteidigung und Sport. Diese erkennt Vortrag damit dass es in der kirchlichen Tradition durch- im R2P-Konzept, wie es von der ICISS vorgelegt wurde, aus nichts Neues sei, dass staatliche Souveränität einge- eine Neuformulierung der staatlichen Souveränität. Hann schränkt ist, wie es auch schon in der Enzyklika „Pacem in unterstützt die These, dass zu den Souveränitätsrechten terris“offenbart wird. Da war es auch nicht außergewöhn- auch die Pflichten den eigenen Bürgern hinzu treten wür- lich, so der Forschungsdirektor, dass der Heilige Vater den. Dabei müsse wesentlich der Sicherheitsrat zuständig den Begriff der Responsibility to protect positiv aufnahm. sein und in zweiter Linie die Generalversammlung der UN Allerdings dürfe dabei der Zusammenhang nicht aus den oder regionale Abkommen, so Hann. Ferner erwähnte sie, Augen verloren werden, denn die Überlegungen zum Schutz dass der Libyeneinsatz ein Schritt in die falsche Richtung der Menschenrechte stünden im Kontext der kirchlichen gewesen sein könnte. Weitere Schritte unter Berufung auf Tradition der Kriegsächtung, nach der Krieg an sich eine R2P, auch unter Einbeziehung auf die Problematik in Sy- äußerst schwerwiegende Verletzung der Rechte und Würde rien sowie die Entwicklung hin zu einer völkerrechtlichen der Menschen darstellt. Somit stellten sich für Beestermöl- Verpflichtung seien im Moment nicht absehbar. ler folgende Fragen: Schützen wir die Menschenrechte eher, indem wir keinen Krieg führen, oder indem wir bei schwe- Psychologische Aspekte des protektiven ren Menschenrechtsverletzungen intervenieren? Wie kann personenbezogenen Handelns R2P dazu beitragen, dass militärische Maßnahmen in ihrem er letzte Referent im ersten Abschnitt war Günther Kontext überflüssig werden? Die kirchliche Friedensethik DFleck, der Leiter des Referats Militärpsychologie und geht vom Weltgemeinwohl aus, denkt Gerechtigkeit und Bildungswissenschaften am Institut für Human- und So- Sicherheit gleichrangig und überdenkt dabei eine global zialwissenschaften der Landesverteidigungsakademie in verstandene Pflicht, die beim einzelnen Bürger „ankom- Wien. Dieser sprach über die psychologischen Aspekte men“ müsse, resümierte der Direktor und plädierte für so protektiven personenbezogenen Handelns und betonte, etwas wie eine „Weltwehrpflicht“. Militärische Interven- dass protektive Handlungen nicht isoliert gesehen werden tion zum Zweck des Schutzes der Menschenrechte seien dürften, denn sie seien immer in einen Kontext eingebettet allerdings nicht möglich, wenn wir uns nicht auf anderen

46 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Ebenen gleichermaßen für den Schutz der Menschenrech- dritter Abschnitt neu vorgestellt wurde. „Ein Heer aus te einsetzen, wie z.B. bei der Hilfe für Hungernde, endete dem Volk für das Volk – Wehrpflicht – Dienstpflicht“ Beestermöller seinen exzellenten Vortrag. Mit einem Im- lautete dieser und dazu hatte die AKS einen hochrangi- biss und regen Diskussionen endete diese Enquete in den gen Referenten eingeladen. So berichtete der ehemalige frühen Nachmittagsstunden. Präsident der AKS, General i.R Prof. Mag. Ernest König über diese Thematik aus seiner Sichtweise. Nach diesem m Anschluss daran fand in der Stiftskirche durch den aufschlussreichen Vortrag sollte ein weiterer Höhepunkt IMilSuperior Mag. Dr. Tripp eine Eucharistiefeier statt. dieser Herbstbesprechung stattfinden, denn es stand an Der äußere Rahmen in dieser würdevollen Kirche, aber die Neuwahl des Präsidiums der AKS. Nach zehnjähriger auch die Messe war sehr feierlich und alle Gläubigen Tätigkeit als Präsident übergab Generalmajor Norbert Sinn waren äußerst beeindruckt von diesem Gottesdienst, bei unter Anwesenheit des Militärbischofs Christian Werner dem auch das 10-Punkte Programm von Bischof Ricken die Führung der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Sol- von der Nordamerikanischen Bischofskonferenz zum Jahr daten an Brigadier Mag. Martin Jawurek (Bild). Auch der des Glaubens ausgelegt wurde. Unmittelbar nach diesem neue Präsident bezog sich nochmals auf die äußerst wir- Hochamt verlegten die Delegierten in den Stephansdom, kungsvolle Kooperation mit der Gemeinschaft katholischer wo eine professionelle Führung stattfinden sollte. Diese Soldaten und betonte dabei, diese aus seiner Sicht noch dehnte sich auf nahezu zwei Stunden aus, war aber stets weiter zu intensivieren. kurzweilig und äußerst interessant. en Ausklang der Herbstbesprechung am Freitag bil- er Mittwoch, stand ganz im Zeichen von Gruppen- Ddeten die Abschlussberichte der verschiedenen Mili- Darbeit. Alle Delegierten bearbeiteten die von Oberst tärpfarrgemeinderäte. Dabei schilderten sie in ihren Tätig- Meurers vorgegebenen Fragestellungen zum Thema „Ver- keitsberichten von vielen nationalen und internationalen antworten“. Dabei wurde der erste Abschnitt „Sind wir ver- Ereignissen aus ihren Pfarren. Zum Abschluss bedankte pflichtet andere zu schützen?“ nochmals diskutiert, aber sich der Generalsekretär bei allen Delegierten für die wert- darüber hinaus wurde das Thema „Verantworten“ in den volle Zusammenarbeit und die guten Gespräche bei dieser Gruppen mit dem zweiten Abschnitt „Den Glauben vor- gelungenen Veranstaltung. Den Abschlussgottesdienst ze- leben und vermitteln“ erweitert. lebrierte der geistliche Beistand Militärdekan Mag. Alfred Weinlich und nach einem gemeinsamen Mittagessen traten m Donnerstag wurden die Themen des ersten und die Delegierten ihre Heimreise an. Azweiten Abschnitts noch weiter vertieft, bevor ein (Foto: Rainer Zink)

Kurznachrichten Sant‘Egidio erreicht Freilassung von Soldaten Senegals ie sich weltweit für Frieden einsetzende kirch- rer Salif Sadio um ihre Freilassung als humanitäre Dliche Gemeinschaft Sant‘Egidio hat im Senegal Geste. Damit sollte zugleich ein günstiges Verhand- nach mehrmonatigen Verhandlungen einen Erfolg lungsklima geschaffen werden. Sadio habe der Bitte erzielt. So ließ die bewaffnete Bewegung der demo- entsprochen und die Betroffenen am 8. Dezember kratischen Kräfte für Casamance (MFDC) gefangen einer Delegation der Gemeinschaft im Beisein von gehaltene Soldaten frei, wie die Gemeinschaft am Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes über- Montag in Würzburg mitteilte. Der Konflikt zwischen geben. Über die Zahl der Gefangenen wurde keine der Regierung des Senegal und dem MFDC, der Angaben gemacht. Guerillaaktionen mit dem Ziel der Unabhängigkeit Ihren bedeutendsten diplomatischen Erfolg fei- der Region durchführt, dauert seit mehr als 30 Jah- erte die Gemeinschaft 1992, als sie in Zusammen- ren an. Die Gemeinschaft Sant‘Egidio ist offizielle arbeit mit der UN den 16 Jahre andauernden Bür- Vermittlerin zwischen beiden Seiten. Eine erste Ver- gerkrieg in Mosambik durch Vermittlung eines Frie- handlungsrunde fand in Rom am 14. Oktober statt. densvertrages beenden konnte. Sie organisiert wei- In den vergangenen Jahren hatte der MFDC ei- terhin jährliche „Internationale Friedenstreffen“ nige Soldaten der senegalesischen Armee gefangen nach dem Vorbild des Weltgebetstreffen in Assisi. ❏ genommen. Sant‘Egidio bat deshalb den MFDC-Füh- (KNA)

AUFTRAGAUFTRAG 288 • DEZDEZEMBEREMBER 2012 47 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS

GKS-Kreis Augustdorf Rundgang über das Areal der Deponie vervollständigte den Gesamteindruck. Kontrastreiches Wochenendprogramm Aber auch der Austausch unter den Mitgliedern des GKS Kreises kam nicht zu kurz. Ein traditioneller Kegela- om 02. bis 04. November 2012 veranstaltete der GKS bend rundete den Tag ab. Hierbei darf es nicht unerwähnt VKreis Augustdorf ein Familienwochenende in Günne bleiben, dass ein Wanderpokal, gestiftet durch den ehe- am Möhnesee. Gleich nach dem Einchecken in das Hein- maligen Militärpfarrer Mlak, erstmalig nach neun Jahren, rich-Lübke-Haus, versammelte der Vorsitzende, Gerhard durch den Vorsitzenden errungen wurde. Der letzte Tag Pape, die angereisten Familien und stimmte sie auf die des Wochenendes startete mit einem gemeinsamen Spa- Themen am Wochenende ein. ziergang, auf dem die Themen der Vortage noch einmal Das Programm am Samstag startete mit einem Referat Revue passierten. Pünktlich zum Gottesdienst fanden sich zur Stressbewältigung bei Soldaten im Einsatz und im All- alle Teilnehmer in der hauseigenen Kapelle ein. Alle Teil- tag. Referent war Oberstleutnant a. D. Michael Helmich. nehmer waren sich einig, das Wochenende war ein Kom- Helmich verfügt über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz paktangebot an Bildung, bei der Zeiten zur Besinnung und zum Thema, aus seiner Zeit als aktiver Soldat im Zentrum der Begegnung, nicht zu kurz kamen. ❏ für Innere Führung. Dort bereitete er u. a. Kommandeure (Text und Foto: Gerhard Pape) auf die Einsätze im Ausland vor. Helmich referierte sehr anschaulich über Stressfaktoren und die Auswirkung von Stress auf die Gesundheit von Menschen. Eine Vielzahl von Fragen zum Thema entwickelte sich aus dem Plenum und persönliche Erfahrungen ergänzten den Vortrag (Bild). GKS-Bereich West Abschließend wurde in praktischer Anwendung Stressbe- wältigung geübt. Tiefe Entspannung stellte sich bei den Reales Familienleben versus Teilnehmern ein und belegte die Theorie. So entstresst nutzten die Familien die Zeit bis zur virtuelles Leben nächsten Veranstaltung, um sich zu besinnen. Im Nachmit- tagsprogramm stand eine Exkursion zu der Gesellschaft für Familienwerkwoche des Bereiches West Abfallwirtschaft im Hochsauerlandkreis. Die bildungspoli- tische Veranstaltung fand in den Räumen der Abfalldepo- ie in den vergangenen Jahren sollte auch im Jahr nie in der Nähe von Meschede statt. Den hochinteressanten W2012 die Familienwerkwoche wieder der Höhe- Vortrag zum Thema Abfallentsorgung trug Dipl.-Ing. Rein- punkt der Aktivitäten im Bereich West werden. Mit dem hard Pape vor. So erfuhren die Teilnehmer, dass seit 1972 Haus Falkau direkt am Fuße des Feldberges im Naturpark bundesweit eine einheitliche Regelung zur Abfallentsor- Schwarzwald gelegen, hatte sich das Organisationsteam un- gung besteht. Dabei ist der Schutz des Grundwassers, in ter Leitung des Bereichsvorsitzenden Albert Hecht für ei- nen bisher noch unbekannten Durchführungsort entschie- den. Insgesamt 14 Familien erwartete in der ersten Wo- che der Herbstferien ein volles Programm, das wieder auf den Säulen Bildung – Besinnung – Begegnung basierend aufgebaut war. Das Thema „Reales Familienleben versus virtuelles Leben – wie finde ich eine gesunde Balance?“ war ganz bewusst gewählt, schlug es doch einen Bogen zum Jahresthema der GKS West „Einen neuen Aufbruch wa- gen“. Wie kann ich als Familie die Reize der virtuellen Welt nutzen, ohne dabei das klassische Familienleben komplett zu verändern, sollte eine der Fragen sein, auf die die Teil- nehmer im Laufe der Woche eine Antwort finden sollten. Dass christliche Regeln und Vorgaben hier teilweise sehr gute Hilfestellungen bieten können, war eine Erkenntnis, die von vielen bisher so noch nicht gesehen wurde. Einen gelungenen Einstig in die thematische Arbeit Die entspannten Teilnehmer beim Vortrag über schaffte die obligatorische Vorstellungsrunde am Sonntag- Stressbewältigung abend, in deren Verlauf auch die Referenten des Compu- terprojektes Köln die Inhalte der nächsten Tage vorstellten. der Prioritätenliste zur Müllentsorgung, ganz oben ange- Anschließend bestand für die 56 Teilnehmer die Möglich- siedelt. Detailliert und sehr engagiert erläuterte Pape die keit zum persönlichen Kennenlernen. Die Vermittlung von Funktionsweise einer Deponie, die nach dem aktuellsten Grundlagen für die Erwachsenen war dann am Montag der Stand der Wissenschaft betrieben wird. Mit vielen neuen eigentliche Startschuss für die Werkwoche. So wurden die Erkenntnissen und tief beeindruckt von dem aufwändigen gängigsten sozialen Netzwerke mit ihren Vor- und Nach- Verfahren zur Mülleinbringung in eine Deponie, verlie- teilen vorgestellt und den Teilnehmern die Möglichkeit ßen die Teilnehmer den Vortragssaal. Ein abschließender zur Darstellung der eigenen Erfahrungen gegeben. Hier

48 AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS war bereits recht schnell feststellbar, dass die Nutzung die Jugendlichen spielerisch mit den Gefahren des Inter- der Netzwerke in vielen Familien immer wieder Anlass zu nets vertraut zu machen. So sollten in mehreren Gruppen Auseinandersetzungen ist. „Oft ist es für uns Eltern sehr Ideen entwickelt werden, welche Gefahren es im und um schwierig, unseren Kindern deutlich zu machen, welche das Internet für den Einzelnen gibt und wie diese in ei- Gefahr ein zu sorgloser Umgang mit dem Internet mit sich nem Video dargestellt werden können. Nach anfänglichem Zögern waren dann auch alle mit großem Eifer dabei und entwickelten viele gute Ideen, die dann in ein Drehbuch verwandelt wurden. Bei der Umsetzung des Drehbuches in einen Kurzfilm waren die Fähigkeiten aller Jugendli- chen gefragt. So galt es, neben der schauspielerischen Leistung auch den Umgang mit Kamera und Bildbearbei- tungsprogrammen zu erlernen. Es entstanden fünf Videos und ein Hörspiel, deren Qualität mancher professionellen Dokumentation nicht nachstand. Den Eltern wurden die- se Ergebnisse im Rahmen einer gemeinsamen Einheit am Mittwoch vorgestellt. Die Überraschungen, die dabei erlebt wurden, standen den Eltern förmlich ins Gesicht geschrie- ben. „Wir wussten überhaupt nicht, welche bisher ungeahn- ten Fähigkeiten in unseren Kindern schlummern.“, fasst ein überraschtes Elternpaar seine Eindrücke zusammen. Bild 1: Ein Schwarzwald Ranger (links) führt die Neben dem Bildungsaspekt wurde den teilnehmenden Besuchergruppe durch das Haus der Natur Familien aber auch die zeitliche Möglichkeit geboten, die nähere Umgebung des Veranstaltungsorts zu erkunden bringt.“, so ein Teilnehmer. Wie hier gemeinsam als Fa- Ein erster gem einsamer Ausflug führte die Familien zum milie Lösungen gefunden werden können, war Thema der Baumkronenweg in Waldkirch. Hier konnten auch die zweiten Arbeitseinheit des Vormittags. Hier stellten die kleinsten Teilnehmer über die angelegten Holzsteige bis Referenten die unterschiedlichen Möglichkeiten vor, die in die Kronen hoher Schwarzwaldbäume vordringen, um bereits durch die richtige Wahl der Sicherheitseinstellun- dort viele Dinge zu sehen, die ansonsten im Verborgenen gen bestehen. „Man kann mit kleinen Dingen eine we- bleiben. Ein Klettergarten und die längste Röhrenrutsch- sentliche Reduzierung der Risiken erreichen, ohne hierbei bahn in Europa rundeten das Angebot ab, sodass auch die die Kinder und Jungendlichen zu sehr einzuschränken“ so Mutigsten auf ihre Kosten kamen. Die geplante gemeinsa- Referent Torben Köhring. Am zweiten Vormittag galt es, me Wanderung auf bzw. um den Feldberg musste aufgrund sich dem Thema Cybermobbing anzunähern. Mit drasti- des strömenden Regens leider ausfallen. Mit dem Besuch schen Bildern und Aussagen machten die Referenten den des Hauses der Natur an der Basisstation des Feldberges, Eltern deutlich, dass die Grenze zwischen lustig gemeinten Einträgen im Internet und Mobbing fließend ist. „Was der eine als Spaß empfindet, setzt dem anderen bereits so zu, dass er sich in seiner Freiheit eingeschränkt sieht.“ fasste Daniel Heinz die Problematik zusammen. Trotzdem soll- ten Eltern ihren Kindern aber auch vertrauen, da ständi- ge Kontrolle das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern mehr belastet als es hilft. „Kinder die wissen, dass ihre El- tern ihnen auch beim Umgang mit dem Internet vertrauen, suchen bei Schwierigkeiten auch schneller die Hilfe ihrer Eltern.“, berichtete Heinz aus seinen Erfahrungen als Me- dienpädagoge. „Oft ist es jedoch nicht einfach, sich aus den Fängen des Mobbings zu befreien. Externe Hilfsangebote können hier wertvolle Hilfe leisten“ so Heinz weiter. Um dies den Eltern auch an praktischen Beispielen deutlich zu machen, stellten die Referenten einige Anlaufstellen Bild 2: Die Jugendlichen unterstützten den Militärpfarrer für Opfer von Mobbing vor. Hubert Link während des Gotesdienstes Standen für die Jugendlichen in den vergangenen Jah- ren noch keine thematischen Arbeitseinheiten auf dem wurde jedoch eine sehr gute Alternative gefunden. Dort Programm, beschritt man bei dieser Werkwoche auch hier brachten unter dem Motto „Tiere und Natur zum Anfas- neue Wege. So fand zwar am Vormittag die auf die unter- sen“ zwei Schwarzwald Ranger (Bild 1) insbesondere den schiedlichen Altersgruppen abgestimmte Betreuung durch Kindern die Region und deren Geschichte näher. Hierbei das qualifizierte Betreuungspersonal statt, am Nachmittag gab es einige interessante Entdeckungen zu machen, die galt es jedoch auch für die jüngere Generation sich ganz auch bei den Erwachsenen so nicht immer bekannt waren. praktisch mit dem Thema der Werkwoche zu beschäftigen. Ganz traditionell wurde dann der Mittwochabend ge- Hierfür hatte sich das Team der Referenten vorgenommen, staltet. Ein Gottesdienst mit anschließendem festlichem

AUFTRAG 288 • DEZEMBER 2012 49 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS

Abendessen waren auch in diesem Jahr vorgesehen. So Auch an den anderen Abenden der Woche stand die wurde der Gottesdienst gemeinsam mit dem Standort- Begegnung im Vordergrund. So durfte das schon bei den pfarrer aus Müllheim, Militärpfarrer Hubert Link, gefei- Werkwochen des Bereiches West obligatorische Bingo- ert, der seine Predigt unter die Thematik der Werkwoche Spiel nicht fehlen. Hier ging mancher kleine Traum in stellte (Bild 2). Die musikalische Begleitung lag in den Erfüllung und der angestrebte Gewinn konnte mit nach erfahrenen Händen von Markus Wolters, der auch wie- Hause genommen werden. der das eigens für die Werkwoche entworfene Liederheft Die Abschlussrunde am Freitag, bei der alle Teilneh- zusammengestellt hatte. Als Neuerung fand das festliche mer die Chance hatten, ihre Eindrücke der Woche darzu- Abendessen jedoch erstmals ohne Kinder statt. „Wir wol- stellen, bildete den Endpunkt der diesjährigen Familien- len den Eltern die Chance bieten, diesen Abend nur als werkwoche, die im nächsten Jahr ihre Fortsetzung finden Paar zu verleben.“, erklärte Albert Hecht die Gründe, die wird. ❏ zu dieser Entscheidung geführt haben. (Text und Fotos: Andreas Quirin)

Kurznachrichten Neues Gotteslob kommt im Advent 2013 as neue katholische Gebet- und Gesangbuch der Liturgie verwendeten Gesänge ihre Erlaubnis Dfür den deutschsprachigen Raum erscheint un- (Recognitio) gegeben. ter dem bekannten Namen „Gotteslob“ im Advent Zum besonderen Wert des künftigen Gebet- und 2013. Die Bischofskonferenzen aus Deutschland Gesangbuches sagte Bischof Hofmann: „Das neue und Österreich sowie der Bischof von Bozen-Brixen Gotteslob ist völlig neu konzipiert. Dennoch tritt es, haben inzwischen ihr Einverständnis für die Druck- im Sinn einer Kontinuität, die Nachfolge des über legung erteilt. Jahrzehnte bewährten Gotteslobs an. Mit ihm teilt Der Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hof- es nicht nur den Namen, sondern fünfzig Jahre nach mann, Vorsitzender der Unterkommission Gemein- dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch den An- sames Gebet- und Gesangbuch der Deutschen Bi- spruch, den Gläubigen etwas Gültiges zeitgemäß an schofskonferenz, meinte dazu: „Ich freue mich sehr, die Hand zu geben: zum Lob Gottes und zum Heil dass wir nach zehn Jahren intensiver Arbeit endlich der Menschen.“ in die Zielgerade einmünden. Jetzt ist noch eine Das Konzept und die Inhalte für das neue Got- einjährige Vorbereitungsphase bis zum offiziellen teslob haben Bischöfe, Berater und rund 100 Ex- Start des neuen Gotteslobs notwendig. Nur so lässt perten aus den Bereichen Liturgie, Kirchenmusik, sich sicherstellen, dass wir tatsächlich terminge- Pastoral, Bibelexegese, Dogmatik und Spiritualität recht ausliefern können und es nicht zu Engpässen erarbeitet. Umfragen und Erprobungsphasen ha- kommt. Die Herstellung verlangt eine logistische ben den Entstehungsprozess begleitet. Das Gottes- Meisterleistung. Jede Woche müssen bis zu 75.000 lob wird zentral in der Katholischen Bibelanstalt Exemplare fertiggestellt werden, etwa 3.000 Ton- Stuttgart herausgegeben. Die Höhe der Erstauflage nen Papier sind bereits bestellt.“ Jetzt habe man ein von 3,6 Millionen Exemplaren wurde anhand der Ergebnis erreicht, das sich sehen lassen könne, er- bisherigen Vorbestellungen ermittelt. Mit Blick auf klärte der Bischof: „Das Buch könnte man als eine die Wiedergabe des „pro multis“ in den Wandlungs- Art ‚Proviantpaket‘ fürs Glaubensleben bezeichnen. worten erläuterte Bischof Hofmann: „In letzter Zeit Es bietet konkrete Anregungen für das persönliche war die Übersetzung der Kelchwandlungsworte im- und gemeinsame Gebet zu Hause, es gibt Hilfen mer wieder einmal Thema. Der Heilige Vater hat in zur Glaubensvertiefung und es macht eine reiche dieser Sache nun eine Klärung herbeigeführt, und Auswahl wichtiger Gebete und Lieder – alter und das soll auch im Gotteslob zum Ausdruck kommen, neuer – zugänglich.“ Das Gotteslob werde ein fes- auch wenn für die Zelebration natürlich das aktuelle ter Begleiter durch die Feier der Liturgie sein und Messbuch gilt.“ Vor der Veröffentlichung im Advent in den Gemeinden sicher gute Resonanz finden. 2013 werde es vielfältige, auch mediale Gelegenhei- Auch habe die römische Kongregation für den Got- ten geben, das neue Gebet- und Gesangbuch vorab tesdienst und die Sakramentenordnung für die in kennen zu lernen. ❏ (ZENIT)

50 AUFTRAGAUFTRAG 288 • DEZDEZEMBEREMBER 202012122 TERMINE

Termine für das Laienapostolat in der Kath. Militärseelsorge

2013 Allg. Termine u. Bundesebene GKS-Sachausschüsse

19.01. Vorstand Katholikenrat, Berlin SA „Innere Führung“ 19.01. geschäftsführender Bundesvorstand, Bei Redaktionsschluss keine Termine bekannt Berlin 19.01. Empfang Militärgeneralvikar, KMBA SA „Sicherheit und Frieden“ 08.03. – 10.03. GKS Bundesvorstand, Kloster Arenberg 15.02. Sitzung in Bonn 24. – 28.04. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 12.04. Sitzung in Bonn 22. – 28.05. 55. Lourdeswallfahrt 12. – 14.07. Sitzung in Berlin (mit IF) 29.05. – 02.06. Seminar 3. Lebensphase, Cloppenburg 25.10. Sitzung in Bonn 07.06. – 09.06. Vorstand Katholikenrat, Hamminkeln SA „Internationaler Sachausschuss“ 28.06. – 30.06. GKS Bundesvorstand, Fulda Bei Redaktionsschluss keine Termine bekannt 29.07. – 03.08. Int. Jugendwoche der AKS 14.09. Vorkonferenz zur Woche der Begegnung Vorschau 2014 15.09. – 20.09. 53. Woche der Begegnung, Berlin 16. – 20.10. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 14. – 18.05. 56. Int. Soldatenwallfahrt nach Lourdes 24.10. – 28.10. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 14. – 18.05. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 04. – 08.11. GKS-Akademie Oberst Korn, Fulda 28.05. – 01.06. 99.Katholikentag, Regensburg 08. – 09.11. Vorstand Katholikenrat, Berlin „mit Christus Brücken bauen“ 16. – 17.11. GKS Bundesvorstand, Bonn 02. – 07.07. Seminar 3. Lebensphase, Fulda 29.11. Verwaltungsrat 15. – 19.10 Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg

Bereichs- / Arbeitskonferenzen / Familienwochenenden Regionale Zuständigkeit der Katholischen Militärdekanate

KMilD Kiel / GKS Nord / Küste KMilD Kiel: Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schles- wig-Holstein, Dienststellen im Bereich des Flottenkommandos 15.03. – 17.03. Erkner KMilD Mainz: Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- KMilD Erfurt (Berlin) / GKS Mitte Pfalz, Saarland 15.03. – 17.03. Erkner KMilD München: Bayern, Baden-Württemberg KMilD Mainz / GKS West KMilD Erfurt: Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, 14.02. – 15.02. wird noch bekannt gegeben Sachsen-Anhalt, Bremen, Niedersachsen 27.09. – 29.09. wird noch bekannt gegeben KMilD München / GKS Süd 08.03. – 10.03. Kloster Roggenburg 11.10. – 13.10. Ferienhaus Lambach Arb.Konf. Bereich Ausland 19.04. – 23.04. El Paso (Texas)

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: BK – Konferenz der GKS im Bereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz der GKS, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, DAK – Dekanatsarbeitskonferenz im Bereich….., GKMD – Gemeinschaft der kath. Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, IThF – Institut Theologie und Frieden, Hamburg, KMilD – Kath. Militärdekanat, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachausschuss »Innere Führung«, SA S+F – Sachausschuss »Sicherheit und Frieden«, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, KR – Katholikenrat beim Militärbischof, VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

AUFTRAGAUFTRAG 288 • DEZDEZEMBEREMBER 2012 51 Impressum AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und erscheint viermal im Jahr. Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, Das Kreuz der GKS 10117 Berlin Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol www.katholische-soldaten.de der Gemeinschaft Katholischer Sol- Redaktion: verantwortlicher Redakteur daten. Vier Kreise als Symbol für die Bertram Bastian (BB), GKS-Kreise an der Basis formen in Rainer Zink (RZ), Oberstlt a.D., Redakteur einem größeren Kreis, der wiederum Zuschriften: Redaktion AUFTRAG die Gemeinschaft ver sinnbildlicht, ein c/o Bertram Bastian, Alter Heerweg 104, 53123 Bonn, Kreuz, unter dem sich katholische Sol- Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164, daten versammeln. E-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Aus- nahmefällen verpfl ichtet sich der Herausgeber, nachträglich geltend gemachte rechtmäßige Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen zu vergüten. Der Königsteiner Engel Layout: VISUELL, Aachen Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« Druck: MVG Medienproduktion (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoff- Boxgraben 73, 52064 Aachen Überweisungen und Spenden an: nung, der die uneingeschränkte Herrschaft GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln, Gottes ankündigt. Dieser apokalyptische BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 1 017 495 018. Engel am Haus der Begegnung in Königstein/ Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Ts., dem Grün dungsort des Königsteiner Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nachbe stellung gegen Offi zier kreises (KOK), ist heute noch das eine Schutzgebühr von EUR 10,- an Tradi tionszeichen der GKS, das die katho- den ausliefernden Verlag. lische Laienarbeit in der Militärseelsorge seit mehr als 40 Jahren begleitet. ISSN 1866-0843