Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

146 Neumann-Neudamm 147 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Sonderdruck aus: Greifvögel und Falknerei Jahrbuch des Deutschen Falkenordens 2009/2010 Greifvögel Seiten 150-199 und Herausgeber Falknerei

Bund für Falknerei, Greifvogelschutz und Greifvogelkunde e. V., dem Deutschen Jagdschutz-Verband angeschlossen Jahrbuch des Deutschen Falkenordens Anerkannter Verband nach § 59 Bundesnaturschutzgesetz 2009/2010

Wolfgang Baumgart Grundzüge einer Funktional- Impressum Evolution der Greifvögel Dr. Wolfgang Baumgart, Guhlener Zeile 9A, 13435 Berlin Herausgeber: Vorstand des Deutschen Falkenordens, Hahner Hof 1, 50181 Bedburg Redaktion: Hans-Albrecht Hewicker (verantwortlich im Sinne des Presserechts) (Accipitriformes und ) mit Unterstützung von: Hans Kurt Hussong, Elisabeth Leix, Egbert Urbach Titelbild: Vadim Aleksejewitsch Gorbatov (Moskau): Turkmenischer Falkner im Winter-Sandsturm in der Wüste Karakum. Öl auf Leinwand, 70 x 70 cm, Besitzer: Heinrich Elsemann, Wesel.

„Greifvögel und Falknerei“ erscheint einmal jährlich im Verlag J. Neumann-Neudamm mit Beiträgen zum Themenkreis Falknerei, Greifvogelschutz und Greifvogelkunde. Die Autoren erhalten kein Honorar. Für den Inhalt der einzelnen Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Die Redaktion behält sich eine stilisti- sche Bearbeitung und Kürzung der Manuskripte vor. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2010, Verlag J. Neumann-Neudamm AG, Melsungen Printed in Germany Neumann-Neudamm ISBN 978-3-7888-1354-3

148 149 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Wolfgang Baumgart Übersicht 1 Die Evolution der Greifvögel Grundzüge einer Funktional-Evolu- einschließende Erdzeitalter – in Millionen Jahren (million years – mya) tion der Greifvögel (Accipitriformes Erdneuzeit (Neozoikum bzw. Känozoikum) * Quartär und Falconiformes) Holozän seit 10 000 mya Pleistozän Beginn vor 1,5 ± 0,5 mya Herrn Forstdirektor a.D. Hans-Albrecht Hewicker in Würdigung seiner Verdienste um Greifvo- Tertiär gelkunde und Falknerei, die auch in der engagierten redaktionellen Betreuung dieses Jahrbu- ches über Jahrzehnte ihren Niederschlag fanden, zur Vollendung des 65. Lebensjahres am 15. Pliozän Beginn vor 10 ± 3 mya Oktober 2008 in aufrichtiger Verbundenheit gewidmet. Miozän Beginn vor 25 ± 2 mya Oligozän Beginn vor 37 ± 2 mya Eozän Beginn vor 58 ± 4 mya 1 Einleitung ganismen nach stammesgeschichtlichen Krite- Paläozän Beginn vor 67 ± 3 mya Seit jeher ist die Phylogenie der Greifvögel ein rien und hebt sich so prinzipiell von den rein Erdmittelalter (Mesozoikum) attraktives Betätigungsfeld der Systematik. Sie merkmalsbezogenen typologischen Ordnungs- Kreide Beginn vor 137 ± 5 mya erfuhr in den letzten beiden Jahrzehnten durch prinzipien Linnés ab. Jura Beginn vor 195 ± 5 mya molekulare Methoden eine geradezu perfektio- Trias Beginn vor 225 ± 10 mya nierte Aufarbeitung. Die früher meist nur mor- 2.1 Zeitliche Abläufe der Greifvogel- Erdaltertum (Paläozoikum) phologisch gestützten Aussagen zu Entwick- Evolution Beginn vor ~ 570 mya Die Neuweltgeier (Cathartiiformes) – hier der lungsabläufen unterlagen inzwischen vielfach nahezu über ganz Amerika verbreitete Trut- grundlegenden Korrekturen. Zudem wurde es Frühe Etappen der Evolution unserer Vögel lie- schritten. Erst ab dem frühen Tertiär, vor etwa hahngeier (Cathartes aura) – gehören nicht zu nun möglich, nicht nur Verwandtschaftsbezie- ßen sich bis vor kurzem meist nur durch Fossi- 65mya, sind dann die modernen, echten Vögel den unmittelbaren Verwandten der Habichtarti- hungen objektiv abzuklären sondern in maß- lien dokumentieren. Nun wurde mit dem Über- (Neornithiden) nachweisbar. Vor rund 35mya gen Greifvögel, obwohl ihr Habitus und die von geblichen Fällen den Verwandtschaftsausschluß gang zu molekularen Methoden in Umfang und erfolgte dann in einem vom späten Eozän ins ihnen oft eingenommenen heraldischen Posen auch dort zu führen, wo konvergente Entwick- Präzision eine neue Qualität erreicht. Nicht Oligozän reichenden Zeitraum, der sich über das zu vermitteln scheinen. lungen lange für Verwirrung gesorgt hatten. mehr nur von fossilen Zufallsfunden abhängig, 5–10mya erstreckte, eine geradezu explosive Foto: Wolfgang Baumgart Nachdem nun die systematischen Bezie- konnte man nun systematisch am Erbgut for- Evolution sowohl der Vögel als auch der Säu- hungen der meisten Greifvogel-Taxa unterein- schen und die entsprechenden Abläufe wie in getiere. Es entstanden, was Fossilien aus dem Was vor der K/T-Grenze anfiel, Brown & ander geklärt sind und wir inzwischen auch einem Logbuch ausweisen. Doch sind auch hier nachfolgenden Miozän gut belegen, in einer Amadon (1968) verweisen beispielsweise auf recht klare zeitliche Vorstellungen über die von der Rückverfolgung von Entwicklungslinien erdhistorisch ausgesprochen kurzen Periode einen 75mya alten generalisierten „Ur-Greif- ihnen durchlaufenen Entwicklungen haben, ist zeitlich Grenzen gesetzt (s.u.). alle noch heute existierenden Vogel-Ordnun- vogel“, gehört nicht in die Ahnenreihe heu- es an der Zeit, sich Gedanken über die Moti- Im Jura (s. Übersicht 1), vor rund 150 Mil- gen einschließlich der Greifvögel. Im späten tiger Habichtartiger Greifvögel, die offenbar ve und Kausalitäten dieser überaus komplexen lionen Jahren (million years – mya), betraten Oligozän kamen noch die Sperlingsvögel (Pas- frühestens seit rund 55mya nachweisbar sind. Geschehen zu machen, wofür das Darwin-Jahr Urvögel (Archaeopterygiformes) in noch recht seriformes) dazu, die schon im Miozän (Be- Sie haben wohl zusammen mit Regenpfeifern 2009 einen besonderen Anlaß bietet. reptilienähnlicher Ausformung die Bühne des ginn vor 25mya) geradezu omnipräsent zu den (Charadriiformes), Seevögeln (Procellariifor- Lebens. Diesen folgten in nicht immer klar prädominanten Landvögeln wurden (Feduccia mes), Pelikanen (Pelecaniformes) und Störchen 2 Aktuelle Bezüge der Greifvogel- rekonstruierbarer Verwandtschaftslinie ihnen 1995, 2001, Raikow & Bledsoe 2000). Infolge (Ciconiiformes) in frühen Küsten- bzw. Watvö- Evolution und -Systematik noch recht ähnliche „Gegenvögel“ (Enanti­ dieser gerafften, zeitlich relativ weit zurück- geln (shorebirds) gemeinsame Vorfahren. Der ornithinen), die mit den etwas moderneren liegenden grundlegenden Differenzierungsab- Sekretär ging schon im Eozän eigene Wege. Die phyletische Systematik ordnet – am Dar- Ornithurinen die gesamte Kreidezeit über läufe stehen heute die einzelnen höheren Taxa Ein Greifvogel mit Bussard-Habitus hat ______winschen Evolutionsverständnis orientiert – Or- nebeneinander existierten. Zumindest von recht isoliert da. Übergänge sind meist weder vor etwa 37mya gelebt. Aus dem frühen Mio- * Erstellt auf der Grundlage von Ausarbeitungen zum ersteren hat keiner die Schwelle zur Erdneu- durch Fossilien noch molekularphyletisch do- zän sind dann wohl der Gattung Buteogallus Buchprojekt: „Greifvögel, Artproblem und Evolutions- zeit, die K-T (Kreide/Tertiär)-Grenze, über- kumentierbar. zuordbare Bussarde, Pro-Milane Promilio, theorie“

150 151 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 mutmaßliche Seeadler Haliaeetus, Bussardad- mentierte Entwicklung der Geier in besonderer se Angaben sind auch für den neuseeländischen ler Geranoaetus, sogenannte Habichts-Adler Weise. Heute als Neuweltgeier („Storchengei- Haast-Adler (Harpagornis moorei) bedeutsam, Palaeastur und ursprüngliche Greifvogelgeier er“) geführte Formen traten in beiden Hemi- der sich weder vom Keilschwanzadler noch Neogyps bekannt. Der erste, einem Karaka- sphären erstmals im Eozän vor rund 50mya auf. einem Seeadler, sondern von einem australi- ra ähnliche Falke, Falco ramenta, stammt aus In Nordamerika nur bis Anfang des Oligozäns schen Zwergadler ableitet (Bunce et al. 2005). 20mya alten Miozän-Ablagerungen Nebraskas belegbar, überlebten sie in Europa das frühe Nacheiszeitliche Fossilien-Funde datieren sein (Grossman et al. 1964, Becker 1987). Doch ob Miozän nicht. Greifvogel-Geier gibt es erst seit Vorkommen auf Neuseeland lediglich 30.000 es sich dabei um direkte Vorfahren entsprechen- 20mya sowohl in der Alten als auch in der Neuen Jahre zurück. Er starb im 13.Jh. aus (Worthy & der heutiger Formen handelt, ist auch mit mo- Welt, was zugleich auch einen Bezugspunkt für Holdaway 1994). dernen Methoden nicht immer zu klären. die Existenz moderner Greifvögel überhaupt bie- Der Gattung Falco zuordbare fossile Be- Die rezenten Habichtartigen spalten sich tet. Im Verlauf ihrer Entwicklung lassen sich 149 lege kamen, obwohl Falco ramenta schon im in eine ursprüngliche und eine Gruppe später Arten nachweisen und viele Ansätze waren nicht Miozän lebte (s.o.), erst im Pleistozän dazu monophyletisch entstandener moderner Arten von Dauer (Mundy et al. 1992). In Nord-Ameri- (Grossman et al. 1964, Cade 1982, Becker auf (Kocum 2006). Da beide schon in einer ka überlebten sie den mit dem Aussterben vieler 1987). Ihr Ursprung ist noch weitgehend un- weit gestreckten Übergangsperiode im Mio- Großtierarten einhergehenden Pleistozän-Kol- klar. Nach breitangelegten Untersuchungen zur zän nebeneinander existierten, geben Fossilien laps nicht (Arnold & Wallace 1993), den nur Phylogenie der Vögel – 32.000 DNA-Basen in oft keine Auskunft darüber, welcher Gruppe die oft als „primitiv“ abgewerteten Neuweltgeier 19 verschiedenen Genen von 169 Arten fanden einzelne Vertreter dieser koexistenten Formen überdauerten. Ihr späteres neuweltliches „come Berücksichtigung – sehen Hackett et al. (2008) zuzuordnen sind. Denn beide entwickelten kon- back“ läßt auf einen evolutiven Neuansatz ohne die Falken als Schwestertaxon der südamerika- Die Seriemas (Cariamidae) – hier die bis zu vergent oft phänotypisch analoge Formen. Und Bezug zu Formen des Oligozäns bzw. Miozäns nischen Seriemas (Cariamidae). Diese erinnern 90cm hohe Rotfußseriema (Cariama cristata) – bisweilen wurden sie, wie etwa im Falle der po- schließen. Vorfahren von Kondor Vultur und Kö- in ihrer Lebensweise an den afrikanischen Se- gelten als „Neuweltliche Sekretäre“. Sie haben lyphyletischen Neu- und Altweltgeier, auch als nigsgeier Sarcoramphus traten im fortgeschrit- kretär und stehen möglicherweise in Beziehung möglicherweise – wie ihr altweltliches Gegen- Ausdruck eines abgestuften Entwicklungsge- tenen Pliozän auf. Raben- und Truthahngeier zu den Südamerika bis ins Pleistozän bewoh- stück, der Sekretär, für die Accipitriformes – in schehens bewertet. Selbst der Umgang mit heu- (Coragyps bzw. Cathartes) folgten erst im Plei- nenden Terrorvögeln (Phorusrhacidae). der frühen Entwicklung der Falconiformes eine te noch lebenden ursprünglichen Arten bereitet, stozän (Eikamp 1990b, Baumgart 2001). Von der zu den Falken überleitenden Grund- Rolle gespielt. Foto: Tom Davis wenn sie sich etwa, wie einige „Australier“, dem Für weitere „Moderne“ sind durch die linie führen auch Verzweigungen zu den Papa- Bussard-, Habicht- oder Milan-Typ annähern, Rückdatierung von Sequenzdifferenzen und geien (Psittaciformes) und Sperlingsvögeln nenbereich des c-myc-Gens die Eigenständig- systematisch erhebliche Probleme (s. 3.4). Aufspaltungsereignissen gleichfalls Aussagen (Passeriformes). Zweifel an diesem Konzept keit der Falken (Kocum 2006), deren Mauser, Frühe Evolutionsgeschehen schlagen sich über das Auftreten der einzelnen Großgruppen weckt aber, daß die Neuweltgeier wieder fern angefangen bei den Waldfalken stets mit der auch molekularphyletisch oft in nur gering- zu treffen. Buteo-Bussarde gibt es, was auch der Schreitvögel verwandtschaftlich zu den 4. Handschwinge beginnt. Die Accipitriformes gradigen Sequenzunterschieden nieder (Wink Fossilien belegen, seit etwa 17mya. In dieser Greifvögeln rücken. Dabei erscheint die Zu- und Falconiformes gemeinsamen Greifvogel- et al. 1998). Mit dem mitochondrialen Cyto- Zeit fand auch, was als Bezugsgröße nutzbar sammengehörigkeit von Störchen und Neuwelt- merkmale wie Hakenschnäbel und Greiffüße chrom b-Gen läßt sich beispielsweise das, was ist, die Trennung der Haliaeetus- von der Bu- geiern – ganz gleich wie sie letztendlich einmal sind daher rein konvergenter Natur. 20mya und mehr zurückliegt, nicht mehr exakt teo-Linie statt. Die Aquila-Adler existieren seit systematisch erfaßt werden sollten (s. Seibold Die uns heute vertraute Gattungs- und Ar- trennen (Meyer 1994). Genaue Aussagen zum 12-15mya. Alt- und neuweltliche Spizaetus-Ad- & Helbig 1995) – auf Grund karyotypischer tenvielfalt der Habichtartigen einschließlich ersten Auftreten moderner Habichtartiger sind ler gingen seit 8-11mya eigene Wege und die und DNA-DNA-Übereinstimmungen sowie der Greifvogelgeier ist aber wie die der Falken daher so nicht zu treffen. In jüngster Zeit erlan- Basal-Linien von Polemaetus, Hieraaetus und gemeinsamer Skelett-, Feder- und Verhaltens- sowie der meisten rezenten Neuweltgeier- und gen Indels in Form von Einzelnukleotiden oder Aquila trennten sich vor etwa 5-7mya. (Olson merkmale seit längerem gesichert (König 1982, Eulenarten erst ausgangs des Pliozäns oder im Sequenzabschnitten als Belege für Zusammen- 1985, Helbig et al. 2005a). Herzog et al. 1986). Pleistozän entstanden und somit lediglich auf gehörigkeit diagnostisch Bedeutung. Alle mo- Moderne Arten wie Zwergadler (Hieraaetus Damit werden einige Spekulationen über bis zu 1,8mya zurückdatierbar (Grossman et dernen Greifvögel verfügen trotz ihrer gestaltli- morphnoides), Bänderhabicht (Accipiter fascia- die stammesgeschichtliche Zusammengehö- al. 1964). Der Haast-Adler durchlief offenbar chen Vielfalt als Beleg ihrer gemeinsamen Ab- tus), Halbringsperber (A. cirrhocephalus) sowie rigkeit von Habichtartigen, Falken und Eulen in dieser Ära eine regelrechte „Blitzevolution“ stammung über ein solches drei Basen langes eine Weihe (Circus spec.) fand man in Austra- gleichfalls gegenstandslos (zu letzteren s. Wink (s. 3.3). Doch auch die Gattung Falco entwic- Indel im AK-5-Indron (Kocum 2006). lien erstmals in Pleistozän-Ablagerungen. & Heidrich 1999). Alle drei folgen seit langem kelte ihre heutige Artenfülle durch stürmische Die Komplexizität von Evolutionsabläufen Der Keilschwanzadler (Aquila audax) ist seit eigenständigen Entwicklungen. Zudem stützen Radiation nicht vor dem Pleistozän. Einige von verdeutlicht die durch Fossilienfunde gut doku- 35.000 Jahren nachweisbar (Olsen 1995). Die- fünf Indels im AK-Intron und eines im Intro- ihnen gibt es wohl erst seit etwa 10.000 Jahren

152 153 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

(White et al. 1994). Die somit sehr junge Gat- Fischadler (Warter 1976) wird für viele gera- der Vollständigkeit halber sei noch darauf ver- „tote“ Sprachen nutzende wissenschaftliche tung belegt zugleich, wie schnell Evolution zu dezu zum Evolutionsverweigerer. Für diese Un- wiesen, daß die Neuweltgeier als einst zu den Nomenklatur. beachtlicher Vielfalt führen kann. terschiede gilt es, konkrete Ursachen zu finden. Falconiformes gerechnete, heute eigenständige Als duale Systeme (s. 4) unterliegen Arten Ausgeprägte saisonale Klimaschwankun- Auch eine Reihe scheinbarer Ungereimt- Ordnung Cathartiformes übereinstimmend sie- aber auch ökofunktionellen Ordnungsprinzipi- gen dürften im Eiszeitalter vielfach drastische heiten und Paradoxa bedürfen der Klärung. ben Arten in fünf Gattungen umfaßt und die Sa- en, die, unabhängig von der verwandtschaftli- jahreszeitliche Diskontinuitäten und Umvertei- Wieso wurden in Amerika mit den rezenten gittariiformes mit einer Art monotypisch sind. chen Einbindung, ihren Platz im Umwelt-Bezie- lungen im Ressourcenangebot bewirkt haben. Neuweltgeiern schon seit Jahrmillionen schein- hungsgefüge auf der Grundlage von Funktional- Die zu deren Nutzung erforderliche Mobilität bar erledigte Auslaufmodelle auf Kosten der 2.2.1 Allgemeine Grundlagen und Leistungskriterien bestimmen (Baumgart konnten vor allem Zugvögel erbringen, die bis modernen Greifvogelgeier erneut aktuell. Und 1978a, 1978b, 1996, 1997a. 1998a, 1998b, 2008 heute einen wesentlichen Beitrag zur Ernäh- warum entwickelte sich aus einem singulären Die heute praktizierte systematische Ordnung u.a). Die Ökofunktionelle Position (ÖFP) von rung im Luftraum jagender Falken, insbesonde- Ansatz vor etwa 20mya die Vielfalt der mo- der artlichen Vielfalt als ein Grundanliegen Arten (s. Übersicht 2) unterliegt jedoch evolu- re aber die der Wanderfalken-Populationen ge- dernen Habichtartigen in Formen, die zumin- der Biologie im Sinne Darwins beruht auf tionsbedingt steten Änderungen. Die gleichen mäßigter Breiten liefern und deren pleistozäne dest teilweise bereits durch die ursprünglichen ein für alle mal abgeschlossenen und keinen ÖFP können in den einzelnen Regionen und Entwicklung so wohl maßgeblich mit induziert Vorgänger repräsentiert waren, und verdrängten Änderungen mehr unterliegenden stammes- Zonen von Arten recht unterschiedlicher Phy- haben (s. 2.3.4). diese auf Rand- oder Refugienpositionen? Als geschichtlichen Abläufen. Die Evolution hat logenese eingenommen werden. Dementspre- Doch nicht nur zeitlich, auch geographisch alles besetzt schien, kamen noch die Falken als immer nur einen Weg genommen, den es un- chend ermangelt es diesem für die weitere Ent- ist die Entwicklung der Greifvögel nicht immer primäre Luftraumjäger – phyletisch terrestrisch ter Ausschluß vieler Alternativen zu ermitteln wicklung unseres evolutionstheoretischen und eindeutig nachvollziehbar, denn frühe Fossili- gebundenen Formen entstammend – dazu. Sie gilt. Formale Konstanz garantiert zudem die artkonzeptionellen Verständnisses unverzicht- en-Funde zeigen bisweilen kaum eine Bezie- nahmen aber bald nicht nur Randpositionen hung zur heutigen Verbreitung von Arten bzw. ein, sondern eroberten in einer erstaunlichen Übersicht 2 Artengruppen. Geotektonische Großereignisse Artenvielfalt eine zentrale Stellung. Mit dem Grundlegende Ökofunktionelle Positionen (ÖFP) paläarktischer Greifvögel – wie die Kontinental-Drift nach Zerfall des Wanderfalken sind sie in bisher kaum bekannter mittlerer und unterer Größenordnung Südkontinents (Gondwanaland) vor 60-80mya Manier weltweit präsent. Zur Annäherung an Verfolgungsjäger im freien Luftraum – offenbaren, anders als es Olsen et al. (1989) diese Fragestellungen erscheint der Rückgriff Im Flug extrem schnell und ausdauernd, mit geringer aktiver Eigenbeschleunigung vermuten, keine Bezüge zur Evolution etwaiger auf Funktionalbezüge unverzichtbar. (kompensierbar durch Nutzung der Fallbeschleunigung) und Wendigkeit Gondwanaland-Falken. Als der Urkontinent Wanderfalke Falco peregrinus ------zerfiel, gab es noch keine heutigen Vorstellun- 2.2 Die phyletische Systematik der Baumfalke Falco subbuteo gen entsprechende Falken. Andererseits muß Greifvögel Verfolgungsjäger im bodennahen Bereich der alternativen phänologischen Trennung zwi- Offenes Gelände gedecktes (bewaldetes) Gelände schen den Arten der Nord- und Südhalbkugel, Erst die auf molekularer Grundlage erreichte Sehr schnell und ausdauernd Sehr schnell und wendig die zudem in der Landmassenverteilung sehr phyletische Klarheit ermöglicht Betrachtungen mit hoher Eigenbeschleunigung mit extremer Eigenbeschleunigung, unterschiedlich strukturiert sind, mehr Beach- über die Funktional-Evolution der Greifvögel. und Wendigkeit doch nur geringer Ausdauer tung geschenkt werden. Denn sie birgt in sich Tragfähige Ansätze dafür bieten scheinbar kon- Hierofalken: Sakerfalke Falco cherrug Habicht Accipiter gentilis selbst über wesentlich kürzere Zeiträume er- spezifische (artgleiche) Formen, die sich aber Gerfalke F. rusticolus Lannerfalke F. biarmicus hebliche Evolutionspotentiale (s. 3.3). nach einem Verwandtschaftsausschluß lediglich ------Evolutive Abläufe folgen zeitlich keinen als konfunktionell (funktionsgleich) erweisen. Merlin F. columbarius Sperber A. nisus abstrakten Normierungen und liefern auch kei- Die Angaben zum Umfang der Ordnungen Bodenjäger ne Anhaltspunkte für immer wieder geäußerte Accipitriformes und Falconiformes stimmen Gelände mit Ansitzwarten Gelände ohne Ansitzwarten Vorstellungen von zeitabhängigen molekularen nicht immer genau überein. Doch nach den In allen Flugeigenschaften variabel Extrem gute Gleiter die einer strengen Evolutions- und Aussterberaten für Arten. Alles bisher praktizierten Methodiken fällt die Va- und ohne Zwang zur strengen Gewichtslimitierung unterliegen, ohne andere Gewichtslimitierung herausragende Flugeigenschaften verändernde Entwicklungen können wie bei riationsbreite relativ gering aus. Del Hoyo et den Falken in wenigen tausend oder zehntau- al. (1994) beziffern erstere mit 238 Arten in Mäusebussard Buteo buteo Kornweihe Circus cyaneus Wiesenweihe C. pygargus send Jahren ablaufen. Demgegenüber scheinen 64 Gattungen und Ferguson-Lees & Christie Rohrweihe C. aeruginosus andere Arten wie die Gleitaare, Wespenbussard­ (2009) zählen 241 Arten. Für die Falconifor------artigen und Höhlenweihen regelrecht zu stag­ mes kommen die entsprechenden Autoren auf Turmfalke F. tinnunculus -/- nieren. Der seit 12mya nahezu unveränderte 61 Arten in 10 Gattungen bzw. 63 Arten. Nur Gleitaar Elanus caeruleus

154 155 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 baren, auch Kausalitäten und Konvergenzen er- gentilis Linné 1758 für den Habicht. Die trinäre (Habichtartige Greifvögel) und Falconiformes – Die Sekretäre (Sagittariiformes) mit dem klärenden funktionell orientierten Vorgehen (s. Nomenklatur schließt dann noch mit geographi- (Falkenartige Greifvögel). Das führt zu einer Sekretär (Sagittarius serpentarius) als ein- 3.4) an zeitloser Stabilität. Viele systematische schem Bezug Unterarten ein. Bei Taxa oberhalb Streckung der Hierarchie. Die Einführung von ziger Art stehen zu den Accipitriformes in Irrtümer beruhen darauf, daß beide Systeme der Gattungen entfällt die kursive Schreibweise Unterfamilien gleicht das aber aus und macht ihrer Gesamtheit nur in einem entfernten nicht klar auseinander gehalten werden. (z. B. Accipitridae oder ). weitere Zusatz-Kategorien wie Unterordnun- Schwestergruppen-Verhältnis. Zu den Se- Für die hierarchische Abfolge taxonomi- Seit molekulare Befunde abschließend be- gen und -gattungen, Kohorten, Überarten u.a. riemas (Cariamidae), die ihnen als „neu- scher Kategorien (s. Übersicht 3) bietet das Kür- legten, daß eine Zusammenfassung der Falco- überflüssig. Beim Umgang mit Superspezies weltliche Sekretäre“ in Verhalten und Le- zel SKOFGA (Stamm-Klasse-Ordnung-Fami- niformes, so wie sie sich etwa noch bei Brown in ihrem oft auch konfunktionellen Inhalt emp- bensweise recht ähnlich sind, besteht kei- lie-Gattung-Art) auch für Außenstehende eine & Amadon (1968) findet, mangels Monophylie fiehlt sich Zurückhaltung. nerlei Verwandtschaftsverhältnis. gute Gedächtnisstütze. Arten werden im binären nicht der Wirklichkeit entspricht, steht eine Eine allgemein akzeptierte, durchgängige System mit Gattungs- und Artnamen, erstere Neuordnung an. Aus den vier bisher dazu ge- systematische Neufassung steht für die einsti- 2.2.2.1 Accipitriformes groß, letztere klein und beide kursiv geschrie- zählten Familien wurden die eigenständigen gen „Falconiformes“ noch aus und der folgende ben, mit zusätzlichem Hinweis auf Erstbeschrei- Ordnungen Cathartiformes (Neuweltgeier), Ordnungversuch für die Accipitriformes und Die Situation der Habichtartigen Greifvögel ber und Jahresangabe, erfaßt, wie z.B. Accipiter Sagittariiformes (Sekretäre), Accipitriformes Falconiformes soll nicht etwa ein neues Sy- (Accipitriformes) wird systematisch recht gut stem begründen, sondern vor allem zur Wah- verständlich, wenn man abgestufte Entwick- Übersicht 3 rung der Übersicht in anschließenden Funk- lungsabschnitte zugrundelegt, die sich auch Systematische Kategorien der Greifvögel, tionalbetrachtungen beitragen. Neuweltgeier mit ökologischem Bezug in funktionellen und dargestellt am Beispiel von Habicht und Wanderfalke und Sekretäre werden – obwohl nunmehr ohne leistungsmäßigen Differenzierungen widerspie- Stamm Chordata „Greifvogel-Status“ – in diesen Darlegungen geln. Schon früh trennten sich auf Familien-Ebe- Chordatiere weiter berücksichtigt. Denn die ihre einstige ne aquatisch von terrestrisch jagenden Formen. Greifvogelzuordnung begründenden Merkmale So setzten sich die Fischadler (Pandioni- Unterstamm Vertebrata signalisieren Funktionalbezüge, die für entspre- dae) schon früh von allen anderen Greifvögeln Wirbeltiere chende Vergleiche weiter bedeutsam sind. ab und umfassen heute mit dem Fischadler (Pandion haliaetus) nur eine einzige, nahezu Klasse Aves 2.2.2 Die derzeitigen syste- Vögel matischen Auffassungen

Ordnung Accipitriformes Falconiformes Nach neueren molekularen Befunden Habichtartige Greifvögel Falkenartige Greifvögel (s. Seibold 1994. Seibold & Helbig 1995, Wink et al. 1998, Wink & Sau- Familie Accipitridae Falconidae er-Gürth 2004, Lerner & Mindell Eigentliche Habichtartige Greifvögel Falken und Karakaras 2005, Kocum 2006 u.a) stellt sich die Systematik der Greifvögel derzeit im Unterfamilie Accipitrinae Überblick wie folgt dar: Habichtartige im engeren Sinne Eigentliche Falken – Die Neuweltgeier (Catharti- formes) haben weder zu den Gattung Accipiter Falco Altweltgeiern, noch zu anderen Habichte und Sperber Falken Accipitriformes oder den Fal- coniformes engere verwandt- Art Accipiter gentilis Linné 1758 Falco peregrinus Tunstall 1771 schaftliche Beziehung, gehören Der Fischadler (Pandion haliaetus) als einziger Vertreter der Habicht Wanderfalke als „Storchengeier“ eher zu den Pandionidae ist ein früher „aquatischer Ableger“ der Acci- Unterarten A. g. gentilis F. p. peregrinus Schreitvögeln (Ciconiiformes). pitriden. Nahezu weltweit blieb sein Lebensraum von der für Westpaläarktis Nördliche Westpaläarktis Übereinstimmung mit Altwelt- die terrestrischen Arten so entscheidenden „Grasrevolution“ A. g. atricapillus F. p. anatum geiern und Milanen beruhen auf unberührt. Er konnte folglich Jahrmillionen als „Evolutions- Nordamerika Nordamerika Konvergenz und sind rein funk- verweigerer“ nahezu unverändert existieren. u.a. u.a. tioneller Natur. Foto: Tom Davis

156 157 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

weltweit verbreitete Art. Nach Abspaltung von (Lophoictinae), Höhlenweihen (Polyboridi- der basalen Greifvogel-Stammlinie durchlief er nae), „ursprünglichen“ Altweltgeier (Gypae- seine eigene Entwicklung und hat sich seit Jahr- tinae) und Wespenbussardartigen Greifvögel millionen kaum verändert (s. 2.1). (Perninae), die sich in aufsteigender Form von Die Eigentlichen Habichtartigen Greif- der Stammlinie wie folgt absetzen: vögel (Accipitridae), nachfolgend kurz Eigent- – Die Aare (Elaninae) einschließlich des Perl­ liche Habichtartige oder Accipitriden genannt, aars, sind monophyletisch und am basalsten umfassen als primär terrestrische Jäger zeitlich placiert. Als Gleitaare kommen sie weltweit, gestaffelt mit den „ursprünglichen“ und den Australien ausgenommen, wo zwei Arten „modernen Habichtartigen“ zwei Gruppierun- leben, immer nur in einer Art vor (s. Baum- gen, die sich ohne Molekularbefunde oft kaum gart & Lücker 2008, Baumgart 2009). trennen lassen. Denn beide bilden analog ähn- – Die ursprünglichen Australasiatischen Ki- liche Leistungstypen aus, was oft verwandt- tes (Lophoictinae) umfassen als „Old Au- schaftliche Beziehungen vortäuscht. stralasian endemic kites“ (2.3.2) eine Reihe Zu den Ursprünglichen Greifvögeln bzw. indomalayischer und australischer Ende- Accipitriden zählen die fünf Unterfamilien der miten mit hoher Eigenständigkeit (Olsen Aare (Elaninae), Australasiatischen Kites 1995), deren Verwandtschaftsbeziehungen noch der abschließenden Klärung bedür- fen. Ihre Placierung im Stammbaumschema erfolgte in Anlehnung an Wink & Sauer- Gürth (2004). Der Begriff „Kites“ umfaßt so unterschiedliche Arten, daß er taxono- misch nahezu wertlos wird. – mit den Höhlenweihen (Polyboridinae), „ursprünglichen“ Altweltgeiern (Gypae- tinae) und Wespenbussardartigen Greif-

Der weit über Süd- und Mittelamerika verbrei- Der zierliche neuweltliche Perlaar (Gampso- tete Cayenneweih (Leptodon cayanensis) – hier nyx swainsonii) erinnert vom Habitus her an ein hellmorphiger Vogel im Jugendkleid – er- Die Evolution der Greifvögel (Accipitriformes und Falconiformes) auf molekularphyletischer Grundla- einen Zwergfalken, gehört aber zu den Gleitaa- innert auch in der Lebensweise an einen klei- ge in Anlehnung an WINK et al. (1998), WINK & SAUER-GÜRTH (2004) und KOCUM (2006) nach ren (Elaninae) und ist wohl der ursprünglichste nen Wespenbussard. Als Vertreter der Perninae einem funktionell orientierten Entwurf des Autors, gestaltet von Friedhelm WEICK. Von den „ursprüng- unter den derzeit lebenden Accipitriden. wirkt er ohne Oberaugenknochen taubenköpfig. lichen“ über die „modernen“ Accipitriden bis hin zu den Falconiden steigert sich die Antriebsbefähi- Foto: Tom Davis oto ikko yhälä gung („Motorisierung“), was als polyphyletische „Höherentwicklung“ interpretierbar ist. F : M P

158 159 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

vögeln (Perninae) lassen sich nachfolgend Elanoides (Schwalbenweihe), Leptodon (Ca- – Die Schlangenadler (Circaetinae) umfas- – Die „modernen“ Altweltgeier (Aegypi- wenigstens drei weitere, in engerer Bezie- yenneweih), Chondrohierax (Hakenweih), Eu- sen die Gattungen Spilornis (vornehmlich inae) haben keine näheren verwandtschaft- hung untereinander stehende Unterfamilien triorchis (Madagaskarschlangenhabicht) und waldbewohnende indomalayische „Schlan- lichen Beziehungen zu den Gypaetinae. Sie separieren. Machaerhamphus (Fledermausaar), ohne daß genweihe“), Circaetus („Freiland-Schlan- umfassen neben dem kleinen Kappengeier Die Höhlenweihen umfassen zwei Polyboro- damit wirklich alle erfaßt sein dürften. Selbst genadler“ der Palaearktis bis zur Orientalis) (Necrosyrtes monachus) zwei ökofunktio- ides-Arten, die in keinem verwandtschaftlichen molekulare Befunde ermöglichen nicht immer und Terathopius (afrikanischer Gaukler). nell klar getrennte Gruppen großer Lang- Verhältnis zur ähnlichen südamerikanischen Aussagen zu bestehenden Schwestergruppenver- Von ersteren leitet sich offenbar auch, so halsgeier: die Gyps-Geier mit acht Arten Sperberweihe (Geranospiza caerulescens) ste- hältnissen und wechselseitigen Separierungen. Lerner & Mindell (2005), der bisher syste- und die „Solitärgeier“ mit den vier Gattun- hen. Bei den ursprünglichen Altweltgeiern Die „modernen Greifvögel“ oder Accipitri- matisch kaum handhabbare Philippinenad- gen Aegypius, Torgos, Trigonoceps und Sar- handelt es sich mit Bartgeier (Gypaetus barba- den leiten sich in ihrer Gesamtheit aus einer Art ler (Pithecophaga jefferyi) ab. cogyps in je einer Art (s. Baumgart 2001). tus), Schmutzgeier (Neophron percnopterus) im basalen Umfeld der „Ursprünglichen“ ab. Ihre und Palmgeier (Gypohierax angolensis), auch Monophylie belegt neben molekularen Merkma- nur um eine begrenzte Zahl, im Nahrungser- len, wie ein drei Basen langes Indel im AK-5- werb aber sehr spezialisierte Arten. Dagegen Intron (Kocum 2006), auch der ihrem Kopf das bilden die Wespenbussardartigen ein sehr markante „Greifvogel-Profil“ vermittelnde Ober- umfangreiches Ensemble vielfältiger Formen. augenknochen (Os supraorbitale). Ohne ihn wir- Darunter fallen die Gattungen: Pernis (Wes- ken ursprüngliche Greifvögel, so viele Wespen- penbussarde), Aviceda (Haubenkuckucksaare), bussardartige, eher taubenköpfig. Die Modernen formen folgende drei auch leistungsmäßig klar separierte Gruppierungen, die ihrerseits mehrere Unterfamilien einschließen können: a. Schlangenadler (Circaetinae) und „mo- Die dünnschnäbeligen Schmutz- und Kappengeier (Neophron percnopterus bzw. Necrosyrtes mo- derne“ Altweltgeier (Aegypiinae) nachus) zeigen, obwohl nicht näher verwandt, als Abfallsammler in Habitus und Lebensweise viele Übereinstimmungen. Ursprüngliche Gypaetinae und moderne Aegypinae können folglich nahezu analoge Typen hervorbringen, obwohl im Detail dann beachtliche Unterschiede bestehen. Ersterer transportiert die Nahrung zur Jungenaufzucht im Schnabel, letzterer auch im Kropf. Fotos: Volker Neumann und Wolfgang Baumgart

Unser Schlangenadler (Circaetus gallicus) ist ein überwiegend im Freiland und meist in grö- ßerer Höhe fliegend agierender Vertreter der Unterfamilie Circaetinae. Die auch dazu gehö- renden Schlangenweihe (Gattung Spilornis) des Ihr großflächiger Flugapparat ermöglicht den Gyps-Geiern – hier sich sonnende Gänsegeier Den „Taubenkopf“ weist auch der Papuaweih indomalayischen Raumes sind dagegen eher im (Gyps fulvus) – die weiträumig übergreifende Suche nach Großtierkadavern. Die vergleichbar (Aviceda subcristata) – hier ein Vogel aus Au- gedeckten Gelände heimisch. Innerhalb dieser großen Solitärgeier – hier ein Mönchsgeier (Aegypius monachus) im Fluge – haben dagegen stralien – auf, der wie andere Haubenkuckucks­ Reptilienjäger-Unterfamilie könnte sich der eingeschränkte Aktionsräume, nutzen auch Kleintierkadaver, sind weniger perfekte Gleiter, doch aare bevorzugt im Baumwipfelbereich Schrec- für die Entwicklung der modernen Accipitriden wendiger. Anders als lange vermutet sind die langhalsigen modernen Altweltgeier (Aegypinae) ken, anderen Großinsekten und Baumfröschen entscheidende Schritt von Wald- zu Freilandbe- weder mit den „Echten“ Aquila- noch mit den Seeadlern, sondern mit den Schlangenadlern nachstellt. Foto: David Hollands wohnern vollzogen haben. Foto: Lutz Lücker näher verwandt. Fotos: Lutz Lücker

160 161 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 b. Neuwelt-Adler (Harpiinae), Echte Ad- gen untereinander recht diffizil gestalten, – Habichtartige im engeren Sinne (Acci- ler (Aquilinae), Singhabichte (Meliera- auf Grund einer in etwa konform erfolgten pitrinae) bilden eine rund 50 Arten um- xinae), Habichtartige im engeren Sinne Abspaltung im Mittelbereich der die „Mo- fassende Gattung, in der sich Funktional- (Accipitrinae) und Weihen (Circinae) dernen“ verbindenden Grundlinie in einem Gruppen wie Kurzfangsperber, Sperber Diese fünf Unterfamilien stehen, obwohl übergreifenden Konsens, für dessen Erklä- und Habichte nicht immer monophyle- sich die verwandtschaftlichen Beziehun- rung sich auch noch funktionelle Aspekte (s. tisch darstellen (Wattel 1973, Baumgart 2.3.3) anbieten. 2006a). So steht der den Kurzfangsperbern Harpyie (Harpia harpyja) im Urwald von – Die mächtigen Neuwelt-Adler (Harpiinae) funktionell sehr ähnliche Cooper´s Habicht Monagas (Venezuela) mit einem gerade ge- bilden isoliert und ohne Verbindung zu an- (Accipiter cooperi) dem Habicht (A. genti- schlagenen jungen Brüllaffen in den gewalti- deren Adlern, mit den Gattungen Harpia lis) verwandtschaftlich näher als anderen gen Fängen. Dieser mächtigste derzeit leben- und Morphnus eine eigenständige phyle- Kurzfangsperbern. Die Wandlungsfähig- de Greifvogel aus der Unterfamilie der recht tische Gruppe. Trotzdem gleichen sie im keit dieser Greifvogel-Unterfamilie, aus der isoliert dastehenden Neuweltadler (Harpiinae) Habitus weitgehend anderen, tropische Ur- auch die Weihen (Circinae) hervorgingen, vermittelt auch Vorstellungen vom einstigen waldregionen bewohnenden Großadlern, erreicht einen hohen, der Gattung Falco Haast-Adler, der allerdings noch deutlich grö- wie dem afrikanischen Kronen- und dem vergleichbaren Grad. Das belegt auch der ßer war. Foto: Arturo Kirconnell vermittelt Neuguineawürgadler (Stephanoaetus coro- phänotypisch abweichende Eidechsenbus- durch Mikko Pyhälä natus bzw. Harpyopsis novaeguineae). sard (Kaupifalco monogrammicus). – Echte Adler (Aquilinae) lassen sich trotz – Die Weihen (Circinae) stehen als mono- ihrer Größen- und Formenvielfalt auf mo- phyletische Einheit innerhalb der Gattung lekularer Grundlage erstaunlich gut zusam- Accipiter molekular in enger verwandt- menführen. In der Neuen Welt sind nur, of- schaftlicher Beziehung zu den Habichten fenbar eingewandert, die Gattungen Aquila, des „gentilis-Umfeldes“, was teilweise we- Spizaetus, Oroaetus und Spizastur vertre- gen scheinbar erheblicher Unterschiede in ten. Durch funktionelle Differenzierung er- Ökologie und Leistungsprofil nicht sofort reichte die Gattung Aquila eine beachtliche akzeptabel erscheint. artliche Vielfalt. Ihr werden neuerdings nach molekularen Befunden auch die Habichts- adler, nicht aber die weiter un- ter der Gattungsbezeichnung Hieraaetus geführten „Zwerg- adler“ zugeordnet. Spizaetus kommt auch in der Alten Welt vor, wo Lophaetus, Polemae- tus und Stephanoaetus wei- tere Gattungen innerhalb der Familie verkörpern. – Singhabichte (Melieraxinae) formen mit zwei Arten und Während Seeadler – hier der paläarktische Haliaeetus albicilla beim Fischfang – wie Milane dem gattungsmäßig separier- und Bussarde jagdlich vielfach in der Vertikalen agieren und ein beachtliches Hubvermögen ent- ten Gabarhabicht (Micronisus wickeln können, sind Aquilinae-Adler, Habichte und Weihen vornehmlich Horizontaljäger. Der gabar) eine eigenständige Un- namengebende spitz auslaufende Stoß des australischen Keilschwanzadlers (Aquila audax) trägt terfamilie der Modernen. Ihre zur Verlängerung der Körperachse bei und zentriert den Ansatz der Fänge am Körper, was den Beziehungen zu Kaupifalco Die als ursprünglichste unter den Weihen geltende australische Beutetransport im Horizontalflug – Australien ist ein nahezu durchgängig flacher Kontinent – über und Accipiter nebst Circus be- Fleckenweihe (Circus assimilis) ist noch ein regulärer Baum- große Distanzen, erleichtert. Fotos: Willy Suetens und David Hollands dürfen weiterer Klärung. brüter. Foto: David Hollands

162 163 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Ihre ausgesprochen geringe, bis auf 0,2g/cm² reduzierte Flügelflächenbelastung befähigt Weihen – wie hier die Rohrweihe (Circus aeruginosus) im ausdauernden Gleiten mit V-förmig über den Körper gehaltenen Flügeln – zur Jagd in offenen, von Ansitzwarten freien Landschaftsformen. Neuweltliche Cathartes-Geier – wie dieser Truthahngeier – gleiten bei vergleichbar reduzierter Flächenbelastung in ähnlichem Flugstil ebenso schwerelos. Fotos: Wolfgang Baumgart

c. Milane (Milvinae), Seeadler (Haliaeeti- Schwarzmilane – hier der australische Milvus migrans affinis – gehören als kleinere Abfallverwerter nae) und Bussardartige Greifvögel (Bu- zu den häufigsten altweltlichen Greifvögeln. Das Problem der Körperachsen-Verlängerung zum Trans- teoninae) port schwerer Beuteobjekte lösen sie alternativ zu keilschwänzigen Arten mit ihren Gabelschwänzen, In dieser letzten, molekular gut abgesicherten die sie beim Agieren in Bodennähe spreizen und damit verkürzen können. Regelmäßig fliegen sie mit Großgruppierung stehen die in einem Schwe- nach unten abgewinkelten Flügeln. Während die großen, Kadaver verwertenden Geier in Indien na- stergruppenverhältnis korrelierten Milane hezu ausgestorben sind, blieben die Milan-Bestände – die Aufnahme stammt vom 10. September 2009 und Seeadler den Bussarden gegenüber: aus Delhi – nahezu unbeeinträchtigt hoch. Fotos: David Hollands und Egbert Baumgart – Die Milane (Milvinae) bilden mit den Gattungen Milvus („Gabelschwanzmila- & Mindell (2005) mit Weißschwanz- und – Bussardartige Greifvögel (Buteoninae) ne“), deren interne artliche Aufspaltung Braunschwanzfischadler (I. ichthyaetus entwickelten in Amerika Formen, die von noch weitergehender Klärung bedarf, und bzw. I. humilis) in einem Schwestergrup- unseren, durch paläarktische Bussarde der Haliastur („Rundschwanzmilane“) eine penverhältnis zu den beiden afrikanischen Gattung Buteo geprägten Vorstellungen rein altweltlich-australische Unterfamilie. Seeadlern. deutlich abweichen. Ihre Monophylie ist Die neuweltlichen Gattungen Rostrhamus (Schneckenmilane) und Harpagus (Doppel- zahnweihe) leiten sich wie die australische Gattung Lophoictinia (Schopfmilan) stam- mesgeschichtlich anders ab. – Seeadler (Haliaeetinae) teilen sich als gut abgesetzte monophyletische Gruppierung von acht Arten in zwei Untergruppen, die – „albicilla“-Seeadler der gemäßigten und Unter unseren Weihen hat die Kornweihe (Cir- nördlichen Breiten (mit Haliaeetus albicil- cus cyaneus) – hier ein adultes Männchen – im la, H. leucocephalus, H. leucoryphus und H. Flugbild noch einen recht habichtähnlichen pelagicus) und die Die Vielfalt der neuweltlichen Bussard-Verwandten (Buteoninae) wäre phyletisch ohne molekulare Zuschnitt. Das befähigt sie auch, aus einem – tropischen „leucogaster“-Seeadler (H. Methoden kaum faßbar. Nur so konnte eine Reihe taxonomischer Problemarten mit unterschiedlich- gegenüber der spitz- und schmalflügligen Wie- leucogaster, H. sanfordi, H. vocifer und H. ster funktioneller Positionierung wie Sperberweihe (Geranospiza caerulescens), Schwebeweih (Icti- senweihe weniger effektiven Gleitflug schlagar- vociferoides). nia plumbea) und Schneckenmilan (Rostrhamus sociabilis) auf ihre Bussardverwandtschaft zurück- tig beschleunigend zu Überraschungsangriffen Die kleineren Arten der indomalayischen geführt werden, was sich letztlich auch in der Namensgebung niederschlagen sollte (z. B. Höhlen- anzusetzen. Foto: Willy Suetens Gattung Ichthyophaga stehen nach Lerner bussard, Schwebebussard oder Schneckenbussard). Fotos: Mikko Pyhälä (a) und Tom Davis (b & c)

164 165 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

(s. 2.3.4). Die Aufnahme von Aas ist nur eine ihrer Ernährungsvarianten, rechtfertigt somit den Namen „Geierfalken“ kaum. Bei Zwergfalken und (Echten) Falken als letzte Schwesterngruppen der Stammlinie wird die systematische Handhabung kompliziert, weil sich wenige Zwergfalken-Arten auf meh- rere Gattungen verteilen, während die Gattung Falco allein eine hohe Artenvielfalt aufweist. Es empfiehlt sich daher wohl, beiden den Rang Die neotropischen Waldfalken – hier der Kap- eigener Unterfamilien zuzubilligen. Mit dem Fischbussard (Busarellus nigricollis) – die Abbildungen zeigen ihn beim Zustoßen und penwaldfalke (Micrastur semitorquatus) – ja- – Die teilweise winzigen Zwergfalken (Poli- Abflug mit einem erbeuteten Fisch – entwickelten die Buteoninae sogar ein konfunktionelles Ge- gen oft zu Fuß am Boden, sind aber auch zum hieracinae) umfassen dann die Gattungen genstück zu den in der Neotropis fehlenden Seeadlern mit zugleich überraschender Aktions- und forcierten Vertikalflug bis in den Baumkronen- der Eigentlichen Zwergfalken Microhierax mit fünf Arten sowie die gleichfalls indo- Proportionsanalogie. Fotos: Tom Davis Bereich befähigt. Zeichnung: Friedhelm Weick malayischen Langschwanz-Zwergfalken auch molekular oft nur schwer zu ermitteln 2.2.2.2 Falconiformes chen Falken in einem Schwestergruppen- Neohierax, die südamerikanischen Tropfen- (Lerner et al 2008). Das erinnert an die Die Systematik der Falkenartigen (Ordnung verhältnis. Zwergfalken Spiziapteryx und die afrika- Verhältnisse bei den Perninae als formen- Falconiformes) bereitet schon wegen der gerin- Funktionell recht unterschiedlich positioniert, nischen Halsband-Zwergfalken Polihierax reichste Gruppierung der „ursprünglichen“ geren Artenzahl weniger Probleme. Doch das stellen sie wie der Rotkehlkarakara (Daptri- mit je einer Art. Greifvögel. Während bei den Gattungen schließt überraschende, unvorhersehbare Wen- us americanus) Wespen im tropischen Urwald – Die Eigentlichen Falken der Unterfamilie Leucopterus, Heterospizias, Parabuteo, Bu- dungen, die erst auf funktioneller Grundlage nach oder lesen, so Gelbkehl- und Gelbkopfka- Falconinae werden in einer einzigen Gat- sarellus (mit dem Fischbussard B. nigricol- eine Erklärung finden (s. 2.3.4), nicht aus. rakara (Daptrius ater bzw. Milvago chimachi- tung Falco, den echten Falken, mit je nach lis) und Butastur, der Typ erkennbar bleibt Die Ordnung der Falkenartigen Greifvö- ma), Zecken von Großtieren ab. Schopfkaraka- Bearbeiter 37-38 Arten erfaßt. Es gab aber und auch die gewaltigen Streitadler (Har- gel Falconiformes stellt sich schon wegen ra (Polyborus plancus) und Chimango (Milva- auch Versuche, sie auf bis zu zehn oder phyhaliaetus) sowie die kurzschwänzigen der kurzzeitigen Phylogenese der „modernen“ go chimango) bestechen durch Vielseitigkeit. mehr Gattungen zu verteilen. Hier handelt „Sturmbussarde“ Südamerikas (Geranoetus Falken der Gattung Falco, systematisch recht Im südlichen Südamerika nehmen letztere es sich um einen Präzedenzfall der Syste- melanoleucus) und Südafrikas (Buteo rufo- übersichtlich dar. Sie umfaßt in der Familie der unserem Kolkraben sowie corvus- und corone- matik. Für zusätzliche Verwirrung sorgt oft, fuscus bzw. B. auguralis) nur graduell da- Falconidae (Waldfalken, Karakaras und Fal- Krähen vergleichbare Funktionalpositionen ein durch regionale Rahmenbedingungen noch von abweichen, ist es in anderen Fällen oft ken) vier Unterfamilien: Lach- und Waldfalken nahezu unmöglich, die Bussard-Verwandt- (Herpetotherinae), Karakaras (Polyborinae), schaft auszumachen. Zwerg- und Eigentliche Falken (Polihieracinae Zu diesen durchweg neuweltlichen „Abweich- bzw. Falconinae) lern“ gehören die wie die Höhlenweihe ein – Lach- und Waldfalken (Herpetotheri- umklappbares Fersengelenk aufweisende Sper- nae), die sich früh von der Basislinie ab- berweihe (Geranospiza) sowie der Schnecken- gespalten haben, verteilen sich, nahezu milan (Rostrhamus) mit seinem langen dünnen ausschließlich neotropisch verbreitet, auf Bogenschnabel und die Schwebeweihe (Ictinia die Gattungen Herpetotheres mit einer und missippiensis bzw. I. plumbea). Letztere erin- Micrastur mit sieben Arten. Als Urwaldbe- nern sowohl an Aare als auch an kleine insekti- wohner sind sie von eher habichtähnlichem vore Falken und nehmen deren ökofunktionelle Habitus und ernährungsmäßig zu hohen An- Position im tropischen und subtropischen Ame- teilen Reptilienjäger. Beim Vordringen der „Waldfalken“ ins Freiland könnten die als Reptilienjäger spezialisierten rika ein. Als im Verband agierende Kompanie- – Die Karakaras (Polyborinae) als gleich- Lachfalken – hier der rezente Lachfalke (Herpetotheres cachinnans) sitzend und im Fluge – eine jäger entwickelten Wüstenbussarde (Parabuteo falls nahezu ausschließlich neotropische vergleichbare Rolle wie die Schlangenweihe (Spilornis) bei den Circaetinae gespielt haben. Die unicinctus) eine für Greifvögel einmalige Son- Unterfamilie, stehen mit neun rezenten für beide bezeichnenden großen runden Köpfe stehen möglicherweise in Beziehung zur Sehfeld- derbefähigung. Arten in vier Gattungen zu den Eigentli- gestaltung bei der Jagd auf Reptilien (s. Mebs & Schmidt 2006). Fotos: Wolfgang Baumgart

166 167 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

verkompliziert, die nicht immer eindeutige tionelle Positionen ein. Ohne klare Trennung ermangelte es an Niederschlägen (Jaeger 1983, Jagen. Wohl monophyletischen Ursprungs, Trennung phyletischer und funktioneller phyletischer und funktioneller Bezüge wird 1986, Murawski & Meyer 2004). durchliefen sie vielfältige Differenzierungen, Bezüge (s. Baumgart 1997a, 2008, 2010). Konfunktionalität (Funktionsanalogie) oft für Damit ging die 160mya währende Aera der deren funktionelle Bewertung nicht nur auf Es gibt eine Vielzahl, teilweise zum Subtilen Konspezifität (Artgleichheit) gehalten. So sind Reptilien einschließlich der Saurier mit ihrem Grund von Fossilien, sondern auch durch den neigende Systematisierungsansätze (s. Wol- in der Systematik folgenschwere Trugschlüsse poikilothermen Körpertemperatur-Regime Vergleich mit bis heute überlebenden rezenten ters 1975-82, Cade 1982 u.a). Doch da alle geradezu vorprogrammiert (Baumgart 1997a, vor rund 65mya zu Ende. Eines Kometenein- Formen möglich ist. Dazu nutzte ich vor allem Falco-Falken recht eng miteinander verwandt 1997b, 2008). schlages bedurfte es dazu nicht. Zugleich ver- die Gleitaare (Elaninae) und drei der ursprüng- sind, gelten nach wie vor die von Ernst Hartert schwanden ¾ aller existierenden Arten, was für lichen endemischen Greifvögel Australiens (1912/21) vorgegebenen, auch auf außerpalä- 2.3 Funktionelle Aspekte der Greif- die damals noch eher auf Nebengleisen existie- (Lophoictinae) (s. 2.2.2.1). arktische Regionen anwendbaren Rahmenbe- vogel-Evolution renden Vögel und Säuger den Ansatz für einen Alle diese Greifvögel sind, wie das bei den dingungen. Danach sind Falken, entweder in Neubeginn bot. Thermoisoliert und mit selbst- Gleitaaren schon im Namen zum Ausdruck einer oder in den folgenden sechs Gattungen Moderne, genetozentrisch orientierte Evoluti- regulierter Körpertemperatur homoiotherm, kommt, im aktiven Flug wenig ausdauernd zu erfassen: 1.Wander- und Berberfalken nebst onsbetrachtungen entwickeln kaum Vorstellun- waren sie von Temperaturschwankungen im und nur eingeschränkt zur attackierenden Jagd Verwandten, 2. Jagdfalken (Hierofalken), 3. gen zu funktionellen Hintergründen der Evolu- Umfeld weitgehend unabhängig. Sie nahmen befähigt. Der inneraustralische Schwarzbrust- Baumfalken und Eleonorenfalke, 4. Merline, 5. tion. Da man am Phänotyp ablaufende Prozesse bald in oft phänotypisch überraschend ähnli- bussard (Hamirostra melanosternon) besticht Turm- und Rötelfalken sowie 6. Rotfußfalken. ohnehin als genetisch gesteuert ansieht, spricht chen Ausformungen die Plätze ihrer Reptilien- als opportunistischer Beutegreifer durch sein In kluger Voraussicht tendierte Hartert man diesem nicht nur eine autonome Existenz Vorgänger ein. Gleitflugvermögen. Der im Gegensatz zu unse- aber eher zur erstgenannten, auch heute noch sondern oft auch, pauschaliert und unpräzise, Federn hatten für Vögel anfangs offenbar ren Milanen recht kurzschwänzige Schopfmi- zumeist praktizierten Positionierung. Denn eigenständige evolutive Potentiale ab (s. Mayr vor allem eine Wärmeschutz-Funktion. Inzwi- lan (Lophoictinia isura) jagt in der Wipfelzone neuere molekulare Befunde belegen, daß diese 2002). Im Gesamtrahmen billigt man dem Phä- schen ist aber auch eine Reihe befiederter Rep- urwüchsiger Wälder Blattinsekten und andere Gruppen oft polyphyletisch und, da funktionell notyp und damit auch den realen Organismen tilien bekannt geworden (Glau- untersetzt, somit systematisch wertlos sind. nur eine nachvollziehende „Anpassungsrolle“ brecht 2000, 2001). Da flächig Sie vermitteln aber anschauliche Vorstellun- zu. Die evolutive „Führungsrolle“ des Erbgu- stabilisierbar förderten sie dann gen dazu, wie konvergente Entwicklungen zu tes wird stillschweigend unterstellt (s. 3.1). Wie in Doppelfunktion die Entwick- Funktional- und Leistungsverbunden in Form sich Umweltbedingungen in ihren wechselnden lung des Flugvermögens. Doch von Realgattungen bzw. konfunktionellen Art- Anforderungen auf die Neuordnung von Funk- erst an der Schwelle vom Eozän verbunden führen (Baumgart 2008, 2010). Im tional-, Leistungs- und Effektivitätsbezügen zum Oligozän vermochten sie Englischen erfaßt man eine Reihe meist kleine- der Organismen niederschlagen, bleibt dabei ihre Potenzen zu entfalten und rer, überwiegend im Luftraum jagender Falken nahezu unberücksichtigt. Doch gerade daraus durchliefen eine explosionsarti- als Hobbies. Dieser Begriff ist aber, wie der für erwachsen Grundlagen für ein neues, funktio- ge Evolution. „Kites“ bei den Accipitriden, recht unspezifisch nelles Evolutionsverständnis. und erfaßt Arten, die phyletisch oft nicht zu- 2.3.2 Die Entstehung ur- sammengehören, zugleich aber eine hohe funk- 2.3.1 Allgemeine Voraussetzungen sprünglicher Habichtar- tionelle Übereinstimmung aufweisen. Eine zoogeographische Vertiefung dieser Als Urvögel in Jura und Kreide erstmals in Er- tiger Greifvögel Thematik zeigt außerdem, wie sehr auch Falken scheinung traten, hatten die Meere ihre größ- In dieser Periode entstanden un- trotz ausgezeichneten Flugvermögens und ho- te Ausdehnung. Ein breiter Tropengürtel mit ter noch weiträumig tropischen her Mobilität ihren Regionen verhaftet bleiben. ausgeglichen hohen Temperaturen begünstigte Klimaverhältnissen vor allem Die einzige Ausnahme bildet der Wanderfalke, die Saurier. Neue Floraelemente wie die Blü- waldbewohnende ursprüngliche Der Schopfmilan (Lophoictinia isura) ist für die „Alten au- der in einer geschlossenen Verwandtschafts- tenpflanzen entstanden. Zum Ende der Kreide Habichtartige (s. 2.2.2.1). Aus- stralasiatischen endemischen Kites“ (Lophoictinae) namenge- gruppe weltweit präsent bleibt. Unter den kam es dann zur Trockenlegung der Kontinen- gestattet mit Greiffängen und bend. Er gehört, obwohl einem Rotmilan ähnlich, nicht zu den Habichtartigen erreichen nur Fischadler und te. Weite Schelfmeere verschwanden. Auf den Hakenschnäbeln vermochten modernen Milvus-Milanen. Das belegt schon der äußerst kurze, Gleitaare eine ähnlich überkontinentale Ver- stetig größer werdenden Landmassen bildeten sie andere Tiere zu jagen und zu vielfach selbst in Standardwerken nicht korrekt dimensioniert breitung. Oft nehmen in den einzelnen Faunen- sich Klimazonen aus, die Temperaturen gingen fressen. Ihr Flugvermögen taug- dargestellte Gabelschwanz, der bei diesem Baumwipfeljäger regionen sich hier eigenständig entwickelnde zurück, jahreszeitliche Klimaschwankungen te jedoch oft nur zur entwickel- einen anderen Funktionsbezug hat. Hier liegt ein Fall von Pseu- konfunktionelle Arten vergleichbare Ökofunk- wurden immer ausgeprägter und weiträumig ten Fortbewegung, weniger zum do-Konvergenz vor. Foto: Lindsay Cooper

168 169 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Kleintiere, lebt zeitweilig als Nesträuber. Und Gattungen (s. 2.2.2.1) zeigen meist ähnliche sprüngliche „Habichte“ können jagdlich mit in lichten Wäldern Nordost-Australiens betreibt Defizite. Nur wenige von ihnen, wie etwa die modernen, vor allem sprintstarken Accipiter- der im Gefieder einem „Rothabicht“ ähnli- Gleitaare, faßten im Freiland Fuß oder agier- Habichten nicht mithalten und überlebten nur che Australhabicht (Erythrotriorchis radiatus) ten wie die ursprünglichen Geier weiträumig dort, wo es für diese zu unattraktiv und abge- meist, und darauf läßt auch die lange Mittelze- übergreifend bis in die gemäßigten Breiten. In legen ist. Anderen, wie dem Fledermausaar, he (Marchant & Higgins 1993) schließen, die diese rückt heute auch unser Wespenbussard kommt ihre nächtliche Lebensweise zugute. Ansitzjagd auf Vögel. Doch mit seinen langen saisonal vor, der als Fernzieher im Gleitflug Auch die Sonderbefähigungen der Höhlenwei- und recht breiten Flügeln erinnert der Flug an Beachtliches vollbringt. Doch nur wenige von he, Beutetiere aus Spalten und Ritzen zu zie- den von Weihen und Milanen, jedoch nicht an ihnen, wie etwa der allerdings nachtaktive, hen oder das Knochenverdauungs-Vermögen den von modernen Accipiter-Habichten. Wie er im Habitus einem Großfalken recht ähnliche des Bartgeiers erweisen sich als überlebens- schnell und gewandt fliegende Lories (Loriidae Fledermausaar (Macheirhamphus alcinus), strategisch wichtig, da hier kaum Konkurrenz – Psittaciformes – Papageien) oder Jägerlieste entsprechen im Jagdstil unseren Greifvogel- droht. Letztlich sind auch „intellektuelle Be- (Dacelo novaeguineae) überhaupt zu erbeuten Vorstellungen, auch wenn ihre phänotypische fähigungen“, wie der Werkzeuggebrauch von vermag, bleibt oft rätselhaft (Hollands 2003). Ausformung teilweise schon der von Modernen Schmutzgeier und Schwarzbrustbussard sicher Auch andere Vertreter der „Ursprünglichen“ Greifen gleicht. Als diese vor 20mya dazuka- bedeutsam. wie Höhlenweihe (Polyboridinae), ursprüng- men, verringerte sich die Präsenz jener. liche Altweltgeier (Gypaetinae) und Wespen- Als wichtigstes Defizit der Ursprünglichen 2.3.3 Warum kamen die modernen bussardartige (Perninae) mit ihrer Vielzahl an zeichnet sich physiologisch ein Mangel an Habichtartigen dazu? Flug-Kraft (fligh power) ab. Nicht zum aus- dauernden, hochgradig eigenbeschleunigenden Die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und schnellen Jagdflug befähigt, agieren sie der „Modernen Accipitriden“ erwuchsen auf ei- vornehmlich als Sammler und auch Jäger we- nem anderen „Spielfeld“ der Evolution. Bereits nig fluchtbefähigter Beutetiere. Mit Auftreten im Kot von Sauriern nachweisbar, existierten der ihnen in der Jagdflugbefähigung überlege- Süßgräser, über Jahrmillionen eher im Unter- nen modernen Accipitriden konnten sie sich grund. Doch mit dem Klimawandel kamen sie nur noch in funktionellen und geographischen besser als andere Pflanzen zurecht. Im Oligo- Rand- und Refugien-Positionen vornehmlich in zän begannen sie die offenen Landschaften der neotropischen, orientalischen und australi- zu erobern, um im Miozän auf ausgedehnten schen Region halten. Der 5. Kontinent liefert Grasländereien und Steppen zu dominieren. damit als Rückzugsgebiet nicht nur für Beutel- Graswelten nehmen heute ¼ der Landfläche der tiere, sondern auch die Ursprünglichen Greif- Erde ein, ernähren mit ihrer Grünmasse und den vögel wichtige Fallbeispiele. Sämereien, zu denen auch unser Getreide zählt, Wie ursprüngliche Arten durch moderne mehr Wildtiere als andere Pflanzen. Kälteresi- Der Schwarzbrustbussard (Hamirostra mela- verdrängt werden, erörtert Grzimek (1979) am stent, mit geringem Wasserbedarf und von den nosternon), ein anderer Vertreter der endemi- Beispiel von Beutelwolf und Dingo. In direkter Wurzeln her nachwachsend peripher abweid- schen australischen Lophoictinae, bewohnt Auseinandersetzung konnte sich ersterer ge- bar, verwandelten sie offene Landschaften in als herausragender Gleiter das aride Innerau- Der mit langzehigen Fängen ausgestattete genüber den Dingos durchaus behaupten. Doch lukrative Lebensräume. stralien. Die auffällig hellen „Flügelfenster“ Australhabicht (Erythrotriorchis radiatus) er- als effektivere Jäger sorgten diese, erst einmal Diese globale Umschichtung in der Ressour- könnten, wie bei anderen Arten mit großflächi- innert an immature Vögel unserer Habichte für eine abnehmende Beutedichte, ehe sich das cenverteilung bot gewaltige Evolutionsinitiale. gen Flügeln und zur Gewichtslimitierung nur („Rothabichte“). Seine die Schwanzspitze er- Jäger-Beute-Verhältnis später auf veränderter Zu ihren Nutznießern gehörten vor allem körner- schwach entwickelter Flugmuskulatur, so auch reichenden Flügel offenbaren jedoch, daß er Ebene neu einpendelte. Das wurde dem Beu- fressende Sperlingsvögel und Nagetiere, durch den Milanen, das Aufwärtsführen der Flügel völlig anders proportioniert ist. Er fliegt eher telwolf offenbar zum Verhängnis und führte auf die sich zugleich das Beuteangebot für Greifvö- an diesem Belastungsschwerpunkt erleichtern. wie eine Weihe oder ein Milan und demonstriert dem australischen Festland mit dem Auftreten gel und Eulen in einem bisher nicht gekannten Bieten doch gering pigmentierte Federn wenig so zugleich die Möglichkeiten und Grenzen der des Dingos zu seinem Aussterben. Umfang steigerte. Gräser ernährten auch her- Luftwiderstand. In Doppelfunktion ist auch ein „ursprünglichen“ Accipitriden als Vogeljäger. Analog könnten Ursprüngliche Accipitri- denbildende Huftiere, die wiederum den Un- Signaleffekt möglich. Foto: Nicholas Birks Foto: David Hollands den von Modernen verdrängt worden sein. Ur- terhalt für Großraubtiere und Aasverwerter, wie

170 171 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

bot und in der alle modernen Accipitriden in allein deshalb für eine artliche ihrer heutigen Formenvielfalt eine gemeinsame Trennung von Bergbussard (Bu- Wurzel habe. Die modernen Falken der Gattung teo oreophilus) und „Forstbus- Falco entwickelten sich später offenbar nach ei- sard“ (B. trizonatus), weil erste- nem vergleichbaren Schema (s. 2.3.4). rer kein Ansitzjäger ist, sondern Die Jagdflugbefähigungen vieler moder- regulär in für Bussarde untypi- ner Accipitriden basieren auf einer stärker scher Manier wie ein Zwergadler beschleunigten Geschwindigkeitsentfaltung, aus dem Fluge jagt, und in Mexi- relativ hoher Ausdauer und beachtlicher Wen- ko sah ich, wie Zweibindenbus- digkeit. Erst eine solche Leistungsprofilierung sarde (Buteo nitidus) aus einem wird den Anforderungen zur erfolgreichen Jagd kornweihenähnlichen Pirschflug über weite Entfernungen im Freiland gerecht. heraus attackierten. Flugbilder der drei australischen Habichte. Der Daß im Rahmen dieser Entwicklung perfek- Denn Habichte zeigen im Flugapparat des ursprünglichen Austral- oder tionierte Greifvögel auch wieder in gedeckte Balzflug und wie die Kurzfang­ Rothabichts (Erythrotriorchis radiatus) ist bei Lebensräume zurückkehrten, wo solche Flug- sperber bei der Jagd im Freiland geringer „Motorisierung“ großflächig angelegt leistung gar nicht immer gefragt war, und auch Paar des australischen Neuholland- oder Grauhabichts (Acci- schon Flugelemente der Weihen. (A1, A2). Bänder- und Neuhollandhabicht (Ac- hier den Ursprünglichen bald nur noch Refugi- piter novaehollandiae) am Horst. Ihre für moderne Accipiter- Als ausdauernde Gleitflieger re- cipiter fasciatus bzw. A. novaehollandiae) sind en und Randbereiche ließen, gehört unlösbar Habichte bezeichnenden „Hochbeschleunigungsflügel“ reichen duzieren letztere auch Körperge- dagegen spurtstarke moderne Accipitriden mit zur Dialektik solcher Prozesse. angelegt nur bis zur Schwanzmitte. Als wendige „Waldjäger“ wicht sowie Flächenbelastung knapperem Zuschnitt. Ersterer (B) ist deutlich Die Schlangenadler-Vorfahren könnten da- weisen sie einen ausgeprägten größenmäßigen Geschlechtsdi- und brauchen keine Ansitzwar- spitz- und schmalflügliger und geht als Vogel- bei eine Schlüsselrolle gespielt haben. Anfangs morphismus auf; das graumorphige Männchen (vorn) ist gut ein ten. Die als ursprünglich gel- jäger auch ins offene Gelände. Letzterer (C) wohl wie die heutigen Schlangenweihe (Spilor- Drittel kleiner als das weißmorphige Weibchen. tende australische Fleckenweihe hat breitere gerundete Flügel und setzt bei der nis) als Reptilien-Jäger in waldigen Bereichen Foto: David Hollands (Circus assimilis) ist sogar noch Jagd im Urwald auf Wendigkeit. Seine kräftigen agierend, folgten sie mit kräftigen Fängen und Baumbrüter. Die Umkehrbarkeit Fänge weisen ihn als Bodenjäger, vornehmlich einem Vertikalsehvermögen ausgestattet ih- – rasante Horizontaljäger am Boden oder im dieser Prozesse zeigt eine nach Hawaii gelang- auf Kleinsäuger und auch Reptilien, weniger ren Referenzbeutetieren auch ins Freiland und bodennahen Raum des gedeckten und offe- te Weihe (Circus spec.), die hier ins Waldland Vögel, aus. entwickelten sich hier zu raumübergreifend nen Geländes (Neuwelt- und Echte Adler, vordrang und die im Körperbau wieder habicht­ Vorlagen nach Marchant & Higgins (1993) agierenden Fliegern wie die rezenten Freiland- Habichte und Weihen) oder ähnlich wurde (Slikas 2003). schlangenadler (Circaetus). Mit dem auch aas- – in der Vertikalen erfolgreich agierende Jä- Der entwicklungsgeschichtlichen Hochkon- die modernen Geier, absicherten (Mundy et al. fressenden Gaukler (Terathopius ecaudatus) ger, mit teilweise beachtlichem Hubvermö- junktur der Vögel im Pleistozän vermochten 1992). Sie alle unterlagen nun einem gewaltigen stellen sie den wohl perfektesten Gleiter unter gen, was ihnen auch die Jagd bzw. den Nah- aber auch die modernen Accipitriden nicht über Evolutionsschub (Grossman et al.1964, BBC den Accipitriden überhaupt, was eine Verbin- rungserwerb über Wasserflächen ermöglicht die aufgezeigten Aktionsbereiche hinaus zu 2006). Ihren entwicklungsgeschichtlichen Hö- dung zu den Greifvogelgeiern nahelegt. Bei (Milane, Seeadler und Bussarde). folgen. Die Jagd auf Vögel im freien Luftraum hepunkt erreichten die Vögel mit 10.000 Arten den Falken scheint ein analoger neuweltlicher Die diese Differenzierungen stützenden ana- erfordert aktive, geradezu unermüdliche Dau- im Pleistozän. Seitdem stagniert ihre Zahl oder Ablauf denkbar. Hier fällt das Ressort der Rep- tomischen Ausformungen wurden bisher nicht erflieger. Hier stoßen Habichtsartige offenbar ist gar rückläufig E( ikamp 1990a). tilienjäger dem Lachfalken Herpetotheres ca- hinterfragt, sind noch nahezu unbekannt. Doch an physiologische Grenzen. Denn sie sind als Die Erschließung des jetzt im Freiland er- chinnans zu, der, anders als die durch ihn na- schon jetzt läßt sich vermuten, daß hier tiefgrei- „Intervall-Flieger“ nur kurzfristig hoch belast- wachsenden reichen Nahrungsangebotes, ver- mengebend mit vertretenen Waldfalken (Herpe- fende, die Gruppenzugehörigkeit (s. 2.2.2.1) bar und beschleunigend. Nach zeitlich recht be- langte einen veränderten Leistungsrahmen. Ein totherinae), ebenso ins Freiland vordringt. fixierende funktionalmorphologische Unter- grenzten Aktionen müssen sie bald wieder pau- ausdauernder eigenbeschleunigender Jagdflug In der Folge zeichnen sich zugleich für das schiede vorliegen. Aquila-Adler und Seeadler sieren, indem sie gleiten, kreisen oder ruhen. mit mehr Flug-Kraft als Antrieb für einen knap- gestiegene Flugleistungsvermögen der Moder- oder Habichte und Bussarde erscheinen loko- Accipiter-Habichte, als stark eigenbeschleuni- per zugeschnittenen Flugapparat war gefordert. nen Accipitriden weiterführende Differenzierun- motorisch in einer Weise alternativ optimiert, gende, breitflüglige Horizontal- und Überra- Die Ursprünglichen konnten das in ihrer ge- gen und Profilierungen in dreiR ichtungen ab: die Übergänge schwer macht, während ander­ schungsjäger halten eine aktive Verfolgung mit samten Bandbreite aber nicht bieten. Es war ein – Ausdauernde, weite Räume beherrschende erseits verständlich wird, warum Weihen sich in der Regel unter 100 km/h liegender Höchst- singulärer Ansatz, eine einzelne Art, die dafür Gleiter (moderne Altweltgeier und Freiland- von Habichten ableiten. Übergangsansätze gibt geschwindigkeit nur etwa 500 m lang durch. vor allem physiologisch die Voraussetzungen Schlangenadler), es trotzdem. Clark & Davies (2000) plädieren Ein Neuansatz war gefordert.

172 173 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

2.3.4 Der von den Falken abgedeckte 3. Altvögel paarweise aktiv die Gemein- neue Artbedarf schaftsjagd betrieben. Auch die Vorfahren der modernen Falken be- Sieht man Karakaras bei ihren Plänkeleien im gannen als „Waldvögel“ und molekularphyle- Fluge zu, offenbaren sich schnell ihre diesbe- tisch belegbar nehmen die heutigen Lach- und züglichen Entwicklungspotentiale. Beim Über- Waldfalken (Herpetotherinae) eine Basisposi- gang zu den Falken konnte ihr neu zu profi- tion im Stammbaum der Falconiformes ein. In lierendes Jagdflugvermögen an vorhandenem der Neotropis jagten deren Vorfahren – und dar- ansetzen. Das zur Luftraumjagd nötige aktive auf geht wohl auch das ausgezeichnete Nacht- Dauerflugvermögen hatten sie schon auf andere sehvermögen moderner Falken zurück – schon Weise bei der Auseinandersetzung mit den Stür- vor Zeiten in dämmrigen Urwäldern vielfach men im südlichen Südamerika oder in anderen auch zu Fuß am Boden. 20mya alte Fossilien- „Sturm-Regionen“ erworben. Belege des den Karakaras ähnlichen Falco Bei der wohl vor allem während der Jungen- ramenta sprechen – analog zu den modernen aufzucht praktizierten Gemeinschaftsjagd der Accipitriden – für das Vordringen dieser frühen Schopfkarakaras bestach ihre partnerschaftliche Falken ins Freiland. Kooperation. Die Vögel zeigten ein hohes Maß Es verwundert, daß beim späteren Neuansatz an Fluggewandtheit und Ausdauer, gaben nicht Karakaras erweisen sich als Multitalente. Sie agieren wie Krähenvögel oft zu Fuß, was sie zugleich zur Entwicklung von Luftraumjägern einer heu- auf, ehe sie nicht mit einigen Tricks letztlich als „Bißtöter“ qualifizierte. Ihr kräftiger Schnabel zeigt bereits ansatzweise den Falkenzahn. Als te noch süd- und mittelamerikanischen Karaka- etwa einen Jungkiebitz trotz energischer Vertei- frühe Verwandte der Falken aber auch zum aktiven und ausdauernden Horizontalflug befähigt, ras eigenen Lebensweise die evolutive Schlüs- digung durch die Eltern erbeutet hatten. Da ihre können sie aus diesem heraus jagdlich attackieren. Das veranschaulichen obige Abbildungen, die selrolle zukam. Terrestrisch gebunden und zu „Lauffüße“ einen Tötungsgriff nicht zuließen, den Schopfkarakara (Caracara plancus) zu Fuß am Boden und den ihm eng verwandten Karibik- hohen Anteilen Aasverwerter, erscheinen diese wurde die Beute durch Biß getötet. Dabei ist der karakara (Caracara cheriway) im Aktivflug zeigen. F otos: Tom Davis und Mikko Pyhälä Polyborinae als Vorfahren luftraumbeherrschen- Falkenzahn, die Einkerbung am Oberschnabel, der Falken wenig geeignet. Doch eine „Erkun- von Nutzen. Das erklärt stammesgeschichtlich dungsreise“ nach Südamerika brachte mir 2005 wohl auch, warum die modernen Falken „Biß- dafür überraschende Erkenntnisse. töter“ geblieben sind. Vor Ort, im sturmgepeitschten Patagonien Das Leistungsprofil der Falken mit ihren zeigten vor allem die Schopfkarakaras (Polybo- langen, schmalen und spitz auslaufenden Hoch- rus plancus) erstaunliche, bisher kaum benannte geschwindigkeitsflügeln unterscheidet sich im Aktivitätsmuster und Leistungsprofile, boten Grundbezug klar von dem der Habichtartigen. so den gesuchten Lösungsansatz (Baumgart Mit der ihnen eigenen Flugausdauer halten ei- 2007). Sie waren bei jedem Wetter unterwegs, nige von ihnen eigenbeschleunigte aktive hori- kämpften im Fluge gegen den Sturm an, und zontale Verfolgungsflüge über 15-20 Minuten agierten letztlich sogar in geduckter Haltung am durch und erreichen dabei 150 km/h und mehr. Boden zu Fuß. Sie nahmen im südlichen Süd­ Die morphologisch gestützte Systematik sah amerika die Ökofunktionelle Position unseres noch bis vor kurzem in den Rüttelfalken die ur- Kolkraben ein und als „Krähen“ fungierten die sprünglichsten Falken, bis sich molekularphy- kleineren Chimangos (Milvago chimango). Der letisch zeigte, daß Hierofalken-ähnliche For- Nahrungserwerb erfolgte auf dreierlei Weise: men, als deren ursprünglichster Vertreter heute Flugbilder liefern eindeutige Hinweise zum Leistungsprofil von Greifvögeln. Die kurzen, breiten Indem sie afrikanische Lanner (Falco biarmicus) gelten, und abgerundet auslaufenden „Hochbeschleunigungsflügel“ moderner, als Überraschungsjäger 1. zu Fuß, Krähenvögeln gleich, den Boden den Anfang gemacht haben (Seibold et al. 1993, im bodennahen Raum agierender Accipiter-Habichte stehen im klaren Kontrast zu den langen, nach Kleintieren absuchten, Seibold 1994, Helbig et al. 1994, Nittinger et schmalen und spitz auslaufenden „Hochgeschwindigkeitsflügeln“ im Luftraum jagender Falken. 2. sich, und das betraf vor allem jugendliche, al. 2005). Sie könnten sich von den Karakaras Die Abbildungen veranschaulichen das am Beispiel des amerikanischen Eckschwanzsperbers (Ac- noch nicht reviergebundene Vögel, an Ka- ähnlichen Vorfahren durch Umprofilierung im cipiter striatus) und des Australischen Baumfalken (Falco longipennis). Beide vertreten in ihren davern einstellten und hier zusammen mit Jagdflugvermögen abgeleitet haben. Ihre Aktiv- Regionen konfunktionell unseren Sperber (A. nisus) bzw. Baumfalken (F. subbuteo). Kondoren kröpften, während flugbefähigung setzt aber wohl zugleich ihrer Fotos: Mikko Pyhälä und David Hollands

174 175 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Der geradezu athletische Wanderfalke (Falco peregrinus), dessen Brustmuskulatur rund 20% der Körpermasse ausmacht, ist mit seiner Antriebsleistung im Aktivflug auch unter Greifvögeln eine Ausnahmeerscheinung. Das wirft zugleich die Frage nach den dafür erforderlichen physiologi- schen Voraussetzungen auf. In seinem Ressort als Verfolgungsjäger im freien Luftraum nimmt er die Spitzenposition ein, die ihn aber zugleich an diesen bindet. Fotos: David Holland

Lannerfalke (Falco biarmicus) aus dem Mittel- Der Rötelfalke (Falco naumanni) ist als Boden- gabe dieser Trends die Rückkehr zur Jagd 3 Einige Prinzipien und Sonderfälle meerraum. Die Art gilt heute nach molekularen jäger, „kleiner langschwänziger Rüttelfalke“ am Boden bringt, wo zeitweilig Überfluß und der Greifvogelevolution Daten als ursprünglichster Hierofalke mit afri- und obligater Zugvogel mit dem Turmfalken dann wieder hochgradiger Nahrungsmangel Funktionelle Betrachtungen an Greifvögeln kanischem Ursprung. Foto: Willy Suetens zeitdifferent korreliert. Auch er streckt seine herrschen, wurde bereits erörtert (Baumgart mit ihren hochgradig lokomotorisch untersetz- Körperachse zusätzlich durch Verlängerung 1998b, 2010). ten und einfach erfaßbaren Leistungsprofilen Größenentwicklung Grenzen (s. 3.3). Zwerg- der mittleren Schwanzfedern, was horizontale Neben diesen drei Grundformen entwickel- liefern evolutionstheoretisch und artkonzep- falken (Polihieraxinae) als Schwestergruppe Beutetransporte begünstigt. ten die Falken noch weitere Leistungsprofile. tionell eine Fülle anschaulicher Bezüge. Da- der Falconinae kenne ich nicht aus eigener An- Foto: Willy Suetens Rotfußfalken, vom Habitus her eher Insekten- durch sind Arten als optimierte und stabilisier- schauung, vermag folglich auch keine entspre- Flugjäger agieren zur Brutzeit als Rüttelfal- te Leistungs- und Effektivitätseinheiten quali- chenden Vorstellungen zu entwickeln. – Bodenjäger ohne besondere Jagdflugeigen- ken und Bodenjäger. Inselformen (s.3.3) wie tativ definierbar (s. 4). Die Realität von Typen Ihr Grundleistungspotential als Dauerflieger schaften, jedoch durch Funktionaltransfer der Maorifalke und die Insel-Turmfalken von und die der zwischen ihnen bestehenden „In- ermöglichte den Falken der Gattung Falco eine zum ausdauernden Rütteln befähigt. In Not- Mauritius und den Seychellen unterlagen einer effektivitäts- und Instabilitätslücken“ (Baum- weitergehende Differenzierung in folgende drei zeiten kann der bodennahe Raum zusätzlich Universalisierung und zeigen habichtähnliche gart 1997b, 1998a, 2000) wird verständlich. Leistungstypen: in Hierofalken- und Merlin-Manier jagdlich Züge. Das bietet auch einen Ansatz zur Dis- Ursachen, Initiale und Abläufe von Evoluti- – Verfolgungsjäger im bodennahen Raum genutzt werden. kussion der nicht leicht zu beantwortenden onsprozessen stellen sich dann zugleich gut des offenen Geländes (sehr ausdauernd Luftraumjäger wie Wanderfalken sammeln Frage, worin Höherentwicklung besteht. Fal- nachvollziehbar dar und die Thematik erfährt und schnell mit hoher horizontaler Eigen- hochkreisend potentielle Energie an, die sich ken könnte sie allein deshalb gegenüber Ha- unter dem Aspekt des dualen Charakters artli- beschleunigung und Wendigkeit) als Aus- dann im Steilstoß durch die Fallbeschleu- bichtartigen zuerkannt werden, weil sie als cher Realität wichtige Ergänzungen. gangsform, nigung in kinetischer Energie entläd und so ausdauernde Hochleistungsflieger auch deren Dabei ist der funktionelle Erklärungsansatz – Verfolgungsjäger im freien Luftraum (sehr die Falken um 400 km/h erreichen läßt. Wel- Leistungsprofile zu entwickeln vermögen, was keineswegs neu. Bereits die „Stresemannsche ausdauernd, in vertikaler Ausrichtung ex- che Vorteile den Rüttelfalken, einschließlich im umgekehrten Falle nicht möglich ist. Dabei Revolution“ in der Ornithologie des frühen 20. trem schnell, dafür aber weniger eigenbe- des größeren australischen Braunfalken und rangieren physiologische Kriterien wohl vor Jahrhunderts postulierte, daß jede Form durch schleunigend und wendig) sowie amerikanischen Aplomadofalken, unter Auf- morphologischen und Verhaltensmerkmalen. die Funktion beeinflußt wird und das Studium

176 177 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 der Form daher mit dem der Leistung einher- über bisher Vorherrschendem dominant. Das ten Erschließungsprozessen konfunktionelle vielfältigen artlichen Differenzierung unterla- gehen muß (Haffer 2001). Diesen und andere beginnt bei den Federn, die als Wärmeschutz und leistungsanaloge Arten. gen. Funktionell gesehen werden dagegen die vielversprechende Ansätze gab man jedoch entwickelt stabilisierbar zu tragfähigen, dann Zusätzliche Bedeutung erlangt die Res- Arten selbst zu Akteuren, die eigenständig in mit zunehmender Dominanz des genetozen- aber nicht mehr so gut wärmeisolierenden sourcendichte. Wenn gleichförmig und hoch, die geographische Isolation streben. trischen Evolutionsdenkens Mitte des 20. Jh. Strukturen wurden. Weihen emanzipieren sich stützt sie recht eng spezialisierte Arten. Für Angezogen vom „Sog der freien Nische“ nahezu völlig auf. Dabei läßt sich vieles funk- von Habichten durch Betonung des Gleit- Nischen mit gestreuten vielfältigen Nahrungs- (Elton 1927) – in Form nicht oder nur wenig tionell besser erklären. Möglichkeiten und flugvermögens unter Aufgabe ihres rasant quellen geringer Dichte sind universalisierte, effektiv genutzter Ressourcenräume (s. 3.2) – Grenzen der Evolution zeichnen sich so ab, ja beschleunigend attackierenden Jagdstils. Zur bei ihrer Nutzung weniger spezialisierte Arten überwinden (so Baumgart 1980, 1992, 1998a) selbst Vorhersagen können getroffen werden. Bodenjagd übergehende Falken nutzten ihre bezeichnend. Morphologisch schlägt sich das leistungsmäßig entsprechend voradaptierte Zufälligkeit ist genotypisch. Der Phänotyp un- Flugbefähigung zum ausdauernden Rütteln, in der Merkmalsverschiebung, dem „character Individuen bereits existierender Arten die als terliegt in seiner Entwicklung klaren Gesetzen. verloren dann aber im Horizontalflug an Tem- displacement“, nieder und wird zumeist nur Arealgrenze wirkende Leistungsgrenze. Im po. Das kann nicht fließend erfolgen sondern ökologisch erörtert (s. Bairlein 1996). Orga- gerichtet eroberten, geographisch isolierten 3.1 Die Funktional-Evolution der geht wie jeder Qualitätswechsel stets gerichtet nismenseitig stellt es sich dagegen als Lei- Raum sind diese leistungsanalogen Individuen Greifvögel – primär ein gerichteter und vor allem sprunghaft vonstatten und ist in stungsdifferenzierung bzw. Universalisierung unter sich, profilieren sich schnell durch alter- Anlage und Ergebnis – wie bei anderen inno- dar (s. 3.3), was sich am Beispiel der Milane native Leistungsoptimierung zur eigenständi- Prozeß zur Ressourcen-Erschließung vativen Prozessen – kaum vorhersehbar. gut veranschaulichen läßt (Baumgart 2004). gen Leistungseinheit und bilden Isolationsme- In heutigen Evolutionsbetrachtungen mißt Eher graduell verläuft dagegen die phyle- Konvergenz und Präadaptation (Voranpas- chanismen zur Stammart aus. Entscheidend man dem Zufall eine entscheidende Rolle bei. tische Evolution, der beispielsweise eher zu- sung) sowie der „point of no-return“ im Evolu- ist dabei, daß Nachkommen aus Rückverpaa- Die Selektion erfaßt danach aus einer Vielzahl fällig in Isolierung geratene Individuen einer tionsprozeß lassen sich genetisch kaum logisch rungen mit dieser intermediäre Leistungspro- zufällig entstandener Varianten die „Fitte- Art auf Inseln durch „Lokaloptimierung“ un- erklären. Eine „genetische Konvergenz“ ist file aufweisen, in eine „Ineffektivitäts- und sten“, die mit höherem Fortpflanzungserfolg terliegen, ohne daß sie sich mit der Stamm­art für mich nicht vorstellbar. Doch so wie Kon- Instabilitäts-Lücke“ fallen und so verstärkt se- dann in den Populationen vorherrschen. Durch weiter auseinandersetzen müssen. Auch bei vergenz ist auch Präadaptation funktionell gut lektiert werden. Jenseits aller Artkonzepte (s. phyletische Evolution formen sich neue Arten Arealausweitungen kann die erforderliche lei- mit dem Hinweis auf die artlichen Leistungs- Mayden 1997, Haffer 1998) unterliegen Arten über lange, kaum absehbare Zeiträume. Auf stungsmäßige Neuprofilierung ohne alternati- profile verständlich zu machen. Neue Ressour- als Qualitäten der Dialektik so der Selbstab- dieser Grundlage sind oft wesentlich schneller ve Leistungsoptimierung rein graduell durch cenräume fallen den Kandidaten zu, die in der grenzung, die sich recht schnell über nur weni- zustande kommende, offensichtlich geradezu quantitative Abwandlung erfolgen. Dann ent- jeweiligen Region dazu schon im Ansatz lei- ge Generationen vollziehen kann. zielgerichtete Artbildungen nicht zu erklären. stehen keine neuen Arten sondern nur Unter- stungsmäßig die besten Voraussetzungen mit- Diese in Grundzügen vielfach hypotheti- Schon Darwin war klar, so Gould (1998), daß arten, ihrem Wesen nach „Spezies-Isotope“. bringen und am schnellsten einrücken können. schen Darlegungen bedürfen zwar in vielen seine Vorstellungen nur die Anpassung von Denn Art- und Unterartbildung sind, so Seng­ Denn die Evolution setzt stets an Vorhandenem Punkten über den greifvogelkundlichen An- Organismen an veränderte Umweltbedingun- laub (1978), grundsätzlich verschiedene Pro- an. Und der „point of no-return“, der Punkt an satz hinaus der Bestätigung. Doch entspre- gen erfassen und grundlegende emergente zesse und der Artbildung muß nicht zwangs- dem die eingeleitete Entwicklung nicht mehr chende Hinweise liefert beispielsweise die Änderungen und Innovationen nicht erklären läufig eine Unterartbildung vorausgehen. umkehrbar ist, wird dann erreicht, wenn die Haustierforschung, die neuerdings davon aus- können. Ressourcenbereiche, für Greifvögel als leistungsmäßige Optimierung durch Umprofi- geht, daß Felsentauben zum Brüten und die Funktionelle Betrachtungen offenbaren Jagdräume von Nischencharakter erfaßbar, lierung einer neuen Ausrichtung folgt. wilden Vorfahren unserer Hunde (Wolf und dagegen, daß Evolutionsinitiale stets umwelt- gleichen verteilt angeordneten Schubfächern, Auch die für parapatrische Evolutionspro- Rotwolf) zum Nahrungserwerb von sich aus seitig von Nischen in ihrer Eigenschaft als die auf unterschiedliche Weise zu öffnen sind. zesse unverzichtbare, schon von Moritz Wag- ins menschliche Umfeld vorrückten und sich Ressourcenräumen ausgehen, die qualitativ Teils weltweit, teils nur lokal in winzigen Ge- ner (1889) begründete und vor allem durch so von den Wildformen emanzipierend „selbst eigenständige Erschließungsformen erfor- bieten vorhanden, wurden sie in den jeweili- Ernst Mayr (1967) vertiefte Rolle der geogra- domestizierten“. dern. Während der divergierenden Evolution gen Regionen je nach Faunensituation von phischen Isolation, stellt sich funktionell in Die Einsicht, daß sich die für evolutive erfolgt die Artbildung dagegen „bedarfsge- unterschiedlichen Ausgangspositionen her neuem Licht dar. Bisher wird sie vornehmlich Neuanfänge erforderliche geographische Iso- recht“ durch alternative Leistungsoptimierung angegangen, was zu Parallelentwicklungen (s. auf Zufallsereignisse (Landmassentrennung, lation nicht nur passiv und rein zufällig ein- (Baumgart 1998a). Dabei kommt der Poly- 3.4) führte. Entsprechende Arten werden oft Gebirgsfaltungen, entstehende glaziale Barrie- stellt, sondern auch aktiv und gerichtet ange- funktionalität von Strukturen und sonstiger als ökologische Gegenstücke bezeichnet, was ren u.a.) oder darauf zurückgeführt, daß es we- strebt werden kann (s. 3. 2), liefern nur Funk- Veranlagungen grundlegende Bedeutung zu den Sachverhalt lediglich umweltseitig und nige Individuen einer Art auf entlegene Inseln tionalbetrachtungen, die unser Evolutionsver- (Dohrn 1875, Pawelzig 1985). Vordem An- damit nur unzureichend umreißt. Denn hier verschlug, wo sie dann, wie die Galapagos- ständnis so auf eine neue Grundlage stellen. gelegtes, doch kaum Genutztes wird gegen- entstehen in gerichteten, effektivitätsorientier- Finken oder die Kleidervögel auf Hawaii einer Im Falle einer umweltseitig durch freie Res-

178 179 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 sourcenbereiche, die gleichfalls nicht zufalls- Breitengrad hinaus nach Norden vor. Nicht terschiede im Zugverhalten (die erstgenannte zeitig. Das erzeugt Lücken in Form von „mis- verteilt anfallen (s. Leisler & Winkler 1991), weil es dort zu kalt wäre, sondern weil hier im Art ist jeweils obligatorischer Fernzieher, die sing links“ (fehlende Verbindungen). ausgelösten Artbildung stellen sich genetische Winterhalbjahr die Lichtintensität zu gering ist zweite eher opportunistischer Teilzieher) eine Innerhalb beider Falken-Gruppen kam es Veränderungen im Sinne von Kuhn (1989) als und die Tageslänge für die aufwendige Nah- wichtige Rolle gespielt haben. Genetisch fi- zu weiteren evolutiven Differenzierungen, die Voraussetzung nicht aber Ursache evolutiver rungssuche zu kurz bleibt. Viele Areale enden xierte Verhaltensprogramme haben dabei die zu den altweltlichen Hierofalken-Arten (Lan- Prozesse dar. Sie liefern eine Fülle an Varian- dort, wo das Nahrungsangebot quantitativ oder gleiche Bedeutung wie strukturelle oder phy- ner-, Saker- und Gerfalke) führten. Bei den ten aus denen dann selektiv die zur Deckung zeitlich nicht zur Aufzucht einer Brut reicht. siologische Merkmale. Wanderfalken spalteten sich die stärker hori- des erforderlichen „Artbedarfs“ leistungsmä- Die Bedeutung fehlender Überwinterungska- Zur Artbildung führt das nur, wenn Vor- zontal orientiert jagenden Wüstenfalken art- ßig geeignetsten und effektivsten ausgewählt pazitäten für ziehende Arten ist bisher kaum aussetzungen zur geographischen Isolation lich ab. Die sich in Mitteleuropa etablierenden, werden. Diesem gedanklichen Ansatz gilt es angedacht worden. Das bot mir auch einen An- bestehen. Weihen (Circinae) konnten sich von vornehmlich Vögel jagenden und damit lan- nun mit Bezug auf themenbezogene Beispie- satz zur Suche nach Gründen für die artliche Habichten (Accipitridae) durch Entwicklung nerähnlich lebenden Saker könnten sich noch le nachzugehen. Der gerichtete Ablauf dieser Trennung von Schrei- und Schelladler. ihrer Gleitflugbefähigung in von Ansitzwarten artlich von den Ziesel-Sakern Osteuropas und Prozesse führt oft dazu, sie als teleologisch Schelladlern (Aquila clanga) als eher op- freie Jagdräume absetzen. Rüttelfalken erober- Asiens emanzipieren, denn die Unterschiede in und finalistisch abzutun. Doch diese Finalität portunistischen Migranten sind in der Westpa- ten als dominante kleine Bodenjäger die ge- den Leistungsprofilen sind erheblich. Letztlich erwächst im Prozeßverlauf effektivitätsorien- läarktis dort Grenzen gesetzt, wo potentielle mäßigten Breiten. Wanderfalken vermochten ist nicht auszuschließen, daß diese wie Lanner tiert durch selektive Optimierung, ist nicht, Überwinterungsgebiete vom Mittelmeer ein- sich durch überragende Geschwindigkeitsent- agierenden Saker später einmal beim Kontakt etwa gottgewollt, vorausbestimmt (s. Toepfer genommen werden. Das könnte ihre Verbrei- faltung von ihren an offene Landschaften ge- mit südeuropäischen Lannern, da konfunktio- 2005). Und auf den Punkt bringt es Griffiths tung einschränken, wenn sich nicht die hier bundenen Hierofalken-Vorfahren zu lösen und nell und dann auch äußerlich recht ähnlich, mit (1993) mit dem Satz: „Wherever there is selec- ansässige Teilpopulation artlich absetzen und so den weltweit vorhandenen freien Luftraum diesen wohl problemlos hybridisieren, wofür tion, there is teleology“ (Wo immer Selektion zu Fernziehern, die regelmäßig südlich des auch über der Großvegetation zu erobern. Wie dann Lanner mit Saker-Haplotypen Belege wirkt, ist Teleologie). Denn eine richtungslose Äquators überwintern, profilieren würde. Die- für andere Aktivjäger spielen bei beiden Aus- liefern würden. Das Auftreten von Haplotypen Selektion ist schwer vorstellbar. se Entwicklung vollzieht der Schreiadler (A. dauer, Geschwindigkeit, Beschleunigungsver- erscheint so nicht nur als reine Folge von Zu- pomarina), dessen verändertes Leistungsprofil mögen und Wendigkeit eine besondere Rolle. fallshybridisierungen, sondern hätte auch eine 3.2 Einige Mechanismen der Artbil- auch den strengen Kainismus (Geschwistertö- Untereinander systemisch verbunden, ändern funktionelle Vorgeschichte (Baumgart 1999, dung tung) einbezieht, denn nur einem Jungvogel sich diese Leistungsmerkmale nur im wech- 2008) Das gilt es immer im Auge zu behalten! kann regulär während der Aufzucht die für selseitigen Bezug und pendeln sich dabei für In diesem Zusammenhang spielt der “Sog Arten haben meist recht klar umrissene Are- diese Zugbelastungen erforderliche Kondition die einzelnen Typen alternativ auf einem un- der freien Nische“ (s. o.), ein von Elton (1927) ale. Neben geographischen und klimatischen angefüttert werden (Baumgart 1980). terschiedlichen Niveau ein (Baumgart 2000). ökologisch zur Erklärung von Arealausweitun- Barrieren sind Leistungsgrenzen entscheidend Interessanterweise stellt sich aber nun Mit zunehmender Geschwindigkeitsentfal- gen besetztes Begriffsbild, eine grundlegende (Baumgart 1992). Mangels Flugleistung agie- die Beziehung zwischen Schell- und Schrei- tung verlieren Wanderfalken durch ihren immer Rolle. Nicht oder ineffektiv genutzte Ressour- ren ursprüngliche Accipitriden kaum außer- adler nach neuesten Befunden als offen dar. enger konzipierten, vibrationsreduzierten Flug- cen lösen, da immer attraktiv, einen Sog aus. halb von Großvegetationsbereichen. Die Mo- Nach Westen vorstoßende Schelladler verpaa- apparat an Eigenbeschleunigung und Wendig- Kann nun keine im Umfeld lebende Art die dernen dringen schon weit ins Freiland vor, ren sich hier mit Schreiadlern (Helbig et al. keit, können das aber durch Nutzung der Fall- Lücke schließen, den Artbedarf decken, ist ein müssen den freien Luftraum aber den Falken 2005b). Hybride haben aber, wovon auszuge- beschleunigung kompensieren. Ihre Jagd im Neuansatz fällig. Das Ressourcenprofil wirkt überlassen, die ihn jedoch nur in wenigen Ar- hen war und was inzwischen durch einen be- bodennahen Raum, der die Domäne der nicht dabei mit seinen Erschließungsanforderungen ten uneingeschränkt erobern. Hierofalken und merkenswerten Fall von Meyburg & Meyburg so schnellen, dafür aber im Horizontalflug stär- leistungsplastisch. Das kann zu einer Vielzahl Merline bleiben im bodennahen Raum auf ve- (2007) bestätigt wurde, ein intermediäres Zug- ker eigenbeschleunigenden und wendigeren konvergenter Entwicklungen führen. Gut prä- getationsarme Bereiche beschränkt. Wird der verhalten, das ihre Überlebenschancen senkt. Hierofalken bleibt, wird dadurch ineffektiv. Ein adaptierte Formen erhalten dann meist – wie Bodenbewuchs zu dicht, sind sie zu schnell, So stellt sich die Trennung beider Leistungs- Wechsel der ÖFP – die enge Verwandtschaft im Berufsleben gut qualifizierte Bewerber um müssen den hier bevorteilten Bussarden und einheiten im Systemrahmen offenbar selbstre- zwischen Prärie- und Wanderfalken spricht für eine ausgeschriebene Stelle – den Zuschlag. Rüttelfalken das Terrain überlassen. Erst in guliert wieder her. Auch bei der artlichen Tren- diese Möglichkeit – muß offenbar sprunghaft Das stellt auch den oft bemühten Vergleich die Vertikale ausweichende Luftraumjäger wie nung von Schwarz- und Schmarotzermilan schnell unter ernährungsmäßig günstigen Über- zwischen der Art im biologischen und dem der Wanderfalke werden wieder vom Boden- (Milvus migrans bzw. M. lineatus), Kurzfang- gangsbedingungen erfolgen. Denn mit Aufgabe Beruf im gesellschaftlichen Bereich auf eine bewuchs unabhängig. und Shikrasperber (Accipiter brevipes bzw. der bisherigen Jagd-Effektivität ist die neue solide Grundlage. Beide weisen fest umrisse- Doch es gibt noch andere Barrieren-Si- A. badius) sowie Falken- und Mäusebussard meist längst nicht erreicht. Die Übergangsfor- nene Befähigungen und Leistungsmerkmale tuationen. Geier dringen kaum über den 50. (Buteo vulpinus bzw. B. buteo) dürften Un- men sind daher instabil und existieren nur kurz- zur Unterhaltssicherung auf. Sie entstehen,

180 181 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 existieren und verschwinden mit Erlöschen grundlegende Bedeutung. Das zeigt schon obi- bedeutsam. Die zunehmend größeren echten ihrer Existenzgrundlage nach vergleichbaren, ges Beispiel vom Pealsfalken. White & Kiff „Buteo-Bussarde“ (Kocum 2006) entwickelten systemtheoretisch gut erfaßbaren Prinzipien. (2000) sehen in Insel-Greifvögeln sogar „evo- es zum wichtigen überlebensstrategischen Lei- Vermag sich aber der aussichtsreichste lutionär signifikante Einheiten“. Entsprechend stungsmerkmal. Diese Innovation begünstigte Kandidat nicht geographisch von der Stamm- müßten Inseln zum Schauplatz mannigfaltiger sie dann auch beim Vordringen in die Nearktis, form zu lösen, unterbleibt offenbar die Sepa- evolutiver Geschehen geraten. Doch abgesehen Paläarktis und andere Regionen. rierung bis hin zur Artbildung. Anstelle des von wenigen Ausnahmen wie dem Malayischen Europa zeigt mit 29 Habichtsartigen, dar- Pealsfalken (Falco peregrinus pealei) als Archipel (s. u.) ist eher das Gegenteil der Fall. unter nur drei Bussarde, und zehn Falken an- „Meereswanderfalke“ mit intermediärem Kör- Denn Inseln, vor allem kleinere, sind, an- dere Verteilungsverhältnisse. Weiträumige perbau und Leistungsprofil wäre an der ame- ders als oft vermittelt, keineswegs Bereiche Winterquartiere in Afrika und Asien schaffen rikanischen Nordpazifik-Küste von Größe und evolutiver Vielfalt. Oft kommen sie nur mit Ausweichmöglichkeiten. Das Hungervermö- Leistungsprofil her ein hierfür bestens präad- 1-2 Greifvogelarten aus. Auf Hawaii und Gala- gen verliert gegenüber effektiven Zugstrate- aptierter Gerfalke vorstellbar. Doch zwischen pagos füllt ein Bussard (Buteo solitarius bzw. gien an Bedeutung. 13 Habichtartige und vier möglichen Meeres- und Festlandsgerfalken B. galapagoensis), dem jeweils eine zumin- Falken wandern während der kalten Jahreszeit bestünde in Ost-West-Richtung ein breiter dest teilweise tagaktive Sumpfohreule (Asio überwiegend oder vollständig ab. Das Mittel- Kontaktbereich, zu einem lediglich streifen- flammeus) zugeordnet ist, die Greifvogelrolle meer reduziert die Überwinterungskapazität, förmig schmalen Areal. Das behinderte offen- komplex aus. Auf anderen Inseln übernehmen was sich auch auf die Gestaltung des Arten- bar die zur leistungsmäßigen Neuprofilierung Kleinfalken (s. u.) diesen Part, was zugleich spektrums auswirkt. Im Westen spalteten sich erforderliche Abgrenzung. Für einen „neuen belegt, daß Bodenjäger als Kolonisatoren be- Schreiadler, Schwarzmilan und Kurzfangsper- Wanderfalken“ mit horizontaler Jagdflugaus- sonders erfolgreich sind. ber (s. 3.2) als Fernzieher von ihren eher op- richtung standen die Chancen dagegen besser. In Australien als Inselkontinent brüten, und portunistisch ziehenden zentralpaläarktischen Seine Separierung konnte sich von Süd- nach das ist seiner Größe angemessen, 24 Greifvo- Schwesterarten klar ab. Nord über hunderte von Kilometern mit ei- gelarten, davon 18 Habichtsartige und sechs Hinweise auf genetisch induzierte und so Den robusten endemischen Galapagosbussard ner nur relativ geringen Kontaktzone zu F. p. Falken (Hollands 1997, 2003). Die Rolle der in ihrem Ablauf regulierte Evolutionsabläufe (Buteo galapagoensis) weisen die kräftigen anatum im Süden vollziehen. Die Nähe zum fehlenden Geier füllen altersdifferenziert im- ergeben sich nicht. Alles scheint auf konkreten Fänge als Reptilienjäger (Landleguane) aus. leistungsmäßig anders ausgerichteten Tun- mature Keilschwanzadler aus. Zugbewegun- Umweltanforderungen und opportunistischer, Seine enge Verwandtschaft zum Präriebussard drawanderfalken (F. p. tundrius), der zudem gen erfolgen, meist dürrebedingt, nur inner- organismenseitiger Leistungsprofilierung zur (B. swainsoni) deutet darauf hin, daß er sich obligatorischer Fernzieher ist, stört weniger. halb des Kontinents. effektiven Ressourcenerschließung zu beru- von auf den Archipel verdrifteten Exemplaren Um solche Vorstellungen zu entwickeln, muß Auch die Landmassenform sowie die Ver- hen. Morphologisch offenbart sich das vielfach dieses Fernziehers ableiten könnte. man vor Ort gewesen sein und die Gegeben- fügbarkeit von Brut- und Überwinterungs- in einer Merkmalsverschiebung (s. 3.1). Zwei Foto: Tom Davis heiten dieses Lebensraumes in seiner Eigen- gebieten beeinflussen die Artenvielfalt und ähnliche Ressourcen nutzende sympatrische ständigkeit und geographischen Exposition, -verteilung von Greifvögeln. In Nordamerika Arten sind morphologisch meist klar getrennt. Evolution der modernen Falken. Geradezu mit seinen Wettereskapaden und den meist sind zwölf von 24 Habichtartigen Bussarde. Übernimmt jedoch eine dieser Arten das ge- exemplarisch offenbart sich das noch im Fal- von tiefhängenden Wolken eingehüllten, von Dazu kommen noch sechs Falkenarten und samte einschlägige Ressourcen-Spektrum ist le der nacheiszeitlich lediglich 30.000 Jahre unzähligen Zwergalken (Auklets) bewohnten als Aasverwerter agieren drei Neuweltgeier. sie meist intermediär strukturiert. Das führt zurückdatierbaren, erst molekularphyletisch Vogelbergen verinnerlicht haben. Dazu nutzte Die geringe Aufnahme-Kapazität Mittelame- zur Auflösung von Leistungs-Typen, macht definitiv belegbaren Entwicklung des riesi- ich eine Tour im Juni und Juli 2009. rikas für Wintergäste scheint eine limitieren- Inselarten funktionell wieder evolutionsfähig gen neuseeländischen Haast-Adlers aus von de Rolle zu spielen (Baumgart 2006b). Nur und vor allem so zu „evolutionär signifikanten Australien stammenden Zwergadlern (Bunce 3.3 Die Rolle geographischer Kon- Breitflügel- und Präriebussard, Mississip- Einheiten“, sofern sie sich aus der Inseliso- et al. 2005) zum Spitzen-Prädator. Auf der stellationen (Kontinentverteilung & piweih und Fischadler sowie Truthahngeier lation zu lösen vermögen. Das wird letztlich Doppelinsel boten ihm Moas und flugunfähi- verlassen Nord­amerika saisonal in größerer aber erst nach Klärung der Grundgesetze des ge Riesengänse ein reiches Nahrungsangebot Inseln) Zahl (Inzunza et al. 2000, Alderfer 2006). funktionellen artlichen Existenzrahmens ver- in größenmäßig fließenden Übergängen. Denn Bei der Bedeutung der geographischen Isola- Die meisten Arten müssen schon in südlichen ständlich. Moas wuchsen – anders als bei Vögeln üblich tion für die Artbildung, erlangt die Anordnung Bereichen des Subkontinentes den Winter über Wie schnell Evolutionsprozesse, induziert – nur allmählich zur Größe ihrer Eltern heran. und Verteilung von Landmassen, ob Konti- ihr Auskommen finden. Dabei wird das Hun- vom Sog der freien Nische und einem akuten Die Planstelle (ÖFP) für mittelgroße Beu- nenten oder Inseln, für entsprechende Abläufe gervermögen durch Grundumsatz-Senkung Artbedarf ablaufen können, zeigt nicht nur die tegreifer eroberten auf Neuseeland mit dem

182 183 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

gen boten hier offenbar Raum für artliche Eigenentwicklun- gen. Doch ent­scheidend dürfte bei den relativ geringen Ent- fernungen der zwischeninsu- läre Austausch gewesen sein. Zuwanderer traten auch über- regional in vielfältige Korre- lationsbeziehungen mit auto- chthonen Arten, was selbst ein Nebeneinander ursprünglicher und moderner Arten einschloß. Dann wären von jedem Accipi- Nur die großen Buteo-Bussarde – hier ein ter-Typ wenigstens zwei bzw. Rauhfußbussard (Buteo lagopus sanctijohan- insgesamt acht Arten auf relativ nis) aus Alaska – schafften den Sprung in die engem Raum denkbar. Von eini- Alte Welt. Dabei dürfte sie ihr Hungervermögen gen dieser Arten, wie etwa dem begünstigt haben. Foto: Oscar W. Johnson Pracht- oder Bürgershabicht (A. Haast-Adler (Harpagornis moorei) attackiert Maorifalken (Falco novaeseelandiae) wohl Moas, künstlerisch gestaltet von John Megahan. Abkömmlinge hierher verdrifteter australi- Mit einer Flügelspanne von 2-3m und einem scher Braunfalken (F. berigora). Auch sie lei- Gewicht von 10-15kg vermochte dieser Adler steten, heute in allen Landschaftsformen prä- Aus verdrifteten australischen Zwergadlern – erwachsene Moas zu erbeuten, die bis zu 3 m sent, evolutiv bemerkenswertes, entwickelten das Foto zeigt den rezenten lediglich mittelgro- hoch waren und ein Gewicht von 200-250 kg einen Geschlechtsdimorphismus, der Männ- ßen Kaninchenadler (Hieraaetus morphnoides) erreichten. Aus Bunce et al. 2005 chen wie Sperber und Merline, Weibchen da- – entwickelten sich im postglazialen Neusee- gegen als Habichte und Wanderfalken (Fox land, induziert durch den Artbedarf an einem cus approximans), als dritter neuseeländischer 1977, 1986) geradezu artdifferenziert agieren Spitzenprädator, relativ kurzzeitig die gewalti- Greifvogel relativiert wieder alles. Denn die läßt. Damit deckten sie offenbar den gesam- gen Haast-Adler. Foto: David Hollands Weihen Neuseelands leben hier, obwohl sie ten einschlägigen Artbedarf ab. Australienrüt- auch noch Bussarde und Milane mit zu ver- telfalken (F. cenchroides), die es regelmäßig cipitriden als sparsamere Intervallflieger (s. treten scheinen (Fox 1986), unter analogen nach Neuseeland verschlägt, können wohl 2.3.3) ins Spiel. Ihr Limit als Aktivjäger liegt Bedingungen wie einst in Australien und blei- deshalb hier nicht Fuß fassen. Dabei sind Fal- wohl bei etwa 15 kg. Das erreichten Haast- ben wie sie sind. Marchant & Higgins (1993) ken dieses Typs (s.o.) – und das demonstrieren Adler trotz Zwergadler-Abstammung begün- sehen nicht einmal eine Handhabe für eine un- Mauritius- und Seychellenfalken (F. punctatus stigt durch nacheiszeitliche Freiräume auf terartliche Abtrennung. Die Entwicklung auf bzw. F. area) überzeugend – als Kolonisatoren Neuseeland offenbar schnell. Und bis zu 250 Inseln gelangter oder hier lebender Greifvögel oft sehr erfolgreich. kg schwere Moas könnten durchaus zu ihrem hängt also immer von den konkreten Bedin- Neuseeland offenbart auch vieles zur Kom- Beutespektrum gehört haben. Das macht auch gungen ab, unterliegt, abgesehen von oft zu plexizität der Greifvogel-Lokomotorik. Die verständlich, daß Großgreife generell Acci- verzeichnender Leistungs-Universalisierung „übermotorisierten“ Falken haben vielfältige pitriden sind. Geier als Passivgleiter können, keinen weiteren pauschalierbaren Trends. Der Größenvergleich zwischen den Fängen von Modifizierungsmöglichkeiten, erreichen aber wie die einstigen Riesengeier (Teratornis) im Das gilt offenbar auch für den Malayischen Kaninchen- und Haast-Adler veranschaulicht mit der Großfalken-Dimension bei rund 2 kg Gewicht noch zulegen. Archipel im Grenzbereich von orientalischer den gewaltigen Evolutionsschritt zwischen bei- wohl generell ihre Obergrenze. Alles darüber Haast-Adler und Maorifalke erscheinen so- und australischer Region, der vor allem durch den. Der Haast-Adler entwickelte regelrechte wird bei ihrem aktiven Flugstil zu aufwendig mit als explizite Belege für die in der Synthe- seine Vielfalt an Accipiter-Arten – allein auf „Tigerklauen“, mit denen er 50 mm unter der und ineffektiv. Moas jagende Riesenfalken tischen Theorie betonte evolutionsbefördernde Celebes sind es fünf – besticht. Größere Inseln Haut noch 6 mm starke Knochen zu brechen sind schwer vorstellbar. Hier kommen die Ac- Rolle von Inseln. Doch die Sumpfweihe (Cir- mit ihren zumeist vielfältigen Strukturierun- vermochte. Aus Bunce et al. 2005

184 185 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Der Maorifalke (Falco novaeseelandiae) ent- Der Braunfalke (Falco berigora) als „buteoni- wickelte sich als mittelgroßer, in nahezu allen ner“ (bussardähnlicher) Bodenjäger und gro- Lebensräumen präsenter Universaljäger aus ßer Rüttelfalke vertritt auf dem 5. Kontinent die nach Neuseeland verdrifteten australischen in anderen Regionen entsprechend konfunktio- Braunfalken. Er wurde so zum Prototyp des In- nell positionierten Bussarde. selgreifvogels. Foto: Nicholas Birks Foto: Aus Galerie von Gareth: Travers Sabine Circuit

Weitere Evolutionspotentiale erwachsen Darstellung der molekularphyletisch belegten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dem Haast- aus der phänologischen Trennung von Nord- Adler (Haast´s Eagle Harpagornis moorei) und den nur mittelgroßen Hieraaetus-Adlern, wie dem und Südhemisphäre (s.2.1). Einige Falken Australischen Zwerg- oder Kaninchenadler (H. morphnoides) im Rahmen eines Phylogramms der der Baumfalken-Gruppe und der Rötelfalke Aquilinae (Accipitridae). Das Untersuchungsmaterial von ersterem wurde aus subfossilen Kno- erreichten ihren Artstatus wohl erst dadurch, chen gewonnen, was demonstriert auf welch vielfältige Weise molekulare Methoden die Evoluti- daß sie sich von Ausgangsformen auf der Süd- onsforschung bereichern. Aus Bunce et al. 2005. halbkugel nach Norden absetzten und ein um- gekehrtes Jahreszeiten-Regime übernahmen. buergersi), sind weder die phyletische noch denn der zudem kleinere Rötelfalke ist bei uns Auf die Südhalbkugel vordringende Zwergad- die funktionelle Positionierung wirklich klar. nur Sommervogel und meist Koloniebrüter. ler erreichten in Australien und wohl ebenso in Beim Aufeinandertreffen funktionell ver- Der eingewanderte Wanderfalke verdrängte Südafrika artliche Eigenständigkeit, was auch gleichbar positionierter Arten, entwickeln sich den autochthonen Silberfalke ins aride Inner- für den australischen Keilschwanzadler als meist Korrelationsbeziehungen, ohne daß diese australien, wo er subdifferenziert als „Wüsten- Aquila–Adler zutrifft. Auf Grund dieser Ver- sich nach dem Konkurrenz-Ausschlußprinzip falke“ von kleineren Beutetieren lebt. Und in hältnisse sollte der Status weiterer in beiden wechselseitig ausrotten. Neben zeitdifferenten das sich fast über ganz Nordamerika erstrec- Hemisphären ansässiger Arten wie Schwarz- Beziehungen – eine Art bleibt Standvogel, die kende Areal des Rotschwanzbussards (Buteo milan und Wanderfalke überdacht werden. andere ist Zugvogel – sind vertikale oder so- jamaicensis) als Basisart rücken zur Brut mit Zu welch überraschenden Ergebnissen Flugbilder von Maori- und Braunfalken. Wäh- ziale Differenzierung (zwischen Einzel- und Präriebussard (B. swainsoni) im Westen und eine unvoreingenommene Überprüfung führen rend das des langflügligeren Braunfalken (A1) Koloniebrütern), größenmäßige Abstufungen Breitflügelbussard (B. platypterus) im Osten kann, zeigt das Beispiel des „Kapverdenmi- an das eines Hierofalken oder großen Turmfal- oder Habitat-Unterschiede möglich (Baum- (Alderfer 2006) zusätzlich zwei Fernzieher lans“ (Milvus fascicauda). Teilweise als eigene ken erinnert, zeigt das des Maorifalken deutlich gart 1998a). Turm- und Rötelfalke erweisen zur Nutzung sommerlicher Überschüsse im Art der Kapverden und seltenster Greifvogel habichtähnliche Züge. sich sowohl zeit- als auch sozial-korreliert, bussardgerechten Nahrungsangebot ein. der Welt hochstilisiert, offenbarten molekulare Vorlagen nach Marchant & Higgins (1993)

186 187 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Untersuchungen, daß er eine Fiktion ist und es extrem schnelle, weniger eigenbeschleunigen- der afrikanische Kronenadler (Stephanoaetus) mit analogen Grundleistungsprofilen gleiche ihn nie gegeben hat, was zugleich die Fragilität de und wendige Flieger sein. Jäger des boden- gehört zu den Aquilinae und der Philippinenad- Funktionalpositionen einnehmen. Bei den äu- unserer derzeitigen arttheoretischen Grundla- nahen Raumes betonen dagegen in ihren hori- ler (Pithecophaga jefferyi) entstammt gar den ßerlich recht ähnlichen kleinen, meist grauen gen offenbart. Die verfügbaren Belegexemplare zontal ausgerichteten Verfolgungsflügen stets Circaetinae. „Kites“ gestaltet sich das, so man Gleitaare erwiesen sich genetisch nicht als monophyleti- die Eigenbeschleunigung. Und für Bodenjäger Doch nicht immer ist die sich in Konfunk- (Elaninae), Schwalbenweih (Elanoides) und sche Einheit, sondern waren an verschiedenen liegt die Problematik, ganz gleich ob sie als An- tionalität niederschlagende Konvergenz vor al- Schwebeweihe (Ictinia) in die Betrachtungen Stellen im Rotmilan-Phylogramm verankert sitz- oder Gleitflugjäger agieren, vor allem in lem bei alternativen Leistungsansätzen gleich einbezieht, sowohl phyletisch als auch funk- (Johnson et al. 2005, Martens & Bahr 2007). den Diskontinuitäten des Nahrungsangebotes offensichtlich. Der „buteonid“ wirkende Braun­ tionell differenziert. Ihre Positionierung in der Diese Insel-Form rekrutiert sich offenbar aus ihrer Jagdräume (s. 3.1). Das kann durch Weg- falke (Falco berigora) fungiert als mittelgroßer Neuen Welt gleicht vielfach der unserer klei- unterschiedlichen Gebieten entstammenden, zu zug, Wechsel oder Erweiterung des Jagdraumes Bodenjäger im mit Ansitzwarten bestückten nen insektivoren Falken, die häufig Krähenne- verschiedenen Zeiten eingeflogenen Vögeln, sowie Stoffwechselsenkung und Steigerung des Gelände und vertritt so mit der „Rüttelfalken- ster als Horste nutzen. In der neuen Welt sind die sich sukzessiv in die bestehende Population Hungervermögens erfolgen. Alternative“ auf dem 5. Kontinent die Bussar- Krähenvögel weniger präsent, was, so Cade integriert haben. Selektiv kommt es dabei zur Für große Geier gehören ein vorzügliches de. Das trifft auch für den Aplomadofalken in (1982), für Falken als Horstnutzer wohl Limi- Merkmalsverschiebung in Richtung eines eher Seh- und Gleitflugvermögen sowie die durch Amerika zu. Daß Schopf- und Chimangokara- tierungen bedingt und horstbauende Accipitri- dem Schwarzmilan ähnlichen „Universal-Mi- Reißhakenschnäbel erreichte Befähigung zum kara (Caracara plancus bzw. C. chimango) im den begünstigt. lans“ (Baumgart 2004). Entsprechende Rotmi- Zerlegen von Kadavern zu den existentiellen südlichen Südamerika als Vertreter von Kolk- Daß sich Konvergenz und Konfunktionali- lane zeigen dann morphologisch vor allem eine Grundvoraussetzungen, die sowohl in der Ver- raben und mittelgroßen Krähen agieren, offen- tät beim näheren Hinsehen doch differenzierter reduzierte Schwanzlänge. wandtschaft von Störchen, als auch von Greif- bart sich nicht auf den ersten Blick. Und die darstellen, veranschaulicht der Vergleich großer vögeln vorliegen. Beide der in der Alten bzw. Rolle der in Amerika fehlenden Schlangenadler Neu- und Altweltgeier. Erstere galten gegen- 3.4 Konvergenz und Konfunktiona- in der Neuen Welt parallel realisierten Ansätze nehmen hier mehrere Arten unterschiedlicher über Greifvogelgeiern lange als ursprünglich lität waren tragfähig. Die Cathartes-Geier nehmen Herkunft wahr. Neben einigen Leucopternis- und „technisch“ unterentwickelt. Das Aus- in Amerika leistungsanalog die gleiche Rolle Bussarden und dem Rotschwanzbussard (Buteo sterben der pleistozänen nordamerikanischen Konvergenz wird zumeist als parallele Anpas- als kleine Abfallsammler wie die altweltlichen jamaicensis) ist der Lachfalke (Herpetotheres Megafauna entzog dann Greifvogel- und auch sung an vergleichbare Umweltbedingungen Milane ein, was aber oft schwer zu vermitteln cachinnans) der spezialisierteste neuweltliche Riesengeiern (Teratornithidae) die Ernährungs- interpretiert und berücksichtigt in der Regel ist. Da sie die zur Jungenaufzucht erforderliche Schlangen- und Reptilienjäger, der wie unser grundlage. Neuweltgeier wurden nach Jahrmil- lediglich morphologische Analogien. Die dem Nahrung im Kropf und nicht wie die Milane Schlangenadler einen großen runden Kopf hat. lionen wieder aktuell. Die hochbeinigen Kon- zugrundeliegende Konfunktionalität, die auch nach hinten versetzt in den Fängen transpor- Bisweilen wird Konvergenz aber auch nur dore agieren oft einzeln wie riesige Krähen und in unterschiedlichen Formgebungen und Lei- tieren, unterscheiden sie sich im Flugapparat vorgetäuscht. Von den drei ursprünglichen nutzen vielfältige Nahrungsquellen Sie kom- stungsprofilen ihren Niederschlag finden kann, und in der Flugweise beachtlich von diesen. Ihr Greifvögeln Australiens nimmt nur der Au- men mit einer geringeren Dichte an Großtier- bleibt dabei meist unbeachtet. So werden die Geruchsvermögen ermöglicht ihnen zudem die stralhabicht (Erythrotriorchis radiatus) eine kadavern aus. In Südamerika fehlen seit jeher sich aus Konvergenzbetrachtungen evoluti- Nahrungssuche im Urwald, wo sie fast unaus- seinem Habitus entsprechende Position als vo- kopfstarke Herden freilebender Huftiere (Ko- onstheoretisch ergebenden Chancen nur unzu- rottbar sind. geljagender „Habicht“ ein. Der Schopfmilan epcke 1971-1974). Hier ist ihre Form der Ka- reichend genutzt. Bei Greifvögeln gibt es eine Das herausragende Beispiel für Konvergenz (Lophoictina isura) hat als „Baumwipfeljäger“ daververwertung hocheffektiv. Sie sind folglich Vielzahl konvergenter Entwicklungen. Sie be- bei Greifvögeln bilden die afrikanisch-mada- nichts mit den als Abfallsammler agierenden nicht unterentwickelt, sondern lediglich lei- ruht darauf, daß der Sog der freien Nische in gassischen Höhlenweihen (Polyboroides) und Milvus-Milanen gemein und der Schwarz- stungsmäßig anders und universeller profiliert. den einzelnen Regionen ähnlich präadaptierte die neuweltliche Sperberweihe (Geranospiza), brustbussard (Hamirostra melanosternon) Die Kadaververwertung in Amerika ging bild- Arten oft auch unterschiedlicher Phylogenese die den ursprünglichen bzw. den modernen zeigt in seiner Lebensweise eher dem Gaukler haft gesprochen wieder auf ein anderes Ressort anzog, weil für einen interkontinentalen bzw. Accipitriden entstammen. Beide haben das als vergleichbare, kaum bussardähnliche Züge. über. Beispiele für „Höherentwicklung“ lassen interregionalen Austausch durch Zuwanderung Wechselgelenk modifizierte, zum Greifen in Meist spielt sich Konvergenz aber auf er- sich daraus nicht ableiten. die Entfernungen einfach zu groß waren. Höhlen und Spalten geeignete Fersengelenk in weiterter Verwandtschaftsebene ab. Der Prä- Grundlage für konfunktionelle Entwicklun- vergleichbaren geographischen Breiten ihrer riefalke ist mit altweltlichen Hierofalken eben- 4 Zur Problematik funktioneller Be- gen bilden immer fest umrissene, bei Greifvö- Regionen entwickelt. Auch die großen, sich sehr so wenig direkt verwandt wie Rotbrust- und trachtungen und Fragen der Höher- geln auch als Jagdräume erfaßbare Ressour- einheitlich präsentierenden Urwaldadler sind Silberfalke mit den Wanderfalken, der Fleder- cenbereiche, deren Erschließung eigenstän- bei weitgehender Konfunktionalität recht unter- mausfalke mit den Baumfalken oder der Bunt- entwicklung dige Leistungsprofile erfordert. So müssen schiedlicher Herkunft. Die neuweltlichen Har- falke mit den Turmfalken, obwohl sie – zur Funktionelle Betrachtungen fokussieren, wie Luftraumjäger ausdauernde, in der Vertikalen piinae bilden eine eigenständige Gruppierung, gleichen Gattung gehörig – in ihren Regionen hier am Beispiel von Greifvögeln aufgezeigt,

188 189 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 artkonzeptionelle und evolutionstheoretische und Effektivitätsbezüge meist nicht einmal telt nicht nur qualitative Artcharakteristika, dabei eine bedeutsame Rolle spielen können, Probleme mit besonderer Klarheit. Trotzdem andeutungsweise vor. sondern gibt unserem Evolutionsverständnis kommen rein zeitlich nicht zum Zuge. Im gut gehören sie noch nicht zum regulären Fundus Bei solchen Bemühungen bleiben Arten, auch neue Inhalte. Darwins Evolutionstheo- tausend Kilometer entfernten Kongobecken einschlägiger Erörterungen. Das ist vor allem da umwelt- nicht organismenseitig betrachtet, rie setzt die Entwicklung vom Niederen zum fehlen mangels Kontinuität spezialisierte Ver- darin begründet, daß sich Arten dann, wie außen vor. Im Wanderfalken kann man einen Höheren voraus. Doch wie definiert man die werter. Verendet ein Waldelefant, so gerät das schon in den Betrachtungen zum Darwin-Jahr hochspezialisierten Vogeljäger, doch nach sich meist in wachsender Komplexizität nie- zur Katastrophe. Die mikrobielle Verwesung (s. S. 23-38) erörtert, als optimierte und stabi- Ford (1999) auch, da in unterschiedlichsten derschlagende Höherentwicklung? Generelle setzt Leichengifte frei, die den Wald im weiten lisierte Leistungseinheiten typisiert darstellen Lebensräumen in aller Welt ansässig, einen Trends zur Höherentwicklung und Komplexi- Umkreis zum Absterben bringen. (Baumgart 1998a, 2000, 2008), was dem der- äußerst anpassungsfähigen Universalisten zitätssteigerung sind nicht nachweisbar. Und Das offenbart bei der Ressourcenverwer- zeitigen Evolutionsverständnis zuwiderläuft. sehen. Beide Einschätzungen gehen in ihrer was wir teilweise als Höherentwicklung anse- tung auftretende Limitierungen. Nicht immer Dazu kommen auch bei Greifvögeln Widersprüchlichkeit am Kern vorbei, werden hen ist oft nichts anderes als Ausdruck einer sind alle Potentiale nutzbar. Doch sie erfolgt Schwierigkeiten sowohl bei der Erfassung von aber integrierbar, wenn der Wanderfalke funk- anders ausgerichteten Leistungsprofilierung. – und dafür sorgt der effektivitätsbestimmende Funktionalkonstellationen und Aktionsabläu- tionell und leistungsbezogen als „mittelgroßer, Der Wanderfalke, von Konrad Lorenz zum Zeitfaktor – stets auf höchstmöglicher Ebene. fen, als auch bei deren Verallgemeinerung in äußerst ausdauernder, extrem schneller, da- „Vogel der Vögel“ (Saar 2004) hochstilisiert, Die ubiquitär verbreiteten und Jahrzehnte im Form abstrahierter Funktions- und Leistungs- für aber nur beschränkt eigenbeschleunigen- ist vor allem superschnell. Seine Geschwin- Ruhezustand überlebenden Mikroben bleiben daten. Hier wird dann zumeist auf die Ökolo- der und wendiger Verfolgungsjäger im freien digkeitsentfaltung hat für ihn denselben Stel- letztlich stets im Rennen. Sollten vorhandene gie mit ihren bereits verifizierten Methoden Luftraum“ typisiert wird. Den freien Luftraum lenwert, wie die Sprintbefähigung für Habich- Bakterien in der Kadaververwertung anfangs ausgewichen. Durch Aufzeigen artlicher Um- gibt es weltweit und als Beute herrschen hier te oder das Hungervermögen für Bussarde. wenig Effektivität zeigen, so können sie diese, weltansprüche kommt man entsprechenden halt Vögel, ergänzt durch Flattertiere und Entwicklung und Perfektionierung verlaufen und das liegt, wenn auch etwas modifizierter, Lösungen teilweise recht nahe, was aber auch Insekten vor. Um eine Art auf diese Weise nicht in einem Gesamtrahmen sondern eben noch auf darwinistischer Ebene, mit ihrer viel- dazu führt, daß funktionelle Betrachtungen qualitativ und leistungsmäßig in Form eines ressortbezogen innerhalb von ÖFPs. Greifvö- fach 20 Minuten nicht übersteigenden Genera- nicht mehr für erforderlich gehalten werden. „Berufsbildes“ umreißen zu können, bedarf es gel nutzen unterschiedliche Jagd- und Res- tionsfolge selektiv meist recht schnell erwer- Bisweilen versucht man, mir einzureden, daß einer Vielzahl Direktbeobachtungen, in denen sourcenräume, Umweltsegmente von Nischen- ben. meine Ökofunktionelle Position (ÖFP) nichts Typisches von Zufälligem zu trennen ist. Die charakter. Deshalb sind auch höhere Taxa seit Gelingt es nun, generelle Trends auszuma- anderes als die wohlbekannte Ökologische Ni- falknerische Nutzung von Greifvögeln ermög- langem klar getrennt (s. 2.1). Den am höchsten chen, stellt sich die Problematik differenzier- sche sei. Eine wirklich akzeptable Nischende- licht es, deren Leistungsprofile recht naturnah entwickelten Greifvogel gibt es nicht! ter dar. Greifvögel sind, auch wenn es unter finition kann aber dann meist nicht angeboten zu erfassen. Freilandbeobachtungen liefern „Höherentwicklung“ hat ihren Preis. Mit ihnen viele in andere Bereiche abgedriftete werden, und in den heute üblichen, oft eher dann die abschließende Bestätigung. steigender Komplexizität und Effektivität Abweichler und Sonderlinge bis hin zum sich nebulösen Nischenumschreibungen kommen Die Konzipierung einer an Greifvögeln wachsen zumeist auch die Abhängigkeit von überwiegend vegetarisch ernährenden Palm- Funktionalkriterien kaum sowie Leistungs- ausgerichteten „Funktionalordnung“, vermit- bestimmten Rahmenbedingungen, die Stör- geier gibt, in erster Linie Verfolgungsjäger, anfälligkeit und der Energieaufwand. Der bei denen es auf den Antrieb im Aktivflug an- Frage, ob neben der Pestizidbelastung beim kommt. Und so ist ihre Evolution letztendlich, Rückgang des Wanderfalken Mitte des 20. Jh. angefangen von den ursprünglichen Arten über nicht auch zumindest zeitweise ein übergangs- die modernen bis hin zu den Falken eine Ent- bedingtes Energiedefizit eine Rolle gespielt wicklung der Antriebsbefähigung; im Grunde hat (s. Baumgart 1985/86), ist nie so recht eine physiologische Problematik jenseits von nachgegangen worden. Vor allem Diskontinui- Einnischung und Formgebung. Das steht über- täten in der Ressourcenverfügbarkeit sind für raschend im Einklang mit der Entfaltung der die stoffwechselintensiven Vögel trotz hoher Produktivkräfte in unserer gesellschaftlichen Mobilität meist schwer überbrückbar. In den Entwicklung, in der der Antrieb angefangen ostafrikanischen Savannen werden anfallende bei der Muskelkraft über die Dampfmaschine, Großtierkadaver von hocheffektiven Geier- Verbrennungs- und Elektromotoren bis hin zu Silber- und Rotbrustfalke (Falco hypoleucos und F. deiroleucus) haben sich als mittelgroße Ver- Freßgemeinschaften in Kooperation mit ande- Triebwerken stets eine zentrale Rolle spielt. folgungsjäger im freien Luftraum konvergent zum Wanderfalken entwickelt, der beiden aber nur ren Aasverwertern innerhalb weniger Stunden Bemerkenswerterweise erfolgt die biolo- Refugienpositionen als „Wüstenfalke“ im ariden inneren Australien bzw. als Ansitzjäger in neotro- oder Tage entsorgt. Mikroben und Insekten gische Leistungsentwicklung nicht durch rein pischen Urwäldern ließ. Fotos: David Hollands und Mikko Pyhälä wie Aasfliegen und -käfer oder Ameisen, die lineare Steigerungen. Immer wieder kommen,

190 191 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 was vor allem die Falken zeigen, limitierungs- rige evolutive Selektionsverfahren über viele chen Bereich. Denn nach allgemeinem Welt- eine reale, allgemein akzeptierte Artdefinition bedingt Neuansätze und veränderte Leistungs- Generationen entfielen damit. Diese Effektivi- verständnis verlaufen evolutive Prozesse nicht zur Voraussetzung für weitere evolutionstheo- konstellationen ins Spiel, die vordem in einem tätssteigerung hebt uns klar und qualitativ von evolutionistisch fließend sondern stets abge- retische Bemühungen. Hier reicht es nicht, anderen Zusammenhang Bedeutung hatten. unseren tierischen Vorfahren ab. Jetzt verläuft stuft über Qualitäten, und als deren Träger Arten lediglich als fortpflanzungsisoliert im Das erinnert an technische und wirtschaftli- alles geradezu blitzartig. Und das macht uns so fungieren in der biologischen Evolution Arten, Sinne Ernst Mayrs zu charakterisieren. Denn che Entwicklungen. Die Deszendenz im Sinne erfolgreich. deren Qualitätsstatus sich funktionell auch in die Fortpflanzungsisolation stellt sich, näher Darwins verläuft in phyletischer Verbindlich- Das mag hypothetisch und abgehoben er- Typen niederschlagen kann. Das macht Typen betrachtet, jenseits aller Artkonzepte nur als keit. Leistungsentwicklung realisiert sich da- scheinen, denn in der Evolutionsbiologie setzt zu geradezu unverzichtbaren Komponenten eine Konsequenz leistungsmäßiger qualitati- gegen polyphyletisch mit Strategiewechseln, man heute vornehmlich auf Fakten: Doch erst der biologischen Evolution. ver Selbstabgrenzung im phänotypischen und was sie, obwohl das Spektrum möglicher Hypothesen führen – sofern an Grundrealitä- Diese bisherige antitypologische Fehlori- damit Funktionalbereich dar, die letztendlich ÖFPs Rahmenbedingungen aufzeigt, kaum ten dieser Welt orientiert – zu einer konstrukti- entierung hat schwerwiegende Folgen. Man das entscheidende Kriterium zur Ermittlung vorhersehbar macht. Opportunistisch wird ven Art des Fragens (Huntington 2006/2007). verkannte, daß Arten als Grundeinheiten der artlicher Eigenständigkeit bildet. Die bei der stets auf das Effektivste und Effizienteste zu- Darüber hinaus ist es erforderlich, in der Evolution in ihrem dualen Charakter nicht nur Artbildung (Speziation) stets effektivitätso- rückgegriffen. Biologie von der isolierten Betrachtung der genetisch-evolutiven, sondern auch ökofunk- rientiert wirkenden Gesetzmäßigkeiten sind Erreicht nun die Antriebseffektivität, wie Einzelphänomene abzukommen und Gesamt- tionellen, leistungs- und effektivitätsbezoge- folglich das eigentlich Interessante am Artpro- am Beispiel der modernen Greifvögel und Fal- zusammenhänge zu suchen. Die allgemeine nen Orientierungen folgen. Dem wird meine blem. ken aufgezeigt, ein neues Niveau, so vollzieht Systemlehre Ludwigs von Bertalanffy (1948) diesen Dualismus berücksichtigende, bereits sich die nachfolgende Leistungsdifferenzie- bietet dafür umfassende Orientierungen, denn seit längerem konzipierte (Baumgart 1978a) Danksagung: rung meist analog zu vorgelagerten Stufen. Prinzipien, die in einem System vorliegen, sind und im Rahmen dieser Darlegungen nochmals Die Vernetzung dieser Geschehen ist dabei oft auch in anderen wirksam. Die von Ernst Mayr überarbeitete Artdefinition gerecht, die ich im Ein Beitrag wie dieser kann durch Illustratio- verwirrend. Ihre Aufklärung erfordert ein un- (2002) immer wieder geradezu beschworene folgenden Wortlaut zur Diskussion stelle: nen, seien es Fotos oder Zeichnungen, unge- orthodoxes Vorgehen, Realitätssinn, Weltver- Autonomie der Biologie bedarf hier der Rela- mein bereichert und viel anschaulicher gestal- ständnis und „Phantasiefähigkeit“, die schon tivierung und integrativen Neukonzipierung. „Arten sind optimierte und stabilisierte biolo- tet werden. Dafür leistete Friedhelm Weick Erwin Stresemann (Nowak 2003) für beson- Der greifvogelkundliche Ansatz liefert dafür gische Leistungs- und Effektivitätseinheiten einen maßgeblichen Beitrag, indem er vor ders wichtig erachtete, da sie durch Fleiß nicht einen Einstieg. monophyletischer Genese und genetischer allem die Übersicht zur Funktionalevolution zu ersetzen ist. Probleme bereiten dabei weniger neue Kompatibilität. Die artliche Qualität mani- der Greifvögel gestaltete und mir auch sonst Damit kommen wir offenbar auf die Spur Theorien, sondern die Aufgabe bisheriger festiert sich in dem allen ihrer Individuen ei- in vielen Belangen beratend zur Seite stand. des schon von Ernst Haeckel (Eichelbeck (Keynes 1936). Zudem ist unser evolutions- genen gleichen Grundleistungspotential zur Hinzu kommt eine Vielzahl markante Greif- 1999) gesuchten Faktors in der „Weltordnung“, theoretisches Denken zu stark an Autoritä- effektiven Ressourcenerschließung, das der vogel-Arten aus aller Welt darstellende Fotos, der als Ursache in der Entwicklung noch ganz ten orientiert, die der Wall Street-Dissident selbstregulierten selektiven Abgrenzung ge- die mir von den jeweiligen Autoren großzügig unbekannt ist. Und auch Erwin Stresemann Taleb (2008) im Wirtschafts- und Finanzbe- genüber den Potentialen anderer Arten unter- und uneigennützig zur Verfügung gestellt wur- (Haffer 1997) suchte ja nach einem zusätzli- reich – was aber auch auf andere „abstrakte liegt und sie zur effektiven Nutzung raum- den. Dafür gilt mein Dank Nicholas Birks, chen Evolutionsfaktor X, bei dem es sich um Disziplinen“ übertragbar ist – für verzichtbar zeitlicher, eigenständige Erschließungsformen Lindsay Cooper, Tom Davis, David Hollands, die Effektivität handeln dürfte (Baumgart hält. Er fordert dafür Regeln. Und dazu zählt, erfordernder Ressourcenangebote befähigt. Oscar W. Johnson, Arturo Kirconnell, Lutz 1998a, 2000, 2008). Wie schon in den Gedan- auch zu akzeptieren, daß Wissenschaft immer Artbildung wird folglich primär durch neue Lücker, Volker Neumann, Mikko Pyhälä und ken zum Darwin-Jahr (Baumgart 2010) erör- auf Wirklichkeitserfassung, Gedankenexperi- oder noch nicht effektiv genutzte umweltseiti- Willy Suetens (†). Der Autor des mir unver- tert (s. S. 23-38), vermochten wir Menschen menten und Weltverständnis beruht (Hermann ge, leistungsplastisch wirkende Ressourcen in- zichtbar erscheinenden Maorifalken-Fotos unsere im Evolutionsprozeß erworbenen gei- 1984), nichts herbeigerechnet oder -spekuliert duziert. Höherentwicklung schließt stets eine war für mich nicht zu ermitteln, weshalb ich stigen, insbesondere aber die enorm gewachse- werden kann. Wenn die Realität des Typs als Effektivitätssteigerung ein, wobei Parallelent- ihm ebenso wie den Autoren des presserecht- nen kommunikativen Befähigungen nicht nur artliche Qualität unter Bezug auf Autoritä- wicklungen von unterschiedlichen Ausgangs- lich zur Nutzung der Abbildungen im Internet in vielen Teilbereichen zu nutzen. Wir setzten ten vehement bestritten und die gedankliche positionen her zu vergleichbaren Ergebnissen freigegebenen Haast-Adler Beitrages unter sie auch generell in Effektivität um, indem wir Auseinandersetzung darüber strikt unterbun- führen können.“ Michael Bunce unbekannterweise verbindlich uns aus der genetischen Vermittlung von Erfah- den wird, liegen wir mit unseren derzeitigen danke. So wurde es mir möglich parallel zum rungen lösten und zur „abstrakten Erfahrungs- Evolutionsauffassungen eben außerhalb eines Bei der zentralen Rolle des Artproblems, Text eine wichtige Funktionalaspekte aufzei- vermittlung“ in Word, Schrift und zuletzt per realen Weltverständnisses und bewegen uns das sich seit etwa einem halben Jahrhundert gende Bildgeschichte zu erzählen. elektronischer Medien übergingen. Langwie- im metaphysischen und pseudowissenschaftli- (Mayr 1998) einer Lösung widersetzt, wird

192 193 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Zusammenfassung nalkonstellationen und Aktionsabläufe – nach- and developed approximately 50 million Arnold, C. & M. Wallace (1993): On the In den letzten zwei Jahrzehnten unterlag die vollziehbar und anschaulich begründen. Die years (mya) ago. Brink of Extinction. The California Condor. Phylogenese der Greifvögel auf der Grundlage effektive Ressourcenerschließung rückt dabei 2. These were followed by the „modern Ac- San Diego, New York, London. molekularer Methoden einer kompletten Revi- leistungsbezogen in den Mittelpunkt dieser cipitridae“ (approx. 20mya ago) which de- Bairlein, F. (1996): Ökologie der Vögel. Stutt- sion, was zu einer veränderten Sicht auf ihre Prozesse. veloped from a singular source and increas- gart, Jena, Lübeck Ulm. Systematik führte. Die früher in einer Ordnung Damit bieten Greifvögel funktionell be- ingly conquered the open grasslands. Their Baumgart, W. (1978a): Funktionelle Aspekte Falconiformes erfassten Habichtartigen und trachtet alternative Modellvorstellungen zum flight performance was superior, thought des Artbegriffes bei Greifvögeln. Falke 25: Falkenartigen Greifvögel wurden (als Accipi- genetozentrischen Evolutionsdenken. Ihre impossible to improve beyond a certain lim- 185-202. triformes bzw. Falconiformes) in ihrer Eigen- Evolution verläuft stets opportunistisch, was it since they were „Interval flyers“. Baumgart, W. (1978b): Der Sakerfalke. N. ständigkeit vollständig voneinander getrennt nur erklärbar wird, wenn Arten nicht nur 3. The ultimate advance into the open airspace Brehm-Bücherei, Bd. 514: 1-159. und, wie die Neuweltgeier und der Sekretär, phyletisch, sondern, da duale Systeme, auch required changes from the falcon ancestors Baumgart, W. (1980): Steht der Schreiadler in den Rang eigener, nicht näher miteinander funktionell als optimierte und stabilisierte Lei- (having exist since about 20mya) which led unter Zeitdruck. Falke 27: 6-17. verwandter Ordnungen erhoben. Das erleich- stungseinheiten erfaßt werden. Sie lassen sich to the modern Falcons of Genus Falco as Baumgart, W. (1985/86): Erörterungen zur tert die Abklärung einer Vielzahl konvergenz- folglich sowohl nach einem phyletischen als enduring high speed pursuit hunters in the Wanderfalkenfrage. Falke 32: 366-377, bedingter Irritationen in der Systematik und auch einem ökofunktionellen System ordnen, Pleistocen since around 1,8mya ago. 402-412, 33: 18-27, 58-61. bietet zugleich einen Ansatz zum Verständnis die in keiner direkten Beziehung zueinander The improvement of the locomotoric flight Baumgart, W. (1992): Die Arealgrenzen als von Motivationen und funktionell gesteuerten stehen. Die Evolution stellt sich so im Phäno- performance is the fundamental principle in Leistungsgrenzen und ihre Rolle im Artbil- Abläufen in ihrer Evolution. typ als polyphyletischer, Effektivitätsbezügen the evolution of of prey. This insight is dungsprozeß bei Vögeln (Modellvorstellun- Bis heute verlief ihre Entwicklung in Ab- folgender Prozeß zur Leistungssteigerung dar. often obscured by multiple new approaches gen). Falke 39: 9. 294-302. hängigkeit von globalen Umweltveränderun- that have cross-links and converge on all three Baumgart, W. (1996): Functional aspects in gen (Klima, Kontinentalstrukturen, Nahrungs­ Summary levels. However, it is comprehensibly based the taxonomy of large falcons. Proc. Spe- angebot u.a.) in drei Abschnitten: on multiple functional constellations and se- cialists Workshop, Abu Dhabi (UAE), 14th- 1. Zuerst entstanden vor etwa 50 Millionen Fundamentals of the functional evolution in quences that I have observed and recorded 16th Nov. 1965, S. 93-110. Jahren (mya) die primär waldbewohnen- birds of prey (Accipitriformes and Falconi- around the world. The effective utilization of Baumgart, W. (1997a): Funktionelle Positio- den, wenig leistungsfähigen „ursprüngli- formes) resources as part of the performance develop- nen und Taxonomie der Eigentlichen Fal- chen Accipitriden“, Over the last two decades the phylogeny of ment thereby shifts into the centre of the evo- ken (Gattung Falco). Mitt. Zool. Mus. Berl. 2. Auf diese folgten vor rund 20mya die aus ei- the birds of prey in the former order Falconi- lutional processes. 73, Suppl.: Ann. Orn. 21: 103-129. nem Einzelansatz hervorgegangenen, auch formes was completely revised on the basis Birds of prey offer alternative concepts to Baumgart, W. (1997b): Kleinschmidt´s Postu- das offene Grasland erobernden „moder- of molecular methods which led to an altered the geneto-centric understanding of evolution late und einige Aspekte funktioneller Reali- nen Accipitriden“ mit ihrem erhöhten, doch view of their systematics. The Accipitrides from a functional point of view. Evolution is tät der Art bei Falken (Gattung Falco). Vor- als „Intervall-Flieger“ nur begrenzt steige- and Falcons (such as Accipitriformes and Fal- an opportunistic process which can only be trag auf der 130. Jahresversammlung der rungsfähigen Flugleistungsvermögen. coniformes) were like New World Vultures appreciated if species are viewed as binary DO-G in Neubrandenburg, 24.-29.9.1997. 3. Das erforderte letztlich zum Vordringen in and Secretary , elevated into their own systems both on a phyletic and functional J. Orn. 139 (1998): 214. den Luftraum einen Neuansatz, der über autonomous orders having no close phyloge- level (as optimized and stabilized performance Baumgart, W. (1998a): Leistungsdifferenzie- die ebenso seit 20mya nachweisbaren Fal- netic relationship. This allows the clarifica- units), respectively. Therefore species can be rungen bei Greifvögeln und ihre Bedeutung ken-Vorfahren seit 1,8mya im Pleistozän tion of an array of misconceptions caused by classified according to a phylogenetic and an für artliche Existenz und Artbildung. Zool. zu den modernen Falken der Gattung Falco convergences. At the same time it offers a new ecofunctional system, which are in no direct Abh. Mus. Tierkd. Dresden 50. Suppl. 11 als ausdauernde Verfolgungsjäger führte. understanding of motivations and functionally relationship to each other. The evolution of the (100 Jahre Art-Konzepte in der Zoologie). Der Evolution der Greifvögel liegt dabei pri- controlled operational sequences in the evolu- phenotype is a polyphyletic process dedicated 125-137. mär eine Entwicklung des lokomotorischen tion of raptors. to the increase in (flight) performance. Baumgart, W. (1998b): Der australische Flug-Antriebs zugrunde, der als Prinzip der Until today their development occurred, Braun­falke Falco berigora VIGORS & Höherentwicklung interpretierbar wird. Das depending on global environmental changes Literatur: HORSFIELD 1827 als funktionelles Äqui- kaschieren vielfache Neuansätze, Vernetzun- (such as climate, continental structures, food Alderfer, J.(ed.) (2006): Complete Birds of valent zum paläarktischen Mäusebussard gen und alle drei Ebenen einschließende Kon- supply, etc.) in three stages: North America. National Geographic So- Buteo buteo (L. 1758) nebst Anmerkungen vergenzen, läßt sich aber – gestützt auf einen 1. The first, rather inefficient primitive Ac- ciety. Washington, D. C. zur funktionellen Position des Neuseeland- Fundus von mir weltweit ermittelter Funktio- cipitridae were above all forest dwellers

194 195 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

falken Falco novaeseelandiae GMELIN Baumgart, W. (2010): Beobachtungen an Elton, C. (1927): Ecology. London. Haffer, J. (2001): Die Stresemann´sche Re- 1788. Beitr. Gefiederkd. & Morph. Vögel Neuwelt-Falken der Gattung Falco in Me- Feduccia, A. (1995): Explosive Evolution in volution in der Ornithologie des frühen 20. 5: 1-26. xiko – unter besonderer Berücksichtigung Tertiary Birds and Mammals. Science 267 Jahrhunderts. J. Ornithol. 142: 381-389. Baumgart, W. (1999): Bestehen ernährungs- des Fledermausfalken (Falco rufigularis). (5198): 637-638. Hartert, E. (1912/21): Die Vögel der paläark- mäßige Voraussetzungen für die dauerhafte Ornithol. Mitt. 62: im Druck. Feduccia, A. (2001): The problem of bird ori- tischen Fauna. Bd. 2. Berlin.320, No. 5884: Ansiedlung des Sakerfalken im zentralen Baumgart, W. & L. Lücker (2008): Elanus gin and early avian evolution. J. Ornithol. 1763-1768. Mitteleuropa. Orn. Mitt. 51: 156-163. „ante portas“. Ornithol. Mitt. 61: 91-102. 142 Sonderheft 1: 139-147. Helbig, A. J., I. Seibold, W. Bednarek, P. Gau- Baumgart, W. (2000): Zur Realität des Typs, BBC (2006): planet erde: Graswelten. DVD Ferguson-Lees, J. & D. Christie (2009): Die cher, D. Ristow, W. Scharlau, D. Schmidl Otto Kleinschmidt und konzeptionelle Trug- Staffel 2, Folge 2. Greifvögel der Welt. Kosmos Stuttgart. & M. Wink (1994): Phylogenetic relation- schlüsse im arttheoretischen Denken des 20. Becker, J. J. (1987): Revision of „FALCO“ ra- Ford, H. A. (1999): Lebensräume und Anpas- ships among Falcon species (genus Falco) Jahrhunderts aus greifvogelkundlicher Sicht. menta Wetmore and the neogene Evolution sung. In: J. Forshaw: Enzyklopädie der Vö- according to DNA sequence variation of the Greifvögel und Falknerei 1999: 143-170. of the Falconidae. Auk 104: 270-276. gel: 27-31. Augsburg. cytochrome b gene. in B.-U. Meyburg & R. Baumgart, W. (2001): Europas Geier : Flug- Bertalanffy, L. von (1948): Zu einer allge- Fox, N. C. (1977): The biology of the New D. Chancellor (eds.): Raptor Conservation riesen im Aufwind. Wiebelsheim: AULA- meinen Systemlehre, Biologia Generalis, Zealand Falcon (Falco novaeseelandiae Today. S. 593. WWGBP/The Pica Press. Verlag (Sammlung Vogelkunde), ISBN New York/Cambridge. Gmelin 1788). PhD. Thesis, University of Helbig, A. J, A. Kocum, I. Seibold & M. J. 3-89104-641-3: 144 S. Brown, L. & D. Amadon (1968): Eagles, Canterbury. Braun (2005a): A multi-gene phylogeny Baumgart, W. (2004): Zum Funktionsbe- Hawks and Falcons of the World. Feltham. Fox, N. C. (1986): Der Neuseelandfalke (Fal- of aquiline eagles (Aves: Accipitriformes) zug von Merkmalsdifferenzen zwischen Bunce, M., M. Szulkin, H. R. L. Lerner, I. co novaeseelandiae). Deutscher Falkenor- reveals extensive paraphyly at the genus Schwarz- und Rotmilan (Milvus m. migrans Barnes, B. Shapiro, A. Cooper & R. N. den 1986: 49-53. level. Mol. Phylogenet. Evol. 35 (2005): bzw. M. m. milvus) – Wie sich das sympatri- Holdaway (2005): Ancient DNA provides Glaubrecht, M. (2000): Frühe Konkurrenz für 147-164. sche Vorkommen beider Schwesterarten in new insights into the evolutionary history den Urvogel. Falke 47: 318-321. Helbig, A. J., I. Seibold, A. Kocum, D. Liebers, der Westpaläarktis erklären läßt. Greifvögel of New Zealands extinct giant eagle. PloS Glaubrecht, M. (2001): Neues zum Ursprung J. Irwin, U. Bergmanis, B.-U. Meyburg, W. und Falknerei 2003: 148-169. Biol.3(1):e9. der Vogelfeder. Naturwiss. Rdsch. 54: 366- Scheller, M. Stubbe & S. Bensch (2005b): Baumgart, W. (2006a): Accipiter-Studien zur Cade, T. (1982): The Falcons of the World. 367. Genetic differentiation and hybridisation funktionellen Charakteristik von Kurz- London, Auckland, Sydney, Toronto, Jo- Gould, S. J. (1998): Illusion Fortschritt. between greater and lesser spotted eagles fangsperber und Sperber, Accipiter brevipes hannesburg. Die vielfältigen Wege der Evolution. (Accipitriformes: Aquila clanga, A. poma- und A. nisus. Ornithol. Mitt. 58: 83-90. Clark, W. S. & R. A. G. Davies (2000): Taxo- Frankfurt/M. rina). J. Ornithol. 146: 226-234. Baumgart, W. (2006b): Begegnungen mit nomic problems in African diurnal raptors. Griffiths, P. E. (1993): Functional analysis Hermann, A. (1984): Wie die Wissenschaft Wanderfalken (Falco peregrinus) und an- In: R. D. Chancellor & B.-U. Meyburg and proper functions. British Journal for the ihre Unschuld verlor. Frankfurt/M; Berlin; deren Greifvögeln Nordamerikas – ihre (eds.): Raptors at Risk: 121-133. WWG- Philosophy of Science 44: 409-423. Wien. ökofunktionellen Positionierungen im Ver- BP, Berlin, London & Paris and Hancock Grossman, M. L., J. Hamlet & S. Grossman Herzog, A., H. Höhn & B. Matern (1986): gleich zu europäischen Arten. Greifvögel House, Surrey & Blaine. (1964): Birds of Prey of the World. London Zytogenetische Untersuchungen an Falco- und Falknerei 2004: 149-171. Del Hoyo, J., A. Elliot & J. Sargatal (eds.) & New York. niformes und Ciconiiformes. Z. Jagdwiss. Baumgart, W. (2007): Die Karakaras oder (1994): Handbook of the Birds of the World, Grzimek, B. (1979): Vom Grizzlybär zur Bril- 32: 84-90. Geierfalken (Polyborinae) als funktionelle Vol. 2. New World Vultures to Guineafowl. lenschlange. Kindler München. Hollands, D. (1997): Die Greifvögel Austra- Vertreter von Krähenvögeln im südlichen Barcelona. Hackett, S. J., R. T. Kimball, S. Reddy et liens – eine Einführung. Greifvögel und Südamerika – nebst Anmerkungen zu an- Dohrn,A. F. (1875): Der Ursprung der Wir- al. (2008): A Phylogenetic Study of Birds Falknerei 1995: 73-80. deren greifvogelkundlichen Besonderheiten belthiere und das Princip des Functions- Revals Their Evolutionary History. Science Hollands, D. (2003): Eagles, Hawks and Fal- dieses Subkontinents. Greifvögel und Falk- wechsels. Leipzig. 320: 1763-1768. cons of Australia, 2. Edition. Melbourne. nerei 2005/2006: 174-192. Eichelbeck, R. (1999): Das Darwin-Komplott. Haffer, J. (1997): Essentialistisches und evo- Huntington, S. P. (2006/2007): Kampf der Baumgart, W. (2008): Was macht den Prärie- München lutionäres Denken in der systematischen Kulturen. Spiegel Verlag Hamburg. falken Falco mexicanus zum Hierofalken? Eikamp, H. (1990a): Fossile Vögel aus der Ornithologie des 19. und 20. Jahrhunderts. Inzunza, E. R., S. W. Hoffman, L. J. Goodrich Greifvögel und Falknerei 2007: 154-192. Grube Messel. Greifvögel und Falknerei J. Orn. 138: 61-72. & R. Tingay (2000): Conservation Strate- Baumgart, W. (2009): Die Ökofunktionelle 1989: 66-68. Haffer, J. (1998): Artkonzepte in der heutigen gies for the World´s Largest Known Rap- Position der Gleitaare (Elanus). Greifvögel Eikamp, H. (1990b): Zur Entwicklungsge- Zoologie. Zool. Abh. Mus. Tierkd. Dresden tor Migration Flyway: Veracruz the River und Falknerei 2008: 62-66. schichte der Geier. Greifvögel und Falk- 50. Suppl. 11 (100 Jahre Art-Konzepte in of Raptors. In: R. D. Chancellor & B-U. nerei 1989: 68-70. der Zoologie): 9-19. 196 197 Greifvögel und Falknerei 2009/2010 Greifvögel und Falknerei 2009/2010

Meyburg eds. (2000): Raptors at Risk, species problem. In M. F. Claridge, H. A. Pawelzig, G. (1985): Polyfunctionality of Wattel, J. (1973): Geographical Differentia- WWGBP/Hancock House, S. 591-596. Dawah & M. R. Wilson (Eds.): Species. structures – a fundamental condition for de- tion in the Genus Accipiter. Publ. Nuttall Jaeger, H. (1983):Warum die Saurier ausstar- The units of biodiversity. The Systematics velopment and evolution. In: J. Mlikovský Ornithol. Club 13: 1-231. ben – ein spektakuläres Ende? Wochenpost Ass. Spec. Vol., Series 54: 381-424. & V. J. A. Novák: Evolution and Morpho- White, C. M., P. D. Olsen & L. F. Kiff (1994): Nr. 1/83: 16-17. Mayr, E. (1967): Artbegriff und Evolution. genesis: Praha: 247-251. Family FALCONIDAE (Falcons and Ca- Jaeger, H. (1986): Die Faunenwende Meso- Hamburg & Berlin. Raikow, R. J. & A. H. Bledsoe (2000): Phy- racaras) In: J. Del Hoyo, A. Elliot & J. zoikum/Känozoikum – nüchtern betrachtet. Mayr, E. (1998): Gedanken zum Art-Problem. logenie and Evolution of the Passerine Sargatal, eds.: Handbook of the Birds of Zeitschr. Geolog. Wiss. 14(6): 629-656. – Zool. Abh. Mus. Tierkd. Dresden Bd. 50/ Birds. BioScience 50: 487-499. the World, Vol. 2. New World Vultures to Johnson, J. A., R. T. Watson & D. P. Mindell Suppl., Nr. 11: 6-8. Saar, C (2004): Die Wanderfalken-Auswilde- Guineafowl: 216-247. Barcelona. (2005): Prioritizing species conservation: Mayr, E. (2002): Die Autonomie der Biologie. rung des DFO. In: H. Schöneberg: Falkne- White, C. M. & L. F. Kiff (2000): Biodiver- does the Cape Verde kite exist? Proc. Royal Naturwiss. Rdsch. 55: 23-29. rei. Der Leitfaden für Prüfung und Praxis: sity, Islands Raptors and Species Concepts. Soc. B272: 1365-1371. Murawski, H. & W. Meyer (2004): Geologi- 94-96. 2. Aufl., Darmstadt. In: R. D. Chancellor & B.-U. Meyburg Keynes, J. M. (1936): The General Theory of sches Wörterbuch. 11. Aufl. München Hei- Seibold, I., A. J. Helbig & M. Wink (1993): Eds.: Raptors at Risk (Proceedings of the Employment, Interest and Money. p. VII. delberg. Molecularsystematics of Falcons (Family V. World Conference on Birds of Prey and Harcourt, Brace, New York. Meyburg, B.-U. & C. Meyburg (2007): Post- Falconidae). Naturwissenschaften 80: 87- Owls 1998). WWGBP/Hancock House: Koepke, H.-W. (1971-1974): Die Lebensfor- fledging behaviour and outward migration 90. 633-652. men. Krefeld. of a Hybrid Greater x Lesser Spotted Eagle Seibold, I. (1994): Untersuchungen zur mole- Wink, M., I. Seibold, F. Lotfikhah & W. Kocum, A. (2006): Phylogeny der Accipitrifor- (Aquila clanga x A. pomarina). J. Raptor kularen Phylogenie der Greifvögel anhand Bednarek (1998): Molecular Systematics of mes (Greifvögel) anhand verschiedener nu- Res. 41 (2): 165-170. von DNA-Sequenzen des mitochondriellen Holarctic Raptors (Order Falconiformes). klearer und mitochondrialer DNA-Sequen- Meyer, A. (1994): Shortcomings of the cy- Cytochrom b Gens. PhD Dissertation, Hei- In: R. D. Chancellor, B.-U. Meyburg & J. zen. Diss. Univ.-Greifswald. 260 Seiten. tochrome b gene as a molecular marker. delberg University. J. Ferrero eds.: Holarctic Birds of Prey: 29- König, C. (1982): Zur systematischen Stellung Trends Ecol. Evol. 9: 278-288. Seibold, I. & A. J. Helbig (1995): Evolution- 48, ADENEX-WWGBP Berlin & Mérida. der Neuweltgeier (Cathartidae). J. Orn. Mundy, P., D. Butchart, J. Ledger & S. Piper ary history of New and Old World vultures Wink, M. & P. Heidrich (1999): Molecular Ev- 123: 259-267. (1992): The Vultures of Africa.- London. inferred from nucleotide sequences of the olution and Systematics of the Owls (Strigi- Kuhn, W. (1989): Darwin im Computerzeital- Nittinger, F., E. Haring, W. Pinsker, M. Wink mitochondrial cytochrome b gene. Phil. formes). In: C. König, F. Weick & J.-H. ter: das Ende einer Illusion. Berneck, CH. & A. Gamauf (2005): Out of Africa? Phylo- Trans. R. Soc. Lond. B 350: 163-178. Becking: Owls: 39-57, Pica Press Sussex. Leisler, B. & H. Winkler (1991): Ergebnisse genetic relationship between Falco biarmi- Senglaub, K. (1978): Vorgeschichte und Her- Wink, M. & H. Sauer-Gürth (2004): Phy- und Konzepte ökomorphologischer Unter- cus and the other hierofalcons (Aves: Fal- ausbildung der „Synthetischen Theorie der logenetic Relationships in Diurnal Raptors suchungen an Vögeln. J. Orn. 132: 373-425. conidae). J. Zool. Syst. Evolutionary Res. Evolution“ und der Anteil der ornithologi- based on nucleotide sequences of mito- Lerner, H. R. L. & D. P. Mindell (2005): 43: 321-331. schen Systematik. Mitt. Zool. Mus. Berlin, chondrial and nuclear marker genes. In: R. Phylogeny of Eagles, Old World Vultures, Nowak, E. (2003): Professor Erwin Strese- Bd. 54, Suppl., Ann. Orn. 2: 35-56. D. Chancellor, B.-U. Meyburg: Raptors and other Accipitridae based on nuclear and mann (1889-1972) – ein Sachse, der die Slikas, B. (2003): Overview Hawaii Birds: Worldwide: 483-498. WWGBP/MME Ber- mitochondrial DNA. Mol. Phyl. Evol. 37: Vogelkunde in den Rang einer biologischen Lessons from a rediscovered Avifauna. Auk lin & Budapest. 327-346. Wissenschaft erhoben hat. VSO Hohen- 120: 953-960. Wolters, H. E. (1975/82): Die Vogelarten der Lerner, H. R. L., M. C. Klaver & D. P. Mind- stein-Ernstthal. Taleb, N. N. (2008): Der Schwarze Schwan. Erde. Hamburg & Berlin. ell (2005): Molecular phylogenetics of the Olsen, P. (1995): Australian birds of prey.- München. Worthy, T. H. & R. N. Holdaway (1994): Qua- Buteonine birds of Prey (Accipitridae). Auk Sydney. Toepfer, G. (2005): Teleologie. In.: U. Krohs ternary fossil faunas from caves in Takaka 304 (2): 304-315. Olsen, P. D., R. C. Marshall & A. Gaal & G. Toepfer: Philosophie der Biologie. Valley and on Takaka Hill, northwest Nel- Marchant, S. & P. J. Higgins (eds.) (1993): (1989): Relationships within the Genus Frankfurt a. M.: 36-52. son, South Island, New Zealand. Journ. Handbook of Australian, New Zealand & Falco: A Comparison of the Electrophoretic Wagner, M. (1889): Die Entstehung der Arten Royal Soc. New Zealand 24: 297-392. Antarctic Birds. Vol. 2. Melbourne. Patterns of Feather Proteins. Emu 89. 193 durch räumliche Sonderung. Basel. Martens, J. & N. Bahr (2007): Dokumenta- – 203. Warter, S. L. (1976): A new Osprey from the tion neuer Vogel-Taxa – Bericht für 2005. Olson, S. L. (1985): The fossil record of birds. of California (Falconiformes: Pan- Vogelwarte 45: 119-134. In Farner, D. S., J. R. King & K. J. Parkes dionidae). Smithson. Contrib. Palaeobiol. Mayden, R. L. (1997): A hierarchy of species (Eds): Avian Biology, vol. 8. Academic 27: 133-139. concepts: the denouement in the saga of the Press, New York, pp. 79-252.

198 199