Die Ziele der neuen kulturpolitischen Sprecher , € März/ April 2 

Zeitung des Deutschen Kulturrates www.politikundkultur.net In dieser Ausgabe: Heike Gfrereis Gerd Krumeich Große Koalition Museumslandschaft Datenschutz Brexit Martina Münch Ein gutes Ergebnis für die Ein Plädoyer für Inklusion: Die Ein Grundrecht, kein Luxus: Die Sanfte vs. Harte Töne: Wie geht Heike Raab Kultur: Wie ist der Koalitions- Ausstellung »Unvergleichlich: Datenschutzgrundverordnung der Musikbereich mit dem be- vertrag aus Sicht des Kultur- Kunst aus Afrika im Bode-Muse- kommt – und mit ihr das »Recht vorstehenden Brexit um? Und Uwe M. Schneede bereiches zu beurteilen? um« will Kulturen verbinden auf Vergessen-werden« was bedeutet es? und viele andere Seite  Seite  Seite  Seite  Heimat In den USA gibt es ein Heimat- schutzministerium, die Homeland Security, unser Innenministerium wird wohl in der Zukunft den Zusatz »Heimat« tragen. In der Flüchtlings- debatte steht das Begriff spaar »Hei- mat und Fremde« für ein scheinbar unüberwindliches Grundproblem der Integration. Heimat ist das Land oder die Ge- gend, in der man aufgewachsen ist oder sich zu Hause fühlt, weil man schon längere Zeit dort lebt. Für mich ist ein kleines Nest im Taunus Heimat, obwohl ich seit  Jahren nicht mehr dort lebe. Und Im Westen viel ist meine Heimat, weil ich  Jahre hier lebe. Dass Berlin meine Heimat geworden ist, habe ich vor einigen Jahren bemerkt, als ich mal wieder, Neues? trotz des Wochen vorher im Inter- net vereinbarten Termins, über eine Erinnerungskultur: Erster Weltkrieg. Seiten  bis  Stunde im sogenannten Bürgeramt warten musste und dann noch schön berlinerisch von der Sachbearbeite- rin angepfl aumt wurde. Meine laut- starke Erwiderung hat das Problem zwar nicht gelöst, aber von diesem Zeitpunkt an wusste ich, es ist mei-

ne Stadt, meine Heimat. Heimat ist AP PHOTO / ALLIANCE PICTURE FOTO: dort, wo es mir nicht egal ist, wie es ist. Ohne Engagement für die Hei- mat, kann ich mir Heimat nicht vorstellen. Wäre ich in dem kleinen Taunusort geblieben, hätte ich mich sicher noch der Freiwilligen Feuer- Kultur und Militär wehr angeschlossen oder anderswo Eine Annäherung in sieben Facetten in der Dorfgemeinschaft engagiert. Mitglied des örtlichen Gesangver- KLAUS WITTMANN solle sich »früher, entschiedener und substantieller« Dass Friedensforschung weniger gesellschaftliches eins, MGV Liederkranz von , war einbringen und dürfe nicht als »Zuschauer des Welt- und akademisches Interesse genießt als in früheren ich schon als Jugendlicher. In Berlin ine Refl exion über »Militär und Kultur« er- geschehens« verharren, hat Veränderungen gezeitigt Jahrzehnten, gibt allerdings zu denken. sind die Engagementmöglichkeiten zeugt ein wahres Kaleidoskop von Aspekten z. B. mit Deutschlands diplomatischer Aktivität im ungleich breiter, aber die Entfernung und Assoziationen. In den Sinn kommen: Ukraine-Konfl ikt, seinem Mali-Einsatz und der Füh- Militär und Bildung der Menschen untereinander auch E »Militärkultur«, die »Kultur militärischer Zu- rung eines multinationalen Bataillons in Litauen. deutlich größer. Aber auch in einer rückhaltung«, die »Kulturgeschichte der Gewalt«, der Doch werden sich gewiss auch künftig die »stra- Im Lauf der Geschichte spielten Offi ziere im gesell- Millionenstadt ist Engagement nötig, Offi ziersberuf als »Bildungsberuf«, die »Kultur multi- tegischen Kulturen«, vor allem in der Bereitschaft schaftlichen und kulturellen Leben eine beträchtliche möglich und die Voraussetzung, um nationaler militärischer Zusammenarbeit«, die Mili- zum Einsatz militärischer Gewalt, zwischen den USA Rolle. Auch in anderen Ländern gehört zur Offi ziers- Heimat zu empfi nden. tarisierung von Gesellschaften bis zu vormilitärischer und vielen europäischen Nationen, insbesondere ausbildung das Studium nicht nur der militärtechni- »Bürgerschaftliches Engagement Erziehung, interkulturelle Kompetenz von Soldaten, Deutschland, unterscheiden. Robert Kagans Aperçu, schen und -strategischen Themen, wenngleich die ist gelebte Demokratie und leistet Schutz von Kulturgut in Kriegen. Es gibt Militär- und die Amerikaner stammten vom Mars, die Europäer »Verwissenschaftlichung« rein militärischer Fächer einen unverzichtbaren Beitrag zum Kriegsgeschichte, schreibende und malende Soldaten, dagegen von der Venus, bleibt gültig. Doch wäre es in Streitkräften des Warschauer Pakts etwas unseriös gesellschaftlichen Zusammenhalt«, Militärmusik, Militär und Mode sowie Militär und Ausdruck weiteren kulturellen Fortschritts, zivile erschien. In der Bundeswehr wurde der Offi ziersberuf so steht es in den  Thesen der Ini- Krieg in Bildender Kunst, Literatur, (Musik-) Theater, Konfl iktbearbeitung und regelbasierten Umgang der mit der Schmidtschen Bildungsreform endgültig als tiative kulturelle Integration zum Film – von Heroisierung und Gewaltverherrlichung bis Staaten miteinander voranzubringen. »Bildungsberuf« anerkannt, was zur Gründung der gesellschaftlichen Zusammenhalt. zur Anprangerung des Schreckens. Sieben Facetten beiden Bundeswehrhochschulen in Hamburg und Viele Bürgerinnen und Bürger enga- des Themas scheinen besonders relevant. München und zur Einführung eines dreij ährigen Stu- Menschliche Sicherheit gieren sich ehrenamtlich in Vereinen diums mit sehr breiter Fächerpalette als obligatori- und Verbänden. Sie übernehmen da- An der Universität Potsdam heißt ein Lehrstuhl »Mili- scher Teil der Ausbildung länger dienender Offi ziere Kultur militärischer Zurückhaltung mit Verantwortung für andere und tärgeschichte und Kulturgeschichte der Gewalt«. Das führte. für die Gesellschaft, für ihre Heimat. Sicherheit ist ein grundlegendes öff entliches Gut, markiert einen Perspektivenwechsel, der auch beim Politische Bildung des »Staatsbürgers in Uniform« Bürgerschaftliches Engagement das der Staat bereitzustellen hat. Die Erkenntnis, durch Daniel Libeskind spektakulär umgestalteten gehört in diesen Zusammenhang – nicht in erster hat eine breite integrative Wirkung dass dazu nicht allein militärische Mittel gehören, Militärhistorischen Museum in zum Aus- Linie als Institutionenkunde, sondern als Wertever- durch Heimatbildung. sondern auch diplomatische, wirtschaftliche, ent- druck kommt. Ein Keil ist in die klassizistische Fassade mittlung. Die Tradition der Bundeswehr ist Kern ihrer Dort, wo das Engagement fehlt, wicklungspolitische, ökologische und kulturelle des Museums hineingetrieben, und in diesem neuen Erinnerungskultur. Traditionspfl ege dient der Selbst- bricht der Zusammenhalt ausei - Aspekte, hat sich langsam durchgesetzt. Das stellt Element der Architektur gibt es Abteilungen, die nicht vergewisserung sowie der Bewahrung und Weitergabe nander, kann Heimat nicht entstehen. einen kulturellen Fortschritt dar. Die Analyse des Siege und Waff en im Mittelpunkt haben, sondern das von sinnstiftenden Werten und Vorbildern. Sie wurde Dort brennen auch Flüchtlingsunter- Spannungsverhältnisses zwischen zivilen Gesellschaf- Leiden und andere gesellschaftliche Aspekte von Krie- im vergangenen Jahr kontrovers diskutiert nach Ein- künfte, dort marschieren die Dema- ten mit ihrem Gewalttabu und der Institution Militär gen thematisieren (z. B. zivile Opfer, Sanitätswesen zelvorkommnissen, bei denen vor allem Unsicherheit gogen durch die Straßen, dort wird mit ihrer hierarchischen Binnenstruktur und ihrem und Prothesen, Kriegsspielzeug, Nutzung von Tieren gegenüber Überlieferungen aus der Wehrmachtszeit Heimat als ausgrenzender Begriff spezifi schen Gewaltpotenzial geht bis zum »Inkom- im Krieg). Dass dieses Museum vor seiner Wiederer- deutlich wurde. In einem teilweise öff entlichen, dis- gegenüber den Neuen verwendet. Wir patibilitätstheorem«. öff nung von einer Zeitung als »Antikriegsmuseum der kursiven Prozess wurden neue Richtlinien für die müssen um die Heimat als einen ver- Deutschlands historische Erfahrung mit dem ver- Bundeswehr« vorgestellt wurde, illustriert positiven Traditionspfl ege entworfen, die den Traditionserlass bindenden Ort für alle kämpfen. Da- brecherischen Missbrauch militärischer Macht sowie kulturellen Wandel. von  ablösen sollen. für brauchen wir aber kein Heimatmi- dem militärischen, staatlichen und moralischen Zu- Dieser Sichtweise entspricht der Paradigmenwan- Wie bisher werden dort Traditionslinien wie die nisterium, wohl aber viele Menschen, sammenbruch im Zweiten Weltkrieg hat eine »Kultur del in der Sicherheitspolitik, wo zunehmend statt Preußische Heeresreform und der Widerstand gegen die sich für ihre alte militärischer Zurückhaltung« bewirkt. Sie steht uns staatlicher Souveränität und Machtvollkommenheit das NS-Regime betont, und es wird noch deutlicher oder neue Heimat wohl an, wurde aber zeitweise, nicht zuletzt durch die »menschliche Sicherheit« im Vordergrund steht. hervorgehoben, dass die Wehrmacht für die Bundes- engagieren. Außenminister , in ständiger Wie- Der schon erwähnte erweiterte Sicherheitsbegriff Fortsetzung auf Seite  derholung entwertet und erschien den Alliierten zu- impliziert auch, dass Friede und Gerechtigkeit zu- Olaf Zimmermann nehmend als Ausfl ucht. Der Appell des damaligen sammengehören. Ein »Kirchhofsfriede« – wie ihn Nr. / ist Herausgeber Bundespräsidenten Joachim Gauck, Deutschland schon Marquis Posa gegenüber Philipp II. geißelt ISSN - 4:V;n von Politik & Kultur müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, – kann beispielsweise für Syrien keine Lösung sein. B   02 SEITE  www.politikundkultur.net

EDITORIAL ERINNERUNGSKULTUR: Fortsetzung von Seite  1. WELTKRIEG wehr keine Tradition begründet. Viel bereitschaft einen Krieg zu verhindern Heimat stärker in den Vordergrund gerückt hatte, ist in den letzten zwei Jahrzehn-

Olaf Zimmermann 01 Abbruch und Aufbruch = wird indes die bundeswehreigene Tra- ten in starkem Maße zur Einsatzarmee Olaf Zimmermann 19 dition aus den nunmehr bald  Jahren geworden. Im Auftrag der Vereinten Na- ihres Bestehens – mehr als doppelt so tionen trägt sie zur Konfl iktbeendigung LEITARTIKEL Der Große Krieg lang wie Reichswehr und Wehrmacht und Stabilisierung in Krisengebieten Gerhard Hirschfeld 20 zusammen. Doch ist zugleich zu be- INDEX.PHP?CURID bei. Das Aufgabenspektrum der Solda- Kultur und Militär

rücksichtigen, dass Soldaten, beson- G/W/ ten hat sich damit kolossal erweitert: Klaus Wittmann 01 Der »Welt« im ders der Kampftruppen, nach Vorbil- Es spannt sich vom Kämpfer bis zum Weltkrieg gedenken dern aus dem Kampfgeschehen suchen. Beschützer und Vermittler in fremden Kulturmensch Markus Hilgert 02 Jürgen Zimmerer 21 Denn auch wenn die Bundeswehr ihren Gesellschaften wie Afghanistan oder Hauptzweck in der Kriegsverhinderung Mali. Wie wichtig dort »interkulturelle Vertontes Trommelfeuer bzw. bei Auslandseinsätzen in der Sta- Kompetenz« jedes einzelnen Soldaten AKTUELLES Stefan Hanheide 22 bilisierung und Friedenskonsolidierung ist, liegt auf der Hand. sieht, gehören zur Auftragserfüllung Gutes Ergebnis für die Kultur Auf halbem Weg zur Weltmacht auch der Kampf und in letzter Konse- Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz 03 Maximilian Klose 22 Schutz von Kulturgut

quenz Töten und Einsatz des eigenen COMMONS.WIKIMEDIA.OR JOHN. RALF Lebens. Von bundeswehreigener »Ein- Klaus Wittmann An der Arp-Schnitger-Orgel von  »Ich bin innerlich zerrissen, aber satzkultur« ist in der jüngsten Ausgabe in Godlinze, nordöstlich von Gronin- INLAND ich kämpfe, auch das in Kunst von »Loyal«, dem Magazin des Reser- plomatie ein »militärisches Rückgrat«. gen, ist in vier Sprachen zu lesen: auszudrücken« vistenverbandes, zu lesen. Wichtig bleibt, dass Deutschland mili- »Die niederländische Regierung hat Kulturpolitik aktuell: Ziele für Uwe M. Schneede 23 tärisch nur im multilateralen Rahmen diese Orgel, von musikalischem und die aktuelle Legislaturperiode tätig wird. historischem Gesichtspunkt eine Ar- Sechs Kurzstatements 04-05 Präverbal und postmodern? Militärische Gewalt als Die Friedensdenkschrift des Rates beit allerersten Ranges, vor Beschlag- Heike Gfrereis 24 ultima ratio der Evangelischen Kirche in Deutsch- nahme sichergestellt und bittet alle Ein Plädoyer für Inklusion Natürlich ist in der Sicht deutscher Si- land (EKD) von  mit ihrem Pers- Kommandanten der Militärmächte Julien Chapuis, Jonathan Fine und Paola Butter statt Kanonen cherheitspolitik militärische Gewalt die pektivenwechsel vom »gerechten Krieg« anderer Nationen eindringlich, diese Ivanov 06 Philipp Stiasny 25 ultima ratio; auch das ist eine kulturelle zum »gerechten Frieden« und ihren Orgel gleichfalls schonen zu wollen.« Errungenschaft vor allem in Europa: restriktiven Kriterien für den Einsatz Auch hier treff en sich Kultur und Mili- Alte und Neue Rechte Von Geschichtsfi beln und »Dicken dass staatliche Interessen nicht mehr militärischer Gewalt sollte nicht nur für tär: Das humanitäre Kriegsvölkerrecht, Olaf Zimmermann 07 Schinken« mit militärischer Gewalt durchgesetzt protestantische Friedensethik maßgeb- kodifi ziert in den Haager und Genfer Kerstin Schwedes, Rainer Bendick und werden, dass statt des Rechts des Stär- lich sein, sondern zur Prägung gesell- Abkommen, soll bewirken, dass auch Nachhaltigkeit: Die vierte Säule Steff en Sammler 26 keren die Stärke des Rechts gilt. Aller- schaftlichen Denkens und Diskutierens, im Krieg zivilisatorische, also huma- Rüdiger Kruse 08 dings heißt ultima ratio nicht »letztes« also der »Diskurskultur«, herangezogen nitäre und kulturelle Minimalnormen Moderner Erinnerungsort Mittel auf der Zeitachse, sondern »äu- werden. eingehalten werden. Die Haager Kon- Kulturgutschutz: Gut vorbereitet Gerhard Bauer 27 ßerstes« Mittel. Und bisweilen kann Benjamin-Immanuel Hoff 08 frühzeitiger dosierter Einsatz dieses Erinnern für die Zukunft Die Führungskultur der äußersten Mittels oder zumindest sein Kulturelles Erbe für Europas Daniela Schily 27 Bundeswehr Eine Refl exion glaubwürdiges Vorzeigen Schlimmeres Zukunft erzeugt ein wahres verhindern. Durch ihre »Führungskultur«, basie- Martina Münch 09 Hartmannswillerkopf So hätten bei der Beschießung von rend auf dem Konzept der »Inneren Kaleidoskop von Gerd Krumeich 28 Dubrovnik durch serbische Artillerie Führung«, wurde die Bundeswehr – vor Aspekten und im Herbst  wenige Schläge aus dem Hintergrund historischer Lehren EUROPA 100 Projekte für den Frieden in Assoziationen der Luft oder auch nur deren über- und veränderter sicherheitspolitischer Europa zeugende Androhung der Aggression Situation – gewissermaßen demokra- Griechenland: Die Wiege der Markus Ingenlath 28 ein Ende gemacht. Stattdessen wurde tieverträglich gemacht. Eine zentrale vention zum Schutz von Kulturgut europäischen Kultur Slobodan Milošević jahrelang im Glau- Komponente ist der Primat der Politik bei bewaffneten Konflikten mit ih- Juliane Stegner 10 Erinnerungskultur in Räumen ben gewiegt, militärisch habe er, allen mit parlamentarischer Kontrolle und ren Nachfolgeprotokollen dient dazu, gedacht UN-Sicherheitsratsresolutionen zum hohem Stellenwert politischer Bildung Kulturgut während eines Krieges oder Datenschutz: Ein Grundrecht, Riccarda Cappeller 29 Trotz, nichts zu befürchten. Vier Jahre unter Betonung der grundgesetzlichen bewaff neten Konfl iktes vor Zerstörung kein Luxus später war dann militärische Interven- Werte. Die andere ist im Leitbild des oder Beschädigung sowie Diebstahl, Richard Kühnel 11 Erinnerungskultur aus der Nische tion doch unvermeidbar – zu einem viel »Staatsbürgers in Uniform« zusam- Plünderung und anderen Formen ei- Stefan Neuhaus im Gespräch 30 höheren Preis: Hunderttausende hatten mengefasst. Dazu gehören zeitgemä- ner widerrechtlichen Inbesitznahme Euregio: Über die Grenzen hinaus inzwischen ihr Leben oder ihre Heimat ße Menschenführung, kooperativer zu schützen. Das Emblem der Haager Eva Mendgen 12 Spielend sterben im verloren. Solche Lehren zu beherzigen Führungsstil, »Auftragstaktik« mit Konvention an kulturell bedeutenden Schützengraben – und öff entlich zu erklären – muss Teil Delegation von Verantwortung und die Bauwerken oder Objekten erinnert an brexit big band Felix Zimmermann 31 der politischen Kultur in wehrhaften Idealvorstellung des »mitdenkenden diese Verpfl ichtung und fordert nicht Matthew Herbert 13 Demokratien sein. Für kein Problem Gehorsams«. zuletzt das Militär zu ihrer Achtung, gibt es eine militärische »Lösung«, aber ihrem Schutz und ihrer Bewahrung auf. Brexit: Recht unsicher MEDIEN das dichotomische Reden über »diplo- René Houareau 13 Interkulturelle Kompetenz matisch oder militärisch« ist vom An- Klaus Wittmann ist Brigadegeneral a. D. ÖRR: Mehr Kooperation, weniger satz her falsch. Auch Waff en können Die Bundeswehr, im Kalten Krieg terri- und Senior Fellow des Aspen Institute Konfrontation deeskalatorisch wirken, und gegenüber toriale Verteidigungsarmee, die im Ver- Deutschland. Er lehrt Zeitgeschichte an INTERNATIONALES Heike Raab 32 bestimmten Akteuren braucht die Di- bund mit den Alliierten durch Einsatz- der Universität Potsdam kulturweit: Verstehen lernen Das Politische im digitalen Spiel Verena Metze-Mangold 14 Alexander Preisinger 33

Vom Land der aufgehenden Koralle für Koralle wächst eine Sonne ins Reich der Mitte journalistische Innovation Kulturmensch Christian Strowa 15 Tanja Krämer und Christian Schwägerl 34

Deutschlandjahr 2018 in den Markus Hilgert USA: »Wunderbar together« DOKUMENTATION Andreas Görgen 15 Die Kulturstiftung der Länder be- »Illegaler Handel mit Kulturgut in den großen politischen und kultur- Stellungnahme des Deutschen kommt einen neuen Generalsekretär Deutschland« des Bundesministeri- politischen Themen dieser Tage zu Türkei: Die kurdische Tragödie Kulturrates 35 – seit Dezember letzten Jahres ist es ums für Bildung und Forschung, ist beteiligen«. Reinhard Baumgarten 16 bekannt. Ab April  steht Markus Mitglied der Deutschen UNESCO- Hilgert an der Spitze der Stiftung, Kommission e.V. sowie Präsident Mexiko: Im Dornröschenschlaf DAS LETZTE deren Aufgabe es ist, Kunst und Kul- von Blue Schield Deutschland e.V., Alexander Au 16 tur in Deutschland zu fördern und zu einer Dachorganisation zum Schutz Kurz-Schluss 36 bewahren. Herzlichen Glückwunsch, des Kulturerbes in Krisenzeiten oder Herr Hilgert! Unglücksfällen. Ein wichtiges An- KULTURELLES LEBEN P&K-Nachrichten 36 Hilgert studierte Altorientalistik, liegen ist Hilgert die Digitalisierung Semitistik, Vorderasiatische Archäo- von Kulturgütern. Er ist Initiator des Gott & die Welt: Mehr Fenster! Karikatur 36 logie und Vergleichende Religions- »Zentrum für digitale Kulturgüter in Christian Stäblein 17 wissenschaft an den Universitäten in Museen« und Koordinator des von der Impressum 36 München, Chicago und Marburg, wo Beauftragten der Bundesregierung Einer, der auszog, er  im Themengebiet Altorienta- für Kultur und Medien fi nanzierten Kulturarbeiter zu werden listik promovierte. Fünf Jahre später Projekts »museumpunkt – Digitale Arnold Bischinger im Porträt – habilitierte er sich an der Universität Strategien für das Museum der Zu- Andreas Kolb 17 DER AUSBLICK Jena und lehrte bis  an der Rup- kunft«. 3  recht-Karls-Universität Heidelberg. Die künftige Arbeit der Kulturstif- Künstler: Mischt Euch ein! Von  bis  war Markus Hilgert tung der Länder will Hilgert verstärkt Ludwig Greven 17 Die nächste Politik & Kultur Direktor des Vorderasiatischen Muse- politisch ausrichten. Er kündigte an: erscheint am . Mai . ums im Pergamonmuseum der Staat- »Ich glaube, dass eine aus Steuermit- Die Rote Liste – Gefährdete

Im Fokus steht das Thema lichen Museen zu Berlin. Darüber hi- teln fi nanzierte Institution tatsäch- TESSMER M. OLAF / BERLIN ZU MUSEEN STAATLICHE FOTO: Kulturinstitutionen 18 »Freie Szene«. naus leitet er den Forschungsverbund lich die Verpfl ichtung hat, sich an Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  AKTUELLES 03

Gutes Ergebnis für die Kultur Eine Einschätzung des an Bedeutung gewinnen. Noch einmal verschiedener Akteure – und auch des sich die Koalitionäre für eine schnelle E-Papers und elektronische Informati- Koalitionsvertrages bestärkt wird im Koalitionsvertrag die Deutschen Kulturrates – in der letzten Lösung auf der europäischen Ebene onsmedien eingesetzt werden soll. Fortsetzung des Programms »Kultur Wahlperiode gelohnt. einsetzen, die dann in nationales Recht macht stark«. übersetzt werden soll. Weiter soll die Medienpolitik OLAF ZIMMERMANN UND Politik für kulturelle Bildung soll sich Soziale Sicherung Stellung von Rechteinhabern gegen- Angesichts der Konvergenz der Medien GABRIELE SCHULZ aber nicht nur in Projekten erschöpfen, Hervorzuheben ist hier, dass Selbststän- über Internetprovidern gestärkt werden. ist die Medienpolitik kaum von der Di- geplant ist auch eine Mittelaufstockung dige generell in die gesetzliche Renten- Auch soll die Privatkopievergütung den gitalpolitik zu trennen. Es wird daher um Erscheinungstermin dieser im Kinder- und Jugendplan des Bundes. versicherung einbezogen werden sollen. neuen technischen Möglichkeiten ange- darauf ankommen, dass in der künftigen Ausgabe von Politik & Kultur Hier kann die Infrastruktur kultureller Freiberufl iche Künstler und Publizis- passt werden. Ein starkes Urheberrecht Bundesregierung ein enger Austausch ist noch unklar, ob die SPD- Bildung gestärkt werden, die die Vo- ten sind dies bereits seit  durch die wird auch für die weitere Entwicklung zwischen der Beauftragten der Bun- Z Mitglieder dem von CDU, CSU raussetzung für die erfolgreiche Bean- Künstlersozialversicherung. Andere im der Kultur- und Kreativwirtschaft als desregierung für Kultur und Medien und SPD ausgehandelten Koalitions- tragung und Umsetzung von Projekten Kulturbereich Selbstständige, die die Vo- dringend erforderlich gesehen. und dem Ministerium für Verkehr und vertrag zustimmen und damit die neue ist. Auch sollen die Bundes- und Jugend- raussetzungen für eine Mitgliedschaft digitale Infrastruktur stattfi ndet. Denn Regierung gebildet werden kann oder freiwilligendienste fi nanziell aufgestockt in der Künstlersozialversicherung nicht Auswärtige Kultur- und Medienregulierung wird einerseits stark ob der Vertrag abgelehnt wird. Nichts- werden. Wichtig für die Infrastruktur erfüllen, haben keinen automatischen Bildungspolitik auf der europäischen Ebene vorgeprägt destotrotz lohnt es sich, sich mit dem kultureller Bildung ist ebenfalls, dass Zugang zur gesetzlichen Rentenversi- Auch hier sind eine Stärkung und der und andererseits durch technische Ent- ausgehandelten Vertrag näher zu be- in den vom Bund geförderten Kultur- cherung. Im Koalitionsvertrag ist vorge- Ausbau des internationalen Austauschs wicklungen getrieben. fassen, da er für die Kultur ein gutes einrichtungen kulturelle Bildung und sehen, dass bestehende Sondersysteme geplant. Dazu gehört unter anderem die Ergebnis ist. Kulturvermittlung im Organisationsplan für Selbstständige wie beispielsweise die geplante Erhöhung des Etats der Deut- Handelspolitik Nicht nur ragt das Kulturkapitel mit und damit Personalbestand fest vorge- Künstlersozialversicherung oder auch schen Welle auf dem Niveau vergleich- Ein Wermutstropfen im Koalitionsver- Blick auf den Umfang und die Einord- sehen sein soll. Damit wäre kulturelle die Versorgungswerke für Freiberufl er barer europäischer Sender. Programme trag sind die Aussagen zur Handelspoli- nung unter der Überschrift »Zusam- Bildung und Kulturvermittlung nicht nicht angetastet werden. Andere Selbst- zur Unterstützung verfolgter Künstler, tik. Zwar wird immer wieder betont, dass menhalt und Erneuerung – Demokratie mehr nur ein schöner Zusatz, sondern ständige müssen sich in der gesetzlichen Wissenschaftler und Journalisten sollen ein fairer Handel angestrebt wird, doch beleben« heraus, auch in verschiedenen gehörte zu den Aufgaben von vom Bund Rentenversicherung versichern. Geplant verstärkt werden. Ein besonderes Au- wird mit dem unmissverständlichen anderen Kapiteln werden konkrete, die geförderten Einrichtungen. Weiter soll ist, die Renten- und Krankenversiche- genmerk soll auf den kulturellen Aus- Bezug auf das CETA-Abkommen die Kultur betreff ende Aussagen gemacht, die Medienbildung gestärkt und die rungsbeiträge gründerfreundlich zu ge- tausch mit Afrika gerichtet werden. Hier Diskussion um weitere Handelsabkom- deren Umsetzung für den Kultur- und kulturelle Bildung und Medienbildung stalten. Der Deutsche Kulturrat wird ein soll der Kulturaustausch befördert und men präjudiziert. Dass nicht einmal die Medienbereich positiv ist. Für ver- enger verzahnt werden. Hierzu ist ein besonderes Augenmerk auf diese Frage sich der Aufarbeitung des Kolonialismus Konvention Kulturelle Vielfalt in diesem schiedene Bereiche hat der Deutsche gesamtstaatliches Bündnis für kulturelle richten und dabei thematisieren, dass es gewidmet werden. Mit dem Thema Ko- Kontext Erwähnung fi ndet, ist bitter für Kulturrat bereits konkrete Vorschläge Bildung, Vermittlung und Medienkom- nicht nur auf Gründerfreundlichkeit an- lonialismus soll sich auch das Deutsche all jene, die gehoff t hatten, mit dieser unterbreitet, in anderen werden wir petenz geplant. Dieses wird mit den kommt, sondern manche Selbstständige Zentrum Kulturgutverluste mit Blick auf Konvention auch ein handelspolitisches nachlegen müssen. vielfältigen angedachten Aktivitäten der fortlaufend nur ein geringes Einkommen die Provenienzrecherche befassen. An- Instrument in den Händen zu halten. Das Kulturkapitel des Koalitionsver- digitalen Bildungsoff ensive zusammen- erzielen. gekündigt wird auch, dass in der deut- Hier gibt es noch viel zu tun. trages endet programmatisch: »Politik für gedacht werden müssen. Zu begrüßen ist weiterhin, dass das schen EU-Ratspräsidentschaft in der Kultur und Wissenschaft, Medien und Statusfeststellungsverfahren noch ein- zweiten Jahreshälfte des Jahres  Dennoch viel Positives Bildung ist eine Politik für die off ene Ge- Aus- und Weiterbildung mal unter die Lupe genommen werden ein besonderes Augenmerk Kultur und In der Gesamtbilanz enthält der Koali- sellschaft, für die Freiheit von Meinun- Wichtig mit Blick auf die Entwicklung soll und in diesem Jahr eine Anschluss- Bildung als Motor des zusammenwach- tionsvertrag viele positive Vorhaben für gen, Wissenschaft und Kunst.« Dieses des Arbeitsmarkts Kultur und Medien regelung für das Arbeitslosengeld I für senden Europas gewidmet werden soll. den Kultur- und Medienbereich. Abzu- klare Eintreten für eine weltoff ene Kul- ist die angestrebte Gleichwertigkeit kurz befristet Beschäftigte gefunden warten bleibt, ob die Regierungsbildung turpolitik ist ein eindeutiges Signal an berufl icher und akademischer Bildung. werden soll. Steuerrecht klappt. jene, die den Kulturbegriff verengen oder Auch im Kultur- und Medienbereich Interessant für den Kulturbereich ist in Kunst und Kultur einschränken wollen. zeichnet sich in einigen Feldern, die Urheberrecht steuerrechtlicher Hinsicht, dass sich auf Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer Unmissverständlich wird hierzu im eine duale Ausbildung voraussetzen, Der Einsatz für die Verlegerbeteiligung europäischer Ebene für den ermäßigten des Deutschen Kulturrates. Gabriele Koalitionsvertrag formuliert: »… die Be- ein Fachkräftemangel ab. Um diesem wird im Abschnitt zum Urheberrecht als Mehrwertsteuersatz für gewerblich ge- Schulz ist Stellvertretende Geschäfts- reitschaft, Widersprüche auszuhalten, entgegenzuwirken, muss die Duale Aus- erstes Vorhaben genannt. Hier wollen handelte Kunstgegenstände, E-Books, führerin des Deutschen Kulturrates sind Voraussetzungen für ein friedliches bildung an Attraktivität gewinnen und gesellschaftliches Miteinander. Gerade die Aufstiegsqualifi zierung ähnlich dem in Zeiten des Wandels sind eine starke Hochschulstudium kostenfrei sein. Der und vielfältige Kunst- und Kulturszene Deutsche Kulturrat hat sich hierzu in sowie eine moderne und ermöglichende seinen Forderungen zur Bundestags- Kulturpolitik unverzichtbar.« wahl  positioniert. Es ist erfreulich, Erfreulich an der letzten Aussage ist dass im Koalitionsvertrag die entspre- zum einen, dass Kunst und Kultur die chenden Weichen gestellt werden. Kraft zugesprochen wird, Verständnis Ebenfalls positiv ist die geplante und Verständigung zu fördern und zum Stärkung der Weiterbildung. Weiter- anderen mit dem Begriff der ermögli- bildung hat auch im Kultur- und Me- chenden Kulturpolitik die unselige ak- dienbereich eine große Relevanz. Zu tivierende Kulturpolitik ad acta gelegt begrüßen ist, dass die Bundesagentur wurde. Und ermöglicht werden soll vie- für Arbeit verpfl ichtet werden soll, Ar- les. Förderpolitisch sind verschiedene beitnehmern und Arbeitslosen Weiter- neue Programme zu nennen und die bildungsmöglichkeiten zu eröff nen bzw. WITTENER TAGE Verstetigung von bestehenden. Konkret sie gezielt zu beraten. Für den Kultur- geplant ist: und Medienbereich wird es erforderlich FÜR NEUE • die Aufl age eines Programms »Kultur sein, entsprechende Anpassungen mit in den Regionen«, das der zeitgenös- Blick auf Selbstständige, speziell So- sischen Kunst zugutekommen soll, lo-Selbstständige, vorzunehmen. Hier KAMMER MUSIK • die Ausweitung des Investitionspro- wird sich der Deutsche Kulturrat in die gramms für Kultureinrichtungen in anstehenden Debatten entsprechend Ostdeutschland »Invest Ost« auf ganz einbringen. Deutschland – dieses Programm dient Das erneuerte Professorinnenpro- der Sanierung maroder Kulturbauten, gramm soll einen Beitrag für mehr Pro- KONZERTE • die Fortführung des Programms fessorinnen an Hochschulen leisten. Es KLANGKUNST »LandKULTUR« und dessen Verbin- wird darauf ankommen, dass auch die dung mit Integration und Inklusion, Kunst- und Musikhochschulen sich hier PERFORMANCES • die Einführung eines Programms »Ju- entsprechend engagieren und den Frau- GESPRÄCHE gend erinnert«, um junge Menschen enanteil in der Lehre deutlich erhöhen. 27. – 29. APRIL 2018 an die Erinnerungskultur heranzu- führen. Geschlechtergerechtigkeit Neue Werke u. a. von Fragen der Geschlechtergerechtigkeit Mark Andre / Vykintas Baltakas / Franck Bedrossian / Kulturelle Bildung spielen sowohl mit Blick auf eine höhere Ricardo Eizirik / Ashley Fure / Beat Furrer / Uli Fussenegger / Bildung wird im Koalitionsvertrag eine Erwerbsbeteiligung von Frauen eine Rol- Georg Friedrich Haas / Gordon Kampe / Liza Lim / wichtige Bedeutung beigemessen. Für le als auch hinsichtlich dem Bestreben, Jérôme Noetinger / Chelsea Leventhal / Yves de May / den Kultur- und Medienbereich ist mit dass mehr Frauen Führungspositionen Brice Pauset / Yann Robin / Katharina Rosenberger / Blick auf die kulturelle Bildung bedeut- einnehmen. Der Deutsche Kulturrat Johannes Maria Staud / Agata Zubel / Vito Žuraj sam, dass eine stärkere Verzahnung mit will mit dem Mentoring-Programm, Ausführende: u. a. der politischen Bildung angedacht ist. das beim Projektbüro Frauen in Kultur Donatienne Michel-Dansac und Agata Zubel Stimme / Nicolas Hodges Klavier / Dies ist gerade mit Blick auf die Erin- und Medien des Deutschen Kulturra- GrauSchumacher Piano Duo / Andreas Mildner Harfe / Yaron Deutsch E-Gitarre / nerungskultur, aber auch allgemein für tes angesiedelt ist, seinen Beitrag dazu Jörg Widmann Klarinette / Trio Accanto / Trio Catch / IEMA Ensemble 2017/18 / den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten, Frauen auf Führungspositionen Klangforum Wien / SWR Experimentalstudio / WDR Sinfonieorchester / Mariano Chiacchiarini, Emilio Pomàrico, Peter Rundel Dirigenten bedeutsam. Bemerkenswert ist in die- vorzubereiten. sem Zusammenhang ferner, dass die Jurys und Auswahlgremien sollen ge- dezentrale Erinnerungskultur mit ih- schlechtergerecht besetzt werden und INFOS rem zivilgesellschaftlichen Engagement auch bei Stipendien und Förderentschei- wittenertage.de besser unterstützt werden soll. Weiter dungen soll Geschlechtergerechtigkeit wdr3.de soll die kulturelle Bildung mit Blick auf in die Entscheidungen einbezogen wer- Bildung für nachhaltige Entwicklung den. Hier hat sich die hartnäckige Arbeit 04 INLAND www.politikundkultur.net

Die neuen kulturpolitischen Sprecher Welche wichtigen kulturpolitischen Ziele sollen in der aktuellen Legislaturperiode umgesetzt werden? FOTO: ??? FOTO:SUSIE KNOLL FOTO:SUSIE FOTO: MARCO FOTO: FOTO: DEUTSCHER / ACHIM MELDE ACHIM / BUNDESTAG DEUTSCHER FOTO: Marco Wanderwitz Michelle Müntefering

Zugang ermöglichen Kontinuität und Subventions- und und verbessern Erneuerung Förderfilz

MARCO WANDERWITZ MICHELLE MÜNTEFERING MARC JONGEN

eutschland ist eine Kulturnation. Unser kultureller ie Welt verändert sich. Große Errungenschaften wie ollte man alle Übel, denen Deutschland derzeit Reichtum bietet den Menschen ein einzigartiges An- Menschenrechte oder Meinungsfreiheit werden nicht ausgesetzt ist, in einem Begriff bündeln, es wäre gebot. Rund . Museen und Ausstellungshäuser, nur von gefährlichen Autokraten weltweit infrage ge- der der Ent-eignung. Unser Land wird um seine D über  Theater- und Spielstätten und mehr als  D stellt. Auch die modernen Gesellschaften der Indus- W Substanz, um sein Eigenes gebracht, und seine feste Opernensembles, fast so viele wie im gesamten Rest der triestaaten ringen um die Zukunft der liberalen Demokratie, in Konturen werden, wenn die gegenwärtigen Tendenzen sich Welt. Und dennoch: Über  Prozent der Deutschen gehen nie der sich gefährlich große Teile der Bevölkerung abwenden von fortsetzen, in wenigen Jahrzehnten verwischt sein wie eine ins Theater oder in die Oper. einem modernen Lebensstil, der durch kulturelle Vielfalt und Zeichnung am Meeresufer. Es geht also nicht nur darum, kulturelle Angebote zu sichern, von off enen Lebensweisen geprägt ist. Man kann darin ein »alternativloses« Schicksal sehen, man sondern den Zugang zu diesen Angeboten zu verbessern bzw. Während die in amerikanischen Metropolen angestoßene, kann darüber mit den Schultern zucken oder es sogar freudig zu ermöglichen. Beides ist in ländlichen und strukturschwa- mutige MeToo-Debatte die patriarchalischen Strukturen der begrüßen – unser Elend ist, dass die Altparteien sich nur nach chen Regionen eine noch größere Herausforderung. Filmbranche erschüttert, erhärtet sich – auch in Teilen der dem Grad dieses Defätismus unterscheiden. Schwerpunkt der Bundeskulturpolitik in den nächsten Jahren europäischen Gesellschaften – die Sehnsucht nach nationaler Die Alternative für Deutschland setzt sich von ihnen dadurch muss daher aus meiner Sicht sein, in engem Zusammenwirken und identitärer Abgrenzung. Der Charakter einer immer weiter scharf ab, dass sie nicht gewillt ist, das Verschwinden Deutsch- mit den Ländern und unter Einhaltung der Zuständigkeiten die ausdiff erenzierten Medienlandschaft bis in die Filterblasen lands als Kulturnation hinzunehmen. Sie trägt ihren Namen kulturelle Infrastruktur und föderale Vielfalt in der Fläche zu und Echokammern des Internets hinein, erschwert einen ge- exakt aus dem Grund, weil sie für eine Alternative zum kultu- erhalten. meinschaftlichen gesellschaftlichen Diskurs – der in der demo- rellen Erlöschen – gegen die enormen Widerstände der hege- Fast  Prozent der Menschen in Deutschland leben in Dörfern kratischen Gesellschaft unabdingbar ist – und beeinträchtigt monialen Linksideologen – zu kämpfen bereit ist. und Kleinstädten. Auch für sie soll unser kultureller Reichtum eine gesamtgesellschaftliche Verständigung über die zentralen Der Erfolg alternativer Kulturpolitik wäre beispielsweise da- erlebbar sein. Dies ist ohne das Engagement von Ehrenamtli- Fragen und Antworten des Zusammenlebens. ran abzulesen, dass es wieder einen echten Theaterskandal chen in Vereinen, Laiengruppen, Kirchen und soziokulturellen Einem nötigen neuen Aufbruch in der Kulturpolitik muss in Deutschland gäbe. Durch Bekoten, Bepissen oder Besamen Initiativen undenkbar. Vonseiten der Politik besteht auf allen deswegen auch das Bewahrende zugrunde gelegt werden, die der Bühne wird dieser schwerlich herbeizuführen sein, kein Ebenen Nachholbedarf, aber auch erkennbarer Handlungswille. Freiheit und Vielfalt von Kunst und Kultur aktiv zu schützen. Hund wird damit bekanntlich noch hinter dem Ofen, Baujahr In der Verantwortung des Bundes sind bereits viele erfolgreiche Ihrer Unabhängigkeit Raum zu geben und sich zur Wehr zu ʼ, hervorgelockt. Unerhört und skandalträchtig wäre es aber, Initiativen gestartet. setzen, gegen die Feinde der geistigen Freiheit – dazu brauchen es würden ein junger Autor, eine junge Regisseurin – welche Dazu gehören die Programme »Kultur macht stark«, »TRAFO – wir auch im internationalen Dialog diejenigen Stimmen, die im Schule hat es versäumt, sie anderweitig zu konditionieren? –, Modelle für Kultur im Wandel«, »Kulturagenten« und »Land- Sinne der Weltvernunft auf die Kraft des Meinungsaustausches die Liebe zu ihrem Land und ihrer Kultur auf off ener Bühne KULTUR« sowie der Buchhandlungspreis und der Preis für und der Argumente setzen. Die Kontinuität des Erreichten mit zelebrieren. Oder aber, sie würden dem illusionären Humani- kulturelle Bildung. Diese bestehenden Förderungen sollen aus- der Erneuerung von Strukturen zu verbinden, ist die Aufgabe tarismus der Migrationspolitik unserer Regierung grausam den gebaut werden. Darüber hinaus haben wir im Rahmen der Koa- der Stunde. Spiegel vorhalten. Politik kann solches weder anordnen noch litionsverhandlungen das Thema Kulturförderung mit weiteren Ein off ener Kulturbegriff , wie ihn der aktuelle Koalitionsver- gar selbst hervorbringen, aber sie kann die Bedingungen für die wichtigen Vorhaben unterlegt. So wollen wir das Programm trag beschreibt, macht einen solchen Aufbruch möglich. Mit geistigen Freiräume und für den Mut schaff en, die dazu nötig »Investitionen für nationale Kultureinrichtungen – Invest Ost« dem Anspruch, durch eine Kulturförderung auch in der Fläche sind. fi nanziell verstärken und zugleich deutschlandweit erweitern. weite Teile der Gesellschaft zu erreichen, soll Kulturpolitik im Kulturelles Selbstbewusstsein kann nur aus einem Selbstbild Die Kulturstiftung des Bundes wird in ihrer Kulturarbeit außer- Rahmen eines kooperativen Kulturföderalismus »gleichwertige erwachsen, das neben den dunklen auch die lichten Seiten der halb der Großstädte weiter unterstützt, die vielfältige Biblio- Lebensverhältnisse« im Land schaff en. eigenen Geschichte – vor allem diese – als identitätsstiftend thekslandschaft soll gesichert werden. Durch ein dauerhaftes Kulturelle Teilhabe tatsächlich zu realisieren und mit einer begreift. Ohne alle »Schlussstrich«-Allüren will die AfD daher Bundesprogramm Denkmalschutz wird in Kofi nanzierung mit »Agenda für Kultur und Zukunft« die Kulturförderung auszu- den Fokus der nationalen Erinnerungspolitik auf die wirklichen den Ländern die weitere Sanierung vieler Denkmale ermöglicht. bauen, zu modernisieren und zu stärken, dazu sind konkrete tausend Jahre deutscher Geschichte erweitern und ihn nicht Mit über  Prozent sind die meisten Menschen im ländlichen Ziele nötig. So müssen etwa die bislang überzeichneten Bun- auf jenen »tausend« belassen, die in Wahrheit nur zwölf waren. Raum am Kulturangebot Kino interessiert. Mit einem »Zu- desförderfonds ausgebaut, die Erinnerungskultur mit einem Unter den gegenwärtigen Bedingungen eines sich immer kunftsprogramm Kino« werden wir den Kulturort Kino auch klaren Bekenntnis auch zur Aufarbeitung deutscher Kolonial- mehr zur Staatsdoktrin verfestigenden Multikulturalismus, außerhalb von Ballungsgebieten erhalten. Kulturarbeit darf geschichte vorangetrieben und mit Blick auf die kommenden der verschwistert ist mit einem kunst- und kulturfeindlichen nicht an geografi schen Grenzen haltmachen. Um künstlerische Generationen, auch mit Unterstützung bei der kulturellen Bil- Gleichstellungsfuror der Geschlechter (der vorhandenen und Projekte der freien Szene deutschlandweit, aber auch grenz- dung – etwa mit der Initiative »Jugend erinnert« – unterstützt der erdichteten), lautet die vordringlichste Aufgabe alternati- überschreitend zu fördern, ist ein neues Programm »Kultur in werden. Gleichzeitig müssen sich aber auch die Diskussionen ver Kulturpolitik: Entideologisierung. Überall dort, wo off ene den Regionen« geplant. um einen kulturellen Wandel im Kulturbetrieb selbst in der oder versteckte ideologische Vorgaben das Kulturleben gängeln, Schließlich gilt es, im Zuge einer weiteren Entbürokratisierung politischen Agenda niederschlagen. Die Förderung von Frauen, wird die AfD intervenieren und sich am Exorzismus des Dä- das Antrags- und Vergabesystem grundsätzlich, aber vor allem der Kampf gegen Diskriminierung, aber auch die soziale Absi- mons politischer Korrektheit versuchen. Die kritische Durch- für die Akteure vor Ort, zu vereinfachen. In Einzelfällen soll die cherung von Kulturschaff enden gehören unbedingt dazu. leuchtung des Subventions- und Förderfi lzes im Kultur- und komplementäre Finanzierung von Projekten in besonders fi - Die kommenden Jahre werden die Kulturpolitik auf besondere Medienbereich gehört dazu. Paradoxerweise werden »Freiheit«, nanzschwachen Kommunen auf einen Anteil von zehn Prozent Weise herausfordern. Demokratinnen und Demokraten – sei es »Vielfalt« und »Toleranz«, die die anderen wie Monstranzen vor reduziert werden können. in Politik, Wissenschaft oder Kultur – müssen sich gemeinsam sich hertragen, durch ihr Verhalten aber gerade unterdrücken, Wir arbeiten, in enger Abstimmung mit den Ländern und Kom- unterhaken, wenn sie die Pfl öcke des Fortschritts wieder ein erst dadurch wieder zu ihrem Recht kommen. munen, für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und gutes Stück weiter vorne einschlagen wollen. eine kulturelle Grundversorgung im ganzen Land. Marc Jongen, MdB ist kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion Michelle Müntefering, MdB ist Sprecherin für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag Marco Wanderwitz, MdB ist kultur- und medienpolitischer der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  INLAND 05 FOTO: ??? FOTO: PETER ADAMIK PETER FOTO: FOTO: ALINE MÜLLER ALINE FOTO: GRUNDL ERHARD FOTO:

Vielfalt und Faire Vergütung und Kunstschaffende Freiheit fördern soziale Absicherung stärken

HARTMUT EBBING SIMONE BARRIENTOS ERHARD GRUNDL

ir Freie Demokraten wollen in dieser Legislaturperi- ls Kulturschaff ende – ich war in den letzten zehn m Jahr  erhielt Bob Dylan den Nobelpreis für Litera- ode die Vielfalt und die Freiheit des Kulturlebens in Jahren die Verlegerin des Kulturmaschinen-Verlages tur »für seine poetischen Neuschöpfungen«, wie es in der Deutschland weiter fördern und für alle Menschen und stand mit Texten von Borchert und Heine, Lu- Begründung hieß. Seine Texte zu interpretieren, sie auf W in unserem Land zugänglich machen. Denn Kunst A xemburg und Sukov auf Lese- und Theaterbühnen I eine Botschaft festzuschreiben – hat er immer abgelehnt. und Kultur bietet für jeden Menschen, aber auch für die Gesell- – liegt mir Kunst- und Kultur als politisches Betätigungsfeld Denn sie selbst sind Botschaft, sind Ausdruck seiner künstleri- schaft als Ganzes, wichtige Chancen zur Refl exion, Entwicklung natürlich ganz organisch nahe. schen Suche – immer neu, immer unvollkommen, bei aller Meis- und Integration. Die Kulturlandschaft, vom Verlagswesen bis zur Musikbranche, terschaft. Derzeit gibt es Rufe nach mehr »deutscher Literatur« Wir sind der Meinung, dass es in einer Welt der Veränderung ist in einem Umbruch begriff en, der immer schneller und durch in den Schulen, mehr »deutschen« Klassikern auf den Bühnen. keine Ressource gibt, die wertvoller ist als Bildung. Wir wollen immer neue Technologie angetrieben wird. Was auf der einen Ein Abgeordneter und Mitglied des Kulturausschusses, dem ich deshalb auch die kulturelle Bildung in den Mittelpunkt unserer Seite positive Eff ekte für Kommunikation, Information und angehöre, kündigte per Twitter an, er wolle die »Entsiff ung des Arbeit stellen. Das kulturelle Angebot darf sich nicht nur auf Wahrnehmbarkeit hat, hat auf der anderen Seite vielfältige nega- Kulturbetriebes in Angriff nehmen«. Ein Kulturkampf soll hier Kinder und Jugendliche beschränken, sondern gilt für Men- tive Implikationen. Nicht nur, dass z. B. der künstlerische Hand- angezettelt werden gegen eine vielschichtige, pluralistische, de- schen aller Altersgruppen mit ganz unterschiedlichen Lebens- werksberuf der Fotografi e niedergegangen ist, auch Schriftsteller, mokratische Gesellschaft. Die Kulturpolitik ist hier ein zentrales hintergründen. Wir wollen öff entliche Kultureinrichtungen Musiker und Theaterschaff ende mussten in erheblichem Maße Feld der Auseinandersetzung. Kulturen befi nden sich aber im- stärker in die Pfl icht nehmen, ihren Bildungsauftrag wahrzu- mit einer immer beliebigeren Kulturlandschaft kämpfen, muss- mer im Wandel. In Austausch, nicht Abschottung entsteht Kunst. nehmen und zu verwirklichen. ten Einnahmeverluste und den Diebstahl geistigen Eigentums Sie ist Veränderung, Suche, immer ihre eigene Zukunft, wie bei Kulturpolitik ist vielfältig und unsere Ziele dieser Wahlperiode erleben. Kultur ist aber in ganz umfangreichem Maße die Aufga- Dylan. Das macht sie zum Gegenstand des kritischen Diskurses, lassen sich daher nicht an einem Punkt aufzeigen. Wir wollen be der Gesellschaft und damit des Staates. Er muss sicherstellen, der Identifi kation, der Auseinandersetzung mit dem Anderen den Raum für Kreativität, Innovation und Neugier stärken. Und dass die vielfältigen Kulturen in der Gesellschaft und die Kultur wie dem Eigenen. Kunst muss zweckfrei sein, unabhängig von wir wollen das private Engagement von Kulturschaff enden aber als gesellschaftliche Notwendigkeit über das Leichtvermarktbare, kommerziellem Erfolg oder moralisch-erzieherischem Auftrag. auch von Spendern und Sponsoren unterstützen. Der Staat das Immergängige hinaus erhalten bleibt und gefördert wird. Die »Wir müssen uns diesen beiden Bedrohungen – der Uniformi- kann nicht alleiniger Förderer der Kultur sein. Auch deshalb Lage der Kunst- und Kulturschaff enden liegt mir besonders am sierung und dem Identitären – sorgfältig und beharrlich wider- ist eine Evaluierung des in  eingeführten Kulturgutschutz- Herzen. Sie sind die Bauern der Kulturlandschaft, ihrer Arbeit setzen«, schreibt François Jullien  und fordert, das interkul- gesetzes umfangreicher vorzunehmen als bisher vorgesehen sind die vielfältigen Pfl anzen auf den landschaftlichen Feldern turelle Zwiegespräch »…als neue Dimension der Welt und der und im Hinblick auf das grundgesetzlich gesicherte Recht des geschuldet. Deshalb geht es auch um faire Vergütung und soziale Kultur zur Entfaltung zu bringen«. Widerstand zu leisten gegen Schutzes von privatem Eigentum zu überprüfen. Dies betriff t Absicherung, aber darüber hinaus ebenfalls um das Urheber- jede Form der Vereinnahmung, Normierung und Abschottung auch die immer noch off enen Fälle der Raubkunst. Hilfreich recht, das den Zeiten der Digitalisierung angepasst werden muss. sehe ich als zentrale Aufgabe grüner Kulturpolitik an. hierfür – und aufgrund des sich verändernden Nutzerverhal- Kunst- und Kulturschaff ende leisten einen wesentlichen Beitrag Konkret ist mein Ziel, die Rechte der Kunstschaff enden zu stär- tens auch dringend geboten – ist die vollständige Digitalisie- zum Erhalt von Demokratie und den Werten unserer Verfassung. ken, vor allem ihre soziale Lage zu verbessern. Im Koalitions- rung von Kunstgegenständen in öff entlicher Hand und deren Sie engagieren sich gegen Rassismus und für eine pluralistische vertrag der möglichen Großen Koalition heißt es hierzu nur, die Präsentation im Internet. Weil Kunst und Kultur auch in der di- Gesellschaft. Sehr viele von ihnen leben dabei jedoch am Rande Künstlersozialversicherung soll erhalten und »an die neuen gitalen Welt stattfi ndet, unterstützen wir eine bereits im letz- des Existenzminimums und ohne dauerhafte Sicherheit; die Erwerbsbiografi en angepasst werden«. Der Vertrag erwähnt, ten Koalitionsvertrag vorgesehene Reform des Urheberrechtes. Altersvorsorge ist, soweit vorhanden, minimal, die Absicherung dass noch  eine »sachgerechte Anschlussregelung beim Wir halten die Künstlersozialkasse für die prinzipiell richtige im Krankheitsfall mangelhaft. Die Künstlersozialkasse muss Arbeitslosen« kommen soll. Wir als grüne Bundestagsfraktion Form der sozialen Absicherung für Künstler. In einigen Berei- gestärkt und der Zugang zu ihr erleichtert werden. Kommerzielle wollen mehr, nämlich die soziale Absicherung von Kreativen und chen müssen unseres Erachtens Regelungen angepasst und Verwertbarkeit von Kunst kann nicht der Maßstab sein, der den Selbstständigen mit geringem Einkommen durch die Einbezie- eindeutiger gefasst werden. Betroff enen den Zugang zur KSK gewährt oder ihn verhindert. hung in die sozialen Sicherungssysteme. Selbstständige Kreative Künstler sollen keine Verwaltungsspezialisten sein und der Befristete Verträge und Solo-Selbstständigkeit, für Kunst- und sind oft von sogenannter »freiwilliger Weiterversicherung« aus- Zugang zu Förderprogrammen auch nicht den begünstigen, der Kulturschaff ende eine unschöne Selbstverständlichkeit, führen geschlossen. Wir wollen die Anwartschaftszeit auf vier Monate die besseren Kontakte hat. Förderprogramme sollten übersicht- aus einem prekären Arbeitsleben nahtlos in Altersarmut. Des- verkürzen und den Zugang erleichtern. Außerdem müssen, auch lich im Internet dargestellt werden und die Antragsformalien halb muss eine gesonderte Rentenversorgung diskutiert werden. jenseits von Festanstellungen, angemessene Vergütungen für entbürokratisiert werden. Zur Mitgliedschaft in der KSK sollte der Nachweis eines Studi- kreative Arbeit sowie sozial-, arbeits- und vertragsrechtliche Wir Freie Demokraten sind uns auch unserer historischen Wur- ums oder die Bescheinigung einer Branchenorganisation wie Mindeststandards sichergestellt werden. Die Kulturförderung zeln bewusst und setzen uns für die Pfl ege und Bewahrung des BBK, BFFS, IDS, VS, PEN oder ver.di ausreichen. des Bundes muss transparenter und gerechter werden durch kulturellen Erbes ein. Denkmalpfl ege und Restaurierung sind Von allen Mankos, Problemen und Unsicherheiten sind Frauen verbesserte soziale Standards und mehr Geschlechtergerechtig- eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Beides ist ein besonders betroff en. Man kann den Eindruck bekommen, Kunst keit. Zudem ist mir wichtig, die kulturelle Teilhabe zu fördern. Fundament unserer Identität und unseres Zusammenlebens. und Kultur seien Männersache, wenn man sich die Zahlen bei Zentrale Aufgabe grüner Kulturpolitik ist die Stärkung der Erin- Wir wissen, dass die Aufarbeitung und Vermittlung des Un- der Vergabe von Preisen oder bei der Zusammensetzung von nerungskultur in Bezug auf den Nationalsozialismus, auch für rechts der beiden deutschen Diktaturen des Nationalsozia- Gremien und Jurys anschaut. Ich werde mich auch dafür einset- bisher wenig beachtete Opfergruppen. Zentrales Anliegen bleibt lismus und der DDR eine kontinuierliche Aufgabe bleiben. zen, dass Förderungen an Gendergerechtigkeit gekoppelt werden, die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Zudem stehen eine sys- Die Gedenkstätten wollen wir mit ausreichenden Mitteln dass bei der Besetzung von Gremien und Jurys Quoten einge- tematische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialge- ausstatten und durch innovative Vermittlungskonzepte die führt und spezielle Stipendien und Preise für Frauen ausge- schichte sowie eine verstärkte Provenienzforschung für außer- nachfolgenden Generationen erreichen. Wir wollen das Stasi- schrieben werden. Verbesserte Teilhabe, also z. B. freier Eintritt europäische Sammlungen aus. Ziel gerade der NS-Aufarbeitung Unterlagen-Archiv zu einem modernen, nutzerfreundlichen in Museen und viel mehr kulturelle Bildung an Schulen sind ge- ist dabei nicht, einen Schlussstrich zu ziehen. Den kann es nicht Archiv in den Strukturen des Bundesarchivs sowie das Amt des rade heute, wo wir einen europaweiten Rechtsruck haben, unver- geben wie die Cellistin und Auschwitzüberlebende, Anita Lasker- Bundesbeauftragten, insbesondere in seiner Bedeutung für die zichtbar. Mannigfaltigkeit in Personal, Programm und Publikum Wallfi sch, anlässlich der Gedenkstunde für die Opfer des Nati- Opfer der SED-Diktatur, weiterentwickeln. wünsche ich mir. Und nicht zuletzt: Kunst- und Kulturförderung onalsozialismus sagte. Das Ziel müsse vielmehr sein, »dass so muss als Staatsziel ins Grundgesetz! etwas nie, aber auch nie wieder hier geschehen kann«. Hartmut Ebbing, MdB ist kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag Simone Barrientos, MdB ist kulturpolitische Sprecherin der Frak- Erhard Grundl, MdB ist Sprecher für Kulturpolitik der Fraktion tion Die Linke im Deutschen Bundestag Bündnis /Die Grünen im Deutschen Bundestag 06 INLAND www.politikundkultur.net FOTO: STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN / DAVID VON BECKER VON DAVID / BERLIN ZU MUSEEN STAATLICHE FOTO: Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum Ein Plädoyer für Inklusion Die Ausstellung »Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum« in Berlin

JULIEN CHAPUIS, JONATHAN einzelne Themen präsentiert werden. angenommen, was die Aneignung von gen auf mehreren Ebenen, wobei sich sondern auch aus der ganzen Welt. Egal, FINE UND PAOLA IVANOV Unter dem Titel »Die ›Anderen‹« ist die Formelementen der christlichen Kunst visuelle Strategien, Betrachterstand- ob man in Daressalam, Keetmanshoop erste Sektion der Frage gewidmet, wie in den fortbestehenden, eigenen religi- punkte und Inhalte überlagern. oder Bafoussam wohnt, man wird re- is zur Einrichtung des Hum- Afrikaner und Europäer jeweils des An- ösen Praktiken zur Folge hatte. Im Hinblick auf die aktuelle Debat- cherchieren können, durch wen und wie boldt forums zeigt die Aus- deren »Andere« wurden und welche Vor- Der fünfte Abschnitt »Performance« te um die Provenienz von Objekten in Objekte in Sammlungen gelangten. stellung »Unvergleichlich: urteile dabei eine Rolle spielten. Histo- beschäftigt sich damit, wie fremd die ethnologischen Sammlungen ist es Provenienz bedeutet sehr viel mehr B Kunst aus Afrika im Bode- risch betrachtet tendierten Umwelt des Museums ei- wichtig zu erklären, für welche Art der als nur eine Kette von Besitzverhältnis- Museum« herausragende Kunstwerke Europäer dazu, Afrikaner gentlich für liturgische Ob- Provenienzangabe wir uns entschieden sen, und die Geschichten, die für deren Afrikas aus dem Ethnologischen Muse- als potenzielle Sklaven und jekte aus Europa wie auch haben. Diese Ausstellung hat nicht Pro- Verständnis notwendig sind, können um in der einzigartigen europäischen als irrational darzustellen, für afrikanische Masken venienzen als Hauptthema. Aber die durch eine reine Aufl istung von einigen Skulpturensammlung im Bode-Muse- während Afrikaner Europä- und andere Kunstwerke Fragen nach den Provenienzen der Ob- Namen und Daten nicht angemessen um. In den zwei Hauptetagen werden er oft als gewalttätig und ist, die dazu gedacht wa- jekte und was die Provenienz bedeutet, wiedergegeben werden. Eine geeignete Skulpturen beider Kontinente punktuell bedrohlich abbildeten. ren, in Bewegung und als ziehen sich wie ein roter Faden durch Form, die Provenienz auf kurzen Ob- gegenübergestellt. Der zweite Abschnitt Teil einer Aktion wahrge- die Ausstellung. Während der Ausstel- jektschildern in Museen darzustellen, Durch diese experimentellen Ge- beschäftigt sich mit der nommen zu werden. Eine lungsvorbereitung wurde uns deutlich, muss noch entwickelt werden. Für den genüberstellungen werden mögliche Bandbreite ästhetischer Erkenntnis der letzten wie viel intensive Provenienzrecherche, jetzigen Zeitpunkt haben wir uns daher Zusammenhänge auf verschiedenen Herangehensweisen in Sektion unter dem Titel insbesondere zu den Skulpturen aus Af- entschieden, bei jedem Objekt anzuge- Ebenen thematisiert, etwa historische der afrikanischen Skulptur, von einer »Abschied« ist, dass in mehreren afri- rika, noch zu tun ist: Auf welche Weise ben, wer es dem Museum überlassen Zeitgenossenschaft, ikonografische äußerst naturalistischen Wiedergabe kanischen Gesellschaften die Verstor- gingen die Werke über die Jahrzehnte hat und wann das Museum es erworben und technische Gemeinsamkeiten oder – so überzeugend, dass europäische benen aktive Teilnehmer in der Welt der oder Jahrhunderte durch verschiedene hat – mit dem Wissen, dass dies nicht künstlerische Strategien. Besonders be- Kritiker sie für zu perfekt hielten, als Lebenden bleiben, während in Europa Hände – häufi g durch gewaltsame oder das Problem löst. Die Objektlegenden merkenswert sind Übereinstimmungen dass sie von afrikanischen Künstlern der Tod eines Menschen von Trauer – erzwungene Enteignungen in Afrika, sollen aber als ein Ausgangspunkt für in der Funktion der Kunstwerke trotz hätte geschaff en werden können – bis und Gedenken – begleitet wird. und wie gelangten sie in die Berliner unsere Besucher dienen, eigene Fragen unterschiedlicher Formensprachen: hin zu leidenschaftlich ausdrucksstar- Jede der  Gegenüberstellungen in Museumssammlungen? Dafür bedarf zu stellen und Erkundigungen durchzu- Kraftfi guren aus dem Kongo dienten ken Skulpturen, die das europäische der ständigen Ausstellung des Bode- es eines kontinuierlichen Einsatzes von führen. In den Fällen, in denen Aspekte zum Schutz von Dörfern und Gemein- Verständnis von Nachahmung auf die Museums bezieht sich auf eine Ge- fi nanziellen Mitteln, Personal und Zeit. der Provenienz eines Objektes für die den – ähnlich wie gotische Darstel- Probe stellen. Schnitzereien aus Süd- meinsamkeit oder einen Unterschied Ein wichtiger Schritt in die richtige Ausstellung besonders relevant sind, lungen der Schutzmantelmadonna. deutschland und aus der Demokrati- zwischen zwei Werken. Einige greifen Richtung ist die im Dezember von der haben wir diese in den Katalogtexten Allerdings machen Vergleiche auch schen Republik Kongo entfalten jeweils Fragen auf, die bereits in den sechs Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgegriff en, da sie dort besser erläutert Unterschiede deutlich, wie im Fall von ein Panorama von Stilen aus der glei- thematischen Sektionen angesprochen werden können. Mutter-Kind-Darstellungen, die sich in chen Periode und Region. wurden. Andere, wie zwei Statuetten, Die Hauptbotschaft der Ausstellung Afrika und Europa verschiedener Bild- Die soziale Konstruktion der Person die aus jeweils zwei mit dem Rücken lautet: Es gibt viel mehr, das Kulturen sprachen bedienen und damit andere und von Geschlechterkategorien ist zueinanderstehenden Figuren gebil- Die Hauptbotschaft: verbindet, als sie trennt. Insbesondere Aussagen treff en. Thema des dritten Abschnitts »Gender«. det sind, verdeutlichen, dass die dem Es gibt viel mehr, was in einem Zeitalter, in dem die öff ent- Die Ausstellung wirft mehrere Fra- Skulpturen aus Afrika und aus Europa europäischen Mittelalter vertraute Di- Kulturen verbindet, liche Debatte zunehmend durch Po- gen auf: Welche Erkenntnisse werden zeigen, wie fl uide diese Kategorien in chotomie von Gut und Böse in vielen pulismus und Nationalismus geprägt durch die gemeinsame Präsentation der Kunst dargestellt werden und wie afrikanischen Gesellschaften wenig als sie trennt wird, können Museen zum Erhalt einer von Kunstwerken mit unterschiedli- sie damit die Vorstellung eines eindeu- Bedeutung hat. In ihrem Fall ist statt- toleranten und inklusiven Gesellschaft chen Geschichten gewonnen? Warum tig männlichen oder weiblichen »au- dessen das Konzept der Komplementa- beitragen. Diese Ausstellung versteht wurden die einen Objekte als ethnolo- tonomen Individuums« infrage stellen. rität wichtiger. Wie Hans Leinbergers bewilligte Digitalisierung von unge- sich als ein solches Plädoyer. gische Gegenstände und die anderen Die vierte Sektion »Schutz und »Christus auf der Rast« hat auch der fähr einer Million Seiten aus den Ak- als Kunstwerke klassifi ziert? Der im- Anleitung« geht der Frage nach, wie mythische Chokwe-Held Chibinda Ilun- tenbeständen des historischen Archivs Julien Chapuis ist Leiter der plizite Prozess des Vergleichens, Tren- Kunstwerke den universellen Wunsch ga mehr erreicht, als ein Mensch ver- im Ethnologischen Museum Berlin. Die Skulpturensammlung und des nens und Zuordnens in Abgrenzung nach Sicherheit und dem Verständnis mocht hätte; der Vergleich mit dem von Erstellung dieser Digitalisate und ihre Museums für Byzantinische Kunst. zu anderen Sammlungen war einst ein der Welt ausdrücken. Mittelalterliche menschlichen Anstrengungen schein- Veröff entlichung im Internet wird eine Jonathan Fine und Paola fundamentaler Schritt in der Gründung Reliquienbüsten und »minkisi«, soge- bar unberührten herkulischen Chibinda ortsunabhängige Untersuchung der Ivanov sind Kuratoren der Afrika- der Berliner Museen und der Defi nition nannte Kraftfi guren, aus der umfassen- hebt die im Gegensatz dazu exzessive Erwerbungsunterlagen für die Bestän- Sammlungen im Ethnologischen der Sammlungsaufträge. Im Sonderaus- deren Region des früheren Königreichs Schilderung der Leiden Christi hervor. de der Dahlemer Museen ermöglichen. Museum stellungsraum des Bode-Museums unter Kongo werden zusammen gezeigt, denn Manches, das auf den ersten Blick nur Dies ist eine notwendige Grundlage der Basilika sind sechs große Objekt- bereits Ende des . Jahrhunderts hat- als formale Analogie erscheint, zeigt auf für die gemeinsame Erforschung der Die Ausstellung »Unvergleichlich: Kunst gruppen zu sehen, in denen afrikanische te das Königreich das Christentum in den zweiten Blick doch substanzielle Sammlungen mit Personen nicht nur aus Afrika im Bode-Museum« ist bis auf und europäische Werke im Hinblick auf eigener Ausprägung als Staatsreligion und konzeptionelle Übereinstimmun- aus den Herkunftsländern der Objekte, Weiteres zu sehen. Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  INLAND 07

Alte und Neue Rechte Was unterscheidet die vom damaligen Ministerpräsidenten nanz der politischen Linken im Kultur- unsere Sprache spricht, der sich wie wir des Kulturausschusses verwehrt blieb. Neue Rechte vom Hans Filbinger gegründet. Ziel war, und Medienbetrieb. mit unserem Land identifi ziert und sich Dass die AfD die bestehenden parla- eine christlich-konservative Denk- Eine der Kampagnen der Identitären als Deutscher versteht, ganz gleich, wo mentarischen Instrumente zu nutzen Rechtspopulismus? fabrik zu schaff en. Erklärtes Ziel des Bewegung nennt sich »Für eine Zukunft seine Eltern geboren sind.« versteht, hat sie bereits in zwei Klei- Studienzentrums Weikersheim ist der Europas«. Sie versteht sich als eine Ju- D. h. auch Migranten können für die- nen Anfragen gezeigt, in denen sie ganz OLAF ZIMMERMANN attestierten kulturellen Hegemonie gendbewegung, die eine patriotische se Rechten Deutsche sein, sie müssen konkret die Finanzierung von kulturel- des linksliberalen Lagers etwas entge- Hoff nung für die Jugend sein will, die sich nur mit dem Land identifi zieren len Projekten durch den Hauptstadt- m Jahr  verpasste die NPD genzusetzen. Stichworte hierfür sind ein Bewusstsein für die eigene Identität, und letztlich vollständig assimilieren. kulturfonds, der aus Bundesmitteln mit , Prozent den Einzug in den Schaff ung einer geistigen Führungse- Kultur und Tradition hat. Hierzu arbei- Diese Grundhaltung fi ndet unter an- fi nanziert wird, infrage gestellt hat. I Deutschen Bundestag. Dies hatte lite, Abkehr von Selbstverwirklichung tet sie mit ähnlichen Organisationen derem darin ihren Ausdruck, dass eines Aus Sachsen-Anhalt ist zu hören, dass interne Machtkämpfe in der Partei zur und die Forderung nach einem Europa in anderen Ländern zusammen. Das der Vorstandsmitglieder sich selbstbe- die Landesfi nanzierung von Theatern Folge, die zu einer Ausdiff erenzierung der Vaterländer. vormals einfache Bild: Die Rechte sei wusst als »Halbgrieche« bezeichnet. fraglich sei, weil die Auff ührungspraxis zwischen jenen führte, die das Deutsche Ein weiterer, sehr wichtiger Begriff gegen Europa funktioniert hier nicht. nicht Deutsch genug sei. Aus dem Bi- Reich fortbestehen lassen wollten und ist der des Ethnopluralismus. Dieser Stattdessen wird Europa einerseits bliotheksbereich wird berichtet, dass Kulturelle Dimension des sich am Faschismus orientierten, also Begriff wurde ebenfalls bereits in den schön verpackt und steht als Idee da. in Kommunen Erwerbungsetats von Rechtspopulismus den Alten Rechten, und jenen, die sich er Jahren begründet. Er besagt, Zugleich wird Europa, der europäische Bibliotheken hinterfragt werden, wenn vom historischen Faschismus absetz- dass es verschiedene Ethnien gibt, die Einigungsprozess, das Zusammenwach- Die verschiedenen genannten Gruppen, fremdsprachige Literatur angekauft ten und neue nationale Konzepte in der nebeneinander bestehen und gleichbe- sen Europas mit der Betonung der je- Gruppierungen und die AfD als Partei wird. Allein diese wenigen Beispiele seinerzeit in Ost und West geteilten rechtigt sind – das ist eine klare Abkehr weils eigenen Identitäten der europäi- nehmen immer wieder Bezug zu Kul- zeigen, dass Kulturpolitik ein zentrales Welt einsetzten. Sie fanden sich in der vom Rassismus der Alten Rechten. Die schen Völker sowie deren eigener Kultur tur: Sei es, dass sie sich klar für eine Handlungsfeld für eine Partei ist, die Sammelbewegung Aktion Neue Rechte Vertreter des Ethnopluralismus sind von innen ausgehöhlt – bis letztlich Leitkultur aussprechen wie die AfD in tatsächlich ein neues rechtes Denken zusammen. gleichwohl der Meinung, dass sich die nichts mehr bleibt. ihrem Grundsatzprogramm. Sei es, dass vertritt. Ein wesentlicher Unterschied zwi- verschiedenen Ethnien nicht mischen Richtet sich die Identitäre Bewegung sie die ethnokulturelle Identität beto- Weder die AfD noch die genannten schen Alten und Neuen Rechten be- dürfen. Eine Art »Rassismus light«, der vor allem an junge Menschen, so gilt nen wie die Identitäre Bewegung. Sei es, Gruppierungen dürfen auf die leichte steht darin, dass die Neuen Rechten aber im Kern genauso verachtend ge- das von Götz Kubitschek gegründete dass von Heimat und Patriotismus in Schulter genommen werden: Sie sind immer wieder ihre Verfassungstreue genüber Menschen anderer Herkunft »Institut für Staatspolitik« als aktuelle, Verbindung mit der deutschen Sprache nicht in kurzer Zeit groß geworden! betonen. Sie setzten sich bewusst von ist wie der alte Rassismus. D. h. die ab- wichtige Denkfabrik für Neue Rechte die Rede ist. Sie haben Vordenker! Sie haben eigene der NPD ab, traten nichtsdestotrotz für lehnende Haltung gegenüber Muslimen mit einer engen Anbindung an die AfD Dabei wird dieses Reden über Kultur Medien, mit denen sie ihre Positionen eine nationale Politik ein. Ein weiterer oder Flüchtlingen lässt sich mit dem – hier besonders den Flügel um Björn oder anders gesagt, die Indienstnahme verbreiten! wichtiger Unterschied zwischen Neuen Ethnopluralismus etwas freundlicher Höcke und André Poggenburg. von Kultur stets als Abgrenzung be- und Alten Rechten besteht darin, dass begründen, da Muslime nicht als solche Der parlamentarische Arm des nutzt. Es wird nicht beschrieben, was Kunst in der rechten Szene die Alte Rechte an aus dem Faschis- abgelehnt werden, aber bitte nicht in Rechtspopulismus ist die AfD. Ge- genau unter den gesetzten Begriff en mus tradierten Konzepten von Rasse Deutschland sein sollten. gründet wurde sie erst im Jahr . Sie wie z. B. Leitkultur zu verstehen ist, Dies ist im Kulturbereich ein Tabuthe- und Überlegenheit der sogenannten Die Identitäre Bewegung, ein Zu- begann als eurokritische Partei. Publi- sondern es dient dazu, sich vom beste- ma. Es gibt einen bedauerlich großen arischen Rasse festhielt. Wohingegen sammenschluss von jungen Neuen zistisch unterstützt wurde die AfD von henden kulturellen und gesellschafts- Markt für rechte Musik und rechte die Neue Rechte die Theorie des Eth- Rechten, vertritt den Ethnopluralismus Beginn an von der Wochenzeitung Jun- politischen Diskurs abzugrenzen. Verlage. Auf der letzten Buchmesse in nopluralismus entwickelte. off ensiv. Sie schreibt: »Unter Ethnoplu- ge Freiheit, dem publizistischen Organ Jener wird generell als linksliberal Frankfurt gab es eine heftige Auseinan- Was unterscheidet nun die Neue ralismus verstehen wir die Vielfalt der der Neuen Rechten. bezeichnet, wenn es gesittet zugeht dersetzung zur Präsenz rechter Verlage Rechte vom Rechtspopulismus? In Völker, wie sie sich über Jahrtausende Bereits im Jahr  begannen die in- oder etwas rauer als »grün-links-ver- und deren Auftreten. der Wissenschaft werden unter Neuen entwickelt hat. Wir setzen diesen Be- nerparteilichen Auseinandersetzungen siff t«. Obwohl in der kulturpolitischen Rechte Musik gehört bei der Bun- Rechten vor allem die intellektuellen griff bewusst als positiven Gegenent- um den Kurs der Partei, der sukzessive Debatte längst überholt, wird die Fe- desprüfstelle zu den am häufi gsten Vordenker dieses politischen Spek- wurf zur heutigen One-World-Doktrin zum Erstarken der rechten Kräfte führte. der gegen den Multikulturalismus ge- indizierten Werken aus der Kulturwirt- trums verstanden. Wohingegen unter ein, um zu verdeutlichen, dass eine Eine wichtige Rolle spielte dabei die Pa- schwungen und sich vom bestehenden schaft. Während rechte Verlage auf ein Rechtspopulismus das populistische rücksichtslose globalistische Entgren- triotische Plattform, ein Verein, der die Kulturbetrieb abgegrenzt. Hier wird auf bürgerlich-konservatives Publikum zie- Auftreten von rechten Parteien, speziell zung diese Vielfalt bedroht. Es gibt ein AfD unterstützt. Dieser Verein tritt, wie den Punkt gebracht, was in der Neuen len, richten sich rechte Musikgruppen der AfD, aber auch der Pegida-Bewe- Recht auf Verschiedenheit. Jede Ethnie der Name schon sagt, für Patriotismus Rechten seit den er Jahren erdacht sehr oft an die rechtsextreme Szene. gung verstanden wird. hat das Recht, ihre Kultur, ihre Bräuche ein. Sein Ziel ist, dass die Interessen wird: Es geht letztlich um eine kultu- Gerade in Thüringen hat sich eine sta- Kernelemente der Rechtspopulisten und Traditionen, also ihre ethnokul- des Nationalstaats aus patriotischen relle Gegenbewegung! bile Szene etabliert, die entsprechende sind, dass sie sich anmaßen, im Namen Festivals ausrichtet. des Volkes zu sprechen, dass sie Posi- tionen zuspitzen und in einem engen Fünf Thesen zum Schluss Schema von »Wir« und »die Anderen« denken und agieren. Rechtspopulismus Erstens: Die Rechten dürfen nicht auf ist also eher ein politisches Vorgehen, die leichte Schulter genommen werden. das sowohl in der AfD seinen Platz fi n- Sie sind weder ein vorübergehendes det als auch bei Pegida und weiteren Phänomen noch Dummköpfe, die sich Ablegern. nicht auszudrücken wissen. Zweitens: Es muss entschieden für die errungenen Freiheiten einge- Institutionen der Neuen Rechten treten werden. Pluralismus, Teilhabe und AfD für alle, kulturelle Vielfalt sind keine Ein wesentlicher Unterschied zwischen Schlagworte. Sie sind Ausdruck einer den Neuen Rechten und den rückwärts- Gesellschaft, die allen hier lebenden gewandten NPD-Funktionären und ih- Menschen Chancen bietet. ren Anhängern ist in meinen Augen der Drittens: Es muss nachdrücklich Bildungsunterschied. Beispielsweise für ein zusammenwachsendes, starkes gehörte die NPD lange dem Sächsi- Europa und eine faire Globalisierung schen Landtag an. Wenn ich in diesen gestritten und eingetreten werden. Die Landtag zu einer Anhörung zu kultur- Idee eines Ethnopluralismus muss ent- politischen Themen eingeladen wur- larvt und zurückgewiesen werden. de, stellte die NPD entweder gar keine Viertens: Die demokratischen Kräfte Fragen oder sie waren so weit ab vom müssen zueinanderstehen. Die Allianz Thema, dass sich ihre Beantwortung für Weltoff enheit und die Initiative kul- erübrigte. Ganz anders die AfD. Viele turelle Integration sind erster Ausdruck der Abgeordneten haben einen akade- dessen. mischen Hintergrund. Viele gehörten Fünftens: Bin ich fest davon über- vorher anderen Parteien, sehr oft der zeugt, dass eine starke Zivilgesellschaft CDU, an und haben von der politischen zusammen mit den Gewerkschaften,

Bildung speziell der Konrad-Adenauer- GEISLERFOTOPRESS / ALLIANCE PICTURE FOTO: den Kirchen und anderen Gruppen Stiftung profi tiert. Sie wissen sich nicht AfD-Demonstration gegen den Neubau einer Moschee im Erfurter Stadtteil Marbach im Januar  den Rechten in ihren verschiedenen nur sehr gut auszudrücken, sie können Ausprägungen die Stirn bieten kann. ebenso gute Fragen stellen und sind turelle Identität, zu erhalten.« Daraus Gründen über die supranationaler In- Folgerichtig strebte die AfD-Fraktion Gemeinsam können wir ein anderes mindestens so aktiv wie andere Frakti- schlussfolgert die Identitäre Bewegung, stitutionen gestellt werden müssen. im Deutschen Bundestag den Vorsitz Gesellschaftsbild zeigen. Ein Bild ei- onen im parlamentarischen Geschehen. dass die ethnokulturelle Identität im Genau hier ist ein Anknüpfungspunkt des Kulturausschusses des Deutschen ner solidarischen Gesellschaft, die auf Bei der AfD im Deutschen Bundes- Grundgesetz festgeschrieben werden an die europakritische Haltung der AfD- Bundestags an. Neben dem wichtigen kulturelle Integration statt Ausgren- tag zeichnet sich dies mit Blick auf die soll. Ein Staatsvolk soll als Kultur-, Ab- Gründer. Haushaltsausschuss, der die Aufgabe zung setzt. parlamentarischen Anfragen bereits ab. stammungs- und Solidargemeinschaft Spannend ist das Verständnis vom hat, die Regierung in ihrem Finanzge- Ich folge damit jenen nicht, die meinen, zu verstehen sein, die durch ethnokul- deutschen Volk, dass die Patriotische baren zu kontrollieren, bietet der Kul- Olaf Zimmermann ist Geschäftsfüh- die AfD könne vernachlässigt werden, turelle Kontinuität bestimmt ist. Plattform vertritt. Sie knüpft nämlich turausschuss die Chance, ein neues rer des Deutschen Kulturrates und da sie sich nicht adäquat am parlamen- Zu den Forderungen der Identitären nicht, wie die Alten Rechten es taten, Narrativ in den kulturpolitischen Dis- Moderator der Initiative kulturelle tarischen Geschehen beteiligen würde. Bewegung gehört unter anderem: ein an das Blut, also deutsche Vorfahren an. kurs des Deutschen Bundestags einzu- Integration Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. »gesundes Verhältnis zu Patriotismus Nein, die Patriotische Plattform sagt: führen. Deshalb kämpfte der Deutsche Eine wichtige Denkfabrik der Neu- und Heimatliebe« sowie »echte« Mei- »Das deutsche Volk ist die Gesamtheit Kulturrat so vehement gegen dieses An- Dieser Text basiert auf einem Vortrag en Rechten ist das bereits im Jahr  nungsfreiheit, ein off enes Bekenntnis der Menschen, die unsere Kultur tragen. sinnen! Dem beherzten Eingreifen der des Autors vor dem Bundesvorstand des gegründete Studienzentrum Weikers- zur eigenen Kultur und Tradition und Wir sind gerne Deutsche und heißen SPD ist es zu verdanken, dass der AfD Deutschen Gewerkschaftsbundes am . heim in Baden-Württemberg. Es wurde eine identitäre Gegenstimme zur Domi- jeden in unserer Mitte willkommen, der in dieser Legislaturperiode der Vorsitz Januar . 08 INLAND www.politikundkultur.net

Die vierte Säule Eine Kultur der Nachhaltigkeit

RÜDIGER KRUSE

ach bisherigem Verständnis gibt es drei Säulen der Nachhaltig- N keit: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Wir sind aber an den Punkt ge- kommen, wo wir erkennen können, dass drei Säulen das Gebäude der Nachhaltig- keit zwar stützen, aber nicht tragen. Wir werden das Gebäude einer nachhaltigen Gesellschaft nur errichten können, wenn wir die Säule der Kultur einbeziehen. Jeder gesellschaftliche Prozess braucht einen Diskurs darüber, wie sich die Kultur in der Gesellschaft ver- ankert, das gilt auch für den Prozess der Etablierung der Nachhaltigkeit als gesellschaftlichem Modell. In der Antike waren die Theater die Orte, an denen gesellschaftspolitische Fragen verhandelt wurden. Heute noch trägt die Kultur eine doppelte Funktion: Sie dient der Wahrnehmung und der Interpretation der Wirklichkeit. Sie ist eine Art Bauplan für die Gesellschaft. Durch eine gemeinsame Kultur können Menschen ihre Handlungen koordinie- ren und abstimmen. Künftig werden die Kulturorte wie- der die Orte sein, die maßgeblich sind für die Aushandlung gesellschafts- politischen Konsenses. Dieser gesell- schaftliche Konsens muss ausgehandelt werden und dann in einem Narrativ tra-

diert werden, um zu bestehen. Religion, FOTOLIA.COM / OLEZZO FOTO: Philosophie und Kunst sind die Kräfte, Neben Ökologie, Ökonomie und Sozialem sollte Kultur eine tragende Säule der Nachhaltigkeit sein die die Kultur einer Gesellschaft formen. Das Konzept der Nachhaltigkeit wur- • Philosophie: Im Prinzip Verantwor- bekannt. Die Debatte wird sehr breit und Weise, wie wir ein »Zuhause« in Aktivitäten dominierte Schicht in der de erstmals durch von Hans Carl von tung entwickelt Hans Jonas einen geführt. Oft fehlt noch die nötige Kon- dieser Welt bauen bzw. bauen wollen. Erdkruste, die die Bestimmung eines Carlowitz in seiner Sylvicultura Oeco- neuen ethischen Imperativ: »Handle sequenz, manchmal handelt es sich aber Das Projekt »Anthropozän« ist dafür neuen geologischen Zeitalters erlaubt. nomica () eingeführt. Es stammt so, dass die Wirkungen deiner Hand- auch nur um PR-Maßnahmen. Kultur exemplarisch. Dabei handelt es sich ur- Folge für die nicht-wissenschaftliche und erschließt sich aus dem Kontext lung verträglich sind mit der Perma- der Nachhaltigkeit wird dann zur Ver- sprünglich um eine eigentlich rein geo- Allgemeinheit: Ok, wir sind also da, der Waldwirtschaft: nicht mehr Holz nenz echten menschlichen Lebens marktungsstrategie – auch Greenwa- logische Fragestellung: Gibt es ein neu- schön, wussten wir auch so. verbrauchen, als nachwächst. Die Tatsa- auf Erden.« shing genannt. es Erdzeitalter? Das des Menschen? Die Kommt der kulturelle Prozess jetzt che, dass immer mehr Kulturschaff ende • Kunst: Joseph Beuys » Eichen« Bei der Nachhaltigkeit sind Verhal- Frage wurde eben nicht in der Geologie zum Ergebnis, dass wir im Anthropo- sich mit dem Thema Nachhaltigkeit be- bei der documenta in Kassel  tensweisen gefordert, die nicht unmit- diskutiert, sondern die internationale zän leben, dann ist es nicht nur Wissen, schäftigen, zeigt, dass dieses Konzept der oder der französische Film »Tomor- telbar zu einem individuellen Erfolg Debatte wurde maßgeblich befördert sondern Erkenntnis. Wir sind die Kraft, Vernunft und den Emotionen entspricht. row, die Welt ist voller Lösungen«, die führen, sondern in der Zukunft kollektiv durch das Projekt »Anthropozän« des die das Schicksal der Erde bestimmt. Er- Ein paar Beispiele: beide nicht nur Alarm für unsere Welt belohnt werden. Hauses der Kulturen der Welt in Ber- kenntnis ist bewusstseinsbildend und • Religion: Laudato si, die Enzyklika ausrufen, sondern auch partizipati- Solches Verhalten muss kulturell lin. Weil die Debatte von dort kuratiert bestimmt unser Handeln. von Papst Franziskus über die Sorge ve Ansätze für die Bewältigung der induziert sein. Eine Kultur der Nach- wurde, war sie von Anfang an eine ge- Und weil wir eine grundsätzliche für das gemeinsame Haus, befasst globalen ökologischen und sozialen haltigkeit soll vor allem die Vorherr- samtgesellschaftliche. Die hier geführte Veränderung unseres Handelns brau- sich schwerpunktmäßig mit dem Krise anbieten. schaft des Individualismus mildern. Sie Debatte hat die Rolle des Menschen in chen, setze ich auf die Kultur als starke Themenbereich Umwelt- und Klima- Die konsequente Umsetzung der Nach- soll auch die Einheit der verschiedenen dieser Welt in einer -Grad-Schau vierte Säule der Nachhaltigkeit. schutz und setzt zudem Zeichen im haltigkeitsziele käme einer Revolution Felder der Wissenschaften wieder in veranschaulicht. Eine rein geologi- Hinblick auf bestehende soziale Un- gleich. Regierungen, internationale Or- Einklang bringen. Weil die Wissen- sche Betrachtung hätte zum Ergebnis Rüdiger Kruse, MdB ist Berichterstatter gerechtigkeiten und auf die Erschöp- ganisationen, Kommunen und Unter- schaft nicht nur etwas über die Welt haben können: Ja, es gibt eine hinrei- für Kultur und Medien im Haushalts- fung der natürlichen Ressourcen. nehmen haben sich zu diesen Zielen sagt, sondern auch etwas über die Art chend signifi kante durch menschliche ausschuss für die CDU-Fraktion

senereignis unterliegt einer eigenen Lo- dern auf gemeinsames Betreiben der für Notfallcontainer an den Schadensort gik, speist sich aus lokalen Merkmalen Kultur zuständigen Staatskanzlei und bringt und geborgenes Kulturgut ver- Gut vorbereitet und Voraussetzungen, die nicht beliebig des Thüringer Ministeriums für Inne- lädt oder transportiert, erfolgt ebenso übertragbar sind. res und Kommunales die Rahmenbe- durch das Innenministerium. Die Kos- Kulturgutschutz und »Hallo Herr Minister, Sie brauchen sich Gleichwohl ist es möglich, Krisen in dingungen für den Zusammenschluss ten für den LKW mit Spezialaufbau, der Notfallverbünde in keine Sorgen zu machen. Das hier ist ihren unterschiedlichen Erscheinungs- kultureller Einrichtungen mit den Ge- zusätzlich über eine Kühlung für den nur eine Übung!« Dann fällt ein gro- formen mit gezieltem Krisenmanage- bietskörperschaften zu Notfallverbün- sachgerechten Transport z. B. nasser Thüringen ßer Stein vom Herzen. Der inzwischen ment zu bewältigen oder wenigstens den verbessert. Dazu werden ein Feu- Bücher verfügt, liegen bei rund . seit mehr als zehn Jahren hervorragend das Krisenrisiko zu minimieren. Zu ei- erwehrsonderfahrzeug und vier Sätze Euro. Die Stadt Weimar wird das »Kom- BENJAMINIMMANUEL HOFF aufgestellte »Notfallverbund Weimarer ner professionellen Krisenprävention mit jeweils neun Notfallcontainern, die petenzzentrum Kulturgutschutz« für Kultureinrichtungen«, der nicht nur gehören Schulungen für alle verant- in den Regionen West-Eisenach, Süd- die Notfallverbünde werden. teht vor dem Stadtschloss Wei- in Thüringen, sondern bundesweit als wortlich Beteiligten sowie die regel- Meiningen, Ost-Altenburg, Nord-Nord- Zur Absicherung und Unterstützung mar ein Löschzug mit Blaulicht, Vorbild gilt, organisiert regelmäßig sol- mäßige Simulation von Szenarien – so hausen geplant sind und – wie bereits werden die Thüringer Staatskanzlei und rollen Feuerwehrleute Schläu- che Schadenssimulationen, an denen wie am Weimarer Schloss. für die Region Mitte-Weimar gesche- das Thüringer Ministerium für Inne- S che aus und ist der Vorplatz häufi g auch Partner aus Nicht-Weima- Die Thüringer Landesregierung hat hen – bei den städtischen Feuerwehren res und Kommunales darüber hinaus weiträumig abgesperrt, stockt kurz das rer-Kultureinrichtungen teilnehmen. das Gespräch mit Kommunen und Kul- angesiedelt werden, angeschaff t. Auf mit dem Gemeinde- und Städtebund Herz. Es werden Erinnerungen wach: Zwar geht die Gründung des Not- turverbänden gesucht, um die Rahmen- die Frage, ob diese Ausstattung ausrei- Thüringen, dem Thüringischen Land- Der verheerende Brand der Herzogin fallverbundes wesentlich auf die Erfah- bedingungen für den Kulturgutschutz chend sei, lautete die erfahrene Antwort kreistag sowie dem Thüringer Kultur- Anna Amalia Bibliothek (HAAB) am . rungen der Schreckensnacht des Anna- zu verbessern. Schnell wurde deutlich, der Feuerwehr: Ein Spezialfahrzeug, gut rat eine Vereinbarung treff en, in der September  zerstörte rund . Amalia-Brandes zurück, doch reichen dass gut gemeint oft nicht gut gemacht gewartet, ist in Thüringen immer dann die Beteiligten ihre Unterstützung an Bücher und  Kunstwerke für immer. die Überlegungen zum Kulturgutschutz ist und zu Fehlallokationen beim Mit- rechtzeitig vor Ort, wenn das Scha- der Notfallplanung im Kulturbereich Weitere . Bücher und das Bi- weiter und umfassen ein größeres Set teleinsatz führt. An jedem Museum densereignis soweit reguliert ist, dass zusichern. Fortbildungen, Trainings bliotheksgebäude selbst wurden stark an Aktivitäten. Die Schadensereignisse und Theater einen Notfallcontainer mit dem Kulturgutschutz überhaupt und der interdisziplinäre Austausch beschädigt. Knapp zehn Jahre später des Elbe-Hochwassers von , der aufzustellen ist kostspielig, wartungs- begonnen werden kann. Die Notfall- zwischen Archiven, Museen und The- lösen Schweißarbeiten am gerade auf- HAAB-Brand , der Einsturz des intensiv und läuft oft ins Leere. Enge container werden sämtlichen Kultur- atern mit den Rettungskräften können wendig sanierten Schloss Ehrenstein Kölner Stadtarchivs im März , die Kooperation hingegen mit der Feu- einrichtungen in den entsprechenden erfahrungsgemäß Krisen nicht verhin- im Thüringer Landkreis Gotha einen Hochwasser von  und  oder erwehr, Investitionen in die bauliche Regionen zur Verfügung stehen. Die dern, aber helfen, sie immer besser zu Brand aus. Der Schaden umfasst zehn der Schloss-Ehrenstein-Brand  Unterhaltung, die Denkmalpfl ege und Kosten für die Notfallcontainer in Höhe bewältigen. Millionen Euro. Wenn man im Lich- machten die ersten zwei Jahrzehn- Kulturgutdigitalisierung sind langfristi- von etwa . Euro pro Satz fördert te dieser Erfahrungen zu einem der te des . Jahrhunderts zu »decennia ge Instrumente, die wirksam sind. die Staatskanzlei zu  Prozent. Die Benjamin-Immanuel Hoff ist Minister Löschfahrzeuge läuft, um sich nach horribile«. Deutlich wurde, dass es eine Mit dem Doppelhaushalt / Finanzierung des Sonderfahrzeuges bei für Kultur, Bundes- und Europaangele- dem Anlass zu erkundigen, und einer Standardkrise genauso wenig gibt wie werden nicht nur die Investitionen in der Feuerwehr in Weimar, das im Scha- genheiten und Chef der Staatskanzlei der Feuerwehrleute beruhigend sagt: einen sicheren Krisenschutz. Jedes Kri- die Kulturbauten spürbar erhöht, son- densfall durch z. B. Feuer oder Wasser in Thüringen Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  INLAND 09

EUROPÄISCHES KULTURERBEJAHR  Kulturelles Erbe für IN DEUTSCHLAND Fünf Leitthemen bilden die Schwer- stets im Wandel begriff en, ist als punkte des Europäischen Kulturerbe- kultureller Schmelztiegel, aber auch Europas Zukunft jahres in Deutschland: als Lebens- und Alltagsort zentraler . »Europa: Austausch und Bewe- Baustein unseres Kulturerbes. Das Europäische Angebote weiterentwickelt. Das Deut- alle Projekte fi ndet man auf der Home- gung« begreift den Kontinent als . »Europa: Erinnern und Aufbruch« Kulturerbejahr  in sche Nationalkomitee für Denkmal- page unter www.sharingheritage.de. dichtes Netz vielfältiger Beziehun- will ins Gedächtnis rufen, dass die schutz koordiniert die Aktivitäten. gen und Verwandtschaften, das seit europäische Geschichte durch eine Deutschland Bundesweit haben sich bis jetzt weit jeher durch einen Austausch von Kette vieler Konfl ikte und Kriege so- Sharing Heritage – Sharing Values mehr als  Projekte angemeldet, und Gütern, Waren aber auch kulturel- wie einen jahrhundertelangen Weg die Zahl an Aktivitäten nimmt täglich Von Bedeutung weit über das Jahr hi- ler Praktiken und Wertvorstellun- zu einem friedlichen Miteinander MARTINA MÜNCH zu. Von der großen Ausstellung über naus wird auch der European Cultural gen geprägt ist. gekennzeichnet ist. den kreativen Schülerwettbewerb bis Heritage Summit »Sharing Heritage . »Europa: Grenz- und Begegnungs- . »Europa: Gelebtes Erbe« befasst it einem Glockenschlag hin zum klangvollen Musikfestival ist – Sharing Values« vom . bis . Juni räume« wirft einen besonderen Blick sich mit der Suche nach Euro- haben wir Anfang Ja- alles dabei. in Berlin sein. Im Rahmen von mehr auf die verbindenden Aspekte von pas Selbstverständnis sowie dem nuar im Hamburger als  Veranstaltungen wird dort über Grenzen und Nachbarschaftsräumen. besonderen Zusammenspiel von Rathaus die deutschen die Rolle des kulturellen Erbes und das . »Die Europäische Stadt«, im Laufe materiellem und immateriellem M Bundesweit schon mehr als  Programmbeiträge zum Europäischen Europa der Zukunft diskutiert werden. von Jahrhunderten gewachsen und Kulturerbe. Projekte Kulturerbejahr  »Sharing Herita- Der Summit mit einem facettenreichen ge« offi ziell gestartet. Das Läuten der Im westfälischen Münster startet im kulturellen Begleitprogramm wird von Schiff sglocke der »Schaarhörn«, des April beispielsweise ein gemeinsames der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Köln, Wroclaw und Berlin erinnern an turellem Erbe erheblich erweitern und ersten in der traditionsreichen Han- Ausstellungsvorhaben von fünf Mu- Europa Nostra und dem Deutschen das Leid und die Opfer der beiden Welt- dabei helfen, neue Zielgruppen zu errei- sestadt unter Denkmalschutz gestellten seen, das sich vor dem Hintergrund Nationalkomitee für Denkmalschutz kriege. Im Projekt »Lost Traces« der Lan- chen. Zugleich eröff nen sie zusätzliche Schiff es, war dabei ein sehr gutes Sym- des . Jahrestages des Beginns des organisiert. desarbeitsgemeinschaft Architektur und Möglichkeiten in der wissenschaftlichen bol für das, was wir erreichen möchten: Dreißigjährigen Krieges der Sehnsucht So vielfältig wie das Programm Schule in Bayern wenden sich Jugend- Zusammenarbeit und der Archivierung, Das Kulturerbejahr will das reichhaltige nach Frieden, seinen Symbolen und des Kulturerbejahres ist auch das En- liche vermeintlich verlorenen Orten zu Nutzung und Auswertung von Quellen. und gemeinsame europäische kulturel- Ritualen, seinen Bildern und Wegen gagement dafür: Eine große Zahl an und machen alte Kirchen oder verlas- Ob nun über die digitalen Kanäle le Erbe zum Klingen bringen, neu ins widmet. In Berlin lädt das Museum für Aktivitäten wird durch kommunale sene Herrenhäuser mit Installationen oder über das reichhaltige Programm Bewusstsein rücken und damit aus der Vor- und Frühgeschichte in Koopera- Kultureinrichtungen, Vereine, die Zi- zeitweise zu »ihrem« Ort. Viele weitere – das Jahr eröff net jede Menge Wege, Kultur heraus einen Beitrag zur Zukunft tion mit dem Verband der Landesar- vilgesellschaft und auch private Initi- Aktivitäten laden Jugendliche ein, sich kulturelles Erbe miteinander zu teilen des Kontinents leisten. chäologen in Deutschland zu einer ativen getragen. Das bürgerschaftliche am Kulturerbejahr zu beteiligen. und darüber ins Gespräch zu kommen. außergewöhnlichen Spurensuche ein: Engagement ist enorm. Bund und Län- Junge Menschen werden das Euro- Je mehr Resonanz die Vorhaben fi nden, In der Ausstellung »Bewegte Zeiten. der gehörten auf europäischer Ebene pa von morgen prägen. Was können desto stärker können die Impulse sein, Europa braucht neue Impulse Archäologie in Deutschland« werden mit zu den Initiatoren des Jahres und sie vom gemeinsamen europäischen die von diesem Themenjahr für die Das Kulturerbejahr fi ndet in einer eu- im Martin-Gropius-Bau ab dem . unterstützen eine Reihe der Aktivi- Kulturerbe kennenlernen, mitnehmen europäische Zukunft ausgehen. Das ropapolitisch sehr herausfordernden September die spektakulärsten Funde täten. Die Beauftragte der Bundesre- und weitertragen? Wie verändern Europäische Jahr will und kann etwas Phase statt – und kommt vielleicht ge- der deutschen Archäologie aus allen  gierung für Kultur und Medien stellt sich der Umgang und die Präsentati- bewegen. rade deshalb zum richtigen Zeitpunkt: Bundesländern zu sehen sein. Bamberg insgesamt , Millionen Euro für die on kulturellen Erbes in einer Gesell- Am . September, dem Weltfrie- Der bevorstehende Austritt Großbri- mit seiner einzigartigen Verbindung Förderung herausragender Sharing schaft, die kulturell heterogener und denstag der Vereinten Nationen, soll tanniens aus der Europäischen Union, historischer Stadtstrukturen würdigt Heritage-Projekte in Deutschland diversifi zierter wird? Das Jahr spornt dazu ein weiteres wichtiges Zeichen die schwierigen Verhandlungen zum Umgang mit den Flüchtlingsbewegun- gen und die Zunahme nationalistischer Tendenzen sind nur drei Beispiele dafür, dass die gemeinsamen, über Jahrzehnte erreichten Erfolge der europäischen In- tegration nicht unverrückbar sind. Der weitere Ausbau der Zusammenarbeit – angesichts supranationaler Herausfor-

Je mehr Resonanz die Vorhaben fi nden, desto stärker können die Impulse für die euro- päische Zukunft sein

derungen in vielen Gebieten erforderli- cher denn je – gestaltet sich schwierig. Europa braucht eine Rückbesinnung auf das, was uns zusammenhält und zugleich neue Impulse, um die Gemein- samkeit mit frischen Ideen, Kraft und Mut zu füllen. Kultur – das wird in diesem Jahr besonders deutlich – wird bei der Ge- staltung unseres Kontinents gebraucht; sie ist weit mehr als schönes Beiwerk. Kultur ist der Kitt, der das Fundament des Verständnisses füreinander und des Miteinanders legt. Die nationalen aber auch regionalen kulturellen Traditio- nen – sie stehen nicht im Widerspruch zu Europa, sondern verdeutlichen die

wechselseitigen kulturellen Beeinfl us- BUNDESJUGENDORCHESTER FOTO: sungen über Generationen hinweg. Ge- Rund  junge Musikerinnen und Musiker aus mehreren Staaten erarbeiten im Projekt des Bundesjugendorchesters Benjamin Brittens »War Requiem« meinsames kulturelles Erbe ist Vielfalt und Reichtum zugleich. Europa ist eine seine Auszeichnung als Welterbestät- zur Verfügung. Viele Bundesländer an, sich diesen Fragen zu stellen und gesetzt werden: Für eine Viertelstunde Kulturgemeinschaft. te vor  Jahren mit einem umfangrei- richten eigene Veranstaltungsreihen Antworten zu fi nden. Es geht darum, werden zeitgleich in mehreren europä- chen Veranstaltungsprogramm über zum Europäischen Kulturerbejahr aus. neue Wege der Vermittlungsarbeit zu ischen Staaten Glocken als Zeugnisse das ganze Jahr hinweg. Die Musikfest- erproben – sowohl durch neue Formate dieser uralten Kulturtradition erklingen. Programm schlägt Brücken spiele Potsdam Sanssouci rücken im als auch durch die Weiterqualifi zierung Von dem Läuten soll ein gemeinsames überall auf dem Kontinent Alle können und sollen mitmachen Juni die europäische Dimension ihrer bestehender Programme. Auch grenz- Signal ausgehen: Für die europäischen Diese europäischen Verknüpfungen Wirkungsstätte in den Blickpunkt und Eine wichtige Prämisse des Europäi- überschreitende Aktivitäten werden Werte des friedlichen Zusammenlebens, stehen bei den deutschen Beiträgen wollen das zum Klingen bringen, was schen Kulturerbejahres lautet: Alle gestärkt. Zudem sollen noch mehr als der Freiheit, der Toleranz und der Soli- zum Kulturerbejahr im Mittelpunkt. seit Jahrhunderten zu den Fundamen- können und sollen mitmachen! Gerade bisher die Ansätze der kulturellen Bil- darität, für die Gegenwart und Zukunft Das umfangreiche Programm wirkt in ten der Stadt gehört: das tolerante, in- junge Menschen sind besonders ange- dung und des forschenden Lernens mit des kulturellen Erbes. Sharing Heritage! das ganze Land und schlägt Brücken spirierende europäische Miteinander. sprochen. So beteiligen sich z. B. rund denkmalpädagogischen Methoden ver- überall auf dem Kontinent. Der Bund, Das sind nur wenige Beispiele aus ei-  junge Musikerinnen und Musiker knüpft werden. Nicht zuletzt wird mit Martina Münch ist Ministerin für die Länder, Kommunen, kulturelle In- nem wahren Füllhorn herausragender aus mehreren Staaten an einem Pro- dem Europäischen Kulturerbejahr die Wissenschaft, Forschung und Kultur stitutionen, Verbände und Initiativen Kulturereignisse, die Gelegenheiten jekt des Bundesjugendorchesters und Digitalisierung im Kulturbereich stärker des Landes Brandenburg und seit  – viele haben sich aufgemacht und neue bieten, kulturelles Erbe mit allen Sin- erarbeiten sich Benjamin Brittens »War fokussiert. Digitale Vermittlungsmög- Präsidentin des Deutschen National- Projekte konzipiert oder bestehende nen zu erfahren. Eine Übersicht über Requiem«. Die geplanten Konzerte in lichkeiten können den Zugang zu kul- komitees für Denkmalschutz 10 EUROPA www.politikundkultur.net

Die Wiege der europäischen Kultur Kultur und Politik in Griechenland

JULIANE STEGNER ten während der Krise Stiftungen wie Sport- und Spielplätzen auch einen die Onassis Stiftung und die Stavros »Maker Space« mit Ausstellungsfl äche GRIECHENLAND: ZAHLEN UND FAKTEN riechenland. Wiege der euro- Niarchos Stiftung, Banken und private beherbergt. Es muss sich zeigen, ob es päischen Kultur. Polis und De- Mäzene ihren kulturpolitischen Ein- gelingt, diesen »Maker Space« program- Einwohner: 10.784.000 G mokratie. Kulturelles Erbe. Die fl uss noch weiter ausbauen. Sie verfü- matisch mit Leben zu erfüllen und so Idee der Europäischen Kulturhaupt- gen über dreistellige Millionenbudgets, vor allem jungen Griechen den Weg ins Fläche: 131.960 km² stadt ging von Griechenland aus, und die die Möglichkeiten des Ministeriums internationale Geschehen zu eröff nen. Athen wurde erste Kulturhauptstadt für Kultur und Sport weit übertreff en. Die eigentliche Herausforderung dürfte Bevölkerungsdichte: 83,4 Einwohner pro km² Europas. Dennoch empfi ndet man sich Mit diesen Budgets fördern sie natio- dabei aber sein, das Netz der adminis- in Griechenland mit dem Rest Euro- nale Einrichtungen aller Kultursparten trativen Verwicklungen von städtischen, Politisches System: parlamentarische Demokratie pas kulturell nur schwach verbunden. wie das Nationaltheater, das Staatsor- staatlichen und privaten Akteuren zu Man reist auch noch heute, wenn man chester, die griechische Cinemathek entwirren, die Verwaltung zu vereinfa- Religion: orthodoxes Christentum (Staatsreligion gemäß Verfassung) Griechenland in Richtung Nordwesten und die Nationalmuseen. Darüber hi- chen und die Verfahren transparenter verlässt, »nach Europa«. Griechenland naus betreiben private Geldgeber eige- zu gestalten. Staatspräsident: Prokopis Pavlopoulos leitet seine Identität bis heute über- ne Museen, Kulturzentren mit interna- Trotz Krise und jenseits institutio- wiegend aus der Antike ab. Ein Großteil tionalen Programmen, fördern lokale neller und privater Initiativen ist vor al- Premierminister: Alexis Tsipras der staatlichen Förderung fl ießt in den Produktionen und veranstalten Festi- lem in Athen eine sehr lebhafte alterna- Erhalt des antiken Erbes. Gesellschaft- vals zeitgenössischer Kunst. Im Februar tive Kulturszene entstanden: mehr als Kulturministerin: Lydía Koniórdou lich und ökonomisch hat Griechenland  wurde ein neues Kulturzentrum er-  freie Theater, unzählige Konzerte seit Jahren unter den Auswirkungen ei- öff net, das die »neue Akropolis« werden und Ausstellungen in Bars, verlassenen ner monströsen Finanzkrise zu leiden: soll – mindestens aber ein Opernhaus, Gebäuden und Buchläden. Entstehen  Prozent Arbeitslosigkeit, geschätzt das international ganz vorne mitspielt. konnte das trotz oder gerade wegen der tensiven Austausch mit den lokalen genug seien, um die Dynamik der docu- über  Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Rund  Millionen Euro hat dieses Krise, weil zahlreiche Künstler nicht Akteuren in allen drei Arbeitsfeldern menta nutzen zu können – oder ob sie Dazu kamen ab  täglich etwa . Gebäude des italienischen Stararchi- aufgeben oder auswandern wollen. Sie des Goethe-Instituts: der Förderung nach dem Ende der documenta einen Flüchtende über das Mittelmeer nach tekten Renzo Piano gekostet, das auch schaff en sich ihre eigenen Projekte und der deutschen Sprache, der Kultur- und Rückfall in die alten Verhältnisse erle- Griechenland. . Flüchtlinge sind die Nationalbibliothek beherbergt. Das Plattformen, ohne Honorar, mithilfe Informationsarbeit. Eine ebenso wich- ben würden, wie auch nach den Olympi- inzwischen auf den Inseln und in den Gebäude mit Park und Infrastruktur kleiner prekärer Jobs, oft unterstützt tige Rolle spielen die Einhaltung hoher schen Spielen im Jahr  geschehen. großen Städten gestrandet. Und seit ist ein Geschenk der Stavros Niarchos von ihren Familien – mit der festen Qualitätsstandards und nicht zuletzt Dass diese Befürchtungen durch- Jahren sinken Gehälter, Einkünfte und Stiftung an den griechischen Staat, der Überzeugung, dass gerade jetzt gesell- der sinnvolle Abstand zu den jeweiligen aus berechtigt sind, musste auch das Renten – die Steuern allerdings steigen. bald für Betrieb und Ver- schaftliches Engagement Regierungspolitiken. Goethe-Institut bereits im Herbst Mit dem Wahlsieg der linksgerich- waltung zuständig und geboten ist. Vor allem die zivilgesellschaftlichen erfahren. Auf der Suche nach einem teten Partei Syriza im Januar  hoffentlich in der Lage Deutschland und Grie- Verbindungen blieben auch in politisch Ausstellungsraum hatte uns das gerade verband sich die Hoff nung gerade der sein wird, administrativ chenland sind durch lang- schwierigen Zeiten, als die Kritik an der erst zur documenta eröff nete Natio- jüngeren, gut ausgebildeten Genera- und fi nanziell diese Auf- jährige Beziehungen ver- deutschen Europapolitik sich auch im nalmuseum für zeitgenössische Kunst tion auf ein Ende des Klientelismus, gabe zu übernehmen. bunden, die sich weder in kulturellen Diskurs niederschlug, sta- EMST kurzfristig abgesagt. Hier rächte der europäischen Sparpolitik und eine Die Stadtregierungen der Vergangenheit noch bil. Im Vorfeld der documenta  wurde sich die jahrzehntelange Vernachläs- Verschlankung des Verwaltungsappara- der größeren Zentren in in der Gegenwart immer gegenüber der »deutschen Kulturinsti- sigung der kulturellen Infrastruktur. tes. Für das kulturelle Feld hoff te man Griechenland betreiben nur freundschaftlich ge- tution« documenta und deren künst- Es fehlen nicht nur Räume für junge auf mehr internationalen Austausch, ihre eigene Kulturpolitik. stalteten. Auf zivilgesell- lerischem Leiter, Adam Szymczyk, der Künstler und Kulturschaff ende. Jed- Unterstützung für junge Kreative und In Athen hauptsächlich schaftlicher Ebene sind Vorwurf erhoben, man habe sich Athen wede Infrastruktur zur professionellen die zeitgenössische Szene und auf eine mit dem Ziel, die Stadt attraktiver für die Kontakte allerdings so eng und ausgesucht, um die Stadt und ihre Be- Präsentation ist Mangelware in einer überparteiliche europäische Förderpo- den Tourismus zu gestalten. Im De- intensiv, dass sie auch die Turbulen- wohner zum Experimentierfeld für ansonsten reichen Stadt. Weder Staat litik für Experimente, Forschung und zember  erhielt die Stadt Athen zen der vergangenen Jahre überstehen Krisentourismus zu machen. Über das noch Stadt oder Stiftungen stellen eine internationale Kooperationen. Kurz den »Leading Culture Destinations konnten und das Vertrauen in die Arbeit langjährige vertrauensvolle Verhältnis derartige Infrastruktur zur Verfügung. gesagt, man erwartete Ansätze einer Award«. In der Begründung hieß es, der Goethe-Institute keinen Schaden zur lokalen Kultur- und Intellektuellen- Selbst die Kunstakademie ASFA bietet Überwindung der sozioökonomischen dass Athen es trotz Krise geschafft genommen hat. szene gelang es dem Goethe-Institut ihren Absolventen nicht diese Möglich- Krise und jenseits der allgegenwärtigen habe, seiner Kultur und dem Touris- Die beiden Goethe-Institute in Athen, ein vermittelndes Rahmen- keiten an. Und der einzigen Ausnahme, klassischen Antike eine Öff nung hin zur mus neuen Schwung zu geben. Der Athen und Thessaloniki gehören zu den programm mit dem Titel »apropos dem Projektraum der Akademie »Cir- zeitgenössischen Kultur und der darin auch als »Museums-Oscar« bekann- ältesten Auslandsgründungen weltweit. documenta« aufzusetzen, griechische cuits and Currents«, droht aktuell das verankerten Identität. te Preis wurde unter anderem für die Das Athener Institut ist sogar die aller- und deutsche Akteure miteinander in Aus, wenn sich nicht doch noch Förder- Angesichts der enormen ökonomi- Ausrichtung der documenta  und für erste Institutsgründung () außer- Kontakt zu bringen und darüber hinaus mittel auftreiben lassen. Unter solchen schen, sozialen und humanitären He- das neue Niarchos Kulturzentrum ver- halb Deutschlands. Die Beziehungen internationale Gäste mit Kunst- und Bedingungen sind die europäischen rausforderungen erscheinen derartige liehen. Auch Gelder aus dem Europäi- zu den Instituten sind getragen von Kulturschaff enden aus Griechenland Kulturinstitute auch (scheinbar) ganz Hoff nungen und Erwartungen an eine schen Struktur- und Investitionsfonds einer Vielzahl von Akteuren, die in bekannt zu machen. banal mit ihren Veranstaltungsräumen neue Regierung hoch gesteckt. Aller-  bis  sollen helfen, Tourismus, den vergangenen sieben Jahrzehnten Nicht wenige griechische Kultur- und ihrer Infrastruktur von enormer dings hat die Verteilung der Verantwor- Kultur und Kreativindustrie zu fördern. gemeinsam ein Netz kultureller und akteure äußerten sich bereits vor der Bedeutung. tung für kulturelle Angelegenheiten Erst unlängst wurde in Athen ein neues sozialer Beziehungen geknüpft haben. documenta skeptisch und meldeten Dies alles ereignet sich vor dem Hin- auf öff entliche und private Schultern in Zentrum mit Mitteln dieses Fonds fi - Das Vertrauen, das sich das Institut Zweifel an, ob die Athener Institutio- tergrund manifester Krisen in Europa, Griechenland Tradition. Und so konn- nanziert, das neben einem Hallenbad, erwerben konnte, fußt auf einem in- nen einsatzbereit und handlungsfähig deren Ende nicht abzusehen ist. Es bleibt fraglich, ob die Syriza-Regierung die in sie gesetzten Hoff nungen auch nur mittelfristig realisieren wird. Die griechische Gesellschaft ändert sich unter den Bedingungen der Krise – wie auch immer. Die Zukunft Europas wird auch in Griechenland verhandelt. Wenn es denn je einen Seinsgrund für das Goethe-Institut und die anderen europäischen Kulturinstitute gegeben hat, dann müssen sie Teil dieses Pro- zesses bleiben. Unsere wichtigste Auf- gabe ist nach wie vor, die Impulse und die Dynamik der Kulturszene und der Zivilgesellschaft zu nutzen, um Diskus- sionsräume und Horizonte zu öff nen. Gerade jetzt und gerade in Europa geht es darum, Freiräume und Demokratie gegen autoritäre und schlimmere Ten- denzen zu sichern.

Juliane Stegner ist Leiterin der kulturellen Programmarbeit in Südost- europa am Goethe-Institut in Athen

GOETHES WELT

Die Beitragsreihe »Goethes Welt« entsteht in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut. In jeder Ausga- be berichtet eines der europäischen Goethe-Institute über aktuelle Kul-

FOTO: GOETHEINSTITUT ATHEN / DIMITRIS MICHALAKIS DIMITRIS / ATHEN GOETHEINSTITUT FOTO: tur und Kulturpolitik im jeweiligen Athen, die Wiege europäischer Kultur: Blick auf den Platz vor der Nationalbibliothek vom Goethe-Institut aus Gastland. Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  EUROPA 11

Datenschutz: Ein Grundrecht, kein Luxus Ab . Mai gilt nur noch ein Datenschutz-Recht in Europa, nicht mehr 

RICHARD KÜHNEL

aten gelten als »das Öl des . Jahrhunderts«, als Rohstoff unserer Zeit. Aber Daten D sind nicht wie jede andere Ware. Sie refl ektieren Wissen: über Ge- schehenes, über Bevorstehendes, über uns, über andere. Daten brauchen da- her besonderen Schutz, denn sie sind wirkungsmächtiger, verletzbarer, wert- voller, werterelevanter und sensibler als herkömmliche Güter. Jeden Tag wird es einfacher, sie zu digitalisieren, zu analysieren, zu manipulieren und aus- zutauschen. Wir geben persönliche Da- ten täglich hunderte Male weiter, nur in seltenen Fällen bewusst. Oft stimmen wir vertrauensvoll oder verunsichert per Klick AGBs ungelesen zu, ohne wirklich zu durchblicken, was mit unseren Daten danach passiert. Wer schützt uns vor unserem naiven Vertrauen? Das Gefühl, als ob die digitale Welt außerhalb un- serer Kontrolle passiert, kommt nicht von ungefähr. Die Europäische Kommission arbei- tet deshalb an Regeln für einen digita- len Binnenmarkt, der immense neue Chancen eröff net, aber uns auch hilft, Kontrolle über den digitalen Wandel zurückzuerlangen. Damit die Digitali- sierung den Studierenden, Künstlern, Journalisten, Designern, Unternehmern,

kurz jedem Bürger zugutekommt, dür- FOTOLIA.COM / JSTOCK FOTO: fen wir ernste politische Fragen wie die Wie viel Privatsphäre bleibt den Bürgern in Zeiten der Digitalisierung? Kann ein einheitliches europäisches Datenschutzrecht den Schutz gewährleisten? des Datenschutzes, des Urheberrechts und der Relevanz unserer Werte in einer aus der digitalen Steinzeit: Im Jahr  ein »Recht auf Vergessen-werden«. Wir einheitliche Datenschutzrecht eröff net nationale Aufsichtsbehörden haben Welt der digitalen Vormacht, der Auto- waren Facebook oder Google mangels können verlangen, dass Links zu perso- außerdem besonders kleineren Unter- komplexe Umstrukturierungen vorge- matisierung von Abläufen und der dräu- Existenz kein Faktor. nenbezogenen Informationen über uns nehmen und Start-ups neue Märkte nommen, um dafür zu sorgen, dass der enden künstlichen Intelligenz nicht Ab dem . Mai  werden nun in gelöscht werden. Will man nicht, dass und Raum für Innovationen. Da ein Datenschutz ab dem . Mai europaweit vernachlässigen. Mit anderen Worten: ganz Europa strikte neue Datenschutz- seine Daten verarbeitet werden, und EU-Gesetz  nationale Regelungen in gleich angewendet und durchgesetzt bestimmungen gelten: Dann tritt die liegt kein berechtigter Grund für deren Europa ersetzt, erspart es zudem Büro- wird. In Europa schaff t diese Verord- Europäische Datenschutzgrundverord- Speicherung vor, so müssen die Daten kratie und Kosten. Nutzer können von nung hoff entlich Vertrauen in das di- Wir tun gut daran, nung in Kraft. Sie ersetzt nicht nur  entfernt werden. Ausnahmen bestehen mehr Rechtssicherheit in ganz Europa gitale Zeitalter. In der Welt von heute nationale Regelungen, sondern sorgt nur, wenn die Freiheit der Meinungsäu- profi tieren. – und von morgen – entscheidet die uns zu wappnen, die dafür, dass unsere personenbezogenen ßerung sowie die historische und wis- Europa setzt mit der Datenschutz- Art, wie wir mit Daten umgehen, über Risiken ernst zu Daten europaweit mit dem gleichen ho- senschaftliche Forschung betroff en sind. grundverordnung den weltweit höchs- unsere persönliche Sicherheit, unsere nehmen und die sich hen Standard geschützt werden. Und Vor allem, und das ist die wichtigste ten Standard im Datenschutzbereich. wirtschaftliche Zukunft, unsere kultu- zwar ganz unabhängig davon, wohin die Verschärfung im Vergleich zum bisheri- Europäer können stolz sein, dass unsere relle Prägung. Die Digitalisierung soll bietenden Chancen Daten übermittelt und wo sie verarbei- gen deutschen Recht: Durch die neuen Datenschutzbestimmungen als Vorla- uns dabei dienen, und nicht umgekehrt. zu nutzen tet oder gespeichert werden. Regeln drohen Unternehmen bei Ver- ge und Inspiration für andere Länder Die Welt wartet nicht auf uns. Wir Nutzer haben dann das Recht, auf stößen Geldbußen von bis zu vier Pro- und regionale Organisationen dienen. tun gut daran, uns zu wappnen, die ihre eigenen Daten zuzugreifen so- zent des Jahresumsatzes. Damit können Viele passen ihre eigenen Datenschutz- Risiken ernst zu nehmen, aber auch Wir müssen dafür sorgen, dass die digi- wie informiert zu werden, wenn ihre selbst weltweit tätige IT-Giganten dazu vorschriften nach unserem Modell an. alle sich bietenden Chancen zu nutzen. tale Transformation ein menschliches Daten genutzt werden. Unternehmen gebracht werden, die Spielregeln in Eu- Derzeit führt die EU Verhandlungen Dafür bilden die neuen europäischen Gesicht behält. Der Mensch bleibt am können sich nicht länger hinter juristi- ropa zu befolgen. zum Thema Datenschutz mit Japan Datenschutzbestimmungen eine solide Hebel. scher Fachsprache in AGBs verstecken, Unternehmen in Drittländern wie und Südkorea. Wir werden uns höchst- Grundlage. Sobald sie in Kraft treten, Wenn es um den Schutz unserer Da- sondern müssen klar und verständlich den USA, die Dienstleistungen in der EU wahrscheinlich bald mit diesen Ländern wird die Europäische Kommission da- ten geht, darf es keine Kompromisse ge- erklären, wie und wofür sie personen- anbieten, müssen sich also an unsere einigen, um damit den freien, aber ge- rauf achten, dass sie auch eingehalten ben, denn dieser Schutz ist kein Luxus, bezogene Daten verarbeiten. Es wird au- Regeln halten und die gleichen Daten- regelten Datenverkehr zwischen unse- werden. sondern ein Grundrecht. Es ist höchste ßerdem einfacher werden, eigene Daten schutz-Standards einhalten wie ihre eu- ren Volkswirtschaften zu ermöglichen. Zeit für neue, strikte Standards. Denn von einem zu einem anderen Anbieter ropäischen Konkurrenten. So schaff en Der Weg bis zur Datenschutzgrund- Richard Kühnel ist der Vertreter die gültigen EU-Datenschutzbestim- zu übertragen, wenn man das möchte. wir gleiche Wettbewerbsbedingungen verordnung war kein leichter. Jahrelan- der Europäischen Kommission in mungen sind  Jahre alt und stammen Und unter bestimmten Umständen gilt für die digitale Industrie in Europa. Das ge Verhandlungen waren nötig, viele Deutschland

KULTURBERATUNG

QBegleitung von Entwicklungsprozessen QBeratung und Begleitung von Führungskräften QEvaluation von Kulturprojekten und Kulturinstitutionen Claus Harten, Thomas Rietschel, QMediation und Konfl iktmanagement Barbara Haack, Peter Landmann www.takepart-kulturberatung.de Telefon 07934 9131-0 12 EUROPA www.politikundkultur.net

Arbeitskulturen und Verwaltungsstruk- turen unterwegs zu sein und wie man Über die Grenzen hinaus dennoch erfolgreich zusammenarbeiten kann. Über die Zusammenarbeit an kon- Großregion Saarland-Lorraine-Luxemb(o)urg-Rheinland-Pfalz-Wallonie(n) kreten Projekten, das gemeinsame Ziel vor Augen, ließ sich Begeisterung wecken und EVA MENDGEN Deutschland erhalten. Mit der Gründung Mondorf bei Schengen im Dreiländereck Grenzüber- die Sprachschwierigkeiten überwinden. des Saarstaates Ende  entstand hier an der Mosel. Dort stellte man fest, dass schreitende Erstmals öff nete sich der Blick auf eine ie deutsch-französisch-euro- die Keimzelle der Montanunion und damit in der Bevölkerung im Gefolge der zahl- noch zu entdeckende transnationale Kul- päische Großregion Saarland- der späteren EWG und EU. reichen politischen Maßnahmen nicht nur Projekte stehen turlandschaft. Quasi vor der Haustür konn- Lothringen-Luxemburg-Rhein- Grenzübergreifende Konzepte der ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstan- für ein gelebtes te man im Rahmen der Aktionen rund um D land-Pfalz-Wallonien / Grande Raumplanung, der kulturelle Austausch, den war, sondern auch das Bewusstsein für Zusammensein die Kulturhauptstadt die Vielfalt und den Région Sarre-Lorraine-Luxembourg-Rhé- moderne Architektur, Kunst und Bildung gemeinsame kulturelle Wurzeln erwacht Reichtum des kulturellen Erbes und der nanie-Palatinat-Wallonie ist mit ihren vier standen im Dienst der Demokratie und der war. Im Rahmen des siebten Gipfels der in Europa, europäischen Geschichte, ihre erstaunlich Sprachen, rund elf Millionen Bürgern, fünf Völkerverständigung. So wurde z. B. die Großregion entstand das immer noch gül- gerade jetzt, große Zahl an UNESCO-Welterbestätten, Teilregionen, einer Fläche von . Qua- junge, zweisprachige Universität des Saar- tige »Zukunftsbild « / »Vision d’Avenir wo der Ruf nach aber auch eine internationale Theater-, dratkilometern und einem BIP von  landes auf der Grundlage eines ersten bila- «, das erheblich weiter geht. Es sieht nationaler Musik-, Tanz- und Kunstszene oder zahl- Milliarden im Jahr  einer der größten, teralen Kulturabkommens mit Frankreich in der Großregion den künftigen zweispra- lose Festivals gemeinsam entdecken. kompliziertesten, aber auch ältesten eu- zur Kaderschmiede moderner Europäer chigen, transnationalen Kulturstandort Abgrenzung Luxemburg, ehemals Gibraltar des Nor- ropäischen Kooperationsräume. Die mitt- ausgebaut, der kulturelle Austausch mit mit dem Alleinstellungsmerkmal inter- überall wieder dens, wirkte nicht nur als Organisations- lerweile . Grenzgänger, die »hier« Stipendien und Ausstellungen gefördert. regionaler Kulturaktivitäten als Teil der lauter wird und Kommunikationsplattform, sondern wohnen und »dort« arbeiten, gelten als  entschieden sich die Saarländer Alltagskultur und wertvollstem Element auch als eine Art Grenzraumlobby, z. B. treibende Kraft des Integrationsprozesses in einer Volksabstimmung gegen das Eu- der Lebensqualität. Was früher am Rand bei der Akquise von EU-Mitteln. Etwa die zwischen Rhein und Maas, Mosel und Saar. ropäische Statut ihres Landes und in der lag, wurde nun zur Mitte, der Struktur- Hälfte der investierten Mittel fl oss in die Aus der Sicht der Unternehmer handelt Folge für die kleine Wiedervereinigung wandel zum Kulturwandel. Projekte von Kulturvereinen, Kulturschaf- es sich hier um einen bedeutenden Wirt- mit der Bundesrepublik Deutschland. Der fenden und der freien Szene, die hier zu schaftsraum, eine Werkbank Europas. Für Weg nach Europa sollte in den kommenden jenen Brückenbauern wurden, als die sie »Cultural cooperation« Regionalpolitiker verbindet sich mit der beiden Generationen erst einmal zu den sich noch heute verstehen. Entstehung der multilateralen Großregion Nachbarn führen. Die Kulturhauptstadt Europas , »Lu- in den er Jahren die Vorstellung eines xemburg und Großregion«, war ein Mei- Wir-Gefühle Mini-Europas mit Laborfunktion, für das lenstein auf dem Weg zu einer eigenen Kleiner Grenzverkehr sie bis heute nach einem anderen, griffi ge- kulturellen Identität. Für Luxemburg und Bereits  hatte die »Charta für die kul- ren Namen suchen. Dabei drückt sich die Die grenzübergreifende Zusammenarbeit seine Partner wurde »cultural coopera- turelle Zusammenarbeit« der Regional- multiple Persönlichkeit der Großregion, nahm im Verlauf der er Jahre und tion« zum Leitmotiv. Die Bewerbung kommission eine enge Kooperation bei der das Neben- und Miteinander verschiedener er Jahre mit der Gründung eines In- begann mit der Frage danach, wie sich grenzübergreifenden Kulturförderung und kultureller Identitäten, der Integrations- terregionalen Parlamentarierrates, der eine der kleinsten Hauptstädte eines der -vermittlung als Grundlage einer aktiv mit- prozess gerade in der heute immer gängi- Regionalkommission SaarLorLux-Trier/ kleinsten Staaten Europas – Luxemburg gestalteten Europabürgerschaft gefordert. geren Bezeichnung Großregion / Grande Westpfalz-Wallonien mit der  ge- – mit seinen vier Nachbarn mit einem ge-  Jahre später sind viele Kulturakteure zu Région Saarland-Lorraine-Luxemb(o)urg- gründeten Arbeitsgruppe Kulturelle An- meinsamen Kulturprogramm im Wettbe- Grenzbürgern geworden, wenn nicht zu Rheinland-Pfalz-Wallonie(n) aus. gelegenheiten oder dem Wirtschafts- und werb der europäischen Metropolen posi- »Mischlingen«. Sie nehmen die Nachbarn Sozialausschuss der Großregion konkretere tionieren könne. Kernpunkt des Antrags auf Augenhöhe wahr, nennen als ähnliche Formen an. Anfang der er Jahre zog die war der ehrgeizige Vorschlag, hunderte Identitätsanker die Erfahrungen mit dem Großes entsteht im Kleinen Europäische Union nach: Sie forderte ihre von politischen Entscheidern, Kultur- Leben an einer Grenze, grenzüberschrei- Dass die Entstehung der Großregion einem Mitgliedsstaaten dazu auf, ihre Grenzregio- schaffenden und Bürgern im Rahmen tend geprägte Biografi en oder auch den Wunder gleichkommt, wird angesichts der nen zu fördern und bot ihre Unterstützung eines Langzeitprojektes grenzübergrei- »Dialekt« mit seinen germanophonen sich hier verdichtenden Fortifi kationen des in Form von INTERREG-Mitteln an. Auf fend miteinander bekannt zu machen und und frankophonen Sprachelementen. Westwalls, der Maginotlinie oder Vaubans regionaler Ebene wurden etwa zur selben schließlich zu vernetzen. Die inhaltlichen Dies erbrachte  eine im Auftrag der deutlich. In ihrer Mitte liegt Luxemburg, Zeit im saarländischen Landtag die rechtli- Themen wurden von den Teilregionen vor- Arbeitskammer des Saarlandes entstan- dene Studie. Von der »Identité transfron- talière« ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Wir-Gefühl und zur heute immer wieder geforderten »großen Erzählung« Europas, wo heute  Prozent der Bürger in Grenzregionen leben. Viele Kooperationen und grenzüber- schreitende Projekte verdanken sich den Aktivitäten rund um die Kulturhauptstadt , z. B. das gemeinsam fi nanzierte Kul- turveranstaltungsportal www.plurio.net oder die Universität der Großregion, aber auch zahlreiche neue Museen, Kulturzen- tren oder Konzerthäuser.  gab es sogar einen Tag der Großregion in Berlin, den Akteure aus Politik und Kultur gemein- sam gestaltet haben. Gegenwärtig widmet sich die Task Force Cross Border Culture (Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenz- regionen) der Verbesserung der Rahmen- bedingungen der Kultur- und Kreativschaf- fenden in Grenzregionen ganz allgemein. Nun wäre es an der Zeit, das Erreichte zu evaluieren, die Kräfte zu bündeln. Nicht von ungefähr kommt aus Luxemburg die Forderung nach einem gemeinsamen Kul- turkonzept der Großregion. Es ist zu hoff en, dass mit der poten- ziellen Erweiterung der Großregion durch die neue französische Région Grand Est – Elsass, Lothringen, Champagne-Ardenne – der Prozess der k ulturellen Zusammen- arbeit wieder in Fahrt kommt. Denn grenz- überschreitende Projekte stehen für ein gelebtes Zusammensein in Europa, gerade jetzt, wo der Ruf nach nationaler Abgren- zung überall wieder lauter wird. Sie ver- helfen der europäischen Utopie zu neuem Leben. Es ist außerdem zu hoff en, dass es

FOTO: REGIOFACTUM / DIE ARGE LOLA ARGE DIE / REGIOFACTUM FOTO: der Großregion / Grande Région Saarland- »Mann der Grenze«: Flaggen der EU-Staaten über dem Grab von Robert Schuman in der Kirche St. Quentin in Scy-Chazelles bei Metz Lorraine-Luxemb(o)urg-Rheinland-Pfalz- Wallonie(n) gelingt, sich der eigenen Ver- im Norden Brüssel, im Süden Straßburg. chen Grundlagen der grenzübergreifenden geschlagen, dabei ging es um Migration, antwortung als Modellregion bewusst zu Die deutsch-französische Freundschaft, Zusammenarbeit mit den Nachbarn auf den Industriekulturen, Erinnerungsorte, eu- werden und die entsprechenden Mittel Europa, ist in dieser ehemaligen militäri- Weg gebracht. Das Schengener Durchfüh- ropäische Persönlichkeiten und aktuelle einzufordern, um den Integrationsprozess schen Zwischenzone heute Alltag. Erste rungsabkommen zur Öff nung der Binnen- Kunst. Eine gemeinsame Jury wählte  auf kultureller Ebene voranzutreiben, was, Visionen einer europäischen kulturellen grenzen Europas trat  in Kraft. Projekte aus, darunter ein Viertel mit ganz nebenbei, auch neue Arbeitsplätze Identität fi nden sich bereits in der unmit-  wurde die Stadt Luxemburg ein mehr als einem Partner aus der Großre- schaff en würde. telbaren Nachkriegszeit unter französi- erstes Mal Kulturhauptstadt Europas. Im gion. Man lernte schnell, was es bedeutet, scher Federführung. Die Saar-Region sollte selben Jahr trafen sich die Spitzenpoliti- in mehreren Sprachen – Deutsch, Fran- Eva Mendgen ist Kunsthistorikerin und im Rahmen des Aufbaus eine neue Bestim- ker der Großregion zu einem ersten poli- zösisch, Luxemburgisch, Holländisch , Gründerin von regiofactum, dem Kultur- mung als Brücke zwischen Frankreich und tischen Gipfel im Luxemburgischen Bad verschiedenen kulturellen Erzählungen, netzwerk der Großregion Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  EUROPA 13 FOTO: PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT / ALLIANCE PICTURE FOTO: Rough Trade East Plattenladen in London, Großbritannien brexit big band Recht unsicher musik für europa mitmachen wollen, songs über den ver- Brexit und die Folgen für die Musikindustrie lauf des brexit aufnehmen. nach unserer MATTHEW HERBERT ankunft in einer stadt verbringen wir RENÉ HOUAREAU gen mit den EU  über das zukünfti- an Regeln schaff t, gilt nicht unmittel- dort einen tag mit proben und gesprä- ge Verhältnis, weiterhin Anwendung bar auch woanders. Eine neue Rege- ie britische regierung und die chen mit dort lebenden sänger*inne*n m . März  um . der internationalen Abkommen im lung unter einem Handelsabkommen politischen entscheidungsträ- und musiker*inne*n, dann machen wir Uhr bzw. am . März  Bereich des Urheberrechts und der wird daher notwendig sein. d ger*innen, die den brexit befür- einen tag lang aufnahmen, und am drit- um  Uhr GMT ist es so- verwandten Schutzrechte, denen das Für Tonträger britischer Herkunft worten, haben es bisher versäumt, der ten tag treten wir auf. wir hoff en, dass A weit: Das Vereinigte König- Vereinigte Königreich beigetreten ist. bedeutet das nach dem Austritt, dass britischen bevölkerung zu vermitteln, wir nach ablauf von zwei jahren auf- reich soll aus der EU austreten – soweit Darüber steht die »European Union der Schutz im Verhältnis zu den ein- wie großbritannien nach dem brexit nahmen mit über . musiker*inne*n alles nach Plan verläuft. Aber was be- (Withdrawal) Bill«, die derzeit kon- zelnen Mitgliedstaaten ermittelt wer- aussehen wird. es herrscht in der öf- und mehr als . sänger*inne*n ge- deutet das für Musikfi rmen, Urheber, trovers im Parlament diskutiert wird. den muss, in der Regel auf Grundla- fentlichkeit viel Verwirrung darüber, macht haben werden. und für den . Künstler, ihre Werke und Produkte? Der Entwurf will bestehende Rechts- ge internationaler Abkommen, d. h. was im märz  passieren wird und März  planen wir ein abendliches Das Schutzniveau des Urheber- vorschriften im britischen Recht, die des Rom-Abkommens, TRIPS, WPPT was nicht, wie sich unser land dann abschlusskonzert an bord einer fähre, rechts und der verwandten Schutz- auf EU-Recht beruhen, für die Zeit oder anderer Anknüpfungspunkte, z. anfühlen und welchen platz großbri- die den Ärmelkanal vom uk nach frank- rechte ist nach elf EU-Richtlinien und nach dem Brexit fortschreiben, aber B. des Erscheinens des Tonträgers in tannien einnehmen wird – nicht nur reich überquert. zwei Verordnungen im Wesentlichen gleichzeitig zuständigen Ministern Deutschland. bezogen auf europa, sondern auf die viele britische musiker*innen ver- angeglichen, abgesehen von einigen die Befugnis verleihen, Regelungen Gegenwärtig wird innerhalb der EU gesamte übrige welt. wie nicht anders schließen sich vor der realität. es er- Bereichen, die nicht harmonisiert in bestimmten Fällen abzuändern. rechtlicher Schutz auf der Grundlage zu erwarten war, dreht sich momentan scheint unmöglich zu sein, dass nach so wurden, wie z. B. die Persönlichkeits- Rechtssicherheit qua Gesetz geht des Diskriminierungsverbots gemäß alles um handelsabkommen und wirt- vielen jahren der reisefreiheit in europa, rechte der Urheber und ausübenden vermutlich anders. Artikel  AEUV gewährt. Nach dem schaftliche fragen, aber zusammenhalt in denen sie nicht nur aufgetreten sind Künstler oder das Urhebervertrags- Auch die Rechtsprechung ist be- Brexit wird es zunächst im Verhältnis und glücksempfi nden einer gesellschaft und ihre musik aufgenommen haben, recht. troff en: Die EU Withdrawal Bill sieht zum Vereinigten Königreich wegfal- beruhen nicht auf wirtschaftlichen sondern auch neue kontakte geknüpft Es ist wenig überraschend, dass das vor, dass Entscheidungen des Euro- len. Eine der Rechtssicherheit för- aspekten, sondern auf einer von allen und familien gegründet haben, genau Hauptproblem des Brexit für alle Wirt- päischen Gerichtshofes (EuGH), die derliche europaweite Fortschreibung geteilten bindung an eine gemeinsa- diese freiheit enden soll. vielleicht ist schaftszweige – nicht nur für die Musik - vor dem Austritt gefällt wurden, von des bestehenden Schutzes durch eine me geschichte. Momentan haben wir diese realitätsverleugnung ja eine art industrie – in der Rechtsunsicherheit den britischen Gerichten nach dem Übergangsvorschrift für die Zeit nach jedoch keine Ahnung, was das für eine kollektiver halluzination, und das kann hinsichtlich der Situation nach dem Austritt weiter zu beachten sind – gilt dem Austritt wäre angezeigt. geschichte ist, und das bringt uns in wiederum das emp- Austritt liegt. Soll- aber nicht für den Supreme Court so- Aber auch, wie man künftig mit den eine äußerst gefährliche lage. wie wir fi nden dafür anre- ten sich die EU  wie den schottischen High Court of gemeinsamen EU-Lösungsansätzen wissen, sind unsere aller größten be- gen, dass die vor- und das Vereinig- Justiciary. Entscheidungen des EuGH, rund um Portabilitätsverordnung, Sa- drohungen der klimawandel und die stellung, großbri- te Königreich auf die nach dem Austritt ergehen, müs- tellitensendung/Kabelweiterleitung, bewusste schwächung rechenschafts- tannien könne un- eine Übergangs- sen von den britischen Gerichten gebietsübergreifende Vergabe von pfl ichtiger demokratischer strukturen abhängig von allen phase einigen, so nicht mehr beachtet werden. Die Ge- Online-Rechten an Musikwerken und durch privatrechtliche unternehmen nächsten nachbarn könnte sich dar- richte können dies aber dennoch tun, vor allem der Rechtsdurchsetzung und reiche privatleute. wir wissen auch, existieren, unaus- aus für die Musik- soweit sie es für sinnvoll halten. Das umgehen will, muss neu definiert dass keines dieser beiden probleme da- weichlich in sich industrie die Aus- lässt, milde ausgedrückt, eine bunte werden. Unklar ist außerdem, wie es durch gelöst wird, dass großbritannien zusammenfallen sicht auf eine Fort- Jurisdiktion erwarten. um die Anwendbarkeit gebietsüber- die europäische union verlässt. daher muss. wir müssen führung des Status Im Bereich des geistigen Eigen- greifender Lizenzen steht. Diese wird klaff t eine enorme lücke, wo eigent- jedoch ungeheuer aufpassen, nicht quo im Bereich des Urheberrechts und tums stellt sich insbesondere die eventuell überprüft und wenigstens lich unser empfi nden einer kollektiven so sehr mit singen beschäftigt zu sein, der verwandten Schutzrechte für die Frage, ob und in welchem Umfang interpretiert werden müssen. identität sein sollte – und das ist genau dass wir gar nicht mehr bemerken, dass Zeit bis zum . Dezember  erge- bestehendes und zukünftiges Re- Welche weiteren Eckpunkte kön- die lücke, wo kunst und kultur ansetzen alle anderen schon weg sind. ben. Eine weitere Geltung des Status pertoire nach dem Brexit Schutz nen neben den oben genannten bei und mithelfen können, sie auszufüllen. in seinem buch »sapiens« stellt der quo auch über eine Übergangsphase beanspruchen kann. Es empfehlen der künftigen Gestaltung des Rechts- eine rolle des musikers ist es, ge- autor yuval noah harari die these auf, hinaus könnte durch den – derzeit sich also Lösungsansätze, die zwi- raums im Rahmen von Abkommen schichten zu erzählen. also beschloss dass wir uns durch unsere fähigkeit, eher unwahrscheinlichen – Verbleib schen dem Schutz von bestehendem hilfreich sein, um einen funktionie- ich, mich an dem nationalen Diskurs eine geschichte zu erzählen, von vie- des Vereinigten Königreichs im Eu- und künftigem Repertoire diff eren- renden Austausch weiter zu gewähr- darüber zu beteiligen, was es bedeutet, len anderen tieren unterscheiden. oder ropäischen Wirtschaftsraum (EWR) zieren. Daneben wird es notwendig leisten? britisch zu sein und diese geschichte anders gesagt, die inspiration für unse- erreicht werden. Sollte die weitere sein, eine Position zu allgemeineren Wichtig wäre eine gegenseiti- mitzugestalten, anstatt mich zurück- re größten errungenschaften ist stets EWR-Mitgliedschaft unerreichbar grenzüberschreitenden Aspekten zu ge Verpfl ichtung zur Beibehaltung zulehnen und politiker*innen das feld ein akt der fantasie. in einer zeit, in der bleiben, stellt sich die Frage, wel- formulieren. eines hohen urheberrechtlichen zu überlassen. sollte also beispielsweise großbritannien auf eine tiefe identi- chen Inhalt ein Handelsabkommen Die ganze Schönheit der anste- Schutzniveaus für die Zukunft (Er- der brexit kommen, möchte ich die din- tätskrise zusteuert, ist es notwendiger zwischen Staaten, deren Urheber- henden Probleme zeigt sich nämlich wägungsgrund  der Richtlinie zum ge bewahren, die mich so sehr schätzen als jemals zuvor, gemeinsam unsere rechtssystem relativ homogen ist, am Beispiel des Erschöpfungsgrund- Urheberrecht in der Informationsge- lassen, zu europa zu gehören: freund- Fantasie in Gang zu setzen und uns enthalten sollte. satzes. Die Weiterverbreitung eines sellschaft). Die Fortschreibung des schaft, kultur, gemeinsame historische eine gesunde, freundliche, mitfühlende, Die Europäische Kommission hat Tonträgers, der vor dem Austritt im Schutzes von Tonträgern, die bereits Entwicklungen, frieden und gemein- off ene, großzügige und harmonische sich im vergangenen September mit Vereinigten Königreich in den Verkehr vor dem Austritt hergestellt wurden, sames arbeiten – und verhindern, dass Zukunft vorzustellen. es sieht immer einem Positionspapier zu Wort ge- gebracht wurde, sollte in der EU auch scheint unbedingt angezeigt. Ebenso uns eine gruppe meist reicher »weißer« weniger danach aus, als könne there- meldet, das den gewerblichen Rechts- nach dem Brexit zulässig sein. Anders sollte Schutz, der auf Tatsachen in der männer, von denen viele ihren wohnsitz sa may aus disparaten vorstellungen, schutz und den Schutz des geistigen sieht es damit nach dem Austritt aus: Vergangenheit beruht, nicht zukünftig gar nicht im uk haben, mit der unein- menschen, tönen und zielen eine har- Eigentums insgesamt betriff t. Das Pa- Der EU Withdrawal Bill zufolge würde aufgrund des Brexit wegfallen. Dane- geschränkten priorisierung von geld, monie schaff en – aber künstler*innen, pier verfolgt in erster Linie das Ziel, weiterhin die regionale Erschöpfung ben wäre Klarheit über die Tragweite männlichkeit und weißer Hautfarbe ihr schriftsteller*innen und musiker*innen einheitliche Schutzrechte wie die Anwendung finden, solange diese der Inländerbehandlung im Rahmen geschmackloses wertesystem aufzwingt. haben diese besondere fähigkeit über Gemeinschaftsmarke vor den Folgen nicht vom zuständigen Minister ge- der internationalen Abkommen not- in der praxis bedeutete das, meine jahrtausende verfeinern können. es ist des Brexit zu schützen. Lediglich zwei ändert wird. Da das Vereinigte Kö- wendig. big band umzugestalten und heraus- an der zeit, unsere bleistifte zu spitzen. Aspekte des Papiers sind überhaupt nigreich dann aber nicht mehr EU- Es lässt sich angesichts der durch zufi nden, wie ich mit möglichst vie- urheberrechtlich relevant. Mitglied ist, kann die Fortschreibung den Brexit geschaff enen Unsicherhei- len musiker*innen aus ganz europa Matthew Herbert ist Musiker, Künstler, Das Vereinigte Königreich hat sich dieser Regel ohne jeweils bilaterale ten nur hoff en, dass wenigstens deren zusammenarbeiten könnte. nachdem Produzent und Schriftsteller. Er hat das zu den Folgen des Brexit für den Be- Abmachungen in den verbliebenen EU Lösung mit der nötigen Nüchternheit also theresa may artikel  ausgelöst Projekt »Brexit Big Band« initiiert reich des Schutzes des geistigen Ei-  nicht akzeptiert werden. D. h., die und Klarheit angegangen wird. hatte, starteten wir dieses projekt, die gentums noch spärlicher geäußert nach der EU Withdrawal Bill anwend- brexit big band, und gingen damit auf Die vollständige Kleinschreibung seiner als die Europäische Kommission: bare regionale Erschöpfung liefe ins René Houareau ist Geschäftsführer tournee. wir werden nun durch ganz Texte ist für Matthew Herbert Teil seiner Beibehaltung des Status quo bis zum Leere, was die EU  betriff t. Einfach Recht & Politik des Bundesverbandes europa reisen und mit allen leuten, die Kunst. Austritt, Führung von Verhandlun- gesagt: Was das Vereinigte Königreich Musikindustrie (BVMI) 14 INTERNATIONALES www.politikundkultur.net

auch nach individuellen Vorlieben, wie etwa dem Musikgeschmack, bestimmen, Verstehen lernen wie Menschen Gesellschaft erleben. Die Antworten auf diese Fragen machen es Das Freiwilligenprogramm »kulturweit« macht junge Menschen zu Mittlern einer globalen Welt leichter oder schwerer, aufeinander zu- zugehen und einander zu verstehen. Weil VERENA METZEMANGOLD seit Langem erfolgreich geführt wird: an ßen, an dessen Ende ein Dialog steht – aber Eine Kultur der man Erfahrungen und Wissen, weil man Goethe-Instituten, in deutschen Auslands- auch neue Fragen. Junge Menschen, die gegenseitigen einen Habitus teilt – oder eben nicht. m vergangenen Jahr veröff entlichte schulen und an Hochschulen weltweit. pädagogisch begleitete Erfahrungen in Kulturelle Identität so zu denken, än- der Historiker Philipp Blom ein viel- »kulturweit« bietet jungen Menschen einer globalisierten Welt sammeln, neh- Verständigung dert Perspektiven. Denn so begegnen beachtetes Buch über die Kleine Eis- Gelegenheit, das Leben und die Arbeit von men eine wichtige Mittlerrolle ein. Sie zu fördern, war unsere Freiwilligen während ihrer Zeit I zeit. Die Kälteperiode, die besonders Bildungs- und Kultureinrichtungen außer- transportieren ein diff erenziertes Bild das Ziel, als mit »kulturweit« nicht einer fremden im . und . Jahrhundert zu gesellschaft- halb Deutschlands kennenzulernen. Für der deutschen Gesellschaft, aber auch der Kultur, sondern vielen. Die Frage, woher lichen Umwälzungen rund um den Erdball bis zu ein Jahr unterstützen sie pädago- Länder, die sie besucht haben. Sie können die Deutsche ein Mensch kommt – aus Russland oder beitrug und deren Auswirkungen wir bis gisch begleitet und fi nanziell gefördert die den Blick ihres Umfelds in Deutschland für UNESCO- Deutschland – spielt zwar eine Rolle, aber heute spüren, machte vor Grenzen nicht Arbeit deutscher Kulturmittler in Ländern die Komplexität gesellschaftlicher Zusam- Kommission vor längst nicht die einzige. Irritationsmo- Halt. Seinem Werk gab er den eindring- des Globalen Südens, in Osteuropa und menhänge in anderen Staaten schärfen fast zehn Jahren mente entstehen primär in neuen Situ- lichen Titel »Die Welt aus den Angeln«. der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und dazu beitragen, Vorurteile und Ängste ationen und nicht zwingend in anderen Wenn man heute auf die Welt blickt, könnte (GUS): Als Muttersprachler bereichern abzubauen. Wer die Erfahrung gemacht gemeinsam mit Ländern. So kann es unseren Freiwilligen man das Gefühl bekommen, sie würde er- sie den Deutschunterricht von Schulen, hat, dass anders nicht schlechter bedeutet, dem Auswär- leicht fallen, in Moskau anzukommen. neut aus den Angeln gehoben. Von Klima- gestalten Kulturprojekte mit oder infor- sondern bereichert, sieht die Welt und sich tigen Amt den Die eigentliche Herausforderung wartet wandel über Terror bis hin zu Finanzkrisen mieren an Hochschulen aus erster Hand darin in einem anderen Licht. Wer selbst internationalen in ihren Einsatzstellen, wenn sie Schü- sieht sich die Menschheit mit zahlreichen über den Studienalltag in Deutschland. die Erfahrung gemacht hat, anders zu sein ler unterstützen sollen, die kaum jünger Herausforderungen konfrontiert, die sie Vom Modell »kulturweit« profi tieren und akzeptiert zu werden, empfi ndet Un- Freiwilligen- sind als sie selbst, wenn sie zum ersten nur gemeinsam bewältigen kann. alle Seiten gleichermaßen: Die Auswär- bekanntes nicht als Bedrohung. Dieses dienst »kultur- Mal auf der anderen Seite des Lehrerpults Umso schwerer wiegen der Rückzug tige Kulturpolitik, die Anknüpfungspunk- Wissen kann nicht theoretisch erworben, weit« aus der stehen, wenn sie sich in ihrer neuen Rolle der USA aus dem Pariser Klimaabkom- te zwischen Deutschland und Menschen sondern muss erfahren und weitergegeben zurechtfi nden müssen. Die Auseinander- men sowie die angekündigten Austritte weltweit schaff t, wird um eine wichtige werden. Taufe hob setzung mit dieser Herausforderung birgt der Vereinigten Staaten und Israels aus Facette, den jungen Blick auf das Leben Die sicherlich größte Herausforderung das Potenzial, neuen Situationen angstfrei der UNESCO, die Ende  in Kraft tre- in der Bundesrepublik, erweitert. Die Ein- für unsere Freiwilligen ist es, ihre eige- entgegenzutreten und eigene Standpunkte ten werden. Der Multilateralismus, das satzstellen vor Ort werden in ihrer Arbeit ne Perspektive zu hinterfragen. Während refl ektieren zu lernen. gemeinsame Streben der Staaten dieser von den Freiwilligen tatkräftig unterstützt, ihres Freiwilligendienstes fi nden sie sich Ein so verstandenes transkulturelles Welt nach einvernehmlichen Lösungen die mitunter auch Impulsgeber sind. Und in immer neuen Situationen wieder und Lernen ermöglicht es Menschen, Gemein- für Probleme, die immer auch die Proble- nicht zuletzt profi tieren die jungen Men- erleben, dass etwas ganz Alltägliches, wie samkeiten und Verbindungen zu anderen me der anderen sind, durchlebt eine Krise. schen selbst, die an »kulturweit« teilneh- der Straßenverkehr, in anderen Teilen der in Begegnungen zu suchen, Unterschiede Er wird von Populisten und Nationalis- men. Sie haben die Chance, zu erfahren, Welt auch sehr anders funktionieren kann. zu refl ektieren und die eigene komplexe ten herausgefordert, die dem politischen wie Bildung in anderen Teilen der Welt Hier sollen sie nicht urteilen, kurzerhand kulturelle Identität kennenzulernen. Die- Humanismus, wie ihn Helmuth Plessner organisiert, wie Kultur andernorts gestal- in richtig oder falsch unterteilen, sondern ses Denken kann jungen Menschen einen beschrieb, eine Absage erteilen. Stattdes- tet wird. Sie können Gesellschaften von fragen, warum und unter welchen Bedin- wichtigen Anstoß geben, sich als Teil der sen spekulieren sie auf den Erfolg eines einer Seite kennenlernen, die den meisten gungen sich das Leben in einem anderen Weltgemeinschaft zu begreifen. Dieses bes- Unilateralismus, der auf die Ausnutzung Menschen verborgen bleibt, ihnen aber Land vom Leben in Deutschland, wie sie sere Verständnis voneinander ist ein wich- ungleicher Machtverhältnisse und regio- viel über ein Land verraten kann. es kennen, unterscheidet. Dafür ist es von tiger Schritt hin zur Arbeit miteinander. naler Abhängigkeiten setzt. Die Risiken, Der internationale Kultur-Freiwilligen- zentraler Bedeutung, dass sie nicht nur Wir werden in den kommenden Jahren dieser im Kern imperial gestimmten Stra- dienst greift das Engagement-Potenzial Strukturen, sondern vor allem Menschen neu buchstabieren müssen, was Multila- tegie, ihre politischen, ökonomischen und junger Menschen in einer prägenden Le- begegnen lernen. teralismus in der heutigen Welt bedeutet. sozialen Folgen, sind bestenfalls ungewiss. bensphase auf und bietet ihnen wertvolle Dabei hilft ihnen die intensive pädago- Damit diese große und wichtige Idee ge- Umso mehr ist es in unserer globalen Refl exionsräume an. Sie werden in die Lage gische Begleitung, das Seminarprogramm stärkt aus diesem Prozess hervorgehen Welt notwendig, einen Dialog zu etablie- versetzt, Standpunkte von Menschen zu von »kulturweit« und das Verständnis von kann, muss sie auch im Kleinen verankert, ren, der nicht allein von Staaten, sondern verstehen, die anders aufgewachsen sind kultureller Identität als einem individuel- verstanden und gewollt werden. Projek- vor allem zwischen Menschen geführt wird. als sie selbst. In einer Welt, die trotz na- len Mosaik von Einstellungen, die durch te wie »kulturweit«, die gerade jungen FOTO. DEUTSCHE UNESCOKOMMISSION / STEFAN SCHACHER STEFAN / UNESCOKOMMISSION DEUTSCHE FOTO. Junge Freiwillige beim »kulturweit«-Zwischenseminar in Kolumbien

Eine Kultur der gegenseitigen Verständi- tionalistischer Bewegungen doch immer Erfahrung und Sozialisation geformt wer- Menschen Haltung und Werte vermitteln, gung zu fördern, war auch das Ziel, als die weiter zusammenrückt, kommt der Ent- den. Nicht die geografi sche, beispielsweise die der Gewaltlosigkeit, der Freiheit und Deutsche UNESCO-Kommission vor fast wicklung von Lern- und Verständigungs- deutsche, Herkunft steht in diesem Pro- Nachhaltigkeit verpfl ichtet sind und die zehn Jahren gemeinsam mit dem Auswär- kompetenzen außerhalb der eigenen Her- zess als prägendes Element im Zentrum die Verantwortung jedes Einzelnen für ein tigen Amt den internationalen Freiwilli- kunftsgesellschaft eine besondere Rolle zu. des Kulturbegriff s und der Frage nach menschenwürdiges Zusammenleben in gendienst »kulturweit« aus der Taufe hob. Die Bilder, mit denen »kulturweit«-Frei- Identität. Vielmehr wird von einer Zuge- den Blick nehmen, sind dafür ein wichtiger, Mit der Verankerung eines Freiwilligen willige in für sie unbekannte Länder und hörigkeit zu einer Vielzahl von Kulturen ein unverzichtbarer Baustein. Sozialen Jahres in der Auswärtigen Kul- Situationen gehen, geraten dabei häufi g ausgegangen, die einander durchdringen tur- und Bildungspolitik gewinnt der Di- ins Wanken. Die eigene Rolle und Herkunft und beeinfl ussen. Fragen nach Alter, Bil- Verena Metze-Mangold ist Präsidentin der alog dort eine neue Qualität, wo er bereits wird hinterfragt und ein Prozess angesto- dungshintergrund, sozialer Herkunft, aber Deutschen UNESCO-Kommission Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  INTERNATIONALES 15

Vom Land der aufgehenden Sonne ins Reich der Mitte

Studierendenaustausch hoch, wenn nicht gar steigend ist. mit Japan und China Gleichzeitig ist jedoch bei Studieren- den aus Deutschland eine eher zöger- liche Entwicklung des Interesses an CHRISTIAN STROWA China zu beobachten, insbesondere was längere, selbst organisierte Auf- ie aktuell zu beobachtenden ra- enthalte angeht. Die Gründe dafür santen Veränderungen in China sind sicherlich vielfältig: Während es D beschränken sich nicht nur auf seltener wird, dass sich Studierende politische und wirtschaftliche Aspekte, auf Auslandsaufenthalte einlassen, die auch im Bereich der Hochschulausbil- sich negativ auf die Gesamtstudienzeit dung und deren Internationalisierung auswirken, oder gar den zeitweiligen hat China einiges vor. Mit einer kürzlich Ausstieg aus dem Berufsleben für ein eingeleiteten neuen Exzellenzinitiative, weiterführendes Studium in China in dem »Doppel-Exzellenz-Programm«, Kauf nehmen, sorgt die steigende Zahl hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, strukturierter deutsch-chinesischer durch die Förderung herausragender Doppelabschlussprogramme dafür, und vielversprechender Universitäten dass das Auslandsjahr in China in ei- und Fachbereiche in die oberen Ränge nigen Studiengängen ohnehin zum internationaler Hochschulrankings auf- festen Bestandteil wird. Und auch das zusteigen. Im Rahmen dieser Initiative aktuelle Bild Chinas in Deutschland werden auch Internationalisierungser- – über die grundsätzliche politische Si- folge belohnt. Und das chinesische Bil- tuation hinaus – wirkt zunächst einmal abschreckend. Wo früher vor allem die vielbeschriebene schlechte Luft Grund zur Zurückhaltung bot, kommen nun Deutsche Studierende auch verschärfte Visabestimmungen sind nicht grundsätz- vor allem für Praktika, das Cybersecu- lich zurückhaltend, rity-Gesetz und die mögliche fl ächen- wenn es um Asien geht deckende Einführung eines sozialen Punktesystems hinzu. Szenarien, die man hierzulande bisher höchstens aus

Dystopien kannte. Demgegenüber ste- FOTOLIA.COM / SCHWARCK MAX FOTO: dungsministerium verkündete bereits hen die rasante Entwicklung der chine- Auf dem Weg zur Arbeit oder Universität Teil Tokios werden? Austauschprogramme bieten eine Möglichkeit dazu vor einigen Jahren, bis  ca. . sischen Volkswirtschaft, die das Land ausländische Studierende nach China kürzlich zu Deutschlands größtem und wobei angesichts des geplanten Jefta- Japan und China beginnen oder fort- ni sind vielfältig. Die beiden äußerst holen zu wollen. Mit zuletzt , Pro- immer selbstbewussterem Handels- Abkommens davon auszugehen ist, dass setzen möchten. Außergewöhnlich ist aktiven Alumnivereine sorgen zudem zent bilden chinesische Studierende partner machte, und der zunehmende auch die Handelsbeziehungen wieder das Programm deshalb, weil es sich an dafür, dass der Kompetenzgewinn und nach wie vor den mit Abstand größ- politische Einfl uss Chinas. Über die an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig Graduierte richtet, die bereits über erste der länderbezogene Austausch über die ten Anteil ausländischer Studierender, wissenschaftliche Qualifi kation hinaus tragen die gemeinsamen kulturellen Berufserfahrungen verfügen und in der einzelnen Berufszweige hinweg auf- sogenannter »Bildungsausländer«, in ist also auch der generelle Kompetenz- Interessen der Studierenden positiv Regel keine wissenschaftliche Karriere rechterhalten wird. Neu ausreisende Deutschland, Tendenz weiter stei- aufbau in Deutschland ein wichtiger zur Netzwerkbildung bei – ein zentra- anstreben. Teilnehmer bekommen ne- Studierendengruppen können zudem gend. Und das Bundesministerium für Aspekt des Studierendenaustauschs. ler Faktor für den nachhaltigen Aufbau ben intensivem Sprachunterricht auch bereits während ihres Auslandsaufent- Bildung und Forschung (BMBF) wiede- Deutsche Studierende sind dabei von Expertise. ein umfassendes Begleitprogramm mit halts Kontakte zu Absolventen knüpfen: rum fördert im Rahmen seiner China- nicht grundsätzlich zurückhaltend, was Gerade über Alumnivereine ent- Fachseminaren, Exkursionen und Fir- Im Rahmen von »Sprache und Praxis strategie  bis  unter anderem Asien angeht. Z. B. erfreut sich Japan stehen langfristige, generations- und menbesichtigungen geboten. Ob in China« konnten mittlerweile schon konkret Maßnahmen zum Ausbau der nach wie vor etwa gleichbleibender fächerübergreifende Kontakte, die ne- einer führenden Position bei einem über  Jahrgänge gefördert werden, Chinakompetenz in Deutschland. Beliebtheit, wenn auch auf einem we- ben den Absolventen selbst auch der Wirtschaftsunternehmen in Deutsch- das Parallelprogramm mit Japan feiert Gute Vorzeichen also für den Stu- sentlich niedrigeren Niveau als China. deutschen Wirtschaft zugutekommen. land, als Architekt für eines der un- dieses Jahr gar sein -jähriges Beste- dierendenaustausch mit China, sollte Neben wirtschaftlichen Aspekten ist So bietet der Deutsche Akademische zähligen Mega-Projekte in China und hen. man meinen, zumal auch innerhalb spätestens seit den er Jahren auch Austauschdienst (DAAD) im Rahmen Japan, als Leiterin des German Center der deutschen Wirtschaft der Bedarf ein gerade unter Jugendlichen ver- seines BMBF-geförderten »Sprache und for Industry and Trade in Peking oder Christian Strowa leitet das DAAD- an Hochschulabsolventen mit aus- breitetes Interesse an der japanischen Praxis«-Programms Stipendien für Be- für eine Laufbahn im Auswärtigen Amt, Referat Stipendienprogramme Asien geprägter Chinaexpertise weiterhin (Pop-)Kultur ein treibender Faktor, rufseinsteiger, die ihren Werdegang in die Karrieremöglichkeiten der Alum- und Pazifi k

rikaner aufeinander angewiesen: Zu- Weltregionen und für viele Menschen nehmende wirtschaftliche Ungleichheit, mit Hoff nung verbindet. Das aber der »Wunderbar together« Kriege und Aufrüstung, unkontrollierte mit dieser Hoff nung einhergehenden Migration, Klimawandel oder auch der Verantwortung neu und besser ge- Deutschlandjahr  in den USA gezielte Einsatz von Desinformation recht werden muss. Deswegen geht zum Zwecke der Destabilisierung de- es uns auch um einen umfassenden ANDREAS GÖRGEN genannt hat, durch den Aufbau gemein- Dabei können wir auf einer starken mokratischer Systeme sind Herausfor- Dialog. Wir wollen uns mit den Men- samer Strukturen und Programme mit Basis aufbauen. Wir schauen auf eine derungen, denen wir nur gemeinsam schen in den USA über die für unse- it dem Koalitionsvertrag und in unseren Partnerländern weiter historisch gewachsene, krisenerprobte begegnen können. re Gesellschaften wichtigen Themen zwischen CDU/CSU und vorantreiben. und sehr erfolgreiche transatlantische In einer Zeit, in der viele Deutsche austauschen: Freiheit, Diversität, Ver- SPD ist es zum ersten In diesen Kontext bettet sich Partnerschaft zurück. Jeder sechste die USA auch aufgrund der inzwischen antwortung, die Zukunft der Arbeit, Di- M Mal gelungen, für das auch das im Herbst  beginnen- Amerikaner gibt an, deutsche Wurzeln eher nach innen gerichteten US-Politik gitalisierung, Energie, Klima und Nach- Politikfeld der Kultur »Außen und In- de Deutschlandjahr in den USA ein. zu haben. Das sind fast  Millionen kritisch sehen, gilt es, Entfremdungs- haltigkeit, Wissenschaft und Bildung, nen« konsequent zusammen zu denken. Deutschland und die USA verbindet Menschen. Deutsche Unternehmen tendenzen entgegenzuwirken. Wir müs- Kultur, Lebensweise und nicht zuletzt Damit einher geht ein Gestaltungsauf- eine lange und enge Partnerschaft. schaff en in den USA hunderttausende sen das Verständnis füreinander fördern auch deutsche Traditionen. Ob Upstate trag, dem wir uns in den nächsten Jah- Diese gründet auf einer gemeinsamen Arbeitsplätze. Wir pfl egen und freuen und gemeinsame Perspektiven schaff en. New York oder Missouri, Los Angeles ren annehmen werden. Dieser Auftrag Wertebasis. Genau dieser Basis wol- uns über einen sehr guten kulturellen Das ist eine zentrale Aufgabe der Aus- oder Kansas City – wir wollen so viele lautet erstens, für unsere Werte und len wir uns wieder vergewissern, und und gesellschaftlichen Austausch – sei wärtigen Kulturpolitik. Sie steht für die Menschen wie möglich erreichen, so- Interessen, für die Freiheit von Kunst, das geschieht eben nicht durch das es durch Sprachlernprogramme, viel- soziale Dimension von Kultur, schaff t wohl in den Metropolen als auch im Wissenschaft und Meinung einzutreten Beschwören der Gemeinsamkeit, son- fältige Arten von Schüler- und Studen- Freiräume im so wichtigen vorpoliti- sogenannten »Heartland« jenseits der und zweitens, den in den vergangenen dern durch das Zeigen von und Arbeiten tenaustausch oder kulturelle Knoten- schen Raum, verbindet Gesellschaften. Küsten. Jahren aufgebauten Bereich der strate- mit den Diff erenzen. Denn unsere Welt punkte wie die vielen Goethe-Institute Dieses Potenzial wollen wir – nicht Positive Reaktionen beiderseits des gischen Kommunikationsarbeit weiter hat sich verändert. Sie ist nicht mehr in den USA, die Villa Aurora oder das in zuletzt dank der großzügigen Unter- Atlantiks, nicht zuletzt die große Zahl auszubauen, um den globalen Wettbe- geprägt durch den Ost-West-Konfl ikt, diesem Jahr eröff nende Thomas-Mann- stützung durch die Abgeordneten des von Projektanträgen, die wir bislang werb der Narrative, den Frank Gadinger den Eisernen Vorhang und die Block- Haus in Los Angeles. Unsere auf allen Deutschen Bundestages und aus der erhalten haben, bestärken uns: Das so eindringlich beschreibt, anzuneh- konfrontation. Auch die Aufbruchstim- Ebenen enge wirtschaftliche, kulturelle deutschen Wirtschaft – im deutsch- Deutschlandjahr in den USA ist ein men und zu gestalten. Drittens geht es mung nach dem Mauerfall  ist in- und gesellschaftliche Zusammenar- amerikanischen Verhältnis noch stärker zentrales Vorhaben der Außenpolitik, darum, im Spannungsfeld von »Innen« zwischen verfl ogen. Heute kämpfen wir beit mit den USA wollen wir mit dem nutzen als bisher. wie aus dem Entwurf zum Koalitions- und »Außen« Zugang zu schaff en zu mit neuen globalen Herausforderungen Deutschlandjahr vertiefen. In gemeinsamer Verantwortung von vertrag zwischen CDU/CSU und SPD Kultur und Bildung, Wissenschaft und und asymmetrischen Konfl ikten. Die Dennoch: Wir dürfen und wollen uns Auswärtigem Amt, Goethe-Institut und deutlich wird. Ergreifen wir gemeinsam Meinung – in einer Einwanderungsge- Welt ist nicht mehr so »verfügt« und nicht auf einen »Value talk« beschrän- Bundesverband der Deutschen Indus- die Chance, die darin liegt, gestalten sellschaft und zwischen Partnergesell- »verfugt«, wie unsere Denkmuster das ken. Vielmehr müssen wir für uns und trie vereint das Deutschland-Jahr Kul- wir das transatlantische Verhältnis wei- schaften, aber auch und besonders in gewohnt waren. Es ist eine Welt auf künftige Generationen konkrete Ant- tur, Wirtschaft und Politik. ter und stellen wir »America fi rst« ein Krisenregionen und -zeiten. der Suche nach (neuer) Ordnung, ohne worten auf die drängenden Fragen Mit dem Deutschlandjahr geht es »Wunderbar together« zur Seite! Wir werden also die Auswärtige Kul- klare Orientierung, geprägt durch sich unserer Zeit liefern. Was ist unsere uns einerseits darum, Deutschland turpolitik noch weiter auf Kooperation aufl ösende Gewissheiten. Umso mehr Partnerschaft wert? Wie können und zu zeigen – und zwar als das, was wir Andreas Görgen ist Leiter statt Repräsentation ausrichten und wollen wir die Verbindungen zwischen wollen wir sie neu defi nieren? Welche heute sind: Ein modernes, innovatives der Kultur- und Kommunikations- die gemeinsame Arbeit an der Weltver- unseren Ländern stärken und das trans- Werte und Interessen verbinden uns? und kulturell vielfältiges Einwande- abteilung des Auswärtigen nunft, wie Willy Brandt die Kulturarbeit atlantische Verhältnis neu beleben. Gerade jetzt sind Deutsche und Ame- rungsland, ein Land, das sich in vielen Amtes 16 INTERNATIONALES www.politikundkultur.net

Revolutionswächtern und schiitischen Gruppen in Syrien hingewiesen. Welche Söldnern aus Afghanistan, Pakistan und Rolle spielt Ankara heute bei der Auf- Die kurdische Tragödie dem Irak an der Seite Assads. Diktator rüstung des al-Qaida-Ablegers Harakat Assad lässt Fassbomben und Giftgas auf Tahrir ash-Sham in der Provinz Idlib? Die Türkei führt einen Angriff skrieg in der syrischen Provinz Afrin Zivilisten werfen. Die USA benutzen die Die Türkei fürchtet die YPG we- Kurden als Fußtruppe im Kampf gegen niger aus militärischen, sondern aus REINHARD BAUMGARTEN sation angesehen. China, Russland, In- en Syrischen Armee (FSA). Mit diesem den IS, der nicht zuletzt ein Produkt politischen Gründen. Die YPG ist der dien und die Vereinten Nationen listen Euphemismus wird die Öff entlichkeit verheerender amerikanischer Nahost- militärische Arm der Partei der Demo- n der kurdischen Tragödie wird die PKK nicht als Terrororganisation. getäuscht. Denn beim Großteil dieser Politik ist. kratischen Union, der Partiya Yeketiya seit dem . Januar  ein neues Weil die YPG mit der PKK verbunden sogenannten FSA-Kämpfer soll es sich Die Türkei hat im syrischen Bür- Demokrat, kurz PYD. Die PYD ist zu Kapitel geschrieben. An diesem ist, begründet Ankara den Waff engang Beobachtern zufolge um Dschihadisten gerkrieg eine neue Front eröff net. Mit einer wichtigen politischen und ge- I Tag startete das Nato-Mitglied in Syrien damit, Terroristen zu bekämp- folgender Gruppierungen handeln: Fa- dem zynischerweise »Operation Oliven- sellschaftlichen Kraft unter den knapp Türkei im Norden Syriens einen An- fen. Die Türkei setzt schwere Haubitzen, ylaq al-Sham, Jaish al-Nasr, Jabhat al- zweig« genannten Waff engang droht , Millionen Kurden in Syrien gewor- griff skrieg gegen die syrische Provinz Panzer, Kampfbomber, Drohnen und Shamiyah, Ahrar al-Sham, mit Afrin eine der letzten den. Die PYD strebt nach politischer Afrin, die seit geraumer Zeit von der islamistische Söldner im Kampf gegen Nureddin Zengi Brigaden, halbwegs friedlichen Oa- Autonomie in Syrien. Nicht wenige Kurdenmiliz YPG kontrolliert wird. YPG die YPG ein. Der Völkerrechtler Stefan Suqour al-Jaber, Sultan sen im Bürgerkriegsland PYD-Anhänger wollen einen eigenen steht für Yekîneyên Parastina Gel – auf Talmon von der Universität Bonn be- Murad Brigade, Samar- Syrien in Schutt und Staat. Genau das soll verhindert wer- Deutsch: Volksverteidigungseinheiten. zeichnete in einem Interview mit dem kand Brigade, Muntasir Asche gelegt zu werden. den. Niemand außer Kurden will einen Die syrische YPG ist ein Ableger der tür- Politmagazin Monitor den türkischen Billah Brigade, Sultan Ankara spricht von Selbst- Kurdenstaat. Dies wurde den Kurden Angriff auf syrisches Staatsgebiet als Murad Division, Fatih verteidigung. Die inter- im Vertrag von Sèvres  in Aussicht Bruch des Völkerrechts. Die Region Sultan Mehmet Brigade, nationale Gemeinschaft gestellt. Dann aber fanden es Großbri- Afrin galt bis zum . Januar als eines Hamza Company, Nort- oder die Nato-Partner tannien und Frankreich lukrativer, den Die Kurden wurden der am wenigsten vom Krieg in Syrien hern Storm, Turkestan der Türkei verlangen von Nahen Osten nach ihrem Gutdünken seit Jahrhunderten betroff enen Gebiete. Mehrere Hundert- Islamic Party und Sala- Ankara nicht, konkrete aufzuteilen. Von Unabhängigkeit oder von Großmächten für tausend syrische Binnenfl üchtlinge haddin Brigade. Warum diese lange Beweise dafür vorzulegen, inwieweit Autonomie für Kurden war keine Rede hatten dort in den vergangenen Jahren Aufzählung unbekannter Namen und von Afrin tatsächlich Gefahr für die mehr. Die Tragödie der Kurden besteht deren Zwecke benutzt Zufl ucht gefunden. Nun leben sie zwi- Gruppen? Wegen der nötigen Trans- Türkei ausgegangen ist, die ein derartig darin, dass sie seit Jahrhunderten von schen Hammer und Amboss. Afrin und parenz. Ankara spielt in Syrien nicht zerstörerisches Vorgehen rechtferti- Großmächten für deren Zwecke benutzt seine zivile Infrastruktur droht Stück zuletzt aus innenpolitischen Gründen gen würde. Niemand hinterfragt mehr, werden und sich auch haben benutzen kischen PKK. Die Partiya Karkerên Kur- für Stück zermörsert zu werden. Die ein schmutziges Spiel. Wer tut das in welche Rolle die Türkei seit  bei lassen. Der Syrienkrieg und der Kampf distanê ist eine kurdische, sozialistisch Türkei bedient sich bei ihrem völker- Syrien nicht? Alle am Ringen um Macht der Aufrüstung der Terrormiliz Islami- gegen den sogenannten Islamischen ausgerichtete militante Untergrundor- rechtswidrigen Waff engang moderner und Einfl uss beteiligten Kräfte tun das. scher Staat gespielt hat. Der deutsche Staat sind dafür sehr gute Beispiele. ganisation. Sie hat ihren Ursprung in Landsknechte übelster Sorte. Offi ziell Russland wirft seit September  Bundesnachrichtendienst (BND) hat den kurdischen Siedlungsgebieten der bezeichnet Ankara die Schätzungen in- Bomben auf Assad-Gegner und gibt im Sommer  in einem Bericht auf Reinhard Baumgarten ist langjähriger Türkei. Die PKK wird von Ankara, Brüs- ternationaler Beobachter zufolge bis zu vor, den sogenannten Islamischen Staat enge Verbindungen zwischen offi ziellen ARD-Nahost-Korrespondent und sel und Washington als Terrororgani- . Söldner als Angehörige der Frei- (IS) zu bekämpfen. Der Iran kämpft mit türkischen Stellen und Dschihadisten- zurzeit tätig für SWR FS-Ausland Im Dornröschenschlaf Forschungsdilemma an doch eine Tendenz ab. Aber wie kommt Doch woran liegt das eigentlich? Die dungsminister Nuño Mayer zukünftig Index Platz  einnimmt, zahlreiche staatlichen Hochschulen diese Veränderung zustande? Wie kann mexikanischen staatlichen Universitä- eine höhere Selbstfinanzierung der ausländische Unternehmen geradezu es sein, dass private Universitäten im- ten befi nden sich schon Jahrzehnte in Universitäten durch Kooperationen händeringend nach Möglichkeiten der in Mexiko mer mehr Anteile an der Gesamtfor- einer intellektuellen Komfortzone von mit Unternehmen anregte. gemeinsamen Gestaltung von Projek- schungsleistung der insgesamt über universitärer Lehr- und Forschungs- Außerdem werden Unternehmen ten im Forschungs- und Ausbildungs- ALEXANDER AU . Hochschulen haben, und einige autonomie. Für kooperatives unter- an den öff entlichen Hochschulen bis- bereich suchen. der staatlichen Elitehochschulen sich nehmerisches Denken gab es weder weilen immer noch als Vertreter eines eit jeher gelten mexikanische in Zukunft in den Rankings mit uner- Notwendigkeit noch Platz, oder – noch an Gewinnmaximierung orientierten Erstaunliches ungenutztes Hochschulen in Lateinamerika wünschten Nachbarn abfi nden müssen? schlimmer – Initiativen in Richtung ge- Systems ideologisiert, dass der Philoso- Kooperationspotenzial S als Taktgeber, wenn es um die Die Antworten sind so einfach wie kom- meinsamer Lehr- und Forschungspro- phie der traditionell eher politisch links großen universitären Themen der In- plex zugleich. jekte mit der Privatindustrie wurden orientierten öff entlichen Hochschu- Im Resultat existiert ein enormes nach ternationalisierung und Forschung geht. von großen Teilen der Hochschulbe- len entgegensteht – ein im deutschen wie vor unausgeschöpftes Kooperati- Gestützt wird diese Tatsache durch in- legschaft pauschal als Eingriff in die Wissenschaftssystem kaum nach- onspotenzial zwischen öff entlichen Staatliche Hochschulen müssen ternationale Rankings, in denen sich Hochschulautonomie gewertet. Diese vollziehbarer Gedanke. Diese längst Hochschulen und Unternehmen in zukunftsorientierter denken mexikanische Spitzenhochschulen ge- unternehmerische Denkparalyse wur- überkommene politisierte Mentalität Mexiko. Den beteiligten staatlichen meinsam mit argentinischen, chileni- Ein Hauptgrund liegt darin, dass private de noch zusätzlich befördert durch die existiert leider an vielen mexikani- Bildungsakteuren ist es bisher weder schen und brasilianischen Institutionen Universitäten immer intensiver mit der garantierte Grundfi nanzierung dieser schen staatlichen Hochschulen noch im Forschungs- noch im akademischen scheinbar selbstverständlich immer die Industrie langfristige gemeinsame For- Lehreinrichtungen durch die Bundes- heute, und behindert nach wie vor Ausbildungsbereich gelungen, Instru- besten Positionierungen in Lateiname- schungsnetzwerke und PhD-Program- regierung und die Bundesstaaten. Kein eine zielgerichtete ideologiefreie Ko- mente der mittel- und längerfristigen rika untereinander aufteilen. me aufbauen, gemeinsam forschen und Wunder also, dass erstens der Finan- operation zwischen Hochschule und institutionellen Zusammenarbeit in Im Prinzip scheint sich daran nichts dann die Ergebnisse natürlich auch pu- zierungsanteil der Privatwirtschaft Wirtschaft wesentlich. Das Szenario großem Umfang zu etablieren oder geändert zu haben. Und doch lohnt blizieren. Für die öff entlichen ist dieser an universitärer Forschung in Mexiko ist umso dramatischer, wenn man sich bedarfsgerecht zu entwickeln sowie ein vertiefender Blick. Waren es in der vielversprechende Kooperationsbereich unter drei Prozent liegt, und zweitens vor Augen führt, dass im Schwellen- die dazu notwendige unternehmeri- Vergangenheit nämlich ausschließlich immer noch verminte Erde, und wird die öff entlichen Hochschulen unisono land Mexiko, das inzwischen auf dem sche Mentalität zu schaff en. Und selbst Mexikos staatliche Universitäten wie mit entsprechender Vorsicht behandelt. laut aufschrien, als  Mexikos Bil- weltweiten Foreign Direct Investment wenn sich die staatlichen Hochschulen die Universidad Nacional Autónoma de in Mexiko anscheinend bedächtig – an México (UNAM), das Instituto Politéc- einigen Institutionen auch durchaus nico Nacional (IPN), die Universidad de tatkräftig – immer mehr in den Bereich Guadalajara (UdG) oder die Universidad gemeinsamer Forschungsaktivitäten Autónoma de Nuevo Leon (UANL), die mit der Privatwirtschaft hineinwagen, allein für die Forschungsleistung des von einer ideologiefreien Strategie, die Landes verantwortlich waren, sind es beiden Seiten nützt, kann man nicht inzwischen auch einige – wenn auch sprechen, und die Zeit läuft ihnen lang- wenige – private Hochschulen, die sich sam davon. mit einer nachhaltigen Strategie immer Und noch eine weitere Sache kommt mehr in den Bereich der angewandten hinzu: Vielfach erlernen die staatlichen Forschung – auch der Grundlagenfor- Bildungsträger im Hochschulbereich schung – begeben und zur Gesamtfor- erst jetzt die notwendigen operativen schungsleistung Mexikos beitragen. Schritte, die man benötigt, um gemein- Dieser Wandel lässt sich mittlerwei- same Kooperationsprogramme mit der le eindrucksvoll an Rankings und For- Wirtschaft tatsächlich erfolgreich zu schungsleistungen ablesen: So liegt die implementieren und nachfolgend zu Privathochschule Instituto Tecnológico managen. Allzu oft fehlt dann schlicht- y de Estudios Superiores de Monter- weg noch das Know-how über das prak- rey, kurz ITESM, in den renommierten tische Instrumentarium. Nachhilfe im Rankings von »QS« und »Times Higher zielgerichteten und ideologiefreien Ko- Education« jeweils knapp hinter bzw. operationsmanagement könnte da die sogar vor der UNAM.  belegte eine oder andere private Hochschule das ITESM außerdem bei der Wissen- anbieten. Wenn sie denn nur gefragt schaftsproduktion der mexikanischen würden … Eins sollten die mexikani- Hochschulen Rang neun. Vor einigen schen staatlichen Hochschulen inzwi- Jahren war dies schlichtweg nicht vor- schen gelernt haben: Der ehemals gute stellbar. Auch wenn es bisher die einzi- Ruf hilft nicht beim Ranking. ge private mexikanische Hochschule ist, die es in den internationalen Rankings Alexander Au leitet die Außenstelle des

derart weit nach oben geschaff t hat, so STEHLIK ULRIKE FOTO: Deutschen Akademischen Austausch- zeichnet sich durch diese Vorreiterrolle Das Rektorat der UNAM ist das Wahrzeichen der forschungsstärksten Universität Mexikos und UNESCO-Weltkulturerbe dienstes (DAAD) in Mexiko Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  KULTURELLES LEBEN 17

Einer, der auszog, Kulturarbeiter zu werden Mehr Fenster! Der Theatermann und gesellen von seiner Geburtsstadt zum le Doppelfunktion als Amtsleiter und Kulturmanager Arnold Sprachstudium ins holländische Utrecht »Burgdirektor«, wie er selbst sagt. Burg- Gott & die Welt an die Reichsuniversität. Zeitgleich be- direktor deshalb, weil es das beschreibt, Bischinger im Porträt gann er an der Kunsthochschule in Ut- was die Menschen der Stadt und Region Wände laden dazu ein, dass wir auf recht das Studium Theater und Drama von »ihrer« Burg und damit von dessen ihnen malen. Oder schreiben. In ANDREAS KOLB mit Zusatz Kulturmanagement. Es war Leitung erwarten. Die Burg Beeskow ist Berlin weiß man das besonders gut. ein angewandtes Studium von Anfang neben dem Dokumentationszentrum Die East Side Gallery schmückt das us dem Werdegang des Voll- an – Utrecht zählte zu den ersten künst- Alltagskultur der DDR in Eisenhütten- längste erhaltene Mauerteilstück. Es blut-Kulturmenschen Ar- lerischen Hochschulen, die einen Stu- stadt und dem Kunstarchiv Beeskow die dokumentiert die Freude, nach dem nold Bischinger lassen sich diengang Theaterpädagogik anboten. zentrale Bildungs-, Kultur- und Ausstel- Fall der Mauer endlich beidseitig A fünf große Lebensthemen Selbst auf der Bühne stehen zu wollen, lungsadresse im Landkreis. das zu tun, was noch der beste Sinn herauskristallisieren: Handwerk, The- hat ihn nie gereizt, ihn interessierten Bischinger muss also sowohl klas- dieses fast drei Jahrzehnte trennen- aterpädagogik, Künstlerische Leitung, stets die Fragen im Hintergrund: »Was sische Einrichtungen pfl egen, also Be- den Schreckens war: sie zu bemalen. Kulturelle Bildung/Vielfalt und Erin- kann und was soll Theater?« Anwen- stände im Blick haben, Restaurierungen Bekritzelt, beschriftet, bunt gemacht nerungskultur. Als frischgebackener dungsgebiete gab es genug: Bischinger vorantreiben als auch darüber nachden- war sie davor nur auf der Seite, wo Leiter des Kultur- und Sportreferats des war gefragt als Trainer für Konfl iktbe- ken, wie sich Museen mehr einbringen

die in Lübars/Reinickendorf gebo- Landkreises Oder-Spree ist Bischinger wältigung an der Amsterdamer Polizei- TORNOW JÖRN FOTO: können in Fragen, die heute relevant rene Ina Deter schon  gesungen nach Stationen in Osnabrück, Utrecht, hochschule und im Strafvollzug oder Arnold Bischinger ist der neue sind. Außerdem will er Bürgern und der hatte: Ich sprüh’s auf jede Wand … Amsterdam, Nordhausen, Gera, Frank- als Bewerbungstrainer beim Arbeitsamt Leiter des Kultur- und Sportamtes Politik klarmachen, wie lohnenswert es Wände laden zum Bemalen ein. Oder furt/Oder und Berlin im »ländlichen in Utrecht. des Landkreises Oder-Spree ist, Kultur in der Fläche zu gestalten. zum Schreiben. An der Fassade der Raum« angekommen – das strahlt er Dass die Karriere des Ostwestfalen »Ich bin mir sicher«, fi ndet er, »dass der Alice Salomon Hochschule prangt ein in allem aus, was er sagt und tut. und Wahl-Holländers noch einmal fürs Stadttheater. Weitere Stationen Kunst- und Kulturarbeit im ländlichen Gedicht von Eugen Gomringer, das Das Landleben und wie es funkti- in eine völlig andere Richtung gehen waren Direktor des Kleinen Theaters Raum in den kommenden Jahren eine nun nach dem Willen der Studieren- oniert, ist Bischinger nicht so fremd, würde – sowohl inhaltlich wie auch im Zentrum des Theaters Altenburg- wachsende Aufmerksamkeit und jen- den übermalt werden soll. Die Dis- wie es den Anschein haben mag, wenn geografi sch, daran war letztlich der Gera und dann für neuneinhalb Jahre seits der klassischen Kulturangebote kussion darum ist wichtig. man seine Vita liest. Lebt er doch seit Mauerfall schuld. Die Wiedervereini- Künstlerischer Leiter des Kleist-Forums eine vermittelnde Rolle zugesprochen Es geht um Bedeutungsoff enheit  Jahren im brandenburgischen Neu- gung wurde für Bischinger zum per- in Frankfurt/Oder. Als er in Frankfurt wird. Darin liegt eine große Chance.« von Kunst einerseits, die Auseinan- endorf im Sande im Landkreis Oder- sönlichen Wendemoment in seinem ankam, war die Abwicklung des Kleist- Zugute kommt ihm bei seiner Aufgabe, dersetzung mit patriarchalen, Spree und pendelte viele Jahre täglich Leben. Im Studium hatte er sich noch Theaters bereits über die Bühne gegan- dass er als »einer von hier« akzeptiert Frauen diskriminierenden Tönen in die Hauptstadt. In Neuendorf hat er fest vorgenommen, nicht ans Stadtthe- gen. Bischinger war derjenige, der für ist. Als Tischler und Restaurator packt andererseits. Die Debatte steht Wurzeln geschlagen und ist ehrenamt- ater zu gehen. Die politische Wende und den  Millionen schweren Neubau die er an und redet nicht hochgestochen Hochschule und Gesellschaft gut an, lich kulturschaff end tätig. Er engagiert seine Neugierde auf unbekannte Struk- Verantwortung übernahm und für die daher. Die »Ismen und Fremdwörter«, zumal im Kontext des so wichtigen, sich seit Jahren in der örtlichen Kultur- turen waren schuld daran, dass er dann neue Struktur ohne eigenes Ensemble ohne die es in Berlin keine Kulturpro- aufrüttelnden MeToo-Diskurses. Es scheune und setzt sich für den Erhalt doch als Theaterpädagoge zu Intendant die ersten Spielpläne schuf. jekte und kein Geld dafür gegeben hätte, gilt zu entscheiden: Womit wollen der Erinnerungsstätte Landgut Neu- Michael Schindhelm ans Stadttheater Seine nächste Herausforderung fand kann er jetzt in der Schublade stecken wir uns nach Außen zeigen, identifi - endorf ein. Die Personalie Bischinger nach Nordhausen ging. Bischinger in Berlin: Sieben Jahre lei- lassen. Das findet er angenehm am zieren lassen? Und: Gibt es ein »wir«, hat in Beeskow und im Landkreis Oder- »Es war Blindfl ug«, erinnert er sich, tete er den Geschäftsbereich Kulturelle neuen Job, auch wenn seine Arbeits- kann es das geben? Und was, wenn Spree für Aufsehen gesorgt. »Der Hype, »mit einem großen Missverständnis zu Bildung bei den Kulturprojekten Ber- tage zurzeit elf bis zwölf Stunden lang wir etwas heute anders sehen als der hier um meine Person gemacht Beginn«. In der Ausschreibung wurde lin. Nach der Metropole kam das fl a- sind. Das Arbeiten in Beeskow für den vormals? wurde«, schmunzelt er, »ist größer als eine »Anstellung als Theaterpädago- che Land: Seit Januar  ist der heute Oder-Spree-Kreis sieht Arnold Bischin- Kirchenwände haben zu allen Zeiten in Frankfurt/Oder, wo ich damals als ge, Gehalt . DM« off eriert. Nach -Jährige Leiter des Kultur- und Sport- ger nicht als Stadtfl ucht, auch nicht als dazu eingeladen, auf ihnen zu malen. Theaterchef einen größeren Etat über- einer Anfrage für wie viele Stunden er amtes des Landkreises Oder-Spree. Der ein Zurück zur Natur. »Ich hatte eine Auf dem Weg zum Chorraum einer nommen hatte«. für . Mark arbeiten solle, kam die dortige Landrat und Kulturdezernent, Verabredung mit mir, dass ich eines Ta- alten Kirche fi nden sich oft Bilder Alles begann in Rheine in Nordrhein- Antwort »fulltime«. Damit war Bischin- Rolf Lindemann, hatte begriff en, wel- ges im ländlichen Raum arbeiten will. von Heiligen, die gelitten haben. Westfalen, wo Bischinger  zur Welt ger in der kulturpolitischen Realität ches Potenzial die Kultur in der Fläche Das weiß ich seit  Jahren, seit ich in Und vorne ziert nicht selten ein Bild kam. Nach dem Abitur in Neuenkirchen eines ostdeutschen Theaterbetriebs seinem Landkreis bietet, und wie Kultur Neuendorf in Brandenburg lebe.« Für vom Weltgericht die Kuppel. Hin und arbeitete er von  bis  als Zivil- nach der Wende angekommen. Nach Möglichkeiten der Begegnung schaff en den Theaterpädagogen und Kulturma- wieder fi nden sich diese Bilder erst, dienstleistender mit Nichtsesshaften. Verhandlungen mit Intendant Michael kann. Aus dem alten Amt für Bildung, nager hat ein neuer Lebensabschnitt wenn das Gebäude restauriert wird. Doch danach wollte der Abiturient nicht Schindhelm bekam er immerhin die Kultur und Sport machte er deshalb ein begonnen. Und für die Kulturarbeit im Reformation und Aufklärung haben an die Uni, sondern »Boden unter die Mindestgage für Schauspieler – Tarif- eigenes Schulverwaltungsamt, das Ro- Landkreis Oder-Spree ein Aufbruch. vielfach dazu geführt, die alten Bilder Füße kriegen« und lernte das Schrein- gebiet neue Bundesländer. Egal – ent- land Pilz leitet, sowie ein Kultur- und zu übermalen. Wegen der Ablenkung, erhandwerk, wiederum in Rheine.  gegen seiner ursprünglichen Überzeu- Sportamt, für das Bischinger zuständig Andreas Kolb ist Redakteur von die Bilder bewirken. Um nicht falsche zog es den frischgebackenen Tischler- gung hatte Bischinger Feuer gefangen ist. Er übernimmt damit eine reizvol- Politik & Kultur Ängste zu schüren, Glaube wurzelt ja in Vertrauen, nicht in Angst. Schließlich auch, um Bild und Gott nicht zu verwechseln. Gute Gründe, der verstörenden Realität in ihren häuser und Kinos, Studios, Ateliers durchaus. Und nun, bei der Wieder- kulturellen Winkel. Lasst mich in Ru- und Galerien, Museen und Design- entdeckung der Farb-, Bild-, Mischt Euch ein! he mit Politik und Ökonomie – ich studios, Denkstuben und Hörsäle, Schriftschichten? Bewahren und bin mir genug: Das ist die Botschaft, Buchmessen und Debattenclubs in kommentieren wir die Schichten, die Künstler dürfen nicht länger abseitsstehen die das Selbstbild vieler Bürger auf Volkshochschulen und im Fernsehen Fragmente. Erinnern wir uns. Unse- erschreckende Weise spiegelt. Kultur, müssen wieder Ideen-Werkstätten der rer Gebrochenheit in Glaubensüber- LUDWIG GREVEN Krieg führt nebst anderen imperialen ob Hoch, Pop oder Alternativ, wird Gesellschaft werden. Nehmt den Poli- zeugungen. Mächten, ebenso wie sein türkischer zum Surrogat: zur Ersatzbefriedigung tikern die Politik aus der Hand! Nutzt Wände laden dazu ein, auf ihnen F rüher, vor ungefähr  Jahren, da Autokraten-Bruder im Ungeiste. Die und Ablenkung von den auch medi- die Kommunikations- und Diskurs- zu malen und zu schreiben. In der redeten Kulturschaff ende, rebellische Erde erlebt eine Völkerfl ucht histori- alen Zumutungen und Sorgen des wege der heutigen Zeit auch jenseits (Kirchen-)Architektur fi ndet sich er-Studenten und Geistesgrößen schen Ausmaßes, mit gravierenden Alltags. der etablierten Medien, die teilweise schon seit einiger Zeit noch ein an- kraftvoll mit. Das Land, der westliche Folgen auch bei uns. Viele Menschen Aber Kunst und Geist tragen auch im- selbst Abbild der politisch-kulturellen derer Weg: Mehr Glas. Mehr Fenster. Teil zumindest, war im Um- und Auf- haben begründet Angst vor der digi- mer Verantwortung. Für das, was um Krise sind. Facebook, Twitter, Rund- Mehr Wille, die Welt hinein zu holen. bruch. Von der dumpfen Adenauer- talisierten, globalisierten, turbokapi- sie herum geschieht, damit auch für mails und -briefe, Familien-, Kollegen- Durchsicht. Transparenz. Brücke Nachkriegszeit in eine aufregende, talistischen Ökonomie. Sie fürchten ihre eigene Existenzbedingung: geis- und Freundeskreise, Vereine, Verbän- zwischen den Welten. Das ist die In- off ene, demokratische, sozial-liberale sich vor islamistischem Terror und tige und kulturelle Freiheit. Eine be- de und Gewerkschaften (Ja, die gibt schrift der Fenster in Wänden. Kein Republik. Günther Grass machte eindringenden fremden Religionen sondere sogar. Denn wer, wenn nicht es noch!), all das können Foren sein, schlechter Weg. Geht natürlich nicht Wahlkampf für Willy Brandt und die und Kulturen. Heil und Halt suchen Schriftsteller, Maler, Musiker, Schau- um selbst die Stimme zu erheben und immer. Man kann sich behelfen, die EsPeDe. Klaus Staeck produzierte sie in nationalistischen, autoritären, spieler, Wissenschaftler, Theologen sich vernehmlich zu Wort zu melden. Künstlerinnen und Künstler der East Agitprop. Liedermacher und Rocksän- intoleranten Ideen der Vergangenheit und Philosophen sollten der bedrü- Denn auch wer sich zurückzieht in Side Gallery haben es vorgemacht. ger erhitzten die Gemüter. Soziologen und bei deren braunen und dunkel- ckenden, die Welt und ihr Überleben sein Kultur-Kämmerlein, trägt Ver- Mit aufgemalten Fenstern auf der und Philosophen wie Jürgen Haber- roten Demagogen. Sie wenden sich selbst gefährdenden Realität ein ide- antwortung. Dafür, dass Freiheit, Mauer. Und einem Auto, das durch mas und Niklas Luhmann erdachten von den etablierten Politikern und elles Gegenbild entgegensetzen, eine Geist, Kunst zuschanden gehen. Alle die Mauer bricht. Das stelle ich mir sich Modelle für eine rationale Mo- Parteien ab, die sich in Deutschland Vision von etwas Besserem? Was kann zusammen wären wir ziemlich vie- schick vor,  Jahre nach Ina Deters derne. Allerorten wurde diskutiert. gerade wieder einmal als komplett Menschen ermutigen, ihr Schicksal le. Gegen die, die Macht haben und Song: Ich sprüh’s auf jede Wand, Die Menschen hatten Lust auf und an unfähig erwiesen haben, sich auch selbst in die Hand zu nehmen, außer sie missbrauchen für ihre geist- und neue Männer braucht das Land. Und Politik, die Gesellschaft war in voller nur einen Begriff von der Wirklichkeit waghalsige, kluge, kreative Köpfe? kulturlosen materialistischen Zwecke. auf jede Wand: neue Fenster, Aufar- Bewegung. Die Kultur war mittendrin zu machen, geschweige denn zu- Die Merkels, Schulzens, Lindners, Man muss es nur wollen. beitung und Gerechtigkeit braucht dabei. kunftsgerichtete Antworten darauf zu Gaulands oder Höckes etwa? Gott das Land. Und Ehrlichkeit, mit den Heute sind Europa und die ganze Welt geben. Schlimmer noch: Die westliche bewahre! Ludwig Greven ist Journalist und Au- eigenen Brechungen. in Aufruhr und Lethargie zugleich. Im liberale, rechtsstaatliche Demokratie Es ist allerhöchste Zeit, sich wieder tor. Er schreibt u.a. für Die Zeit, Cicero, Weißen Haus residiert ein kindsköpfi - selbst ist in großer Gefahr. munter einzumischen. Nicht nur die Publik-Forum und unterrichtet Politi- Christian Stäblein ist Propst der ger, kleptomanischer, dauertwittern- Und was tun Künstler und Intellek- üblichen Pop-Soziologen, Pop-Polito- schen Journalismus in Hamburg Evangelischen Kirche der Wahnsinniger. Im Kreml ein eben- tuelle? Sie schweigen! Gelähmt, auf logen und Pop-Philosophen. Sondern Berlin-Brandenburg-schlesische falls hochgefährlicher Neoimperialist, sich und ihre Werke und Erfolge oder jeder an seinem Ort und nach seinen Ludwig Greven kommentiert ab sofort Oberlausitz der in der Ukraine und in Syrien Misserfolge reduziert, fl iehen sie aus Möglichkeiten. Die Bühnen, Konzert- regelmäßig für Politik & Kultur. 18 ROTE LISTE www.politikundkultur.net

GEFÄHRDUNGSKATEGORIEN Mit der Roten Liste bedrohter Kultureinrichtungen, einer Analogie zu den bekannten »Roten Listen« bedrohter Tier- und Pfl anzenfamilien, werden Kategorie  Gefährdung aufgehoben/ungefährdet in jeder Ausgabe gefährdete Kulturinstitutionen, -vereine und -program- Die me vorgestellt. Ziel ist es, auf den Wert einzelner Theater, Museen oder Kategorie  Vorwarnliste Orchester, seien sie Teil einer Kommune oder einer Großstadt, hinzuwei- sen und exemplarisch Probleme bei der Kulturfi nanzierung aufzuzeigen. Kategorie  gefährdet Oft wird die Bedeutung einer kulturellen Einrichtung den Nutzern erst durch deren Bedrohung deutlich. Erst wenn Empörung und schließlich Kategorie  von Schließung bedroht Protest über mögliche Einschnitte oder gar eine Insolvenz entstehen, Rote wird den Verantwortlichen bewusst, wie stark das Museum, Theater oder Kategorie  geschlossen Orchester mit der Struktur und der Identität des Ortes verbunden ist. Diesen Bewusstseinsprozess gilt es anzuregen. Politik & Kultur stellt dazu Benachrichtigen Sie uns über die Lage Ihnen bekannter Kultureinrich- die Arbeit einzelner Einrichtungen vor und teilt sie ein in Gefährdungs- tungen! Senden Sie uns dazu Ihre Vorschläge an info@politikundkultur. kategorien von  bis . Ob und welche Veränderungen für die vorgestell- net. Liste ten Einrichtungen eintreten, darüber werden wir Sie fortlaufend informieren.

GEMEINDEBÜCHEREI LESEINSEL WALDBRONN, INSTRUMENTAL UND GESANGSPÄDAGOGIK, BISHER BADENWÜRTTEMBERG HALLE/SAALE, SACHSENANHALT VORGESTELLTE GEFÄHRDETE • Gründung: . August  • Gründung: Ende der er Jahre INSTITUTIONEN • Tätigkeitsfeld: Bücherei • Tätigkeitsfeld: Ausbildung von Instrumental- und Gesangspädagogen Institution, Aktuelle • Finanzierung: Gemeinde Waldbronn • Finanzierung: Land Sachsen-Anhalt Bundesland Gefährdung • Homepage: www.waldbronn.de/de/Gemeinde/Bildung/Gemeindebücherei • Homepage: www.musikpaed.uni-halle.de ( ) = bei Erst------aufnahme

Brücke/Most- Stiftung, Dresden,  () Sachsen

Museum , Jena-Cospeda,  () Thüringen

Kulturinsel, Stuttgart, Baden-  () Württemberg

Musikschule Waldachtal, Baden-Württem-  () berg FOTO: JAN VORRATH JAN FOTO: FOTO: SVEN PUCHELT SVEN FOTO:   Bühne der Am . November  fasste der Ge- schläge erarbeitet. Mit der Schließung Am . Januar  fasste der Senat Pensionierung ohne Neubesetzung aus. Kulturen, Köln,  () meinderat von Waldbronn mit nur ei- der Bibliothek sollen insgesamt . der Martin-Luther-Universität den Be- Die momentan immatrikulierten Studie- NRW ner Gegenstimme den Entschluss zur Euro an Raumkosten und Sachauf- schluss zur Schließung der Bachelor- renden können ihr Studium zwar noch Schließung der Bücherei Leseinsel. Mit wand eingespart werden. Die Leseinsel Studiengänge Gesangs- und Instru- abschließen, jedoch können keine Neu- Zeicheninstitut der Universität Ablauf des Pachtvertrages soll die Bü- beherbergt neben ca. . Romanen mentalpädagogik. Somit fällt die letzte einschreibungen für das Wintersemester Tübingen, Baden-  () cherei demnach am . Februar  und . Kinder- und Jugendbüchern Ausbildungsmöglichkeit für Musikschul- / vorgenommen werden, da deren Württemberg ihre Arbeit einstellen. Hintergrund ist auch eine umfangreiche Sammlung an pädagogik in Sachsen-Anhalt weg. Im Abschluss nicht mehr gewährleistet wer- die schwierige Finanzlage der Kommu- Sachbüchern verschiedenster Wissens- Zuge des Hochschulpaktes von  den kann. Obwohl das Studium Lehramt Musical Theater,  () ne Waldbronn im Landkreis Karlsruhe. gebiete. Genutzt wird sie zu mehr als  waren einige Lehrbereiche der Martin- im Fach Musik nicht direkt betroff en ist, Bremen Bürgermeister Franz Masino sagte dazu: Prozent von Waldbronner Bürgerinnen Luther-Universität Halle-Wittenberg wird der Wegfall der IGP-Studiengänge »Die Einnahmen der Gemeinde reichen und Bürgern, ca.  Prozent der Lese- und der Otto-von-Guericke-Universität langfristig auch Auswirkungen auf die- Das Theater der nicht mehr aus, um alle freiwilligen Ein- rinnen und Leser sind unter  Jahren. Magdeburg zusammengelegt worden, so se Ausbildung und die Kulturlandschaft Keller Köln, NRW  () richtungen fi nanzieren zu können.« Auf- Denkbar ist laut Bürgermeister Masino auch die musikpädagogisch-künstleri- Sachsen-Anhalts haben. Trotz Protesten grund der hohen Verschuldung wurden die ehrenamtliche Weiterführung der sche Ausbildung, die nun an der Martin- von Studierenden, Lehrenden und Ver- Filmdienst, von einer Haushaltsstrukturkommission Leseinsel mit Unterstützung durch den Luther-Universität in Halle stattfand. bänden konnte der Senat nicht umge- Magazin für Kino und Filmkultur,  () und einer Kommunalberatung Sparvor- Förderverein der Bücherei. Die Dozentenstellen laufen nach deren stimmt werden. Bonn, NRW

Kunsthistorisches Institut, Univer- LUNA FILMTHEATER, METZINGEN, MILLOWITSCHTHEATER, sität Osnabrück,  () BADENWÜRTTEMBERG KÖLN, NRW Niedersachsen

• Gründung:  • Gründung: . Oktober  Seume-Haus (Museum • Tätigkeitsfeld: Kino • Tätigkeitsfeld: Volkstheater Göschenhaus),  () • Finanzierung: Einnahmen, Spenden • Finanzierung: Einnahmen aus Kartenverkauf Grimma, Sachsen • Homepage: www.luna-metzingen.de • Homepage: www.millowitsch.de ------Theatermuseum Düsseldorf, NRW  ()

Thomas Mann Villa, Los Angeles,  () USA

Schloss Freienwalde, Bad Freienwalde,  () Brandenburg Gerstäcker- Museum, Braunschweig,  () Niedersachsen

Eldorado-Kino,  () FOTO: ULLSTEIN BILD / BRILL / BILD ULLSTEIN FOTO: FOTO: LUNA FILMTHEATER LUNA FOTO:   München, Bayern Für Kinobegeisterte ist das Luna Film- Spende wieder zurück an den Verein Das Millowitsch-Theater ist für viele Gründe für die Schließung sind be- Haus Peters theater in der Eisenbahnstraße von überwiesen. Der Mietvertrag mit der Kölnerinnen und Kölner eine Institu- triebswirtschaftlicher Natur: Nach Tetenbüll,  () Schlw.-Holst. Metzingen ein Kleinod. Doch ist zurzeit Bank läuft aber Ende  aus und bisher tion. Doch das familiengeführte und dem Rückzug des WDR fehle es an Ar- ungewiss, wie lange im Luna noch Filme ist keine Verlängerung geplant. Sollte deutschlandweit bekannte Volks- und beitskräften und Geld, so der Chef des Hamburger gezeigt werden können. das Luna schließen müssen, wären mit Mundarttheater mit jahrzehntelanger Theaters, Peter Millowitsch. Der WDR Stadtteilkultur,  () Schon  eröff net und in den er dem Wegfall der Einnahmen auch der Tradition wird Ende März dieses Jahres hatte im Sommer  bekannt gege- Hamburg Jahren durch einen Anbau erweitert, Stadtjugendring selbst und das von ihm schließen. Eröff net wurde die Spielstät- ben, dass es keine Live-Übertragungen bietet das Kino heute  Plätze und betriebene Kino Forum  in Bad Urach te in der Nähe des Rudolfplatzes am . mehr aus dem Millowitsch-Theater ge- Mutter-Museum, Amorbach,  () charmantes er Jahre-Flair bei ei- bedroht, da die Betreiber zurzeit von den Oktober  mit der Auff ührung von ben werde. Mit über  Sitzplätzen ist Bayern ner Mischung aus Programm- und Vorteilen leben, Säle in zwei Städten zu »Mädchen für alles« . Am . Oktober das Theater zudem einer der größten kommerziellem Kino. Eigentümerin bespielen und so günstige Konditionen  wurde dann das Stück »Der Etap- privaten Bühnen in Köln. Die langjähri- Forum Konkrete des Gebäudes ist die Volksbank Erms- bei Filmverleihen zu erhalten. Wird kei- penhase« vom WDR live aus dem Mil- ge Geschichte des Millowitsch-Theaters Kunst Erfurt,  () tal-Alb. Bisher hatte dabei die Bank den ne Lösung gefunden, wäre die Region lowitsch-Theater übertragen. Diese und endet am . März , wenn nach der Thüringen

Stadtjugendring bezuschusst und von um den Kreis Reutlingen um einen ein- viele weitere Übertragungen machten Vorstellung von »Wer weiß wofür et jot Die vollständige Liste fi nden Sie unter den . Euro Miete . Euro als zigartigen Kinosaal und Kulturort ärmer. das Theater deutschlandweit bekannt. es« der Vorhang zum letzten Mal fällt. www.kulturrat.de/themen/rote-liste-kultur/ Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 19 FOTO: PICTURE ALLIANCE / ABACA / ALLIANCE PICTURE FOTO:

Abbruch und Aufbruch Der Erste Weltkrieg: Erinnerung als Auftrag für die Zukunft

OLAF ZIMMERMANN sind auf das Ende des Ersten Weltkrie- schinengewehren und Giftgas. Der lang meist unter dem Eindruck des Natio- steht die junge Kunstform, der Film. ges und die seinerzeit erfolgten Grenz- andauernde Stellungskrieg in Europa, nalsozialismus und des von Deutsch- Mit dem Film, einem Propaganda- er Erste Weltkrieg markiert ziehungen und doppelten Versprechen, stellvertretend stehen hierfür Orte wie land begonnenen Zweiten Weltkrieges mittel bereits im Ersten Weltkrieg, einen Wendepunkt in der insbesondere der Briten in Palästina, Verdun oder Hartmannswillerkopf, hat betrachtet. Dieser heutige Blickwin- konnten nach dem Krieg breite neue europäischen, aber auch in zurückzuführen. sich in das kollektive Gedächtnis ein- kel verschüttet aber die Freisetzung Publikumsschichten erreicht werden. D der Weltgeschichte. Er steht Und ein neuer internationaler Mit- gebrannt. Soldatenfriedhöfe mit schier so vieler künstlerischer Kräfte in der Er streifte sein »Schmuddelimage« ab. zum einen für einen Abbruch. Mehrere spieler betrat die Weltbühne. Mit dem unendlich anmutenden Gräberreihen Weimarer Republik. Eine Vielzahl an Deutschland wurde zu einem wichti- Monarchien fanden in Folge des Ers- Eintritt in den Ersten Weltkrieg been- versinnbildlichen diesen Krieg. Eine Zeitungen, wie sie heute kaum mehr gen Produktionsstandort und Markt für ten Weltkrieges ihr Ende. Beginnend deten die USA ihren Isolationismus ähnliche, fast schon ikonographische denkbar ist. Neue künstlerische Strö- Filme. Und auch der Rundfunk gewann mit der Russischen Revolution im Jahr und mischten sich in die Kämpfe des Bedeutung haben die Bilder von Kriegs- mungen wie der Expressionismus, der an Bedeutung. , die das Ende der Regentschaft der alten Europas ein. versehrten. Dadaismus, der Kubismus, die Neue In diesem Jahr jährt sich das Ende Romanows in Russland bedeutete, bis Dass der Erste Weltkrieg wirklich ein Der Erste Weltkrieg markiert auch Sachlichkeit, die Zwölftonmusik, Ar- des Ersten Weltkrieges zum . Mal. hin zur Aufl ösung der Habsburgischen Weltkrieg war, wurde mir persönlich in der europäischen Kunst einen Bruch. chitektur und Design des Bauhauses, Dieses Datum sollte mehr sein als ein Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, beim Besuch des »Shrine of Rememb- Zwar gehen die Anfänge der zeitgenös- normaler Gedenktag.  Jahre Erster der Abdankung des deutschen Kai- rance«, zu Deutsch »Schrein der Erin- sischen Kunstströmung des Expressi- Weltkrieg sollten uns ermutigen, die sers Wilhelm II. und dem Ende des nerung«, in Melbourne in Australien onismus auf die Zeit vor dem Ersten Völkerfreundschaft zu stärken. Zu un- Osmanischen Reiches. Neue Staaten besonders deutlich. Der imposante Weltkrieg zurück. Einige Künstler wie Der . Jahrestag des seren unmittelbaren Nachbarn, aber wie im Baltikum – Estland, Lettland »Shrine of Remembrance« gehört zu Franz Marc schufen bedeutende Wer- Kriegsendes sollte auch darüber hinaus. Die verhält- und Litauen – oder auch die aus der den größten Kriegerdenkmälern in ke vor dem Krieg. Doch durchsetzen uns ermutigen, die nismäßig kurze Kolonialgeschichte KuK-Monarchie hervorgehenden Re- Australien. Er war ursprünglich als konnten sich neue Kunstströmungen Völkerfreundschaft zu Deutschlands enthebt uns nicht der publiken Österreich und Ungarn, die Erinnerungsort an die im Ersten Welt- erst nach dem Ersten Weltkrieg. Nicht Verantwortung, uns mit unserer kolo- Tschechoslowakische Republik sowie krieg gefallenen Australier aus Victo- wenige Künstler stürzten sich anfangs stärken nialen Vergangenheit auseinanderzu- das Königreich Jugoslawien entstan- ria – Melbourne ist die Hauptstadt voller Begeisterung in den Krieg. Sie setzen. Das Humboldtforum, das mit den. Das Staatsgebiet von Rumänien von Victoria – gedacht. Inzwischen erwarteten die Freisetzung neuer Kräf- dem Anspruch antritt, die Welt in die verdoppelte sich. Das Land wurde zu ist es Denkmal für alle Australier, die te für ihre Kunst aus dem »Erlebnis« der Jazz, Kabarett und Kleinkunst und Mitte zu holen, könnte ein sol- einem Vielvölkerstaat. Im Nahen Osten an Kriegen teilnahmen. Im »Shrine Krieg. Das Morden, das Sterben, die anderes mehr zeigen geradezu eine cher Ort der Selbstrefl ektion sein.  teilten Frankreich und Großbritanni- of Remembrance« wird deutlich, dass zermürbenden Schlachten führten Explosion künstlerischer Ausdrucks- Jahre Erster Weltkrieg sollte aber auch en Teile des ehemaligen Osmanischen auch Soldaten vom – von Deutsch- jedoch keineswegs zu einem neuen formen, die sich ihren Raum eroberten ein Ansporn sein, die Freundschaft Reiches unter sich auf. Frankreich er- land aus gesehen – anderen Ende der künstlerischen Schaff en. Viele Künstler, und ihr Publikum fanden. Die Avant- und Zusammenarbeit insbesondere hielt als Mandatsgebiet unter anderem Welt in den Krieg involviert waren. Sie stellvertretend seien hier genannt Au- garde setzte sich strikt vom überkom- mit unseren französischen Nachbarn den Libanon, Großbritannien Palästina. kämpften in der Armee des Britischen gust Stramm, Franz Marc, Georg Trakl, menen Kunstgeschmack des Kaiserrei- zu vertiefen und energisch für ein ei- Das Staatsgebiet des Irak entstand. Mit Empire und besetzten unter anderem fanden auf den Schlachtfeldern den ches ab. Sie irritierte, sie agitierte, sie niges Europa einzutreten. Erinnerung dem Ende des Ersten Weltkrieges en- die deutschen Kolonien in Südostasien. Tod, andere verstummten und fanden engagierte sich. ist nie nur ein Blick zurück. Erinnerung dete auch die Kolonialgeschichte des Der Erste Weltkrieg markiert aber erst Jahre später wieder zu künstleri- Die Schrecken des Ersten Weltkrie- ist zugleich ein Auftrag zur Gestaltung Deutschen Reiches. Großbritannien nicht nur einen Bruch in der Staatenge- scher Kraft. ges wurden in der Kunst bearbeitet. der Zukunft. und Frankreich teilten unter sich die schichte. Auch militärisch zeigt er ein Das Ende des Ersten Weltkrieges Beispielhaft hierfür stehen die Werke deutschen Kolonien auf. anderes Gesicht als vorherige Kriege. bedeutet auch einen Aufbruch. In von Erich Maria Remarque, von George Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer Verschiedene noch heute bestehen- Er war ein »moderner« Krieg mit mo- Deutschland werden der Erste Welt- Grosz oder John Heartfi eld. Paradig- des Deutschen Kulturrates und Heraus- de Konfl ikte speziell im Nahen Osten dernen Kriegsgeräten wie Panzern, Ma- krieg und die Weimarer Republik zu- matisch für diesen neuen Aufbruch geber von Politik & Kultur 20 ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG www.politikundkultur.net

Der Große Krieg Erfahrungen des Ersten Weltkrieges nicht genau bestimmen. Die kann« – so lautete die entlarvende zu durchbrechen. Durch den Gaskrieg, des . Jahrhunderts existierende Be- Weltkrieges  bis  Zahl von ca. sechs Millionen getöteter Mitteilung eines deutschen Soldaten der wie nichts anderes die Soldaten mit griff »Konzentrationslager« erhielt im Zivilisten, die wir in der »Enzyklopädie in einem Feldpostbrief an seine Familie. Entsetzen erfüllte, veränderte sich ab Ersten Weltkrieg eine neue Bedeutung. Erster Weltkrieg« nennen, gilt zwar als Aus der Beliebigkeit des Massento-  die Kriegsszenerie erheblich, nicht Kennzeichnend für den Weltkrieg GERHARD HIRSCHFELD einigermaßen gesichert, doch dürfte sie des entstand eine neue, ungeheuerli- zuletzt dadurch, dass die »Begasung« war nicht zuletzt die Technik einer eher zu niedrig sein. Der Hungerwinter che Gleichgültigkeit gegenüber dem der feindlichen Truppen dem Krieg Verteufelung des Gegners, die sich ereits die Zeitgenossen nann- von / forderte – auch als Konse- menschlichen Leben, die fürchterliche psychologisch wie ideologisch eine im und durch den Krieg entwickelte. ten den  ausgebrochenen quenz der britischen Seeblockade – al- Konsequenzen zeigte. Die totalitären vollständig neue Dimension gab. Neu war vor allem das Phänomen der B militärischen Konfl ikt der eu- lein in Deutschland Hunderttausende Systeme der er und er Jahre Eine weitere Eigenschaft war die Propaganda als eines Instruments zur ropäischen Mächte den »Großen Krieg« von Menschenleben, vor allem in den mit ihrer Verachtung und Negierung des Tatsache, dass dieser Krieg bereits in Verstärkung des Durchhaltewillens der und so heißt er in einigen Ländern bis ärmeren Bevölkerungsschichten. Waren Individuums, mit ihren wahnwitzigen Ansätzen umfassend, also »total«, war, eigenen Bevölkerung. Es war eine Pro- heute: »The Great War«, »La Grande es vor  vor allem Kleinkinder und Zukunftsvorstellungen und technokra- wie dies schließlich auf den ihm nach- paganda, die hemmungslos medialisiert Guerre«, »De Groote Oorlog«. Auch in Greise, die den Hungertod starben, so tischen Visionen waren direkte Folgen folgenden Zweiten Weltkrieg zutraf. war, die bereits die Fotografi e und den Deutschland sprach man damals vom dieser elementaren Kriegserfahrung Zu diesen, zugleich zukunftsträchti- Film einsetzte und gegen Ende des »Großen Krieg«. Was diesen Krieg in der Zufälligkeit des Überlebens und gen, Elementen eines »totalen Krieges« Krieges Fliegerabwurfzettel millionen- den Augen der Mitlebenden »groß« Neu war das Phäno- Sterbens in militärischen Planungszu- zählten zum einen die in allen krieg- fach aus Flugzeugen herabregnen ließ. werden ließ, war die Tatsache, dass der men der Propaganda sammenhängen. Dieses Denken bildete führenden Nationen anzutreffende In den schrecklichsten Farben und in Erste Weltkrieg ein »industrialisierter sich bereits während des Krieges heraus, Mobilisierung sämtlicher Ressourcen Massenaufl agen von Druckwerken aller Massenkrieg« war, in welchem indivi- als ein Instrument als die Generäle Erich von Falkenhayn, sowie die Propagierung umfassender Art geriet der Gegner zum »Hunnen«, duelle Opfer millionenfach gefordert zur Verstärkung des Erich Ludendorff , Ferdinand Foch, Dou- Kriegsziele zur Rechtfertigung der un- zum »Barbaren«, zu einem »Teufel«; und scheinbar bereitwillig entrichtet Durchhaltewillens glas Haig und Robert Nivelle von ihren geheuren Kriegsanstrengungen. Eine diese Propaganda erzeugte gleichsam wurden. Allein die ungemein blutigen »weitab vom Schuss« befi ndlichen Kom- weitere Kategorie war die Ausübung die Begleitmusik zur »Barbarisierung »Grenzschlachten« in Elsass-Lothringen mandozentralen Operationen planten einer totalen Überwachung und Kon- der Kriegführung«. zu Beginn des Krieges brachten höhere raff te die »Spanische Grippe« seit dem und durchführen ließen, die das »Auf- trolle der Kriegsgesellschaften. Das Der »Große Krieg«, die ungeheure Verluste an Soldaten als der gesamte Sommer  Menschen aller Alters- opfern« von Hunderttausenden von Sol- sogenannte Hindenburg-Programm Masse der Opfer und der Entbehrun- Deutsch-Französische Krieg von /. gruppen und in allen Nationen hin, de- daten kaltblütig einkalkulierten. »Maxi- von  der Dritten Obersten Hee- gen sowie die zerstörten Existenzen und Von den zwischen August  und No- ren körperliches Immunsystem durch mum slaughter at minimum expense«, resleitung – quasi eine Militärdiktatur Lebensentwürfe verlangten nach einer vember  weltweit eingesetzten mehr den Krieg und seine Begleitumstände zu Deutsch das größtmögliche Gemetzel der Generäle Paul von Hindenburg und permanenten »Sinngebung« – dieses als  Millionen Soldaten verloren na- geschwächt war. Weltweit wird die Zahl bei möglichst geringen Kosten – mit Erich Ludendorff –, aber auch schon ei- Kunstwort wurde in den er Jahren hezu zehn Millionen ihr Leben: Auf den der Opfer dieser Pandemie auf mehr als dieser zynisch klingenden Feststellung nige Maßnahmen der Regierung Lloyd in Deutschland zu einem zentralen Tag gerechnet waren dies . Solda-  Millionen geschätzt, wobei natürlich hat der englische Philosoph und Pazifi st George in Großbritannien lassen diese Begriff . Doch in dem Maße, wie diese ten. Etwa  Millionen Soldaten wurden ungesichert ist, wie viele davon auf den Bertrand Russell die von der Generalität Absicht einer totalen Mobilisierung der Sinngebung den Verlierern, aber auch verwundet: Manche hatten die Folgen Krieg selbst zurückgehen. aller Seiten aufgestellte Kosten-Nutzen- Bevölkerungen bereits erkennen. Gewinnern wie etwa Italien, nach  der Verwundung ein ganzes Leben zu Was bedeutete der »Große Krieg« Rechnung über die menschlichen Ver- Charakteristisch für den Ersten nicht gelang, blieb der Krieg in die je- tragen, für viele verkürzte sich dadurch für die Soldaten? Die zu Beginn des luste im Ersten Weltkrieg zutreff end auf Weltkrieg war aber vor allem die zuneh- weilige Gesellschaft eingebrannt. Die die Lebenserwartung erheblich. Weltkrieges weithin propagierten Ide- den Punkt gebracht. mende Entgrenzung der Kriegführung Erfahrung des Weltkrieges verlängerte Die Soldaten fi elen nicht nur in den ale der individuellen Tapferkeit und Kennzeichnend für diesen Krieg war durch eine weitgehende Missachtung sich in der Nachkriegszeit als »Krieg großen Schlachten an der Westfront – des selbstlosen Einsatzes für das Va- vor allem der Einsatz immer neuer und des Kriegsvölkerrechts und die immer in den Köpfen«. Hieraus entstand ein etwa in Flandern, bei Verdun und an terland wurden rasch obsolet; gefragt schrecklicher Waff en und Geräte. Dies wieder festzustellende Aufhebung der diffuser Hass, den die Philosophin der Somme, dort, wo für nur wenige waren stattdessen Leidensfähigkeit und gilt nicht nur für das bereits im Buren- Grenzen zwischen Militär und Zivilbe- Hannah Arendt in ihren wegweisen- Kilometer Bodengewinn Hunderttau- Durchhaltevermögen unter extremen krieg und Russisch-Japanischen Krieg, völkerung. Hierzu gehörte die Zerstö- den Refl exionen über »Elemente und sende ihr Leben lassen mussten. Auch und widrigsten Verhältnissen. Der hel- also zu Beginn des . Jahrhunderts, rung der gegnerischen Infrastruktur, Ursprünge totaler Herrschaft«, veröf- im Osten Europas, auf dem Balkan, in denhafte Kampf unter den Bedingun- eingesetzte und zunehmend perfekti- selbst ganzer Orte und Landschaften, fentlicht , zu Recht als formgebend den Alpen, im Vorderen Orient – sogar gen des Stellungskrieges reduzierte sich onierte Maschinengewehr sowie für die also Strategien einer »verbrannten erkannt hat: Er »drang in alle Poren des in Afrika und Asien wütete dieser Krieg auf die Erfahrung von Kälte, Schlamm immer größere ballistische Leistungen Erde«, wie sie etwa auf deutscher Seite täglichen Lebens und konnte sich nach und kostete zahllose Menschenleben. und Nässe, auf das Ertragen von Un- aufweisende Artillerie. Beide waren die im Frühjahr  beim Rückzug von der allen Richtungen verbreiten, konnte die Zugleich kämpften, auch auf den euro- geziefer und Krankheiten und die ver- größten Todbringer auf den Schlacht- Somme in die sogenannte Siegfried- phantastischsten, unvorhersehbarsten päischen Kriegsschauplätzen, Soldaten zweifelten Versuche, dem feindlichen feldern. Der »Große Krieg« war der ers- Stellung praktiziert wurde. Entgren- Formen annehmen; nichts blieb vor ihm aus zahlreichen nichteuropäischen Na- Artillerie- und Schrapnellbeschuss zu te Krieg, in dem Panzer – wegen ihres zungen waren aber auch »ethnische geschützt, und es gab keine Sache in tionen und Ethnien. Der Erste Weltkrieg entkommen. Angesichts des weithin ungetümen Aussehens damals Tanks Säuberungen«, wie sie beispielsweise der Welt, bei der man sicher sein konnte, war im wahrsten Sinne des Wortes ein anonymen Massensterbens verlor der genannt – eingesetzt waren, die  von den Russen in Galizien, von den Ös- daß der Hass sich nicht plötzlich gerade globales Ereignis. Tod des Einzelnen seine ihm zuge- zur kriegsentscheidenden Waff e werden terreichern in Serbien oder den Türken auf sie konzentrieren würde«. Doch gestorben wurde nicht nur an schriebene Sinnhaftigkeit, nicht nur sollten. Auch dem Flugzeug, das bereits gegenüber der eigenen armenischen den militärischen Fronten des Krieges. deshalb, weil die Körper der Gefallenen mit Maschinengewehren bestückt war Bevölkerung ausgeübt wurden, ferner Gerhard Hirschfeld ist Professor am Auch unter den Zivilbevölkerungen for- häufi g bis zur Unkenntlichkeit verstüm- und als angriff stauglich galt, kam eine eine oftmals skandalöse und grausa- Historischen Institut der Universität derte der Erste Weltkrieg unermessliche melt waren. Bemerkenswerterweise immer größere Bedeutung zu. Der Ein- me Behandlung der Kriegsgefangenen, Stuttgart sowie Gastprofessor an der Opfer: als Ergebnis von Krieg und Besat- stellte grade diese Vorstellung für die satz der neu entwickelten U-Boote be- und zwar auf allen Seiten, innerhalb Universität Wuhan/China. Gemeinsam zung, als Folge von Hunger und Epide- Soldaten häufi g genug eine traumati- scherte zwar den Deutschen anfänglich wie außerhalb der Lager. Acht bis neun mit Gerd Krumeich und Irina Renz mien sowie als Ziel völkermörderischer sche Perspektive dar. »Durch die Kugel einige Erfolge, aber ihre Wirkung wurde Millionen Kriegsgefangene stellten zu- ist er Autor und Herausgeber der Vertreibungen. Doch anders als bei den zu sterben, scheint nicht schwer; dabei von der deutschen Heeresleitung weit dem eine neue, bis dahin ungekann- »Enzyklopädie Erster Weltkrieg« (UTB- gefallenen Soldaten, wo die Mobilma- bleiben die Teile unseres Wesens unver- überschätzt. So gelang es den U-Booten te Größenordnung dar. Aus zunächst Schöningh), »Deutschland im Ersten chungsakten und Gefallenenlisten eini- sehrt; aber zerrissen, in Stücke gehackt, nicht, die von den Briten verhängte See- improvisierten Unterbringungsorten Weltkrieg« (S. Fischer) und ». Die germaßen zuverlässige Angaben liefern, zu Brei gestampft zu werden, ist eine blockade, mit der Deutschland von allen wurden schon bald auf Dauer angelegte Deutschen zwischen Weltkrieg und lässt sich die Zahl der zivilen Toten des Angst, die das Fleisch nicht ertragen Einfuhren abgeschnitten war, dauerhaft Lager. Auch der bereits seit dem Ende Revolution« (Chr. Links)

VERLAUF DES ERSTEN WELTKRIEGES

• .. Tödliches Attentat auf den österreichisch- • Ab Januar: Lebensmittelrationierung in • .. Friede von Brest-Litowsk zwischen Russland und den Mittel- ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand durch Deutschland; Einführung der Brotmarken mächten serbischen Nationalisten • .. Beginn des deutschen U-Boot-Krieges • .. Abdankung Kaiser Wilhelms II.; Ausrufung der Republik durch • ./.. Kaiser Wilhelm II. versichert Österreich- • April/Mai: . Flandernschlacht: Erster Giftgas- Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht Ungarn deutsche Unterstützung einsatz durch deutsche Truppen • .. Unterzeichnung des Waff enstillstands im Wald von Compiègne • .. Kriegserklärung Österreich-Ungarns an • .. Italien erklärt Österreich-Ungarn den Krieg Serbien • .. Beginn der . Isonzo-Schlacht • .. Deutschland erklärt Russland den Krieg; Mo- • .. USA erklären Deutschland bilmachung in Deutschland und Frankreich den Krieg • .. Deutsche Kriegserklärung an Frankreich • .. . Flandern-Schlacht • .. Einmarsch deutscher Truppen in das neu trale • .. Beginn der Schlacht um die • .. Griechenland tritt an der Sei- Belgien; Eintritt Großbritanniens an der Seite westfranzösische Festung Verdun te der Alliierten dem Krieg bei • .. Beginn der Pariser Friedenskonferenz Frankreichs – Ausbruch des Ersten Weltkrieges • .. Deutschland erklärt Portugal • .. Oktoberrevolution (nach ju- in Versailles unter Ausschluss der Mittel- • .. Österreich-Ungarn erklärt Russland den den Krieg lianischem Kalender) in Russland mächte Krieg • ..-.. Schlacht an der Somme – Austritt Russlands • .. Unterzeichnung des Friedens von • .-.. Schlacht bei Tannenberg/Ostpreußen • ..-.. Schlacht bei Cambrai Versailles • .-.. Marne-Schlacht • .. Beginn . Flandern-Schlacht • .. Kriegserklärung Serbiens an das Osmani- sche Reich

      Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 21

Der »Welt« im Weltkrieg gedenken Der Erste Weltkrieg und der Anfang vom Ende der Kolonialreiche

JÜRGEN ZIMMERER päischer Kolonialherrschaft. Erst  wurde etwa Namibia, das vormalige ie »Welt« wird oft verges- Deutsch-Südwestafrika, unabhängig sen im »Welt«krieg. Schon von Südafrika. die Feierlichkeiten und Pu- Die Folgen dieser Neuverteilung D blikationen zum . Jah- beschäftigen die internationale Poli- restag des Kriegsausbruchs des Ersten tik teilweise bis heute. Man denke nur Weltkrieges zeigten dies, und auch die daran, dass der Islamische Staat (ISIS) Berichte und Reden seitdem. Kaum  in einem Video vollmundig das wurde und wird darauf hingewiesen, Ende von »Sykes-Pycot« verkündete dass auch in den deutschen Kolonien und zum Zeitpunkt seiner größten in Afrika Krieg geführt wurde. Wobei in territorialen Ausweitung die Grenze Deutsch-Ostafrika die Grenzen zu den zwischen Syrien und Irak »annullierte« Nachbarkolonien überschritten und die – zumindest vorläufi g. Gemeint war da- gesamte Region in Mitleidenschaft ge- mit das gleichnamige Abkommen von zogen worden war. Dort kämpfte Paul , in dem Großbritannien und Frank- v on Lettow-Vorbeck befehlswidrig sogar reich ihre jeweiligen Einfl ussgebiete über das Kriegsende in Europa hinaus. im Nahen Osten absteckten und die Verteilung der Reste des Osmanischen Reiches vorbereiteten. Die späteren Der Friede von Staaten Syrien und Libanon wurden Versailles ist ein der französischen Seite zugeschlagen, Irak und Kuweit der britischen. Wende punkt in Zum Erbe des Ersten Weltkrieges der Geschichte gehört letztendlich aber auch die des europäischen Gründung Saudi-Arabiens, vorbereitet Kolonialismus durch die Aktionen des heroisierten Lawrence von Arabien, der als Agent arabische Gruppen zur Revolte gegen Mit Hunderttausenden von Toten, meist das Osmanische Reich als Alliierte aus der Zivilbevölkerung, über die meist Deutschlands und Österreichs ansta- niemand spricht, sollte dem ostafrika- chelte, und vor allem mit der Dynas- nischen Kriegsschauplatz sogar in dem tie Ibn Saud eng zusammenarbeitete. an großen Opferzahlen wahrlich nicht Die Dynastie regiert das Königreich armen Krieg in Europa Aufmerksamkeit am Golf bis heute. sicher sein. Sollte ..., wenn die koloni- Aber auch Israel hat eine seiner Wur- ale Amnesie nicht auch den Weltkrieg zeln im Krieg. Um sich die Unterstüt- in Afrika umfassen würde. Cum gra- zung vieler Juden und insbesondere der no salis gilt dies auch für den Beitrag Zionisten zu sichern, ließ der britische Afrikas bzw. von Afrikanerinnen und Außenminister Arthur Balfour in einem Afrikanern zum Krieg in Europa. Erst Geheimvertrag versprechen, diese bei allmählich tritt die Bedeutung insbe- der Gründung eines jüdischen Staates sondere des Britischen Empire sowie in Palästina zu unterstützen. Auf diese des französischen Kolonialreiches und »Balfour Declaration« stützten sich vie- ihrer personellen Ressourcen für die le, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg

Kriegsanstrengungen der Alliierten ans im mittlerweile durch Großbritannien BILDAGENTURONLINE / ALLIANCE PICTURE FOTO: Licht der Geschichte. verwalteten Mandatsgebiet Palästina Dolomiten Weltkriegsmuseum Das Deutsche Reich dagegen war einen eigenständigen jüdischen Staat fast von Anfang an von seinen Kolo- gründeten. dass Deutsch-Südwestafrika nicht Süd- konnte sich die Kolonialkritik auf die die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg, nien abgeschnitten, hier war keine In Afrika wurde das deutsche Kolo- afrika als Mandat zugesprochen wer- verletzte und von den Kolonialmäch- die in den Friedensvertrag von Ver- Unterstützung zu erwarten. Umso un- nialreich, militärisch schon während den dürfe. Die Delegation wurde nicht ten selbst zugestandene Fürsorgepfl icht sailles aufgenommen worden war, ge- sinniger war der Abnutzungskrieg, den des Krieges besetzt, in den Friedens- empfangen. berufen, und aus der Vernachlässigung demütigt, sondern auch durch die Weg- Lettow-Vorbeck in Ostafrika, der Logik verhandlungen von Versailles liqui- Die Vertreter der Kolonialmächte in die Forderung nach dem Ende der Ko- nahme der Kolonien und die im Vertrag der »Blutmühle« von Verdun folgend, diert und aufgeteilt. Dabei standen Versailles standen vor dem Problem, die lonialherrschaft ableiten. festgestellte Unfähigkeit der Deutschen führte. Für den Ausgang des Krieges die Verhandler der Kolonialmächte vor von ihnen gewünschte Umverteilung Der Friede von Versailles ist damit zur Kolonisation. Der Kampf gegen die irrelevant, kämpfte er, um Truppen zu einem Problem. Die  in den Krieg rechtfertigen zu müssen. Als Lösung zweifellos ein Wendepunkt in der Ge- »Kolonialschuldlüge« wurde wie der ge- vernichten, damit diese nicht in Eu- eingetretenen USA, die nicht zuletzt entwarf der aus Südafrika stammende schichte des europäischen Kolonialis- gen die »Kriegsschuldlüge« zu einem ropa zum Einsatz kamen. Das und die dadurch ihren Aufstieg zur Weltmacht Vertreter Großbritanniens, Jan Smuts, mus. Ein Wendepunkt auch deshalb, Mobilisationskern des Kampfes gegen Bereitschaft insbesondere der Briten, einleiteten, hatten ihre Vorstellungen das sogenannte »Mandatssystem«. Da, weil der Kampf der Kolonialmächte das »Diktat von Versailles« und gegen sich auf diese Logik einzulassen, kos- für einen zukünftigen Frieden Anfang so die selbst in einer kolonialen Kon- gegeneinander die Kolonisierten ge- die Weimarer Republik. Die Kolonial- tete Hunderttausende das Leben. Dass  niedergelegt. Woodrow Wilsons tinuität stehende Argumentation, die lehrt hatte, dass sie keineswegs einer begeisterung in Deutschland erreichte die meisten der alliierten Truppen gar Bevölkerung in den ehemaligen Koloni- einheitlichen Phalanx der europäischen ihren Höhepunkt in den er Jahren. nicht dafür vorgesehen waren, macht en und abhängigen Gebieten des Deut- Nationen gegenüberstanden, und noch Viele Kolonialrevisionisten fühlten sich das Verhalten noch unsinniger. Im of- Die Folgen der schen und des Osmanischen Reiches wichtiger, dass »Weiße« nicht unbe- zu den Nationalsozialisten hingezogen, fi ziellen Gedenken der Europäer fehlen Neuverteilung noch nicht reif für die Selbstbestim- siegbar waren. Sowohl auf den Kriegs- weil sie erwarteten, dass diese mit der sie weitgehend, und nichts spricht da- mung sei, würden die Kolonialmächte schauplätzen in Afrika als auch auf den Überwindung von »Versailles« auch die für, dass sich diese Ausblendung des beschäftigen die im Auftrag des neu gegründeten Völker- europäischen Schlachtfeldern sahen deutschen Kolonien zurückerlangen Kolonialismus zum . Jahrestag des internationale Politik bundes die Verwaltung dieser Gebiete die kolonialen Truppen, dass ihre im- würden. Sie täuschten sich. Das Kolo- Kriegsendes groß ändert. Dabei hatte teilweise noch heute übernehmen, mit dem Ziel, diese auf perialen Herren genauso litten, verletzt nialreich, das die Nationalsozialisten der Erste Weltkrieg Auswirkungen auf die Selbstbestimmung vorzubereiten. wurden und starben wie sie selbst. Um planten und mit dem Überfall auf Polen die gesamte Welt, war in seiner Bedeu- Damit konnten auch die USA zustim- genau diesen Eindruck zu verhindern, und dem Einmarsch in die Sowjetunion tung also wahrlich global. Diese Kon- » Punkte« hatten auch eine durch- men, die Reiche der Kriegsverlierer wa- hatte es schon seit der Berliner Afrika- auch zu verwirklichen begannen, sollte sequenzen waren zum Teil kurzfristig aus antikoloniale Stoßrichtung. Das ren de facto verteilt. Konferenz / Bestrebungen gege- im Osten liegen. Der Zweite Weltkrieg, sichtbar, teilweise hatten sie Folgen, »Selbstbestimmungsrecht der Völker« Dennoch erwies sich dieser diplo- ben, Afrika im Falle eines Krieges der der auch um das deutsche Kolonial- die erst Jahrzehnte später zum Tragen sollte auch für kolonisierte »Völker« matische Trick als folgenreich. Denn europäischen Mächte untereinander zu reich im Osten geführt wurde, besie- kamen. gelten und wurde von diesen durch- wenn sie sich auch nicht daran hielten, neutralisieren. Es kam anders, und die gelte dann endgültig die Zukunft der Zu den unmittelbarsten Ergebnissen aus auch in Anspruch genommen. So die neuen Mandats-, die alten Koloni- Saat für die Dekolonisation vor allem Kolonialreiche. gehört der Entzug der deutschen Kolo- schickte etwa der südafrikanische almächte und Südafrika hatten einem nach dem Zweiten Weltkrieg war gelegt. nien durch den Frieden von Versailles African National Congress (ANC), die »Entwicklungsauftrag« für die Kolonien Zunächst aber wuchsen Empire und Jürgen Zimmerer ist Professor für und die Aufl ösung des Osmanischen spätere Partei Nelson Mandelas, eine zugestimmt. Die Kolonialherrschaft war Kolonialbegeisterung an. Das Britische Globalgeschichte mit Schwerpunkt Reiches und die Unterstellung der Delegation nach London und Paris, die damit nicht mehr nur durch die Inte- Empire, das größte Imperium der Ge- Afrika an der Universität Hamburg und jeweiligen »Erbmasse« als Mandats- eben dieses Selbstbestimmungsrecht ressen der Kolonialmächte legitimiert, schichte, erreichte seine größte Aus- Leiter der dortigen Forschungsstelle gebiete des Völkerbundes unter die für sich selbst einforderte und auch für sondern die Interessen der Kolonisier- dehnung in den er Jahren, auch »Hamburgs (post-)koloniales Erbe/ Siegermächte. Dabei blieben sie de die südwestafrikanische Bevölkerung zu ten als Maßstab war festgeschrieben. dank der Zugewinne in Versailles. Viele Hamburg und die (frühe) Globalisie- facto noch jahrzehntelang unter euro- sprechen versuchte. Sie argumentierte, Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg Deutsche fühlten sich nicht nur durch rung« 22 ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG www.politikundkultur.net

Auf halbem Weg zur Weltmacht dert. Märkte sollten liberalisiert und Die Rolle der Vereinigten staatliche Souveränität geschützt Staaten im Ersten werden. Der größte diplomatische Weltkrieg Coup des Planes war die Gründung des Völkerbundes, der als erste su- MAXIMILIAN KLOSE pranationale Organisation zur Siche- rung einer friedlichen Weltordnung enry Luce hatte eine Vision. Am  in Genf etabliert wurde. Wilsons . Februar  verkündete der internationaler Triumph bedeutete H Journalist und Herausgeber des gleichzeitig die amerikanische Rück- Time Magazine in einem legendären kehr in die diplomatische Isolation. Leitartikel den Beginn des »american Der Senat hatte nicht die nötige century«. Mit missionarischem Pa- Zweidrittelmehrheit für einen ame- thos drängte er seine Regierung zum rikanischen Eintritt in den Bund er- Eintritt in den Zweiten Weltkrieg reicht, da er die außenpolitische und und rief zur globalen Verbreitung wirtschaftliche Autonomie des Lan- amerikanisch-demokratischer Idea- des gefährdet sah. Die USA sollten le auf. Luces Appell war zugleich ein von nun an nur als außenstehender Warnruf. Schmerzlich erinnerte er die Leser an Präsident Woodrow Wilson, seine Pläne zur Neuordnung der euro- päischen Machtverhältnisse und den Es gelang  den verschenkten Frieden von . Damals Vereinigten Staaten steckte die Weltmachtstellung der USA von Amerika nicht, noch in den Kinderschuhen. Denn mit seinem Traum einer internationalen eine internationale Friedensordnung scheiterte Wilson Friedensordnung zu an den verfeindeten europäischen schaff en Eliten und seinem eigenen Kongress. Für die kommenden zwei Jahrzehnte

FOTO: ULLSTEIN BILD / JÜRGEN SCHWARZ JÜRGEN / BILD ULLSTEIN FOTO: fi elen die Vereinigten Staaten in den Stufen zum Opferkreuz auf dem Tyne Cot Soldatenfriedhof in Zonnebeke, Belgien außenpolitischen Dornröschenschlaf. Berater der Organisation agieren. Trotz der Rückkehr in den politischen Während sich die Vereinigten Staaten Isolationismus erlebten die USA in der zunächst aus dem politischen Weltge- Zwischenkriegszeit ihre erste wirt- schehen zurückzogen, pfl anzten Di- schaftliche und kulturelle Hochzeit plomaten anderer Art die ersten Keime Vertontes Trommelfeuer in Europa. der amerikanischen Weltmachtstel- Wilson war ein scheuer Internati- lung.  hatten die USA das Britische Musik aus dem Ersten Weltkrieg onalist. Als der Große Krieg in Euro- Empire als größte Wirtschaftsmacht pa entbrannte, berief er sich auf die entthront und eroberten nach Kriegs- STEFAN HANHEIDE te, sie nützten die »Konjunktur« und nernde Konzerte schrieb Maurice Ravel traditionelle Neutralität der USA in ende im Sturm die europäischen Märk- lancierten unter dem Deckmantel des mit »Le Tombeau de Couperin« und europäischen Streitigkeiten. Noch im te. Amerikanische Populärkultur und n der Zeit des Ersten Weltkrieges Patriotismus das dilettantischste Zeug. mit »La Valse«. Im »Tombeau« ( Wahlkampf , als der Schrecken von Produkte überquerten den Atlantik sind nur sehr wenige Musikwerke Eine Artikelserie in der »Allgemeinen bis ) komponierte er mit Bezug auf Verdun den Kontinent in Atem hielt, und bestimmten in den Metropolen von bleibendem Rang geschaff en Musikzeitung« listete unter dem Titel den Barockkomponisten französische kandidierte Wilson mit dem Slogan der alten Welt zunehmend das öff ent- I worden. Die Jahre unmittelbar »Musikalische Kriegsrüstung /« Satztypen der Zeit wie »Menuet« oder »He kept us out of war«. Doch Poli- liche Leben. Das »Jazz Age« brach mit vor und unmittelbar nach dem Krieg eine große Zahl solcher Werke auf, die »Rigaudon« im Ravelschen Klangge- tik und Öff entlichkeit übten zuneh- den eingestaubten Konventionen euro- sind unvergleichbar reicher an gro- sofort von den Musikverlagen publi- menden Druck auf den Präsidenten päischer Kultureliten und verbreitete ßen, neu geschaff enen Kompositionen. ziert worden waren. Darüber hi naus aus. Im Mai  hatte ein deutsches neue Vorstellungen von Freizügigkeit, Das liegt zunächst daran, dass viele erhoff ten die Verleger sich pekuniären Es sind nur sehr U-Boot zum Entsetzen der Amerika- Mode und Unterhaltung. Paris und Ber- Komponisten im Kriegsdienst stan- Gewinn durch das Herausbringen einer ner den britischen Dampfer Lusitania lin entwickelten sich zu den Zentren den und weder Zeit noch Gelegenheit Fülle von neuen Kriegsliedern – die wenige Werke von versenkt – und mit ihm  US-ame- einer transatlantischen Avantgarde. zum Komponieren hatten. Alban Berg Soldaten im Felde jedoch sangen lieber bleibendem Rang rikanische Passagiere. Die Republika- Afroamerikanische Musiker suchten hatte  die Idee entwickelt, Georg ihre altvertrauten Lieder. geschaff en worden ner hatten schon im Wahlkampf den hier Zufl ucht vor der heimischen Ras- Büchners »Woyzeck« in einer Oper Die Massenproduktion patrioti- unausweichlichen Kriegseintritt der sentrennung. Literaten wie Gertrude zu vertonen, konnte sie aber erst ab scher Musik ebbte im Laufe des Jahres Amerikaner heraufbeschworen und Stein und F. Scott Fitzgerald sehnten  umsetzen, da er fast während  ab, als deutlich wurde, dass die wand, die er Gefallenen aus seinem drängten zunehmend auf Interven- sich nach Pablo Picasso, Salvador Dalí der gesamten Kriegszeit im österrei- Hoff nung, Weihnachten  wieder Bekanntenkreis widmete. »La Valse« tion. Den Anstoß zur Kriegserklärung und billigem Wohnraum. In Europa chischen Kriegsministerium in Wien zu Hause zu sein, sich als trügerisch sollte vor dem Krieg eine Huldigung gab im Januar  die Entschlüsselung begann die Amerikanisierung, jedoch Dienst leistete. erwiesen hatte und die Trauer über des Wiener Walzers werden, sie endet der Zimmermann-Depesche durch ohne einen politischen Impuls aus Andere Komponisten waren durch die vielen Kriegstoten immer mehr bei ihrer Fertigstellung / nach den britischen Marinegeheimdienst. Washington. die aufwühlenden Ereignisse lange um sich griff . dem Untergang der Wiener Monarchie Sollten die Vereinigten Staaten mit Denn in den USA sah man diese Ent- Zeit paralysiert und kaum zu schöp- Die Erinnerungskultur muss sich jedoch im völligen Zusammenbruch. der Neutralität brechen, plante das wicklungen als Nebenprodukt der neu- ferischer Tätigkeit fähig, wie Maurice folglich schwertun mit der Musik. Nach seinem Ende hat der Krieg Deutsche Reich einen Pakt mit Mexi- en wirtschaftlichen Vormachtstellung, Ravel. Wieder Andere sahen es als Während ab  in ganz Europa be- quasi noch eine eigene Gattung her- was erfreulich, aber keineswegs not- ihre Aufgabe an, ihren Patriotismus in deutende Ausstellungen zur Verar- vorgebracht: Der Pianist Paul Witt- wendig war. Kultur als Propagandamit- entsprechenden Werken schöpferisch beitung des Ersten Weltkrieges in der genstein, der als Soldat seinen rechten tel war den politischen Eliten der Zwi- umzusetzen, vor allem, wenn sie zum Bildenden Kunst zu sehen waren, muss Arm verlor, nutzte das große famili- schenkriegszeit weitestgehend fremd. Kriegsdienst körperlich nicht mehr in es Konzertveranstaltern schwerfallen, äre Vermögen, Klavierwerke für die Mit dem Sieg über die Es waren vornehmlich Unternehmen der Lage waren, also in gewisser Wei- überhaupt nur ein einziges gültiges linke Hand in Auftrag zu geben. Es Mittelmächte bot sich und Privatpersonen aus Wirtschaft, se als Ersatzleistung zur Kriegsteil- Programm zusammenzustellen. In entstanden in den er und er für Präsident Wilson Kunst und Wissenschaft, die hier ihre nahme. Die entstandenen Werke, z. B. der Not verkaufen sie unter dem Label Jahren vor allem Klavierkonzerte un-  die Chance zum transatlantische Nische fanden. Erst von Claude Debussy, Max Reger oder des Ersten Weltkrieges Programme, in ter anderem von Sergei Sergejewitsch nach dem Zweiten Weltkrieg erkann- Edward Elgar, bedienten sich bei nati- deren Werken sich nur mit blühender Prokofjew, Paul Hindemith, Erich Neuanfang te die US-Regierung, welche Vorteile onalen Hymnen, soldatischen Liedern Fantasie oder großem hermeneu- Wolfgang Korngold und auch Mau- eine ausgereifte Kulturdiplomatie für oder patriotischen Chorälen. Zum Teil tischen Aufwand ein Kriegsbezug rice Ravel. Obwohl Wittgenstein die die Pax Americana hatte. Kostspielige wurden die Hymnen der Kriegsgegner erkennen lässt. Der allergrößte Teil Musik aufgrund ihres Avantgardepo- Kulturprogramme und staatlich ge- musikalisch demoliert, wie in der Ou- der kriegsbezogenen Musik aus dem tenzials häufi g nicht gefi el, kann ihre ko und versprach Unterstützung bei lenkte Propaganda sollten sowjetische vertüre »Aus ernster Zeit« von Felix Ersten Weltkrieg ist heute in ihrer Auff ührung heute einen Beitrag zur der Rückeroberung aller  an die Einfl üsse untergraben und die Vorteile Weingartner, damals Leiter der Wiener patriotischen Attitüde unauff ührbar. Erinnerungskultur leisten. Das beste USA verlorenen Gebiete. Der geplan- von Demokratie und Konsumkapitalis- Philharmoniker. Am ehesten lassen sich Kunstlieder Werk, dem Ersten Weltkrieg musika- te Angriff auf amerikanisches Gebiet mus global verständlich machen.  Auf der Bühne war die Kriegsope- für solche Programme fi nden. lisch zu begegnen, schuf Benjamin zwang den US-Kongress mit deutlicher hatten die USA Wilson nicht vergessen rette erheblich erfolgreicher als die nur In dieser intimen vokalen Gattung Britten  mit seinem War Requiem, Mehrheit für einen Kriegseintritt zu und sich Luce zu Herzen genommen: wenigen Kriegsopern. Titel wie Walter konnten Komponisten auch ihr Ent- in das er Kriegsgedichte des jungen, in stimmen, welchen Wilson am . April Die Chance von  sollte nicht ein Kollos »Immer feste druff « oder Emme- setzen über die unvorstellbare Brutali- den letzten Kriegstagen  gefallen  öff entlich bekanntgab. weiteres Mal verspielt werden. rich Kálmáns »Gold gab ich für Eisen« tät des Krieges zum Ausdruck bringen, englischen Dichters Wilfred Owen in Mit dem Sieg über die Mittelmächte spiegeln den Zeitgeist von  wider. ebenso wie ihre Trauer über Verluste ergreifender Weise integrierte. bot sich für Wilson  die Chance Maximilian Klose ist Doktorand Unbekannte Komponisten versuchten im unmittelbaren Umfeld. Auch das zum Neuanfang. Bereits vor Kriegs- an der Graduate School of North durch patriotische Werke zu Ruhm und Leid der Frauen über den Verlust des Stefan Hanheide ist Professor am ende hatte er dem Kongress seinen American Studies der Freien Ehre zu gelangen, was Richard Strauss, Ehemannes oder der Kinder wurde Institut für Musikwissenschaft und berühmten -Punkte-Plan vorge- Universität Berlin. Er forscht zu den der sich mit kriegsbezogener Musik immer wieder zu Gehör gebracht. Ge- Musikpädagogik der Universität stellt und darin eine neue politische deutsch-amerikanischen Beziehungen völlig zurückhielt, zu dem Aperçu führ- eignete Orchesterwerke für kriegserin- Osnabrück und ökonomische Weltordnung gefor- der Nachkriegszeit Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 23

»Ich bin innerlich zerrissen, aber ich kämpfe, auch das in Kunst auszudrücken« Deutsche Künstler im Ersten Weltkrieg

UWE M. SCHNEEDE das Grausamste, was dieser Krieg mir ganz Soldat. Gefühl als Teil des Ganzen, brauchte Beckmann das Erlebnis des im Dezember  das Leben. Nur weni- bringen konnte«, er habe etwas Uner- Hochgefühl beim Aufmarsch. Selbst- Krieges um seiner Kunst willen. Denn ge Tage vor dem Kriegsende kam auch ls der Erste Weltkrieg begann, setzliches verloren, schrieb er an den bewusstsein gegenüber den Zurück- sie sollte vom Leben, Leiden, Sterben Franz Nölken um. Der Jüngste von ih- war auch in der bildenden Mäzen Bernhard Koehler. bleibenden, Beschützer, Ausgesandter, und Ungewissen danach handeln. So nen, Hermann Stenner, wurde  Jahre, Kunst nichts mehr wie vorher, Nun mehrten sich Marcs Äuße- Held.« Dann aber die ersten Erfahrun- konnte er in seiner lapidaren Art fest- der Älteste, Albert Weisgerber,  Jahre A die Kunst nicht, die Künstler rungen, die auf einen entscheiden- gen: »Draußen, infolge der Strapazen, stellen: »Meine Kunst kriegt hier zu alt. Was künstlerisch aus ihnen gewor- nicht, der Kunstbetrieb nicht: Die Ateli- den Sinneswandel hindeuten. »Dieser Materie gegen Geist. Apathische Erge- fressen«. den wäre, weiß niemand. Tatsache aber ers standen leer. Man musste unfreiwil- Weltbrand« sei »der grausigste Moment benheit ins Schicksal«. Nun galt es nur Unter den deutschen Künstlern wa- ist, dass ein beträchtlicher Teil dieser lig oder man wollte bewusst »den Pinsel der ganzen Weltgeschichte«. Der Krieg noch, »Leben (zu) erhalten, selbst mit ren viele Opfer: psychisch Geschädigte, jungen deutschen Künstlergeneration mit der Kanone vertauschen«, wie Franz habe sich, heißt es Ende /Anfang schlechten Mitteln.« Tote. Max Beckmann erlitt nach knapp ausgelöscht wurde. Marc es formulierte. , längst überdauert und sei »sinn- Dagegen erlebten zwei Künstler, einem Jahr im Krieg einen Zusammen- Und was wurde aus der Kunst? Die Die Künstler reagierten denkbar los geworden«, das Morden müsse end- Max Beckmann und Otto Dix, den Krieg bruch; er wurde beurlaubt. Nach einer meisten Künstler verstummten, Gro- unterschiedlich auf den Kriegsbeginn. lich aufhören. Off enbar begann Marc als die große Gelegenheit, außerge- zweiten Einberufung brach auch Geor- ßes konnte vor Ort nicht entstehen, Ernst Barlach rief  mit der Plas- jetzt, die politischen Dimensionen des wöhnliche Erfahrungen zu machen, die ge Grosz  zusammen und wurde allenfalls kam es zu kleinformatigen tik »Der Rächer« augenblicklich zum Krieges zu erahnen. In einem Brief an am Ende ihrer Kunst zugutekommen in eine Nervenheilanstalt eingelie- Arbeiten auf Papier. Dennoch wurden Kampf auf, der eine Generation ältere Koehler von Anfang Januar  machte sollten. Dix meinte: »Der Krieg war fert. Ernst Ludwig Kirchner tat seinen in diesen Jahren des Krieges erstaunli- Max Liebermann entwarf eine Weile er überraschend deutlich, dass er den eine scheußliche Sache, aber trotz- Dienst zwar nicht an der Front, doch cherweise je individuell grundlegende chauvinistische Hetzblätter, und als Erneuerungen der Bildmittel vollzogen. überzeugtester Befürworter des Krie- Sie folgten nicht weiterhin der Tendenz ges erwies sich Franz Marc. Aber es gab zur Abstraktion, und sie fußten auch auch ausgesprochene Kriegsgegner, so nicht mehr auf dem Spätimpressio- George Grosz und Ernst Ludwig Kirch- nismus der Vorkriegsjahre. Vielmehr ner. Einige Künstler wie Hans Richter wirkten sich die Erschütterungen un- und der Elsässer Hans Arp entwichen vermittelt auf die Bildmittel aus. In ins neutrale Ausland; Rudolf Schlich- Max Beckmanns Zeichnungen und ter und Heinrich Campendonk traten Radierungen wich die handwerkliche erfolgreich in einen Hungerstreik; Con- Virtuosität einer verzweifelten Suche rad Felixmüller verweigerte den Wehr- nach der adäquaten Form für den Aus- dienst, wurde aber zwangsverpfl ichtet. druck des desolaten Bildes von der Welt. Andere deutsche Künstler riefen noch George Grosz entwickelte für seine während des Krieges in graphischen scharfen Abrechnungen mit dem Bür- Folgen zum Widerstand auf, so Willy gertum einen oft primitiv wirkenden, Jaeckel, Franz M. Jansen, Max Pechstein, stets beißenden Strich. Kirchner schuf Max Slevogt. Dabei wurden zuweilen – jene Serie von Rohrfederzeichnungen, wie bei Slevogt – die Kriegführenden die zum Eindrücklichsten der Zeichen- angeprangert. Die kritische Sicht auf kunst im . Jahrhundert gehören, weil die Gesellschaft fand ihren Höhepunkt mit dem raschen, erregten Strich die in George Grosz’ (verschollenem) Ge- psychische Zerrüttung direkt übermit- mälde »Deutschland, ein Wintermär- telt wird. »Ich bin«, schrieb er in einem chen« (), in dem Kirche, Militär und Brief vom März , »innerlich zerris- nationalistisches Bildungsbürgertum sen und geimpft nach allen Seiten, aber für die aus den Fugen geratene Welt ich kämpfe, auch das in Kunst auszu- verantwortlich gemacht werden. Wie schwerwiegend sich der Erste Weltkrieg in Deutschland auf Kunst und Künstler auswirkte, lässt sich am Mit dem Krieg Beispiel des Münchner Blauen Reiters veranschaulichen. Die russischen Mit- endete die Epoche glieder Wassily Kandinsky, Alexej von der experimentellen Jawlensky und Marianne von Werefkin Avantgarden mussten Deutschland Hals über Kopf als »feindliche Ausländer« verlassen. Marc ging freiwillig in den Militärdienst, August Macke wurde eingezogen, et- drücken.« Franz Marc brachte es nur zu was später auch Paul Klee. Die geplante einem kleinen Skizzenbuch. Das aber zweite Ausgabe des Almanachs »Der enthält Entwürfe für künftige Gemälde Blaue Reiter«, die sich dem Thema »Die großen Zuschnitts, in denen sich eine Kunst und die Wissenschaft« widmen wegweisende Synthese von Figur und sollte, konnte nicht mehr realisiert wer- Abstraktion ankündigt. den. Die vielen Wanderausstellungen Eine fundamentale Verarbeitung der endeten; die guten Beziehungen zu den Erfahrungen bildet Max Beckmanns förderungswilligen Kunsthändlern er- großformatiges Gemälde »Auferste- loschen. Der enge französische Freund hung« in der Stuttgarter Staatsgalerie, Robert Delaunay galt nun als offi zieller  gleich nach der Beurlaubung be- Feind. Schon im September  fi el Au- gonnen. In diesem – obwohl unvollen- gust Macke, im März  Franz Marc. det gebliebenen – anspruchsvollsten Den Blauen Reiter gab es nicht mehr. aller bildnerischen Resümees der exis- Marc hatte sich anfangs vom Krieg tenziellen Kriegserfahrungen wird eine eine »Reinigung« der alten, verlogenen, zeitgemäße Ikonographie des Unter- verkommenen Welt erwartet, »das kran- gangs entworfen. Ernst Ludwig Kirch- ke Blut« gehöre »vergossen«. Kandinsky ners »Selbstbildnis als Soldat« von 

reagierte im November  voller Un- PHOTO AP / ALLIANCE PICTURE FOTO: mit einem roten Armstumpf zeigt auf verständnis: »Der Preis dieser Art Säu- Französisches Grab auf dem Hartmannwillerkopf-Militärfriedhof in den Vogesen: Im Ersten Weltkrieg kämpften ergreifende Weise symbolisch den Ver- berung ist entsetzlich.« Er hatte schon Franzosen und Deutsche erbittert um diesen Gipfel, da er strategisch von äußerster Wichtigkeit war lust der künstlerischen Schaff enskraft zwei Jahre vor Kriegsbeginn die Schre- an. Otto Dix griff die Kriegsthematik cken erahnt: »Die schmutzigen Folgen Krieg nun als ein riesiges moralisches dem etwas Gewaltiges. Das durfte ich hielt er dem Druck bei der Artillerie in später wieder und wieder auf, im (ver- werden lange ihre stinkende Schleppe Fiasko und als Niederlage der Kultur auf keinen Fall versäumen! Man muss Halle nur wenige Monate stand. »Wie schollenen) Gemälde »Schützengraben« über den ganzen Erdball ziehen. Und ansah. Nicht die Waff en entschieden, den Menschen in diesem entfesselten die Kokotten, die ich malte, ist man (), im höchst eindringlichen Ra- … die Berge von Leichen.« Die beiden sondern die wirtschaftlichen Interes- Zustand gesehen haben, um etwas über jetzt selbst. Hingewischt, beim nächs- dierungszyklus »Der Krieg« () und engen Freunde, die gemeinsam den sen. Es sei höchste Zeit, mit dem »Rüs- den Menschen zu wissen.« Beckmann ten Male weg.« Er wurde entlassen und im monumentalen »Kriegstriptychon« Almanach »Der Blaue Reiter« heraus- tungszeitalter« ein Ende zu machen, schrieb in seinen Briefen, er mache kam in ein Sanatorium. Albert Weis- ( bis ). Hier bildeten persönli- gegeben hatten, entzweiten sich wegen damit man auf kultureller Grundlage »diese Angelegenheit« nicht als Histo- gerber war noch im November  der che Irritationen durch die Kriegsereig- völlig konträrer Haltungen zum Krieg. vollkommen neu beginnen könne. Die riker, sondern als Künstler mit, also als Meinung, der Sieg sei sicher, wenige nisse den Ausgangspunkt. Jedenfalls Sogar der Freund Paul Klee betrachtete positiven Erwartungen an den Krieg jemand, der sich in alle Erscheinungs- Monate später, im Mai , verlor er endete mit dem Krieg die Epoche der Marc jetzt mit Skepsis: Den äußeren waren abgelöst durch die schrecklichen formen des Lebens, auch gerade die ex- bei der Ypernschlacht sein Leben. Wal- experimentellen Avantgarden, und es Ausdruck der militärischen Haltung, die Erfahrungen im Krieg. tremen, einfühle, und so versuche er es ter Alfred Rosam fi el im August dieses begann  eine neue Phase zumeist Uniform Marcs, »das verdammte Habit«, So ging es den meisten Künstlern. »eben jetzt mit dem Kriege«, schließ- Jahres an der Ostfront, Wilhelm Morg- gegenstandsbezogener Kunst. begann er »nun richtig zu hassen«. Oskar Schlemmer hielt den Vorgang an lich fi nde er überall »tiefe Linien der ner im August  an der Westfront. Als der Freund Macke fi el, aber war seinem eigenen Beispiel in einer Ta- Schönheit im Leiden und Ertragen die- Max Beckmanns Freund Waldemar Rös- Uwe M. Schneede ist Kunsthistoriker Marc zutiefst getroff en. »Es ist wahrlich gebuchnotiz vom März  fest: »Erst ses schaurigen Schicksals«. Wie Dix ler nahm sich unter dem Kriegsdruck und Ausstellungskurator 24 ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG www.politikundkultur.net

Mohnblumenkranz am Grab von A. Robinson aus Neuseeland auf dem Tyne Cot Soldatenfriedhof in Zonnebeke, Belgien

eorge Carlin, der  für sein Comedy-Programm »Sieben schmutzige Wörter, die man G nicht im Fernsehen sagt« berühmt wurde, hat einmal gesagt, wir hätten zwei Lieblingsvorsilben, weil wir damit Sachen gern wichtiger machen würden, als sie sind: »prä« und »post«. Postmodern, postfaktisch, postmate- riell, pränatal, präverbal, präeminent. Große Ereignisse deuten sich durch Vorzeichen an. Sie hinterlassen ihre Spuren. Und sie sind nicht ganz zu begreifen, vielleicht überhaupt nicht einmal darzustellen, wenn sie da sind. Sie machen uns sprachlos. In der Geschichte nicht nur der deut- schen Literatur ist der Erste Weltkrieg vor allem ein solches Phänomen des Vorher und Nachher. Zwei der großen Romane des . Jahrhunderts, »Ulysees« von James Joyce und »Der Prozess« von Franz Kafka, ein philosophisches

Hauptwerk, Ludwig Wittgensteins SCHWARZ JÜRGEN / BILD ULLSTEIN FOTO: »Tractatus logico-philosophicus«, und ein berühmter Gedichtzyklus, Rainer Maria Rilkes »Duineser Elegien«, haben eines gemeinsam: Sie alle sind während des Ersten Weltkrieges entstanden. Sie sind Texte dieses Krieges, auch wenn Präverbal und postmodern? man ihnen diese Entstehungszeit nicht auf den ersten Blick ansieht. Die be- Der Erste Weltkrieg in der Literatur kannten Weltkriegsromane dagegen wurden nach dem Krieg geschrieben HEIKE GFREREIS Fortsetzung von Seite  – oder vorher. Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues« und Ernest Die Epen Homers sind Kriegserzäh- wäre der erste, der sich darauf stell- and stumbling / And fl oundering like a einem von weggemähten Worten be- Hemingways »In einem anderen Land« lungen. Nicht erst um  schürte die te, ich wollte noch mit der Kugel im man in fi re or lime. – – / Dim, through deckten Schlachtfelde geglichen haben erschienen beide , H. G. Wells Welt- Sehnsucht nach einer ursprünglichen Herzen den Rausch der Begeisterung the misty panes and thick green light / muß. Gedruckt erinnert sie an eine von kriegsvision »Der Krieg in der Luft« Kunst auch die nach dem Abenteuer spüren. Oder sei es auch nur, daß man As under a green sea, I saw him drow- Schüssen durchsiebte Scheibe, die man . und dem Krieg.  zählte Johann einen Krieg begänne, er kann ungerecht ning.« (»Gas! GAS! Schnell, Jungs! – so überklebt hat, dass uns die Treff er, Der Hauptgrund für diese Vor- und Gottfried Herder diese Urformen der sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und eine ekstatische Fummelei, / Um die die ins Zentrum schlugen, noch sicht- Nachzeitigkeit des Ersten Weltkrieges Poesie auf: »Sterbelied und Kriegsge- schmierig wie eine Leimpolitur auf al- plumpen Helme rechtzeitig aufzuset- bar sind«. in der Literatur dürfte neben indivi- sang, Schlacht- und Grablied, histori- ten Möbeln.« Auch Kafka, der den »Pro- zen. / Aber jemand schrie da noch und Der Erste Weltkrieg allerdings wurde duellen und politisch-ökonomischen sche Lobgesänge auf die Väter und an zess« wenige Tage nach Kriegsausbruch taumelte / Und zappelte wie ein von während seiner Dauer immer weniger Gründen ein ästhetischer sein: Die Lite- die Väter.« Mitte der er Jahre wird als Kampf gegen sich selbst begann, Feuer oder Ätzkalk Verbrannter. / Un- künstlerisch gestaltbar. Er war in einem ratur, überhaupt die Kunst der Moderne Hemingway F. Scott Fitzgerald nach wollte eingezogen werden – mit Sol- deutlich, durch die beschlagene Scheibe bis dahin nicht vorstellbaren Maß grau- defi niert sich über das Gegenteil von Amerika die ersten Dokumentationen datenstiefeln probierte er wenigstens und trübes grünes Licht / Wie in einem sam und lang, brachte für viele Schrift- Harmonie. Der Kubismus und der Ex- über den Ersten Wektkrieg schicken: theoretisch die Verwandlungskraft des grünen Meer, sah ich ihn ertrinken.«) steller den Tod und war doch, wenn pressionismus, der Symbolismus und »Der Krieg ist das beste Sujet von al- Krieges aus: »In den schweren Stiefeln, sie nicht an der Front eingeteilt waren, der Impressionismus, die naturalis- len. Er bietet ein Maximum an Material, die ich heute zum erstenmal angezogen sondern oft monatelang in der Stellung tische und die abstrakte Kunst zielen beschleunigt die Handlung und bringt habe (sie waren ursprünglich für den warteten, auch langweilig und litera- alle auf Aufl ösung einer bestehenden alles mögliche hervor, auf das man Militärdienst bestimmt), steckt ein an- »Ende Juli: Eine Fliege risch trivial.  verteidigte sich Kafka Welt. Das Böse, die Dissonanz, das normalerweise ein Leben lang wartet.« derer Mensch.« Noch zehn Jahre nach stirbt. Weltkrieg« – in einem Streit mit seinem Vater, »das überbordende Einzelne, das Maßlose Als ein literarisches Urereignis fei- Kriegsausbruch ließ er in »Der Bau« ein Tagebucheintrag von Abnormale sei nicht das schlechteste, und Massenhafte, das Nervöse, das Ab- erte der -jährige Rilke, der auf einer Tier unter der Erde ein weitverzweigtes Robert Musil im denn normal sei z. B. der Weltkrieg«. – gründige und das Verdrängte, der Hass, Deutschlandreise vom Kriegsausbruch Tunnelsystem anlegen und sich darin Robert Musil schrieb im Sommer  das Nichts und eben der Krieg sind ihre überrascht wird und nicht in seine verschanzen:  hatte er in Prag ein Sommer  vielleicht den abgründigsten Satz dieses formgebenden Gegenstände. Wahlheimat Paris zurückkehren kann, Schauschützengrabenmodell gesehen. so unmenschlich alltäglichen Krieges in Der Begriff , unter dem sich diese in den ersten Augusttagen  den Der Erste Weltkrieg – durch die mo- sein Tagebuch: »Ende Juli. Eine Fliege Moderne programmatisch defi nierte, Krieg. In ein Buch mit Friedrich Höl- derne Technik ein Krieg der fernen und Die Ästhetik der Moderne ist eine Grat- stirbt: Weltkrieg.« entstammt der militärischen Spra- derlins Übersetzungen des griechischen verzerrten Wahrnehmungen, des Hö- wanderung zwischen Kunstautonomie  deutete Walter Benjamin den che: »Avantgarde« – die Vorhut, die Dichters Pindar schrieb er: »Zum ersten rens und Riechens, der Luftaufnahmen, und Propagandakunst, Sprachkrieg und Ersten Weltkrieg als das geschichtliche als allererstes Kontakt mit dem Feind Mal seh ich dich aufstehn / hörengesag- Gasmasken und Schützengrabenfern- Kriegssprache, Provokation und Ter- Ereignis, das dem Erzählen zunächst hat. Friedrich Nietzsches Buch »Also ter fernster unglaublicher Kriegs-Gott. winkelrohre – füllt die Zerstörung der ror. Im Ersten Weltkrieg und durch die ein Ende gesetzt hatte: »Hatte man sprach Zarathustra« von  ist einer Endlich ein Gott. Da wir den friedlichen Formen auf brutale Weise mit Leben. von ihm ausgelösten Revolutionen und nicht bei Kriegsende bemerkt, dass die ihrer Leittexte: »Ihr sagt, die gute Sache oft / nicht mehr ergriff en, ergreift uns Was aber auch heißt: Selbst das Grau- Umwertungen aller tradierten Systeme Leute verstummt aus dem Felde kamen? sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich plötzlich der Schlacht-Gott, / schleu- samste passt noch in die Form eines und Werte wird deutlich, dass es keine nicht reicher – ärmer an mitteilbarer sage euch: der gute Krieg ist es, der jede dert den Brand: und über dem Herzen Gedichts. August Stramm, der mit  Kunst geben kann, die in einem doppel- Erfahrung. Eine Generation, die noch Sache heiligt. Der Krieg und der Muth voll Heimat / schreit, den er donnernd Jahren  in Russland fallen sollte, ten Sinn rein ästhetisch ist: unschuldig mit Pferdebahnen zur Schule gefahren haben mehr grosse Dinge gethan, als bewohnt, sein röthlicher Himmel.« schickte von November  an seine und unabhängig. Marinettis futuristi- war, stand unter freiem Himmel in einer die Nächstenliebe.« Filippo Marinetti Schon  hatte der -jährige Georg Gedichte an die expressionistische Zeit- sche Partei wurde  Teil von Benito Landschaft, in der nichts unverändert variiert das  im »Futuristischen Heym den Krieg beschworen: »Aufge- schrift »Der Sturm«: »Die Erde blutet Mussolinis faschistischer. Ernst Jün- geblieben war als die Wolken und unter Manifest«: »Wir wollen den Krieg ver- standen ist er, welcher lange schlief, / unterm Helmkopf / Sterne fallen / Der ger, der  seine bearbeiteten Welt- ihnen, in einem Kraftfeld zerstörender herrlichen – diese einzige Hygiene der Aufgestanden unten aus Gewölben tief. Weltraum tastet. / Schauder brausen / kriegstagebücher unter dem Titel »In Ströme und Explosionen, der winzige, Welt –, den Militarismus, den Patrio- / In der Dämmrung steht er, groß und Wirbeln / Einsamkeiten. / Nebel / Wei- Stahlgewittern« veröff entlichte, schloss gebrechliche Menschenkörper.« tismus, die Vernichtungstat der Anar- unerkannt, / Und den Mond zerdrückt nen / Ferne / Deinen Blick.« Wilfred sich der rechts stehenden Reichswehr chisten, die schönen Ideen, für die man er in der schwarzen Hand.« Owen, der eine Woche vor Kriegsende an und begeisterte sich zugleich für Heike Gfrereis ist Literaturwissen- stirbt, und die Verachtung des Weibes.« In seinem Tagebuch nennt Heym getötet werden wird, verfasste  das die Dada-Kunst von Kurt Schwitters. schaftlerin und Ausstellungsmache- Allen ethischen und moralischen einen Grund für die Sehnsucht nach bekannteste englische Kriegsgedicht,  wird er in dem Gedankensplitter- rin.  hat sie im Literaturmuseum Einwänden zum Trotz ist der Krieg in dem Krieg: »Es ist immer das gleiche, »Dulce et Decorum est«: »Gas! GAS! Buch »Das abenteuerliche Herz« seine der Moderne in Marbach die beiden der Kunst ein Modell, um künstlerische so langweilig, langweilig, langweilig. Quick, boys! – – An ecstasy of fumb- Idee von Literatur beschreiben: »Wer Parallel-Ausstellungen »August . Darstellungsweisen zu fi nden und zu Geschähe doch einmal etwas. Würden ling, / Fitting the clumsy helmets just in zu lesen versteht, wittert aus mancher Literatur und Krieg« und »Kafka. Der begründen, die an uralte anschließen: einmal wieder Barrikaden gebaut. Ich time; / But someone still was yelling out Seite Prosa, daß sie in der Handschrift ganze Prozess« kuratiert Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 25

Butter statt Kanonen Der deutsche Film im Während die Ehemänner, Söhne und die den Ereignissen auf dem Fuße folgt. Überlegungen stellte auch das Bufa Die Ufa kaufte Produktions-, Verleih- Ersten Weltkrieg Freunde in fernen Ländern Krieg führ- Die Kriegswochen(schauen) sind eine selbst an: Eine geheime Denkschrift und Kinobetriebe auf und schuf so den ten, konnten die Filmbilder in den Wo- wahllose Zusammenstellung von Gen- mit dem Titel »Der Propagandafi lm ersten vertikal in allen Bereichen der chenschauen den Daheimgebliebenen rebildern und Episoden, die heute und und seine Bedingungen, Ziele und Filmwirtschaft aktiven, kommerziell PHILIPP STIASNY zumindest eine vage Vorstellung vom auch in den nächsten Wochen gezeigt Wege« forderte im Oktober , dass ausgerichteten Konzern. Aufenthaltsort ihrer Angehörigen ge- werden können, ohne an Aktualitäts- Propagandafi lme besonders »latente Was die zur Ufa gehörenden Firmen ie gewinnt man das Herz ben. Die in den Zeitungen genannten wert zu verlieren. (...) Das Publikum hat Instinkte« und solche »günstigen Mo-  und die dort angestellten Regis- seiner Auserwählten? Im Einsatzorte erschienen dadurch etwas das Interesse für derartige Genrebilder mente« ansprechen müssten, die »noch seure, Drehbuchautoren und Schau- W Ersten Weltkrieg, als in den weniger fremd. Die Fähigkeit der Filme, schon längst verloren.« im Unterbewußtsein der Zuschauer spieler produzierten, passte allerdings deutschen Großstädten die hungernden Raum und Zeit zu überbrücken, brachte Erst die Berichte über die Erfolge schlummern«. kaum ins Kalkül des Militärs: Die Spiel- Menschen auf die Straße gingen und Publikumskreise in die Kinos, die ihm der feindlichen Filmpropaganda füh- Das Bufa erreichte seine Ziele nicht, fi lme waren allenfalls als abendliche streikten, gab es darauf eine einfache zuvor ablehnend gegenübergestanden ren dazu, dass die militärische Füh- weil zwischen den psychologischen Er- Ablenkung vom Kriegsalltag und als Antwort: mit einem Viertelpfund But- hatten. Der Krieg beschleunigte so die rung ihre Haltung zum Kino änderte. kenntnissen seiner Mitarbeiter und den Narkotikum mit zeitlich begrenzter ter. So lautet die Pointe der Filmko- Verbürgerlichung des Filmgeschmacks Am . Januar  wurde das fi nanziell technisch-ästhetischen Möglichkeiten Wirkung geeignet. mödie »Das schönste Geschenk«, die und des Kinobesuchs. gut ausgestattete Bild- und Filmamt der Umsetzung zu große Widersprüche Die Leitung der Ufa zielte / auf im November  ins Kino kam. Die Große Kapitalmengen fl ossen im (Bufa) gegründet, das die »amtlich mi- klaff ten. Zumindest in den größeren die Etablierung ihres Unternehmens auf Hauptrolle des nicht übermäßig hüb- Krieg in den aufstrebenden Film- und litärische Berichterstattung« im In- und Städten, in denen das Publikum zwi- dem umkämpften Unterhaltungsmarkt schen, aber gewitzten Jünglings mit der Kinosektor, Interessenverbände wur- Ausland, die Einrichtung von Feldkinos, und war damit ihrer Zeit voraus. In der Butter spielt Ernst Lubitsch, der damals den gegründet und der schlechte Ruf Entsendung von Kameraleuten, Zutei- Vorstellung ihrer Finanziers sollte die einer der populärsten Komiker war und einer Branche mit vielen kurzlebigen lung von Filmmaterial und die Zensur Ufa als Botschafterin der deutschen Komödien im jüdischen Milieu drehte. und spekulativen Unternehmungen koordinieren sollte. Beabsichtigt wurde Die Ufa zielte auf den Kultur das Ausland beeindrucken, ohne Überhaupt erlebte die deutsche Film- bekämpft. Die Kapitalzufuhr beschleu- damit eine Verbesserung der psycholo- Unterhaltungsmarkt ihre Regierungsnähe erkennen zu las- industrie in den Jahren des Weltkrie- nigte zudem eine schon früher einset- gischen Kriegsführung und eine posi- und war damit ihrer sen. Vor Kriegsende verschlang der rie- ges einen enormen Boom. Während an zende Entwicklung: Lange Spielfi lme tivere Außendarstellung Deutschlands. sige Konzern aber nur Unmengen von der Front täglich Tausende verwundet verdrängten die oft aus vielen Kurzfi l- Unter dem Titel »Die Mobilmachung Zeit weit voraus Geld. Wie im Fall des Bufa wurden die und getötet werden, bringen Komödi- men zusammengesetzten Programme. des Bildes« resümierte die Vossische propagandistischen Aktivitäten der Ufa antinnen und Komödianten, Stars und Die Produktionen wurden kostspieli- Zeitung am . April  diese Ent- und mit ihr die Aktivitäten der staatlich Sternchen die Menschen im Kino zum ger und setzen noch stärker auf noble wicklung: »Man hat in Deutschland schen verschiedenen Programmen gelenkten deutschen Filmpropaganda Lachen und Weinen und verschaff en Ausstattungen und extravagante Stars. lange geglaubt, diesen Krieg allein mit wählen konnte, erwiesen sich die gro- insgesamt von zeitgenössischen Beob- ihnen so ein paar heitere Stunden. Lu- Trotz seiner wachsenden gesell- der Stärke des Schwertes und der Rein- ßenteils nicht-fi ktionalen militärischen achtern meist als Misserfolg gewertet. bitsch nutzte diese Jahre, um sich auch schaftlichen Bedeutung hegten die heit der Sache entscheiden zu können. Filme als ausgesprochen unattraktiv. Da Zur Ironie der Geschichte gehört, dass als Regisseur zu etablieren und den deutschen Militärbehörden lange Zeit Erst ganz allmählich setzte sich die das Bufa nicht selbst über Kinos verfüg- die Ufa / zugleich das Funda- vielbeschworenen »Lubitsch Touch« zu Bedenken gegen das Kino. Aus Angst vor Einsicht durch, daß in diesem Kampf te, verschwanden seine Filme recht bald ment für eine Zukunft des deutschen entwickeln. Als der Krieg zu Ende war, Spionage und mangelndem Verständnis auf Leben und Tod alle Waff en, auch die aus dem Programm. In einer Zeit, in der Filmschaff ens nach dem Krieg legte, begann er, Filme für den Weltmarkt zu für die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung geistigen und moralischen, gebraucht der Krieg und seine Folgen auch das deren prominentester Vertreter Ernst produzieren, weckte das Interesse der unterband der Generalstab die Versuche werden müssen, und erst nach zwei Leben der Zivilbevölkerung unmittelbar Lubitsch wurde. Die Ufa-Filme wurden Amerikaner und machte wenig später von Kameraleuten, Aufnahmen in un- Kriegsjahren begannen die ersten amt- beherrschten, wollte man im Kino lieber zum Aushängeschild der weltoff enen Karriere in Hollywood. mittelbarer Frontnähe zu machen. Zwar lichen Versuche, die wichtigsten dieser über Lubitsch lachen, als sich belehren Weimarer Kultur und Lubitschs Filme Wie so viele andere Filme auch, ist erhielten die Firmen Messter und Eiko Waff en, Bild und Film, in den Kreis der zu lassen. bildeten die Vorhut. Den gesellschaftli- »Das schönste Geschenk« nicht über- Drehgenehmigungen und versorgten Kriegsführung zu ziehen.« Angesichts der mangelnden Popu- chen Außenseitern und ihrer Sehnsucht liefert. Dass wir heute dennoch zahlrei- ab  die Kinos in Deutschland und Die Frage nach der Massenwirksam- larität der Bufa-Filme einerseits und nach Teilhabe gehörte seine Sympathie, che historische Filme aus der Kriegszeit im neutralen Ausland sowie die bald keit von Filmpropaganda beschäftigte der weiter steigenden Unzufrieden- die alten Autoritäten holte er vom So- ohne bürokratische Hürden ansehen entstehenden Feldkinos in Frontnähe nicht nur die Mitarbeiter des Bufa. In heit mit der militärischen Lage und ckel und machte rebellische Frauen zu und eingehend studieren können, ist mit Filmmaterial. Doch die Bilder ihrer der Fachzeitung »Der Film« vom . Lebensmittelknappheit an der Front Stars. einem Gemeinschaftsprojekt europäi- Kriegswochenschauen wurden vom Mi- Dezember  stellte ein Kritiker fest, wie in Deutschland andererseits gingen scher Archive zu verdanken, durch das litär zensiert und verloren rasch ihren dass ein erfolgreicher Propagandafi lm Staat und Militär einen Schritt weiter: Philipp Stiasny ist wissenschaftlicher Materialien aus eigenen Beständen Neuigkeitswert. Publikum und Kino- einem »Wolf im Schafskleide« gleichen Am . Dezember  wurde die Uni- Mitarbeiter am Filmmuseum Potsdam digitalisiert wurden. Neben Wochen- betreiber begannen, über die uninte- müsse; das Publikum müsse emotional versum-Film AG (Ufa) gegründet und und an der Filmuniversität Babelsberg schauen, dokumentarischen Filmen ressanten, wenig spektakulären Auf- gepackt werden und dürfe die Propa- mit erheblichem Kapital ausgestattet, Konrad Wolf. Er ist Redakteur der und behördlichen Propagandafi lmen nahmen zu klagen. Die Lichtbild-Bühne gandaabsichten nicht erkennen. Statt ohne dass die Öff entlichkeit vom mi- Zeitschrift »Filmblatt« und Autor von sind nun auch Melodramen, Krimis und urteilte bereits am . Februar : »Es nicht-fi ktionaler Filme seien deshalb litärischen und regierungsamtlichen »Das Kino und der Krieg. Deutschland Komödien aus den unterschiedlichsten gibt keine aktuelle Berichterstattung, »Tendenzdramen« vonnöten. Ähnliche Hintergrund der Angelegenheit erfuhr. -« (München ) Ländern auf dem Online-Portal »Eu- ropean Film Gateway« (EFG ) frei zugänglich. Während die deutsche Filmbranche zu Beginn des Krieges noch eine lange Dürrezeit erwartete und der gesamte Unterhaltungssektor aufgrund von Zensurmaßnahmen, Verboten und Einberufungen schrumpfte, profi tier- te die Film- und Kinobranche bald von dem Niedergang von Konkurrenzun- ternehmen wie Theatern, Varietébüh- nen und Rummelplätzen, die allesamt mehr Personal als die Kinos benötigten. Neue Publikumsschichten wendeten sich dem Kino zu. Außerdem veränder- te sich der Absatzmarkt grundlegend durch die weitgehende Abschirmung von auswärtiger Konkurrenz, die Er- richtung von Feldkinos und die starke Expansion in den besetzten Gebieten. Bislang stand die deutsche Filmindus- trie deutlich hinter dem Nachbarland Frankreich zurück. Nun begann sie schnell zu wachsen. Nicht nur kommerziell bedeutete der Krieg für das deutsche Kino eine Zeit des Wachstums. Auch das öff entliche Ansehen des Kinos wandelte sich. In der Vorkriegszeit wurde es vor allem als billige Form der Unterhaltung wahrge- nommen und hatte in weiten Kreisen des Bürgertums einen schlechten Ruf. Schon bald nach Kriegsbeginn trat zur Unterhaltungsfunktion von Filmen die Informationsvermittlung in den Wochenschauen hinzu. Zumindest für Momente sollten die dokumentarischen Bilder der deutschen und österreichi- schen Truppen auf der Leinwand die räumliche Trennung zwischen Front und Heimat überwinden. Das Kino stell-

te so eine Verbindung und eine Nähe AKGIMAGES / ALLIANCE PICTURE FOTO: her, die vorher unmöglich erschien: Merchant Seamens Memorial am Tower Hill in London, ein Denkmal zur Erinnerung an die . gefallenen Handelsmatrosen des Ersten Weltkrieges 26 ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG www.politikundkultur.net

Von Geschichtsfibeln und »Dicken Schinken«

Der Erste Weltkrieg in verständnis des Geschichtsunterrichts Schulbüchern auf beiden Seiten der ideologischen und politischen Grenzen des Kalten Krieges. KERSTIN SCHWEDES, In den Lehrplänen und Schulbüchern RAINER BENDICK UND der sozialistischen Länder stand der STEFFEN SAMMLER Erste Weltkrieg für die Friedensunfä- higkeit eines imperialistischen Systems, ie internationale Konjunk- die folgerichtig in die proletarische Re- tur der Erinnerung hat den volution und den Aufbau einer neuen Ersten Weltkrieg  Jahre Gesellschaft gemündet sei. Die Kritik D nach seinem Beginn wieder der internationalen Rüstungsindustrie stärker in das politische Gedächtnis in als Verantwortliche des Krieges sowie Deutschland gerufen. Davon legen nicht Darstellungen der Friedensbewegung zuletzt die Reden des französischen und des Widerstandes gegen den Krieg, Staatspräsidenten Emmanuel Macron die dem Ungehorsam der Soldaten und und des deutschen Bundespräsidenten ihrer Verbrüderung über die Schützen- Frank-Walter Steinmeier vom . No- gräben hinweg einen zentralen Platz vember  auf dem Hartmannswil- einräumten, spielten eine wichtige lerkopf Zeugnis ab. Beide plädierten Rolle in den Schulbuchnarrativen der anlässlich der Eröff nung des ersten sozialistischen Länder. Die Lehrbücher deutsch-französischen Weltkriegs- der DDR erklärten die Revolution von museums an einem Ort, der besonders  als Werk klassenbewusster Arbei- symbolträchtig für die Grausamkeit und ter, die im Gegensatz zum »Verrat der die Sinnlosigkeit des Krieges steht, für Sozialdemokratie«, auf der richtigen eine auf die Zukunft gerichtete Erin- Seite der Geschichte gestanden hätten. nerungspolitik und -kultur. Sie hoben Demgegenüber stellten die Schulbücher hervor, dass der Erste Weltkrieg / der Bundesrepublik Deutschland die

nicht durch einen nachhaltigen Frieden Ereignisse des Jahres  stärker in den AKGIMAGES / ALLIANCE PICTURE FOTO: beendet werden konnte, weil tiefgehen- Kontext der Auseinandersetzungen um Soldatenfriedhof der Panzerfestung Douaumont des Ersten Weltkrieges,  Kilometer nördlich von Verdun de Verletzungen des Selbstwertgefühls Demokratie und Diktatur in der Wei- den Weg zu Versöhnung und Verständi- marer Republik. geisterung und soldatischer Pfl ichter- Reiches gegen die jungen National- Soldat, die in Gestalt des in der Franzö- gung versperrten. Mit diesem Hinweis Zentrale Themen, die über einen füllung zu dekonstruieren. Sie richteten staaten Südosteuropas. Dabei zeigt das sischen Revolution geborenen »soldat- berührten sie zentrale Fragestellungen, langen Zeitraum überaus kontrovers den Blick auf die grausame Realität des Studium russischer Schulbücher, dass citoyen« lange Zeit nahezu ungebrochen die auch für die Behandlung des Ersten diskutiert wurden, bildeten in einer Rei- Krieges sowie auf den Alltag der Sol- der Erste Weltkrieg trotz verschiedener in französischen Schulbüchen vermit- Weltkrieges im Unterricht von zentraler he von westeuropäischen Lehrbüchern daten in den Schützengräben und der Versuche, seinen patriotischen Charak- telt wurde, steht eine durch den Zivili- Bedeutung waren und sind. einerseits die Frage nach der Kriegs- Zivilbevölkerung im Hinterland, der ter zu propagieren, nicht die Bedeutung sationsbruch des Nationalsozialismus Schulbücher und Curricula liefern schuld, die in Artikel  des Versailler anhand von Selbstzeugnissen und fo- eines Vaterländischen Krieges erlangte. geprägte Perspektive auf das Militär in natürlich kein einfaches Abbild nati- Vertrages dem deutschen Kaiserreich tografi schen Dokumenten in den Lehr- Diese Bezeichnung blieb den siegrei- deutschen Schulbüchern gegenüber. onaler Erinnerungspolitiken. Aber sie allein zugeschrieben worden war, ande- büchern vermittelt wurde. Sie konfron- chen Kriegen gegen Napoleon und den Die erinnerungskulturelle Perspek- werden im Rahmen spezifi sch natio- rerseits die Suche nach einem gerech- tierten diese Erfahrungsberichte mit deutschen Faschismus vorbehalten. tive gestattet ferner den Brückenschlag naler Bezugssysteme erarbeitet und ten Frieden. Aus diesem Grund stellte der Kriegspropaganda in den einzelnen Mit der Ausweitung ihres Fokus auf zwischen Schulbuch und außerschuli- eingesetzt. Schulgeschichtsbücher sind die Übereinkunft über die Darstellung Ländern und lenkten den Blick auf die die außereuropäische Welt haben Au- schen Lernorten, an denen Schülerin- daher nach der klassischen Formulie- der Kriegsschuldfrage in den Ge- Veränderungen, die der Krieg im Selbst- torinnen und Autoren neuer Schulbü- nen und Schüler in zahlreichen bi- und rung von Wolfgang Jacobmeyer »nati- schichtsschulbüchern Frankreichs und verständnis von Naturwissenschaft oder cher in zahlreichen Ländern aber vor multinationalen Projekten auf Spu- onale Autobiographien«. Sie überlie- Deutschlands ein besonders wichtiges Geschlechterrollen bewirkte. allem das Bewusstsein dafür geschärft, rensuche in Museen und Gedenkorten fern die Deutungen und Werthaltungen Ergebnis der deutsch-französischen Die didaktischen Szenarien für die dass ein von Europäern, die sich wirt- die Geschichte des Ersten Weltkrieges gegenüber der Vergangenheit, die die Schulbuchgespräche der er Jah- Behandlung des Ersten Weltkrieges im schaftlich, politisch und kulturell der rekonstruieren. Besondere Bedeutung Generation der Erwachsenen für un- re dar, das den Weg zu Verständigung Unterricht weisen in den einzelnen Län- Bevölkerung anderer Erdteile überlegen haben hier die pädagogischen Projekte verzichtbar hält, damit die Generation und Versöhnung nach dem Zweiten dern aber weiterhin erhebliche Diff e- wähnten, verursachter Krieg in einen des Volksbundes Deutsche Kriegsgrä- der Heranwachsenden die Probleme Weltkrieg öff nete. Die Teilnehmer der renzen auf, was besonders das deutsch- Weltkrieg mündete, der zu einer grund- berfürsorge, der in seinen internatio- der Gegenwart und die Herausfor- deutsch-französischen Schulbuchge- französische Beispiel zeigt. In der Tat legenden Delegitimierung der europäi- nalen Jugendbegegnungsstätten junge derungen der Zukunft wird meistern spräche stellten den Friedensvertrag sind alle nationalen Feindbilder aus schen Überlegenheit führte. Diese Pers- Menschen aus den ehemals verfein- können. Unter den Bedingungen der den Büchern der ehemaligen Erbfein- pektive auf den Ersten Weltkrieg wird in deten Ländern in der Arbeit über die Friedensordnung von Versailles wurden de verschwunden. Während deutsche afrikanischen Schulbüchern herausge- unterschiedlichen nationalen Erinne- die Wahrnehmungs- und Deutungs- Bücher die Kriegsanstrengungen des arbeitet. Sie fi ndet aber auch in zuneh- rungskulturen zusammenführt. muster der Kriegszeit stets aktualisiert, Die zahlreichen digital kaiserlichen Heeres kritisch befragen, mendem Maße Eingang in europäische Die inzwischen auch zahlreich digital sodass Lehrpläne und Schulbücher für verfügbaren Quellen die Kriegsfreiwilligen als von nationa- Schulbücher. Beispielsweise lässt das verfügbaren Quellen und der virtuel- den Geschichtsunterricht die natio- stellen eine neue len Gefühlen verführte junge Männer deutsch-französische Geschichtsbuch le Zugang zu fernen Lernorten stellen nalen Feindbilder perpetuierten und Herausforderung für darstellen und eine Identifi kation mit den algerischen Weltkriegsteilnehmer auch beim Thema Erster Weltkrieg wesentlich dazu beitrugen, dass es auch den deutschen Soldaten verhindern, Emir Khaled zu Wort kommen. In sei- eine neue Herausforderung für das in der nachfolgenden Generation nicht das Schulbuch dar machen französische Schulbücher deut- nem Brief an den amerikanischen Präsi- Schulbuch dar. Sie eröff nen die große zu einer Verständigung und Versöhnung lich, dass die französischen Soldaten, denten Woodrow Wilson fordert dieser Chance, den Schülerinnen und Schülern zwischen den ehemaligen Kriegsgeg- die »Poilus«, Teil der positiven repub- selbstbewusst das Recht auf nationale mit einem über das Klassenzimmer nern kam. So setzten sich in der Zwi- von Versailles in eine vergleichende likanischen Tradition sind. Neben dem Unabhängigkeit und begründet diese hinausreichenden multimedialen An- schenkriegszeit, wie die Organisatoren Perspektive mit dem Wiener Kongress unterschiedlichen Umgang mit der Na- Forderung auch mit der durch die Ko- gebot eine transnationale Perspektive einer internationalen Konferenz zum von  und fragten danach, wie die tionalgeschichte spielen hier insbeson- lonialmacht Frankreich erzwungenen auf den Ersten Weltkrieg zu bieten, die Thema »Erster Weltkrieg im Schulbuch« Siegermächte die jeweils unterlegene dere auch die unterschiedlichen didakti- Teilnahme an einem Krieg, den er selbst auch die anspruchsvollen Forderungen es  im französischen Montpellier Seite behandelten und welche Folgen schen Standards eine wesentliche Rolle. für ungerecht hielt. der Geschichtsdidaktik umsetzen kann. formulierten, die Kampfhandlungen dies für den Aufbau einer stabilen Frie- Während deutsche Schülerinnen und Inzwischen haben auch die Ergeb- Schulbuchautorinnen und -autoren im »Grande Guerre des Manuels«, dem densordnung nach dem Ende der mili- Schüler beurteilen und bewerten sollen, nisse der Forschungen zur Erinne- stehen nunmehr vor der Aufgabe, das Großen Krieg der Schulbücher, fort. Ein tärischen Auseinandersetzungen hatte. also Sach- und Werturteile fällen, steht rungskultur und -politik Aufnahme klassische, gedruckte Lehrbuch mit den vergleichender Blick in die Schulbücher Inzwischen hat die Arbeit der deutsch- im französischen Geschichtsunterricht in die Schulbücher gefunden und das neuen digitalen Angeboten von World- europäischer und außereuropäischer französischen Schulbuchkommission das faktenbezogene, historische Ver- Bewusstsein für eine über Texte hinaus- Views oder Historiana zu verzahnen. Länder verspricht deshalb spannen- selbst den Status einer historischen stehen im Mittelpunkt des Unterrichts- reichende Materialität der historischen Hier ergeben sich bislang ungeahnte de Einsichten in Kontinuitäten und Quelle erlangt, die Eingang in die Ge- geschehens. Vor diesem Hintergrund Überlieferung geschärft. Möglichkeiten bi- oder multinationaler Wandlungen, die die Darstellungen schichtsbücher beider Länder gefunden haben sich transnationale Zugänge auf Soldatenfriedhöfe und Kriegerdenk- Zusammenarbeit. des Ersten Weltkrieges in den letzten hat und Schülerinnen und Schülern die Darstellung des Ersten Weltkrieges male haben einen festen Platz im Bil- Jahrzehnten erfahren haben. Eine Reihe hilft, diesen Versöhnungsprozess zu im Unterricht als besonders erkennt- derkanon der Schulbücher gefunden. Sie Kerstin Schwedes ist Wissenschaftliche von Konferenzen und Schulbuchstudi- rekonstruieren. nisfördernd erwiesen. bieten sich in besonderem Maße an, die Koordinatorin des Projektes World- en, wie die von Barbara Christophe und In dem Moment, in dem die traditio- In den letzten Jahren haben glo- Arbeit am Prozess des Erinnerns und Views/ EurViews am Georg-Eckert-In- Kerstin Schwedes erarbeitete Expertise nellen Narrative der nationalen politi- balgeschichtliche Perspektiven das Vergessens als einen kontrovers geführ- stitut – Leibniz-Institut für interna- des »Georg-Eckert-Instituts – Leibniz schen und militärischen Ereignisse als Bewusstsein dafür geschärft, dass der ten Prozess zu rekonstruieren. In einer tionale Schulbuchforschung. Rainer Institut für internationale Schulbuch- Leitmotiv der Schulbuchdarstelllungen Erste Weltkrieg nicht auf den westeuro- transnationalen Perspektive helfen sie Bendick ist Bildungsreferent beim forschung« zum Thema »Schulbuch und seit den er Jahren in Westeuropa päischen Kriegsschauplatz, die europä- nicht zuletzt Schülerinnen und Schü- Volksbund Deutsche Kriegsgräberfür- Erster Weltkrieg« haben dazu einen aus geschichtswissenschaftlicher und ischen Mächte und die USA beschränkt lern, das unterschiedliche Bild zu ver- sorge in Braunschweig. Steff en wichtigen Beitrag geleistet. fachdidaktischer Perspektive in zuneh- werden darf. Sie richten ihren Blick in stehen, das von der Rolle und dem An- Sammler ist Wissenschaftlicher Die Darstellung des Ersten Weltkrie- mendem Maße infrage gestellt wurden, einer vergleichenden Perspektive auch sehen des Soldaten in der Gesellschaft Mit arbeiter am Georg Eckert Institut – ges im Schulbuch folgte nach  zu- begannen Autorinnen und Autoren die auf den osteuropäischen Kriegsschau- gezeichnet wird. Der untrennbar positiv Leibniz Institut für internationale nächst dem unterschiedlichen Selbst- traditionellen Mythen von Kriegsbe- platz oder den Krieg des Osmanischen besetzten Verbindung von Bürger und Schulbuchforschung Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 27

Moderner Erinnerungsort Der Erste Weltkrieg im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr Dresden

GERHARD BAUER Beschränkungen der Dauerausstellung sum« von Menschenleben in Konfl ikten schen Carspach durch Archäologen des Den Ausstellungszyklus des MHM zum eine schlaglichtartige Darstellung der nachzudenken und die Verantwortung Pôle d’Archéologie Interdépartemental Ersten Weltkrieg beschloss ab . Juni ie Dauerausstellung des Militär- Ereignisse erzwingen, erlaubten  von jedem, der militärische Einsätze Rhénan aufgefundenen deutschen Gra-  »Die Flotte schläft im Hafen ein«, historischen Museums (MHM) bis  drei Sonderausstellungen und anordnet oder befürwortet. benabschnitts, der im März  von entstanden in Zusammenarbeit mit D gliedert sich in einen chronolo- eine Kunstinstallation intensivere und  Jahre nach der Ausrufung des französischer Artillerie zerstört wor- dem Deutschen Marinemuseum Wil- gischen Teil, der Militärgeschichte vom materialreichere Auseinandersetzun- »Zustandes drohender Kriegsgefahr« den war. helmshaven. Durch eine, einem Groß- Mittelalter bis zur Gegenwart erzählt gen mit dem Ersten Weltkrieg. wurde am . Juli mit »–Menschen– kampfschiff der Kaiserlichen Marine und einen thematischen Teil, der in Den Reigen eröffnete am . Juni Krieg« die größte Schau des MHM zum nachempfundene, Installation folgten dem von Daniel Libeskind entworfe-  »Krieg und Wahnsinn. Kunst aus Ersten Weltkrieg eröff net. Sie zeigte den Heldenkult, Formen die Besucher den Kriegserinnerungen nen keilförmigen Annex untergebracht der zivilen Psychiatrie zu Militär und Krieg als ein von der Menschheit her- des Leidens oder von zwei Matrosen der SMS »Helgo- ist. Innerhalb der Chronologie wird der I. Weltkrieg«. Die im Rahmen eines beigeführtes globales Unheil, erinnerte land«: Richard Stumpf und Carl Richard Erste Weltkrieg in dem Gebäudefl ügel Forschungsprojekts der Heidelberger aber auch an die von der Kriegführung die Nutzung neuer Linke. Jedes der Ausstellungsmodule behandelt, der dem »Zeitalter der Welt- Sammlung Prinzhorn erarbeitete Aus- ausgelösten zahllosen individuellen technischer Errungen- war einem Thema zugeeignet, von der kriege  bis « gewidmet ist. Dort stellung zeigte rund  Kunstwerke zu Katastrophen. schaften werden Verpfl egung über die Hierarchien an interessieren nicht nur die Dimensio- Militär und Erstem Weltkrieg, die zwi- Die Basis für diesen Ansatz lieferte beleuchtet Bord bis hin zur Skagerrak-Schlacht nen des Konfl ikts und die Eigentüm- schen  und  in zivilen psychi- die Kooperation mit Autoren und Pro- und den Meutereien im November . lichkeiten der Kriegführung. In einem atrischen Anstalten entstanden waren. duzenten der Dokumentarfi lm-Serie  zuerst im Marinemuseum Wil- Vertiefungsraum erfahren die Besucher Zu Diskussionen regte Stela (Stele) » – Tagebücher des Ersten Welt- Der Waggon symbolisierte die Wege helmshaven gezeigt, wurde die Ausstel- anhand vergleichender Darstellungen, an, ein Kunstprojekt des Neuseeländers kriegs«. Gestaltet von dem namhaften zahlloser Soldaten in und durch den lung in Dresden mit einem umfang- worin sich der Erste und der Zweite Kingsley Baird. Vom . bis . Juli  Bühnenbildner, Regisseur und ehemali- Krieg, aber auch den Eintritt Europas reichen Prolog versehen, welcher sich Weltkrieg unterschieden. Sie können er- war es nicht nur zu sehen, sondern auch gen Ausstattungsleiter der staatlichen in eine gewaltgeprägte Periode, die bis der Selbstdarstellung der Kaiserlichen messen, dass ab  vieles vorgeprägt zu (be-)greifen und zu schmecken. Ste- Schauspielbühnen Berlin, Fred Berndt,  andauerte. / transportierten Marine und ihrer über den Krieg hinaus oder erstmals angewendet wurde, was la, inspiriert von mit Gefallenenlisten nahm die Ausstellung mit ihren rund G Soldaten an die Fronten. Während wirkenden Idealisierung widmete. In ab  noch ungleich größere Bedeu- versehenen Monolithen auf dem deut-  Exponaten . Quadratmeter ein. des Zweiten Weltkrieges dienten sie der Kombination mit den beiden Ma- tung bekommen oder zu schrecklicher schen Soldatenfriedhof im belgischen Zuerst vollzog der Besucher gleichsam auch zur Deportation jüdischer Vete- trosen-Tagebüchern ergab sich eine Entfaltung kommen würde. Das betriff t Langemark, entstand aus Lagen von den Weg von der Vorkriegszeit in die ranen in deutsche Vernichtungslager. kontrastreiche Darstellung, welche die insbesondere Technik und Taktik eben- Keksen, welche den Silhouetten von Phase der ersten Kämpfe und von den Der Kilianstollen war begehbar und Unterschiede zwischen Anspruch und so wie den Stellenwert politischer Ideo- Soldaten der Mittelmächte und ihrer Fronten mit Verwundetentransporten vermittelte eine Ahnung von der Klaus- Wirklichkeit der kaiserlichen Flotten- logien, Kriegsverbrechen oder auch die Gegner entsprachen. Wie in einem zurück in die Heimat nach. trophobie und Beklemmung, welcher rüstung kenntlich machte. Totalisierung der Kriegführung. Massengrab übereinander geschich- Der zweite Ausstellungsbereich Soldaten in Gräben und Unterstän- Im Themenparcours begegnen Be- tet, ergab sich aus dieser Vereinigung führte hinein in das Inferno der Ma- den an der Front ausgesetzt waren. Gerhard Bauer ist Wissenschaftlicher sucher unterschiedlichen Aspekten der vormaligen Gegner eine Geste der terialschlachten. Zwei Großobjekte Grabungsfunde, darunter Waff en und Oberrat und Leiter des Sachgebiets des Ersten Weltkrieges wie dem Hel- Versöhnung. Der Künstler begleitete prägten die beiden Ausstellungsbe- Munition sowie Uniformreste, Erken- Uniformen/Feldzeichen im Militärhis- denkult, den Formen des Leidens, aber sein Projekt in jeder Phase. Indem er reiche, ein  in Dienst gestellter nungsmarken und persönliche Ge- torischen Museum der Bundeswehr auch dem Kriegseinsatz von Tieren Besuchern Soldaten-Kekse zum Verzehr Güterwagen des Typs G  und die mit genstände der namentlich bekannten Dresden. Er kuratierte  die oder der militärischen Nutzung von anbot, kam er mit ihnen ins Gespräch Originalteilen realisierte,  Meter lan- Gefallenen wurden in der Anlage dort Ausstellung »–Menschen–Krieg« und wissenschaftlichen und technischen über Formen des Kriegsgedenkens. Er ge und drei Meter hohe Rekonstruktion platziert, wo sie gefunden oder verwen-  den Prolog von »Die Flotte schläft Neuerungen. Während die räumlichen regte damit auch an, über den »Kon- des Kilianstollens, eines beim elsässi- det worden waren. im Hafen ein«

Dieser Aufgabe hat sich der Volksbund Kriegsgräberstätten und tauschen uns Deutsche Kriegsgräberfürsorge ange- mit den Organisationen der Kriegsgrä- nommen. berfürsorge anderer Nationen aus. Blickt man auf eine Kriegsgräber- Dort, wo die Fronten des Ersten stätte, sieht man endlose Reihen von Weltkrieges verliefen, werden  Ju- Kreuzen und Gräbern, die alle gleich gendmannschaften von Fußballverei- erscheinen. Um die Toten aus der Ano- nen aus ehemals kriegsführenden Län- nymität zu befreien, versucht der Volks- dern zum Freundschaftsspiel antreten. bund, den Toten ihre Namen, ihre Ge- Sie werden aber auch über den Krieg sichter und ihre Geschichte wieder zu sprechen und der Toten gedenken. Wir geben. Jungen Menschen, die in Kriegs- freuen uns, dass die Bundesligamann- biografi e-Projekten mitarbeiten, wird schaft Hertha BSC Berlin dieses Projekt dabei klar: Diese Toten waren jung. So unterstützen wird. jung wie sie. Sie hatten Hoff nungen und Kriege brechen nicht aus, sie werden Wünsche für ihr Leben. Das verbindet gemacht. Durch Feindbilder, autoritäre sie mit den jungen Menschen, die sich Denkweisen und Hasspropaganda wer- mit ihnen beschäftigen – bei Work- den sie vorbereitet. Wer dies verhin- camps oder in Geschichtsprojekten. dern will, muss dafür sorgen, dass die In  Landesverbänden betreuen nachfolgenden Generationen die Ge- unsere Bildungsreferentinnen und -re- schichte kennen und moralische Werte ferenten Schulen mit Projektarbeiten entwickeln können. Vorurteile können zur Geschichte, Erinnerung und zum durch direkte Begegnungen abgebaut, Gedenken. Sie vermitteln Themen, die das Engagement für Frieden und De- eine Beziehung zwischen »damals« und mokratie kann gestärkt werden, wenn »heute« herstellen. junge Leute aus unterschiedlichen Län- In unseren Jugendbildungsstätten dern sich kennen und schätzen lernen. arbeiten wir jährlich mit rund . Das Jahr  steht im Zeichen der Tages- und Übernachtungsgästen an Erinnerung in Europa, aber nicht nur Themen der Erinnerungs- und Gedenk- an das Ende des Ersten Weltkrieges. Der

FOTO: PICTURE ALLIANCE / AA / ALLIANCE PICTURE FOTO: kultur. Außerdem organisieren wir in Beginn des Dreißigjährigen Krieges Blick auf das Çanakkale Märtyrerdenkmal in der Türkei während der Feiern zum . Jahrestag der Schlacht von Gallipoli »Workcamps« Begegnungen zwischen jährt sich zum . Mal – und zum . Jugendlichen aus verschiedenen Län- Mal der Abschluss des Elysee-Vertra- dern, in denen sie zusammen arbeiten ges. Während auch der Dreißigjährige und ihre Freizeit verbringen. Krieg mahnt, dass Verrohung und Zer- Im Jahr  werden wir  Kriegs- störung überall und jederzeit möglich gräberstätten im In- und Ausland sind, gibt uns das Vertragsjubiläum ein Erinnern für die Zukunft pädagogisch und medial zu besonde- hoff nungsvolles Signal: Wenn wir den ren Lernorten umgestaltet haben. In Frieden wollen, können auch einzelne Die Arbeit des Volksbundes Dennoch steht der Erste Weltkrieg in Die Erinnerung erhält einen den folgenden Jahren sollen alle un- Menschen etwas bewirken – das Denken Deutsche Kriegsgräber- Deutschland im Schatten des Zweiten neuen Sinn sere Friedhöfe von Gedenk- auch zu in »Erbfeindschaften« beenden und mit Weltkrieges, der noch entsetzlicher war »Nachdenk«-stätten werden. freundschaftlicher Zusammenarbeit be- fürsorge und durch die mörderische Menschen- Tatsächlich stellt sich die Frage an- ginnen. Es gibt ganz unterschiedliche verachtung des nationalsozialistischen ders. Es geht nicht mehr darum, sich Formen der Erinnerungsarbeit, aber sie Vom Gedenken zum Nachdenken DANIELA SCHILY Deutschlands unsere Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg zu erinnern. haben ein gemeinsames Ziel: Europa maßgeblich prägte. Die Zeit der individuellen Trauer ist für Frieden kann man nicht allein schlie- darf nie wieder in Krieg, Gewaltherr- as Jahr  steht im Zei- Gleichzeitig werden bei uns Stim- die Mehrheit vorbei. Stattdessen geht ßen, sondern nur gemeinsam. Deshalb schaft und Diktatur versinken. »Erin- chen der Erinnerung in Eu- men laut, »endlich Gras über die Ver- es darum, an den Ersten (und auch den liegt der Schwerpunkt unserer Bil- nern für die Zukunft« – das ist Motto ropa. Das Ende des Ersten gangenheit wachsen zu lassen« und Zweiten) Weltkrieg zu erinnern. Damit dungsarbeit nicht nur auf der Begeg- und Leitschnur des Volksbundes Deut- D Weltkrieges jährt sich zum den »ewigen Entschuldigungskomplex erhält die Erinnerung einen neuen Sinn, nung und dem Austausch mit jungen sche Kriegsgräberfürsorge. . Mal. Die Grausamkeit seiner Tö- abzulegen«, zumal doch auch niemand denn nun dient sie der Gestaltung der Menschen der Zivilgesellschaft, wir tungsmaschinerie forderte  Millionen von uns den Ersten Weltkrieg noch er- Zukunft. Das Kriegsgrab wird vom Ort fördern auch den gemeinschaftlichen Daniela Schily ist Generalsekretärin Tote, noch viel mehr Menschen blieben lebt habe und sich also niemand daran der Trauer zum Ort der Erinnerung, Einsatz von Soldatinnen und Soldaten des Volksbundes Deutsche Kriegs- äußerlich und innerlich verletzt zurück. »erinnern« könne. der Erkenntnis und somit des Lernens. verschiedener Länder zur Pfl ege der gräberfürsorge 28 ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG www.politikundkultur.net

 Projekte für den Frieden in Europa

Internationale Jugend- Verständnis der jeweiligen nationalen begegnungen zum Erinnerungstraditionen das europäische gemeinsamen Erinnern Bewusstsein stärkt und weiterentwickelt. Das DFJW hatte dazu als Handrei- und Gedenken chung in Zusammenarbeit mit zwei Partnern, den Vereinen Rue de la Mé- MARKUS INGENLATH moire und Aktion Sühnezeichen Frie- densdienste e.V., das pädagogische Va- ls sich das Deutsch-Franzö- demecum »Geschichte und Erinnerung sische Jugendwerk (DFJW) in internationalen Jugendbegegnungen« kurz nach seinem . Jubi- entwickelt. Der gewählte methodische A läum  erstmals über- Ansatz soll die Teilnehmenden dazu legte, Jugendbegegnungen aus Anlass befähigen, sich selbst aktiv innerhalb des bevorstehenden Gedenkens an den von Geschichte zu verorten. In mehreren Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor  Schritten wird der Bogen geschlagen von Jahren auszurichten, überwog Skepsis: der individuellen und Familiengeschich- Nicht nur, dass das Thema Krieg an sich te über die Lokalgeschichte des Begeg- in den westeuropäischen Friedensge- nungsortes und einer Gegenüberstel- sellschaften sowie bei ihrer Jugend und lung der »großen« Geschichte mit der den Jugendfunktionären außerhalb Geschichte »des kleinen Mannes« hin zu

FOTO: PICTURE ALLIANCE / AP PHOTO AP / ALLIANCE PICTURE FOTO: der Vorstellungskraft lag; auch die Be- möglichen Verbindungslinien zwischen Blick auf den Militärfriedhof des Hartmannswillerkopf-Schlachtfeldes in den Vogesen schäftigung mit einem Krieg, der in der dem gegenwärtigen Leben und der Zu- deutschen historiografi schen wie po- kunft der Teilnehmenden. Die Fragen litischen Bezeichnung gemeinhin der nach der Einordnung in einen Zeitstrahl »erste« von zwei verursachten Weltkrie-  bis  bzw. nach kritischer Wür- gen ist, in Frankreich weiterhin oft der digung der Informationsquellen und »Große Krieg« genannt wird, galt als Formen ihrer Übermittlung werden Hartmannswillerkopf wenig erfolgsversprechend. Stattdessen begleitend thematisiert. Für jeden der konstatierte man eine Asymmetrie des Abschnitte werden darüber hinaus ein Eine deutsch-französische Begegnungsstätte Gedenkens an die Zeit von  bis , »Werkzeugkoff er« mit verschiedenen die in Deutschland zwar als »Urkata- pädagogischen Instrumenten angeboten. GERD KRUMEICH und operative Vorteile, sondern um in eine Gesamtgeschichte des Ersten strophe« des . Jahrhunderts gilt, aber Dieser Ansatz für ein gemeinsames die symbolische Inbesitznahme bzw. Weltkrieges einbetten. im Wesentlichen durch den Holocaust deutsch-französisches Gedenken hat uf dem Hartmannswillerkopf Behauptung des Elsass. So wird dort zunächst ein Infor- und den Zweiten Weltkrieg mit seinen sich in der Praxis als sehr fruchtbar im Elsass fand im Ersten Welt- Nach dem Krieg und der Rückkehr mationsfi lm mit dokumentarischem Folgen in den Hintergrund gerückt wur- erwiesen. Ohne Zweifel stellt zwar die A krieg eine Art permanenter des Elsass zu Frankreich wurde der Material aus der gesamten Zeit des de, in Frankreich dagegen als der Grün- Zeitspanne von  Jahren in einer stark deutsch-französischer Krieg statt. Seit »Vieil Armand« zu einer wichtigen Weltkrieges und seiner Vorgeschich- dungsmythos des modernen Staates gilt. gegenwartsbetonten Kultur eine gewisse  gehörte das Elsass wie Lothringen französischen Gedenkstätte mit einem te gezeigt. Die Besucher können dann Inzwischen hat sich die Einschätzung Herausforderung dar. Andererseits zeigt zum Deutschen Reich, aber die Fran- sehr eindrucksvollen Monument aus- die verschiedenen Details der Gebirgs- zu Jugendbegegnungen über die Thema- sie jedem jungen Menschen sehr plas- zosen trauerten um die »verlorenen gestaltet. Und bis in die er Jahre kämpfe ansehen, etwa eine Seilbahn tik Erster Weltkrieg grundlegend gewan- tisch, welchen weiten Weg – von Kon- Provinzen« und machten keinen Hehl blieb es auch dabei. en miniature. Auch der im Krieg ver- delt. Zwei Großveranstaltungen –  fl ikt und Gewalt über Versöhnung bis zur aus ihrer Absicht, sie irgendwann wie- In dem Maße, wie die deutsch-fran- schüttete und vor wenigen Jahren aus- auf dem Hartmannswillerkopf in den Partnerschaft für Europa – Deutsche und der zurückzuerobern. , zu Beginn zösische Freundschaft wuchs, entstand gegrabene Kilianstollen mit den seit Vogesen und  in Verdun mit  bzw. Franzosen seither zurückgelegt haben des Krieges, war die »Vogesenfront« auch das Bedürfnis, hier wie vor Verdun  Jahren darin liegenden Ausrüs- . jungen Menschen – und die über und eröff net das Angebot, sich selbst als mit dem  Meter hohen Hartmanns- eine gemeinsame Gedenkstätte einzu- tungsgegenständen wurde hier nach- fünf Jahre von  bis  konzipierte Teil dieser Geschichte und damit verant- willerkopf ein heiß umkämpftes Ge- richten und mit einem Info-Zentrum gebaut. »Herzstück« der Ausstellung Projektausschreibung » Jahre Erster wortlich für die Gestaltung der Zukunft biet. Wer die Kuppe des »Hartmann« auszustatten. Diese Idee wurde ins- ist zweifellos ein besonderer Raum, in Weltkrieg –  Projekte für den Frieden zu fühlen. Der junge Mensch soll nicht besetzen konnte, kontrollierte alle besondere von der Colmarer Touris- dem Soldaten beider Nationen den in Europa« haben gezeigt: Es ist möglich, nur Zuschauer einer fremden Symbolik Straßen und Bahnlinien von Cernay musentwicklungsagentur mit ihrem Krieg erzählen, wie sie ihn Tag für Tag zu diesem Thema erfolgreich und nach- sein oder nur angelerntes historisches und Mulhouse und damit einen wich- hingebungsvoll für dieses Projekt wir- erleben und erleiden mussten. Diese haltig Jugendbegegnungen mit Teilneh- Wissen sammeln, sondern selbst Akteur tigen Zugang zur gesamten Westfront. kenden Direktor, Jean Klinkert, verfolgt. nachgesprochenen Berichte stammen menden aus Deutschland, Frankreich einer Geschichte werden. So entspannen sich ab August  Ein wissenschaftlicher Beirat aus fran- alle aus Originalquellen, aus Briefen und darüber hinaus aus Drittländern in Die Resonanz auf die Ausschreibung erbitterte Kämpfe um diesen Berg, den zösischen und deutschen Spezialisten und Tagebüchern von Soldaten, die hier Osteuropa, auf dem Westbalkan und in » Jahre Erster Weltkrieg –  Pro- die Soldaten bald »Menschenfresser« des Ersten Weltkrieges, Archivaren und am Hartmannswillerkopf kämpften. Ein Nordafrika durchzuführen. jekte für den Frieden in Europa« war nannten. Hier war der Erste Weltkrieg Verwaltungschefs der gesamten Re- bewegliches Panorama der Schlacht Ausschlaggebend waren einerseits enorm und überstieg die vorgesehe- eine rein deutsch-französische Kon- gion – bis hin nach Karlsruhe, dessen illustriert diese Erzählungen mit der geänderte politische Rahmenbedin- nen Haushaltsmittel, sodass selbst für frontation. Und so blieb es auch bis Generallandesarchiv wertvolle doku- Darstellung der jeweiligen Gefechte gungen und andererseits die Anpassung die ausgewählten Projekte lediglich . Um jeden Meter wurde gerungen. mentarische Hilfe leistet – unterstützt und Positionen. bekannter friedenspädagogischer Kon- Zuschüsse gezahlt werden konnten. Deutsche und Franzosen standen sich ihn in seiner Arbeit. Im Rahmen der Die dreisprachige Vermittlung der zepte. Politisch war mit dem Ukraine- Eine abschließende Evaluierung steht oft auf  bis  Meter Entfernung Vorbereitung des »Centenaire« war die Geschichte dieser Kämpfe soll den Konfl ikt seit  die Kriegsthematik in noch aus, aber schon jetzt kann ge- gegenüber. Maultiere und Menschen Französische Republik bereit, , Milli- Besuchern ein tieferes Verständnis Europa eindeutig stärker ins Bewusst- sagt werden, dass junge Menschen aus schaff ten Waff en, Ausrüstung, Nah- onen Euro in dieses Projekt zu investie- dessen vermitteln, was sich vor hun- sein der jungen Menschen gerückt. Deutschland, Frankreich und darüber rung in die Höhe und brachten ver- ren. Leider sind die deutschen Beiträge dert Jahren auf diesem heute immer Zudem öff nete sich die französische hinaus aus den drei erwähnten Schwer- wundete und tote Soldaten zurück bis heute eher spärlich, insgesamt wohl noch vom Krieg zerfressenen Terrain Gedenkpolitik nach dem endgültigen punktregionen der trilateralen Arbeit in die Hospitäler der Etappe und auf nicht mehr als . Euro. ereignet hat. Die Besichtigung des Abschied von der Erlebnisgeneration des DFJW, aus dem schulischen und die Soldatenfriedhöfe. Auch schwerste Der Grundstein zum Historial vom Historial wird beschlossen mit einem einem Erinnerungsdiskurs, der Multi- außerschulischen Bereich und mit di- Artillerie wurde bis auf die Bergkuppe Hartmannswillerkopf – die elsässi- Ausblick auf das Zusammenwirken perspektivität einschließlich der Sicht- versen soziokulturellen Profi len in den transportiert und Schützengräben in sche Namensgebung wurde für bei- Deutschlands und Frankreichs beim weise in ehemaligen Kolonien und einen Begegnungen zu friedenspädagogisch den Fels gehauen. Auf beiden Seiten de Seiten verbindlich gemacht – ist Aufbau eines geeinten Europas nach Fokus auf das individuelle Leiden der unterschiedlichsten Fragestellungen kämpften überwiegend erfahrene und  von den Präsidenten François der Erfahrung zweier Weltkriege. Menschen stärker zuließ. zusammenkamen. Die Erfahrung hat sehr gut ausgebildete Spezialtruppen, Hollande und Joachim Gauck gelegt Wegweisend für die künftige Ge- Die Ausschreibung » Jahre Erster das DFJW ermutigt, zum Ende des Ge- Gebirgsjäger und »Chasseurs alpins«. worden. Die Einweihung des Gebäu- staltung der deutsch-französischen Weltkrieg –  Projekte für den Frieden denkzyklus an den Ersten Weltkrieg im Es war ein erbitterter Kampf, einen des und der fertigen Ausstellung er- Erinnerungskultur ist, dass mit diesem in Europa« bot dazu einen guten Anlass November  mit Unterstützung des »Weihnachtsfrieden« hat es hier nicht folgte am . November , wieder Informationszentrum eine deutsch- und ein reichhaltiges Experimentierfeld. Auswärtigen Amtes und der französi- gegeben. Die Bergkuppe wurde immer durch die beiden Staatspräsidenten, französische Begegnungsstätte neuer Das DFJW förderte dabei von  bis schen Mission du Centenaire sowie er- wieder von der einen Seite eingenom- nun Emmanuel Macron und Frank- Art realisiert werden konnte. Denn die  jedes Jahr rund  Projekte, die sich fahrenen Partnern wie dem Volksbund men und von der anderen zurücker- Walter Steinmeier. Die inzwischen nationalen Erinnerungen an diese Er- aus Anlass des Gedenkens an den Ers- Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V. obert. Es war allerdings in gewisser schon eingebürgerte Bezeichnung eignisse – einschließlich der besonde- ten Weltkrieg daran versuchten, eine ge- und der ONAC eine große Jugendbegeg- Weise ein separater Krieg, den die »Historial« ist eine Verbindung von ren Situation des Elsass – werden hier meinsame Zukunft in Europa zu skizzie- nung in Berlin mit rund  Teilneh- Öff entlichkeit nach  kaum noch »Histoire« und »Mémoire«, von Ge- vollkommen gleichwertig behandelt ren. Das DFJW wollte junge Menschen, menden aus Deutschland, Frankreich, zur Kenntnis nahm. Denn inzwischen schichte und Gedenken. Das Historial und in einen dezidiert binationalen Multiplikatoren, (Heimat-)Forschende der EU, Osteuropa, dem Westbalkan hatte sich die Westfront über die Mar- vom Hartmannswillerkopf will in der Diskurs eingebracht. und Pädagogen ermutigen, gemeinsam und dem benachbarten Mittelmeer- ne und Verdun an die Somme und nach Tat beides leisten: Es führt die Be- bi- und trilaterale Jugendbegegnungs- raum auszurichten, um zwischen dem Flandern verlagert, sodass der Hart- sucher in die Geschichte des Ortes Gerd Krumeich ist Historiker und projekte durchzuführen, europäische französischen Armistice am . und dem mannswillerkopf zwischen  und der Kämpfe im Ersten Weltkrieg ein, emeritierter Professor der Heinrich- Werte vermitteln und die Frage nach deutschen Volkstrauertag am . No-  nur noch ein Nebenkriegsschau- und es will den Menschen von heute Heine-Universität Düsseldorf. Er einer gemeinsamen kollektiven Erin- vember einen Bogen zu schlagen und platz war. Trotzdem wurde der Krieg die Menschen von damals begreifl ich leitete gemeinsam mit Professor nerung wachhalten. Ziel dieser noch bis gemeinsam über unsere Werte und Zu- dort als ein unerbittlicher Zweikampf machen, in ihrem Kampf für Heimat, Nicolas Off enstadt (Université Paris I Ende  laufenden Projekte war und kunft in Europa nachzudenken. zwischen Deutschen und Franzosen Vaterland und Ehre. Es will den beson- – Sorbonne) den deutsch-französi- ist es, aus einem deutsch-französischen weitergeführt. Ungefähr . Sol- deren Charakter dieser deutsch-fran- schen Wissenschaftsrat zur Konzepti- Gedenken heraus, den Nukleus einer Markus Ingenlath ist Generalsekretär daten fi elen ihm zum Opfer. Hier ging zösischen Konfrontation verstehen on der Ausstellung im Historial am transnationalen Erinnerungskultur zu des Deutsch-Französischen Jugend- es letztlich nicht mehr um Strategie lassen und gleichzeitig die Ereignisse Hartmannswillerkopf entwickeln, die unter Kenntnis und im werks (DFJW) Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 29

Erinnerungskultur in Räumen gedacht Orte, die im Jubiläumsjahr des Ersten Weltkrieges entstanden

RICCARDA CAPPELLER dem Gedicht »Flandern Fields« von John Toten erinnern, nicht aber die deutschen, für . Gefallene, die in Ablain- für die eigene Refl exion. Teils in den McCrae hervorgegangen. Die Mohnblu- französischen oder russischen Verluste Saint-Nazaire am Hügel von Notre- Boden eingelassen, teils aufl iegend ie Erinnerungskultur ist ein men stehen für die vom Soldatenblut rot thematisieren?«, fragte damals der Re- Dame-de-Lorette ums Leben kamen. und ein Drittel über die Hangkante wichtiger Bestandteil einer gefärbten Trümmerfelder in Flandern dakteur und ehemalige Turner-Prize- Es wurde direkt neben dem größten, auskragend, steht die ellipsenförmi- D jeden nationalen Identität. im Norden Frankreichs, auf denen tat- Kritiker Jonathan Jones. »Außerdem  errichteten Militärfriedhof erbaut ge, begehbare Struktur für Einheit und Globale Ereignisse, wie der Erste und sächlich der Klatschmohn zu wachsen stelle die Blume den Krieg als etwas und zum Jubiläum im Jahr  einge- Brüderlichkeit. Der auskragende Teil Zweite Weltkrieg, werden der Geschich- begann. Als einzige Pfl anze, die die Ver- Edles dar, was zwar die Motivation der weiht. Nach der Idee des Architekten des Gebäudes erinnert daran, dass te der einzelnen Länder entsprechend wüstung der Kriegsschlachten überdau- Soldaten gewesen sein mag, nicht aber Philippe Prost sollten die ehemaligen Frieden nur ein Zustand eines stets aus verschiedenen Perspektiven auch erte, ging sie in die Geschichte ein und das was der Tod der Massen ausdrücken Gegner unabhängig ihrer Nationalität, fragilen Gleichgewichtes ist. Die klare verschieden interpretiert. Während in ist auch eine Referenz zum Morphium, sollte.« Religion oder kulturellen Hintergrunds architektonische Sprache des Gebäu- Deutschland die Geschichte des Ersten dem Schmerzmittel, was viele Soldaten Man muss der Installation zugutehal- an einem Ort symbolisch vereint und des distanziert sich eindeutig von den Weltkrieges verblasst ist und von den bekamen. Seit  sammelt man mit ten, dass sie in ihrer Namensgebung und erinnert werden. Die globale Dimensi- heroischen Gesten der historischen Ereignissen der er Jahre übertönt dem Verkauf der »red poppy fl owers« für Symbolhaftigkeit allgemein verständlich on des Krieges erhält hier einen ganz Denkstätten und sucht eine objektive wurde, ist sie z. B. in Großbritannien die Unterstützung von Veteranen. war und trotz der ästhetischen Erschei- anderen Stellenwert als beim Londoner Vermittlung einer europäischen Erin- oder Frankreich wichtiger Bestandteil Paul Cummins, ein Keramik-Künstler nung auch etwas Abschreckendes hat- Beispiel. nerungskultur. der Kultur. Jedes Jahr werden viele Er- und Tom Pieper, ein Bühnen-Designer, te, das den Krieg als negativ konnotiert. Das Konzept der Erinnerungsstätte Mit diesem Mahnmal ist ein Er- innerungsorte in Szene gesetzt, oder wie griff en die Metapher der roten Felder in Cummins sagte nach der Ausstellung beruht auf einem Menschenkreis, bei innerungsort entstanden, der für die im Jahr des -jährigen Jubiläums  ihrer Kunstinstallation »Blutgetränkte seines Werks, dass das eindrucksvolls- dem sich die Teilnehmer an den Hän- Demokratieerziehung der noch jün- neu entwickelt. Erde und Meer von Rot«, im Original te des Events die Geschichten der über den fassen. Es entstand ein insgesamt geren Gesellschaft ein gutes Beispiel Erinnerung ist immer auch an ein »Blood swept lands and seas of red«, . internationalen Freiwilligen wa-  Meter langer Ring, den man über sein kann. materielles Objekt oder einen Ort ge- auf. Aus einem der Fenster des Tower of ren, die das »Pfl anzen« der Mohnblumen einen Weg, der in die Erde eingelas- Ein direkter Vergleich der beiden knüpft. Wenn nichts mehr da ist, fällt es Londons fl oss das rote Meer aus . von Juli bis November unterstützten. Sie sen ist, betritt. Außen aus dunklen Erinnerungsorte fällt schwer. Der eine schwer zu erinnern. Dort, wo Mahnmale Keramik-Mohnblumen, wie eine Kaska- seien Teil der Veteranengemeinschaft Betonelementen, befinden sich an temporär, national, symbolisch und in stehen, Ereignisse symbolisch in Beton de in den Burggraben, der vollständig oder Angehörige dieser gewesen. Trotz der Innenseite ca.  bronzefarbene einen bestehenden Raum eingefügt, gegossen sind, Namen in Stein gemei- umringt wurde. Jede einzelne Mohnblu- des nationalistisch geprägten Bildes der Edelstahltafeln, die im Zickzack wie der andere permanent, internatio- ßelt wurden, oder temporär eine Ins- me stand für einen der britischen oder populären Erinnerungskultur gab es also aufgeschlagene Buchseiten wirken. Sie nal, objektiv wahrheitsgetreu und auf tallation stattgefunden hat, wurde die Commonwealth-Soldaten, die während auch eine soziale Komponente, die das bilden die Namen der Gefallenen, al- dem freien Feld einer ursprünglichen gegenwärtige Erinnerung eingefroren des Krieges verstarben. Der Raum, die gemeinsame Erinnern auf eine andere phabetisch aufgelistet ab. Ob Verlierer, Kriegsaustragungsstätte positioniert. und als Interpretation des Geschehenen Burg und der rote Fluss wurden zum Ge- Ebene brachte, als die eines rein touris- Gewinner, Feind oder Freund während Vielmehr ist es bemerkenswert, dass oder Symbol räumlich manifestiert. Wal- denkort und vielbesuchten Highlight der tischen Spektakels. der Schlacht – im Denkmal werden die sich Erinnerungsorte, die sich auf ein so ter Benjamin schrieb, dass Erinnerung, Erinnerungsstätten. Die temporäre Installation wurde einstigen Akteure dieses Ortes vereint. weit zurückliegendes Ereignis beziehen, vor allem die kollektive Erinnerung, ver- In der britischen Presse war man sich später wieder entfernt und die Poppies Schlicht, modern und sachlich zu- immer noch verändern und neu entste- eint, Generationen verbindet und ein über die Installation uneinig. Während für  Pfund das Stück verkauft. Der rückhaltend, liegt die architektonisch hen. Sie zeigen einen Teil der heutigen Gespür für das geteilte Erbe vermittelt. die »Financial Times« über den Wandel Erlös ging an die Veteranen und deren gut durchdachte Erinnerungsstätte auf Kultur, die sich, wie unsere Erinnerung, Dort, wo Menschen gemeinsam erinnern, der Erinnerungskultur weg von klas- Hinterbliebene. einem grünen Grashügel, der den Blick im Laufe der Zeit weiter wandelt und zu ist das Vergangene wieder Teil der Ge- sischen Kriegsdenkmälern und hin zu über die Landschaft und ehemaligen neuen Repräsentationen mit veränder- genwart und wird in einem neuen Kon- einer künstlerischen Darstellungsweise Schlachtfelder ermöglicht. Trotz seiner ten Bedeutungen führt. Beton, ein guter Überblick und die text beobachtet, gemeinsam refl ektiert, und Entertainment der Massen berich- klaren Formgebung und raumeinneh- räumliche Erinnerung im Norden interpretiert und bewertet. Während der tete, stellte »The Guardian« die natio- menden Figur, die  Meter lang und Riccarda Cappeller ist freie Frankreichs Erinnerungsort physisch und symbo- nalistische Darstellungsweise infrage.  Meter breit ist, nimmt sich der Bau- Architekturjournalistin mit Fokus auf lisch fortbesteht, verändert sich seine »Was sagt es über Großbritannien aus, Ein ganz anderes Zeichen setzt der körper zurück und bietet dem Besucher Projekten mit sozialem Hintergrund Bedeutungsebene, der Zusammenhang dass wir noch immer nur unsere eigenen »Ring der Erinnerung«, ein Mahnmal einen neutralen Außenraum mit Platz und neuen Nutzungsformen im gesamtgeschichtlichen und -gesell- schaftlichen Kontext sowie die Form der Erinnerung – ob persönliche Geschichte, Infotafel oder Grabmäler. Je nach ihrer Entstehungszeit rufen Erinnerungs- stätten Nostalgie hervor, heroisieren Charaktere des Geschehens oder ma- chen ihre Besucher auf eine neue Be- deutungsebene aufmerksam, schrecken ab oder rufen zum Zusammenhalt auf. Im Folgenden werden zwei Projek- te vorgestellt, die sich mit der Erin- nerungskultur des Ersten Weltkrieges auseinandersetzen, aber erst  ent- standen sind. Bei beiden Erinnerungsor- ten spielt der Raum eine wichtige Rolle und steht als inszenierte Situation oder bewusst kreierte Architektur im Vor- dergrund. Sie bringen Menschen zum Erinnern zusammen und bilden Anlauf- punkte, die anders funktionieren als die klassischen Gedenkstätten des Ersten Weltkrieges. Ein und dasselbe Ereignis wird an zwei verschiedenen Orten, in Frank- reich und Großbritannien, völlig unter- schiedlich dargestellt. Mit Blick auf ein damals vereintes Europa – der Brexit war noch nicht angedacht – zeichnen sich anhand der Beispiele auch die verschiedenen Interessen zur Heraus- bildung einer gesamteuropäischen Er- innerungskultur ab.

Von »Poppies« und der kunstvollen Erinnerungsform in London Ein Beispiel für eine ausgeprägte Erin- nerungskultur des Ersten Weltkrieges ist Großbritannien mit den Common- wealth-Ländern. Der Remembrance Day, der zum . November an das Ende der Schlacht erinnert, wird jedes Jahr zu- mindest auf der britischen Insel bereits Wochen zuvor im öff entlichen Raum all- gegenwärtig. Angefangen bei den Mohn- blumenkränzen am Fuß vieler Gedenk- orte und Plätze mit einem Mahnmal, trägt auch ein Großteil der Bevölkerung rote Mohnblumen aus Stoff oder Plastik

am Mantel – das nationale Symbol. Zum MIRRORPICS / BILD ULLSTEIN FOTO: Gedenken der Kriegsgefallenen ist es aus Mohnblumen an der Seite der St George’s Hall in Liverpool in Großbritannien zum Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges 30 ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG www.politikundkultur.net

Erinnerungskultur aus der Nische Die Darstellung des Ersten Für Deutschland wären . Exem- Können Sie ein paar Beispiele ge- Geschichten haben Tardi so fasziniert, Karl May, der in seinen Romanen über Weltkrieges in Comics plare ein toller Erfolg. Hier bewegen ben, welche Comic-Autoren bzw. dass er selbst recherchiert hat. In sei- sie geschrieben hat. sich die Aufl agen um . bis . -Zeichner sich verstärkt mit dem nen Comics stellt er immer das Grau- Stück. Zum anderen hat der Erste Ersten Weltkrieg auseinanderset- en und die völlig verzweifelte Lage der Das sind allerhand Beispiele. Was Geschichte mal anders: Zahlreiche Co- Weltkrieg in Frankreich eine ganz zen? Soldaten in den Schützengräben dar, sind Ihrer Meinung nach die bes- mics spielen zur Zeit des Ersten Welt- andere Bedeutung im nationalen In Frankreich gibt es sehr viele Co- oft begleitet von den zynischen Kom- ten Darstellungen des Ersten Welt- krieges und sind ein spannendes zusätz- Gedächtnis als in Deutschland. Sicher mics, die genannt werden könnten – mentaren eines Soldaten. Ergänzt krieges im Comic? liches Lernmaterial. Theresa Brüheim trägt dazu der Schock der Niederlage z. B. »Mutter Krieg« von den französi- werden die Erzählungen mit Dossiers Tardis Comics fi nde ich besonders spricht mit dem Vorsitzenden des Deut- von / im Deutsch-Französi- schen Comic-Autoren Maël und Kris. über die jeweilige Zeit. Das ist für vie- ergreifend. Er erzählt mit großem schen Comicvereins Stefan Neuhaus. schen Krieg bei. Da bot der Erste Es ist ein Mix aus Krimi und Kriegs- le Sach-Comics kennzeichnend. Sie Zynismus sehr plastisch das Leiden Weltkrieg für Frankreich die Mög- szenario. Dicht hinter der Frontlinie legen Wert drauf, einen Sachverhalt und das »Verheizen« der Poilus als Theresa Brüheim: Herr Neuhaus, lichkeit, Rache zu nehmen. Weiterhin werden vier Frauen ermordet aufge- auch mithilfe des Recherchematerials Kanonenfutter. Das ist unheimlich wie wird der Erste Weltkrieg in ist zu beachten, dass die Franzosen funden – alle vom gleichen Täter um- darzustellen bzw. zu ergänzen. erschütternd. Dazu bedient sich Tardi Comics bzw. in Graphic Novels dar- den Ersten Weltkrieg fast allein ge- gebracht. Ein Polizist soll ermitteln, Ein anderes Beispiel ist eines der sehr eines Zeichenstils, der für dieses The- gestellt? wonnen haben. Während im Zweiten was zu Konfl ikten mit den Soldaten wenigen mit deutscher Beteiligung: ma etwas irritierend ist. Er stellt die Stefan Neuhaus: Der Erste Weltkrieg Weltkrieg Frankreich besetzt wurde in vorderster Linie führt. Denn der »Tagebuch  - . Vier Geschichten Soldaten z. B. mit dicken Fingern und wird unterschiedlich dargestellt und die Befreiung hauptsächlich von Polizeikommissar kämpft nicht, aus Deutschland und Frankreich« von Knollennasen dar. Sie sind also nicht – meistens als Sach- oder Roman- außen kam. Diese Aspekte sind ent- steckt nicht in den Schützengräben Alexander Hogh und Jörg Mailliet. Das hyperrealistisch gezeichnet, sondern Comic. Beim Roman-Comic wird eine scheidend dafür, dass im Vergleich zu fest, sondern führt ein sicheres Leben ist eine deutsch-französische Pro- eher abstrahiert – fast ein bisschen Geschichte erzählt, in der der Erste Deutschland der Erste Weltkrieg im hinter der Front. Das ist ein wichtiger duktion – unter Mitwirkung von Gerd witzig. Das ergibt einen Bruch zu dem Weltkrieg den Erzählhintergrund nationalen Gedächtnis Frankreichs Aspekt des Szenarios. »Mutter Krieg« Krumeich. Der Zeichner ist allerdings dargestellten Grauen, den zerfetzten bildet, aber auch Teil der Geschichte eine viel größere Bedeutung hat. zeichnet ein Bild der elenden Situ- Franzose – was schon bezeichnend ist. Leibern und der zerwühlten Land- sein kann. Hingegen bezieht sich der ation der Soldaten an der Front und Es werden vier verschiedene Perso- schaft. Darauf muss sich der Betrach- Sach-Comic auf recherchierte Tatsa- Was macht die Besonderheit kontrastiert diese mit dem Wohlleben nen aus der Zivilbevölkerung und der ter allerdings auch einlassen können. chen, die historisch begründet darge- der Darstellung des Ersten Welt- der Bourgeoisie im Hinterland. Dieser Armee auf beiden Seiten porträtiert. stellt bzw. erzählt werden. Es gibt sehr kriegs in Comics aus – im Vergleich Comic soll übrigens von Olivier Mar- Die Geschichten wurden aus alten Herr Neuhaus, Sie waren Lehrer. viele Comics über den Ersten Welt- zu anderen Medien bzw. Kunstfor- chal verfi lmt werden. Tagebüchern entwickelt. Die vier Per- Inwieweit können Comics als Un- krieg im franko-belgischen Raum aber men? Ein Beispiel für einen Sach-Comic sonen haben nichts miteinander zu terrichtsmaterial zur Vermittlung in Deutschland so gut wie keine. Generell sind Comics leichter ver- zum Ersten Weltkrieg ist »Schlacht an tun, aber es gibt Überschneidungen des Ersten Weltkrieges verwendet fügbar als andere Medien. Man kann der Somme – Der erste Tag« vom US- bei den Erlebnissen. Im Verlauf der werden? Sind sie ein gutes alterna- Woran liegt das? Können Sie diese sie schneller erfassen und mit ihnen Amerikaner Joe Sacco. Das ist ein Co- Erzählung gibt es auch Verweise auf tives Lehrmittel, fernab von klassi- unterschiedliche Verbreitung an leicht Sachverhalte und Geschichten mic, bzw. ein durchlaufendes Bild im Originalzitate aus ihren Tagebüchern. schen Geschichtsbüchern? einem bestimmten Punkt festma- erzählen. Denn mit einem Bild kann Leporello-Format, der ohne Text aus- Ergänzend ist ein Kurzdossier ent- Sie sind ein zusätzliches Mittel. Co- mics generell können im Unterricht gut eingesetzt werden – nicht nur im Kunstunterricht, sondern in je- dem anderen Fach. Und vor allen Dingen sind sie gut geeignet für den Geschichtsunterricht. Sie können na- türlich kein Lehrbuch und schon gar nicht Quellen ersetzen, sondern sind ein Begleitmaterial. Sie können moti- vieren und Anreize schaff en, sich mit einem Thema näher zu beschäftigen. Das ist wichtig. Früher war Geschich- te überwiegend ein Auswendiglern- fach. Dadurch entwickelten die Schü- ler aber kein Geschichtsbewusstsein. Das Wecken, Stärken und Fördern dieses Geschichtsbewusstseins ist das Ziel eines modernen Unterrichts in diesem Fach. Und das können unter anderem auch Geschichts-Comics fördern. Bei Tardi gibt es z. B. eine Szene, in der drei Soldaten Essen an die Front bringen müssen. Auf einmal schießt der Feind eine Leuchtkugel in die Höhe und die Soldaten werden sicht- bar, sofort wird auf sie geschossen. Zwei werden getroff en, der dritte landet mit den Händen in den Gedär- men eines toten Soldaten, der schon länger an der Frontlinie verwest. In den nachfolgenden Bildern wird deut- lich, der Soldat empfi ndet nur Eines: Angst davor, sich mit Wundbrand an- gesteckt haben zu können. Kein Ekel, kein Mitleid, nichts. Hier wird die Verrohung an der Front sehr anschau- lich. Es geht ums nackte Überleben. So eine Szene fordert die Schüler, die spontan wahrscheinlich eher Ekel

FOTO: PICTURE ALLIANCE / BILDAGENTURONLINE/EXSS / ALLIANCE PICTURE FOTO: empfi nden, auf, selbst nachzudenken Dolomiten Weltkriegsmuseum und zu recherchieren, warum der Sol- dat so unerwartet reagiert. chen? Welche Rolle spielt dabei man oft direkter und konkreter etwas kommt. Ein Beiheft erklärt die ein- halten, das die Biografi en dieser vier die verschiedene geschichtliche ausdrücken als mit vielen Worten in zelnen Szenen und den historischen Personen schildert. Zum Abschluss noch eine Frage: Auseinandersetzung mit dem The- Form eines geschriebenen Textes. Der Hintergrund. Die unglaublich verlust- Eine ganz spannende neue Produk- Wie ist das proportionale Ver- ma in Frankreich bzw. Belgien und Film bietet im Vergleich einen sehr reiche Schlacht an der Somme wird tion, die noch nicht erschienen ist, hältnis der Darstellung des Ersten Deutschland? fokussierten Blick. Man muss sich hier Szene für Szene im Tagesverlauf heißt »Illustrated (Hi)stories«. Es geht Weltkrieges in Comics im Vergleich Zum einen hat der Comic in Frank- dem Film ausliefern und hat wenig aus Sicht der Engländer gezeigt. um den Einsatz von Kolonialsoldaten zum Zweiten Weltkrieg? reich eine viel größere und ganz an- Möglichkeiten, wenn der Film abläuft, Die wohl bekanntesten Comics zum im Ersten Weltkrieg. Das Projekt wur- Der Zweite Weltkrieg ist wesentlich dere Bedeutung als in Deutschland. Er kurz auszusteigen und eine Weile Ersten Weltkrieg stammen vom Fran- de von der Bundeszentrale für politi- präsenter. Sicher auch, weil die Ame- ist als eine Kunstform akzeptiert wie nachzudenken, darüber zu reden. Der zosen Jacques Tardi – z. B. »Elender sche Bildung  initiiert. In einem rikaner, die traditionell eine große Literatur, Film oder Ballett und wird Film hat auch eine große suggestive Krieg«. Er stellt den Ersten Weltkrieg von Elisabeth Desta geleiteten Work- Comic-Kultur haben, an diesem Krieg auch als Neunte Kunst bezeichnet. In Kraft. Anders im Comic: Der Leser aus der Sicht des »Poilu« dar, also shop haben verschiedene Künstler zu viel stärker beteiligt waren. Auch in Deutschland führt der Comic ein Ni- wird emotional mitgenommen, aber des Soldaten im Schützengraben, der dem Thema Geschichten gezeichnet. Deutschland und Frankreich gibt es schendasein, auch wenn sich das seit hat doch immer wieder durch das als Kanonenfutter missbraucht wird. Kolonialsoldaten wurden ja besonders mehr Comics zum Zweiten Weltkrieg. den letzten Jahren langsam ändert. eigenständige Umblättern der Sei- Anfangs erscheinen die Bilder recht »verheizt«. Z. B. die Askari, die Ein- Vermutlich wird er aber nie die Größe ten die Möglichkeit, sich Sequenzen farbig, gemäß der Handlung werden heimischen aus Deutsch-Südostafrika, Vielen Dank. erreichen – auch wirtschaftlich gese- nochmal anzusehen, länger an einem sie dann zunehmend grauer bis hin zu welche als Kolonialtruppen im Welt- hen –, die der Comic in Frankreich hat. Bild oder Text zu verweilen. Das hilft, einem tristen schwarz-weiß. Tardis krieg auf deutscher Seite eingesetzt Stefan Neuhaus ist Kunstpädagoge und In Frankreich werden Comics meist immer wieder eine gute Distanz zu Großvater hatte im Ersten Weltkrieg wurden. Das Schicksal der Askari wird Vorsitzender des Deutschen Comicver- erst ab einer Minimalaufl age von bekommen und darüber nachzuden- gekämpft und erst spät seinem Enkel in dem demnächst erscheinenden eins e. V. Theresa Brüheim ist Chefi n . Exemplaren herausgegeben. ken. von seinen Erlebnissen erzählt. Diese Band kontrastiert mit einem Text von vom Dienst von Politik & Kultur Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  ERINNERUNGSKULTUR: . WELTKRIEG 31

Spielend sterben im Schützengraben Der Erste Weltkrieg in Computerspielen

FELIX ZIMMERMANN  erschienen, schon rund  Spie- le identifi zierte, die sich dem Zweiten omputerspiele mit histo- Weltkrieg widmen, so ist – Stand heute rischem Setting produzie- – noch von einigen mehr auszugehen. ren und reproduzieren Ge- Und noch etwas fiel Adam Chap- C schichtsbilder und haben man auf: Er glich den überschaubaren damit einen erheblichen Einfl uss auf Korpus der Computerspiele zum Ers- Erinnerungskulturen weltweit. Denn ten Weltkrieg mit dem ab, was er als Erinnerung ist ein hochgradig dyna- primäres Bild der Erinnerung an den mischer und aktiver Prozess. Das, was Weltenbrand identifi zierte: das Leiden ein Individuum von einer historischen und Sterben des einfachen Soldaten in Begebenheit zu wissen glaubt, steht im den Schützengräben der Westfront. Nur ständigen Austausch mit kollektiven  der  untersuchten Spiele folgen und besonders populärkulturellen Bil- diesem populärkulturell so dominanten dern des Vergangenen. Mit zunehmen- Bild des Ersten Weltkrieges. Die rest- der Reichweite und gesellschaftlicher lichen Spiele zeigen sich vielmehr als Durchdringung des Computerspiels Simulation von Luft- und Seeschlach- wächst auch dessen Verantwortung ten im groben Kontext dieses Krieges, – oder vielmehr: die Verantwortung fernab vom zufälligen, massenhaften der Entwicklerinnen und Entwickler –, und sinnlosen Sterben in Erdlöchern. nicht fahrlässig oder gar böswillig mit Wie kann das sein? Die populärkul- der Wirkmacht des Mediums umzuge- turellen Bildwelten, die beispielsweise hen. »Der Soldat James Ryan« für den Zwei- Viele Akteure der Computerspiel- ten Weltkrieg etablierte, waren und sind branche folgen allerdings bis heute im Computerspiel dominant. Doch der dem Irrglauben, sie könnten Spiele Erste Weltkrieg ist anders, vielleicht im historisch-politischen Vakuum auch komplizierter, möglicherweise zu erschaff en; aussagenlose Gebilde, die undurchsichtig für ein Medium, dem es sich nur dem unkomplizierten Spaß oft so schwerfällt, sich festzulegen und verpfl ichtet fühlen. Der Historiker und eine Aussage zu treff en. Kulturwissenschaftler Eugen Pfi ster hat Ein prominentes und erfolgreiches Beispiel für eine Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg im Compu- terspiel ist das Serious Game »Valiant Spiele im historisch- Hearts: The Great War«. Spielerinnen politischen Vakuum und Spieler folgen dem Franzosen Emi- le, dem US-Amerikaner Freddie, dem erschaff en zu können, deutschen Karl und der Belgierin Anna ist ein Irrglaube der durch die Wirren des Ersten Weltkrie- Computerbranche ges. Die tragische Geschichte der vier Protagonisten wird durch einblendbare Kurztexte ergänzt, die das Geschehen historisch kontextualisieren. Für seine Aussagen international agierender und gewiss nicht fehlerfreie, aber doch sehr fi nanzstarker Publisher- und Entwick- ernsthafte und edukative Annäherung lerstudios betrachtet und kommt zu an den »Großen Krieg« wurde das Spiel dem Schluss: Für Viele sind Compu- zurecht gelobt. terspiele weiterhin »nur Spiele«; ein Doch erst mit dem Erscheinen des spielinhärenter Kommentar zu erinne- Ego-Shooters »Battlefi eld « trat ein rungskulturellen oder politischen De- Blockbuster-Titel auf den Plan, der den batten, nicht mehr als ein Fleck auf der Ersten Weltkrieg in grafi schen Bombast lupenreinen Weste des wertneutralen und in eindringlich-realistische, statt Unterhaltungsprodukts. Dies ist gewiss comichaft-abstrakte Bilder hüllte. Die ein Irrtum. Auch eine Auslassung oder Sorge vieler Historikerinnen und His- eine Akzentuierung sind schon mit toriker war groß, Electronic Arts und einer Aussage verbunden; auch kein Entwickler DICE würden das Sterben Kommentar zur politischen Strahlkraft in den Schützengräben zum blutigen eines Spiels ist ein Kommentar. Spektakel verkommen lassen. Ich bin an dieser Stelle so optimis- Dass es überhaupt eine derart kos- tisch, davon auszugehen, dass sich ein tenintensive und damit mehr oder

Großteil der Blockbuster-Produzenten weniger zum Erfolg verdammte Pro- SCHWARZ JÜRGEN / BILD ULLSTEIN FOTO: der Branche durchaus bewusst ist, dass duktion wie »Battlefi eld « gibt, die Opferkreuz auf dem Tyne Cot Soldatenfriedhof in Zonnebeke, Belgien das Gerede vom unpolitischen Spiel sich dem so rudimentär bestellten eben nicht viel mehr ist als Gerede. Es Feld des Ersten Weltkrieges im Com- Diese ungeklärten Verhältnisse führen beispielsweise mit der Einblendung weiteren Verlauf des Spiels doch wie- sind schlussendlich ökonomische Inte- puterspiel annimmt, ist schon beach- zu Konflikten mit dem Spielsystem »Was folgt, sind Frontkämpfe. Du wirst der nur zu wiedererkennbaren, weil ressen, die geradezu dazu mahnen, sich tenswert. Denn tatsächlich zwingt das des Ego-Shooters. Wo man als Spie- vermutlich nicht überleben« und kon- populärkulturell verankerten Elemen- bloß nicht festzulegen. Es sich mit einer gewählte Setting die Entwicklerinnen lerin oder Spieler nach dem Sieg über terkariert damit die Idee des unsterbli- ten, die für ein gefühlt authentisches Zielgruppe zu verscherzen, die mit dem und Entwickler dazu, sich in einem die Nationalsozialisten notfalls noch chen Shooter-Helden. Und tatsächlich: Weltkriegserlebnis mit dem nun doch eigenen Geschichtsbild nichts anzu- umkämpften Erinnerungsdiskurs zu selbst die sowjetische Fahne über dem Stirbt der spielbare Charakter in dieser wieder unsterblichen Spielercharakter fangen weiß, ist schließlich Gift für die positionieren. Ich möchte noch einmal Reichstag hisst, da fehlt im Ersten Welt- Mission, fährt die Kamera heraus, zeigt sorgen sollen. Umsatzzahlen. Und an manche Themen den Zweiten Weltkrieg als Vergleichs- krieg der Raum für die dem Ego-Shooter den Namen des Soldaten und dessen Doch immerhin: Der erinnerungs- möchte man sich dann und deswegen objekt heranziehen. Hier ist die Sache eigenen Allmachtsfantasien – einer ge- Todesjahr und lässt Spielerinnen und kulturell weiterhin unstete Erste sogar gar nicht rantrauen. Eines dieser klar: Die Guten kämpfen gegen die Bö- Spieler dann die Kontrolle eines ande- Weltkrieg ist gewiss kein einfach zu Themen: der Erste Weltkrieg. sen, die Alliierten gegen die National- ren Soldaten übernehmen – bis auch bespielendes Szenario, wie sich an der Der Historiker Adam Chapman hat sozialisten und deren Verbündete. Zu Im Schützengraben bei dieser wieder das Zeitliche segnet. Ein geringen Zahl an Computerspielen zum Computerspiele zusammengetragen, tiefergehenden Auseinandersetzungen spannender Bruch mit dem Erwarteten, Thema zeigt. Es hätte also schlimmer die sich mit dem Ersten Weltkrieg be- lassen sich auch hier die Entwicklerin- einem Senfgasangriff der zeigt, dass sich die Entwicklerinnen kommen können. »Battlefi eld « dürfte schäftigen, d. h. diesen Konfl ikt als Set- nen und Entwickler nicht hinreißen, dahinzusiechen, und Entwickler bei DICE durchaus mit dem populärkulturell insgesamt recht ting verwenden, um etablierte Genres weswegen beispielsweise der Holocaust passt so gar nicht der Thematik auseinandergesetzt haben. wenig bearbeiteten Feld seine eigene wie den Ego-Shooter oder das Echt- in der Regel ausgeblendet wird. Doch Vielfach wählen sie aber auch den Note hinzugefügt haben. Da können die zeitstrategiespiel in neuem Gewand zumindest in dieser Grundstruktur zum gewohnten einfachen, den gewollt und vermeint- Entwicklerinnen und Entwickler noch zu präsentieren.  Spiele zählt er, die von Gut und Böse ist man sich mit der Shooter-Erlebnis lich unpolitischen Weg, den des ge- so oft sagen, dass es nur um den Spaß sich diesen für die Menschheit so ein- Zielgruppe der Spiele einig. Das ist gut ringsten Widerstands. Anstatt sich geht und um interessante Spielerleb- schneidenden Jahren widmen. Man mag fürs Geschäft und vielfach dann schon beispielsweise mit komplexen Feind- nisse in Panzer und Flugzeug: Durch ihr an dieser Stelle stutzig werden, scheint ausreichend. gen alle. Im Schützengraben bei einem schaftsverhältnissen, Motiven und Spiel haben sie eine Aussage gemacht.  doch eine bemerkenswert geringe Und beim Ersten Weltkrieg? Hier ist Senfgasangriff dahinzusiechen, passt moralischer Mehrdeutigkeit auseinan- An dieser gibt es sicherlich einiges zu Zahl. Und tatsächlich: Eine grobe und weniger Platz für den typischen Hel- so gar nicht zum gewohnten Shooter- derzusetzen, werden die Mittelmäch- kritisieren, doch hat sich gezeigt, dass keineswegs erschöpfende Zählung bei dentopos. Dem ziellosen Sterben in den Erlebnis. te in der Einzelspielerkampagne doch auch starre Genrestrukturen noch auf- Wikipedia führt zutage: Zum Zweiten Schützengräben wird vielfach als der Auch »Battlefi eld « vermag diesen wieder zum klaren Feindbild – obwohl geweicht werden können im Angesicht Weltkrieg sind mindestens vier Mal so Kampf von Opfern gegen Opfer gedacht. Konfl ikt nicht aufzulösen, macht aber Österreich-Ungarn, das Osmanische einer erinnerungspolitischen Heraus- viele Spiele veröff entlicht worden. Be- Doch auch hier besteht keine Einigkeit, doch Andeutungen und Versuche, das und das Deutsche Reich zumindest im forderung. Das stimmt optimistisch. denkt man, dass die Historikerin Angela vielfach konkurrieren nationale Erin- Genre im Angesicht des schwer greif- Mehrspielermodus durchaus spielbar Schwarz bei einer Auswertung von His- nerungskulturen um Deutungshoheit. baren Konfl iktes weiterzuentwickeln. sind. Auch verkommen Schützengräben, Felix Zimmermann studiert Public torienspielen, die zwischen  und Klar ist: Es ist nicht so klar. Die erste Mission des Spiels beginnt Giftgas, Stacheldraht und ähnliches im History in Köln 32 MEDIEN www.politikundkultur.net

Mehr Kooperation, weniger Konfrontation Den öff entlich-rechtlichen sind, für alle zugänglich machen. Ich weiten Teilen der Bevölkerung immer die aus diversen Gründen das lineare Uns ist es dabei aus Überzeugung ein Rundfunk zukunftsfähig wünsche mir daher mehr Kooperation noch das »Leitmedium« ist, fi ndet ein Angebot weniger oder sogar gar nicht Anliegen, die Aktivitäten des öff ent- und weniger Konfrontation. beträchtlicher Teil des öff entlichen mehr nutzen. Die Mediatheken sind für lich-rechtlichen Rundfunks und die machen Wir können in Deutschland sehr Diskurses inzwischen woanders statt: diese Menschen eigenständige Ange- der privaten Wettbewerber sorgfältig stolz sein auf unsere Medienordnung. Gerade junge Menschen konsumieren bote. Dass sich diese Eigenständigkeit auszubalancieren. HEIKE RAAB Privater und öffentlich-rechtlicher Medieninhalte immer mehr zu selbst auch in der Beteiligung der Rechtein- Für mich steht fest: Die nun zwi- Rundfunk sichern bei uns zusam- bestimmbaren Zeitpunkten, also auf haber niederschlagen muss, ist dabei schen den Ländern diskutierten Vor- ie Reform des öff entlich-recht- men mit dem nach wie vor größten Abruf und unterwegs auf ihren Smart- unbestritten. schläge sind ein wichtiger Schritt nach lichen Onlineangebots, also des Zeitungsmarkt Europas Meinungs- phones. Bereits heute ist das Netz für Bei den anstehenden Entscheidun- vorne. Gleichzeitig müssen wir aber D sogenannten Telemedienauf- pluralismus. Jede der drei Säulen hat sie die Hauptnachrichtenquelle. gen zum Telemedienauftrag geht es aufpassen, dass wir im kleinteiligen trages, ist auf der Zielgeraden. Und auch hier ihre Funktion und Berechtigung. Auf diese Entwicklung müssen alle also mitnichten darum, festzulegen, Streit um Verweildauer und Presseähn- wenn dies vereinzelt immer wieder be- Wenn wir uns über die Reform des öf- Akteure Antworten fi nden – egal ob welche Freiheiten die Politik ARD, ZDF lichkeit nicht das gemeinsame Ziel aus hauptet wird, das Ganze war bis hierhin kein »Eilverfahren«, kein Sprint – eher ein Riesenslalom oder eine Art Mara- thon. Die Regierungschefi nnen und -chefs der Länder haben die Rundfunk- kommission bereits im Oktober  damit beauftragt, einen Entwurf für einen zeitgemäßen Telemedienauftrag vorzulegen. Ausgangspunkt war schon vor fünf Jahren die veränderte Medien- nutzung durch die digitalen Angebote. Die Länder haben bis zum heutigen Tag zahlreiche Gespräche mit Vertre- tern des öff entlich-rechtlichen, der Ver- leger und auch des privaten Rundfunks geführt. Gleiches gilt für die Vertreter der Presse und die Rechteinhaber. Wir haben bereits Mitte  eine umfang- reiche Online-Konsultation durchge- führt, in der wir über  Stellungnah- men – übrigens auch zahlreiche von Bürgerinnen und Bürgern – ausgewertet haben. In diesen Gesprächen und durch die Stellungnahmen haben wir viele Erkenntnisse gewonnen, die allesamt in unsere Beratungen eingefl ossen sind und die sich auch in den Ergebnissen niedergeschlagen haben. Ganz zentral geht es um die Frage: Wie sollen die Mediatheken von ARD, ZDF und Deutschlandradio in Zukunft aussehen? Bleiben sie auch weiterhin mehr oder weniger bloße Anhängsel der linearen Programme oder bekommen sie endlich die eigenständige Bedeu- tung, die Video-on-Demand-Dienste für viele Menschen, insbesondere jün- gere, schon längst haben? Wie regeln wir künftig die Verweildauer und die Lizenzfragen der Produzenten? Und natürlich geht es auch darum, wie wir online sicherstellen, dass der öff ent- lich-rechtliche Rundfunk zeitgemäß berichten kann, ohne dabei die Ge-

schäftsmodelle der Verlage zu gefähr- FOTOLIA.COM / LUMINEIMAGES FOTO: den. Aber ich möchte auch betonen: Bei Der öff entlich-rechtliche Rundfunk muss mit seinen Angeboten überall dort sein, wo Menschen sich informieren den beabsichtigten Neuregelungen geht es noch um viele andere Punkte. Die fentlich-rechtlichen Rundfunks unter- öff entlich-rechtlich oder privat orga- und Deutschlandradio wahlweise geben den Augen verlieren: Vielfältige und stehen zwar nicht so im Fokus, sind halten, müssen wir daher immer auch nisiert. Für die privaten Anbieter steht oder nehmen möchte. Nein, es geht da- qualitativ hochwertige Angebote. meines Erachtens aber genauso wich- den Erhalt und die Weiterentwicklung dabei vor allem die Frage im Mittel- rum, wie sich der öff entlich-rechtliche Mit dem Kriterium der Presseähn- tiger Teil des Gesamtpakets. So sieht unserer gesamten Medienordnung mit- punkt, wie sie in diesem neuen Umfeld Rundfunk verändern muss, um auch in lichkeit wurde beispielsweise bereits der Entwurf der Rundfunkkommission denken – gerade auch mit Blick auf den tragfähige Geschäftsmodelle entwi- Zukunft der ihm zugedachten Rolle ge- vor einigen Jahren der Versuch unter- beispielsweise noch umfangreichere Qualitätsjournalismus. Neuregelungen ckeln können. ARD, ZDF und Deutsch- recht werden zu können. Verändert sich nommen, Angebote des öffentlich- Marktanalysen im Rahmen des Drei- landradio stehen hier vor einer anderen, die Mediennutzung, muss sich nämlich rechtlichen Rundfunks von denen der Stufen-Tests vor. Ausdrücklich sollen aber keineswegs einfacheren Aufgabe: auch der öff entlich-rechtliche Rund- Presseverlage unterscheidbar zu halten. nun auch vor- und nachgelagerte Märk- Der Auftrag des öff entlich-rechtlichen funk verändern. Gleichzeitig handelt es sich natürlich te in die Betrachtung einbezogen wer- Der Auftrag des Rundfunks bezieht sich auf alle Bevöl- Dabei ist auch klar: Die öff entlich- um ein Merkmal aus der analogen Welt. den – damit greifen wir eine ausdrück- öff entlich-recht- kerungsgruppen, auf Männer und Frau- rechtlichen Angebote fi nden nicht im Gerade im Internet haben sich die klas- liche Forderung der Filmwirtschaft auf. lichen Rundfunks en, auf Jung und Alt. Ihr umfassender luftleeren Raum statt. Wie schon Lo- sischen Grenzen zwischen Fernsehen, Auch für die bislang weitestgehend bezieht sich auf alle Auftrag verpflichtet ARD, ZDF und thar Mikos an dieser Stelle zutreff end Radio und Zeitung inzwischen aber na- ungeregelte Nutzung von Drittplatt- Deutschlandradio dazu, Information, angemerkt hat, lässt sich die mediale hezu vollständig aufgelöst – und das formen sind nun erstmals Vorgaben Bevölkerungsgruppen Kultur und Unterhaltung in der ganzen Wirklichkeit nicht (mehr) in ein öff ent- übrigens in beide Richtungen. In einer enthalten, für deren Einhaltung die Bandbreite zwischen Internationalität lich-rechtliches und ein privat-kom- konvergenten Medienwelt geraten wir Anstalten ihren Gremien gegenüber und Regionalität anzubieten. Das ist merzielles Universum unterscheiden. so schnell an die Grenzen dessen, was Rechenschaft ablegen müssen. Mit Blick bei der Plattformregulierung und für es, was das Bundesverfassungsgericht Im Gegenteil: Die Anstalten wollen journalistisch und publizistisch sinn- auf die Film- und Fernsehproduzenten Intermediäre, der Umgang mit moder- mit dem Begriff der »Grundversorgung« und müssen auch dasselbe Publikum voll ist. werden ARD und ZDF außerdem ver- nen Streaming-Angeboten im Netz und umschreibt. Jeden einzelnen Menschen erreichen wie die Privaten. Den Anspruch an einen zeitgemä- pfl ichtet, in ihren Geschäftsberichten auch das Medienkonzentrationsrecht in einer immer diverseren Gesellschaft ßen öff entlich-rechtlichen Rundfunk regelmäßig darzulegen, in welcher Art gehören hier für mich dazu. erreichen zu müssen, ist eine nicht zu mit den Bedürfnissen der privaten und Weise der Erwartung der Länder Eine Langzeitumfrage des Instituts unterschätzende Verantwortung und Marktteilnehmer in Einklang zu brin- an eine angemessene fi nanzielle Be- für Publizistik der Johannes Gutenberg Herausforderung. Oberstes Ziel sind gen, ist in der Tat eine Herausforde- teiligung der Rechteinhaber Rechnung Universität Mainz, die Ende Januar  Praktisch bedeutet das nämlich, dass Angebote, die die rung. Das Ringen um die richtigen getragen wird. veröff entlicht wurde, kommt zu dem der öff entlich-rechtliche Rundfunk mit Lebenswirkichkeit der Lösungen ist zweifelsohne notwendig. Im Länderkreis werden wir die Be- Ergebnis, dass die Bürgerinnen und seinen Angeboten überall dort sein Nutzerinnen und Oberstes Ziel muss es dabei aber im- richte aufmerksam lesen. Denn in der Bürger in Deutschland wieder stärker muss, wo sich Menschen informieren, mer bleiben, dass am Ende Angebote teilweise leider recht schrill geführten auf die etablierten Qualitätsmedien und dort, wo die öff entliche Debatte Nutzer abbilden herauskommen, die den Bedürfnissen Debatte wird überdeckt, dass der digi- vertrauen. Dieser Befund stimmt mich stattfi ndet. Dabei wird es zunehmend der Nutzerinnen und Nutzer gerecht tale Wandel und die Transformations- positiv. Gleichzeitig zeigen uns Studi- schwerer, durch einzelne Angebote alle werden und deren Lebenswirklichkeit prozesse alle betreff en. Es geht dabei en aber auch, dass vor allem jüngere gleichermaßen zu erreichen – dies ge- Ein verlässlicher Regulierungsrahmen, abbilden. nicht um einen Wettkampf, in dem Menschen die Angebote dieser Quali- lingt fast nur noch im Rahmen großer der allen Akteuren die notwendigen Sieger und Verlierer ermittelt werden, tätsmedien immer weniger nutzen. Was Sportereignisse. Gerade die Media- Spielräume lässt und der eine mög- Heike Raab ist Staatssekretärin und sondern darum, wie wir Medienvielfalt für die Verleger schon seit Längerem theken sind vor diesem Hintergrund lichst breite Medienvielfalt gewähr- Bevollmächtigte beim Bund und in und Information sowie Transparenz si- spürbar ist, gilt zunehmend auch für kein Aliud. Sie bedienen vielmehr die leistet, liegt daher den Ländern und Europa, für Medien und Digitales des chern, die für die Demokratie so wichtig das Fernsehen: Auch wenn selbiges in spezifi schen Bedürfnisse derjenigen, auch mir persönlich sehr am Herzen. Landes Rheinland-Pfalz Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  MEDIEN 33

Das Politische im digitalen Spiel Games als Lern- und Bildungsmedien

ALEXANDER PREISINGER zwangsläufi g das beim Wahlvolk Be- alen Netzwerken überprüft, auf dem gen abwägen, Rationalität vergleichen. wirtschaftliches Kalkül. Game, der Ver- liebte – liegt der wesentliche Lerneff ekt. Smartphone gespeicherte Fotos abge- Das macht digitale Spiele gerade für band der deutschen Games-Branche, olitik und digitales Spiel Auch im Policy-Bereich bieten rufen und private Postings ausgewertet. die Entwicklung politischer Kompe- fordert daher, dass digitale Spiele unter passen für viele noch immer Games eine Vielzahl an Bezügen, wie Selbst scheinbar unverfängliche und tenzen zu einem lohnenden Medium. die Kunst- und Meinungsfreiheit fallen nicht zusammen – tatsäch- etwa bei den Themen Asyl, Flucht und gedankenlose Datenschnipsel können Studien zeigen aber auch, dass spiel- und damit gleiche Bedingungen wie P lich ist gerade in den letzten Migration. »Path Out« ist ein autobio- so zum Beweismittel werden. Der Spie- basiertes Lernen nur dann nachhaltig beim Film gelten. Jahren eine politische Ernsthaftigkeit grafi sches Spiel des Syrers Abdullah ler stellt sich so im Laufe der Handlung ist, wenn es Refl exionsphasen gibt, in Dass Spiele immer schon mehr wa- bei den Spieleproduzenten erkennbar. Karam, der darin seine Fluchterfahrung selbst die Frage, was seine digitalen denen die gemachten Erfahrungen ren als bloßes Punktesammeln und als Mit  Prozent gewinnt meine Partei verarbeitet. Momentan existiert eine Daten über ihn verraten könnten. systematisiert und nachbesprochen Kunstwerke verstanden werden müs- »The Socialist Coalition« den deutschen kostenlose Episode, die spielerisch Auch auf Politics-Ebene können werden. sen, zeigen gerade satirische Games Wahlkampf. Doch dann kommt es zum von Syrien in die Türkei führt, die ge- Games für Veranschaulichung sorgen. Selbst Shooter können so zum Medi- mit Politikbezug, wie der Politiksimu- US-amerikanischen Börsencrash, die samte Balkanroute soll noch folgen. In Während in klassischen Städtebau- um des Lernens werden. Die Bioshock- lator »Make America Great Again: The Weltwirtschaft kollabiert. Ich ent- »NORTH« landet der Spieler in einer simulationen top-down entschieden Trilogie verarbeitet in jedem Ableger Trump Presidency«. In einem völlig un- schließe mich, gegen die Zeichen der dystopisch-kafkaesken Sci-Fi-Welt, de- wird, muss der Spieler in »Urban Em- eine andere politische Dystopie. Im terkomplexen Weltwirtschaftssystem Zeit für sozialen Wohnbau, Lebensmit- ren Regeln er nicht versteht. Verstört pire« bei all seinen Tätigkeiten die Par- ersten Teil etwa steht die neoliberale kauft der Spieler hektisch Waren, um telmarken für Arme und Mietpreisre- läuft er ohne Handlungsmöglichkeiten teien des Stadtrats überzeugen. Dazu Philosophie der US-amerikanischen sie anderen Nationen teurer zu verkau- gulierungen. Einige Spielrunden später durch leere Korridore, hört fremdspra- kann er mit den einzelnen Parteiob- Autorin Ayn Rand Pate (»Atlas wirft fen. Amerika selbst produziert kaum der Erfolg: Die Weltwirtschaft springt chige Radioprogramme und muss in leuten verhandeln, drohen, sie sogar die Welt ab«), die in der fi ktionalen etwas. Ziel ist es, andere Länder zu wieder an, Deutschland liegt mit seiner einer verstrahlten Miene Materialien erpressen. Genau diese simulierte Unterwasserstadt Rapture Realität überfallen und den IS aus Kanada – ja, geringen Armut und hohem Wachstum bergen. In der Handy-App »Begrabe Politik ohne direkte Steuerungsmög- wird. Auf Basis von Freiheit, Egoismus Kanada! – zu vertreiben, eine Mauer zu an der Weltspitze. Kurz darauf verübt mich, mein Schatz« begleitet man Nour lichkeiten machen auf die Komplexität und Fortschritt bildet sich dort eine Mexiko zu bauen und Öl per Dakota- eine extremistische Kapitalistengruppe bei der Flucht aus der westsyrischen von Gesellschaften aufmerksam. Dies elitäre Kommune, die sich mittels einer Pipeline zu beziehen. »Make America einen Anschlag auf meine Spielfi gur – Stadt Homs nach Europa. Das Interes- gilt besonders für das mittelalterliche genmanipulierten Droge verbessern Great Again« ist, was es sein will, näm- das Spiel ist vorbei. sante dabei: Der Spieler chattet in einer »Crusader Kings«, in dem der Spieler möchte. Das Experiment schlägt fehl; lich ein schlechtes Spiel, dass genau Szenen, Handlungen und Überle- simulierten WhatsApp-Umgebung mit ein feudales Reich regiert. Dazu vergibt Wahnsinn befällt die Bewohner. Wäh- deshalb um seine gesellschaftskritische gungen, wie sie der Spieler in »De- der Flüchtenden und erfährt so »au- und entzieht er Lehen. Direkt zugreifen rend sich der Spieler durch die Levels Funktion weiß. mocracy « am laufenden Band erlebt. thentisch« von ihren Fluchterlebnissen. auf die Provinzressourcen kann er nur kämpft, erfährt er nach und nach mehr Ein Manko hat das Politische im di- Abseits der Killerspiel- und Suchtde- Versteht man unter politischem dort, wo seine eigenen Familienmit- von Rands gesellschaftspolitischer gitalen Spiel – es ist freilich die Folge batten zum digitalen Spiel wird vor- Denken die Regelung der Angelegen- glieder sitzen. Das führt, ganz wie im Theorie – etwa, dass der Altruismus einer Simulation, basierend auf Algo- rangig noch immer ihr gesellschafts- heiten eines Gemeinwesens durch deutschen Mittelalter, zu einer ständig am Holocaust schuld sei. Aber nicht rithmen des Spiels. Je nach Transpa- politisches Potenzial übersehen. Und verbindliche Entscheidungen (wie bei prekären politischen Stabilität, insbe- nur politische Spielinhalte können auf- renz der Regelmechanismen werden dies ist, eben weil Spiele interaktive Fuchs/Roller), fi nden sich Bezugnah- sondere bei der Erbfolge. regen, sondern auch Spiele im politi- politische Entscheidungen damit je Medien sind, enorm. men beinahe in jedem Spiel. Während Studien, wie etwa jene von Marc schen Kontext. Aktuell ist die Debatte nach Spiel viel zu absehbar oder völ- Politisch im klassisch-systemischen Politiksimulatoren auf die System- und Motyka an der Universität Kassel, un- um den Shooter »Wolfenstein: The New lig unberechenbar. So lässt sich bei Sinn sind Politiksimulatoren wie »De- Makroebene politischen Handelns tersuchen den Lerneff ekt von solchen Order«. »Entnazifi zierte Version! Histo- »Democracy « die Gesellschaft wie mocracy « oder »Master of the World abzielen, machen die letztgenann- Spielen und kommen zu dem Schluss, rische, faschistische Symbole wurden ein Automat bedienen. An einigen «. Dort wird das politische System, ten Policy-Games darauf aufmerksam, dass spielbasiertes Lernen nachhalti- durch nicht minder atmosphärische richtigen Schrauben der Sozialpolitik mitunter mit sperrigen Grafi ken und was politische Entscheidungen für den ger als das klassische Vermittlungs- Alternativen ersetzt« ist beim Kauf des gedreht und schon sind die Probleme Tabellen, auf nationaler oder inter- Einzelnen bedeuten und nützen dafür angebot der Schule sein kann. Spiele Spiels zu lesen. In Deutschland gelten behoben. Und in die andere Richtung: nationaler Ebene simuliert. Im erst- emotionale, stärker subjektzentrierte vermitteln nicht nur Fachwissen, son- Hakenkreuze im digitalen Spiel als In »Urban Empire« stimmt die Partei genannten Game hat der Spieler ein- Zugänge. Auch anspruchsvolle Themen dern trainieren, eben weil sie inter- verfassungsfeindliche Symbole. Das »Die Grünen« nicht zwangsläufi g für zelne Politikbereiche vor sich. Einige, werden so erfahrbar, wie etwa die Auf- aktiv sind, die politische Urteils- und hat den Publisher Bethesda Softworks jede umweltpolitische Maßnahme. wie Steuern oder staatliche Leistungen, weichung von Bürgerrechten in Zeiten Handlungsfähigkeit. Der Spieler, der in dazu bewogen, in einem Spiel, in dem Genau solche Fehler machen digita- kann er selber steuern, andere sind erhöhter Sicherheitsbedürfnisse. In solchen Spielen kontinuierlich politi- eigentlich die Nazis den Zweiten Welt- le Spiele als Medien der politischen über diese nur indirekt beeinfl ussbar. »Orwell« arbeitet der Spieler als Pro- sche Entscheidungen treff en muss, er- krieg gewonnen haben und bekämpft Bildung für den Unterricht aber noch Zusätzliche Steuern auf fossile Brenn- fi ler, um einen Bombenanschlag auf- lebt dabei ein besonders tiefgehendes werden, alle riskanten Inhalte, letztlich interessanter! stoffe verringern den CO-Austoß, zuklären. Auf Basis einer simulierten problembasiertes Lernen. Da Games die Nazis selbst, zu entfernen – selbst verstärken aber gleichzeitig die sozia- Internet-, Smartphone- und Facebook- die Möglichkeit bieten, Handlungen der Hitlerbart ist verschwunden, aus Alexander Preisinger ist Senior le Ungleichheit und würgen das Wirt- Umgebung sammelt er Daten über noch einmal zu erleben, können unter- Hitler wurde Heiler. Diese Selbstzen- Lecturer für Fachdidaktik Geschichte schaftswachstum ab. In diesen Zielkon- Zielpersonen. Mails und Chatverläufe schiedliche Lösungskonzepte erprobt sur ist nicht von gedächtnispolitischen an der Universität Wien und Lehrer an fl ikten – denn das Vernünftige ist nicht werden gelesen, Relationen auf sozi- werden. Schlüsse ziehen, Entscheidun- Überlegungen getragen, sondern ein einer Wiener Handelsakademie FOTO: BURY ME, MY LOVE / PLAYDIUS / LOVE MY ME, BURY FOTO: Artwork der Handy-Game-App »Begrabe mich, mein Schatz«, bei der man der Protagonistin bei der Flucht aus Syrien nach Europa hilft 34 MEDIEN www.politikundkultur.net

Die einzelnen Projekte sind in kooperativen Nachbarschaften verbunden, so dass keine Koralle für Koralle wächst eine neuen »Filterblasen« entstehen. Beiträge können durch Kooperation entstehen und an Communities von mehreren Korallen journalistische Innovation ausgespielt werden. Dritte Neuerung von Riff Reporter ist, Riff Reporter bietet neue Konzepte für Online-Journalismus dass die Einnahmen nach Abzug von Kos- ten direkt an die Autoren gehen. Wer als TANJA KRÄMER UND dio würde verstummen und im Fernsehen für Themen wie Digitalisierung, Klima- Riff Reporter Journalist mit einem attraktiven, zünden- CHRISTIAN SCHWÄGERL liefen Wiederholungen, würden freie Jour- wandel oder Bildungspolitik ist sehr groß. will mit seinen den Projekt im Riff ist, der profi tiert direkt, nalisten nicht für einen ständigen Strom Und die Bevölkerung ist durchaus bereit, wenn die Nachfrage hoch ist. Das ist ein igentlich müssten wir in Golde- von neuen Beiträgen sorgen. für Journalismus zu bezahlen: Ein Drittel Mitteln dazu sehr unternehmerischer Ansatz und mit nen Zeiten für den Qualitäts- Es sind genau diese Freien, die Spar- der Bundesbürger sagen das laut einer ak- beitragen, dass entsprechenden Risiken behaftet – zu- journalismus leben: Die aktuelle maßnahmen als erste zu spüren bekom- tuellen Allensbach-Umfrage von sich. Das der Qualitäts- gleich ist es fairer und chancenreicher, als E internationale Politik ruft jeden men: sei es bei der Sendezeit, dem Raum sind abzüglich der Minderjährigen fast  journalismus weiterhin nur auf die nächste Sparrunde Tag aufs Neue ins Bewusstsein, wie wichtig für Recherchen oder den Honoraren. Millionen Menschen. Die Ausgaben der zu warten. unabhängige Berichterstattung ist. Fast Einerseits werden viele Redakteure frei- Bundesbürger für »Paid Content« sind mit und das, was Wir setzen darauf, Eigeninitiative von jeder Mensch trägt ständig ein Gerät bei gesetzt und zu »Freien« gemacht. Anderer-  Millionen Euro  im Vergleich zum er für unsere Journalisten zu unterstützen und zugleich sich, das ihm Zugang zu den besten In- seits kommen viele »Freie« zu dem Ergeb- Gesamtumsatz nicht groß, aber immerhin demokratische kooperativ zu organisieren: Mit einer Pu- formationsquellen gibt. Es ist für jeden nis, dass der Journalismus sie nicht ernäh- doppelt so hoch als . blikationsplattform, auf der viel los ist, Bürger unfassbar leicht, sich aus den un- ren kann. Viele sehen sich gezwungen, sich Uns war klar: Es braucht mehr als ein Gesellschaft können wir gemeinsam die Öff entlichkeit terschiedlichsten Quellen ein Bild der Welt lukrativeren Branchen zuzuwenden, etwa neues Magazin für Qualitätsjournalismus. leistet, nicht besser ansprechen als mit Projekten auf zu machen. Public Relations. Da verdient man in zwei Es braucht eine strukturelle Innovation, erodiert – so wie kleinen, isolierten Webseiten. Verschiede- Doch hinter den Kulissen läuft ein Ero- Tagen so viel wie für manchen Magazin- eine neue Infrastruktur, in der Journalis- Riff e das in der ne »Korallen« – etwa im Bereich Umwelt sionsprozess. Die fi nanziellen Fundamente, beitrag in zwei Wochen. Die Krise betriff t mus anders organisiert wird. Als Leitbild zum Klimawandel, zum Insektenschwund, auf denen der Qualitätsjournalismus auch auch freie Journalisten, die für öff entlich- haben wir dafür das Korallenriff gewählt. Natur für die zur Vogelwelt und zum Anthropozän – er- in Deutschland bisher stand, bröckeln weg: rechtliche Sender arbeiten: Pensionslasten Diese vielfältigen, artenreichen Ökosyste- Küsten leisten geben zusammen ein größeres Ganzes. Werbung und Pauschal-Abonnements. und Ausgaben für Unterhaltung werden me zeichnen sich durch Kooperation und Die Genossenschaft stellt den Auto- Firmen und andere Werbetreibende bedient, aber bei den Honoraren für den vielfältige Nischen aus. Die vielen Gemein- ren und Projekten eine Auswahl von Be- investieren immer seltener in Printan- Qualitätsjournalismus von Freien wird schaften fügen sich zu einem lebendigen zahlmodellen zur Verfügung: freiwillige zeigen, sie setzen auf Digitalwerbung, gespart, wie aktuell in der Wissenschafts- Gesamtgebilde. Unterstützungszahlungen, Mini-Abos, bei der sich direkt messen lässt, welcher redaktion des Deutschlandfunks. Mit Riff Reporter machen wir Journa- Projektfi nanzierung, Fördermodelle. Me- Klick zu einem Kauf geführt hat. Die Wer- Die Potenziale der Freien für eine viel- lismus anders zugänglich als bisher: Freie dien-ökonomisch ist diese Vielfalt aber beeinnahmen deutscher Zeitungen und fältige, fundierte Berichterstattung werden Journalisten wenden sich mit ihrer Arbeit hochinteressant, denn sie ermöglicht Ver- Zeitschriften sind seit dem Jahr  fast zunehmend nicht mehr ausgenutzt. Die- direkt an die Öff entlichkeit, verkaufen gleiche, welche Bezahlform unter welchen um die Hälfte gesunken. Der Zuwachs bei sem Trend wollen wir mit unserem Pro- Beiträge unmittelbar an Leser und bauen Bedingungen funktioniert. Riff Reporter ist Onlinewerbung kann dabei den Rückgang jekt »Riff Reporter – die Genossenschaft Unterstützercommunities für ihre Ideen, also gleichermaßen ein Publikations- wie im Printbereich nicht wettmachen. Die für freien Journalismus« etwas Positives Themen und Recherchen auf. Wir haben auch ein Forschungs- und Entwicklungs- Einnahmen aus digitalem Werbegeschäft entgegensetzen. Riff Reporter bietet freien dazu eine gemeinsame Publikationsplatt- projekt. landen größtenteils nicht bei den Verlagen, Journalistinnen und Journalisten die Mög- form für qualifi zierte freie Journalisten Mittelbar können von Riff Reporter auch sondern bei Google und Facebook. lichkeit, im Rahmen einer Genossenschaft mit einem einheitlichen, komfortablen die Verlage profi tieren. Wenn »Freie« kom- Die zweite traditionelle Einnahmequel- eigenständig zu publizieren und koopera- Bezahlsystem geschaff en. Riff Reporter plementär zu ihrer Arbeit für Verlage und le sind pauschale Abonnements. Weil über tiv eigene Projekte zu gründen – als Ange- als »Genossenschaft für freien Journalis- Sender genuin journalistisches Einkom- Webseiten und soziale Medien aber eine bote, die auf konkrete Interessen von Le- mus« ist kein Verlag, sondern unterstützt men erzielen, stärkt das ihre Expertise und riesige Fülle von Quellen zugänglich ist, sern zielen. Mit speziellen Ideen, Themen, freie Journalisten dabei, inhaltlich und verhindert im besten Falle die aktuelle Ab- binden sich Leser immer seltener an eine Recherchen, Services können Journalisten wirtschaftliche eigenständige Projekte wanderung guter Köpfe in andere Gebiete. Der Aufbau einer neuen journalisti- schen Infrastruktur ist ein Großprojekt. Unsere Mission können wir nur dann umsetzen, wenn ausreichend viele Men- schen uns dabei unterstützen. Auch hier eröff net die genossenschaftliche Organi- sation Chancen: Genossenschaften sind partizipative Unternehmen. Sogenannte »investierende Mitgliedschaften« sind ein probater Weg, unser Projekt mit den Kräften der ganzen Gesellschaft zu för- dern, ohne dass die Unabhängigkeit des Journalismus beeinträchtigt wäre. Derzeit suchen wir aktiv nach Mäzenen und Ins- titutionen, denen die Unabhängigkeit des Journalismus ein hoher Wert ist. Nachdem unsere Startphase mit einer mäzenatischen Förderung, einem Darle- hen der GLS Treuhand e.V. und einer in- vestierenden Mitgliedschaft der Schwei- zer Demokratiestiftung fi nanziert wurde, geht es nun darum, eine größere Zahl von Unterstützern zu gewinnen, die als stille Anteilseigner das Riff und seine unabhän- gigen Angebote wachsen sehen wollen. Die Genossenschaft hat mit Ausnahme der Kodex-Überwachung keinen Einfl uss auf den konkreten Journalismus ihrer Autoren, die Projekte managen sich also selbst – wir schreiben ihre Unabhängigkeit groß. Schon jetzt sind rund  profi lierte Journalistinnen und Journalisten Mitglied,

FOTO. KASCHIBO / FOTOLIA.COM / KASCHIBO FOTO. und die Zahl der »Korallen« wächst. Wenn Riff Reporter entsteht Koralle für Koralle die Angebote, die die Riff Reporter den Le- sern anbieten, tragfähig sind, dann könnte einzige Medienmarke. Hinzu kommt, dass bei uns ein Publikum aufbauen. Konzipiert zu gründen und zu betreiben. Ein Kodex, unsere Strukturinnovation dem gesamten Verlage noch immer häufi g die Arbeit ih- ist das »Riff « komplementär zur Arbeit für über den ein Ethikausschuss wacht, soll Mediensystem helfen. Riff Reporter will rer Journalisten online verschenken. Nie- Verlage und Sender, als Ergänzung. hohe Standards sichern. mit seinen Mitteln dazu beitragen, dass mand würde erwarten, von einem Landwirt Bei der Gründung haben wir uns drei Mithilfe von Riff Reporter bekommen der Qualitätsjournalismus und das, was oder einem Möbelschreiner ein sorgsam Leitfragen gestellt: Wie können wir Jour- Bürger Qualitätsjournalismus »direkt er für unsere demokratische Gesellschaft erzeugtes Produkt geschenkt zu bekom- nalismus so organisieren, dass Vielfalt und vom Erzeuger«. Statt pauschale Abos für leistet, nicht erodiert – so wie Riff e das in men – aber beim Online-Journalismus Tiefgang wieder zunehmen? Wie entste- ein ganzes Medium abzuschließen, kön- der Natur für die Küsten leisten. wurde genau diese Haltung über die Jahre hen Angebote, die ihren Nutzern etwas nen sie bei uns je nach ihren Interessen verstärkt. wert sind? Und wie wollen wir als freie in kleinen Beträgen bezahlen. Wirtschaft- Tanja Krämer ist freie Journalistin mit den Die Konsequenzen bekommen neben Journalisten künftig arbeiten? lich und inhaltlich eigenständige Projek- Schwerpunkten Neurobiologie und Tech- den Redakteuren vor allem jene zu spü- Wir geben nicht vor, die Antworten zu te heißen bei uns »Korallen«. Koralle für nik. Sie hat als Autorin und Redakteurin ren, ohne die im Medienbetrieb gar nichts kennen. Doch von einem sind wir über- Koralle wächst das Riff : Es gibt bereits ein unter anderem für dasGehirn.info, Natio- liefe: die freiberufl ich tätigen Journalis- zeugt: Freie Journalisten sind die Kraft- wegweisendes Projekt über die Zukunft der nal Geographic Deutschland und Spiegel tinnen und Journalisten. »Freie« sind im quelle im Journalismus. Was sie etwa über Museen, die »Verfassungsnews« über An- Wissen gearbeitet. Christian Schwägerl Mediensystem die Experten für Themen Wissenschaft, Kultur, Umwelt, Technologi- griff e auf Grundrechte, »Die Flugbegleiter« ist freier Journalist für GEO, ZEIT Wissen und Regionen, sie leben über das ganze en, gesellschaftliche Veränderungen und für vertiefte Berichterstattung zu Natur- Magazin und FAZ. Von ihm stammen die Land verteilt, sind fl exibel und gut ver- das Weltgeschehen wissen, ist für die Öf- schutz und Ornithologie, »Wunderding« Bücher »Menschenzeit«, » drohende netzt. Zeitungsseiten blieben leer, das Ra- fentlichkeit extrem wertvoll. Das Interesse über neue Technologien – und vieles mehr. Kriege« und »Die Analoge Revolution« Politik & Kultur | Nr. /  | März — April  DOKUMENTATION 35

Zu dringendem urheberrechtlichen Handlungsbedarf auf europäischer und nationaler Ebene Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den ... Der Deutsche der Nutzungen. Zu nennen sind hier der Anstehende Änderungen im Ihr Musik-Kultur-Videoangebot auf www.nmz.de Kulturrat, der Spitzenverband der Bun- Schutz des geistigen Eigentums und nationalen Recht deskulturverbände, beteiligt sich kon- seine Sozialbindung im Rahmen des tinuierlich an den Debatten zur Anpas- Art.  Abs.  der GR-Charta der EU und sung des Urheberrechts an die digitale Art.  GG. Verlegerbeteiligung Welt. Er bündelt dabei die Positionen Hier verweist der Deutsche Kulturrat aus seiner Mitgliedschaft. Zu den Mit- Konkret vermisst der Deutsche Kultur- auf die oben bereits angesprochene Lö- gliedern gehören Verbände aus den rat im Richtlinienentwurf eine Defi ni- sung im europäischen Recht. Er fordert verschiedenen künstlerischen Sparten tion des Begriff s Bildungseinrichtung. die Bundesregierung auf, dass sie sich (Musik, darstellende Künste, Literatur, Ebenso sollte klargestellt werden, dass auf der europäischen Ebene intensiv bildende Kunst, Baukultur und Denk- entsprechend dem Drei-Stufen-Test für eine schnellstmögliche Regelung malpfl ege, Design, Film, Rundfunk und eine Schranke zugunsten von Bildung der Verlegerbeteiligung einsetzt und audiovisuelle Medien sowie Soziokultur und Wissenschaft nicht in den Primär- im Nachgang auf der nationalen Ebene und kulturelle Bildung). Zum Mitglie- markt eingreifen sollte. In diesem Zu- unverzüglich eine Anpassung an das derspektrum gehören sowohl Verbände sammenhang muss beachtet werden, europäische Recht vornimmt. der Urheber und ausübenden Künst- dass es digitale und analoge Werke gibt, ler als auch Verwerterverbände sowie die ausdrücklich und ausschließlich für Durchsetzung des Urheberrechts Zusammenschlüsse von Bildungs- und den Bildungsbereich hergestellt werden. Die Durchsetzungs-Richtlinie zum Carl Bechstein Wettbewerb 2017 Kulturinstitutionen. Der Deutsche Kul- Deren Primärmarkt darf durch Schran- geistigen Eigentum ermöglicht es, dass Musikalische Nachwuchsförderung in Berlin turrat konzentriert sich aufgrund des ken nicht beeinträchtigt werden. Von im Rahmen von Schadensersatzansprü- breiten Mitgliederspektrums auf die zentraler Bedeutung ist für den Deut- chen aufgrund von Urheberrechtsver- Mitte November letzten Jahres fand in Berlin wieder der Aspekte, die von den verschiedenen schen Kulturrat, dass bei Schrankenre- letzungen eine doppelte Lizenzgebühr Carl Bechstein Wettbewerb statt. Welch hohes Niveau dort beteiligten Akteuren getragen werden gelungen eine angemessene Vergütung verlangt werden kann (vgl. auch EuGH herrschte, demonstrierte beispielsweise Hanna Schwal- können. Wenn im Folgenden von Urhe- der Rechteinhaber sichergestellt wird, vom .. (C-/)). Der deut- be, die in der höchsten Altersgruppe 4 der 16- und 17-jäh- bern die Rede ist, sind die ausübenden die über Verwertungsgesellschaften sche Gesetzgeber sollte diesen Ansatz rigen den ersten Platz belegte und im Preisträgerkonzert Künstler eingeschlossen. durchzusetzen ist. Diese angemessene endlich aufgreifen und §  UrhG ent- die Ballade Nr. 2 F-Dur op. 38 von Frédéric Chopin vortrug. Vergütung ist nicht zuletzt durch eine sprechend ändern. Sehen Sie einen Mitschnitt ihres Auftritts auf nmzMedia.de. Der Deutsche Kulturrat richtet diese ausreichende fi nanzielle Ausstattung Stellungnahme zum einen an die für der Bildungs- und Kultureinrichtungen Betreibervergütung das Urheberrecht Verantwortlichen zu gewährleisten. Die bestehenden Regelungen zur Be- auf der europäischen Ebene, also Eu- treibervergütung für gesetzlich erlaubte ropäisches Parlament, Europäische Vergriff ene Werke Vervielfältigungen in Bildungseinrich- Kommission und Europäischer Rat. Hier besteht ebenfalls dringender tungen, Bibliotheken und Copyshops Die Europäische Kommission hat Handlungsbedarf, um klarzustellen, sehen eine Vergütung nur für Papier- mit ihrem Regelungsvorschlag vom dass die Nutzung von vergriff enen Wer- kopien vor. Diese Regelung ist nicht .. einen Diskussionsprozess ken durch Verwertungsgesellschaften mehr zeitgemäß, da Vervielfältigungen zur Zukunft des Urheberrechts in Eu- auch in Zukunft erlaubt werden kann. zunehmend nicht auf Papier, sondern ropa angestoßen, zu dem sich der Deut- Die bestehenden nationalen Regelun- auf digitalen Speichermedien erfolgen. sche Kulturrat bereits am .. gen in Deutschland, für die sich der Das gilt insbesondere mit Blick auf die mit der »Stellungnahme des Deutschen Deutsche Kulturrat stets eingesetzt neuen Regelungen im Urheberrechts- Kulturrates zur Reform des europäi- hatte, werden durch eine Entscheidung Wissensgesellschafts-Gesetz, die digi- schen Urheberrechts« positioniert hat. des EuGH vom .. (C-/) tale Abspeicherungen vielfach erlauben. Zum anderen appelliert der Deutsche zum französischen Recht möglicher- Der Deutsche Kulturrat fordert daher, Kulturrat mit dieser Stellungnahme an weise infrage gestellt. die Betreibervergütung an die aktuellen Die Kunst (in) der Elementaren Musik- die Verantwortlichen, die derzeit Ko- rechtlichen und technischen Gegeben- alitionsverhandlungen führen, damit Value Gap heiten anzupassen. pädagogik. Ein Symposion des Arbeitskreises EMP auf der nationalen Ebene die richtigen Mit der Nutzung urheberrechtlicher Um die 300 Lehrende, Studierende und Praktiker aus dem Feld Weichen für die Urheberrechtspolitik Inhalte generieren Internetplattfor- Cloud-Nutzung der Elementaren Musikpädagogik kamen Ende 2017 in der für die . Wahlperiode des Deutschen men erhebliche wirtschaftliche Erlö- Derzeit besteht keinerlei gesetzlicher Landesmusikakademie Ochsenhausen zusammen, um sich Bundestags gestellt werden. Mit Blick se. Davon profi tieren bisher vor allem Vergütungsanspruch gegenüber Cloud- auf die nationale Ebene konzentriert Plattformbetreiber, die sich unter Beru- Betreibern, die Speicherplatz für ge- über die neuesten Tendenzen und Entwicklungen in ihrem Fach sich der Deutsche Kulturrat in dieser fung auf rechtliche Schlupfl öcher ihrer setzlich erlaubte Vervielfältigungen an- sowie über unterschiedliche Ansätze und Lehrmethoden aus- Stellungnahme auf wenige kurzfristig Verantwortung entziehen, Kreative und bieten. Auch hier sollte – vergleichbar zutauschen und sich in Praxisworkshops weiterzubilden. Neben zu regelnde Aspekte. ihre Partner angemessen für die Nut- der Betreibervergütung – dringend ein dem diesjährigen Schwerpunkt des Symposions – der Frage zung ihrer Werke zu vergüten. Die auf Vergütungsanspruch geschaff en werden. nach dem künstlerischen Anspruch in der elementaren Arbeit – EU-Ebene angestoßene Modernisierung stand auch die Vielfalt der Ausdrucksformen im Vordergrund der Anstehende europarechtliche des Urheberrechts stellt eine Chance Hinterlegungspfl icht für gesetzli- Änderungen Kurse und Darbietungen. dar, diese als Value Gap oder Transfer che Vergütungsansprüche of Value bezeichnete Fehlentwicklung Es sollte eine Hinterlegungspflicht Verlegerbeteiligung zu korrigieren und Online-Plattformen für gesetzliche Vergütungsansprüche Der Deutsche Kulturrat erneuert seine endlich in die Verantwortung zu neh- eingeführt werden. Das ist insbeson- Forderung, dass die Verlegerbeteiligung men. Die Bundesregierung sollte sich dere für die Ansprüche der ausübenden an gesetzlichen Vergütungsansprüchen insbesondere für eine rechtliche Klar- Künstler und Tonträgerhersteller für einer dringenden Lösung und Klarstel- stellung einsetzen, dass Plattformen die öff entliche Wiedergabe von Ton- lung bedarf und unverzüglich angegan- wie z. B. YouTube an der öff entlichen trägern von Bedeutung. gen werden muss. Die in der Richtlinie Zugänglichmachung (im urheberrecht- vorgeschlagene Regelung in Art.  des lichen Sinne) von Inhalten beteiligt Entwurfs wird vom Deutschen Kultur- sind und sich nicht hinter den Haf- 1 Abrufb ar unter: https://www.kulturrat.de/ rat grundsätzlich begrüßt. Allerdings tungsprivilegierungen für Host Provider positionen/stellungnahme-des-deutschen- sollte bei der nationalen Umsetzung verstecken dürfen, die für rein passive kulturrates-zur-reform-des-europaeischen- darauf geachtet werden, dass der Betei- Dienste gedacht sind. urheberrechts/ ligungsanspruch der Verleger nur von einer Verwertungsgesellschaft wahrge- Framing nommen werden kann, die die Rechte Ferner hält es der Deutsche Kulturrat Der VdM-Kongress in Stuttgart von Urhebern und Verlegern gemein- für dringend erforderlich, die Voraus- Mensch – Netz – Musik. Musikschule mittendrin. sam vertritt. setzungen der öff entlichen Wiedergabe Unter dem Motto „Mensch – Netz – Musik. Musikschule mit- geschützter Werke unter dem Gesichts- tendrin“ veranstaltete der Verband deutscher Musikschulen Schrankenregelungen punkt des sogenannten »Framings«, auch 2017 wieder seinen alle zwei Jahre stattfindenden Musik- Zu den Schrankenregelungen hat der also die Einbindung fremder Inhalte schulkongress. Tauchen Sie mit unserem Film noch Deutsche Kulturrat in seiner vorge- auf eigenen Webseiten oder Angeboten, einmal in Workshops, Podiumsdis- nannten Stellungnahme zum Richt- zu klären. Durch die aktuelle Rechtspre- linienentwurf ausführlich Position chung des EuGH sind die Rechteinhaber kussionen und die un- bezogen. Er hat unterstrichen, dass weitgehend rechtlos gestellt, wenn ein terschiedlichsten The- Schrankenregelungen sowohl auf der mit ihrer Zustimmung im Internet zu- menschwerpunkte des nationalen wie der europäischen Ebene gänglich gemachtes Werk von Dritten Kongresses ein. ein wichtiges Thema sind. Es geht um beispielsweise mithilfe eines Hyper- den Ausgleich zwischen den Interessen links in einen neuen Zusammenhang von Bildungs- und Kultureinrichtungen auf einer Webseite eingebunden wird. möglichst viele Inhalte ohne Einwilli- Zugleich sieht der Deutsche Kulturrat alle Filme für Sie kostenlos unter gung der Urheber digital anbieten zu die Notwendigkeit der Klarstellung der Exklusiv und kostenlos unter können und den Interessen der Urheber urheberrechtlichen Zulässigkeit einfa- www.nmz.de und sonstiger Rechteinhaber, insbeson- cher, verweisender (rein referenzieller) www.nmzmedia.de dere an einer angemessenen Vergütung Verlinkung. 36 DAS LETZTE www.politikundkultur.net

Kurz-Schluss Wie ich einmal aus gegebenem Anlass versuchte, einen halbwegs seriösen Beitrag für Politik & Kultur zu verfassen

THEO GEIẞLER (für die Grünen im Europaparlament), Dabei baut sich das parlamentarische Es fi nden sich Expertinnen und Exper- verein »Preußens Gloria« sowie ausge- Shaked Spier (Netzpolitiker bei der Polit-Personal – von der Masse her ten im Agrarbereich, im Ingenieurs- musterten, aber schlitzohrigen Politi- So: Es folgt an dieser Stelle ein teils un- Linken), Ria Schröder (stellvertreten- kräftig angeschwollen durch den AfD- wesen, in allen erdenklichen Facetten ker- und Manager-Persönlichkeiten (de gewohnt sachlicher, nahezu informa- de JuLi-Vorsitzende) und Diana Kinnert Furunkel – längst schon wieder seine der Jurisprudenz. Nicht zu vergessen Maiziere, Stoiber, Hoeneß, Ackermann) tiver Text, off en gestanden nicht ohne (CDU) haben gemeinsam keine Lust Schalt- und Walt-Zentralen auf: Die Sachbuch-Autorinnen und Autoren, Be- wird in der Kleinstadt Unterleuten ein die üblichen schrägen Quengeleien. mehr auf den behäbigen Politikbetrieb. Fachausschüsse des künftigen Bundes- amtinnen und Beamte, hauptamtliche Schulungszentrum »Künstler in den Seit Monaten herrscht hierzulande gar Was sie vorschlagen, wird Siegern der tages arbeiten. Dabei fällt auf, dass um Gewerkschaftsmitglieder, Mediziner, Bundestag« gegründet. Zentrum ist grausig Gejaule über die politische Wa- »Ochsentour« und strammen Parteisol- die Besetzung der sogenannten »wichti- Medienvertreter, ein Philosoph – und eine Originalkopie des Paul-Löbe-Ab- ckelpudding-Situation nach der Bun- datinnen und -soldaten nicht gefallen: gen« Ausschüsse (Wirtschaft, Finanzen) sehr gelegentlich der eine oder ande- geordnetenhauses – in dem  dann destagswahl. Angesichts zunehmend nämlich ein ideologie-übergreifendes, mächtiges öff entliches Gezeter ausbrach. re praktizierende Künstler. Nun kann auch der Deutsche Kulturrat eine ange- bräunlicher Färbung unserer morali- teils pragmatisches, teils wertebewuss- Um die Kultur blieb es bezeichnender- Distanz zum Gegenstand der Aufgabe messene Heimat fi nden wird. schen Unterwäsche teils auch verständ- tes Denken und Arbeiten in den Partei- weise ziemlich still. Wir haben den Chef ja nicht unbedingt von Nachteil sein. Wir hoff en auf die Bildung lautstar- lich. Sorgen sollten wir uns auch über en. Ein wenig Angst macht ihr Schluss- unserer redaktionellen Recherche-Ge- Ein gewisser Prozentsatz von konkreter ker, vielschichtiger kulturpolitischer gewisse dynamisch-sozialpolitische satz: »Es ist jetzt an der Zeit, auf uns zu meinschaft der ConBrio-Gruppe tief in Fachkompetenz aber auch nicht. Und Kompetenz. Auch für mich ist gut ge- Jusos machen, die versuchen, eine im- hören… Völker hört die Signale?« die geheimen Archive von Google und so muss man die Frage stellen: Wo sorgt. Ich werde als Pförtner und Haus- merhin noch demokratisch getroff ene Soll noch jemand sagen, unsere Wikipedia geschickt, um wenigstens die sind all die Musiker, die Regisseure, meister im Range eines Oberministe- Wahlentscheidung, die eine klare Re- Jugend sei politisch desinteressiert, Persönlichkeiten des für unsere Arbeit die Bildenden Künstler, die Schrift- rialrates verbeamtet. Auf Lebenszeit. gierungsmehrheit ermöglicht, durch ein wenn es auch den Anschein hat, ein besonders relevanten »Kulturausschus- steller, die Schauspieler – all die Kul- Stürmchen in einem mittlerweile auf  paar Ältere könnten noch halbwegs ses« ihrer ungerechtfertigterweise meist turschaff enden eben – mit Nebenberuf Volumenprozent geschrumpften Partei- hilfreich oder brauchbar sein. So merkt etwas graumäusigen Anonymität zu ent- »Bundestagsabgeordnete/Bundestags- Flacon Marke SPD zu kippen. Ein inter- der Durchschnittsbürger im Moment reißen. Etliche von ihnen leisten näm- abgeordneter«? Ist ihnen die »Ochsen- essantes Demokratieverständnis, soll- doch gar nicht, dass wir »nur« eine ge- lich seit Jahren ganz vorzügliche Arbeit. tour« durch die Partei-Hierarchien zu ten solche Grundrechen-Kunststücke schäftsführende Regierung haben. Und Dabei hat sich herausgestellt, dass dämlich? Scheuen sie als feinsinnige künftig den demokratischen Zustand bedauerlicherweise mag so manche(r) quer durch alle im Kulturausschuss ver- Artisten die spitzen Ellenbogen, die unseres Landes defi nieren. zu der Einschätzung kommen, ein en- tretenen Parteien eine derartige Vielfalt heimtückischen Intrigen, die off enen Einen ganz anderen Weg wünschen gagierter Geschäftsführer, eine fl eißige von berufl ichen Qualifi kationen, von eh- Machtkämpfe in unseren politischen sich fünf politisch engagierte »Um-die- Geschäftsführerin sei möglicherweise renamtlichen Engagements versammelt Systemen? Dreißiger« in unserem Konkurrenzblatt nicht nur auf Dauer billiger, sondern ist, dass eine jeder Persönlichkeit ge- Dem soll künftig Abhilfe geschaf- namens »Die Zeit« (Ausgabe , Seite auch eff ektiver als Scharen von Minis- recht werdenden Darstellung wenigstens fen werden. In Kooperation mit der ): Yannick Haan (SPD, Ortsverein tern Vize- und sonstigen Würdenträ- zehn bis zwölf der großfl ächigen Seiten nordkoreanischen Kung-Fu-Liga, der Theo Geißler ist Herausgeber von Berlin Alexanderplatz), Terry Reintke gern, gar Kanzler-innen. unserer Zeitschrift in Anspruch nähme. Bertelsmann-Stiftung, dem Haubitzen- Politik & Kultur

MÖHRENSALAT  DIE P&KTRUMPFAKES

Berlin: Marc Jongen (AfD-MdB), wis- Generalamnestie erlassen. Angeblich senschaftlicher Mitarbeiter für Philoso- wurden bereits »gedopte« Urinfl aschen phie und Ästhetik an der HfG Karlsruhe vom russischen Hersteller Tschernobyl- und Mitglied des Kulturausschusses des ski geliefert. Laut Komitee-Chef Bach Deutschen Bundestages, ist mit einer waren die Probefl äschchen nur halb so ersten spektakulären Initiative knapp teuer wie die des amerikanischen An- gescheitert. Er wollte nach Trump- bieters Monsanto. schem Vorbild (Deutschland über alles) durchsetzen, dass die deutsche Nati- Hamburg: Christian Thielemann wei- onalhymne wieder mit der ursprüng- gert sich, in Hamburgs Elbphilharmo- lich ersten Strophe gesungen werde. Er nie generell zu dirigieren. »Gut gemeint scheiterte an den Stimmen von CDU, ist das Gegenteil von gut gemacht«, so SPD, Linken und Grünen. CSU und FDP Thielemann. Weil die Akustik so diff e- enthielten sich. renziert und klar sei, müsse eigentlich jeder Instrumentalist das aufzuführen- München: Heimatminister Horst See- de Werk üben. Da dies eine utopische hofer will den Standort seines Minis- Vorstellung sei, fürchte er um sein Ge- teriums von Berlin in den Münchner hör, seinen Verstand und seine tiefe Vorort Pullach verlegen: »Wo sich der Musikalität. Geheimdienst mal wohlgefühlt hat, da fühle auch ich mich als Innenminis- ter bestens beheimatet. Außerdem hab ich‘s dann nicht so weit zu meiner geistigen Heimat, dem Oktoberfest.«

Pyeongchang: Nachdem die Doping- tests aller Athletinnen und Athleten bei den olympischen Winterspielen in Südkorea positiv ausgefallen sind, hat das olympische Zentralkomitee eine KARIKATUR: KLAUS STUTTMANN KLAUS KARIKATUR:

IMPRESSUM

Politik & Kultur – ANZEIGENREDAKTION LAYOUT UND SATZ VERKAUFSSTELLEN HINWEISE Zeitung des Deutschen Kulturrates Martina Wagner, Petra Pfaff enheuser Politik & Kultur ist im Abonnement, in Der Deutsche Kulturrat setzt sich für c/o Deutscher Kulturrat e.V. ConBrio Verlagsgesellschaft ConBrio Verlagsgesellschaft Bahnhofsbuchhandlungen, großen Kiosken Kunst-, Publikations- und Informations- Mohrenstraße ,  Berlin Telefon:  .  - Regensburg sowie an Flughäfen erhältlich. Alle Ausgaben freiheit ein. Offi zielle Stellungnahmen Telefon:  .    Fax: .--, www.conbrio.de können unter www.politikundkultur.net des Deutschen Kulturrates sind als solche Fax:  .    [email protected] auch als PDF geladen werden. Ebenso kann gekennzeichnet. Alle anderen Texte geben www.politikundkultur.net Politik & Kultur erscheint der Newsletter des Deutschen Kulturrates nicht unbedingt die Meinung des Deutschen [email protected] VERLAG sechsmal im Jahr. (zwei- bis dreimal mal pro Woche) unter Kulturrates e.V. wieder. Aus Gründen der ConBrio Verlagsgesellschaft mbH www.kulturrat.de abonniert werden. besseren Lesbarkeit wird manchmal auf HERAUSGEBER Brunnstraße  ABONNEMENT die zusätzliche Benennung der weiblichen Olaf Zimmermann und Theo Geißler  Regensburg  Euro pro Jahr (inkl. Zustellung HAFTUNG Form verzichtet. Wir möchten deshalb Telefon:  .  -, im Inland) Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte darauf hinweisen, dass die ausschließliche REDAKTION www.conbrio.de und Fotos übernehmen wir keine Haftung. Verwendung der männlichen Form expli- Olaf Zimmermann (Chefredakteur v.i.S.d.P), BESTELLMÖGLICHKEIT Alle veröff entlichten Beiträge sind urheber- zit als geschlechtsunabhängig verstanden Gabriele Schulz (Stv. Chefredakteurin), DRUCK Politik & Kultur rechtlich geschützt. Politik & Kultur bemüht werden soll. Theresa Brüheim (Chefi n vom Dienst), Freiburger Druck GmbH & Co. KG Mohrenstraße  sich intensiv um die Nennung der Bildautoren. Andreas Kolb www.freiburger-druck.de  Berlin Nicht immer gelingt es uns, diese ausfi ndig zu FÖRDERUNG Tel.:  .   , machen. Wir freuen uns über jeden Hinweis Gefördert aus Mitteln Der Beauftragten REDAKTIONSASSISTENZ GESTALTUNGSKONZEPT Fax:  .    und werden nicht aufgeführte Bildautoren in der Bundesregierung für Kultur und Medien Kristin Braband, Seda Gül Aydin, Susann Pfarr Ilja Wanka und S Design [email protected] der jeweils nächsten Ausgabe nennen. auf Beschluss des Deutschen Bundestages.