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SWR2 Glauben GLAUBENSRITTER IM EXIL DIE GESCHICHTE DES MALTESERORDENS VON TILMANN KLEINJUNG

SENDUNG 02.02.2014 / 12.05 UHR Redaktion Religion, Kirche und Gesellschaft

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ATMO (Platz)

Unten im Tal fließen der Tiber und der Verkehr auf dem „Lungotevere“. Doch hier oben hört man vom Lärm der Stadt nur wenig. Der Aventin – einer der sieben legendären Hügel Roms – ist das Kontrastprogramm zu der Stadt in deren Mitte er liegt.

1. ZUSPIELUNG (Ajroldi/OV): Ein wunderbarer Ort. Es ist unglaublich, wir befinden uns im Herzen Roms, aber es scheint, als ob man auf dem Land sei. Den Verkehrslärm hört man nur in der Ferne.

ATMO (Platz)

Eugenio Ajroldi Di Robbiate hat die Schlüssel zur berühmtesten Tür in Rom. Lange Schlangen bilden sich auf dem Platz vor der Villa der Malteser auf dem Aventin, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Alle wollen zu dieser Tür. Und wer nach geduldigem Warten den ersten Platz in der Reihe hat, beugt sich nach unten, kneift ein Auge zu und schaut durch das Schlüsselloch. Ein Ausblick, der sprachlos macht. Denn am Horizont sieht der staunende Besucher die Kuppel des Petersdoms. Sie wirkt zum Greifen nah und ist doch fast einen Kilometer entfernt. Eugenio Ajroldi verrät: „Das ist ein optischer Trick des Architekten Giovanni Battista Piranesi.“

2. ZUSPIELUNG (Ajroldi/OV): Es gab hier zwei Reihen von hochgewachsenen Bäumen, die den Petersdom irgendwie einrahmten. Piranesi ließ diese Bäume fällen und stattdessen Lorbeer pflanzen. Der verdeckt den Himmel und so hat das Schlüsselloch den Effekt eines Fernglases. Das Auge wird hereingelegt, weil es dazu neigt, das Gesichtsfeld mit der Kuppel zu füllen.

Piranesi, der auf unzähligen Stichen das alte Rom verewigte, hatte offensichtlich großes Vergnügen an optischer Effekthascherei. 1764 bekam er 2

den Auftrag, das Großpriorat der Malteserritter auf dem Aventin neu zu gestalten. Von unten, vom Tiber aus erscheint das Gebäude tatsächlich wie eine Ritterburg: abweisend, die rote Fahne mit dem weißen Malteserkreuz weht im Wind.

ATMO (Schritte)

Aber hinter der Tür mit dem berühmten Schlüsselloch wirkt die Anlage eher wie ein kleines Lustschlösschen: ein liebevoll gestalteter Garten mit Springbrunnen und Palmen, ein „Coffee House“, eine kleine Kirche, die von außen an einen antiken Tempel erinnert. Und am anderen Ende dieses Paradiesgartens steht eine zweigeschossige Villa, die in der Tradition des Malteserordens eine ganz besondere Rolle spielt.

3. ZUSPIELUNG (AjroldiOV): Wir sind jetzt im obersten Stockwerk der Villa, genauer im Kapitelsaal. Dieser Saal ist sehr wichtig für uns, weil hier die Großmeister gewählt werden. Und deswegen hängen an den Wänden die Porträts aller Großmeister des Ordens.

MUSIK

78 Herren in Öl verkörpern 900 Jahre Ordensgeschichte. Allen voran Bruder Gerhard, der Gründer der Gemeinschaft. Er wurde nach seinem Tod selig gesprochen. Das Gemälde zeigt ihn mit einem Heiligenschein und mit dem schwarzen Ordensmantel. Darauf prangt das achtspitzige Kreuz der Malteser. Es heißt, die acht Spitzen stünden für die acht Seligpreisungen der Bergpredigt: „Selig sind die Armen, selig sind die Barmherzigen….“ Andere behaupten: das Malteserkreuz symbolisiert die acht „Zungen“ des Ordens, also die verschiedenen Sprachgemeinschaften bei den Malteserrittern. Zum Beispiel die Franzosen. Großmeister Jean de la Valette gründete die Hauptstadt der Insel „La “ und wehrte von hier aus erfolgreich 1565 die Belagerung der Osmanen ab. Militärisch weit weniger erfolgreich 3

war der einzige deutsche Großmeister. Ferdinand Hompesch übergab die Insel 1798 kampflos an Napoleon. In der Ahnengalerie der Malteser wird er dennoch ganz ritterlich dargestellt, mit Brustharnisch und Schwert. Im Angesicht der streng blickenden Vorgänger wurde am 11. März 2008 der Brite zum 79. Großmeister des Ordens gewählt. Im offiziellen Titel, den er seitdem tragen darf, steckt die ganze Geschichte dieser 900 Jahre alten Organisation: „Seine Hoheit und Eminenz, Fra’ Matthew Festing, Fürst und Großmeister des Souveränen Ritter- und Hospitalordens des Hl. Johannes von , von Rhodos und von Malta.“

MUSIK (Jerusalem)

Jerusalem um das Jahr 1000. Eine Stadt unter muslimischer Herrschaft. Für die Christen eine heilige Stadt. Hier stand die Grabeskirche an dem Ort, an dem Jesus Christus gestorben und auferstanden sein soll.

4. ZUSPIELUNG (Buhlmann): Logischerweise war das ein Ort, der bis zum heutigen Tage den Christen heilig ist. Deswegen hatten sie das Bedürfnis einmal im Leben dorthin zu fahren. Sie müssen sich die Reisebedingungen dieser Zeit vorstellen, die Leute kamen mehr tot als lebendig an, viele sind auch gestorben und wollten dort sterben. Insofern war ein Ort der Aufnahme wichtig.

Malteserritter Urs Buhlmann hat die Geschichte seines Ordens erforscht. Dessen Ursprünge liegen in einem solchen „Ort der Aufnahme“ in Jerusalem. Kaufleute aus dem italienischen Amalfi hatten ein Pilgerkrankenhaus errichtet. Die erste schriftliche Erwähnung des Spitals findet sich im Jahr 1048.

5. ZUSPIELUNG (Buhlmann): Solche Institutionen wie das Bürgerhospital der Amalfitaner, das dem heiligen Johannes Täufer geweiht war (von daher kommt der Name Johanniterorden) - die mussten sich zur Wehr setzen, wie andere auch. Das war nicht das einzige Krankenhaus, es 4

gab noch mehr, auch von anderen Nationen. So kommt dann eine Zweiteilung der Aufgaben zu Stande: Auf der einen Seite war man Krankenpfleger, auf der anderen Seite war man gezwungen, zum Schwert zu greifen und die christliche Institution zu verteidigen.

Aus Krankenpflegern werden Ritter. Adlige aus Südfrankreich und Süditalien übernehmen das Krankenhaus und gründen einen Orden. Die Ritter leben wie Mönche, geloben Armut, Keuschheit und Gehorsam. Am 15. Februar 1113 wurde der Johanniterordern von Rom anerkannt.

6. ZUSPIELUNG (Buhlmann): Papst Paschalis II. bestätigt Meister Gerhard als ersten Ordensmeister dieser dem Hl. Johannes geweihten Krankenhilfe- Bruderschaft und er genehmigt, dass der Orden Besitztümer haben darf, die nicht unter der Oberhoheit der Bischöfe stehen.

MUSIK (Kreuzfahrer)

Die Gründung des Ordens fällt in eine Zeit, die heute als eher dunkles Kapitel der Kirchengeschichte gilt und gern in einem Atemzug mit Hexenverbrennungen und Inquisitionsprozessen genannt wird: Im Jahre 1099 eroberten die ersten Kreuzfahrer Jerusalem und richteten unter der Bevölkerung ein Gemetzel an.

MUSIK hoch

Die Malteserritter legen größten Wert auf die Feststellung, dass ihre Vorfahren, die Johanniter keine Kreuzritter waren. „Wir waren ja schon da, als der erste Kreuzzug Jerusalem erreichte“, sagt Urs Buhlmann. Doch mit der Gründung des Kreuzfahrerstaates spielten die Johanniter im Heiligen Land eine immer wichtigere Rolle. Sie pflegten nicht mehr nur die Pilger, sie beschützten und verteidigten die christliche Minderheit in und um Jerusalem.

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7. ZUSPIELUNG (Buhlmann): Am Ende war dieser christliche Posten auf fremdem Boden nicht aufrechtzuerhalten gegen die numerische Übermacht die Muslime. Dennoch haben die Ritterorden, auch die Templer und der Deutsche Orden, der aus dieser Zeit stammt, tapfer gekämpft, mussten aber nicht Jerusalem sondern auch einen Ort nach dem andern aufgeben, zogen sich immer mehr zur Küste zurück und haben dann schließlich von Akkon aus mit gerade einmal sieben Rittern die Überfahrt nach Zypern angetreten. Der Gedanke zurückzukehren, war immer präsent, ließ sich aber nicht mehr realisieren.

Seitdem sind die Hospitalritter heimatlos: Zypern, Rhodos sind die nächsten Stationen. Immer wieder werden sie vertrieben und müssen sich eine neue Bleibe suchen, auf der Flucht vor den Osmanen, die im östlichen Mittelmeer zur bestimmenden Großmacht werden.

ATMO (Meer/Wind)

1530 beschließen Kaiser und Papst den Rittern im Exil eine kleine Insel anzuvertrauen, ein karges, felsiges Eiland zwischen Sizilien und Afrika. Ohne Wasser, ohne Grün. Die Ritter empfanden diesen neuen Ort offenbar als Zumutung, unter ihrer Würde. Doch sie hatten keine Wahlfreiheit und mussten sich notgedrungen auf Malta einrichten. Seitdem sind die Geschicke des Ordens und der Insel untrennbar miteinander verbunden. Aus den Johannitern wurden Malteser und aus Malta wurde eine uneinnehmbare Festung im Mittelmeer mit prächtigen Kathedralen und Burgen.

ATMO (Begrüßung)

Ein Besuch beim Burgherrn. Fra John Critien ist Ritter auf Fort Sant’ Angelo. Eine Feste, die auf einem Felsen über der Hafeneinfahrt von Malta thront. Wer hinein will, muss hinauf!

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ATMO (Treppe)

„Ein ganz schönes Abenteuer, hier hoch zu steigen,“ sagt Fra John und öffnet die Tür zu seiner Burgwohnung. „Tee oder Café?“ Ein Mann mit ritterlichen Manieren, ein echter Gentleman. „Stört es, wenn ich rauche?“, fragt der 64 Jährige vor unserem Gespräch. Um sich dann in der kommenden Stunde eine Zigarette an der anderen anzuzünden. Als Burgherr von Sant’ Angelo ist Fra John so etwas wie der Sachwalter von 500 Jahren Ordensgeschichte auf der Insel Malta. Man könnte auch sagen: ein wandelndes Lexikon.

8. ZUSPIELUNG (John/OV): Aus der Sicht des Ordens ist dieser Ort wichtig, weil das Fort unsere erste Heimat auf Malta war, als wir uns 1530 hier niederließen.

Von der Festung aus hatte man einen guten Blick auf den Hafen. Die Ritter hatten es sich angewöhnt strategisch zu denken, militär-strategisch. Das waren nicht mehr die Krankenpfleger der Ursprungszeit. Malta wurde von einem Militärorden besiedelt:

9. ZUSPIELUNG (John/OV): Sie kamen aus dem gesamten katholischen Europa. Sie wurden Mitglieder eines religiösen Ordens und ich bin mir sicher, dass einige eine wirkliche Berufung hatten, doch es gab auch einige, die wurden Ritter, weil Ihre Eltern es so wollten.

MUSIK (Caravaggio)

Einer wurde Ritter, weil es die einzige Chance war, der Justiz zu entkommen. Der geniale Maler Michelangelo Merisi, alias Caravaggio, landete 1607 auf Malta, nachdem er aus Rom fliehen musste.

10. ZUSPIELUNG (John/OV): Caravaggio war ein Streithahn. Das ist allgemein bekannt. Caravaggio war angeklagt, in Rom einen Mord 7

begangen zu haben. Aber der Großmeister des Ordens wollte ihn in Malta, er wollte, dass er Mitglied des Ordens wird, er wollte ihn auf der Insel haben, damit er ein paar Bilder malt, was er ja dann auch tat.

Im Exil auf Malta malte Ritter Caravaggio eines seiner großartigsten Gemälde: „Die Enthauptung des Heiligen Johannes“.

MUSIK (Enthauptung)

Die brutale Szene ist in helles Licht getaucht. Rundherum ist es dunkel. Dunkelmänner und -frauen beobachten, wie der Henker dem am Boden liegenden Täufer den Kopf abschneidet. Und die schöne Salome steht schon bereit mit der Silberschale, auf der sie den abgeschlagenen Kopf präsentieren wird.

MUSIK hoch

Das Gemälde ist für die Kathedrale des Ordens in La Valletta bestimmt, wo es heute noch zu sehen ist. Eine Hommage an den Patron der Malteserritter, Johannes den Täufer. Caravaggio kann an der Enthüllung des Gemäldes nicht teilnehmen. Es hat schon wieder Ärger gegeben.

11. ZUSPIELUNG (John/OV): Wenn er mit dem Malen fertig war, begann er auf der Insel Probleme zu machen. Er stritt mit älteren Rittern. In einem Militär-Orden ist ein Unteroffizier, der mit Vorgesetzten streitet, nicht gut angesehen, auch wenn er gut malen kann. So kam er natürlich ins Gefängnis, und wo? In Fort Sant Angelo.

Fra John ist der Hüter dieses Forts und seiner Geschichten. „Ein bisschen einsam ist es hier oben“, sagt er und will sich darüber gar nicht beklagen. Schließlich gebe es keinen ruhigeren Flecken auf dieser Insel. Der Malteserorden ist eine Ständegesellschaft. Den ersten Stand bilden 8

Professritter wie Fra John. Brüder, die die ewigen Gelübde abgelegt haben und wie Mönche leben, nur nicht in Klostergemeinschaften. In den zweiten Stand werden Männer und Frauen aufgenommen, die zwar Gehorsam versprechen, aber nicht mit Haut und Haaren ihr Leben in den Dienst des Ordens stellen. Die Ordensfrauen nennt man „Damen“. Und im dritten Stand finden sich die Damen und Ritter wieder, die keine Gelübde ablegen, aber selbstverständlich nach den Geboten der Kirche und den Regeln des Ordens leben. Innerhalb der einzelnen Stände gibt es noch zig Abstufungen und Titel. Dazu Uniformen und Abzeichen, die den Rang des Mitglieds anzeigen.

12. ZUSPIELUNG (Testaferrata)

„Im Malteserorden gibt es mehr Ränge als in der britischen Armee“, scherzt Daniel de Petri, seines Zeichens Marchesino von Testaferrata und Kanzler des Malteserordens auf Malta. Ein Mann mit einem derart klangvollen Titel muss immer wieder zwei Fragen beantworten: Erstens, nehmen die Malteser nur Adlige? Zweitens, wie wird man Malteser?

13. ZUSPIELUNG (Testaferrata/OV): Der Orden nahm früher fast ausschließlich Adlige auf. Wir haben uns Gott sei Dank davon entfernt. Wir sind nicht mehr nur exklusiv adlig, wenn auch natürlich der Adel im Leben und in der Geschichte des Ordens eine gewisse Rolle spielt. Aber schon seit vielen Jahren werden Mitglieder aufgenommen, die keinen Adelstitel haben. Man wird gefragt, ob man eintreten will. Die Mitgliedschaft erfolgt auf Einladung. Und das funktioniert folgendermaßen: Einmal im Jahr fordert der Orden alle Mitglieder auf, Personen für eine Mitgliedschaft vorzuschlagen. Wir informieren dann die potentiellen Kandidaten und die können die Einladung in den Orden annehmen oder ablehnen.

Militärische Vorkenntnisse werden heute nicht mehr vorausgesetzt. Nach ihrer Vertreibung von der Insel Malta durch Napoleon haben die Malteser Ritter 9

buchstäblich die Waffen abgelegt. Heute ist man wieder mehr denn je am Ursprungsideal orientiert. Den Kranken helfen. Auch Daniel de Petri ist über eine Krankenwallfahrt nach Lourdes zum Orden gekommen. Im kleinen Maltesermuseum in Valletta zeigt er stolz das Gruppenfoto von damals. 1992. Unübersehbar ein sehr junger Mann in blauer Uniform, der alle anderen um Haupteslänge überragt.

14. ZUSPIELUNG (Testaferrata/OV): Das ist die Uniform, die wir bei unserem Dienst tragen. Zum Beispiel in Lourdes. Eine militärisch anmutende Jacke mit Gürtel und den verschiedenen Abzeichen und natürlich ein Barett.

Vor den Helferinnen und Helfern in Uniformen sitzen die alten, die kranken, teils schwerstbehinderten Menschen, die die Malteser nach Lourdes begleiten. Fast alle in Rollstühlen. Wenn Daniel de Petri über sie spricht, sagt er immer: „our lords, the sick“, unsere Herren, die Kranken.

15. ZUSPIELUNG (Testaferrata/OV): Wir sagen „unsere Herren“, weil wir im Gegensatz zu anderen Hilfsorganisationen, die sich ebenfalls best möglich um Kranke kümmern, als katholische Organisation im Antlitz der Kranken, das Antlitz unseres Herrn sehen.

„Unsere Herren, die Kranken“. Das klingt ein bisschen aufgesetzt, ein bisschen umständlich. Aber vielleicht ist diese verbale Demutsgeste nötig in einem Orden, in dem sich ansonsten viel um Uniformen, Ränge und Abzeichen dreht.

16. ZUSPIELUNG (Testaferrata/OV): Wenn wir nicht da sind, wenn unsere Herren, die Kranken uns brauchen, dann hat es keinen großen Wert Mitglied einer Organisation zu sein, die einen lustigen Mantel trägt und sich lustige Dinge an die Brust heftet. Das sind wir nicht. Natürlich, die Zeremonien spielen eine Rolle, die Geschichte spielt eine Rolle. Aber im 10

Wesentlichen geht es darum, denen, die es nötig haben, Beistand zu leisten.

MUSIK

Da hat sich viel geändert in der 900 Jährigen Geschichte dieses Ordens. Aus Rittern werden Retter. Zum Beispiel in Deutschland, wo der Malteser Hilfsdienst im Rettungswesen aktiv ist. Vielleicht ist auch dies das (wenn auch ungewollte) Verdienst des einzigen deutschen Großmeisters Ferdinand Hompesch, der in der Geschichte des Ordens nicht den allerbesten Leumund hat, weil er ja 1798 die Insel Malta kampflos Napoleon Bonaparte überließ. Aber dadurch zwang er die Ritter, sich eine neue Bleibe und vor allem eine neue Aufgabe zu suchen.

MUSIK hoch

Nach etlichen Irrfahrten, die bis nach Sankt Petersburg führten und in der Ordenschronik unter der Überschrift „schwierige Jahre“ zusammengefasst werden, landeten die Malteser 1834 schließlich in Rom. Dort hatten sie ja die Villa am Aventinshügel, dazu noch einen Palazzo in der Stadt, in der Via Condotti.

ATMO (Condotti)

Hier befindet sich bis heute die Ordenszentrale zwischen Gucci, Armani und Bulgari Filialen. Die Malteser können nichts für diese Luxus Nachbarn und bleiben ihrem Ideal treu. In Roms nobelstem Viertel betreiben sie auch eine Ambulanz für diejenigen, die sich keinen Arztbesuch leisten können und schon gar keinen Einkauf in einer der Boutiquen in der Nachbarschaft. Was noch auffällt bei einem Besuch in der Via Condotti: Im Innenhof des „Palazzo Magistrale“ stehen Autos mit dem seltsamen Kennzeichen: SMOM. S-M-O-M.

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Freiherr Albrecht von Boeselager, mit dem wir uns hier verabredet haben, löst das Rätsel: Die Abkürzung steht für: „Sovrano militare ordine di Malta“. Souveräner Ritterorden von Malta.

17. ZUSPIELUNG (Boeselager): Wir sagen nicht, dass wir ein souveräner Staat sind, sondern wir sind ein atypisches Völkerrechtssubjekt, allerdings eines der ältesten, das es gibt.

Als Herr über Rhodos und Malta wurde der Ritterorden wie ein souveräner Staat behandelt. Der Verlust des Territoriums änderte nichts an dieser Souveränität. So kommt es, dass der Malteserorden heute ein „atypisches Völkerrechtssubjekt“ ist, man könnte auch sagen: eines der merkwürdigsten Gebilde der internationalen Staatengemeinschaft.

18. ZUSPIELUNG (Boeselager): Diese Souveränität ist von den meisten Nationen nach dem Verlust von Malta weiterhin anerkannt worden und sie beruht im Wesentlichen auf der unabhängigen und wirklich vollkommen neutralen Wahrnehmung humanitärer Aufgaben, die darauf angewiesen ist eine Basis im Völkerrecht zu haben; und der Unterschied zum Roten Kreuz ist: Das Rote Kreuz basiert auf Konventionen zwischen den Völkern, während es beim Malteserorden historisch gewachsen ist.

Zur Souveränität gehört eben auch ein eigenes Autokennzeichen. SMOM! Die Malteserritter unterhalten darüber hinaus diplomatische Beziehungen zu 104 Staaten. (Die Bundesrepublik Deutschland zählt nicht dazu.) Befreundete Staatspräsidenten und königliche Hoheiten werden in der Malteser Villa auf dem Aventin mit allen Ehren empfangen. Der Orden zelebriert seine Souveränität. Doch dass die Ritter ohne Land auch eigene Münzen und Briefmarken herausgeben, hat mehr mit Folklore und Fundraising zu tun, gibt Albrecht von Boeselager zu.

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19. ZUSPIELUNG (Boeselager): Das ist eine Einkommensquelle für uns. Die Briefmarken werden gerne gesammelt und da wir die Möglichkeit haben als Souverän Briefmarken herauszugeben, tun wir das und finanzieren damit zum Beispiel einen großen Teil der Klinik hier im Gebäude, wo umsonst sehr viele Migranten behandelt werden.

Albrecht von Boeselager, der Freiherr aus dem Rheinland, ist „Großhospitalier“ des Ordens. So eine Art Gesundheits- und Sozialminister. Er koordiniert die Hilfswerke der Malteser weltweit. Denn zum Orden gehören nicht nur 13.500 Damen und Ritter. Das „Heer“ der Malteser stellen etwa 125.000 Haupt- und Ehrenamtliche, die als Sanitäter und Ärzte, als Pfleger und Notfallhelfer weltweit im Einsatz sind. Vor allem bei der Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten profitiert der Orden von seinem souveränen Status.

20. ZUSPIELUNG (Boeselager): Wir haben durch unsere Botschafter Kontakte zu den Regierungen, können mit denen direkt verhandeln. Wir haben für unser Personal, das im Einsatz ist, häufig speziellen Schutz dadurch, dass von den Staaten ein gewisser diplomatischer Status oder Immunität anerkannt wird. Und vielleicht noch wichtiger ist, dass wir von den verschiedenen Konfliktparteien als vollkommen unabhängig von anderen Staaten, als wirtschaftlich nicht abhängige Organisation wahrgenommen werden.

Der Malteserorden ist eine katholische Organisation. Doch trotz der räumlichen Nähe sind die Ritter nicht dem Vatikan unterstellt. Zum Heiligen Stuhl unterhalten die Malteser diplomatische Beziehungen - wie zu anderen Staaten auch. Dass der Orden „gut katholisch“ ist, steht ohnehin außer Frage. Seine Mitglieder verpflichten sich sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben zu „vorbildhaft christlichem Verhalten“.

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21. ZUSPIELUNG (Lagleder): Ich bin 1969 in Deutschland in den Malteserhilfsdienst eingetreten, als ganz normaler Helfer und habe mich dann dort hochgearbeitet.

1969 war Gerhard Lagleder 14 Jahre alt. Ein Leben im Dienst des Malteserordens.

MUSIK (Afrika)

Heute ist der Benediktinermönch und Priester „Ehrenkonventualkaplan“ der Malteser und einziges Mitglied seines Ordens in Südafrika. Dort kämpft er gegen die große Geißel dieses Kontinents, dieses Landes: AIDS. Sechs Millionen Südafrikaner sollen mit dem HI Virus infiziert sein. AIDS Kranke werden von ihren Familien verstoßen und allein gelassen. Im Hospiz des Malteserordens können sie zumindest in Würde sterben.

22. ZUSPIELUNG (Lagleder): Wir haben das größte stationäre Hospiz Südafrikas ist und wir machen von diesem Hospiz aus Aids-Behandlung. Das heißt also nicht nur die Palliative Pflege, wo Sterbende in den Tod begleitet werden, um menschenwürdig und ohne Schmerzen und in liebender Begleitung sterben zu können. Sondern wir haben ein Aids- Behandlungs-Programm, in dem mit antiretroviralen Medikamenten die Aidspatienten behandelt werden und das heißt auf gut Deutsch, dass der Patient noch bis zu 30 oder vielleicht sogar 35 Jahre bei guter Gesundheit weiterleben kann.

Es ist ein anstrengender Kampf, dem sich der Ritter Gerhard Lagleder verschrieben hat. Regelmäßig reist er nach Europa, um Spenden für sein Projekt zu sammeln. In Südafrika, in der Provinz KwaZulu-Natal kämpft er vor allem gegen Vorurteile, zum Beispiel: `Wer den Virus hat, ist verhext.´

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23. ZUSPIELUNG (Lagleder): Ein anderes fürchterliches Ammenmärchen ist, dass man den Virus los bekommen kann, wenn man Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau hat. Jetzt beginnen aber die Zulu in der Regel mit etwa zwölf Jahren sexuell aktiv zu sein, das heißt: sie finden keine Jungfrau mehr über zwölf. Jetzt werden immer jüngere Mädchen vergewaltigt von HIV-positiven Männern, die ihr Virus dadurch losbekommen wollten.

MUSIK

Vor 900 Jahren erhielt ein gewisser Bruder Gerhard in Jerusalem Post vom Papst. In dem Schreiben wurde der Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes offiziell anerkannt. Das Schwert haben die Ritter schon lange abgelegt. „Unser Feind ist die Hilflosigkeit“, sagt Gerhard Lagleder und „gegen diesen Feind kämpfen wir mit den Waffen der modernen Medizin“.

24. ZUSPIELUNG (Lagleder): Als wir unsere Gemeinschaft gegründet haben, war natürlich dieser Selige Gerhard (der ja auch der Namenspatron meines Ordensnamens ist) natürlich sehr im Zentrum. Wir wollen einfach das Charisma, das dieser Selige Gerhard vor 900 Jahren in Jerusalem hatte, in die heutige Zeit übersetzen und in einen anderen Kontinent übersetzen. Und genau das tun wir in Südafrika.

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