Plenarprotokoll 15/38

Deutscher

Stenografischer Bericht

38. Sitzung

Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 14: b) Antrag der Abgeordneten , Andreas Storm, weiterer Ab- Erste Beratung des von den Fraktionen der geordneter und der Fraktion der CDU/ SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE CSU: Aufhebung der gesundheits- GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines politischen Maßnahmen im Bei- Gesetzes zur Neustrukturierung der För- tragssatzsicherungsgesetz derbanken des Bundes (Förderbanken- (Drucksache 15/652 (neu)) ...... 3149 B neustrukturierungsgesetz) (Drucksache 15/743) ...... 3137 A Andreas Storm CDU/CSU ...... 3149 C , Bundesminister BMF ...... 3137 B Marion Caspers-Merk, Parl. Staats- sekretärin BMGS ...... 3151 C CDU/CSU ...... 3138 B Detlef Parr FDP ...... 3153 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 3140 A DIE GRÜNEN ...... 3154 D Dr. FDP ...... 3141 C Wolfgang Zöller CDU/CSU ...... 3156 B Stephan Hilsberg SPD ...... 3142 D Dr. Marlies Volkmer SPD ...... 3158 A Ernst Hinsken CDU/CSU ...... 3144 A Annette Widmann-Mauz CDU/CSU ...... 3160 A Dagmar Wöhrl CDU/CSU ...... 3144 D Dr. Marlies Volkmer SPD ...... 3160 C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD ...... 3147 B Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos ...... 3161 A Dr. CDU/CSU ...... 3161 D Erika Lotz (SPD)...... 3163 C Tagesordnungspunkt 15: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Horst Seehofer, Andreas Storm, Tagesordnungspunkt 16: weiteren Abgeordneten und der Frak- Zweite und dritte Beratung des vom Bun- tion der CDU/CSU sowie den Abge- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- ordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef setzes zur Änderung des Jugendschutz- Parr und der Fraktion der FDP einge- gesetzes (JuSchGÄndG) brachten Entwurfs eines Ersten Ge- (Drucksachen 15/88, 15/738) ...... 3165 A setzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in (SPD) ...... 3165 B der gesetzlichen Krankenversiche- CDU/CSU ...... 3167 B rung und in der gesetzlichen Ren- tenversicherung Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/ (Drucksache 15/542) ...... 3149 B DIE GRÜNEN ...... 3169 A II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Klaus Haupt FDP ...... 3170 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Jürgen Wieczorek (Böhlen) SPD ...... 3171 A Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, , weiterer Thomas Dörflinger CDU/CSU ...... 3173 A Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Lärmschutz durch Rechtsverordnung über süddeutschem Raum sichern – Zusatztagesordnungspunkt 7: Flugsicherheit gewährleisten Antrag der Abgeordneten Thomas (Drucksache 15/755) ...... 3175 A Dörflinger, Siegfried Kauder (Bad Dürr- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin heim), weiterer Abgeordneter und der BMVBW...... 3175 B Fraktion der CDU/CSU: Rechtsverord- nung nach der Luftverkehrsordnung Thomas Dörflinger CDU/CSU ...... 3176 B umgehend erlassen – Rückübertragung Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ der Flugsicherung über süddeutschem DIE GRÜNEN ...... 3177 C Gebiet (Drucksache 15/651) ...... 3174 D Ernst Burgbacher FDP ...... 3178 C in Verbindung mit Karin Rehbock-Zureich SPD ...... 3179 C Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU ...... 3181 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Karin Rehbock-Zureich SPD ...... 3181 D Antrag der Abgeordneten Karin Rehbock- Zureich, Reinhard Weis (Stendal), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der Nächste Sitzung ...... 3182 D SPD sowie der Abgeordnten Winfried Hermann, , weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- Anlage 1 NISSES 90/DIE GRÜNEN: Entlastung Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 3183 A des süddeutschen Raumes vom Fluglärm des Flughafens Zürich durchsetzen (Drucksache 15/744) ...... 3174 D Anlage 2 in Verbindung mit Amtliche Mitteilungen ...... 3183 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3137

(A) (C) Redetext

38. Sitzung

Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident : zur Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Bereich Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die der Förderbanken des Bundes. Sitzung ist eröffnet. Die Verschmelzung der DtA mit der KfW macht es Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: möglich, unser Förderangebot für den Mittelstand effi- zienter zu gestalten. Sie erlaubt eine Straffung und Neu- Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD gestaltung der Programme. Lassen Sie mich die Eck- und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- punkte dieses Teils des Gesetzentwurfs zunächst kurz brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neustruk- darstellen: turierung der Förderbanken des Bundes (Förder- bankenneustrukturierungsgesetz) Die Anteile der DtA werden als Sacheinlage in die KfW eingebracht, das heißt ohne Zahlung eines Kaufprei- – Drucksache 15/743 – ses. Der Förderung werden demzufolge keine Mittel ent- Überweisungsvorschlag: zogen. Für den Finanzminister ist das mit Blick auf den (B) Finanzausschuss (f) (D) Innenausschuss Haushalt, wie Sie verstehen, eine bedauerliche Entschei- Rechtsausschuss dung. Ich habe sie dennoch bewusst getroffen, weil wir in Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit dem Punkt übereinstimmen, dass alles getan werden Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und muss, was dazu beiträgt, die Bedingungen des Mittelstan- Landwirtschaft des und insbesondere seine Kreditversorgung zu verbes- Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sern. Die Sacheinlage steht den bisherigen Anteilseignern Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der DtA zu. Das Verhältnis von 80 : 20 bei den Anteilen Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union von Bund und Ländern am Grundkapital der Kreditanstalt Haushaltsausschuss für Wiederaufbau bleibt unverändert. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die In der KfW entsteht eine Mittelstandsbank mit eige- Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen nem Marktauftritt und Logo, die alle mittelstandsrele- Widerspruch. Dann ist so beschlossen. vanten Förderaktivitäten bündelt. Ein Mittelstandsrat Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes- konkretisiert als Exekutivgremium den staatlichen För- minister der Finanzen, Hans Eichel, das Wort. derauftrag. Mit dieser Regelung kommen wir einer For- derung der EU-Kommission ebenso wie einer entspre- Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: chenden Anregung des Bundesrechnungshofes entgegen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Der Bundesminister für Finanzen und der Bundes- Herren! Das Thema Neuordnung der Förderbanken be- minister für Wirtschaft und Arbeit wechseln sich künftig schäftigt uns, wie Sie wissen, schon geraume Zeit. Ich jährlich im Vorsitz des Verwaltungsrates der Kreditan- bin sicher, dass der vorliegende Gesetzentwurf eine stalt für Wiederaufbau ab. Die Rechtsaufsicht über die gute Lösung zur weiteren Verbesserung der Förderung KfW übt wie bisher der Bundesminister für Finanzen im von Existenzgründungen und des Mittelstandes dar- Benehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und stellt. Arbeit aus. Der Verwaltungsrat der KfW soll um Mit- glieder des Bundestages erweitert werden, so wie es Mit dem Gesetz verfolgen wir zwei Zielsetzungen: bereits bei der DtA gewesen ist. Fünf Mitglieder des zum einen die Verwirklichung der im Koalitionsvertrag Bundesrates sind ja bereits im Verwaltungsrat der Kre- vereinbarten Zusammenführung der Kreditanstalt für ditanstalt für Wiederaufbau vertreten. Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank, zum anderen die Umsetzung der Entscheidung der Europäi- Bonn wird neuer Standort der Kreditanstalt für Wie- schen Kommission vom 27. März vergangenen Jahres deraufbau. Die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der 3138 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Bundesminister Hans Eichel (A) DtA gehen auf die KfW über. Es gibt keine betriebs- Die erste Vorbemerkung: Beide Kreditinstitute, die (C) bedingten Kündigungen. heute zur Diskussion stehen, haben in ihrer jeweils über 50-jährigen Geschichte hervorragende Arbeit für die Nun zum zweiten Anliegen des Gesetzes, der Umset- Wirtschaftsförderung in Deutschland geleistet. zung der so genannten Monti-II-Vereinbarung. Sie ent- hält zwei wesentliche Komponenten: zum einen eine (Beifall im ganzen Hause) klare Aufgabenabgrenzung der Kreditanstalt für Wieder- Andere Staaten beneiden uns um unser Förderinstrumen- aufbau und der Landwirtschaftlichen Rentenbank für tarium auf Bundesebene. Deshalb sollte man den Mit- den Förderbereich und zum anderen eine Verlagerung arbeitern und den Geschäftsführungen beider Banken von Tätigkeiten aus der KfW, die den Förderkriterien gerade heute ein herzliches Dankeschön aussprechen. nicht genügen, in eine selbstständige Wettbewerbstoch- ter. Diese muss spätestens im Jahr 2008 ihr Geschäft auf- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der nehmen. Die KfW wird dann für Teile der Export- und FDP) Projektfinanzierung auf Anstaltslast und Refinanzie- Die zweite Vorbemerkung: Ein wichtiges Instrument rungsgarantie seitens des Bundes verzichten müssen. Die der Wirtschaftsförderung ist nach wie vor das ERP- staatlichen Garantien beschränken sich dann nur noch Sondervermögen, für das wir bekanntlich sogar einen auf den Förderbereich. Die Wettbewerbstochter wird besonderen Unterausschuss haben. Ich glaube, gerade bei steuerpflichtig und dem Kreditwesengesetz unterworfen der heutigen allgemeinen politischen Diskussion ist es sein. gut, einmal darauf hinzuweisen, wie dieses ERP-Vermö- Meine Damen und Herren, durch die Verschmelzung gen entstanden ist. Die Vereinigten Staaten haben der der DtA mit der KfW wird das Förderangebot des Bun- Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland nach dem des effizienter und transparenter. Wir haben in diesem Zweiten Weltkrieg erhebliche Mittel zur Verfügung ge- Bereich noch viel zu viele Förderprogramme; das Ganze stellt, um den Wiederaufbau zu ermöglichen. Das viel zi- ist sehr unübersichtlich. Das kann jetzt geändert werden. tierte Wirtschaftswunder hat hier eine entscheidende Ur- Es wird ein umfassendes und bedarfsgerechtes Produkt- sache. Die Amerikaner haben dann auf die Tilgung der und Leistungsspektrum für Existenzgründer und den Darlehen, die sie damals gewährt haben, verzichtet. Das Mittelstand angeboten werden. Ich denke, es liegt im ge- Geld durfte hier bleiben und daraus ist das ERP-Vermö- meinsamen Interesse – bei der Diskussion über diese gen entstanden. Es umfasst heute rund 12 Milliarden Frage gibt es einmal keinen Streit zwischen den Fraktio- Euro und ist damit nach wie vor – ich betone es noch ein- nen dieses Hauses –, dass wir diese Regelung so schnell mal – ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung. wie möglich einführen. Sie soll rückwirkend zum (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten. Beide Banken ar- (B) [CDU/CSU]: Es ist richtig, (D) beiten bereits intensiv an der Programmzusammenfüh- dass man das einmal erfährt!) rung und -bereinigung, um dem Mittelstand nach Ab- schluss des Gesetzgebungsverfahrens zügig neue Ich komme jetzt zu dem geplanten Zusammen- Programmstrukturen anbieten zu können. schluss der beiden Institute. Ich sage sehr deutlich: Zwei konkurrierende Institute haben, auch im öffentlichen Be- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten reich, nicht nur Nachteile. Das Nebeneinander hat auch des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dazu geführt, dass sich beide Institute sehr bemüht ha- Das Gesetz müsste bis zur Sommerpause im Bundes- ben, gut zu sein. gesetzblatt veröffentlicht sein, damit es rückwirkend (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das war zum 1. Januar in Kraft treten kann. Ich bitte Sie, die in- wohl so!) haltlichen und zeitlichen Ambitionen dieses Gesetzes- vorhabens zu unterstützen. Dennoch glaube ich – da stimme ich dem Minister und dem vorliegenden Gesetzentwurf zu –, dass mehr Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Gründe dafür sprechen, die Institute zusammenzuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die Synergieeffekte kann man eigentlich nur nutzen, DIE GRÜNEN) wenn man die beiden Institute zu einem Haus vereinigt. Die Konzentration der Programme ist nämlich nur unter einem Dach möglich. Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile Kollegen Otto Bernhardt, CDU/CSU-Frak- Wir haben über diese Fragen in der letzten Legislatur- tion, das Wort. periode schon einmal diskutiert. Da habe ich von dieser Stelle aus deutlich erklärt: So nicht, Herr Minister. – Da- mals haben Sie folgende Lösung vorgeschlagen – diese Otto Bernhardt (CDU/CSU): wäre für Sie die bessere gewesen; als Finanzminister Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittel- hätte ich mich auch für diese Lösung eingesetzt –: Die punkt des vorliegenden Gesetzentwurfes steht der Zu- KfW sollte die Deutsche Ausgleichsbank kaufen. In der sammenschluss der Kreditanstalt für Wiederaufbau und Diskussion war ein Preis von 2,7 Milliarden DM. Davon der Deutschen Ausgleichsbank. Bevor ich auf dieses sollten Sie als Hauptanteilseigner 1,5 Milliarden DM Thema im Einzelnen eingehe und die Positionen der bekommen. Dieses Geld hätten Sie gut gebrauchen CDU/CSU-Fraktion vortrage, gestatten Sie mir zwei können. Aber wir waren dagegen, weil dieses Geld der Vorbemerkungen. Wirtschaftsförderung entzogen worden wäre. Der heute Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3139

Otto Bernhardt (A) vorgeschlagene Weg ist aus unserer Sicht der richtige uns überlegen, wie wir dieses Instrumentarium auch für (C) Weg. Es gibt keinen Kauf, sondern eine Fusion. In die- die Kreditinstitute, denen es nicht mehr so gut geht wie sem Punkt stimmen wir überein. vor zehn Jahren, attraktiver machen können. Wir sind schon auf dem Wege dorthin. Es gibt aber vier Punkte, bei denen wir noch Diskus- sionsbedarf sehen. Der erste Punkt ist die Bezeichnung Der dritte Punkt, über den man meines Erachtens „Mittelstandsbank“. Ich gestehe zu, dass dieser Name noch einmal nachdenken muss, ist die Zusammenset- sehr plakativ ist. Aber er könnte und wird vielleicht ei- zung des Mittelstandsrates. Auch das ist ein interessan- nen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen. ter Begriff. Wenn es in diesem Mittelstandsrat darum ge- hen soll, mit Fachleuten über die Mittelstandspolitik zu (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Es ist nicht diskutieren, dann erscheint mir die vorgesehene Zusam- drin, was draufsteht! – Hans Michelbach [CDU/ mensetzung ein bisschen problematisch. Letztlich haben CSU]: Etikettenschwindel!) die Regierungsvertreter dort die Mehrheit. Letztlich ist die Mittelstandsbank keine Bank. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ein Gremium (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Irrefüh- von Beamten!) rende Werbung!) Wir können zwar noch nicht genau übersehen, wen Sie Sie ist vielmehr eine Abteilung der KfW, und zwar die alles vorschlagen werden. Ich glaube aber, dass es wich- Abteilung, in der alle öffentlichen Förderungen für den tig ist – vielleicht kann nachher ein Mitglied der Regie- Mittelstand zusammengefasst werden sollen. Wir wollen rungsfraktionen etwas dazu sagen –, dass in diesem Mit- einmal abwarten, wie sich die Verbände der Kreditinsti- telstandsrat die Kreditinstitute vertreten sind. tute zu diesem Namen stellen. Für mich und für alle Aber was vielleicht noch wichtiger ist: Wenn man Fachleute steht fest: Die eigentlichen Mittelstandsban- über Mittelstandspolitik in einem Gremium einer Bank ken in Deutschland sind nun einmal die Sparkassen und diskutiert, dann muss man sich den Sachverstand aus Genossenschaftsbanken. Das weiß jeder, der vor Ort tä- wichtigen Bereichen des Mittelstandes – ich denke bei- tig ist. spielsweise an das Handwerk – hereinholen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Sigrid (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Skarpelis-Sperk [SPD]: Jetzt klatscht auch der neten der FDP) Schauerte! Jetzt ist endlich das Stichwort „Ge- nossenschaftsbank“ gefallen!) Sie haben dazu nichts gesagt. Es hat überhaupt keinen Sinn, ein Gremium zu schaffen, in dem die Regierungs- Warten wir einmal das Anhörungsverfahren ab. (B) vertreter die Mehrheit haben, und dann zu glauben, es (D) Nun zum zweiten Punkt, der für uns sehr wichtig ist. laufe alles in geordneten Bahnen. Das ist keine Lösung. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, Herr Minister, dass es Der letzte Punkt, bei dem wir noch einen Diskussionsbe- grundsätzlich beim Hausbankenprinzip bleibt. Als darf sehen, ist der Verwaltungsrat der erweiterten KfW. Nichtjurist mache ich mir immer Sorgen, wenn der Be- Bisher sind in den Gremien der KfW keine Abgeordne- griff „grundsätzlich“ fällt; jeder Jurist weiß, dass das ein ten. Bei der Deutschen Ausgleichsbank sind in den ent- Einfalltstor ist. In dem Gesetzentwurf heißt es, dass mit scheidenden Gremien sechs Abgeordnete. Die KfW hat Zustimmung des Verwaltungsrates von diesem Grund- oft mit Neid darauf geschaut, dass diese Abgeordneten satz abgewichen werden kann. Nun stellt die EU sicher, einiges bewirken konnten. dass man das aufgrund der Wettbewerbsproblematik nicht im großen Umfang machen kann. Aber einige ver- Deshalb ist jetzt vorgesehen, in den Verwaltungsrat suchen, das Hausbankenprinzip aufzuweichen, weil die der KfW drei Abgeordnete aufzunehmen. Nur, wir soll- Mittel von KfW und Deutscher Ausgleichsbank in den ten überlegen, ob die Zahl drei wirklich die richtige Grö- letzten Jahren deutlich weniger in Anspruch genommen ßenordnung ist. Wir sollten diese Frage auch einmal un- sind. Allein bei den Existenzgründungen ist die Inan- ter dem Gesichtspunkt der Beteiligung aller betrachten spruchnahme in zwei Jahren um knapp 40 Prozent zu- und über die genaue Größe vielleicht noch einmal disku- rückgegangen. Wir bedauern das gemeinsam. tieren. Die Ursachen liegen allerdings nicht darin, dass die Lassen Sie mich abschließend für meine Fraktion Fol- Geschäftsbanken nicht vernünftig handeln würden. Für gendes bemerken: Der vorgesehene Weg, die beiden In- den Rückgang der Förderung gibt es unterschiedliche stitute zu fusionieren, ist aus unserer Sicht richtig. Das Gründe. Natürlich leben wir nicht in einer Zeit, in der es hohe Anspruchsniveau, das mit dem Gedanken der Mit- sehr verlockend ist, sich selbstständig zu machen. Natür- telstandsbank verbunden wird, scheint uns über diesen lich leben wir auch nicht in einer Zeit, in der die Firmen Weg nicht erfüllbar zu sein. Wir werden unseren Beitrag viele Investitionen tätigen und entsprechend viele KfW- dazu leisten, dass der vorliegende Gesetzentwurf zügig Mittel benötigen. Wir haben außerdem ein so niedriges verabschiedet wird, natürlich nach einem ordentlichen Zinsniveau, dass es sich oft gar nicht lohnt, diese Mittel Anhörungsverfahren und nach ordentlichen Beratungen. einzusetzen. Ich habe einmal in die früheren Protokolle des Bun- Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, über den wir destages geschaut: Wichtige Entscheidungen über die nachdenken müssen. Für die Kreditinstitute rechnet sich Gestaltung der öffentlichen Förderinstitute wurden oft die Inanspruchnahme dieser Mittel nicht. Wir müssen hier im Hause fast immer mit einer großen Mehrheit 3140 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Otto Bernhardt (A) getroffen. Ich glaube, das ist gut so für den wichtigen dass der Konsultationsprozess zu Basel II ein gutes, weil (C) Bereich der Wirtschaftsförderung. Die Signale stehen erfolgreiches Beispiel für diese Bemühungen ist. Wir ha- bei uns auf Zustimmung. Dennoch haben wir weiteren ben uns gemeinsam und parteiübergreifend – auch hier Diskussionsbedarf. im Bundestag – dafür stark gemacht, dass bei den neuen Eigenkapitalregelungen die besonderen Bedingungen im Danke schön. Mittelstand ausreichend berücksichtigt werden. Gerade (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- im Zusammenhang mit Basel II ist ein umfangreiches neten der SPD und der FDP) Mittelstandspaket vereinbart worden, das Retailport- folios, Risikoabschläge für mittelständische Unterneh- Präsident Wolfgang Thierse: men und die Verbilligung von Langlaufkrediten für kleine und mittlere Unternehmen umfasst. Ich erteile Kollegin Christine Scheel, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort. Damit ist gesichert, dass der Mittelstand nicht be- nachteiligt ist. Natürlich werden sich die Finanzierungs- Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kosten trotzdem zukünftig mehr am jeweiligen Risiko des Kreditnehmers bzw. der Kreditnehmerin messen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aber das ist gewollt und kann letztendlich durchaus zu Herr Bernhardt, es ist wirklich sehr zu begrüßen, dass einer Verbilligung von Krediten – auch das muss man se- sich die Union unserem Ansinnen anschließt. Es ist hen – führen. selbstverständlich, dass wir darüber in geordneten parla- mentarischen Verfahren, wie wir das immer tun, Ein weiterer Punkt ist, dass wir die innovativen Mög- ( [CDU/CSU]: Na, na! – Hans lichkeiten, die der Wandel an den Finanzmärkten mit Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ganz neu!) sich bringt, auch dem Mittelstand erschließen. Zum Beispiel werden im Rahmen des Gesetzes die Möglich- diskutieren werden. Natürlich ist auch sichergestellt, keiten der Banken erweitert, Kredite an kleine Unter- dass wir in diesem Zusammenhang eine Sachverständi- nehmen durch Verbriefung zu refinanzieren. Es geht genanhörung durchführen werden und man sich über den letztendlich darum, dass ganze Kreditportfolios von Un- einen oder anderen Punkt, den Sie angesprochen haben, ternehmen, die allein zu klein dazu wären, an den Kapi- verständigen wird. talmarkt gebracht werden können. Wir gehen davon aus, (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Huldvoll, dass die Banken ihren damit vergrößerten Kreditverga- huldvoll! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie bespielraum nutzen, um den mittelständischen Unter- gütig!) nehmen wieder mehr Kredite einzuräumen. Denn allen (B) Finanzinstituten muss klar sein, dass der Mittelstand der (D) Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer in die- Wachstumsmotor unserer Volkswirtschaft ist. sem Land ist es in den letzten Jahren zunehmend schwie- riger geworden, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Bei dieser Regierung ist das wohl wahr!) Nicht zuletzt stellen die sehr schwierigen Finanzie- rungsbedingungen höhere Anforderungen an die Förder- an Kredite zu kommen. Das hat verschiedene Ursachen; institutionen. Deswegen wollen wir den Zugang von wir haben schon oft darüber diskutiert. Ganz ursächlich kleinen und mittleren Unternehmen zu geeigneten dafür ist der Wandel der Finanzmärkte. Er stellt neue Finanzierungsquellen fördern. Ganz oben auf der Anforderungen an die Finanzierung der kleinen und mit- Agenda stehen zielgruppenspezifische Beratungsange- telständischen Unternehmen. bote, die ein sehr klares und übersichtliches Förderange- Hinzu kommt – das darf man nicht unterschätzen –, bot beinhalten. dass die Banken selbst mit strukturellen Problemen zu Deshalb bin ich sehr froh, dass wir jetzt die lang ge- kämpfen haben, die ihnen – teilweise selbst verschuldet, plante Fusion – oder wie man es auch immer nennen teilweise aufgrund der weltwirtschaftlichen Situation – soll – von Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, und (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Aufgrund Deutscher Ausgleichsbank, DtA, umsetzen. Nach außen der Regierung!) treten KfW und DtA – das bitte ich zu berücksichtigen, Herr Bernhardt – schon jetzt zusammen als Mittelstands- die Bilanzen verhageln. Nicht zuletzt besteht zumindest bank auf. Die Internetplattform, die Telefonberatung und im internationalen Vergleich im deutschen Mittelstand die Antragsformulare sind einheitlich. eine sehr niedrige Eigenkapitalausstattung. (Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP]) Auch die Globalisierung der Finanzmärkte darf nicht dazu führen, dass kleine und mittlere Unternehmen auf Es ist gut, dass das endlich beschleunigt vorangegangen der Strecke bleiben. Hier ist es die Aufgabe der Politik, ist. ihnen einen ausreichenden Zugang zu Krediten offen zu Mit dem Förderbankenneustrukturierungsgesetz wer- halten und Möglichkeiten zur Schaffung von Eigenkapi- den die beiden Häuser – der Minister hat darauf hinge- tal anzubieten. wiesen – formell verschmelzen. Die beiden Banken kön- Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinwei- nen ihr Wissen jetzt bündeln. Als neue Mittelstandsbank sen – denn es gehört in gewisser Weise zusammen –, des Bundes innerhalb der KfW-Gruppe können sie ihre Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. 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Christine Scheel (A) Ressourcen zu einem einheitlichen Förderangebot zu- sein, zu mehr Eigenkapital zu kommen. Laut einer Stu- (C) sammenführen. Das ist auch gut so. die der KfW entwickelt sich der Eigenkapitalmangel im deutschen Mittelstand zunehmend zu einem Innova- Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Das Förder- tions- und Wachstumshindernis. Deswegen müssen wir angebot des Bundes für den Mittelstand wird effizienter daran arbeiten, dass Instrumente geschaffen werden, da- und transparenter. Gründer und mittelständische Unter- mit sich die Situation im positiven Sinne entwickelt. nehmen haben es leichter, sich zu orientieren. Außerdem Über diese Vorschläge können wir froh sein. Ich denke, – auch das muss man sehen – wird die neue Mittel- wir müssen alles tun, um unseren deutschen Mittelstand standsbank kompetenter Ansprechpartner für alle Finan- zu stärken. zierungsfragen sein können. Hier kann sie nahtlos an das sehr umfassende Beratungs- und Betreuungswissen der Danke schön. Deutschen Ausgleichsbank anknüpfen. Sie kann das Spektrum dieser Beratungsleistungen von der Gründung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bis zum Generationenwechsel dementsprechend gut aus- und bei der SPD) füllen. Künftig gibt es eben nur noch einen Ansprechpartner Präsident Wolfgang Thierse: auf dieser Ebene der zwei Banken für die Mittelstands- Ich erteile das Wort Kollegen Hermann Otto Solms, förderung. Das ermöglicht auch – das darf man nicht un- FDP-Fraktion. terschätzen – ein einfacheres und kostengünstigeres An- tragsverfahren. Die Bearbeitungskosten der Banken Dr. Hermann Otto Solms (FDP): sinken, sodass sie in Zukunft mehr Interesse an der Durchleitung von Förderkrediten haben. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Konzentration der Fördermaßnahmen des Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit dies Bundes unter einem Dach und eine Entzerrung der ein- keine leeren Versprechungen bleiben, durchforsten der- zelnen Programme sind seit langem überfällig. Die Dis- zeit Arbeitsgruppen innerhalb dieser Banken die För- kussion darüber führen wir mittlerweile über zehn Jahre derprogramme beider Institutionen und strukturieren hinweg. sie neu. Überschneidungen sollen damit beseitigt, Pro- zesse gestrafft werden. Die Kreditprogramme werden Der vorgeschlagene Weg ist aber nicht der einzig übersichtlicher. Die Vielzahl der Fördermöglichkeiten in mögliche. Deutschland ist heute selbst für die Hausbanken oftmals unüberschaubar. Die Informationen kommen nicht an, (Beifall bei der FDP) (B) die Leute sind in der Beratung überfordert. All dies soll Herr Bundesfinanzminister, Sie wissen, dass die FDP (D) besser werden, sowohl für die vermittelnden Banken als schon in der alten Koalition den Weg bevorzugt hat, die auch für die Kreditnehmer. Mittelstandsförderung unter dem Dach der Deutschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausgleichsbank zu konzentrieren und die anderen Maß- und bei der SPD) nahmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu belas- sen. Dies hätte eine klare Aufgabentrennung bedeutet. Es wird in der neuen KfW einen Mittelstandsrat ge- Dadurch hätte man das gewachsene Vertrauen, das die ben. Dieser wird künftig über Vorschläge des Vorstandes Deutsche Ausgleichsbank im Mittelstand auch durch zur Förderung des Mittelstandes beraten und auch be- ihre Tätigkeit vor Ort gewonnen hat, bei der weiteren schließen. Herr Bernhardt hat auf die Zusammensetzung Förderung des klein strukturierten Mittelstands nutzen hingewiesen. Darüber können wir natürlich diskutieren. können. Sie haben nun einen anderen Weg gewählt, der Für uns Grüne war es zum Beispiel wichtig, dass es in durchaus gangbar ist; das will ich ohne weiteres bestäti- dem Mittelstandsrat einen Vertreter der Umweltseite gen. Wir als FDP-Fraktion werden am Ende der Beratun- gibt, sodass sichergestellt wird, dass bei dessen Ent- gen entscheiden, ob wir dem zustimmen oder nicht. scheidungen auch die nationale Nachhaltigkeitsstrategie ausreichende Berücksichtigung findet. Wir setzen uns (Beifall bei der FDP) dafür ein, dass sich die neue KfW verpflichtet, bei ihrer Verbunden mit diesem Weg ist die Entscheidung – das gesamten Geschäftstätigkeit die nationale Nachhaltig- ist bei Ihnen zu lesen –, unter dem Dach der KfW eine keitsstrategie zu berücksichtigen. Abteilung einzurichten, die als Mittelstandsbank be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeichnet wird. Ich habe dabei ein wenig Bedenken; denn sowie bei Abgeordneten der SPD) das führt, wie der Kollege Bernhardt schon gesagt hat, zu einem Ablenken von den eigentlichen Fragestellun- Ich komme zum Schluss. Neben der Einrichtung der gen und Aufgaben der Mittelstandsbanken, die in erster neuen Mittelstandsbank wollen wir, sozusagen flankie- Linie im Bereich der Sparkassen- und Volksbankenorga- rend, das Förderinstrumentarium des Bundes stärken. nisationen beheimatet sind. Die Förderbank des Bundes Neben dem Angebot innovativer Instrumente wie Glo- ist keine Mittelstandsbank im Sinne einer Hausbank; sie baldarlehen und Verbriefungen müssen die etablierten unterstützt vielmehr die Tätigkeit der Hausbanken. Das Instrumente wie zinsverbilligte Programmkredite und muss deutlich werden. Eigenkapitalfinanzierungen weiterentwickelt werden. Die wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der mittel- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ständischen Unternehmen wird in erster Linie nämlich der CDU/CSU) 3142 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Dr. Hermann Otto Solms (A) Beim Erfinden von Etiketten und Bezeichnungen hat (Beifall bei der FDP – Silke Stokar von (C) die Bundesregierung schon die Qualität einer Werbe- Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: agentur angenommen. Schlussfolgerung: dass die Banken die Politik machen sollen!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/ Deswegen sollten wir im Finanzausschuss – ich weiß CSU]: Propagandistisch waren die doch schon gar nicht, wo die Frau Vorsitzende des Finanzausschus- immer! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ses jetzt hingegangen ist – darüber beraten, ob das eine ist die einzige Stärke, die sie haben! Etiketten- kluge Lösung ist oder ob es nicht, wenn man schon einen schwindel von A bis Z!) solchen Rat einsetzt, besser wäre, ihn im Wesentlichen mit Praktikern zu besetzen. Ich hätte nichts dagegen, Ich erinnere nur an ihre Bezeichnungen Small-Business- wenn der Bundeswirtschaftsminister den Vorsitz führen Act, Ich-AG, Personal-Service-Agenturen, Ökosteuer, würde, dann könnte er nämlich auch noch etwas über die JUMP usw. Ich könnte diese Aufzählung noch weiter- Probleme des Mittelstandes lernen. Ich hielte es für eine führen. Es kommt aber nicht auf die Bezeichnungen an, Fehlentwicklung, ihn einseitig mit Beamten zu besetzen. sondern auf den Inhalt; darauf möchte ich hier hinwei- sen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Verdiente (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Beamte! – [BÜND- der CDU/CSU) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Am besten, die Wirt- So schön die Bezeichnungen auch sind, wenn der Inhalt schaft übernimmt das Ganze!) nichts taugt, dann ist das Ganze nichts wert. Es ist interessant, dass zwar der Bundesfinanzminister (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Das müs- anwesend ist, der Bundeswirtschaftsminister aber nicht. sen Sie Westerwelle sagen!) (Gudrun Kopp [FDP]: Das zeigt die Plurali- Also wollen wir uns auf den Inhalt konzentrieren. Wenn tät!) dieser Vorschlag zu etwas Besserem führt als zu dem, was wir heute haben, dann wird er unsere Unterstützung Es scheint in dieser Frage eben doch eine gewisse Rang- finden. ordnung zu geben. Zum Mittelstandsrat will ich noch eine Bemerkung (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Gudrun machen. Es ist interessant, dass wieder ein neues Gre- Kopp [FDP]: Leider!) mium geschaffen werden soll, das Sachkompetenz ver- (B) Solange der Bundeswirtschaftsminister „Müller“ hieß (D) mitteln soll, wobei aber nicht garantiert ist, dass es wirk- und nicht der SPD angehört hat, war eine Einigung nicht lich sachkompetent ist. In Ihrer Begründung steht: möglich. Sie ist erst möglich, seitdem Herr Clement die- Einen zentralen Stellenwert in der Mittelstandsför- ses Amt ausübt. Das sind aber keine wichtigen Fragen. derung erhält der Mittelstandsrat als neues gesetz- (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE liches Gremium. GRÜNEN]: Das war auch keine wichtige Der letzte Satz lautet: Rede!) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Herr Bundesfinanzminister, wir werden dieses Gesetz wird in diesem Gremium die Mehrheit der Mitglie- im Detail beraten und möglicherweise Änderungsvor- der stellen. schläge einbringen. Danach werden wir entscheiden, ob wir dem Gesetz insgesamt zustimmen oder nicht. Ich Wenn ich das so lese, dann stellen sich mir einige Fra- halte den Weg einer Konzentration der Förderungsmaß- gen, zum Beispiel, ob die Behandlung von Problemen nahmen des Bundes im Prinzip aber für richtig. des Mittelstandes, deren Lösung wirklich Kompetenz er- fordert, im Hause des Wirtschaftsministeriums richtig Vielen Dank. angesiedelt ist. Dort gibt es natürlich kompetente Leute. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Eine Beamten- selbstbedienung ist das!) Präsident Wolfgang Thierse: Die Praktiker im Mittelstand und bei den Mittelstands- Ich erteile dem Kollegen Stephan Hilsberg, SPD- banken, nämlich bei den Sparkassen, sowie den Banken Fraktion, das Wort. insgesamt verstehen von den praktischen Problemen und auch von den Finanzierungsproblemen des Mittelstandes (Beifall bei Abgeordneten der SPD) weit mehr als die Angehörigen eines Ministeriums, (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Deswegen Stephan Hilsberg (SPD): finanzieren sie die auch nicht!) Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! die ihre Informationen immer nur gefiltert aufnehmen können und deswegen keine eigenen persönlichen Ein- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Guten Tag, drücke von den Problemen haben. Herr Ex-Staatssekretär!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3143

Stephan Hilsberg (A) – Ich werde es hier ganz staatstragend gestalten. Man der Innovation und der Produktivitätserhöhung auf der (C) freut sich sehr, dass ein solches Projekt von zentraler Be- einen Seite und die nach wie vor sinnvolle öffentliche deutung diese einhellige Zustimmung nicht nur bei der Förderung der Finanzierung nicht staatlicher Aktivitä- Koalition, sondern letztlich auch bei der Opposition fin- ten auf der anderen Seite. Der Wettbewerb kann eben det. Es muss also wirklich richtig sein. nicht uneingeschränkt die Funktion, die der Staat haben und auch behalten muss, übernehmen. Diese Fragen (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Es kommt kann man nicht einfach dem Wettbewerb überlassen. nur sehr spät!) Das hat früher gegolten und wird auch in Zukunft gelten. Herr Solms, Ihre Bemerkung – Sie begrüßten dieses Anliegen prinzipiell und sagten, Sie hätten sich schon (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die Frage ist vor zehn Jahren darum bemüht – provoziert mich dann für die Banken doch beantwortet!) doch zu einer kleinen Reflexion. Genau das ist nämlich – Die Frage ist positiv beantwortet. Ich möchte mich bei der Unterschied zwischen der alten Kohl-Regierung und Herrn Minister Eichel, aber auch Herrn Staatssekretär der Schröder-Regierung: Sie haben sich bemüht und wir Koch-Weser bedanken, dass sie hier einen sehr vernünf- haben es gestemmt. Wir führen die Reform, die Sie nur tigen Kompromiss zustande gebracht haben. Dieser versucht und angestrebt haben, durch. Kompromiss ist insbesondere für den Bund vorteilhaft; (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ denn für die Kreditanstalt für Wiederaufbau und auch die DIE GRÜNEN] – Hans Michelbach [CDU/ Landwirtschaftliche Rentenbank bleibt es bei der staatli- CSU]: Dafür haben Sie den Herrn Stolpe auf- chen Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung. Das genommen!) heißt, dass diese Banken weiterhin in der Lage sein wer- den, zu absolut günstigen Bedingungen Refinanzie- Die Vorteile dieser Mittelstandsbank liegen auf der rungsmittel auf dem öffentlichen Kapitalmarkt aufzu- Hand. Dazu ist bereits eine Menge gesagt worden. Ich nehmen. nenne nur die Stichworte Entbürokratisierung und Förderung aus einer Hand. Die Bundesförderbanken (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Sie wissen doch, machen sich zukünftig keine Konkurrenz mehr. Das dass diese auslaufen!) spielt eine große Rolle. Es gibt so etwas wie eine Fusionsrendite. Für den Mittelstand ist es ausgesprochen Das bedeutet, dass sie weiterhin mit AAA gewertet sein zu begrüßen, dass kein Kaufpreis gezahlt wird, sondern werden, dass für sie die Förderbedingungen generell dass die Deutsche Ausgleichsbank mit der Kreditanstalt sehr günstig sein werden und sie für die staatlichen För- für Wiederaufbau unmittelbar verschmolzen wird. Die- deraufgaben nach wie vor höchst effizient bleiben wer- (B) ser Verschmelzungsvorgang führt nämlich dazu, dass das den. (D) zur Verfügung stehende Eigenkapital nicht vermindert Der andere Punkt – Herr Schauerte, Sie schauen mich wird, sodass die Synergieeffekte größer werden. Ob man so ungläubig an – besteht darin, dass die Aktivitäten bei angesichts der Bankenentwicklung in den letzten Jahren noch von einem Kaufpreis hätte reden können, wie das der Kreditanstalt für Wiederaufbau, beispielsweise Ex- in der letzten Legislaturperiode noch der Fall war, war portfinanzierung, die nicht unmittelbar in diesen Förder- ohnehin mit einem Fragezeichen zu versehen. bereich hineingehören, also reine Wettbewerbsaktivitä- ten, ausgegliedert werden müssen. Hier besteht keine Das war der eine Teil des Förderbankenneustrukturie- Anstaltslast mehr. Dies ist der Unterschied. Ich glaube, rungsgesetzes. Der andere Teil ist nicht weniger wichtig, mit diesem Kompromiss kann man gut leben, vor allen vielleicht sogar von größerer Tragweite. Dabei geht es Dingen, weil wir für die anderen Bereiche die staatlichen nämlich um die Erfüllung einer Verpflichtung des Bun- Garantien beibehalten haben. des gegenüber der Europäischen Kommission, die sich aus einer Verständigung über die öffentlich-rechtlichen Der Vorwurf lautete – das wird sich bei der Beobach- Banken in der Bundesrepublik ergibt. Wie Sie wissen, tung des weiteren Gangs der Dinge herausstellen –, die war eine Beschwerde gegen die Landeszentralbanken privaten Geschäftsbanken seien aufgrund von welchen und die Sparkassen Anlass dieser langwierigen und nicht Vorgängen auch immer – Quersubventionierungen und ganz einfachen Verhandlungen. Es ging also nicht gegen anderes – nicht in der Lage, im Wettbewerb, beispiels- die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Landwirt- weise bei der Export- oder Wohnungsfinanzierung, mit- schaftliche Rentenbank, die das alles betrifft. Die Euro- zuhalten, weil die öffentliche Hand zu stark fördere. Ob päische Kommission hat diesen Vorgang zum Anlass dieser Vorwurf stimmt, wird sich erst dann herausstellen, genommen, das gesamte öffentlich-rechtliche Banken- wenn sich die Geschäftsbanken tatsächlich auf dieses wesen in Deutschland einer Überprüfung zu unterziehen. Feld begeben. Bei der Exportfinanzierung beispielsweise Dieses Thema, obwohl es im Text knochentrocken be- wage ich das zu bezweifeln. handelt wird, hat doch erheblichen Konfliktstoff in sich geborgen. Es ist von erheblicher Auswirkung für die Im Übrigen ist es so, dass die Ausgangslage der künf- weitere Förderung, für die Wirtschaftstätigkeit und all tigen Bank, die eine Exportfinanzierung zu leisten hat, das, was öffentlich gefördert werden muss und mit dem dermaßen exzellent ist, dass sie sich vor Wettbewerb an Begriff der Daseinsvorsorge umschrieben wird. dieser Stelle überhaupt nicht zu fürchten braucht. Sie ist gut aufgestellt und auch die Kreditanstalt für Wiederauf- Im Wesentlichen geht es um einen Hauptinteressen- bau kann beste Zahlen vorweisen. Damit können wir konflikt: die Förderung des Wettbewerbs als den Vater sehr zufrieden sein. 3144 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Stephan Hilsberg (A) Herr Bernhardt hat im Zusammenhang mit der neuen Insofern haben wir in Zukunft genug Stoff, uns über (C) Mittelstandsbank und dem Mittelstandsrat ein Problem diese Fragen zu unterhalten. aufgeworfen. Wir sehen die Probleme in dieser Art nicht. (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: So stellen sich Für uns stellen sie sich nicht, aber wir können selbstver- Bürger einen Politiker vor: keine Antwort auf ständlich im Ausschuss miteinander darüber reden. Was die Fragen!) mir sehr gut gefallen hat, obwohl ich aus dem Osten komme, ist der Hinweis auf das ERP und die histori- Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was ich zu schen Wurzeln der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die den USA gesagt habe. mit den USA eng verbunden ist; das ist gar keine Frage. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sagen Sie etwas zu den Zinsen! Ich habe zu den Zinsen ge- Präsident Wolfgang Thierse: fragt!) Kollege Hilsberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ich als ehemaliger DDR-Bürger hätte es sehr gern gese- des Kollegen Hinsken? hen, wenn das Angebot der Marshall-Programme sei- nerzeit auch für Ostbetriebe gegolten hätte. Dass das Stephan Hilsberg (SPD): nicht der Fall war, ist der Politik im Kalten Krieg ge- Ja, bitte. schuldet. Das ist etwas, worauf man gemeinsam auf- bauen kann. Auf der anderen Seite gilt auch das, was der Ernst Hinsken (CDU/CSU): Kanzler in einem anderen Zusammenhang gestern ge- sagt hat. Für die künftige Finanzpolitik im Interesse Herr Kollege Hilsberg, Sie reden dieser Fusion das Deutschlands kann gegenüber den USA nicht die Devise Wort. Ihre Meinung wird fraktionsübergreifend geteilt. gelten: Hand an die Hosennaht! Das ist die falsche De- Sie haben vor allen Dingen auf verschiedene Verbesse- vise. Ich nehme nicht an, dass Sie das als Folge implizie- rungen verwiesen. Nun ist in Zukunft der bisher bekannte ren wollten. Wettbewerb zwischen KfW einerseits und Deutscher Ausgleichsbank andererseits nicht mehr vorhanden. Das (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das ist Blöd- muss sich irgendwo positiv niederschlagen. sinn, was Sie jetzt gesagt haben!) Wo, meinen Sie, liegen für die mittelständischen Un- Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die gravie- ternehmer durch diese Fusion die Vergünstigungen? renderen Auswirkungen, wenn sie überhaupt vorhanden Können sie davon ausgehen, dass die Zinsen gesenkt sind, treffen nach meiner Einschätzung eher die Sparkas- werden, nachdem es nur noch einen Anbieter und somit sen und die Genossenschaftsbanken. Auch dies wird ein weniger Bürokratie gibt, und dass es in Zukunft seitens Punkt sein, über den man im Ausschuss zu reden hat. (B) (D) dieser neuen Bank mehr Verständnis für den Mittelstand Aber immerhin ist doch in vielen Kleinigkeiten ein Fort- geben wird, als das in der Vergangenheit bislang der Fall schritt zu bemerken. war? Dieses jetzt vorliegende Gesetz schafft beispielsweise (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das können Sie den Begriff der Körperschaft für die Kreditanstalt für nun ausführen!) Wiederaufbau ab. Der ist 1948 eingeführt worden und war schon damals falsch. Die Kreditanstalt für Wieder- Stephan Hilsberg (SPD): aufbau war niemals eine Körperschaft, sondern sie war immer eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Re- Herr Hinsken, das war der Teil der Rede, den ich be- form dieses Begriffs hat 55 Jahre gedauert. Die gemein- reits vor fünf Minuten abgehandelt hatte. Aber Sie kön- same Mittelstandsbank zu schaffen hat, soweit ich das nen die Frage selbstverständlich auch jetzt stellen. Sie sehen kann, seit dem Kabinettsbeschluss in der letzten hängt mit den Stichworten Entbürokratisierung, Syner- Legislaturperiode zwei Jahre gedauert. Das zeugt von ei- gieeffekte und Fusionsrendite zusammen. Die „Financial ner erheblichen Dynamik der Reform, die wir vorhaben. Times Deutschland“ spricht von Synergieeffekten in Ich lade Sie alle ein, auch die Damen und Herren von der Höhe von 75 Millionen Euro, allein was die Tätigkeit Opposition, an dieser Reform mitzuwirken. der Bank betrifft. Das alles sind Vorteile, die sich unmit- telbar auf den Mittelstand auswirken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Zinsen!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Alles andere wird eine Frage der unmittelbar konkreten Tätigkeit der künftigen Mittelstandsbank selber sein, und es wird auch unsere Aufgabe sein, Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort Frau Kollegin Dagmar Wöhrl, (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ernst, du kannst CDU/CSU-Fraktion. doch nicht so eine konkrete Frage stellen!) so wie es immer die Aufgabe des Parlaments ist, zu se- Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): hen, ob sich die Erwartungen, die man an diese neue In- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! stitution hat, auch tatsächlich erfüllen. Wenn man an die euphorischen Worte von Rot-Grün in (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das ist doch den letzten Wochen denkt, als von der Integration der keine Antwort, was Sie hier liefern!) Deutschen Ausgleichsbank in die KfW gesprochen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3145

Dagmar Wöhrl (A) wurde, dann hat man manchmal das Gefühl, hier sei das (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Das hat (C) berühmte Ei des Kolumbus gefunden worden. Aber dem auch steuerliche Gründe!) ist mitnichten so. Wir freuen uns zwar, dass es endlich nach „nur“ drei Jahren gelungen ist, zeigt sich, dass 97 Prozent mit Fremdkapital arbeiten müssen, weil sie sonst überhaupt nicht über die Runden (Hans Eichel, Bundesminister: Wie lange hat kämen. Waigel gebraucht? – Volker Kauder [CDU/ (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!) CSU]: Auf der Regierungsbank ist Ruhe!) Wir haben es auf der einen Seite mit einem steigenden einen internen Kompetenzstreit zwischen Wirtschaftsmi- Finanzierungsbedarf und auf der anderen Seite mit einer nister und Finanzminister aus dem Weg zu räumen, da- sinkenden Eigenkapitalbasis zu tun. Hier öffnet sich eine mit jetzt endlich an der DtA ein neues Schild mit der Schere, die für die Zukunft unserer Betriebe ganz gefähr- Aufschrift Mittelstandsbank angebracht werden kann. lich werden kann. Hier müssen eigentlich die Alarmglo- Das hat nämlich so lange gedauert, weil sich der Finanz- cken läuten. minister und der Wirtschaftsminister nicht einigen konn- ten, wer Vorsitzender des Verwaltungsrates wird. Das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- war der Grund, warum die notwendige Fusion so lange neten der FDP) verschleppt worden ist. Was tun Sie gegen dieses Manko? 38 000 Firmen- Wir wünschen uns alle unisono hier im Saal, dass pleiten gab es im letzten Jahr. Diese Zahl umfasst nur wirklich die Synergieeffekte, die man sich verspricht, diejenigen, die einen Insolvenzantrag gestellt haben, das und eine bessere Verzahnung der Förderpolitik eintreten muss man in diesem Zusammenhang immer im Auge be- werden. Wir erhoffen uns auch, dass endlich viele büro- halten. Diejenigen, die still und leise ihre Tür zuschlie- kratische Förderprogramme hier konzentriert und zu- ßen, weil sie einfach nicht mehr existieren können, weil künftig einfacher und transparenter an den Bürger ver- sie keine Aufträge mehr erhalten, werden in keiner Sta- mittelt werden. tistik erfasst. Allein die Zahl von 38 000 ist ein Nach- kriegsrekord. Betrachten wir die Zahlen, die jetzt von Aber das Grundproblem, das wir bei der Mittelstands- der Kreditreform herausgegeben worden sind, dann ist finanzierung haben, wird mit diesem Schritt in keiner davon auszugehen, dass noch einmal mit 10 bis Art und Weise gelöst. Es heißt so schön: Eine tolle Lö- 15 Prozent Insolvenzen mehr als im letzten Jahr zu rech- sung, schade dass sie nicht zum Problem passt. nen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Man muss sich auch fragen: Was ist mit den Unter- (B) neten der FDP) nehmen, die am Markt geblieben sind? Ihre Investi- (D) tionsbereitschaft ist auf breiter Ebene auf einem his- Um das zu begreifen, meine Damen und Herren, muss torischen Tiefstand. Nur knapp ein Viertel aller man einen Blick auf die Lage unseres Mittelstands wer- Mittelständler ist noch bereit zu investieren. Über Neu- fen und die Gründe für die Finanzklemme diskutieren. einstellungen will ich überhaupt nicht reden. Für 45 Prozent der Unternehmen in unserem Land ha- (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Können sie ben sich die Finanzierungsbedingungen in den letzten gar nicht mehr! Das ist keine Frage der Bereit- Jahren vehement verschlechtert. schaft, sondern des Könnens!) (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Leider wahr!) Wenn man sich die Zahl der Unternehmensgrün- dungen ansieht, fällt auf, dass der Unternehmenssaldo Rund ein Drittel hat Probleme, überhaupt noch einen dramatisch zusammengebrochen ist. Seit dem Amtsan- Kredit aufnehmen zu können. Gleichzeitig verzeichnen tritt von Rot-Grün hat sich die Zahl der Nettogründun- wir einen immensen Einbruch bei der Umsatzrentabili- gen sage und schreibe halbiert. Mittlerweile gibt es noch tät, und zwar auf breiter Front. Allein 30 Prozent der einen Positivgründungssaldo von gut 33 000 Unterneh- Unternehmen haben im Bilanzjahr 2001 fast überhaupt men, das sind fast 35 000 weniger als vor vier Jahren. keinen Gewinn mehr gemacht, man kann wirklich sagen, dass unsere mittelständischen Unternehmen arm dran (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Man muss sind; das gilt auch im europäischen Vergleich. aber auch über Brutto reden!) Wenn Sie die Umsatzrenditezahlen, die uns aus dem – Wenn Sie, Frau Skarpelis-Sperk, davon ausgehen, dass Jahr 2000 vorliegen, international vergleichen, zeigt sich jedes dieser Unternehmen Arbeitsplätze schafft, auch folgendes Bild: Der Jahresüberschuss nach Steuern be- wenn es nur ein bis drei Arbeitsplätze sind – gehen wir trug in Spanien im Jahr 2000 7,2 Prozent, in der Schweiz von einem Minimum aus –, dann fehlen noch einmal 7 Prozent, in Dänemark 5,7 Prozent, in den USA 120 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich. 5,4 Prozent und in Deutschland magere 3,4 Prozent. Ich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- glaube, diese Zahl spricht für sich. neten der FDP) Wenn Sie dann auch noch die magere Eigenkapital- Jetzt haben Sie den neuen Namen „Mittelstandsbank“ quote berücksichtigen, mit der wir im internationalen geprägt. Wir sind für den Zusammenschluss von KfW Vergleich wirklich am unteren Ende liegen – sie liegt und DtA, es ist gut, dass er stattgefunden hat. Ich kann teilweise bei 0 bis 2,9 Prozent –, nur Lobenswertes über die DtA und die KfW sagen. 3146 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Dagmar Wöhrl (A) Beide Banken haben aber schon existiert, es handelt sich (Joachim Poß [SPD]: Sie malen schwarz zum (C) also um nichts Neues, wie hier suggeriert wird. Die neue Nachteil der Mittelständler!) Mittelstandsbank hilft uns bei den Finanzierungsproble- men der mittelständischen Betriebe nicht weiter. Sie schüren bei den Mittelständlern Hoffnungen auf eine Reform, durch die sie schneller Kredite und bessere Sicher sind Staatskredite wichtig und sie helfen auch, Finanzierungsmöglichkeiten bekommen als früher. Aber aber sie helfen nicht dabei, die wirklichen Probleme in das ist nicht der Fall. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie unserem Land anzugehen. Die Vergabe von Staatskredi- die Wahrheit sagen. ten darf nicht der einzige Weg sein, den Sie einschlagen. Sie müssen auch den Mut haben, andere Wege zu gehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Gehen wir davon aus – das erhoffen Sie sich –, dass Wenn es Ihnen wirklich darum geht, bessere Finanzie- die kleinen und mittelständischen Betriebe zukünftig rungsmöglichkeiten für den deutschen Mittelstand zu Schlange stehen, um von der Mittelstandsbank Fremd- schaffen, dann müssen Sie die Rahmenbedingungen än- kapital, das sie zu geben bereit ist, zu bekommen. Den- dern. Wir müssen erreichen, dass die geringe Eigenkapi- ken Sie aber auch an die Hausbanken, dort stehen die talausstattung der Betriebe überwunden wird. Denn die Mittelständler nämlich vor der Tür. Die Hausbanken sind Hauptfinanzierungsquelle der Mittelständler ist die Ein- diejenigen, die den Kreditwunsch prüfen und durchlei- behaltung der Gewinne im Unternehmen. Deswegen ist ten. Hier liegt das Problem, bei den Hausbanken muss die Stärkung der Innenfinanzierung bzw. der Selbstfi- zukünftig angesetzt werden. nanzierung der Unternehmen notwendig. Das erfordert wiederum eine bessere Eigenkapitalausstattung und bes- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sere Möglichkeiten, kostengünstig Fremdkapital aufzu- Man muss sich auch die Frage stellen, warum die pri- nehmen. vaten Banken in letzter Zeit so zurückhaltend bei der Sie müssen damit aufhören, alternative Finanzie- Kreditvergabe vorgehen. Gehen wir dem doch auf den rungsformen stiefmütterlich zu behandeln. Auch in die- Grund! Die Ursachen dafür sind die schlechte wirt- sem Bereich müssen Sie neue Wege gehen. schaftliche Ausgangslage in unserem Land und das da- mit verbundene hohe Ausfallrisiko, das die Banken zu Wir brauchen einen starken Finanzplatz. In diesem tragen haben. Wir wissen schließlich, was in letzter Zeit Zusammenhang haben wir einen entsprechenden Antrag durch die vielen Insolvenzen von sehr vielen kleinen und vorgelegt, der über 50 Punkte enthält. Lesen Sie unseren mittelständischen Kreditnehmern auf die Banken zuge- Antrag! Unser Weg ist richtig und gut. Ideen wie die kommen ist. Versendung von Kontrollmitteilungen über 300 Millio- nen Konten werden Sie darin vergeblich suchen. (B) (Hans Eichel, Bundesminister: Nein, die sind (D) es nicht! Das sind die großen Pleiten!) (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Richtig!) Es wird immer wieder sehr leichtfertig Bankenschelte Die Umsätze und die Binnennachfrage müssen gestei- betrieben. Man muss aber auch nach den Gründen für gert werden. Das ist nur möglich, wenn Sie es zulassen, die restriktive Haltung fragen, die die Banken sehr oft dass die Menschen wieder mehr Geld in der Tasche ha- einnehmen. Ich glaube nicht, dass man jedem Manager ben. eine böse Absicht unterstellen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Hans Eichel, Bundesminister: Unfähigkeit!) Dr. Hermann Otto Solms [FDP] – Joachim Poß [SPD]: Das ist richtig! Aber ohne Steuer- Vielmehr beruht diese Haltung sehr oft auf handfesten hinterziehung!) betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulationen der Kre- ditinstitute, die auch notwendig sind. Die von Ihnen vorgenommenen Maßnahmen wie die Erhöhung der Sozialbeiträge und die Rücknahme von (Hans Eichel, Bundesminister: Hätten sie die Steuersenkungen, die bereits im Gesetzesblatt aufgeführt mal früher erstellt!) waren, sind nicht der richtige Weg. Ich glaube, es ist durchaus verständlich, dass die Pri- Damit es klar wird: Eine Ankurbelung der Binnen- vatbanken angesichts der gegenwärtigen wirtschaft- nachfrage kann meiner Meinung nach nicht nach dem lichen Lage, die Sie mit zu verantworten haben, meine Muster à la Müntefering „Mehr für den Staat – weniger Damen und Herren von der Regierung, für den privaten Verbrauch“ erfolgen. Das ist so grundle- (Beifall bei der CDU/CSU – Hans Eichel, gend falsch, dass mich diese Aussage noch immer er- Bundesminister: Ach, das ist es jetzt! Meine schüttert. Güte! Das ist ja unglaublich!) (Joachim Poß [SPD]: Können Sie nicht ver- genau prüfen, ob sie einen Kredit gewähren können. In nünftige Mittelstandsreden halten? Müssen Sie dieser Situation nützt ein einfaches Logo, wie es mit der uns mit diesem dummen Zeug traktieren?) neuen Bezeichnung „Mittelstandsbank“ eingeführt Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass die Ge- wurde, überhaupt nichts. sundheitsministerin im Dezember vergangenen Jahres Wir sind für den Zusammenschluss. Das haben wir versichert hat: Nach der Anhebung der Rentenbeiträge bereits festgestellt. Wir sind aber dagegen, dass etwas auf 19,5 Prozent ist erst einmal Ruhe. Sie hat in der Tat suggeriert wird, was gar nicht eintreten wird. Recht gehabt, aber in Bezug auf einen anderen Bereich. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3147

Dagmar Wöhrl (A) In vielen Tausend Unternehmen ist Ruhe. Die Kunden Es ist zwar wichtig, die Frage zu stellen, wie es dem (C) bleiben weg; die Produktionsräder stehen still und die Mittelstand in diesem Land geht. Aber es wäre noch Mitarbeiter bleiben nach betriebsbedingten Kündigun- wichtiger, zu fragen, welche Instrumente wir angesichts gen zu Hause. Diese Ruhe werden Sie noch verstärken, der unbezweifelbar schwierigen internationalen Lage wenn Sie die Sozialbeiträge weiter erhöhen. und der daraus resultierenden Konsequenzen für den Mittelstand anbieten, um ihm bei der Lösung seiner Fi- (Jörg-Otto Spiller [SPD]: Eine mitreißende nanzierungsprobleme zu helfen. Stattdessen werden Vor- Rede!) schläge gemacht, die – ich sage das ganz offen – schlicht Ein Mittelständler muss inzwischen knapp 23 Prozent abenteuerlich sind. Zu diesem Schluss komme ich, Frau des Unternehmensumsatzes für Personalkosten – für Kollegin Wöhrl, wenn ich bedenke, was Sie über die Löhne, Gehälter und Lohnnebenkosten – ausgeben. Für Fremdfinanzierung gesagt haben. Jeder, der sich mit Großunternehmen beträgt der Personalaufwand hinge- der Lage in Deutschland befasst, weiß, dass es in unse- gen nur 17,5 Prozent. Das heißt, Sie müssen die struktu- rem Land seit mehr als 150 Jahren eine einzigartige Kul- rellen Reformen angehen, um dem Mittelstand zu helfen. tur der Fremdfinanzierung gibt, weil die Bankkredite in Deutschland wesentlich günstiger sind als in allen ande- Wir brauchen eine größere Flexibilität im Arbeits- ren europäischen Ländern. Wenn Sie sich anschauen, recht. Darauf muss ich nicht näher eingehen; unsere welche Zinsen kleine und mittelständische Unternehmen Vorschläge liegen bereits vor. in Frankreich oder in Großbritannien zu zahlen haben, Wenn man heutzutage viel herumkommt, dann hört dann werden Sie sich wundern. Aufgrund der besseren man oft die Frage: Wo geht es zum Aufschwung? Ant- Bedingungen in Deutschland konnten sich große sowie wort: Immer den Bach runter! Damit muss endlich kleine und mittelständische Unternehmen günstiger Schluss sein. fremdfinanzieren. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie haben lange Ausführungen zu den Steuern ge- NEN]: „Schluss sein“ ist das richtige Stich- macht. Auch wir wissen, dass das hohe Maß der Fremd- wort!) finanzierung in Deutschland etwas mit den steuerlichen Wir brauchen endlich weniger Belastung, weniger Steu- Bedingungen zu tun hat. Frau Kollegin Wöhrl, zu Ihren ern, weniger Bürokratie und stattdessen mehr Flexibi- Regierungszeiten haben Sie die steuerliche Privilegie- lität. Wenn Sie das umsetzen, dann lösen Sie auch die rung der Fremdfinanzierung der Unternehmen nicht be- Finanzierungsprobleme der Mittelständler. seitigt. Das ist erst durch uns erfolgt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (B) DIE GRÜNEN) (D) Wir müssen die Unternehmer mehr motivieren, wieder unternehmerisch tätig zu werden. Wenn Sie § 17 des Ein- Statt nackter Polemik wäre es angemessener gewesen, kommensteuergesetzes dahin gehend ändern, dass der darüber zu diskutieren, wie wir einen Strukturwandel Privatmann durch steuerliche Erleichterungen zu Investi- herbeiführen können und was wir angesichts der interna- tionen in kleine und mittlere Unternehmen animiert wird, tionalen Veränderungen, der Entwicklung auf den Kapi- dann sind wir wieder einen Schritt vorangekommen. talmärkten und des verschärften Bankenwettbewerbs (Lachen bei der SPD) über die Förderbanken gezielt für den Mittelstand tun können. In der Tat haben wir hier genügend Probleme, Wenn das private Chancenkapital noch durch eine effi- sodass wir der Polemik nicht bedürfen. Es ist nicht hilf- zient arbeitende Mittelstandsbank unterstützt wird, umso reich – ich sage das nachdrücklich –, Horrorszenarien zu besser. entwerfen und den Untergang des Abendlandes zu be- Vielen Dank. schwören. Es wird auch nicht besser, wenn Sie das stän- dig wiederholen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Präsident Wolfgang Thierse: DIE GRÜNEN) Ich erteile das Wort Kollegin Dr. Sigrid Skarpelis- Ich glaube, die Mittelstandsbank steht vor großen, Sperk, SPD-Fraktion. neuartigen Herausforderungen. Wir alle setzen unser Vertrauen darin, dass sie in der jetzigen schwierigen Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Phase dem Mittelstand hilft. Sie haben ja Recht, Frau Kollegin Wöhrl, wenn Sie darauf hinweisen, dass sich Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der die wirtschaftliche Lage in der Welt, auch in Europa und erste Teil der heutigen Debatte war ruhig, sachlich und insbesondere in Deutschland, in den letzten Monaten der Lösung der Probleme der aus der Fusion von KfW noch einmal deutlich eingetrübt habe. Es hat in der Tat und Deutscher Ausgleichsbank hervorgehenden neuen gravierende Verschlechterungen in der Weltwirtschaft Förderbank verpflichtet. Die letzte Rede war leider nur gegeben. Der Krieg im Irak ist dabei nur eine, aller- noch blanke Polemik und hatte mit den eigentlichen In- dings wichtige Ursache. Dieser Krieg verstärkt die Unsi- halten nur wenig zu tun. cherheit auf den weltweiten Kapitalmärkten, bei den (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Verbrauchern und bei den Unternehmen. Investitionen DIE GRÜNEN) wie große Neuanschaffungen werden zurückgestellt. 3148 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (A) Die Unternehmensfinanzierung ist für viele Firmen schen Seite ausgegangen. Die privaten Großbanken sind (C) seit dem Jahr 2002 noch einmal schwieriger geworden. nach Brüssel gegangen und haben geklagt. Insofern ha- Darauf weist auch eine neuere Untersuchung der Kredit- ben sie einen nicht unerheblichen Teil der Finanzie- anstalt für Wiederaufbau hin: Für 45 Prozent der Unter- rungsprobleme der kleinen und mittleren Unternehmen nehmen ist die Kreditaufnahme schwieriger; rund ein mit verursacht. Drittel der Unternehmen hat Probleme, überhaupt noch einen Kredit zu erhalten. Das bedeutet, die meisten deut- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) schen Unternehmen stecken in deutlichen Schwierigkei- Jetzt schränken die Sparkassen die Kreditvergabe an ten, schon ihre ganz normale wirtschaftliche Tätigkeit zu ihre traditionellen Kunden, die kleinen und mittleren Un- finanzieren, geschweige denn, dass sie bereit sind, unter- ternehmen, ein, auch wenn noch immer sie es sind – das nehmerische Wagnisse einzugehen. Wachstumspoten- wollen wir positiv bemerken –, die den Mittelstand zu ziale werden dadurch verschenkt, viele Arbeitsplätze einem überwiegenden Teil finanzieren. Aber die nicht geschaffen, Innovationen und Dynamik behindert. schlechte konjunkturelle Lage begrenzt natürlich das Es ist dringend notwendig – diesen Appell habe ich Neugeschäft. bei der Opposition und übrigens auch bei Ihnen, Herr In dieser schwierigen Lage, in der sich das Banken- Solms, vermisst; offensichtlich kann man in diesem system befindet, kommen auf die neue Bank entschei- Haus über die anstehenden Probleme nicht mehr reden –, dende wichtige neue Aufgaben zu. Sie muss den Banken dass sich die Kreditinstitute, allen voran die deutschen und Sparkassen helfen – gewappnet mit ihrem Ansehen Großbanken, auf ihre volkswirtschaftliche Verantwor- und Know-how –, auf den europäischen und internatio- tung besinnen und daran denken, dass Kundenpflege nalen Finanzmärkten den Mittelstand weiter angemessen nicht nur in guten Zeiten wichtig ist, sondern sich eine zu finanzieren. Wir müssen die bewährten, klassischen solide Geschäftsbeziehung gerade in stürmischen Zeiten Förderinstrumente wie die Gründerfinanzierung, die bewähren muss. Umweltfinanzierung, Eigenkapitalhilfen – insbesondere (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ für dynamische Unternehmen aus dem Technologiesek- DIE GRÜNEN) tor – den neuen, unsicheren Zeiten anpassen. Neue, in- novative Förderansätze müssen entwickelt und über den Ich sage nachdrücklich: Wir werden das, was sich hier Markt umgesetzt werden. an Verschlechterungen im deutschen Bankensystem vollzieht, durch noch so große Subventionen im öffent- In dieser ersten Aufgabe sind mit dem Globaldarlehen lichen Bereich nicht konterkarieren können. Die Banken und den Verbriefungsprogrammen schon zwei wichtige müssen überlegen, ob sie ihrer Verantwortung für die Säulen errichtet, die, wenn sie permanent umgesetzt (B) deutsche Wirtschaft noch gerecht werden. werden, dem Bankensystem, insbesondere aber den klei- (D) nen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, helfen kön- (Beifall bei der SPD) nen, ihre Liquiditätsprobleme zu überwinden. Sie haben Dabei ist uns sehr wohl klar, dass die Ursachen dieser damit günstigere Finanzierungsmöglichkeiten, die sie in negativen Entwicklung nicht allein bei der Risikoscheu maßgeschneiderte Einzelkredite zu günstigen Ein- insbesondere der großen Banken zu finden sind. Es gibt standskonditionen an die Kreditnehmer umwandeln kön- noch andere wesentliche, wirklich dramatische Entwick- nen. Allein mit diesem Instrument konnten schon lungen auf dem Bankensektor; auch das sehen wir. 1,8 Milliarden Euro zusätzlich für die Mittelstandsförde- rung bereitgestellt werden. Zunächst ist der internationale Wettbewerb im Bankensektor zu nennen. Dieser hat stark zugenom- Mit dem innovativen Verbriefungsprogramm wer- men; die deutschen Banken befinden sich unter erheb- den Risiken von Mittelstandskrediten auf den Kapital- lichem Konkurrenzdruck. Gott sei Dank ist die Banken- markt übertragen. Dadurch werden bei den Banken und struktur – Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen wieder Eigenmittel frei, die als Kredite aus- Sparkassen – noch sehr gesund. Das ist hilfreich und hat gehändigt werden können. Ich meine, dies ist ein wirk- in der Vergangenheit eine gute Kreditversorgung ge- lich intelligentes Programm, das die deutsche Kredit- währleistet. Wir müssen aufpassen, dass diese gute Kre- wirtschaft, auch die kleineren Kreditinstitute, wesentlich ditversorgung zugunsten der kleinen und mittleren Un- mehr als bisher nutzen sollte. Wir sehen mit Bedauern, ternehmen allen Regionen erhalten bleibt. dass dieses Programm bisher nur in einem geringen Um- fang genutzt wird. Wir erhoffen uns von einer Nutzung (Beifall bei Abgeordneten der SPD) in einem größeren Umfang neue Spielräume für die Un- Ich glaube, dass die Finanzaufsicht und der Bundes- ternehmen. finanzminister diesen Prozess mit großer Geduld und Hinzu kommt, als dritte Säule, die Senkung der Bear- Aufmerksamkeit beobachten und alles tun werden, um beitungs- und Prozesskosten. Herr Kollege Bernhardt, dieses Bankensystem im Interesse der deutschen Wirt- Sie haben hier das Problem der Margen angesprochen. In schaft so zu erhalten. diesem Bereich ist bereits – Sie wissen das auch durch un- Auch die Sparkassen, die typischerweise die kleinen sere Diskussionen – einiges getan worden. Wir müssen und mittleren Unternehmen bedienen, sind vor allem aufpassen, dass die Kosten für die kleinen und mittleren durch den von der EU erzwungenen Wegfall der Ge- Unternehmen durch die Erhöhung der Margen und durch währträgerhaftung angeschlagen. Dies ist übrigens – das die Umlagen wegen der Risiken nicht allzu sehr steigen; muss man einmal deutlich sagen – nicht von der politi- denn wenn das Finanzkapital bei der Vergabe von Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3149

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (A) Beteiligungen ängstlich geworden ist, dann kann die öf- Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion (C) fentliche Hand dafür keinen vollen Ausgleich schaffen. der CDU/CSU (Beifall bei der SPD) Aufhebung der gesundheitspolitischen Maß- nahmen im Beitragssatzsicherungsgesetz Ich finde es hervorragend, dass das „Kapital für Ar- beit“ und die Vergabe von Mikrodarlehen – die KfW und – Drucksache 15/652 (neu) – die DtA sind dafür verantwortlich – fortgesetzt werden. Überweisungsvorschlag: Dadurch kommen kleine Unternehmen an das nötige Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f) Geld, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und innovativ Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit vorzugehen. Ausschuss für Tourismus Ich komme zum Schluss. Die zuständigen Abgeord- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die neten im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, besonders Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen im Unterausschuss „ERP-Wirtschaftspläne“, werden Sie Widerspruch. Dann ist so beschlossen. in der Diskussion und in der Entwicklung gerne beglei- Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen ten. Als Vorsitzende dieses Unterausschusses wünsche Andreas Storm, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der neuen Mittelstandsbank des Bundes und ihren erfahrenen und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) kooperativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ber- lin, Bonn und Frankfurt weiterhin ein gutes Gedeihen, Andreas Storm (CDU/CSU): viel Elan, Kreativität und natürlich auch Geduld beim Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Weih- Zusammenwachsen. Der Mittelstand braucht die neue nachten hat die Bundesregierung ein Vorschaltgesetz im Mittelstandsbank Schweinsgalopp durch den Bundestag gepeitscht und (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und eine behauptet, sie kann die Beiträge zur gesetzlichen Kran- andere Regierung!) kenversicherung stabil halten, indem sie gravierende Eingriffe in die Substanz der Leistungserbringer im Ge- und wir in der Politik verlassen uns auf ihre Unterstüt- sundheitswesen vornimmt. zung. (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Alles Lüge!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Bilanz kurz vor Ostern ist jedoch traurig: (Dr. Dieter Thomae [FDP]: In der Tat!) (B) Präsident Wolfgang Thierse: (D) Zum Jahreswechsel sind die Beiträge von 14,0 Prozent Ich schließe die Aussprache. auf fast 14,4 Prozent im Durchschnitt gestiegen. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: 15 Prozent wurfs auf Drucksache 15/743 an die in der Tagesord- demnächst!) nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Das ist bereits ein historischer Rekord. Hinzu kommt, Dann ist die Überweisung so beschlossen. dass die ersten Krankenkassen schon zum 1. April die Beitragssätze erhöht haben. Frau Kollegin Schaich- Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 15 a und Walch, zuständige stellvertretende Vorsitzende der SPD- 15 b auf: Fraktion, hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Horst Beitragssatz noch in diesem Jahr auf mindestens Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann- 14,8 Prozent ansteigen wird. Mauz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Hört! Hört!) der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Dieter Damit ist Frau Ministerin Schmidt mit ihrer Notstands- Thomae und der Fraktion der FDP eingebrachten gesetzgebung grandios gescheitert. Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze der CDU/CSU) in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung Sie ist auf dem besten Weg zu einem traurigen Rekord; denn in nicht einmal drei Jahren Amtszeit hat sie es ge- – Drucksache 15/542 – schafft, dass die Krankenversicherungsbeiträge bis zum Überweisungsvorschlag: Ende dieses Jahres um rund 1,5 Prozentpunkte gestiegen Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f) Innenausschuss sein werden. Rechtsausschuss Das Beitragssatzsicherungsgesetz ist nunmehr drei Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Monate in Kraft. Die fatalen Folgen, vor denen wir von Landwirtschaft Anfang an gewarnt haben, sind nun für jedermann er- sichtlich. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Noch schlimmer!) 3150 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Andreas Storm (A) Krankenhäuser, Arztpraxen, Zahnärzte leiden unter den nen, bei dem die Apothekenlandschaft durch Ketten do- (C) erzwungenen Nullrunden. Gerade in den Krankenhäu- miniert wird. sern sind Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet. Das Ganze geht am Ende zulasten der medizinischen Versor- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. gung der Patienten. Detlef Parr [FDP]) Dies ist nicht graue Theorie. Die Erfahrungen aus Noch schlimmer hat es die Zahntechniker getroffen. Norwegen sollten uns ein warnendes Beispiel sein. Hier sind mittelständische Existenzen gefährdet, weil Nachdem dort vor zwei Jahren das Fremd- und Mehrbe- das Gesetz in die Substanz eingreift: eine Preisabsen- sitzverbot aufgehoben wurde, sind heute drei von vier kung um 5 Prozent. Apotheken in Norwegen im Besitz von zwei großen So richtig ans Eingemachte geht es bei den Apothe- Apothekenketten, hinter denen Großhandelsunterneh- ken. Die Abrechnungen der ersten drei Monate dieses men stehen. Jahres bestätigen unsere wiederholten Warnungen. Der Wer unter dem Deckmantel von Liberalisierung und Gewinn der Apotheken vor Steuern ist im Durchschnitt Wettbewerb ein Umpflügen der Apothekenlandschaft um 35 bis 40 Prozent eingebrochen. Das ist auch kein will, der muss dies klar aussprechen. Ich sage hier eines Wunder; denn die Apotheken werden durch das Bei- deutlich: Mit der Union wird es Apothekendiscounter tragssatzsicherungsgesetz in einer Dimension von insge- und einen ungehemmten Versandhandel definitiv nicht samt mindestens 900 Millionen Euro in diesem Jahr be- geben. lastet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Da hilft es auch nichts, wenn man darauf hinweist neten der FDP – Detlef Parr [FDP]: Mit der – wie dies die Staatssekretärin vorhin im Fernsehen ge- FDP auch nicht!) tan hat –, dass die Umsätze zuletzt wieder gestiegen sind. Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie Zurück zum Beitragssatzsicherungsgesetz. Sie haben verwechseln immer noch Umsatz und Gewinn. weitere Maßnahmen durchgesetzt, die die Situation im Gesundheitswesen nicht verbessern, sondern dramatisch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- verschärfen. Ein Beispiel ist die willkürliche Anhebung neten der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/ der Versicherungspflichtgrenze. Sie führt dazu, dass CSU]: Früher war es brutto und netto!) den privaten Kassen der Nachwuchs abgeschnitten wird, ohne dass die Strukturprobleme der gesetzlichen Kran- Sie bringen das Kunststück fertig, dass Sie mit Ihrer Po- kenversicherung auch nur näherungsweise gelöst wer- litik die Apotheken in weiten Teilen unseres Landes an den. Wenn man Ihrem Berater, Professor Lauterbach aus (B) den Rand des Ruins treiben, obwohl die Umsätze in den Köln, folgt, der eine Bürgerversicherung im Blick hat, (D) ersten Wochen dieses Jahres leicht gestiegen sind. dann mag das ja sogar Sinn machen. Ich hoffe nur, dass 12 000 Arbeitsplätze sind im Apothekenbereich allein das Wort des Bundeskanzlers, er wolle diesen Weg nicht im ersten Quartal verloren gegangen. gehen, am Ende eingehalten wird. (Zuruf der Bundesministerin – (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nie und nimmer! Volker Kauder [CDU/CSU]: Auf der Regie- Das wäre das erste Mal!) rungsbank herrscht jetzt mal Ruhe!) Wenn man dieses Wort ernst nimmt, kommt man zu dem Mit den im Gesetz verordneten Zwangsrabatten grei- Schluss, dass die Anhebung der Versicherungspflicht- fen Sie tief in die Einkommen der Apotheken ein. Das grenze im Beitragssatzsicherungsgesetz im Gegensatz zu betrifft nicht nur die Apotheker, sondern auch die Be- dem steht, was der Bundeskanzler selber vor einigen Ta- schäftigten. Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man in gen verkündet hat. diesem Land Arbeitslosigkeit produziert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Was dahinter steht, muss klar sein: Dieses Vorschalt- neten der FDP) gesetz ist nur die Ouvertüre zu dem, was Sie mit der Ge- sundheitsreform planen, nämlich den Einstieg in die Sie haben mit Ihren willkürlichen und völlig konzepti- vollständige Zerschlagung unserer bewährten Apothe- onslosen Maßnahmen das Vertrauen der Menschen in die kenlandschaft. Gesundheitspolitik nachhaltig erschüttert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Frage ist aber, warum die Therapie falsch ist, die Sie uns hier in den letzten Monaten verordnet haben. Die Das Beitragssatzsicherungsgesetz war nur der erste Therapie ist deswegen falsch, weil Ihre Diagnose hinten Streich. Wenn es nach Ihnen geht, folgt der zweite so- und vorne nicht stimmt. Wir haben im Gesundheitswe- gleich, nämlich die Freigabe des Versandhandels und sen nicht in erster Linie ein Problem auf der Ausgaben- insbesondere die Aufgabe des Mehrbesitzverbots. Dies seite, sondern ein Problem auf der Einnahmeseite. würde bedeuten, dass die flächendeckende, wohnortnahe (Zuruf von der SPD: Gar nicht wahr!) Versorgung unserer Bevölkerung mit Arzneimitteln ge- fährdet ist. Unser Apothekensystem, um das man uns im Im vergangenen Jahr sind die Ausgaben der gesetzli- Ausland beneidet, ist durch eine qualitativ hochwertige chen Krankenversicherung – ich lasse jetzt die Verwal- und sichere Beratung gekennzeichnet. Das würden Sie tungsausgaben einmal außen vor – im Durchschnitt um aufs Spiel setzen, wenn Sie den Weg für ein System öff- 3 Prozent gestiegen. Wenn man eine qualitativ hochwer- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3151

Andreas Storm (A) tige Versorgung der Menschen mit dem medizinisch Präsident Wolfgang Thierse: (C) Notwendigen möchte – das zeichnet ja ein leistungsfähi- Ich erteile das Wort der Parlamentarischen Staatssek- ges Gesundheitssystem aus –, dann muss man dafür sor- retärin Marion Caspers-Merk. gen, dass dieses System auch einen Ausgabenanstieg von 3 Prozent verkraften kann. Problematisch ist deshalb (Peter Dreßen [SPD]: Jetzt kläre ihn einmal der Einbruch bei den Einnahmen. Die sind lediglich um hinsichtlich des Irrweges auf!) 0,5 Prozent gestiegen. Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Das hat zwei Ursachen: zum einen die dramatische Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt – nehmen Sie die Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Zahlen von gestern –: Wiederum fast eine halbe Mil- Kollegen! Sehr geehrter Herr Storm, das, was Sie hier lion Arbeitslose mehr als im Jahr zuvor entspricht spie- abgeliefert haben, ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. gelbildlich einem dramatischen Einbruch bei der Be- schäftigung. Da nimmt es nicht wunder, dass die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Beitragsbasis nicht nur der Krankenversicherung, son- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker dern aller Sozialversicherungszweige wegbricht. Zum Kauder [CDU/CSU]: Mäßigen Sie sich ein- Zweiten ein politisch bedingter Verschiebebahnhof zu- mal!) lasten der Krankenkassen. Der Sachverständigenrat hat Sie legen zwei Anträge vor, die mit Sicherheit eine Wir- es im vergangenen November in seinem Jahresgutach- kung haben: Sie führen zu steigenden Beiträgen. ten nachgewiesen: Allein 0,4 Beitragssatzpunkte sind auf Maßnahmen im Zuge dieses Verschiebebahnhofs (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zurückzuführen. NEN]: So ist es!) Beenden Sie deswegen den Irrweg, mit unbrauchba- Das Einzige, was wir geschafft haben – das war müh- ren Instrumenten auf der Ausgabenseite etwas bewirken sam genug –, zu wollen! (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sind steigende Beiträge!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Das ha- war, bei den Leistungserbringern Geld in einer Größen- ben wir von Ihnen übernommen!) ordnung von 3 Milliarden Euro einzusammeln. Man kann in diesem Haus gegen alles sein, aber die Gesetze Die Finanzierungsbasis muss neu geordnet werden. von Adam Riese kann man nicht außer Kraft setzen. Es (B) Die Unionsfraktion hat im Februar einen Plan vorgelegt, ist völlig klar, dass uns dann, wenn wir jetzt die beiden (D) wie die Beiträge um 2 Prozentpunkte abgesenkt werden Gesetze aufheben würden, 3 Milliarden Euro fehlen können, nämlich indem die Finanzierungsbasis der würden. Das hieße, die Beitragssätze müssten um Krankenkassen neu geordnet wird. 0,3 Prozentpunkte angehoben werden. (Zuruf von der SPD: Machen wir ja!) (Andreas Storm [CDU/CSU]: Sie haben es im- mer noch nicht verstanden!) Versicherungsfremde Leistungen sollen mit Steuermit- Deswegen müssen Sie den Menschen sagen, dass Ihre teln finanziert werden, die Eigenbeteiligung der Versi- Lobbypolitik cherten soll erhöht und ein Leistungsbereich soll über eine Zusatzversicherung und nicht mehr über lohnbezo- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Vernunftpoli- gene Beiträge finanziert werden. tik ist keine Lobbypolitik!) Auf der Ausgabenseite muss man durch marktwirt- und Ihre populistische Forderung nach Rücknahme die- schaftliche Instrumente Effizienzreserven erschließen, ser beiden Gesetze automatisch höhere Beiträge für sie also indem man durch mehr Transparenz und Wettbe- nach sich ziehen. Das gebietet die Redlichkeit. werb dafür sorgt, dass die Reserven freigelegt werden, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die auch tatsächlich freigelegt werden können. Wir brau- DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ chen aber keine ungeordneten Eingriffe in die Substanz CSU) der Leistungserbringer; das zieht ein Arbeitsplatzfiasko im Gesundheitswesen nach sich und gefährdet gleichzei- Das ist nämlich das, was Sie im Moment verlangen. Inte- tig die Versorgung der Menschen. ressanterweise haben Sie ja auch in beiden Anträgen keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, in diesem (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie machen Sinne folgendermaßen schließen: Wenn Sie wollen, dass beim Zuhören Fehler!) in diesem Jahr der Weg für eine grundlegende Gesund- heitsreform frei wird, dann nehmen Sie dieses unsägli- Interessanterweise haben Sie eben schon selbst ge- che Beitragssatzsicherungsgesetz so schnell wie möglich sagt, dass ein Großhändler, nämlich die Firma GEHE, zurück! derzeit auf Einkaufstour in Norwegen ist, wo sie Apo- theken einkauft. In Ihrem Antrag fordern Sie, den Groß- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – handelsrabatt aufzuheben. Wenn Sie der Firma GEHE Peter Dreßen [SPD]: So nicht!) und anderen 600 Millionen Euro geben, 3152 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (A) (Lachen bei der CDU/CSU – Andreas Storm Die ABDA-Zahlen, auf die Sie sich stützen, muss (C) [CDU/CSU]: Sie haben es immer noch nicht man sich genau ansehen, denn hier wird ein kleines Re- begriffen!) chenkunststück vorgeführt. Bei diesen Zahlen wurde zu- sätzlich der Herstellerrabatt abgezogen, sodass sie im führt das dazu, dass die noch mehr auf „Shoppingtour“ Minusbereich liegen. Diesen Rabatt aber zahlen die im Ausland gehen, und zwar bei steigenden Beiträgen Apotheken gar nicht, sondern er wird direkt zwischen für die Menschen im Lande. Das ist Ihr Konzept. den Kassen und den Herstellern verrechnet. Lassen Sie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sich also nicht durch Zahlen der Leistungserbringer und DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: der Lobbyverbände aufs Glatteis führen. Sie haben keine Ahnung!) (Detlef Parr [FDP]: Aber durch Ihre Zahlen Sie reden und handeln widersprüchlich. Sie reden da- auch nicht beruhigen! – Wolfgang Zöller von, die Beitragssätze bei 13 Prozentpunkten einfrieren [CDU/CSU]: Das ist der Gipfel!) zu wollen. Aber wo ist Ihr Konzept, wie Sie da hinkom- Unsere Konzeption ist die einzige, die im Moment Sinn men? Sie sagen sehr allgemein, Sie wollen die versiche- macht. Wir wissen, dass die Umsetzung des Beitrags- rungsfremden Leistungen steuerfinanzieren. satzsicherungsgesetzes für alle Leistungserbringer (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Reden Sie mal schwierig ist. Das ist gar keine Frage. Wir setzen die über die Vorschläge von Ihrem Kanzler!) Maßnahmen auch nicht gern durch. Aber es ist die ein- zige Chance, die Beiträge einigermaßen stabil zu halten. Aber auf Druck Ihrer eigenen Fraktion haben Sie die Garantieren können wir es angesichts der konjunkturel- Forderung einer Erhöhung der Tabaksteuer wieder zu- len Lage alle miteinander nicht. rückgezogen. Wo sollen denn die Steuermittel für die versicherungsfremden Leistungen herkommen? Wir werden ein Weiteres tun. Wir haben Ihnen bereits unsere Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheits- (Andreas Storm [CDU/CSU]: wesen vorgelegt. 5 Milliarden Euro!) (Andreas Storm [CDU/CSU]: Wo haben Sie Gleichzeitig haben Sie in Ihren Reihen einen internen die vorgelegt?) Streit: Stoiber gegen Seehofer, Ein Gesetzentwurf ist in Vorbereitung. Wir werden darü- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ach Gott!) ber im Ausschuss diskutieren. Wir werden auch zur Ein- Storm gegen den Rest der Welt. Sie sind sich nicht einig, nahmeseite Vorschläge machen. Herr Storm, da ist mehr gefordert als Ihre Verweigerungshaltung, mit der Sie uns (B) welche Bereiche Sie aus dem Leistungskatalog heraus- (D) nehmen wollen. Der eine sagt, den gesamten Zahnersatz, im Moment gegenübertreten. der andere schlägt etwas anderes vor. Sorgen Sie doch (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ach Gott!) erst einmal in Ihren Reihen für ein klares Konzept, bevor Sie uns Ratschläge erteilen! Sie hätten es gestern im Vermittlungsausschuss in der Hand gehabt. Sie hätten im Bereich der Fallpauschalen (Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Wer regiert denn?) mehr tun können für die Krankenhäuser, die optieren. Sie hätten auch mehr tun können, indem Sie den Kassen Ich sage Ihnen noch etwas, was ich besonders beein- eine Nullrunde abfordern, damit die Verwaltungsausga- druckend finde, Herr Storm. Bei Apotheken bedeutet ben nicht steigen. mehr Umsatz auch deshalb mehr Gewinn, weil es in die- sem Bereich keine freien Marktpreise gibt, sondern die (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt warten Sie Arzneimittelpreisverordnung. Diese legt genau fest, was mal ab, was beim Vermittlungsverfahren he- bei wem landet. Ich habe Zahlen vom Dezember, vom rauskommt!) Januar und vom Februar, für die Bundesrepublik und für Das haben Sie beides nicht gemacht. Neinsagen im Ver- Baden-Württemberg. mittlungsausschuss, alles blockieren, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Donnerwetter!) (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Widersinniges Diese Zahlen zeigen, dass der Apothekenmarkt zu Her- nicht mitmachen!) stellerabgabepreisen bundesweit im Januar ein Umsatz- den Leistungserbringern nach dem Munde reden und plus von 5,5 Prozent und im Februar ein Umsatzplus von gleichzeitig niedrige Beiträge verlangen, das ist Ihr Kon- 9,4 Prozent hatte. zept. Das ist ein unehrliches Konzept und deswegen (Peter Dreßen [SPD]: Auf hohem Niveau!) wird es nicht aufgehen. Die baden-württembergischen Zahlen der AOK und der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ IKK weisen ein Umsatzplus von 14,4 Prozent aus. Das DIE GRÜNEN) heißt, dass die Apotheken trotz der Rabattstrukturen, die Ich vermisse bei den Rednerinnen und Rednern, die wir neu eingeführt haben – aus gutem Grund, weil die Sie heute hier aufbieten, den Kollegen Seehofer. Ausgaben in diesem Bereich explodiert sind –, bundes- weit noch immer ein Plus von 2,6 Prozent haben. Das (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ich vermisse haben Sie verschwiegen. die Ministerin!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3153

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (A) – Die Ministerin ist anwesend. Es ist ganz interessant, (Dr. Dieter Thomae [FDP]: In der Tat!) (C) dass Sie so getroffen sind. Immer mit der Ruhe, Herr Zöller; ich will nicht, dass Ihnen etwas passiert. Zwangsrabatte, Minusrunden, Preisabsenkungen und Manipulationen an der Versicherungspflichtgrenze sind (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Herr Seehofer Musterbeispiele von Regulierungswut nach staatlichem ist bei einer Beerdigung! Schämen Sie sich!) Gutdünken, die keinen Ausweg aus der Misere aufzei- gen. Gestern erklärte Herr Seehofer in der „Frankfurter Rundschau“, dass er aufgrund der konjunkturellen Lage (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten einen Beitragssatzanstieg um 0,3 Prozent befürchte. Sie der CDU/CSU) bewirken mit Ihrem heute vorgelegten Gesetzentwurf Diese Ergebnisse sind Gift für den notwendigen Um- aber genau das, was er befürchtet. Wenn wir Ihrem Ge- bau des Gesundheitssystems. Es muss endlich mit Geset- setz zustimmen würden, dann würden die Beitragssätze zen Schluss sein, die eben nicht in eine mittel- und lang- sicherlich um 0,3 Prozentpunkte steigen. Es ist schon fristig konsequente ordnungspolitische Linie eingebettet seltsam: Herr Seehofer befürchtet einen Beitragssatzan- sind. stieg und gleichzeitig würden Sie mit Ihrem Gesetzent- wurf genau das bewirken. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Seien Sie ehrlich! Sagen Sie den Menschen, wie man zu niedrigeren Beitragssätzen kommen kann! Dies wird Auf der Grundlage freiheitlicher Strukturen müssen Ei- nur gelingen, wenn wir den Leistungserbringern einiges genverantwortung, Wettbewerb und Transparenz die ent- abverlangen, wenn wir die Einnahmeseite in Ordnung scheidende Rolle spielen. Von diesen Zielen, Frau Minis- bringen und wenn wir uns auch trauen, bei den Struktu- terin, ist Ihr Beitragssatzsicherungsgesetz weit entfernt. ren im Gesundheitswesen endlich aufzuräumen. Das Deswegen fordere ich Sie auf: Ziehen Sie es zurück! heißt für uns: mehr Transparenz, mehr Wettbewerb und auch mehr Qualität. Insbesondere diejenigen Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die hier bereits im Dezember in persönli- Sie sind herzlich eingeladen, auf diesem Weg mitzu- chen Erklärungen mehr als nur ihr Unbehagen zum Aus- gehen. Wir erwarten von Ihnen mehr, als nur Nein zu sa- druck gebracht haben, gen, und mehr als nur populistische Anträge. (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wo sind sie denn?) Vielen Dank. sollten einmal über die heutige Situation nachdenken; (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ denn die Folgen dieses Gesetzes sind schon nach den (B) DIE GRÜNEN) ersten drei Monaten klar erkennbar: Die Umwälzung der (D) geringeren Spannen bei den Großhandelsrabatten auf die Präsident Wolfgang Thierse: Apotheken findet so statt, wie vorausgesagt. Die Apo- theken beklagen dramatische Einkommensverluste. Ich erteile das Wort Kollegen Detlef Parr, FDP-Frak- Erste Entlassungen sind erfolgt. tion. Dies ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Freibe- ruflichkeit – heute die Apotheker und morgen die nieder- Detlef Parr (FDP): gelassene Ärzteschaft. Dieser Eindruck verstärkt sich Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ddp mel- umso mehr, wenn man dem Glauben schenkt, was als det heute Morgen, dass die BKK für Heilberufe den Bei- Nächstes seitens der Bundesregierung geplant ist: die tragssatz von 13,9 auf 14,8 Prozent und dass Ford-BKK Freigabe des Versandhandels und die Aufhebung des den Beitragssatz von 13,8 Prozent auf 14,5 Prozent an- Fremd- und Mehrbesitzverbots. Diese Schritte haben gehoben haben. Allein der Begriff Beitragssatzsicherung noch einmal gravierende Folgen für die Apotheker- gaukelt uns etwas vor, was wir schon lange in der Ge- schaft. Hier wird ein ganzer mittelständischer Berufs- sundheitspolitik vermissen: Verlässlichkeit, Sicherheit stand in seiner Existenz bedroht, ohne dass plausibel und Vertrauen. wird, was Sie mit Ihren Änderungen verbessern wollen. Die Menschen spüren längst, dass in den letzten Wo- (Beifall bei der FDP – Peter Dreßen [SPD]: chen nichts mehr sicher ist und dass auf immer weniger Was ist mit der Liberalität?) Verlass ist. Das Vertrauen in die Bundesregierung geht mehr und mehr verloren. – Je mehr Sie schreien, desto mehr zeigen Sie, wie dünn- häutig Sie geworden sind. Sie wissen doch nicht, welche (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wege die richtigen sind. der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Was macht denn die FDP?) Zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion – den Gesetzent- wurf haben wir gemeinsam eingebracht –: Sie fordern – Ich sage Ihnen gleich, was die FDP macht. – Das ist die Zurücknahme des gesamten Gesetzes. Dem stimmen ausgerechnet in Zeiten der Fall, in denen die Motivati- wir natürlich zu. Nullrunden in den Krankenhäusern so- onslage der Beschäftigten im Gesundheitswesen ohnehin wie bei Vergütungen von Ärzten und Zahnärzten, gegen null tendiert. Immer wieder müssen die Akteure Zwangsrabatte und Preisabsenkungen bei den Zahntech- im Gesundheitswesen und die Patienten für Ihre ver- nikern lehnen wir natürlich genauso wie Sie ab. Wir den- fehlte Politik den Kopf hinhalten. ken jedoch, dass die Rückführung in den Zustand vom 3154 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Detlef Parr (A) 31. Dezember 2002 allein nicht die Lösung sein kann. anstalt für Krankheitsverwaltung – nicht zustimmen. Das (C) Wir brauchen eine grundlegende Reform vor allem auf ist der Ausbau von Staatskontrolle pur. der Finanzierungsseite des Gesundheitssystems. Nur da- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) durch können wir willkürliche und arbeitsplatzgefähr- dende Kostendämpfungsmaßnahmen aufheben. Ein zweites Beispiel: Wir können keine schleichende Die FDP nimmt natürlich mit Freude zur Kenntnis, Auszehrung der ambulanten fachärztlichen Versor- gung akzeptieren. dass sich mittlerweile Begriffe wie mehr Eigenverant- wortung, höhere Transparenz und mehr Wettbewerb als (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten liberale Zielvorgaben überall wiederfinden. Letztlich der CDU/CSU) bleibt aber die spannende Frage, was sich hinter diesem Reformkonzept tatsächlich verbirgt. Die Freiberuflichkeit ist ein wichtiges Element unserer Grundordnung. Sie dürfen sie nicht antasten. Was sind wir in der Vergangenheit gescholten wor- den, als wir eine stärkere Eigenverantwortung durch (Peter Dreßen [SPD]: Das machen wir auch höhere Selbstbehalte gefordert haben! Nun spricht sich nicht!) sogar der Kanzler für Anreize im Hinblick auf die Versi- Es gibt zu unseren Reformvorschlägen, die ich Ihnen cherten aus, die zu einem eigenverantwortlichen Um- dargestellt habe, nur die Alternative, wie sie heute in der gang mit der Gesundheit und den Ressourcen führen sol- Meldung von ddp angedeutet wird: steigende Beiträge len. Er gibt sich hart in der Sache: Die Linie sei bei rationierten Leistungen. Das müssen wir den Men- beschlossen; nur über Details könne noch gesprochen schen erklären. Dann können wir sie auf neue Wege mit- werden. Nach solchen Sprüchen kennen wir bisher ei- nehmen. Ich denke, wir sollten dem Einzelnen sehr viel gentlich nur ein Ergebnis: Die viel versprechenden mehr zutrauen, als Sie das hier tun. Der Weg über den Überschriften bleiben; der Inhalt wird verunklart und Staat ist keine Lösung. verwässert; die Ursprungslinie geht verloren. Das ist zu wenig. ( [SPD]: Das ist kein Zutrauen! Das sind Zumutungen!) Wir können uns um die Beantwortung der Kernfrage nicht länger drücken: Wer steuert zukünftig das System: – Sie sprechen von Zumutungen und damit diskreditie- der Versicherte bzw. der Patient oder der Staat? ren Sie alle vernünftigen Vorschläge zur Gesundheitsre- form. Diese werden damit totgeschlagen und damit ge- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!) hen Sie den falschen Weg. Die FDP hat sich klar positioniert. Wir wollen die Ent- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (B) scheidung, was über die eigentliche Grundversorgung (D) hinaus wie finanziert werden soll, den Versicherten und Präsident Wolfgang Thierse: den Krankenkassen im Wettbewerb überlassen. Ledig- lich der Arbeitgeberanteil wird eine festgeschriebene Nun hat Kollegin Birgitt Bender, Fraktion des Größe. Dann ist es Sache der Krankenkassen, unter dem Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort. Dach eines Beitragssatzes von 13 Prozent zu entschei- den, welche Leistungen sie anbieten, ob und wie sie Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Leistungen ausgliedern oder ob sie Zusatzleistungen zu- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Lä- lasten der Arbeitnehmer finanzieren wollen. Warum soll den kann man Osterhasen kaufen; aber bei der CDU/ hier die Politik entscheiden, was Angebot und Nachfrage CSU ist Weihnachten. Der Kollege Storm kommt als besser regulieren können? Weihnachtsmann mit einem Sack voller Geschenke da- Es wird Leistungen geben, die die Versicherung im her und packt sie aus. Rahmen einer Pflicht zur Versicherung gewährleisten (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist der Ni- muss, zum Beispiel beim Krankengeld, beim Schutz vor kolaus! – Detlef Parr [FDP]: Sie haben zu Unfällen und bei der Zahnbehandlung. Es wird Leistun- Weihnachten das Gesetz verabschiedet!) gen geben, deren Streichung eine Krankenkasse erwägen kann, um die Beiträge stabil zu halten, zum Beispiel die Zunächst einmal haben wir innerhalb der Opposition Erstattung von Fahrtkosten. Die Versicherten – wir soll- eine Koalition, was die Entlastung des Pharmagroßhan- ten ihnen einfach mehr zutrauen – werden schon das für dels angeht. Wenn Sie Wohltaten für die Apotheker aus- sie günstigste Paket aussuchen. Das tun sie ja auch in an- schütten wollen, dann sollten Sie den Apothekern einmal deren Versicherungsbranchen. erklären, wieso die Aufhebung des Großhandelsrabattes bei den Apotheken ankommen soll. Mit Bedauern stellen wir fest, dass die Gesundheits- ministerin ihre Reformüberlegungen im Ausgaben- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben es bereich anscheinend bereits abgeschlossen hat. Damit noch nicht kapiert! – Detlef Parr [FDP]: Völli- würden natürlich notwendige Kompromisse – Frau ger Realitätsverlust, Frau Kollegin!) Caspers-Merk, Sie haben den Vermittlungsausschuss an- Der Großhandel wird Ihnen etwas anderes erzählen. gesprochen – schwieriger bis unmöglich werden. Die FDP kann zum Beispiel der Schaffung eines völlig über- Im Übrigen hat die Frau Staatssekretärin zur Umsatz- flüssigen Zentrums für Qualität in der Medizin – der entwicklung bei den Apotheken unter Berücksichtigung Bundesärztekammerpräsident spricht von einer Bundes- aller Rabatte bereits Ausführungen gemacht. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3155

Birgitt Bender (A) Aber die CDU/CSU hat noch mehr im Sack – wie ich Jetzt reden wir einmal darüber, wie es bei Ihnen um (C) höre, Herr Parr, ist die FDP Seit an Seit –: Sie wollen die weitere Maßnahmen bestellt ist, um die Beiträge zu sen- Nullrunde bei den Krankenhäusern aufheben. ken. Ich höre mit Interesse, dass Sie auch für die Steuer- finanzierung versicherungsfremder Leistungen sind. (Detlef Parr [FDP]: Das ist eine Minusrunde!) Das ist schön. Ich bin aber neugierig, woher wir Ihrer Sie wollen die Nullrunde bei den Ärzten und bei den Meinung nach die dafür notwendigen Steuermittel in Zahnärzten aufheben. Sie wollen die Anhebung der Ver- Höhe von 4 Milliarden Euro nehmen sollen und in wel- sicherungspflichtgrenze, die Halbierung des Sterbegeldes chem Zeitraum das geschehen soll. Darüber werden wir und die Preisnachlässe bei Zahntechnikern und Apothe- uns zu verständigen haben. ken, beim Pharmagroßhandel und bei der Pharmaindus- trie rückgängig machen. Ich habe noch nichts dazu gehört, ob Sie für eine er- weiterte Beitragsbemessungsgrundlage durch Einbe- Nun ist die Bescherung immer schön für die Be- ziehung der Zins- und Mieteinkünfte sind, denn das schenkten; die freuen sich darüber. Der Applaus ist Ih- würde etwas bringen. Ich habe auch noch nichts dazu ge- nen auf vielen Veranstaltungen, die wir zum Teil ge- hört, ob Sie für die Einbeziehung gut verdienender Al- meinsam abhalten, sicher; möge es denn so sein. Aber, leinverdienerehen in die gesetzliche Krankenversiche- Herr Kollege Storm, was ist der Preis dafür? Der Preis rung sind. Auch das würde etwas bringen. Ich höre für Ihre Politik ist auf der einen Seite schneller Beifall lediglich, dass Sie für Leistungsausgrenzungen sind. Als – gewiss –, aber auf der anderen Seite, dass der Kran- Beispiel nennen Sie immer den Zahnersatz. Dazu habe kenkassenbeitrag Ende des Jahres nicht bei knapp ich vorhin schon etwas gesagt. 15 Prozent liegen, sondern noch einmal um 0,3 Prozent höher ausfallen wird. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie nennen das Krankengeld!) Sie aber machen noch weitere Versprechungen. Den Krankenhäusern versprechen Sie nicht nur die Aufhe- Der Kanzler hat angekündigt, bung der Nullrunde, sondern zusätzliche 1,7 Milliar- (Detlef Parr [FDP]: Was?) den Euro für zusätzliche Stellen. Da kann ich nur fragen: Wie in aller Welt wollen Sie es erreichen, dass die Kran- das Krankengeld allein durch die Versicherten finanzie- kenversicherungsbeiträge auf 13 Prozent sinken? Das ist ren zu lassen. mir völlig schleierhaft. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und die Grü- (Andreas Storm [CDU/CSU]: Zuhören!) nen?) Es gibt zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder Dazu möchte ich gern wissen: Sind Sie dafür (B) (D) blenden Sie dieses Ziel einfach aus und betreiben Popu- lismus – dann muss man den Leuten aber sagen, dass die (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie sind doch Rechnung dafür hinterher kommt; Sie glauben wohl, Sie an der Regierung! Das haben Sie noch gar könnten dann auf die böse Regierung verweisen, aber so nicht gemerkt!) dumm sind die Leute nicht – oder bleibt es beim Mäkeln? Es handelt sich um eine klar (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgrenzbare Leistung. Das Krankengeld eignet sich gut und bei der SPD) für eine Leistungsausgrenzung im Interesse einer kurz- fristigen Senkung der Beiträge. Aber ich habe noch oder, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie nichts dazu gehört, ob Sie da eigentlich mitmachen, Frau wollen tatsächlich einen Beitragssatz in Höhe von Widmann-Mauz. 13 Prozent erreichen. Dann aber müssen Sie zur Kom- pensation Ihrer Zusatzversprechen zumindest die Leis- (Detlef Parr [FDP]: Haben Sie nicht zuge- tungen für Zahnersatz privatisieren. hört?) (Detlef Parr [FDP]: Was ist dagegen einzu- Im Gegenteil, es wird immer daran herumgemäkelt. wenden?) Jetzt nehmen wir einmal an, wir machen das alles. Sie Damit sind die Beiträge jedoch noch nicht einmal um ein brauchen für die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnah- zehntel Prozent gesunken, aber Sie haben den Versicher- men doch insgesamt ein sehr viel größeres Finanzie- ten schon die zusätzlichen Kosten für die private Absi- rungsvolumen. cherung des Zahnersatzes aufgebrummt. Sie müssen den (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wie Leuten klar sagen, erklären Sie das den Beamten?) (Detlef Parr [FDP]: Das stimmt doch gar Woher wollen Sie das Geld denn nehmen oder sieht Ihre nicht! – Andreas Storm [CDU/CSU]: Was ma- Taktik vielleicht so aus: Es wird nicht nur das Kranken- chen Sie mit dem Krankengeld?) geld, sondern außerdem noch der Zahnersatz aus der dass dieser zusätzlichen Belastung überhaupt keine Ent- Krankenversicherung herausgenommen? Oder gilt das lastung gegenübersteht. vielleicht sogar für die gesamte Zahnbehandlung, und das Ganze noch mit deutlich erhöhten Zuzahlungen? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Thomae (Detlef Parr [FDP]: Ein bisschen Zuhören tut [FDP]: Wie sieht es mit dem Krankengeld aus?) gut!) 3156 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Birgitt Bender (A) Das Ganze nennt man dann Eigenverantwortung. Ist das kern aussieht und was die nackten Zahlen sind. Das tut (C) Ihr Kurs? Dazu sage ich: Das ist eine Kampfansage an mir Leid. das Solidarsystem. Das werden Sie mit uns nicht errei- chen. Frau Bender, Sie haben gefragt, was die Opposition will. Ich muss im Gegenzug vielmehr Sie fragen, was (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie wollen. Schließlich sind Sie an der Regierung. Des- und bei der SPD) halb müssen Sie das zuerst sagen. Die Leistungsanbieter schonen und ihnen nicht ein- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- mal Wettbewerb zumuten, aber alle Finanzierungsnot- neten der FDP) wendigkeiten über zusätzliche Belastungen der Versi- cherten und Kranken lösen, meine Damen und Herren Aber zurück zu Ihrem Gesetz, über das wir heute dis- von der CDU/CSU und der FDP, kutieren. Sie haben eben über alles Mögliche gespro- chen, nur nicht über das Thema, das heute auf der Tages- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Was wollen die ordnung steht. Grünen denn?) (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kann nicht der Weg sein. Das sage ich Ihnen sehr deut- NEN]: Oh doch!) lich. Herr Parr, Sie sagen, man brauche eine ordnungspoli- Sie wissen genau, dass Ihr Beitragssatzsicherungsgesetz, tische Linie. Dazu kann ich nur sagen: in der Tat. Unsere wie es so schön heißt, zu schnell und unüberlegt durch- ordnungspolitische Linie ist gepeitscht wurde. (Detlef Parr [FDP]: Mehr Staat!) (Zuruf von der CDU/CSU: Und unehrlich!) der Wettbewerb im Solidarsystem. Es ist hochinteressant, daran zu erinnern, welche Be- gründung Sie damals angeführt haben, warum dieses (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Gesetz notwendig ist. Sie haben gesagt, man brauche das Volker Kauder [CDU/CSU]: Da lacht sogar die Beitragssatzsicherungsgesetz, um angesichts der Defi- Frau Bender!) zite der Krankenkassen die Beitragssätze zu stabilisie- Herr Dr. Thomae, wie ist es denn mit dem Wettbe- ren. Aber das Defizit haben doch nicht die Pflegekräfte, werb? Ich meine immer gehört zu haben, die FDP sei für die Apotheker oder die Zahntechniker zu vertreten; aus- Wettbewerb, für Deregulierung. Sie wolle, dass sich alle schließlich das Gesundheitsministerium ist dafür verant- entfalten können. Aber bei den Apothekern verteidigen wortlich. (B) Sie ein mittelalterliches Zunftsystem. Das ist doch er- (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- staunlich. neten der FDP – Zuruf des Abg. Peter Dreßen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN [SPD]) und bei der SPD) – Diesen Zwischenruf hätten Sie sich sparen können. Sie müssen etwas mehr Konsistenz in Ihre Politik hi- Das werde ich Ihnen nämlich beweisen: Die Gesund- neinbringen. Ich hoffe, dass wir dann wirklich zu einer heitsministerin hat durch politische Fehlentscheidungen, Reform kommen. die zu Verschiebebahnhöfen und zur Verschlechterung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf der Einnahmeseite geführt haben, dieses Defizit zu und bei der SPD – Dr. Dieter Thomae [FDP]: verantworten. Die Spitzenverbände der Krankenkassen Das war der grüne Vorschlag! – Detlef Parr haben darauf hingewiesen, dass sich allein im Jahr 2001 [FDP]: Keine Alternative!) aus politischen Entscheidungen Mehrbelastungen von über 5 Milliarden DM – damals gab es noch die alte Währung – ergeben haben. Hierzu zählt zum Beispiel die Präsident Wolfgang Thierse: Absenkung der KV-Beiträge für Arbeitslosenhilfeemp- Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Zöller, fänger und vieles mehr. Das Defizit ist also allein auf po- CDU/CSU-Fraktion. litische Fehlentscheidungen zurückzuführen. Können Sie mir einen Grund nennen, warum für diese Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Fehlentscheidungen die Apotheker, die Zahntechniker Grüß Gott, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und und die Pflegekräfte in Haftung genommen werden? Be- Kollegen! Wenn man gehört hat, was die Staatssekretä- vor man solche neuen Sparrunden verordnet, muss man rin und Frau Bender von den Grünen gesagt haben, kann doch seine politischen Hausaufgaben machen. Wenn Sie man nur zu dem Schluss kommen: Entweder haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht hätten, dann wüssten Sie, Wahrnehmungsstörungen oder Sie sind arrogant. Ich dass andere Maßnahmen vorgezogen werden müssten. fürchte, beides trifft auf Sie zu. Hierzu zählt zum Beispiel, die versicherungsfremden Leistungen aus der GKV herauszunehmen, die Verschie- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- bebahnhöfe, die in den letzten paar Jahren entstanden neten der FDP) sind, rückgängig zu machen, die Verwaltungskosten zu Denn Sie wollen nicht mehr zur Kenntnis nehmen, wie senken oder die Mehrwertsteuersätze auf Arzneimittel die Situation bei den Zahntechnikern und den Apothe- und im zahntechnischen Bereich zurückzunehmen. Erst Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3157

Wolfgang Zöller (A) wenn Sie diese Schritte getan haben, kann man glaubhaft das auf die Apotheker keine Auswirkungen haben wird. (C) über neue Sparrunden reden. Hierüber wird Sie der Kollege Bauer gleich völlig kos- tenlos aufklären. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Beitrags- satzsicherungsgesetz ist leider ein Paradebeispiel für Das Gesundheitsministerium hat uns damals wieder- willkürliche Sparrunden. holt falsche Zahlen vorgetragen. Wir werden sehen, dass die Auswirkungen auf die Apotheken doppelt so hoch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sein werden, wie Sie gesagt haben. Im Schnitt werden Verschlechterung der Versorgungsqualität, Gefährdung die Apotheken Einkommenseinbußen in Höhe von der wirtschaftlichen Grundlage der Leistungserbringer 35 Prozent zu verzeichnen haben. Bei manchen werden sowie Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze sind Folgen sie aber bis zu 70 Prozent hoch sein, da es auf den Stand- dieses Gesetzes. Am 11. November des letzten Jahres ort der Apotheken ankommt. Das ist ein Kahlschlag ers- haben auch etliche Kollegen von der rot-grünen Koali- ten Ranges und grenzt fast an Enteignung. tion erkannt, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Detlef Parr [FDP]: 49!) Lachen bei der SPD) dass es nicht der richtige Weg ist. – Es geht um Existenzen von Freiberuflern. Wie kann die Koalition über die Bedenken, die in diesem Hause Sie aber haben darauf bestanden, das, was Sie vorge- vorgetragen werden, lachen? schlagen haben, sei wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht. Was an diesem Gesetz wirtschaftlich vernünftig (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und sozial gerecht sein soll, müssen Sie mir einmal er- Darüber hinaus haben Sie in planwirtschaftlicher Ma- klären. Ich vermute, es wird wohl ewig Ihr Geheimnis nier zahlreiche Zahntechniker an den Rand des Exis- bleiben. Ein Beispiel mag das belegen: An der Preisge- tenzminimums getrieben und auch in diesem Bereich staltung im Arzneimittelbereich sind die Apotheken mit den Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen verursacht. rund 17 Prozent beteiligt. Die Einsparmaßnahmen bei Das ging bei Ihnen nach dem Motto: Eichel erhöht die den Apothekern betragen aber 80 Prozent. Ist das wirt- Mehrwertsteuer, dafür bittet die Gesundheitsministerin schaftlich vernünftig? Ist das sozial gerecht? Ich habe Schmidt die Zahntechniker zur Kasse. Was ist hier wirt- den Verdacht, dass hier eine Strafaktion gegen die Apo- schaftlich vernünftig? Was ist hier sozial gerecht? theker läuft, weil sie 7,7 Millionen Unterschriften gegen Ihr Gesetz zusammengetragen haben. Auch hierzu darf ich einen Kollegen von Ihnen zitie- (B) ren, der gesagt hat: (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, obwohl wir in Es ist klar, dass Gesetzesänderungen in einer parla- der überproportionalen Belastung des Zahntechni- mentarischen Demokratie an der Tagesordnung sind, kerhandwerks ernsthafte Probleme sehen. Wenn weil eben auch auf gesellschaftliche Entwicklungen dieser Handwerkszweig zum einen durch die Mehr- Rücksicht genommen werden muss. In diesem Fall wertsteuererhöhung und zum anderen durch die haben wir es aber mit einem Gesetz zu tun, dessen gesetzliche Absenkung der Preise um 5 Prozent be- Scheitern und Sinnlosigkeit selbst zahlreiche Abgeord- lastet wird, werden zahlreiche Arbeits- und Ausbil- nete Ihrer Koalition frühzeitig vor der Abstimmung im dungsplätze, ganz besonders in den neuen Bundes- Bundestag erkannt haben, ländern, auf diese Weise infrage gestellt. (Detlef Parr [FDP]: So ist es!) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Recht hat er!) was sich in persönlichen Erklärungen widerspiegelt. Ich Meine sehr geehrten Damen und Herren, schade ist darf auszugsweise zitieren: „Wir bedauern, dass es nicht nur, dass Sie nicht bereits damals Ihrer Erkenntnis ge- mehr gelungen ist, eine Alternative für die jetzt festge- mäß gehandelt haben. Hätten Sie Ihre Erkenntnis damals schriebene Lösung zu finden.“ – „Wir stimmen dem Ge- wirklich ernst gemeint, hätten Sie dieses Gesetz ableh- setzentwurf ... nur mit Bedenken zu.“ – „Ich ... stimme nen müssen. dem vorliegenden Gesetzentwurf nur schweren Herzens zu ...“ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, so was! – Detlef Die zwischenzeitliche Entwicklung der sozialpolitischen Parr [FDP]: Mir kommen die Tränen!) Realität hat unsere Argumente und leider auch Ihre Be- denken bestätigt. Deshalb wäre es eigentlich eine logi- Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns allen ist sche Konsequenz, wenn Sie diesem Gesetzentwurf in der bekannt, dass es in der Verantwortung der Bundesregie- zweiten und dritten Lesung zustimmen würden. rung liegt, die bedrohlichen Folgen dieses Gesetzes be- sonders für Apotheker, Krankenhäuser, Vertragsärzte Lassen Sie mich mit einem Satz schließen: Einen Feh- und auch Zahntechniker wahrheitsgemäß darzustellen ler zu machen ist menschlich, aber auf Fehlern zu beste- und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Die hen ist töricht. erste Konsequenz wäre zum Beispiel, die Regelungen zum Großhandelsrabatt zu korrigieren. Sie sagen, dass (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 3158 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

(A) Präsident Wolfgang Thierse: (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Mit wem reden (C) Ich erteile der Kollegin Marlies Volkmer, SPD-Frak- Sie denn in der Bevölkerung?) tion, das Wort. Sie formulierten Ihren Gesetzentwurf und Ihren Antrag also aufgrund von Hörensagen. Das nenne ich man- Dr. Marlies Volkmer (SPD): gelnde Ernsthaftigkeit. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl am Gesetzentwurf als auch am Antrag der Opposition Präsident Wolfgang Thierse: fällt mir vor allem eines auf: Sämtliche Interessengrup- Kollegin Volkmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage pen im Gesundheitswesen haben sich offensichtlich mit der Kollegin Widmann-Mauz? Erfolg auch an Sie gewandt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, an so viel Lobbyarbeit Dr. Marlies Volkmer (SPD): werden Sie sich verheben. Nein, danke schön. – Angesichts der Auswirkungen, (Peter Dreßen [SPD]: Ja!) die Ihr Antrag im Erfolgsfalle für die Finanzen der ge- Das würde dann genauso wie während Ihrer Regierungs- setzlichen Krankenversicherung hätte, ist Ihr Handeln zeit aussehen: Die Umsätze und die Gewinne – ich weiß unverantwortlich. Schon die langfristigen Erhebungen sehr wohl den Unterschied zwischen Umsatz und Ge- des Statistischen Bundesamtes zur Einkommensentwick- winn – lung der Berufsgruppen im Gesundheitswesen weisen darauf hin: Die Beschwerden der Apotheken sind zumin- (Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Wenigstens dest im Durchschnitt Jammern auf hohem Niveau. einer bei euch!) Die Apotheken haben nicht nur in der Vergangenheit stiegen und stiegen, aber für den Zahnersatz bei den Ver- von den steigenden Arzneimittelausgaben in der gesetz- sicherten reichte es nicht mehr. lichen Krankenversicherung kräftig profitiert. Auch ganz aktuell steigen trotz Erhöhung des Apothekenrabatts die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Umsätze. Herr Kollege Zöller, der weitaus größte Teil der in der (Andreas Storm [CDU/CSU]: Die Umsätze!) Tat zu beklagenden Verschiebebahnhöfe zulasten der ge- setzlichen Krankenversicherung von mehr als 30 Milli- Seit vorgestern wissen wir: Im Vergleich zum Vorjahres- arden Euro ist in Ihre Regierungszeit gefallen. Das ver- monat stieg der Gesamtumsatz des deutschen Apothe- gessen Sie immer zu sagen. kenmarktes nach Angaben von IMS Health im Januar (B) 2003 um 5,5 Prozent, im Februar sogar um 9,4 Prozent. (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Selbstverständlich hat der Umsatz auch etwas mit dem des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gewinn zu tun. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, das ge- hört mit dazu! – Erika Lotz [SPD]: Damals ha- (Zuruf von der CDU/CSU: Ehrlich?) ben Sie nichts gesagt!) Die Abrechnung je Apotheke mit der gesetzlichen Kran- Sie sollten Ihren Antrag zurückziehen. Sie verlangen kenversicherung stieg noch bis zu 2,3 Prozent. Diese die Rücknahme sämtlicher Maßnahmen des Beitrags- Zahlen geben keinen Anlass, das Beitragssatzsiche- satzsicherungsgesetzes. Aber Sie sagen nicht, wie Sie rungsgesetz zurückzunehmen. das gegenfinanzieren wollen. (Detlef Parr [FDP]: Das ist weiße Salbe! – Ge- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Was sagen Sie den genruf des Abg. Klaus Kirschner [SPD]: Ver- Apothekern in den neuen Bundesländern?) schreibungsfrei!) Dabei beklagen Sie auf der anderen Seite die steigenden Der Versuch des Arzneimittelgroßhandels, seinen An- Beitragssätze. Das ist eine völlig unseriöse Vorgehens- teil an der Stabilisierung der Arzneimittelausgaben auf weise. die Apotheken abzuwälzen, ist zumindest gebremst wor- den. Die Bundesregierung hat in nachdrücklichen Ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sprächen die Zusage erhalten, dass der Großhandel ei- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gene substanzielle Sparbeiträge erbringt. Ich will die Aufforderung, Ihre Vorschläge zurückzuzie- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aha!) hen, an zwei Beispielen deutlich machen. Der Großhandelsabschlag lag nach Angaben des Apo- Erstens. Sie behaupten, die Apotheken hätten erheb- thekenverbandes vom 2. April in den Monaten Januar liche Einkommenseinbußen infolge des Beitragssatz- und Februar 2003 bei 489 Millionen Euro. sicherungsgesetzes. (Andreas Storm [CDU/CSU]: Sie zitieren (Andreas Storm [CDU/CSU]: So ist es!) nicht vorhandene Zahlen!) Tatsächlich lagen bis zum 2. April keine einigermaßen Die Apotheken wurden also nicht mit dem gesamten verwertbaren Zahlen über die konkreten Auswirkungen Großhandelsrabatt von 600 Millionen Euro belastet, wie des Gesetzes vor. die Opposition in ihrem Gesetzentwurf behauptet. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3159

Dr. Marlies Volkmer (A) Zur Frage der Auswirkungen auf die freiwillig ge- Die aktuelle Verschlechterung der Finanzsituation der (C) währten Rabatte des Großhandels möchte ich anmer- gesetzlichen Krankenversicherung – das wissen Sie so ken: Vor dem Beitragssatzsicherungsgesetz wurde die gut wie wir alle – ist der gegenwärtigen konjunkturellen Existenz von Rabatten zum Teil bestritten oder deren Schwäche geschuldet. Bedeutung als marginal hingestellt. Plötzlich sollen an diesem Phantom zahllose Existenzen hängen. Dabei (Detlef Parr [FDP]: Das ist eine schöne wird nicht redlich argumentiert; das bringt uns nicht wei- Ausrede!) ter. Marktlich ausgehandelte Rabatte können und sollen Mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz haben wir eine nicht Gegenstand der Abführung an die gesetzliche unvermeidliche Ausgabenbremse in die gesetzliche Krankenversicherung sein. Die Apotheken haben jetzt Krankenversicherung eingebaut. Mit unserem neuen Ge- die Chance, ihre Marktmacht zu nutzen und neue Ra- setz zur Modernisierung des Gesundheitssystems wer- batte auszuhandeln. den wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass zu- Wir alle wissen, dass die jetzige Regelung mit dem künftig die Gesundheitsversorgung mit mehr Qualität Beitragssatzsicherungsgesetz nur vorübergehender Natur und Effizienz erbracht wird. Die Eckpunkte machen ist. klar, dass es mit lieb gewonnenen Besitzständen ein Ende haben wird. Es ist schon klar, dass die Interessen- (Detlef Parr [FDP]: Aha, jetzt wird es gruppen versuchen, in die günstigste Ausgangsposition spannend!) zu kommen. Das bestätigt aber nur unseren Ansatz. Mit einer Neuordnung der Vertriebsstrukturen und der Unser Gesundheitswesen muss effizient und von ho- Preisbildung bei Arzneimitteln einschließlich der Rabat- her Qualität, also nachhaltig sein. Nur so kann allen tierungen muss eine zukunftsweisende verlässliche Lö- unabhängig vom Einkommen auch das medizinisch sung gefunden werden. Notwendige zur Verfügung stehen. Wir wollen die Mit- (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Können Sie das wirkungsrechte der Versicherten stärken und gesund- noch einmal wiederholen?) heitsbewusstes und kostenbewusstes Verhalten beloh- nen. Das ist etwas ganz anderes als Ihre Vorstellung von – Das wissen Sie doch; das ist nicht neu. Das ist schon Eigenverantwortung des Patienten, Herr Parr. Ihre Vor- bei der Einbringung des Beitragssatzsicherungsgesetzes stellung von Eigenverantwortung ist der Griff ins Porte- von der Ministerin gesagt worden. monnaie. (Klaus Kirschner [SPD]: Herr Kollege Thomae kann das nachher im Protokoll nach- (Detlef Parr [FDP]: Und was sagt Herr lesen!) Schröder?) (B) (D) Zweitens. Was Sie den einen vorauseilend nach dem – Herr Schröder hat nichts anderes gesagt. Munde reden, das wollen Sie von den anderen gar nicht hören: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat die (Beifall bei der SPD) Union mehrfach gebeten, die Verlängerung des Options- Meine Damen und Herren von der Opposition, sparen modells zu ermöglichen und dem 12. SGB-V-Ände- Sie Ihre Kräfte und wirken Sie bei der Modernisierung rungsgesetz zuzustimmen. mit! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber nicht bei Sie sind gegen die Nullrunde in allen Bereichen. Sie der Staatsmedizin!) könnten den Krankenhäusern, die vorzeitig bereit sind, auf das neue Vergütungssystem umzustellen, also auf die – Lassen Sie diese Rückzugsgefechte und den Quatsch DRGs, zu der Ausnahme von der Nullrunde verhelfen. mit der Staatsmedizin. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir können (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist leider allen zu etwas verhelfen!) Wirklichkeit. Deshalb müssen Sie dagegen Gleichzeitig könnten Sie zur Beschleunigung der über- sein!) fälligen Änderung der Krankenhausfinanzierung beitra- Ich habe Staatsmedizin erlebt. Das ist etwas völlig ande- gen. Sie haben vorhin selbst gesagt, Sie seien für mehr res als das, was im Gesundheitsstrukturgesetz vorgese- Transparenz im Gesundheitswesen. Gerade die Einfüh- hen ist. rung der DRGs ist ein ganz wesentlicher Schritt dahin. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Aber auch diese sinnvolle Regelung fällt Ihrem Gesamt- Regen Sie sich nicht so auf! Schon nächste Woche haben kalkül zum Opfer. Sie wollen einfach blockieren, Sie Sie im Vermittlungsausschuss Gelegenheit, konkrete Än- wollen nicht mitmachen; sonst würden Sie sich im Ver- derungen vorzuschlagen. Nutzen Sie sie und bringen Sie mittlungsausschuss anders verhalten. doch bitte zur Abwechslung einmal einen Finanzie- rungsvorschlag mit! (Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Sie müssen sich einmal ein anderes Ar- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gument einfallen lassen!) DIE GRÜNEN) 3160 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

(A) Präsident Wolfgang Thierse: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle- Frau Kollegin, Ihre Zeit ist abgelaufen. gin Annette Widmann-Mauz, CDU/CSU-Fraktion. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber nur die Redezeit!) Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Kollegin Volkmer, nachdem Sie Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, sehe ich Gut, dann komme ich auch zum Ende. mich veranlasst, einige Aussagen richtig zu stellen. Zu- nächst einmal behaupten Sie, es gebe keine verlässlichen (Beifall bei der CDU/CSU) Daten, um eine Bewertung, was die Auswirkungen auf die deutsche Apothekerschaft durch das Beitragssatz- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sicherungsgesetz anbelangt, vorzunehmen. Wenige Sätze später aber bringen Sie dann Daten. Es kann nur eines Frau Kollegin Volkmer, bitte, Sie haben Gelegenheit stimmen. zu antworten. Aber im Grunde braucht man diese Daten gar nicht, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihre Zeit ist denn die Auswirkungen vor Ort sind ganz eklatant. Ich auch abgelaufen!) möchte Ihnen einmal ein Beispiel aus einer Stadt und ei- nem Landkreis in unserem Land nennen. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich frage Sie einfach einmal von Frau zu Frau, wie Frau Widmann-Mauz, wenn Sie mir richtig zugehört Sie Folgendes bewerten: In der Stadt Bonn sind allein hätten, hätten Sie bemerkt, dass ich gesagt habe, dass bis seit Januar dieses Jahres 130 Entlassungen in den Apo- zum 2. April keine einigermaßen verwendbaren Daten theken vorgenommen worden. vorlagen. Sie haben Ihren Gesetzentwurf und Ihren An- trag bereits im März eingebracht, da lagen uns die Daten (Detlef Parr [FDP]: Frauenarbeitsplätze!) in der Tat noch nicht vor. Bis zur Jahresmitte wird es 220 Entlassungen, insbeson- Damals konnten Sie nur vom Hörensagen oder von dere bei den PTAs – das sind in erster Linie Frauen –, ge- Einzelbeispielen ausgehen, aber ich kann Ihnen auch an- ben. ders lautende Einzelbeispiele vortragen. Betrachten Sie beispielsweise die effektiven Arzneimittelausgaben (Detlef Parr [FDP]: So ist es!) der GKV in Koblenz, hier gab es eine Steigerung zum Im gesamten Rhein-Sieg-Kreis, und zwar links- und Vorjahr in Höhe von 3,92 Prozent. (D) (B) rechtsrheinisch, gab es in den ersten zwei Monaten 160 (Andreas Storm [CDU/CSU]: Was ist mit der Entlassungen. Davon waren vor allem Frauenarbeits- Ertragssituation? Es geht nicht um den Um- plätze betroffen, liebe Frau Volkmer. Das sind die ganz satz! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Es gibt konkreten Auswirkungen Ihres Gesetzes. In den neuen Brutto und Netto! Es gibt Umsatz und Ge- Bundesländern, aus denen Sie kommen, ist es mindes- winn!) tens genauso dramatisch. Wenn Sie die effektiven Arzneimittelausgaben der GKV (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto in Rheinhessen zur Grundlage nehmen, dann sehen Sie, Solms) dass diese eine Steigerung von 1,73 Prozent verzeich- Es kann doch nicht sein, dass Sie sagen, zunächst ein- nen. Ich könnte Ihnen noch viele Beispiele nennen. mal machen wir eine Struktur, die sich bewährt hat, ka- (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das ist putt und nehmen die Entlassungen und weiter steigende doch keine Aussage!) Arbeitslosenzahlen in Kauf, um dann eine Neuordnung vorzunehmen. So kann es nicht funktionieren. – Natürlich ist das eine Aussage. Sie werden doch nicht behaupten wollen, dass das keine Auswirkungen auf die Außerdem sind Sie uns eine Antwort auf die drängen- Gewinne in den Apotheken hat. den Fragen, die die Bevölkerung an die Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion richtet, schuldig geblieben. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn es so Über 150 Kolleginnen und Kollegen der Regierungs- wäre, müssten die Apotheker Lobbriefe schrei- fraktionen haben sich in konkreten Schreiben an die ben!) deutschen Apotheker gewandt und zum Ausdruck ge- Zu dem Thema Kündigungen will ich Ihnen sagen: bracht, dass sie mit diesem Gesetz und seinen Auswir- Es ist in der Tat so – das haben auch die Angestellten in kungen auf die Apothekerschaft nicht leben können. den Apotheken beklagt –, dass die Arbeitgeber voraus- (Andreas Storm [CDU/CSU]: Und jetzt verste- eilend Kündigungen vorgenommen haben. Wir müssen cken sie sich!) aber bedenken: Das Gesetz gilt erst seit dem 1. Januar, offensichtlich gelten in den Apotheken überhaupt keine Diese Kollegen haben einen Grund für ihre Anschrei- Kündigungsfristen. Auch darüber ist vielleicht einmal ben und Sie tun hier so, als sei nichts davon richtig. Klä- nachzudenken. ren Sie also diesen Dissens erst einmal in Ihrer eigenen Fraktion; denn es ist dringend notwendig, dass wir zu ei- (Beifall bei der SPD – Dr. Dieter Thomae ner Veränderung kommen. [FDP]: Das sagen Sie einmal in den neuen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3161

Dr. Marlies Volkmer (A) Bundesländern! – Zuruf von der CDU/CSU: verlusten bei der gesetzlichen Krankenkasse geführt ha- (C) Wenn das alles ist!) ben, zum Beispiel die Absenkung der Krankenversiche- rungsbeiträge für Arbeitslosenhilfeempfänger. Auch an Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: anderer Stelle – das sollte nicht unerwähnt bleiben – hat die Bundesregierung tief in die Taschen der Versicherten Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. gegriffen. Ich nenne als konkretes Beispiel die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Zahnersatz von 7 auf Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): 16 Prozent. Nun könnte man in diesem Zusammenhang Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- die Frage stellen, ob es sich hierbei um eine Steuerhar- ren! Das Bundesverfassungsgericht lehnte gestern einen monisierung im Rahmen der EU gehandelt habe. Aber Eilantrag von vier Pharmaunternehmen ab, die das Glei- nein: Nachforschungen ergeben, dass in Europa außer in che wollten wie Sie in Ihrem Antrag, über den wir heute Deutschland nur in Dänemark und Österreich der Stan- sprechen, nämlich das rot-grüne Beitragssatzsicherungs- dardmehrwertsteuersatz für Arzneimittel erhoben wird. gesetz aufheben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir als PDS im Bundestag haben auch gegen dieses Gesetz gestimmt, allerdings nicht, weil wir uns um die Frau Lötzsch, kommen Sie bitte zum Schluss. Profite der großen Pharmakonzerne Sorgen machen, sondern weil wir einen sozialen Staat wollen, einen Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Staat, der nicht die Krankenkassen aussaugt und nicht die Gesundheitslasten auf die Patientinnen und Patienten Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Vielen Dank für und die Beschäftigten im Gesundheitswesen abwälzt. den Hinweis. – In vielen Ländern, zum Beispiel in Groß- britannien und Schweden, wird auf verschreibungs- (Beifall der Abg. [fraktionslos]) pflichtige Arzneimittel gar keine Steuer erhoben. Wir haben schon damals gesagt, dass sich die für Die Grundsätze für unser Gesundheitssystem – das ist 2003 vorgesehene Nullrunde bei der Finanzierung der mein letzter Satz, Herr Präsident – müssen lauten: ers- ambulanten und stationären Versorgung in jedem Fall tens die solidarische Versicherung des Krankheitsrisikos; negativ auf die Behandlung kranker Menschen auswir- zweitens die paritätische Finanzierung durch Unterneh- ken wird. Vor allen Dingen in den Krankenhäusern, in men und Beschäftigte und drittens ein umfangreicher denen es schon heute für Ärzte und Schwestern oft uner- Leistungskatalog für alle Menschen unabhängig von ih- trägliche Arbeitsbelastungen gibt, werden Personalab- rem eigenen Krankenversicherungsbeitrag. bau, Arbeitsverdichtung und Tarifdruck weiter zuneh- (B) men. Das betrifft besonders jene Ärzte, die – das ist in Das Einnahmeproblem muss gelöst werden. Die (D) Ostdeutschland häufiger der Fall – seit längerem kein Wege sind beschrieben. angemessenes Einkommen erzielen. Die Frustration Vielen Dank. wächst. Das kann für die Patientinnen und Patienten nicht gut sein. (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) Die Behauptung, dass das bestehende Gesundheits- system nicht länger finanzierbar sei, ist oft wiederholt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: worden. Im Wochenbericht Nr. 7 dieses Jahres des Deut- Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Wolf Bauer schen Instituts für Wirtschaftsforschung wird jedoch von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. nachgewiesen, dass der Anteil der Gesundheitsausga- ben am Bruttoinlandsprodukt seit vielen Jahren relativ (Beifall bei der CDU/CSU) konstant sei. Das heißt, selbst das von vielen kritisierte System wäre unter den gegebenen Bedingungen finan- Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): zierbar. Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Meine Das auffällige Steigen der Beitragssätze in der ge- Kollegen haben bereits eingehend erläutert, warum wir setzlichen Krankenversicherung hat andere Ursachen. das Gesetz der Koalition ablehnen. Sie haben auch da- Es ist auf das Zurückbleiben der gegenwärtigen Bemes- rauf hingewiesen, dass es für die Zielsetzung, die Bei- sungsgrundlagen der Beiträge, nämlich der Bruttolohn- tragssätze einigermaßen in den Griff zu bekommen, un- und -gehaltssumme, zurückzuführen. Dieser Rückgang tauglich ist. Insofern muss ich mich dazu nicht äußern. ist nicht gottgegeben, sondern teilweise von der Bundes- regierung selbst verursacht. Ich nenne als Beispiele nur Ich möchte aber – weil der Kollege Zöller um kosten- die Auswirkungen der Umsetzung des Hartz-Konzepts, lose Aufklärung gebeten hat – auf einige andere Punkte Minijobs und Leiharbeit. Das hat negative Auswirkun- eingehen. Jeder, der sich in marktwirtschaftlichen Fragen gen auf die Einnahmen der Krankenkassen. Jeder kann einigermaßen auskennt, weiß, dass der pharmazeutische sich an fünf Fingern abzählen, dass billige Leiharbeiter Großhandel den von der Regierung geforderten Sparbei- weniger in die Krankenkassen einzahlen als die „teure“ trag gar nicht aufbringen kann. Das liegt daran, dass der Stammbelegschaft. pharmazeutische Großhandel Gewinne in Höhe von 237 Millionen Euro erwirtschaftet. Aus dieser Summe Mein Kollege Zöller von der CDU hat schon andere kann kein Sparbeitrag von 600 Millionen Euro geleistet politische Entscheidungen angeführt, die zu Einnahme- werden. Das geht beim besten Willen nicht. 3162 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Dr. Wolf Bauer (A) (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller künfte zu, die hier gegeben worden sind. Bemerkenswert (C) [CDU/CSU]: Für die SPD schon!) ist für mich auch, dass genau einen Tag vor der Abstim- mung im Bundestag in einer Pressemitteilung des Ge- Wenn die Staatssekretärin in diesem Zusammenhang sundheitsministeriums unter der Überschrift „Apotheker fragt: Wollen Sie denn der Firma GEHE noch weitere rechnen sich arm“ Folgendes dargelegt wurde: Die Apo- 600 Millionen Euro zukommen lassen?, dann ist das theker behaupten, dass der Sparbeitrag des Großhandels reine Polemik. Das geht nicht an. bei 0 Euro liege. Laut Ministerium soll der Sparbeitrag (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) aber bei 600 Millionen Euro liegen. Angesichts dessen müssen wir uns darüber wundern, warum die Abstim- Ich wiederhole: Bei einem Gewinn von 237 Millio- mung so ausgefallen ist; denn die Kollegen, die mit nen Euro können nicht 600 Millionen Euro eingespart Bauchschmerzen zugestimmt haben, müssen das entwe- werden. Was bleibt dem Großhandel denn anderes übrig, der nicht zur Kenntnis genommen haben oder sie haben als diesen Betrag an die Apotheken weiterzugeben? Es wider besseres Wissen zugestimmt. Vorher ist verkündet geht nicht anders. Man kann zwar lange darüber streiten, worden, dass eine Weitergabe erfolge. Genau das ist das ob das so vorgesehen ist oder nicht, aber eines steht fest: Tollhaus, von dem die Staatssekretärin vorhin gespro- Die Aufstellung aller Aussagen vonseiten des Ministeri- chen hat. Das kann man aber so nicht stehen lassen. ums bzw. der Staatssekretärin ist erschreckend. Ich habe mir Folgendes notiert – die erste Aussage stammt von Ich möchte gern noch auf Folgendes hinweisen Oktober –: Der Großhandel gibt die Belastung weiter. – schließlich hat uns die Bundesregierung noch mehr Dann hieß es: Er gibt die Belastung nicht weiter. Nach Wirrwarr vorgesetzt –: Ich habe die Staatssekretärin ge- der Abstimmung hieß es wiederum: Er gibt sie teilweise fragt, welche Auswirkungen das neue Rabattsystem – der weiter. Dann wurde berichtet, dass er sie doch vollstän- Rabatteinzug erfolgt über die apothekeneigenen Rechen- dig weitergibt. Daraufhin sagt die Staatssekretärin: Das zentren – auf die Kostenstruktur der Apotheken hat. Mir geht so nicht. Am 11. März dieses Jahres stellt sie dann ist gesagt worden: „Keine zusätzlichen Kosten durch fest – das ist die Krönung –, dass sie dafür gar nicht zu- Abwicklung des Rabatteinzugs über Apothekenrechen- ständig sei, weil die Verträge zwischen Großhandel und zentren.“ Nun ist heute immer wieder behauptet worden, Apotheken privatrechtlicher Natur seien. es lägen keine Zahlen vor. Es ist aber nachgewiesen wor- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) den, dass dies nicht stimmt. Die Zahlen liegen vor. Ver- ehrte Kollegin, Sie können heute in jeder Apotheke das Angesichts dessen erklären Sie hier trotzdem, wie gut Abrechnungsformular des Rechenzentrums für Mitte Fe- das Ganze vorbereitet sei und wie hervorragend es laufe. bruar finden, dem Sie genau entnehmen können, welche Veränderungen sich im Rabattsystem ergeben haben. Des Weiteren wird ständig darauf herumgehackt, wel- (B) Das kann man dann immer einen halben Monat nach je- (D) che gewaltigen Einkünfte die Apotheken hätten; schließ- dem abgeschlossenen Monat nachlesen. Insofern wissen lich seien die Arzneimittelausgaben stark gestiegen. Bei wir genau, dass sich das neue Rabattsystem in einer Grö- Ausgaben von 22 Milliarden Euro im Arzneimittelbe- ßenordnung von 7,7 Millionen Euro auf die apothekenei- reich hat sich der Gewinn der Apotheken – ich betone genen Rechenzentren auswirkt. Das sind für alle Apothe- das – um gerade einmal 19 Millionen Euro erhöht. Das ken etwa 10 Millionen Euro. Man muss sich doch sind 0,085 Prozent. Angesichts dessen können Sie doch kundig machen, welche finanziellen Auswirkungen ein nicht behaupten, die Apotheken seien an der Erhöhung Gesetz auf die Betriebe hat, bevor man es auf den Weg der Kosten im Arzneimittelsektor schuld. Wenn Sie das bringt. behaupten, dann wollen Sie entweder die Wahrheit nicht wissen oder Sie kapieren es in der Tat nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Beides!) Das ist hier in keiner Weise geschehen. Das lässt sich So geht es jedenfalls nicht. auch anhand vieler anderer Beispiele nachweisen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte auch noch – das ist zu schön; das ist heute schon angeklungen – die Leserbriefe ansprechen. In der Ich sage noch einmal: Es gibt keine andere Möglich- Fragestunde am 19. Februar dieses Jahres hat die Staats- keit für den Großhandel, als es weiterzugeben. Die da- sekretärin meinem Kollegen Spahn versprochen, Briefe raus resultierenden Folgen sind bereits aufgezeigt wor- von Apothekern vorzulegen, die im Zusammenhang mit den: Die Zahl der Arbeitsplätze wird reduziert. Ich weiß dem Großhandelsrabatt die Arbeit des Ministeriums nicht, wie sich der für den Mittelstand zuständige Staats- durchaus positiv bewerten. Ich habe mir den Spaß ge- sekretär der Regierung dazu verhält. Ich habe ihn zwar macht, schriftlich nachzufragen, ob auch ich diese Briefe angeschrieben, habe aber bis heute keine Antwort be- haben kann. Daraufhin habe ich vorgestern einen Brief kommen. bekommen, in dem die Staatssekretärin mir schreibt – ich (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was soll er zitiere –, dass sie die Dankesbekundungen der Apothe- auch schreiben?) ker bezüglich der Gespräche mit dem Großhandel größ- tenteils telefonisch erhalten habe. Warten wir es ab. (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) Ich habe eben die unterschiedlichen Aussagen zu dem Gesetzesvorhaben aufgelistet. Unter anderem war von Ich vermute, dass der Kollege Spahn noch einige Zeit einem Tollhaus die Rede. Das trifft auch auf die Aus- auf die von ihm erbetene Auskunft warten muss. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3163

Dr. Wolf Bauer (A) Wir möchten Ihnen noch einmal Gelegenheit geben, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) darüber nachzudenken, was Sie mit diesem Gesetz ange- Das Wort hat jetzt die Kollegin Erika Lotz von der richtet haben. Die Abstimmungen innerhalb Ihrer Reihen SPD-Fraktion. sind ja bekannt. Ich kann nur sagen: Wenn Sie das durch- setzen, was Sie jetzt vorhaben, dann werden Sie die ge- samte Apothekenlandschaft sturmreif schießen für die Erika Lotz (SPD): Übernahme durch Internetapotheken und Apotheken- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ketten. Herr Dr. Bauer, Ihre Berufskollegen Apotheker werden sicher sehr zufrieden sein mit Ihrem Redebeitrag. (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Ach, das glauben Sie doch selber nicht!) (Detlef Parr [FDP]: So kann man das alles herunterspielen!) Ihre Pläne zur Aufgabe des Mehrbesitzverbotes und zum Versandhandel gehen in die gleiche Richtung. Wol- Im Übrigen hätten Sie, wenn Sie schon die Frau Staats- len Sie denn, dass es eines Tages statt „Fragen Sie Ihren sekretärin zitieren, den Brief von Frau Caspers-Merk zu Arzt oder Apotheker!“ bei der Werbung im Fernsehen Ende lesen sollen. Es ist nämlich sehr wohl berichtet heißt: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Postboten“? Offen- worden, dass solche Briefe vorliegen. sichtlich verstehen Sie das unter einem Mehr an Arzneimittelsicherheit. Es ist ein Trauerspiel. (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Wir wä- ren zufrieden, wenn Sie jetzt etwas sagen wür- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. den!) Detlef Parr [FDP]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim ersten Lesen Auch was die finanzielle Belastung im Zusammen- des CDU/CSU-Antrages dachte ich mir: Das meinen die hang mit dem Versandhandel angeht, können Sie nach- doch nicht ernst. fragen, so oft Sie wollen, Sie werden stets die Antwort bekommen: Das wissen wir nicht genau. – Warum tut (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Doch, das mei- man so etwas denn, wenn man nicht die finanziellen nen wir ernst!) Auswirkungen auf das System kennt? Denn das Vorschaltgesetz entlastet die Krankenkassen; (Peter Dreßen [SPD]: Das ist freie Marktwirt- das ist doch nicht zu bestreiten. Ich dachte, wenigstens schaft!) an dieser Stelle seien wir uns einig. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, werden (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn es ge- (B) sich eines Tages fragen müssen, ob Sie das alles bewusst recht verteilt wäre, ja!) (D) betrieben haben. Aber das scheint so nicht der Fall zu sein. Zugegeben: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ärzte, Zahnärzte, Apotheken, Pharmagroßhändler und Hersteller werden etwas belastet. Wir haben Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Sie sich auf dem Weg in die Staatsmedizin befinden; das (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und die Zahn- können Sie abstreiten, so viel Sie wollen. techniker!) (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Sie reden von Staats- Dafür aber werden die Patienten nicht belastet. medizin und wissen nicht, was das ist!) Dann erinnerte ich mich an die Zeit, als Schwarz- Bei den vielen anderen Punkten ist es doch nicht anders: Gelb regierte – und da wusste ich: Der Antrag ist tat- Sie bekämpfen die Facharztpraxen, Sie wollen eine Re- sächlich ernst gemeint. glementierung über die Positivliste. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eine gute alte (Peter Dreßen [SPD]: Wo denn? – Lachen bei Zeit war das!) der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: „Wo denn?“ Der kennt seine eigenen – Wie hat man denn damals, in der guten alten Zeit, Herr Papiere nicht!) Kolb, versucht, die Beiträge stabil zu halten? – Lesen Sie es doch nach! (Detlef Parr [FDP]: Schwarze Zahlen der Krankenkassen 1998!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Damals – insofern gibt es schon einen Unterschied, und Herr Kollege Bauer, kommen Sie bitte zum Schluss! das müssen die Leute auch wissen – wurden die Patien- ten und Patientinnen belastet, Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aber sie bekamen Das tut mir aber sehr Leid, dass ich jetzt Schluss ma- ihre Leistungen!) chen muss. unter anderem mit Medikamentenzuzahlungen, bei de- Meine Damen und Herren, vielen Dank für das Zuhö- nen einem schwindelig werden konnte. ren. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber dafür be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) kamen sie Medikamente über das ganze Jahr!) 3164 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Erika Lotz (A) Das war christdemokratische und christsoziale Gesund- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gott sei Dank! (C) heitspolitik. Die Zuzahlungen betrugen Ende 1996 – je Aus guten Gründen!) nach Packungsgröße – 3, 5 oder 7 DM, Dabei haben Sie aus meiner Sicht Wortbruch begangen; (Detlef Parr [FDP]: Was haben Sie denn geän- denn diese Liste war Teil der Kompromissvereinbarung dert? Was ist denn bei Ihrer Änderung heraus- von Lahnstein. gekommen?) (Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ 1997 waren es schon 4, 6 und 8 DM. Mit dem 2. GKV- CSU]: Man muss auch bereit sein zu lernen!) Neuordnungsgesetz haben Sie die Zuzahlungen noch- Heute wollen Sie das Beitragssatzsicherungsgesetz mals erhöht, auf 9, 11 und 13 DM. rückgängig machen. Vor dem Bundesverfassungsgericht Mit dem 1. GKV-Neuordnungsgesetz hatten Sie eine sind Sie mit diesem Anliegen schon gescheitert. ganz perfide Regelung verabschiedet: Die Zuzahlungen (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir waren sollten für die Versicherten, deren Krankenkassen ihre doch gar nicht vor dem Bundesverfassungsge- Beiträge erhöhen, automatisch steigen. Die Patienten richt!) wären gleich doppelt belastet worden, über höhere Bei- träge und über höhere Zuzahlungen – als ob der Einzelne Ich prophezeie Ihnen: Sie werden wieder scheitern. etwas für seine Krankheit könnte! Dass Sie nicht nur der gesetzlichen Krankenversiche- (Detlef Parr [FDP]: So einfach ist das!) rung, sondern auch der gesetzlichen Rentenversiche- rung Einnahmen verweigern wollen, ist schon schlimm. Aber diesem Spuk haben wir ein Ende bereitet. Die Beitragsbemessungsgrenze wollen Sie wieder herab- setzen. Ich ahne schon, dass Ihre nächste Aktion die Be- Der „Frankfurter Rundschau“ von gestern konnte ich antragung einer Aktuellen Stunde zur Finanzsituation entnehmen, dass Herr Seehofer diesem Gedanken offen- der Rentenversicherung sein wird. Oder wollen Sie dann sichtlich immer noch anhängt. den Vorschlag von Frau Merkel, kinderlose Versicherte Die härteste Ihrer damaligen Maßnahmen, die Strei- mit höheren Beiträgen zu belasten oder ihnen nur die chung des Zahnersatzes für nach 1979 Geborene, halbe Rente zuzugestehen, auf den Weg bringen? scheint in Ihren Reihen noch immer Anhänger zu haben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Besser, als das Krankengeld zu streichen!) Frau Kollegin Lotz, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zöller? (B) Die Streichung des Zahnersatzes wäre aus meiner Sicht (D) falsch. Erika Lotz (SPD): (Dr. Dieter Thomae [FDP]: Sagen Sie mal was Nein. zum Krankengeld!) Die Umsetzung dieses Vorschlags von Frau Merkel Ich bin in diesem Fall gegen einen „Mut zur Lücke“. Es würde alle verfassungsrechtlichen Grundsätze sprengen darf nicht so sein, dass man am Lächeln eines Menschen und ist mit uns nicht zu machen. seinen sozialen Status erkennen kann. Sie werden verstehen, dass wir Ihren Antrag ableh- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn das so nen. Herr Kollege Zöller, Sie wollten ja wissen, was wir wäre, dann müssten die Schweizer alle zahnlos wollen. Ich sage es Ihnen: Wir wollen Ihren Antrag ab- herumlaufen!) lehnen. Was die von Ihnen geforderten Maßnahmen mit Genera- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, das tionengerechtigkeit zu tun haben, wird mir unergründ- wollte ich nicht! Ich habe gehofft, dass ein Teil lich bleiben. zustimmt!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie wissen, dass wir eine Reform des Gesundheitswe- DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Thomae [FDP]: sens auf den Weg bringen müssen. Wir müssen für die Sagen Sie einmal etwas zum Krankengeld!) notwendigen Strukturveränderungen sorgen. Wir zahlen heute die Zeche dafür, dass Sie zu Ihrer (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn die in Regierungszeit Versicherte nach dem Motto „Haste mal Kraft tritt, sind etliche Leute arbeitslos!) ‘ne Mark?“ belastet haben, statt die nötigen Struktur- Lassen Sie uns hier einen gemeinsamen Weg zum Wohle reformen anzugehen. von Patientinnen und Patienten finden! Sie wissen, wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD – brauchen mehr Wettbewerb, mehr Qualität Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wie lange sind Sie (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Auch in der mittlerweile an der Regierung?) Politik!) Wir haben uns doch schon einmal auf einen Kompromiss und Transparenz für die Patientinnen und Patienten. Wir geeinigt. Als Beispiel nenne ich die Positivliste, die Sie müssen Fehl- und Überversorgungen abbauen und Un- schlicht „versenkt“ haben. terversorgungen beseitigen. Wir haben Eckpunkte auf Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3165

Erika Lotz (A) den Weg gebracht. Lassen Sie uns, was die Umsetzung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) der weiteren Vorschläge angeht, zu einem guten Ergeb- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nis kommen! Wir laden Sie an dieser Stelle ein, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir sprechen über das Thema Jugendschutz in einer Zeit, in der sich viele Kinder und Jugendliche gegen den Danke schön. Krieg im Irak engagieren. Es ist auch eine Zeit, in der wir uns intensiver mit der Frage beschäftigen müssen, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wie gerade Kinder mit dem umgehen, was sie in den DIE GRÜNEN) Medien an Gewalt, an Krieg und an Terror sehen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht Ihnen wahr- scheinlich so wie mir: Ich bin von der Intensität, mit der Ich schließe die Aussprache. sich Kinder und Jugendliche mit der aktuellen Entwick- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen lung beschäftigen, tief beeindruckt. Ich bin auch von auf den Drucksachen 15/542 und 15/652 (neu) an die in dem großen Engagement beeindruckt, mit dem sie sich der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- für friedliche Lösungen und gegen Gewalt einsetzen. gen. Abweichend von der Tagesordnung soll die Vorlage Das ist übrigens – das sei nur nebenbei bemerkt – ein gu- auf Drucksache 15/652 (neu) nicht an den Ausschuss für tes Argument gegen das Geschwätz von der unpoliti- Tourismus überwiesen werden. Sind Sie damit einver- schen Jugend. standen? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jutta gen so beschlossen. Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: NEN]) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat Nach vielen Gesprächen, die ich dazu geführt habe, eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- bin ich sehr nachdenklich geworden in der Frage, was derung des Jugendschutzgesetzes (JuSch- wir Kindern in den täglichen Nachrichten eigentlich zu- GÄndG) muten, zumal sie häufig auch allein vor dem Fernseher sitzen. – Drucksache 15/88 – Besonders beeindruckt hat mich der Besuch in einer (Erste Beratung 20. Sitzung) vierten Grundschulklasse in meinem Wahlkreis in Heili- genhaus. Dort haben Kinder – Viertklässler! – aus eige- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- ner Initiative fast 700 Unterschriften gegen den Krieg (B) ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gesammelt und mir überreicht. Sie wollten sehr viel da- (D) (12. Ausschuss) rüber sprechen. Sie hatten ein ganz großes Bedürfnis, – Drucksache 15/738 – über das, was sie an Gewalt im Krieg sehen, zu spre- chen. Sie alle gucken fast täglich Nachrichten, viele lei- Berichterstattung: der ohne Eltern oder ältere Geschwister, die ihnen helfen Abgeordnete Klaus Haupt könnten, das Geschehene zu verarbeiten. Kinder und Ju- Jutta Dümpe-Krüger gendliche sind außerordentlich gut informiert und sehr Andreas Scheuer bewegt von dem, was sie über den Krieg und über die Sabine Bätzing Opfer von Gewalt erfahren. Es geht in diesem Fall leider Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die nicht um fiktive Gewalt, über die wir im Jugendmedien- Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich schutz so häufig sprechen, sondern um reale Gewalt, die höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. für Kinder und Jugendliche häufig noch viel schwerer zu verarbeiten ist. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die Angesichts eines Teils der Berichterstattung in den Kollegin Kerstin Griese von der SPD-Fraktion das Wort. Medien frage ich mich – das sollte man bei diesem Thema auch einmal ansprechen –, ob es wirklich not- Kerstin Griese (SPD): wendig ist, in so reißerischer Form und mit so auf Sensa- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir tion bedachten Live-Reportagen den Krieg quasi direkt debattieren heute abschließend einen Entwurf zur Ände- ins Wohnzimmer zu senden. Deshalb appelliere ich an rung des Jugendschutzgesetzes, der vom Bundesrat ein- die Verantwortlichen der Medien, nicht nur in dieser ak- gebracht worden ist. Wir haben über das Thema Jugend- tuellen Situation, sondern auch grundsätzlich darüber schutz schon häufiger debattiert. Dieses Thema ist in nachzudenken, wann was im Fernsehen gesendet wird. dieser Woche ganz besonders aktuell; denn am 1. April (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ist das neue Jugendschutzgesetz in Kraft getreten. Es ist DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der kein Aprilscherz. Es ist ein sehr gutes Gesetz, das am CDU/CSU und der FDP) Dienstag in Kraft getreten ist: unser neues Jugendschutz- gesetz, das viele Fortschritte für den Schutz von Kindern Diese aktuellen Entwicklungen, die ich als Ausgangs- und Jugendlichen bietet und das auf die neuen Heraus- punkt gewählt habe, zeigen mir noch einmal, wie wich- forderungen durch das Internet und durch die Medien- tig es ist, dass Kinder sowie Eltern, Erzieherinnen und vielfalt adäquat reagiert. Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer Medienkompetenz 3166 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Kerstin Griese (A) entwickeln können. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, Besitz von Schusswaffen angehoben wurden; allerdings (C) Fiktion und Realität zu unterscheiden, kritisch mit Me- kann ich mich noch sehr genau an den Protest aus Ihren dieninhalten umzugehen, dass Sie lernen, dass Medien Reihen, aber auch von zahlreichen Vereinen erinnern. manipuliert werden können und dass das, was im Fern- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU/CSU, die sehen gezeigt wird, nicht immer die Wahrheit ist. Es ist die Änderungsvorschläge des Bundesrates, die uns heute sehr nötig, qualitativ gute, pädagogisch sinnvolle und vorliegen, unterstützt – die FDP tut das meines Wissens kindgerechte Angebote bereitzuhalten. Es gibt ein hohes ja nicht –, geht mit diesem Bundesratsentwurf meines Maß an Mitempfinden und an Einfühlungsvermögen bei Erachtens in die falsche Richtung und nimmt nicht zur jungen Menschen und wir sollten darauf setzen, Kinder Kenntnis, welche Fortschritte mit dem neuen Jugend- und Jugendliche zu schützen und zu stärken. schutzgesetz schon erreicht worden sind. Seit Dienstag (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jutta Dümpe- dieser Woche ist es in Kraft; wir sollten erst einmal se- Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) hen, was sich bewährt und wo dann eventuell noch Än- derungen notwendig sind. Wir haben sehr viele positive „Gute Seiten, schlechte Seiten“, so könnte man in An- Reaktionen auf das neue Jugendschutzgesetz bekom- lehnung an eine beliebte Fernsehserie zusammenfassend men. über das Internet sagen. Im Internet gibt es gute Seiten und schlechte Seiten. Wir brauchen mehr gute Seiten für Ich will hier einige wichtige Bestandteile nennen. Kinder und Jugendliche. Ich will hier einmal ein sehr gu- Zeitgleich mit dem neuen Jugendschutzgesetz ist ja auch tes Beispiel nennen, ausdrücklich auch deshalb, weil es der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft ge- ehrenamtlich betrieben wird und meines Erachtens einer treten. Damit ist der Jugendschutz in Deutschland auf Förderung bedarf. Die Kindersuchmaschine mit der In- eine gesetzliche Grundlage gestellt, die die richtigen ternetadresse www.blinde-kuh.de bietet kindgerechte In- Antworten auf die technischen Entwicklungen und die formationen und hat sehr schnell auch auf den Irakkrieg gesellschaftlichen Veränderungen gibt – soweit sie ein reagiert. Kinder können dort nach Themen suchen, die Gesetz überhaupt geben kann. Ich sage das bewusst, sie interessieren. Wenn sie ein Thema eingeben, zu dem denn ein Gesetz allein reicht nicht aus. Vielmehr brau- es keine Informationen gibt, geschieht direkt interaktiv chen wir weitere Bemühungen, um Medienkompetenz eine Bearbeitung durch die Menschen, die diese Such- zu fördern, aber auch zur Verbesserung von Bildung und maschine betreiben; sie stellen neue Informationen dazu Betreuung, damit Deutschland ein kinderfreundlicheres ein. Man findet dort auch einen Zusammenschluss unter Land wird. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialde- der Internetadresse www.seitenstark.de. Das ist eine Ko- mokraten haben hier einen Schwerpunkt gesetzt und operation von Kinderseiten im Internet. werden in dieser Wahlperiode vieles auf den Weg brin- gen, um Kinder und Jugendliche zu stärken. (B) Dieses Engagement will ich ausdrücklich würdigen; (D) denn ich halte das für einen sinnvollen Beitrag zum Kin- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass der- und Jugendmedienschutz. Das hilft den Kindern, auch die Opposition einige der neuen Regelungen des den Umgang mit dem Internet zu lernen. Auf diese Jugendschutzes begrüßt. Wir sind uns ja einig, dass das Weise haben Eltern und Erziehende die Gewissheit, dass Verbot, an Jugendliche unter 16 Jahren Tabak und Ziga- ihre Kinder dort gute Seiten finden und nicht mit Gewalt retten abzugeben, positiv ist. Mit diesem Abgabeverbot oder Pornographie konfrontiert werden. nehmen wir auch die Händler und die Automaten- und Zigarettenindustrie in die Verantwortung. Zigaretten- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ automaten sind – nach einer überaus langen Übergangs- DIE GRÜNEN) frist bis zum 1. Januar 2007 – nur noch zulässig, wenn Noch etwas ist in dieser Woche in Kraft getreten, eine Bedienung durch Kinder und Jugendliche unter nämlich das neue Waffenrecht. Da wir hier auch insge- 16 Jahren ausgeschlossen ist. Neu ist jetzt auch das Ver- samt über das Thema „Gewalt und Jugendliche“ disku- bot, in Kinos vor 18 Uhr Werbefilme für Tabak und Al- tieren, muss man es erwähnen. In diesem Zusammen- kohol zu zeigen. hang muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – damit komme Für einen besonders wichtigen Schritt im Zuge unse- ich auch auf Ihren Bundesratsentwurf zu sprechen –, res neuen Jugendschutzgesetzes halten wir die Einfüh- dass ich mich in der Debatte sehr gewundert habe. Sie rung von Alterskennzeichnungen auf allen Medien, von der Opposition setzen im Bereich Jugendschutz aus- also auch auf Computerspielen, die auf CD-ROMs, schließlich auf Verbote, haben aber in der Debatte um DVDs oder Videos sind. Nur der Altersstufe entspre- das Waffenrecht unser Anliegen, Kinder und Jugendli- chend freigegebene Angebote dürfen Kindern und Ju- che stärker von Waffen fernzuhalten, abgelehnt, weil Sie gendlichen zugänglich gemacht werden. Mit dem das für eine Einschränkung der Freiheit und für den hal- 1. April diesen Jahres sind diese Alterskennzeichnungen ben Weltuntergang halten. der USK verbindlich: Der Verkäufer muss kontrollieren, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ob das Alter des Käufers und der Aufkleber auf dem des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Spiel zusammenpassen. Die Bundesprüfstelle für ju- gendgefährdende Medien bekommt das Recht, Spiele Ich finde es gut und richtig, dass seit dieser Woche schneller und aus eigener Initiative zu prüfen. Auch das auch der Besitz von Pumpguns, Wurfsternen und gefähr- halte ich für einen guten und richtigen Schritt. lichen Messern verboten ist; denn auch das ist für den Jugendschutz sicherlich wichtig. Ich finde es ebenfalls (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ richtig, dass die Altersgrenzen für den Erwerb und den DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3167

Kerstin Griese (A) Interessant ist auch – der Jugendschutz ist ja ein Be- Mit der Veränderung des Jugendschutzgesetzes wol- (C) reich, bei dem wir alle gefordert sind, darauf zu achten, len wir ein Mehr an Verlässlichkeit, Transparenz und dass er umgesetzt wird, und auch einmal Händler, Wirte Vereinfachung in Sachen Schutzsystem für unsere jun- oder Kellner darauf anzusprechen, ob sie es denn tat- gen Menschen erreichen. Zudem wollen wir den Eltern sächlich richtig handhaben –, dass DVDs oder CD- in deren Erziehungsaufgaben entgegenkommen und sie ROMs, die Fachzeitschriften beiliegen, entweder kein damit unterstützen. jugendgefährdendes Material enthalten dürfen oder al- tersgekennzeichnet sein müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) Sehr wichtig ist, obwohl das immer wieder anders be- Die Koalitionsparteien glänzen in den verschiedenen hauptet wird, dass jetzt die Regelungen für schwer ju- Politikbereichen, beispielsweise in der Wirtschafts-, gendgefährdende Medien verschärft worden sind: Trä- Steuer- und Arbeitsmarktpolitik, ja generell nicht mit bü- germedien, also Videos, DVDs und Spiele, die den Krieg rokratischer Vereinfachung und dem Abbau von Rege- verherrlichen oder Menschen in einer Weise darstellen, lungsdichte. Dennoch kommen bei dem Entwurf des die die Menschenwürde verletzt, oder die Jugendliche in Bundesrates rot-grüne Argumente, dass wir damit einen einer unnatürlichen, geschlechtsbetonten Körperhaltung Wust an Regelungen und Verboten im Jugendschutz zeigen, sind mit Indizierungsfolgen belegt. Das heißt schaffen. Das ist die rot-grüne Begründung zur Ableh- praktisch: Durch Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbote nung dieses Gesetzentwurfes. Plötzlich hat man bei Ih- werden sie aus dem Verkehr gezogen. Das haben wir nen, meine Damen und Herren von der Koalition, an- durch das neue Jugendschutzgesetz bereits geregelt. scheinend eine liberale Ader entdeckt. Aber mit dieser Wichtig ist, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefähr- Haltung geben Sie beim Thema Jugendschutz auf. dende Medien alle neuen Medien indizieren und auch Generell befürworten wir Prinzipien, auf deren Basis dann tätig werden kann, wenn kein Antrag gestellt wird. die Menschen selbst entscheiden können. Nur da, wo das Wir haben es ja in den letzten Wochen schon erlebt, dass Ganze aus dem Ruder läuft, sich falsche Entwicklungen sie bei der Indizierung von Spielen sehr viel schneller tä- abzeichnen oder Wildwuchs herrscht, sollte und muss tig werden konnte. der Staat eingreifen. Das gehört zu den Pflichtaufgaben. Der 1. April dieses Jahres, der Tag des In-Kraft-Tre- tens des neuen Jugendschutzgesetzes, war ein guter Tag Wir kommen beim Thema Jugendschutz nicht weiter, für den Kinder- und Jugendschutz in Deutschland. Las- wenn sich die Politiker nicht auf die neue Situation im sen Sie uns gemeinsam die Umsetzung des neuen Geset- Bereich der Medien und der Kommunikation einstel- zes beobachten! Lassen Sie uns Kinder und Jugendliche len. Neben all den positiven, praktischen und unterhalt- schützen und stärken, statt sie immer nur mit Verboten samen Komponenten auf diesem Sektor gibt es Entwick- (D) (B) zu belegen! Wir nehmen nämlich Kinder und Jugendli- lungen, vor denen wir gerade unsere jungen Menschen che ernst und haben einen modernen und zeitgerechten schützen müssen. Das im Juni 2002 verabschiedete Ju- Jugendschutz geschaffen, um die Situation zu verbes- gendschutzgesetz greift aus unserer Sicht hier zu kurz sern. Der Bundesratsentwurf führt allein dazu, dass noch und weist Lücken auf. Wir sollten nicht Gesetze verab- mehr Verbote ausgesprochen werden, und ist in einigen schieden, die wie das vom Juni von vornherein der allge- Punkten übrigens auch nicht sachgerecht, zum Beispiel meinen Entwicklung hinterherhinken. Unsere Aufgabe in Bezug auf die Indizierung und das Verbot von schwer ist es, nach vorne zu schauen und zukunftsfähige Rege- jugendgefährdenden Medien. Deshalb bitte ich Sie, un- lungen vorzusehen. ser neues Jugendschutzgesetz zu begrüßen und den Bun- Genau das wird auch in Expertenbeurteilungen zum desratsentwurf abzulehnen. Ausdruck gebracht. Frau Kollegin Griese, Sie sprechen Danke schön. von positiven Rückmeldungen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Kerstin Griese [SPD]: Da war eine Presse- DIE GRÜNEN) erklärung Ihrer Fraktion, die einiges Positive begrüßt hat!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich habe da andere, zum Beispiel von der Bundesarbeits- Das Wort hat jetzt der Kollege Andreas Scheuer von gemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, BAJ: CDU/CSU-Fraktion. Das am 14. Juni 2002 im Deutschen Bundestag mit (Beifall bei der CDU/CSU) den Regierungsfraktionen verabschiedete Jugend- schutzgesetz erfüllt die von den Jugendschutzorga- Andreas Scheuer (CDU/CSU): nisationen vorgetragenen Erwartungen an eine kon- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und zeptionelle und systematische Modernisierung des Kollegen! Frau Kollegin Griese, einige Punkte des Ju- Kinder- und Jugendschutzes im Bereich des Ju- gendschutzgesetzes vom Juni 2002 tragen wir selbstver- gendschutzes in der Öffentlichkeit nicht, im Be- ständlich mit. Sie missachten jedoch unsere Anliegen reich des Jugendmedienschutzes nur teilweise. und das ist schade. Ein Entgegenkommen von Ihrer Seite Ein vernichtendes Urteil über ein Gesetz, das eigentlich haben wir trotz des Appells zu einem parteiübergreifen- eine Verbesserung darstellen sollte. den Konsens bei unseren Vorschlägen nicht erfahren. Deswegen bringen wir nun eine eigene Initiative ein. Weiter heißt es: 3168 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Andreas Scheuer (A) Die Veränderungen im Freizeitverhalten junger gesagt, dass die jungen Menschen lernen müssen, mit (C) Menschen wurden dagegen für das neue Gesetz Gewaltvideos effizient und kritisch umzugehen. nicht weiter reflektiert. (Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Es entstand kein integriertes neues Gesetz und schon gar nicht wurde dem von Fachleuten geäußerten Wunsch Diese Aussage ist wirklich sehr bedenklich und an der nach Zusammenführung sämtlicher Jugendschutzvor- Sache vorbei. schriften entsprochen. Auch hat das Jugendschutzgesetz (Beifall bei der CDU/CSU) entgegen dem Anspruch des Titels nicht die Funktion ei- nes zentralen Gesamtgesetzes für den Jugendschutz, von Beim Thema Elternprivileg sind wir der Meinung: dem aus man den Weg in verstreute Einzelvorschriften Die FSK-Kennzeichnung muss wieder etwas wert sein, gewiesen bekommt. weil wir uns sonst gleich davon verabschieden können. Wer von den Eltern hat denn die Zeit, sich vorher einge- Ein Beispiel: In Untervorschriften und -gesetzen sind hend mit den Filmen zu beschäftigen, Fachliteratur zu zwar einzelne Themenbereiche geregelt, aber verstreut wälzen und Journale zu aktuellen Kinofilmen zu lesen? und verteilt. Das erfüllt vielleicht die Erwartungen und Viele Eltern können eben nicht wie die Experten wissen- Ansprüche von Juristen, aber es ist nicht praxis- und schaftlich bis ins Kleinste einschätzen, was für die Kin- handlungsorientiert für Otto Normalbürger. der oder Jugendlichen gut oder schlecht ist. Sie erwarten Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wir müssen Hilfestellungen bei der Beurteilung von uns und von den als Deutscher Bundestag Zeichen setzen, zum Beispiel entsprechenden Institutionen. Genau das wollen auch bei der medialen Darstellung von Kindern und Jugendli- wir, und nichts anderes. chen in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhal- Beim Jugendschutz sollte man sich parteiübergreifend tung. eigentlich schon einigen können. Das ist nun wirklich (Beifall bei der CDU/CSU) kein so streng abgegrenztes Thema. Doch selbst hier wollen Sie keinen Konsens. Wir sind konstruktiv und Kinder und Jugendliche sind keine Sexualobjekte für bringen unsere Vorschläge ein. Sie aber behandeln das Spinner mit pädophiler Neigung. Thema auf dem Rücken der jungen Menschen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Kerstin Griese [SPD]: Oh!) Wenn wir da nicht eindeutig einen Riegel vorschieben, Für Sie, Frau Kollegin Griese, heißt es bei jedem Thema: entstehen solche Angebote, gegen die, wie zum Beispiel Mehrheit ist Mehrheit und der Rest ist uns egal. Schade, (B) kürzlich in Leipzig, die Staatsanwaltschaft nicht in voller dass Sie unsere Anliegen nicht aufnehmen. Das Gesetz (D) Härte eingreifen kann. Zuwiderhandlungen gegen heißt nämlich Jugendschutzgesetz und nicht – das haben Schutzvorschriften müssen hart bestraft werden. Es darf Sie daraus gemacht – Jugendschutzabbaugesetz. keine Jugendschutzvergehen zum Sonderpreis geben. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Sie stehlen sich durch die Nichtbeachtung der neuen Deshalb ist in unserem Vorschlag die deutliche Erhö- Entwicklungen aus der Verantwortung und räumen das hung des Bußgeldrahmens enthalten. Feld auf diesem Gebiet. Die jungen Menschen werden den schädlichen Einflüssen überlassen. Sie werden bei Damit es ein sinnvolles und kompaktes Schutzpaket den vielen anstehenden Großthemen ohnehin auf uns zu- wird, wollen wir ferner unter anderem ein Verbot von gehen müssen; denn unsere Konzepte in den verschiede- Videoverleihautomaten – der zuständige Verband des nen Politikbereichen liegen seit langem auf dem Tisch. Videofachhandels will ebenfalls dagegen vorgehen; die- Ich hoffe, dass im Zuge des Vermittlungsverfahrens viel- ses Zeichen sollte die Politik erkennen – und ein Verbot leicht auch das hier zur Debatte stehende Thema aus un- von Killerspielen sowie die Rückkehr zum Begriff der serer Sicht besser behandelt werden kann. erziehungsberechtigten Person. Sie werden sich sicher wegen der jugend- und gesell- Meine Damen und Herren von Rot-Grün, es ist uns schaftspolitischen Auswirkungen Ihres Jugendschutzab- schon schleierhaft, warum Sie eher den Schutz lockern baugesetzes vom Juni 2002 in der Zukunft noch rechtfer- wollen und sich mit sehr wackligen Argumenten gegen tigen müssen, wenn Sie unsere Vorschläge hier und Verbesserungen wehren, anstatt unseren jungen Men- heute nicht mittragen. Das wird für Sie ein Problem wer- schen ein kompaktes Schutzsystem zu bieten. den. Ich sage Ihnen heute schon voraus: Wir werden sehr Frau Kollegin Humme, Sie haben am Mittwoch im genau hinschauen. Ausschuss bei dem Gedankenaustausch mit unseren pol- Herzlichen Dank. nischen Gästen in Ihrem Statement das Thema Jugend- schutz mit derartig hanebüchenen Argumenten ange- (Beifall bei der CDU/CSU) sprochen. Sie wollen die Medienkompetenz stärken. Das wollen auch wir – nur auf komplett andere Weise. Sie haben gesagt, dass die jungen Menschen selbstbe- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: wusst mit Medien umgehen sollen. Okay, das ist wün- Das Wort hat die Kollegin Jutta Dümpe-Krüger vom schenswert; das wollen auch wir. Aber Sie haben auch Bündnis 90/Die Grünen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3169

(A) Jutta Dümpe-Krüger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- verherrlichende Filme und Computerspiele nachhaltig (C) NEN): verbessert worden ist. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr (Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Deswegen Scheuer, uns trennen bisweilen wirklich Welten. Manch- machen Sie beim Verbot von Killerspielen mal kann man eben nicht zusammenkommen. Aber ich nicht mit?) denke, es wird langsam Zeit, dass Sie aus Ihrer Nörgel- ecke herauskommen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Die Zustän- digkeit der Bundesprüfstelle ist auf den Onlinebereich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgedehnt worden. Damit kann jetzt einer Gefährdung, und bei der SPD) die von gewaltverherrlichenden Spielen ausgeht, effekti- ver entgegengetreten werden. Die Verbote von schwer ju- Wir begrüßen ausdrücklich das neue Jugendschutzge- gendgefährdenden Medien, insbesondere die mit Gewalt- setz, das am 1. April in Kraft getreten ist. Es ist ein gutes darstellungen, wurden erweitert und verschärft. So sind und umfangreiches Gesetz, das Kinder und Jugendliche auch ohne Indizierung durch die Bundesprüfstelle Bü- dort schützt, wo es nötig ist, das ihnen aber auch Raum cher, Videos, CDs, CD-ROMs und DVDs verboten, die für eigenverantwortliches Handeln lässt. Erziehenden den Krieg verherrlichen. Computerspiele und Bild- gibt es verlässliche Rahmenbedingungen und stärkt schirmspielgeräte müssen seit dem 1. April mit einer Al- gleichzeitig die Elternkompetenz. Für Vollzugsbehörden, tersfreigabe gekennzeichnet sein. Videospiele dürfen nur Anbieter und Gewerbetreibende stellt es ein transparen- an Kinder und Jugendliche abgegeben werden, die das er- tes und einheitliches gesetzliches Regelwerk dar. laubte Alter haben. Diese altersgerechte Kennzeich- Die Zusammenführung des Gesetzes zum Schutz der nungspflicht gibt zum Beispiel Eltern – ich habe es eben Jugend in der Öffentlichkeit mit dem Jugendmedien- schon einmal gesagt – eine wichtige Einschätzungshilfe schutz-Staatsvertrag ist auch von der breiten Öffentlich- an die Hand und stärkt ihre Kompetenz. Ich finde das keit positiv aufgenommen worden. Dass die Aufsicht ganz wichtig. über Fernsehen und Internet erstmalig in einer Hand (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende und bei der SPD) Schriften künftig neben Büchern und CDs auch Compu- terspiele, Kassetten und DVDs kontrolliert, ist eine zen- Der Jugendschutz ist eindeutig verbessert worden. trale Neuerung. Dieses Gesetz ist im Gegensatz zu anders lautenden Be- hauptungen hinreichend und ausreichend diskutiert wor- In der größten lippischen Tageszeitung hieß es am den, nämlich über zwei Jahre. Es ist intensiv mit Fach- vergangenen Dienstag im überregionalen Teil zum In- (B) leuten beraten worden. Ich sage das bewusst in Richtung (D) Kraft-Treten des neuen Gesetzes: Opposition, weil es Ihnen immer je nach Bedarf entwe- der zu schnell oder zu langsam geht. Zwischen Ländern Wenn Joachim von Gottberg bislang an Hochschulen und Bund besteht Einvernehmen, die neuen Vorschriften über Jugendmedienschutz referierte, legten die Stu- innerhalb der nächsten fünf Jahre zu evaluieren. dierenden spätestens nach dem fünften Gesetz stöh- nend den Griffel aus der Hand. Der Geschäftsführer Was den auf Initiative Bayerns eingebrachten Entwurf der „Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen“ … eines Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes empfand die Aufsicht über jugendgefährdende Me- angeht, den wir heute ablehnen werden, dien in Deutschland stets als „heillos zersplittert“. Landesmediengesetze, Telekommunikationsgesetz, (Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das ist aber Mediendienste-Staatsvertrag: Die Zahl der Bestim- eine Überraschung!) mungen ist ebenso groß wie die Zahl der Einrich- lässt sich getrost sagen: Er ist längst überholt, enthält vor tungen, die über Jugendschutz in den Medien wa- allem eine Unmenge an Verboten, stellt das Verhältnis- chen. Das soll jetzt anders werden. mäßigkeitsgebot durch unterschiedliche Bußgeldrah- men auf den Kopf und widerspricht dem Gleichbehand- Es wird jetzt anders werden, weil zum ersten Mal der lungsgrundsatz. Jugendschutz im Internet angepackt wurde und weil ge- rade im Bereich der neuen Medien ein wirksamer Kin- (Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Da sollten Sie der- und Jugendmedienschutz gewährleistet sein muss. sich einmal mit der Oberstaatsanwaltschaft in Dresden unterhalten!) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Er trägt auch nicht zur Verbesserung des Jugendschutzes bei. Vermutlich hat er darum nicht einmal im Fachaus- Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie schuss des Bundesrates eine Mehrheit gefunden. empfinden das neue Jugendschutzgesetz als lückenhaft und werfen Rot-Grün verpasste Chancen vor – das habe Kurzum, Herr Scheuer, aus meiner grünen Sicht wäre ich gestern gelesen –, zum Beispiel im Hinblick auf das dieses Papier am besten als Baum im Wald stehen ge- Vermiet- und Verleihverbot von gewalt- und kriegsver- blieben. herrlichenden Spielen, für die Sie ein generelles Verbot Danke schön. fordern. Dabei verkennen Sie komplett, dass durch das neue Jugendschutzgesetz der Schutz von Kindern und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jugendlichen gerade im Hinblick auf kriegs- und gewalt- und bei der SPD) 3170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Abschaffung des Elternprivilegs bei Kinobesu- (C) Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Haupt von der chen ist aus liberaler Sicht abzulehnen. FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Es widerspricht auch dem Anliegen der Bundesratsini- Klaus Haupt (FDP): tiative, die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung und Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- -kompetenz zu stärken. Dass man den Eltern die indivi- nen und Kollegen! Das in diesen Tagen in Kraft getre- duelle Entscheidung nehmen will, zeugt von einem Men- tene reformierte Jugendschutzgesetz hat begrüßens- schenbild, in dem dem Gesetzgeber oder der FSK mehr werte Neuerungen gebracht. Aber es hat – das sage ich zugetraut wird als den Eltern, die über den Entwick- hier ganz deutlich; ich gebe dem Kollegen Scheuer lungsstand ihrer Kinder eigentlich am besten Bescheid Recht – noch viele Wünsche offen gelassen. wissen. Frau Dümpe-Krüger, Sie haben die Geschwindigkeit (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der Beratungen angesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen: der SPD) Das Gesetzgebungsverfahren hatte eine Geschwindig- Allerdings – ich sagte ja, dass ich mich sachlich damit keit, die ich nur mit der des Transrapid vergleichen kann. auseinander setzen möchte, Kollege Scheuer – themati- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – siert der Antrag damit einen echten Schwachpunkt der Kerstin Griese [SPD]: Das ist auch nichts alten sowie der neuen, novellierten Jugendschutzbestim- Schlechtes!) mungen. Die Altersgruppendifferenzierung im Rahmen der FSK ist den tatsächlichen kindlichen Entwicklungs- Der vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesrates ist des- schritten überhaupt nicht angepasst. halb aus dieser Sicht grundsätzlich verständlich. Damit wird auf einige problematische Punkte des novellierten Die FDP ist der vermutlich auch bei anderen Fraktio- Jugendschutzgesetzes hingewiesen. Es enthält unterstüt- nen zustimmungsfähigen Auffassung, dass sich Kinder zenswerte Elemente, ist aber nach Auffassung der FDP im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren erheblich in seiner Gesamtheit nicht zielführend. stärker verändern als Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren. Dementsprechend wäre zumindest eine zu- Lassen Sie mich in der Kürze der mir zur Verfügung sätzliche Altersgrenze zwischen sechs und zwölf Jahren stehenden Zeit auf einige Punkte sachlich eingehen. Das zu erwägen. Im Übrigen erscheinen mir die Probleme Verbot der Darstellung von Kindern in unnatürlicher, ge- der Rückwirkung einer solchen Neuklassifizierung bei schlechtsbetonter Körperhaltung zum Beispiel sehe ich etwas gutem Willen der Beteiligten durchaus lösbar. (B) mit Sympathie. (D) (Beifall bei der FDP) (Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD]) Der Bundesrat schlägt in Bezug auf Bildschirmspiel- Hier nähern wir uns zu sehr der Grauzone zum sexuellen geräte die Rückkehr zur alten Regelung vor, die Kindern Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Der Gesetz- und Jugendlichen das entgeltliche Spielen verbot und so geber kann gar nicht deutlich genug machen, dass auch der Gefahr des Verspielens größerer Geldsummen be- die Informations- und die Kunstfreiheit nicht einmal an- gegnete. Die Neuregelung des Jugendschutzgesetzes da- satzweise als Vorwand dafür dienen dürfen, Kinder und gegen setzt an einer Alterskennzeichnung an. Dies er- Jugendliche auch nur in die Nähe dieser Grauzone zu möglicht eine differenzierte Freigabe, lässt aber die bringen. Entgeltproblematik offen. In der Abwägung beider As- pekte bevorzugen wir die Alterskennzeichnung, das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) heißt die Bewertung von Inhalten. Allerdings ist aus un- Das generelle Verleihverbot von jugendgefährden- serer Sicht überlegenswert, auch die Entgeltproblematik den Medien trägt nach unserer Sicht nichts zum Jugend- im Jugendschutzgesetz neu zu regeln. schutz bei. Dieses Verbot beträfe auch Erwachsene und Wir können aber nur dazu mahnen, bei allen berech- ist aus unserer Sicht weder zweckmäßig noch verhältnis- tigten Schutzvorschlägen immer daran zu denken, dass mäßig. Es kann doch nicht sein, dass jugendgefährdende Jugendliche irgendwann, spätestens mit 18, selbst reif Trägermedien zwar verkauft werden und im Internet zu- sein müssen, verantwortungsbewusste Entscheidungen gänglich sein können, der Verleih – auch an Erwachse- zu treffen. Jugendschutz muss deshalb immer noch eine ne – aber verboten ist. Hierbei handelt es sich lediglich andere Dimension ins Blickfeld nehmen: Er muss die um die Diskriminierung eines Wirtschaftszweiges, nicht Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzen, mit Ge- aber um eine Förderung des Jugendschutzes. fahren umzugehen und sie selbst zu meiden. Das Gleiche gilt für das Automatenverbot für Bildträ- Der Jugendschutz muss in einem produktiven Span- ger. Das novellierte Jugendschutzgesetz schreibt techni- nungsverhältnis zu der aus unserer Sicht notwendigen sche Vorrichtungen vor, die verhindern sollen, dass die Freiheit der Kinder und Jugendlichen gesehen wer- entsprechenden Automaten von Kindern und Jugend- den, die für ihre Kompetenzentwicklung so unabdingbar lichen falschen Alters bedient werden können. Konse- ist. In diesem Zusammenhang muss auch das Recht der quent wäre hier ein generelles Automatenverkaufsverbot Kinder und Jugendlichen auf ihre eigene Kultur, auf etwa auch für Zigaretten gewesen. Aber das will der kindgerechte Medien und Medieninhalte hervorgehoben Bundesrat aus guten Gründen nicht. werden. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3171

Klaus Haupt (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorschläge des denn für mich ist diese Verhaltensweise der Union nicht (C) Bundesrates zur Novellierung des Jugendschutzes ma- nachvollziehbar. Dass sich dieses Thema, der Schutz un- chen deutlich, dass es auf diesem Gebiet weiterhin gro- serer Kinder und Jugendlichen, für wahltaktische Spiele ßen Handlungsbedarf gibt. Insgesamt scheint es aus eigentlich verbieten müsste, liegt auf der Hand. Sicht der FDP aber besser, erst einmal Erfahrungen mit Besonders die Tatsache, dass die Auswirkungen des dem reformierten Gesetz zu sammeln, bevor neue Ände- neuen Gesetzes in einem Zeitraum von fünf Jahren ana- rungen vorgeschlagen werden. lysiert werden sollen – das wurde schon angesprochen – Danke. und dass bei eventuellen Auswirkungen, die wir uns nicht wünschen, Korrekturen vorgesehen sind, lässt den (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der Sinn des Entwurfes noch fragwürdiger erscheinen. Für SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) mich steht fest, dass der Gesetzentwurf keine Verbesse- rung darstellt und dass er in vielen Punkten sogar einen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Rückschritt bedeuten würde. Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Wieczorek von (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des der SPD-Fraktion. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jürgen Wieczorek (Böhlen) (SPD): Der Verdacht, dass bei der Einbringung des bayeri- schen Entwurfs sachliche Aspekte nicht die entschei- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! dende Rolle gespielt haben, wird für mich durch die Tat- Liebe Kollegen! Eine positive Entwicklung unserer Kin- sache unterstrichen, dass sich die entsprechenden der und Jugendlichen zu erreichen und für den notwendi- Fachausschüsse im Bundesrat nicht für diesen Entwurf gen Schutz vor negativen Einflüssen zu sorgen ist eine ausgesprochen haben. Schwerpunktaufgabe. Ich spreche niemandem in diesem Hause ab, nach bestem Gewissen an dieser Aufgabe mit- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) zuwirken. Die konkreten Änderungsvorschläge sind in den Aus- Ein Hauptziel bei der Erarbeitung des neuen Jugend- schussberatungen, während der ersten Lesung im Ple- schutzgesetzes, das am Dienstag dieser Woche in Kraft num und auch am heutigen Tage ausführlich beraten und getreten ist, war, Regelungen zu finden, die der rasanten kommentiert worden. Deshalb möchte ich mich nun auf Entwicklung der neuen Medien Rechnung tragen und einige Widersprüche konzentrieren und auf die Ansätze einerseits dem berechtigten Informationsbedürfnis sowie des Gesetzes und des Gesetzentwurfes eingehen, die sich andererseits der Minimierung der daraus resultierenden grundsätzlich unterscheiden: (B) (D) Gefährdungen und Beeinflussungen für Kinder und Ju- Es macht zum Beispiel wenig Sinn, den Verleih von gendliche gerecht werden. Trägermedien mit jugendgefährdendem Inhalt auch an (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Erwachsene grundsätzlich zu verbieten, für den Verkauf diese Einschränkung aber nicht zu fordern. Gerade ge- Dieses Ziel wurde mit dem neuen Jugendschutzgesetz kaufte DVDs oder Videos verbleiben viel länger in den erreicht. Zusammen mit den Regelungen zum Jugend- Haushalten und unterliegen somit einer geringeren Auf- medienschutz wird das Gesetz den neuen Erfordernissen merksamkeit durch die Erwachsenen. Die Gefahr, dass gerecht. Zum Inhalt des Gesetzes bestand zwischen Bun- Kinder und Jugendliche den Inhalt konsumieren oder so- desregierung, Bundestag und – wie ich mich erinnere – gar kopieren könnten, dürfte viel größer sein. den Bundesländern gerade nach den tragischen Ereignis- sen von Erfurt Konsens. Völlig unverständlich ist des- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des halb, dass noch vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) durch den Bundesrat ein neuer Gesetzentwurf auf den Das Verbot der Weitergabe an Kinder und Jugendliche parlamentarischen Weg gebracht wird und dieser die Un- wird dem Jugendschutz gerecht und schränkt die Infor- terstützung von CDU und CSU hier im Hause findet. mationsfreiheit für Erwachsene nicht ein. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugend- Lassen Sie mich noch etwas zu Ihrer Forderung, Kil- schutz, die heute schon angesprochen wurde, bemerkt zu lerspiele wie Gotcha, Paintball und Laserdome zu ver- diesem offensichtlichen Widerspruch – ich zitiere –: bieten, sagen. Dieses Beispiel zeigt die Überflüssigkeit Die Entschließung des Bundesrates vom vergange- des Gesetzentwurfs sehr anschaulich; denn durch eine nen Juni, die die Grundlage des neuerlichen Ände- Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rungsantrages ist, trägt für uns noch Wahlkampf- vom 24. Oktober 2001 wurde klargestellt, dass der Be- züge. trieb derartiger Spiele wegen des Verstoßes gegen die Menschenwürde bereits nach der polizeilichen General- (Kerstin Griese [SPD]: Aha!) klausel unzulässig ist. Auch wenn ich Ihnen, wie eingangs erwähnt, grundsätz- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ lich redliche Absichten zugestehe, glaube ich, dass diese DIE GRÜNEN) These nicht völlig aus der Luft gegriffen ist; Was wollen Sie also noch? Diese Spiele sind bereits (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des verboten. So lassen sich auch andere Punkte, in denen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sich der Gesetzentwurf des Bundesrates vom bestehen- 3172 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Jürgen Wieczorek (Böhlen) (A) den Jugendschutzgesetz unterscheidet, entkräften. Viele (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jutta (C) Punkte sind schlicht und einfach überflüssig, weil die Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sachverhalte bereits durch das Jugendschutzgesetz oder, NEN]) wie soeben erwähnt, durch andere Klauseln abgedeckt werden. Auch deshalb ist es sinnvoll, den Eltern zuzutrauen, den individuellen Entwicklungsstand ihrer Kinder richtig (Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Die kein einschätzen und entsprechende Entscheidungen treffen Mensch im Gesetz findet!) zu können. Eigentlich fordern Sie doch immer den Abbau von (Christel Humme [SPD], zu Abg. Andreas Überregulierungen. Scheuer [CDU/CSU] gewandt: Das werden Sie auch noch merken, nachdem Sie in diesem (Jörg Tauss [SPD]: Polizei ins Kinderzimmer!) Jahr geheiratet haben!) Sie wollen aber stärkere Restriktionen einbauen. Hierbei Interessant ist die Tatsache, dass die Familie gerade bei sei nur an die heute angesprochene Erweiterung des der Union immer eine große Rolle als Leitbild spielt. Bußgeldrahmens von 50 000 Euro auf 500 000 Euro er- Warum sind Sie dann aber an dieser Stelle misstrauisch? innert. Ich denke, hier muss die Verhältnismäßigkeit ge- Beim Jugendschutz kann man nicht nur mit Verboten wahrt bleiben. Wir haben den Bußgeldrahmen bereits operieren. Abgesehen davon, dass Verbotenes für Kinder von 15 000 Euro auf die besagten 50 000 Euro erweitert. und Jugendliche immer eine besondere Verlockung dar- Das ist mehr als eine Verdreifachung. Ich denke, das ist stellt, besteht die große Gefahr, dass die Kontrolle der angemessen und führt zu einer guten Abschreckung. Einhaltung der Verbote kaum konsequent durchführbar ist. Auch deshalb verfolgen wir im neuen Jugendschutz- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gesetz einen anderen Ansatz: Dort, wo Verbote und Re- DIE GRÜNEN – Andreas Scheuer [CDU/ gulierungen unumgänglich sind, wurden sie eingebaut. CSU]: Jugendschutz zum Sonderpreis!) Überall dort, wo Bürgerrechte unverhältnismäßig einge- Das Gesetz und der zu beratende Entwurf unterschei- schränkt worden wären und wo wir Beratung und eine den sich schon im Ansatz grundsätzlich. Mit dem Ge- vertrauensvolle positive Einflussnahme als geeigneteres setzentwurf legt die Union das Gewicht eindeutig auf und ausreichendes Mittel ansehen, haben wir auf Verbote neue Regelungen und Verbote. Das ist aus meiner Sicht verzichtet. in keiner Weise dazu geeignet, die Medienkompetenz (Beifall bei der SPD) von Kindern und Jugendlichen zu stärken. (B) (D) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: DIE GRÜNEN) Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Auch wenn der Entwurf in dieser Hinsicht lückenhaft ist, bleibt doch erkennbar, dass man aufseiten der CDU/ Jürgen Wieczorek (Böhlen) (SPD): CSU meint, man könne die Probleme lösen, indem man Ich glaube, es ist heute weitgehend bewiesen, dass gewissermaßen eine Glocke über die jungen Menschen eine Erziehung, die nahezu ausschließlich auf Verboten stülpt. Man traut weder den Eltern noch anderen an der und Restriktionen beruht, wenn überhaupt, nur von kurz- Erziehung beteiligten Personen zu, erfolgreich Einfluss fristigem Erfolg ist. Zudem wird dadurch die Entwick- auf die Kinder zu nehmen. Mit diesem Gesetzentwurf lung und Förderung der Talente der jungen Menschen zeigt die Union ihr Misstrauen gegenüber den Eltern. verhindert. (Beifall bei der SPD) Viel wichtiger ist es, dass Eltern, Lehrer und weitere nahe stehende Personen ein auf Vertrauen gegründetes Ich frage Sie: Wer, wenn nicht die Eltern des Kindes, Verhältnis zu den Kindern aufbauen und pflegen. Nur kann am besten entscheiden, was für das Kind verant- dadurch wird eine nachhaltige positive Erziehung und wortbar ist, ob es zum Beispiel einen Film emotional Entwicklung zu vielseitigen und offenen Menschen er- oder intellektuell verarbeiten kann oder nicht? Natürlich reicht, die auch über das Jugendalter hinaus negativen kann nie ausgeschlossen werden, dass es eine kleine Einflüssen und Anfechtungen besser widerstehen kön- Zahl von Eltern gibt, die dieser Verantwortung nicht ge- nen. recht werden. Ich bin gleich fertig. – Deshalb ist es im Bereich der Die Kollegen von der Union vergessen bei ihrer Be- neuen Medien wichtig, den Kindern und Jugendlichen gründung für die Gesetzesänderung außerdem, dass Kin- die Möglichkeit zu geben, sich damit umfassend vertraut der gleichen Alters – gerade im Alter zwischen sechs zu machen, sie vertrauensvoll auf Gefahren hinzuweisen und zwölf Jahren – sowohl geistig als auch körperlich und nur dort, wo wirklich notwendig, Einschränkungen sehr unterschiedlich entwickelt sind. durch Verbote vorzunehmen.

(Jörg Tauss [SPD]: So ist es!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Haupt hat das schon angesprochen; dem ist zuzu- Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit weit über- stimmen. schritten. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3173

(A) Jürgen Wieczorek (Böhlen) (SPD): ist. Diese Evaluierung sollte man nicht erst nach fünf (C) Okay. Jahren, sondern früher vornehmen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich vor weni- (Heiterkeit bei der SPD) gen Tagen auf Anregung des thüringischen Ministerprä- Die CDU/CSU steht mit der Unterstützung des Bundes- sidenten eine Initiative zum Thema Jugend- und Me- ratsentwurfs weitgehend isoliert da. Ich fordere Sie auf: dienschutz gebildet hat. Auch das dokumentiert, dass es Besinnen Sie sich! bei diesem Thema noch Handlungsbedarf gibt. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ist der Gesetzestext in allen Punkten praxistauglich? des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Ich will vier Punkte nennen, in denen meiner Meinung von der CDU/CSU: Ich habe fertig!) nach die Praxistauglichkeit nicht gewährleistet ist. (Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: GRÜNEN]: In denen Sie es vermuten!) Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Dörflinger Erstens geht es um den Begriff der erziehungsbeauf- von der CDU/CSU-Fraktion. tragten Person. Bisher war im Jugendschutzgesetz vom (Beifall bei der CDU/CSU) Erziehungsberechtigten die Rede. Das war klar. Der Be- griff der erziehungsbeauftragten Person ist so klar nicht, wenn Sie ihn nicht aus der Sicht desjenigen oder derjeni- Thomas Dörflinger (CDU/CSU): gen sehen, der oder die sich damit beschäftigt, sondern Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und beispielsweise aus der Sicht eines Veranstalters oder ei- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie nes Gewerbetreibenden. Auch diese Menschen müssen mich mit Blick auf das, was Kollegin Griese zu Beginn mit diesem Rechtsbegriff im Gesetz umgehen und im ihres Beitrages gesagt hat, eine Vorbemerkung machen: Zweifelsfall dafür geradestehen, wenn es zu einem Ver- Ich glaube, es lohnt sich, einmal kritisch zu hinterfragen, stoß gegen das Jugendschutzgesetzt kommt, wofür sie was sich vor dem Hintergrund des Irakkrieges gegen- haftbar gemacht werden können. wärtig in den bundesdeutschen Medien abspielt. Ich habe meine Zweifel – auch das steht in der Stel- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. lungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft zu diesem Klaus Haupt [FDP]) Thema –, ob der Begriff der erziehungsbeauftragten Per- Ich möchte hinzufügen: Nicht nur hinsichtlich der Wir- son tatsächlich praxistauglich ist. Meiner Meinung nach (B) (D) kung auf Kinder und Heranwachsende, sondern auch ist er es selbst dann nicht, wenn, wie von Juristen ange- hinsichtlich der Wirkung auf Erwachsene sollten wir uns führt wird, nicht nur eine mündliche, sondern eine kritisch die Frage stellen, ob – ich will es in einen klei- schriftliche Beauftragung vorliegt. Auch dann sehe ich nen und einfachen Satz fassen – nicht weniger oftmals im Vollzug deutliche Defizite. Ich sage ganz klar: So- mehr wäre. lange wir keine bessere Lösung haben – ich wäre für eine bessere Lösung, die sich tatsächlich als solche er- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. wiese, durchaus offen –, müssen wir zunächst im Sinne Klaus Haupt [FDP]) der Praxistauglichkeit bei der alten Lösung bleiben. Auch wenn wir wenige Tage nach In-Kraft-Treten des (Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Jugendschutzänderungsgesetzes aufgrund einer Bundes- Das ist vielleicht ein Argument! Dann könnte ratsinitiative über eine erneute Änderung diskutieren, man gar nichts ändern!) was vielleicht auf den ersten Blick anachronistisch er- scheinen mag, ist es doch so – Herr Kollege, wenn Sie – Herr Kollege Tauss, ich weiß nicht, wovon Sie etwas die Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Kin- verstehen, aber ich weiß, dass Sie von dem Thema nichts der- und Jugendschutz in ihrer Gänze zitiert hätten, dann verstehen. wären auch Sie auf diesen Punkt gestoßen –, dass auch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die BAG trotz der erfolgten Änderung und der Novellie- rung des Jugendschutzgesetzes beim Thema Jugend- Es wäre für Sie, Ihre Fraktion und das Plenum des Deut- schutz durchaus Diskussionsbedarf einräumt. schen Bundestags besser, wenn Ihre Unkenntnis nicht auch noch im Protokoll dokumentiert würde. Ich füge aber hinzu, dass die BAG die Auffassungen der Union nicht in allen Punkten teilt. Auch wenn dieser Ich will einen zweiten Punkt nennen: das Elternpri- Gesetzentwurf – ich bin kein Prophet, aber davon gehe vileg. Wir haben in der Anhörung deutlich gemacht, dass ich aus – durch die Mehrheit der Koalition heute abge- sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht grundsätz- lehnt wird, sollte er doch Anlass sein, im Sinne der BAG lich gegen die Parental Guidance stellt. Aber die Frage über den einen oder anderen Punkt noch einmal nachzu- ist auch hier: Ist es in der Praxis tauglich oder nicht? Sie, denken. Dabei muss nicht so sehr der Frage nachgegan- Frau Griese, haben selber in Ihrem Beitrag die FSK-Al- gen werden, ob der eine mit mehr oder der andere mit tersklassifizierung angesprochen. Wir sind uns durchaus weniger Verboten zum Erfolg kommt, sondern es muss einig, dass es sinnvoll wäre, die unterschiedlichen Ent- um die Frage gehen, ob das, was in der Novelle zum Ju- wicklungsstufen eines Kindes zwischen 6 und 12 Jahren, gendschutzgesetz vorgesehen ist, in der Praxis tauglich die es zweifelsohne gibt, auch in der Altersdifferenzie- 3174 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Thomas Dörflinger (A) rung der FSK abzubilden, um so tatsächlich den Eltern len. Wir können uns lange über Presse- und Meinungs- (C) anschließend eine Handhabe für die Entscheidung zu ge- freiheit und über die Freiheit der Kunst unterhalten. Als ben, ob ein Film für ihren Sohn oder ihre Tochter geeig- ehemaliger Angehöriger dieser Berufsgruppe bin ich der net ist oder nicht. Letzte, der das kleinredet. Wenn beispielsweise ein Sechsjähriger oder ein Sie- Aber der Gesetzgeber sollte beim Kinderschutz in der benjähriger mit der Bitte zu seinen Eltern kommt, den Grauzone zwischen der Darstellung von Kindern in einer zweiten Teil des „Herrn der Ringe“ anschauen zu wol- unnatürlichen geschlechtsbetonten Körperhaltung und len, FSK ab 12, dann wäre ich als Vater in dieser Frage der Kinderpornographie ganz eindeutig, klipp und klar überfordert, seinen Willen formulieren. Ich hätte mir gewünscht, dass das in der Novelle zum Jugendschutzgesetz getan wor- (Zuruf von der SPD: Das glauben wir!) den wäre. Aus unserer Sicht ist das nicht der Fall. Viel- weil ich den Film nicht kenne. Mit einer Altersdifferen- leicht bietet die heutige Debatte die Chance, nicht erst zierung, die den Entwicklungsstufen des Kindes gerecht nach Ablauf von fünf Jahren, sondern angesichts dessen, wird, würde mir die Entscheidung wesentlich einfacher was heute diskutiert worden ist, und angesichts dessen, fallen. Deswegen geht es auch in diesem Punkt um die was die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugend- Praxistauglichkeit. schutz uns vorgelegt hat, schon in Bälde zu einer Über- prüfung dieser gesetzlichen Bestimmungen in dem Sinne (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie zu kommen, dass wir mehr für den Kinder- und Jugend- unterstellen schon wieder, dass es den fiktiven schutz in Deutschland tun. Sechsjährigen gibt! Das ist ja unglaublich!) Herzlichen Dank. Beim dritten Punkt geht es auch um ein Problem, das sich möglicherweise anschließend im Vollzug erweisen (Beifall bei der CDU/CSU) wird. Wir wollen ein Verbot von Videoverleihautoma- ten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Ju- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gendschutz unterstützt in ihrer Stellungnahme diese For- Ich schließe die Aussprache. derung aus der einfachen Überlegung heraus, dass der Jugendschutz und die Kontrolle der Abgabe von Videos Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundes- an Jugendliche natürlich innerhalb eines Ladengeschäf- rat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Ju- tes wesentlich einfacher zu regeln ist als an einem Auto- gendschutzgesetzes auf Drucksache 15/88. Der Aus- maten, zu dem jeder anonym Zugang hat. Auch da stellt schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sich die Frage: Wie sieht es anschließend mit der Haf- empfiehlt auf Drucksache 15/738, den Gesetzentwurf (B) tung aus? Ist der Betreiber des Videoverleihautomaten abzulehnen. (D) anschließend haftbar? Bei der Abgabe innerhalb eines Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim- geschlossenen Ladengeschäftes ist die Frage eindeutig men wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – zu beantworten. Es stellt sich also auch hier die Frage Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen nach der Praxistauglichkeit. Solange wir das nicht ge- der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Zu- klärt haben, plädieren wir für ein Verbot der Videover- stimmung der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt. leihautomaten. Damit entfällt die dritte Beratung. (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Haupt [FDP]: Dann müssen Sie das bei Zigaretten- Ich rufe den letzten Tagesordnungspunkt für den heu- automaten auch machen!) tigen Tag, nämlich die Zusatzpunkte 7 bis 9, auf: – Herr Kollege Haupt, danke für den Zwischenruf. ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Auf Initiative der Drogenbeauftragten der Bundesre- Hans-Peter Repnik, weiterer Abgeordneter und gierung ist das bereits diskutiert worden. Es gab durch- der Fraktion der CDU/CSU aus Unterstützung in den einzelnen Fraktionen für diesen Vorschlag. Wir müssen dann beides tun. Wenn wir zu der Rechtsverordnung nach der Luftverkehrsord- Überzeugung kommen, dass Zigarettenautomaten im In- nung umgehend erlassen – Rückübertragung teresse von Kindern und Jugendlichen verboten werden der Flugsicherung über süddeutschem Gebiet sollten, dann müssen wir das gleichfalls bei Videover- – Drucksache 15/651 – leihautomaten tun. Man kann nicht das eine tun und das Überweisungsvorschlag: andere lassen. Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f) (Beifall bei der CDU/CSU) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ein letzter Punkt: Ich habe erstaunlicherweise bei den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit verschiedenen Beiträgen festgestellt, dass wir fraktions- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union übergreifend in diesem Punkt einen Konsens haben. Es ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin geht um die Darstellung von Kindern in unnatürli- Rehbock-Zureich, Reinhard Weis (Stendal), cher geschlechtsbetonter Körperhaltung. Es gibt ein Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der deutliches Defizit im vorliegenden Gesetzentwurf, dem Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten wir durch die Bundesratsinitiative entgegenwirken wol- Winfried Hermann, Kerstin Andreae, Volker Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3175

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C) Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Präsenz Entlastung des süddeutschen Raumes vom der CDU/CSU ist blamabel!) Fluglärm des Flughafens Zürich durchsetzen Meine Damen und Herren von der Opposition, ich be- – Drucksache 15/744 – grüße es ausdrücklich, dass Sie die Haltung und das Vor- Überweisungsvorschlag: gehen der Bundesregierung mit Ihrem Entschließungs- Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f) antrag unterstützen wollen. Das spricht übrigens für Ihre Auswärtiger Ausschuss Lernfähigkeit; denn zu Ihrer Regierungszeit haben Sie Rechtsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sich herzlich wenig um die Belange der süddeutschen Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Bevölkerung gekümmert. ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Homburger, Ernst Burgbacher, DIE GRÜNEN – [CDU/ (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Frak- CSU]: Deshalb wählen sie auch alle mit großer tion der FDP Begeisterung SPD!) Lärmschutz durch Rechtsverordnung über Aber Ihr guter Wille allein reicht nicht; denn dem An- süddeutschem Raum sichern – Flugsicherheit trag der CDU/CSU-Fraktion fehlt das gebotene Augen- gewährleisten maß in puncto Realisierbarkeit. Die darin geforderten Maßnahmen sind zum Teil auch technisch in sich wider- – Drucksache 15/755 – sprüchlich. Sie fordern zum Beispiel, dass Wartever- Überweisungsvorschlag: fahren nur über schweizerischem Gebiet erfolgen dürf- Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f) ten, aus ihnen heraus aber nicht über deutsches Gebiet Auswärtiger Ausschuss angeflogen werden dürfte. Es gibt jedoch keine dement- Rechtsausschuss sprechenden Anflugverfahren auf die Pisten 14 und 16, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union die den Kriterien der Internationalen Zivilluftfahrt-Orga- nisation entsprechen würden. Gleiches gilt für die Forde- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die rungen der Landräte der Landkreise Waldshut, Schwarz- Beratung eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei- wald-Baar und Konstanz, auf die die FDP in ihrem nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Antrag verweist.

(B) Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die Der Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis- (D) Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke das Wort. ses 90/Die Grünen – wie sollte es auch anders sein? – ist demgegenüber auch im Hinblick auf die tatsächliche Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Durchsetzbarkeit der Maßnahmen sauber formuliert. minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: (Beifall bei der SPD – Ernst Burgbacher [FDP]: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen Ihr müsst euch selbst beklatschen!) und Kollegen! Ich will es hier sehr deutlich sagen: Die Zudem enthält er wichtige Elemente wie Genehmi- Bundesregierung bedauert das Scheitern des Staatsver- gungsverfahren für die viel diskutierten Ausnahmen von trags in der Schweiz. den Flugbeschränkungen und die Überwachung der Ein- (Siegfried Scheffler [SPD]: Wir auch!) haltung der Flugbeschränkungen, die ich in den anderen Anträgen schmerzlich vermisse. Er wäre ein Kompromiss im gutnachbarlichen Sinne ge- wesen, der zu einer gerechten Verteilung der Belastun- Die Bundesregierung handelt, sie wird die Interessen gen geführt hätte, die vom Betrieb des Flughafens Zü- der süddeutschen Bevölkerung wirksam schützen und rich ausgehen. für eine angemessene Verteilung der Belastungen sor- gen. Damit die im Sinne einer weit reichenden Reduzie- Das schweizerische Parlament zwingt nun die deut- rung zwingend notwendigen technischen Voraussetzun- sche Bundesregierung, ihre wiederholten Ankündigun- gen am Flughafen Zürich geschaffen werden können, gen wahr zu machen und einseitig Maßnahmen im Inte- werden der Schweizer Seite kurze Übergangsfristen ein- resse der süddeutschen Bevölkerung zu ergreifen. Die geräumt. Bundesregierung hat dabei immer betont, dass sie nicht den Flughafen Zürich, sondern die Flüge über deut- Die Umsetzung erfolgt deshalb in zwei Stufen: In ei- schem Gebiet einschränken will, um die Lasten gerecht ner ersten Stufe wollen wir die Flugbewegungen zu- zu verteilen. nächst auf unter 110 000 reduzieren. Die Verordnung, die wir dazu erlassen, tritt am 17. April in Kraft. Mit die- Unterstellt wird dabei allerdings, dass die Schweiz die ser Verordnung werden folgende Maßnahmen sofort technischen Möglichkeiten auch tatsächlich ausschöpft, wirksam: Die Nachtflugbeschränkungen werden wo- die für einen Betrieb des Flughafens Zürich denkbar chentags abends und morgens um jeweils eine Stunde sind. Nicht akzeptiert werden kann, dass die Schweiz auf 21 bis 7 Uhr Ortszeit ausgedehnt. Die Überflughö- technisch machbare Lösungen nur deshalb nicht umsetzt, hen und Wartehöhen werden von 21 bis 7 Uhr auf weil sie ihre eigene Bevölkerung schützen will. Flugfläche 120 – das sind circa 3 600 Meter über Nor- 3176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke (A) malnull – bzw. Flugfläche 180 – das sind circa (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ (C) 5 400 Meter über Normalnull – angehoben. Um den Be- DIE GRÜNEN]: Das ist Ihnen peinlich! Das trieb am Flughafen nicht einschränken zu müssen, wird verstehe ich auch! – Reinhard Weis [Stendal] sich der Flughafen für Landeanflüge von Osten und Sü- [SPD]: Sie wollen den Mantel der Geschichte den öffnen müssen. über das hängen, was Sie gemacht haben!) Wir wollen auch die derzeit gültigen Ausnahmerege- Es wäre sinnvoll, bei Ihrer Suche in den Archiven der lungen weiter einschränken. Die entsprechenden Maß- Ministerien auch einen Blick in das Archiv des Bundes- nahmen sind bereits in der Verordnung enthalten und tre- kanzleramts zu werfen und nachzulesen, wie sich der da- ten zum 10. Juli dieses Jahres in Kraft. malige Staatsminister im Bundeskanzleramt, Gunter Huonker, zwischen 1980 und 1982 zu der geplanten Er- Die zweite Stufe greift nach einem Jahr mit einer weiterung der Pisten beim Flughafen Zürich-Kloten ge- neuen Verordnung und reduziert die Flugbewegungen äußert hat. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Stei- dann weiter auf unter 80 000. Mit diesen konkreten nen werfen! Maßnahmen werden die Interessen der süddeutschen Be- völkerung wirkungsvoll geschützt. (Ute Kumpf [SPD]: Die Akten haben Sie alle (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried mitgenommen!) Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die heute vorliegenden Anträge unterscheiden sich in Lassen Sie mich noch etwas zu der Wahrnehmung der vier zentralen Punkten, die aus unserer Sicht auch in der Flugsicherung im Grenzgebiet anmerken. Aus flugsi- angekündigten Rechtsverordnung nicht im ausreichen- cherungsfachlicher Sicht ist dort die gegenwärtige Auf- den Maße geregelt sind und auf die ich an dieser Stelle gabenteilung zwischen der deutschen und der schweize- näher eingehen möchte. rischen Flugsicherung optimal. Aber ohne einen Erstens. Wir plädieren für eine sehr strenge Definition Staatsvertrag fehlt hierfür die Rechtsgrundlage. Eine und Regelung der Ausnahmetatbestände. Es geht nicht fachlich gleichwertige Lösung wäre gegeben, wenn jetzt an, dass die Festlegung, ob schlechtes oder gutes Wetter die deutsche Flugsicherung 50 Jahre lang den schweize- herrscht, der Definitionshoheit der Flughafenbetreiberin rischen Luftraum kontrollieren würde. überlassen wird. Die im Staatsvertrag getroffenen Rege- (Siegfried Scheffler [SPD]: Das wäre doch lungen, die im Vorgriff auf das In-Kraft-Treten des nicht schlecht!) Staatsvertrages bereits zur Anwendung kamen, hatten zu dem Zeitpunkt, als die Ausnahmetatbestände in Kraft An diese Lösung will aber die Schweiz aus Gründen der traten, einen schlagartigen Anstieg von Flugbewegungen (B) Souveränität nicht herangehen. Sie misst auch hierbei zur Folge, die sich auf die Ausnahmen beriefen. Dies (D) mit zweierlei Maß. Wenn wir das Lärmproblem im Griff geht aus einer Übersicht hervor, die aus Quellen des Uni- haben, werden wir aber auch zu diesem Komplex geeig- que Airport Zürich und der Bürgerinitiative aus dem nete Lösungen finden. Wir sind es der süddeutschen Be- Kreis Konstanz stammt. Das heißt, so stringent, wie Sie völkerung schuldig, dass wir schnell wirkende Maßnah- meinen, können die im Staatsvertrag vorgesehenen Re- men ergreifen, die zu einer gerechten Verteilung der gelungen nicht gewesen sein. Deswegen sollten die in Lasten führen. der Rechtsverordnung festgelegten Regelungen effizien- (Siegfried Scheffler [SPD]: Da haben Sie ter sein als bisher. Recht!) Zweitens. Sie haben es zum Ende Ihrer Rede bereits Ich betone noch einmal: Uns wäre ein Staatsvertrag sehr angesprochen, Frau Staatssekretärin. Nach meiner viel lieber gewesen. Dass er nicht zustande gekommen Kenntnis bezieht sich die Rechtsverordnung an keiner ist, hat nicht an uns gelegen. Jetzt müssen wir aber han- Stelle auf die Frage der Luftverkehrskontrolle. Aus deln. verfassungsrechtlichen Gründen ist es zwingend not- wendig – darauf haben Sie hingewiesen; darin sind wir Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. uns auch einig –, in dieser Frage eine Regelung zu fin- den. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Gelegenheit (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ genutzt hätten, per Rechtsverordnung eine entspre- DIE GRÜNEN) chende Regelung zu treffen, statt in einer verfassungs- rechtlich bedenklichen Situation die Dinge auf die lange Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bank zu schieben. Dahinter steht nicht nur die verfas- Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Dörflinger sungsrechtliche Diskussion, sondern angesichts der Er- von der CDU/CSU-Fraktion. eignisse im Raum Überlingen und des einen oder ande- ren Fastzusammenstoßes geht es auch um die Sicherheit der Bevölkerung in diesem Landstrich wie auch der Pas- Thomas Dörflinger (CDU/CSU): sagiere in den Flugzeugen, die Zürich-Kloten anfliegen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Es hat mich sehr befremdet – das sage ich Ihnen in aller Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie Offenheit, Frau Staatssekretärin –, dass Sie vorhin die mir eine kleine Bemerkung zu den auch eben wieder un- Praxis der Flugsicherung in Südwestdeutschland ternommenen Ausflügen in die politische Geschichte, als – ich werde das im Protokoll genau nachlesen – opti- Frau Staatssekretärin. mal bezeichnet haben. Aus meiner Sicht und aus der der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3177

Thomas Dörflinger (A) betroffenen Bevölkerung ist die Praxis alles andere als Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) optimal. Das Wort hat der Kollege Winfried Hermann vom (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bündnis 90/Die Grünen.

Ich möchte noch einen dritten Punkt ansprechen. Lei- Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der wird in der Rechtsverordnung auch keine Aussage zu den Warteräumen getroffen. Natürlich ist uns klar, dass Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ein Flughafen wie Zürich-Kloten, der beispielsweise soeben sozusagen die lautstarke Trompete des Bürger- auch von Norden angeflogen wird, logischerweise einen protestes eines Vorzeigemusikanten aus dem südwest- Warteraum im Norden haben muss. Es kann nicht sein, deutschen Raum gehört. Er hat sie durchaus kundig ge- dass aus vier Himmelsrichtungen angeflogen wird, dass spielt. Ich halte allerdings fest, dass die CDU/CSU heute die Flugzeuge aber alle notwendigen Warteschleifen offensichtlich die Jungen voranschickt, während die Alt- über Donaueschingen drehen, also im Norden des Flug- vorderen, die über Jahrzehnte Verantwortung hatten, als hafens Zürich-Kloten. Deswegen sagen wir: Die Flugha- sie noch auf der Regierungsbank saßen, heute nicht an- fenbetreiberin ist in der Pflicht, eine Regelung betreffend wesend sind. die Verlegung von Warteräumen in den Umkreis von Zü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rich-Kloten zu treffen, die erstens den Südanflug mög- und bei der SPD) lich macht und die zweitens sicherstellt, dass die not- wendigen Warteräume im Süden des Flughafens genutzt Wir müssen uns heute auch ein bisschen mit der Ge- und betrieben werden können. schichte der Bekämpfung des Fluglärms im südwest- deutschen Raum befassen. Ich kann Ihnen – Sie selber Ich möchte einen vierten Punkt ansprechen, auf den haben auf die Geschichte zurückgegriffen; auch wir ha- Sie leider überhaupt nicht eingegangen sind. Es geht ben nachgeschaut – das nicht ersparen. Sie haben 1984, nicht nur um die Anflüge auf Zürich-Kloten, sondern als die CDU an der Regierung war, eine unverbindliche auch um die Abflüge. Wenn Sie sich einmal vor Augen Verwaltungsvereinbarung in Kraft gesetzt und sie führen, dass die Flugzeuge, die nach Norden abfliegen, 14 Jahre lang gegen alle stürmischen Proteste als das drei nautische Meilen vor der Grenze abdrehen und dass Nonplusultra des Fluglärmschutzes im südwestdeut- der Lärm und die sonstigen Emissionen anschließend an schen Raum verteidigt. Als Sie 1998 sozusagen auf der den Hängen des Südschwarzwaldes abprallen, wo es Oppositionslandebahn 30 plus x gelandet sind, haben eine der prädestiniertesten Ferienregionen in Deutsch- Sie, nachdem wir das gefordert haben, die Notwendig- land gibt, dann werden Sie mir sicherlich zustimmen, keit eines Staatsvertrages festgestellt. Als wir einen dass es nicht in unserem Interesse sein kann, dass wir (B) Staatsvertrag ins Spiel gebracht haben, hat der Minis- (D) diese Praxis durch Nichtberücksichtigung in der Rechts- terpräsident von Baden-Württemberg die Verfassungs- verordnung zwar nicht fortschreiben, aber quasi sanktio- mäßigkeit eines solchen Vertrages angezweifelt und hat nieren. Hier herrscht eindeutig Nachholbedarf. mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ge- droht. Mithilfe von Hessen haben Sie im Bundesrat den (Zuruf von der SPD: Wo ist Ihre Initiative?) Staatsvertrag, der zweifellos eine Verbesserung gebracht – Herr Kollege, unser Antrag auf Drucksache 15/651 hätte – für alle Beteiligten in dieser Region, vor allen liegt vor. Dort können Sie alle unsere Positionen nachle- Dingen auch für die Bürgerinnen und Bürger im süd- sen, die wir in Bezug auf die angekündigte Rechtsver- westdeutschen Raum –, in den Vermittlungsausschuss ordnung vertreten. geschoben und damit gewissermaßen abgewiesen. Man fragt sich: Warum muss Hessen eigentlich Interessen der Wir wissen uns in dem, was wir in unserem Antrag Bürger in Südwestdeutschland vertreten? formuliert haben, einig mit den Landkreisen Waldshut, Schwarzwald-Baar und Konstanz, mit den Mehrheiten in (Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Fragen Sie den dortigen Kreistagen und mit den fast einstimmig ge- einmal die grüne Kreistagsfraktion in fassten Beschlüssen der betroffenen Gemeinden wie bei- Waldshut!) spielsweise denen der in meinem Wahlkreis liegenden Gibt es etwa Konkurrenzinteressen mit Flughäfen in Gemeinden Hohentengen und Klettgau. Hessen? Wie ich finde – dieser Eindruck drängt sich auf, (Zuruf von der SPD: Das sind alles schwarze wenn man die Geschichte Ihres Protestes anschaut –, ha- Gemeinden!) ben Sie ständig nach wechselnden Notenblättern getutet und eigentlich keine klare Linie gehabt. Frau Kollegin, nur als Hinweis: Die Gemeinde Klettgau (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Bürgermeister, der der SPD angehört. Wir wis- und bei der SPD) sen uns auch mit den Bürgerinitiativen in diesen drei Landkreisen einig. Rot-Grün hat dieses Problem ab 1999 konsequent an- gepackt. Wir haben gesagt: Wir wollen eine faire Lö- Wir halten unseren Antrag für zielführender und wei- sung mit der Schweiz finden, weil wir anerkennen, dass tergehender. Demzufolge bitten wir um Zustimmung. dieser Flughafen auch für die Bürgerinnen und Bürger Herzlichen Dank. im südwestdeutschen Raum eine Funktion hat. Aber die Lasten müssen fair verteilt werden. Es kann nicht sein, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dass der Fluglärm auf Deutschland abgeladen wird, wäh- 3178 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Winfried Hermann (A) rend das Geschäft in der Schweiz gemacht wird. Weil fen tun müssen. Ich hoffe sehr, dass dieser Konsens, den (C) wir die Schweiz lieben und sie als Partner schätzen, wir heute feststellen, auch dann deutlich wird, wenn wir wollten wir diese faire Lösung. Aber klar musste sein: das Fluglärmgesetz novellieren und neue Lärmgrenz- weniger Fluglärm für die deutschen Anwohner, klare werte über deutschen Flughäfen festschreiben. Ich bin Regeln – damit nicht immer zuungunsten der Deutschen gespannt, ob Sie auch dann vorne dabei sind entschieden wird – und eine faire Lastenverteilung. (Karin Rehbock-Zureich [SPD]: Genau!) Wir haben von Anfang an gesagt: Wenn es diesen Staatsvertrag gibt, dann wollen wir auch eine deutliche und mit uns auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger Absenkung der Zahl der Flugbewegungen festschreiben. kämpfen oder ob Sie dann plötzlich wirtschaftliche Ar- All dies haben wir vorgetragen und in den Staatsvertrag gumente finden, mit denen Sie begründen wollen, wa- eingebracht. Wie ich finde, hatten wir mit der Schweiz rum das alles nicht möglich ist. einen außerordentlich fairen Kompromiss ausgehandelt. Vielen Dank. Ich sage Ihnen ganz offen: Für uns Grüne war es hart, zu diesem Kompromiss zu stehen, weil er den Schweizer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bedürfnissen eigentlich weit entgegengekommen ist. und bei der SPD) (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Ernst Burgbacher von der Wir haben zugestimmt, im Interesse einer guten FDP-Fraktion. Nachbarschaft. Die Schweiz dagegen hat das in ihren Parlamenten, im Ständerat und im Nationalrat, mit ge- wisser Arroganz einfach abgelehnt – obwohl es ein mehr Ernst Burgbacher (FDP): als faires Angebot war. Als im letzten Sommer erkenn- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen bar war, dass eine Vereinbarung scheitert, haben wir und Kollegen! Lieber Herr Hermann, manche Ihrer Grünen sofort gesagt: Lasst uns einen anderen Weg be- Worte höre ich mit Staunen. Angesichts Ihrer Rede schreiten. Wir können das im Wege einer Rechtsverord- drängt sich mir schon die Frage auf: Was ist eigentlich nung machen. Dann ist das dort klar und eindeutig gere- aus den Grünen geworden? gelt, wenn auch vielleicht etwas mehr zugunsten der deutschen Anwohner und etwas mehr zulasten der (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Schweizer Bevölkerung. Für all jene, die die Debatte verfolgen und die Materie (Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Warum nicht so genau kennen, möchte ich noch einmal klar sa- (B) (D) wurde denn über den Bundesratsentscheid gen: Es geht hier nicht darum, dem Sankt-Florian-Prin- nicht abgestimmt?) zip zur Durchsetzung zu verhelfen, überhaupt nicht! Vielmehr geht es darum, dass die Lasten des Flughafens Diese Regelung war zweifellos notwendig. Dazu Zürich, der für diesen Raum – wie Sie richtig sagen – hätte es aber nicht kommen müssen, wenn die Schweiz eine wirtschaftliche Bedeutung hat, gerecht verteilt wer- kulanter gewesen wäre. Wie schon zu Recht gesagt den. Mit der Lösung dieses Problems setzen wir uns wurde, hat sich die Schweiz aber schon in der Über- ebenso wie die Betroffenen auseinander. gangsphase, als das eine oder andere Neue ausprobiert wurde, an keine Absprachen gehalten. Das hat das Ver- Ich möchte an dieser Stelle den zahlreichen Kommu- trauen der deutschen Bevölkerung in eine solche Re- nalpolitikern, den Bürgermeistern und auch den Bürger- gelung nachhaltig erschüttert. Von daher war uns klar: initiativen ausdrücklich danken. Sie haben äußerst ver- Irgendwann müssen wir handeln. – Jetzt haben wir ge- antwortlich gehandelt und nicht nur abgeblockt, sondern handelt: Wir haben einen Antrag eingebracht, der die auch konstruktive Verbesserungsvorschläge gemacht. Rechtsverordnung klar umreißt und deutlich macht, um Insbesondere möchte ich den Landräten der betroffenen was es uns geht. Kreise, Waldshut, Schwarzwald-Baar und Konstanz, danken. Sie haben uns Abgeordnete immer auf dem Lau- Unsere Ziele: Wir wollen eine wirkungsvolle Rege- fenden gehalten und mit guten Vorschlägen unterstützt. lung, insbesondere eine deutliche Absenkung der Zahl der Flugbewegungen, eine Ausweitung der Ruhezeiten Zwei Bereiche sind wichtig. – abends, am Wochenende und an Feiertagen – und eine Erstens: die Flugsicherungskontrolle. Liebe Kolle- sukzessive Überführung der Warteräume auf das ginnen und Kollegen, auch von der Union, ich warne ein Schweizer Gebiet. All diese Regelungen sollen nicht nur bisschen vor der Umsetzung Ihrer Forderung, die Flug- auf dem Papier stehen – um dann unterlaufen zu wer- verkehrskontrolle in die deutsche Verantwortung zurück- den –, sondern müssen nachvollziehbar sein, überprüft zuführen. Wir bevorzugen einen anderen Weg. Wir wol- werden können und gegebenenfalls auch sanktioniert len alles tun, damit sich die Flugsicherungskontrolle an werden, wenn gegen sie verstoßen wird. der Vorstellung eines Single European Sky, also eines Wir werden heute sicherlich auch noch einen Vertre- europäischen Luftraums, orientiert. Dabei geht es nicht ter der FDP hören, der sich eindeutig für den Lärm- um nationale Grenzen, sondern um Flugströme, die be- schutz ausspricht. Ich bin froh, dass wir im Hause bei rücksichtigt werden müssen. Wir sollten ganz schnell da- diesem Thema einen großen Konsens haben, dass wir et- mit anfangen, die Flugsicherungskontrolle stärker auf was gegen den Fluglärm von diesem Schweizer Flugha- die Sicherheit unserer Passagiere auszurichten. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3179

Ernst Burgbacher (A) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) der SPD) Das Wort hat jetzt die Kollegin Rehbock-Zureich von Zweitens. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den der SPD-Fraktion. Regierungsfraktionen, liebe Frau Staatssekretärin, wir brauchen umgehend eine Rechtsverordnung. Karin Rehbock-Zureich (SPD): (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/ Herr Burgbacher, Herr Dörflinger, ich hätte mir natürlich DIE GRÜNEN – Albert Schmidt [Ingolstadt] schon gewünscht, dass in den 16 Jahren Ihrer Regie- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guten Mor- rungszeit ein Antrag gestellt worden wäre, der den be- gen!) rechtigten Interessen der Bevölkerung in den betroffenen Landkreisen entsprochen hätte. Der derzeitige Zustand darf nicht anhalten. Ich betone: (Ernst Burgbacher [FDP]: Frau Rehbock, wer Es geht uns einzig und allein um eine gerechte Vertei- nur nach hinten schaut, fährt an die Wand! lung. Schauen Sie mal nach vorne!) (Siegfried Scheffler [SPD]: Das war der – Herr Burgbacher, das tun wir. Diese Verordnung ist ein Staatsvertrag!) Schritt nach vorne. Mir stehen nur etwa drei Minuten Redezeit zur Verfü- Hier muss einmal gesagt werden, warum wir heute an gung. Das entspricht etwa der Ruhezeit, die viele Men- diesem Punkt stehen. Es wäre vielleicht besser gewesen, schen im süddeutschen Raum zwischen zwei Flügen ha- wenn wir vor zehn Jahren an diesem Punkt gestanden ben. Viel länger ist es oft nicht. Ich will mich auf drei hätten. Punkte beschränken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Erstens. Angesichts der Topographie im süddeutschen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Raum – es gibt Berge, die sind über 1 000 Meter hoch – darf die Flugfläche für Anflüge nicht 100, sondern sie Bis zum Jahr 1998 ist in diesem Bereich nichts gesche- muss 150 betragen. Insbesondere der Raum, wo der Tou- hen. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die sich die- rismus Wirtschaftsfaktor Nummer eins ist, leidet unter ses Problems angenommen hat und die versucht hat, eine diesem Lärm ganz besonders. Das können wir nicht hin- einvernehmliche Lösung mit der Schweiz in Form eines nehmen. Staatsvertrages zu finden. Diesen hat das Schweizer Par- lament abgelehnt. (B) (D) (Beifall bei der FDP) (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ Zweitens. Das Warteverfahren für den Flughafen DIE GRÜNEN]: Leider!) Zürich – Kollege Dörflinger hat es schon gesagt – darf Momentan stellt sich die Situation so dar, dass die Nut- künftig nur über Schweizer Gebiet stattfinden. Von die- zung dieses Luftraumes durch eine einseitige Verord- ser Forderung werden wir nicht abrücken. Die Regelung nung geregelt wird. dieses Warteverfahrens muss so im Staatsvertrag stehen. Ich möchte Ihnen, Herr Burgbacher, noch einmal die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Inhalte der Verordnung und die Vorstellungen der SPD- der CDU/CSU) Fraktion zur Entlastung der Region darstellen. Ich stelle Drittens. Landeanflüge über deutschem Hoheitsge- mit Vergnügen fest, dass auch Sie das fordern, was die biet dürfen wochentags zwischen 21 Uhr und 7 Uhr, von Staatssekretärin vorhin genannt hat. Insofern gibt es in Freitag 21 Uhr bis Montag 7 Uhr, und an deutschen Fei- manchen Punkten einen Konsens. Was manch andere ertagen von 7 Uhr bis 21 Uhr nicht stattfinden. Punkte angeht, kann ich mich bloß wundern. Ich möchte Ihnen die wichtigsten Eckwerte der Ver- Diese drei Punkte müssen wir zum Wohle der betrof- ordnung darstellen: fenen Bevölkerung im Staatsvertrag regeln. Es geht um eine substanzielle Reduzierung der Zahl (Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Aber ansons- der Überflüge. In Schritten soll eine Zahl von unter ten sind Sie für Luftverkehr?) 80 000 erreicht werden. Wenn weiteres Reduzierungspo- Wenn Sie das nicht umsetzen, dann werden Sie unsere tenzial vorhanden ist, werden wir auch das einfordern. Unterstützung nicht bekommen. Wir haben eine gerichtsfeste Lösung im Staatsvertrag gehabt. Herr Dörflinger, angesichts dessen wundere ich (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mich, dass Sie jetzt fordern, die Zahl der Überflüge in ei- NEN]: Das steht alles in unserem Antrag, Herr ner anderen Größenordnung zu reduzieren und völlige Burgbacher! Sie rennen offene Türen ein!) Sonntagsruhe durchzusetzen. Das geht zulasten der Re- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. gion. Die Forderung nach völliger Sonntagsruhe, die Sie hier einbringen, ist sicherlich keine Forderung, die ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten richtsfest werden kann, sondern eine populistische For- der CDU/CSU) derung. 3180 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Karin Rehbock-Zureich (A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Geheimverhandlungen aufnehmen, um wieder zu einem (C) DIE GRÜNEN – Siegfried Kauder [Bad Dürr- ordentlichen Verhältnis zur Schweiz zu kommen. heim] [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!) (Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/CSU]: Sie gefährden damit die Gerichtsfestigkeit der Verord- Wie es der Bundeskanzler macht!) nung. Sie wissen, dass der Flughafen Kloten auf jeden Fall die Gerichte bemühen wird. Das kann es ja wohl nicht sein. (Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Das haben (Ernst Burgbacher [FDP]: Unsinn!) wir gesehen! – Siegfried Kauder [Bad Dürr- – Der Bundeskanzler hat das nicht gesagt. Der Herr heim] [CDU/CSU]: Das hatten wir schon! Den Couchepin hat das in der Schweiz verkündet. Prozess haben Sie verloren!) (Zurufe von der CDU/CSU) – Das betraf den Staatsvertrag; die jetzt vorgesehene Re- gelung ist gerichtsfest. Er hätte das gern. Da ist der Wunsch der Vater des Ge- dankens, Herr Kauder. Wir wollen hier mal bei der (Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ Wahrheit bleiben und nicht immer Halbwahrheiten ver- CSU]: Die Bundesrepublik Deutschland hat künden. den Prozess verloren!) Wenn man sich weit von dieser Grundlage entfernt, ge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ fährdet man die Entlastung der Region, Herr Kauder. DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Genau! Es war der Herr Couchepin, der das gern hätte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausnahmerege- Der Bundeskanzler hat das ans Fachministerium zurück- lung. Da sind wir mit der Entwicklung in der Region in verwiesen. den letzten Monaten in keiner Weise zufrieden gewesen. (Siegfried Scheffler [SPD]: Was auch vernünf- (Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Dank tig ist!) Staatsvertrag!) Herr Couchepin hat sich vor der Presse nicht gemeinsam Hier muss und wird es eine Veränderung geben. Ausnah- mit dem Bundeskanzler geäußert und das ist ja ganz inte- men müssen vorher angemeldet werden. Sie werden ressant. dann anders kontrolliert. Ganz wichtig ist – der Kollege Hermann hat schon darauf hingewiesen –: Es wird auch Auch Sie in der CDU/CSU sprechen mit unterschied- (B) Sanktionen geben. Wir fordern ein, dass das in die Ver- lichen Stimmen. So spricht der Ministerpräsident Teufel (D) ordnung aufgenommen wird, damit die Ausnahmerege- von 80 000 Anflügen pro Jahr, während Sie in Ihrem lungen auch eingehalten werden. Antrag eine Begrenzung auf 60 000 fordern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Das ist bes- DIE GRÜNEN) ser als 110 000!) Die Anhebung der Mindestwartehöhen wird dazu füh- Da lobt die FDP die Landräte. Es ist ja wunderbar, dass ren, dass Warteräume in die Schweiz verlegt werden Sie die Landräte loben, aber der Vorsitzende Ihrer Land- müssen, und das ist richtig. Infolgedessen werden auch tagsfraktion, der Herr Pfister, äußert sich folgenderma- die Anflugverfahren der Schweiz verändert werden müs- ßen: Diese Probleme können auf Landkreisebene und sen, und zwar so, dass Warteräume – sie sind dringend von den Landräten überhaupt nicht gelöst werden. notwendig – über Schweizer Gebiet sind. Der Weg geht also dahin, Warteräume auf das Gebiet der Schweiz zu (Ernst Burgbacher [FDP]: Es geht nicht um die verlegen. Lösung, sondern um die Fakten! Nicht alles umdrehen, Frau Rehbock!) Ein wichtiger Punkt in der Verordnung muss die Flugsicherung sein. Herr Burgbacher, wir freuen uns, Die Ansätze von CDU/CSU und FDP sind einfach dass auch Sie die Flugsicherheit als oberstes Prinzip se- populistisch und haben mit einer sachorientierten Lö- hen. Da haben Sie unsere Unterstützung. Die Flugsicher- sung wenig zu tun; daran hatten Sie ja auch die vergan- heit muss in der Tat bei allen Entwicklungen der Flugsi- genen 16 Jahre wenig Interesse. Sie haben hier Chancen cherung oberstes Prinzip sein. Ich stelle mir das so vor, verstreichen lassen und sind Ihrer Verantwortung auch in dass man entweder gemeinsame Lösungen findet oder der Vergangenheit nicht gerecht geworden. Auch jetzt die Deutschen die Flugsicherung übernehmen. Sollte es handeln Sie, Herr Dörflinger, nicht verantwortlich, in- aber dazu kommen, dass die Schweizer die Flugsiche- dem Sie Werte in Ihren Antrag schreiben, die möglicher- rung weiterführen, dann geht das aus unserer Sicht nur weise einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten kön- bei deutscher Kontrolle, Sicherung der Flugverfahren nen. Ich möchte wissen, wie dies in der Region bewertet und Einhaltung der Flugwarteräume. wird. Ich muss die FDP fragen, was nun eigentlich Sache ist. Sie von FDP und CDU/CSU sprechen hier mit völlig Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: unterschiedlichen Stimmen. Der FDP-Wirtschaftsminis- Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie ter Döring verkündet vor Ort: Nun müssen wir weitere sind schon weit über der Zeit. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3181

(A) Karin Rehbock-Zureich (SPD): deutet nämlich, dass SAFFA und EKRIT in die Schweiz (C) Ich komme zum letzten Satz. – Ich bitte Sie: Stimmen verlegt werden, RILAX sich aber weiterhin über dem Sie unserem Antrag zu, dann sind wir auf der sicheren Schwarzwald-Baar-Kreis befindet. Damit werden die Seite und erreichen eine Entlastung für die Region. Menschen dort noch mehr als bisher belastet. Wir wer- den nicht zulassen, dass Rot-Grün Politik zum Nachteil Vielen Dank. der Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis macht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – DIE GRÜNEN) Karin Rehbock-Zureich [SPD]: Die Landes- regierung hat damals diesem Warteraum zuge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: stimmt! – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/ Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt DIE GRÜNEN]: Lesen Sie einmal den Antrag! und am heutigen Tage gebe ich das Wort dem Kollegen Da steht etwas ganz anderes drin!) Siegfried Kauder von der CDU/CSU-Fraktion. Meine Damen und Herren, man muss auch über den (Beifall bei der CDU/CSU) Umgang der Bundesregierung mit den vom Fluglärm be- troffenen Bürgern reden. Die Bürger haben gegen die Einrichtung des Warteraums RILAX vor dem Verwal- Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): tungsgerichtshof Mannheim geklagt. Die Bundesregie- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- rung hat vortragen lassen, dass diese Klage unzulässig ren! Ich sage es einer Dame ungern, sei, weil die Bürger im Schwarzwald-Baar-Kreis keine Angrenzer an den Kanton Zürich seien und deswegen in (Zuruf von der SPD: Dann lassen Sie es!) ihren Rechten nicht betroffen sein könnten. Diesen Pro- aber ich muss es heute tun: Frau Staatssekretärin, mit zess hat die Bundesregierung mit Pauken und Trompeten borniertem Gerede werden Sie den Menschen im süd- verloren, und zwar nicht nur deshalb, weil die Bürger deutschen Raum nicht helfen können. nicht angehört wurden, sondern auch, weil öffentliche Belange gegen private nicht hinreichend abgewogen (Beifall bei der CDU/CSU – Siegfried Scheffler worden sind. Auch das muss man den Menschen noch [SPD]: Sie sind unverschämt!) sagen: Die Bundesregierung hat auf diesen verlorenen Es war nichts anderes als borniert, zu sagen, wir von der Prozess mit der Einlegung von Rechtsmitteln reagiert, CDU/CSU hätten keine konkreten Vorschläge gebracht. statt zu erklären, dass es ihr Leid tue, betroffene Bürger Anscheinend haben Sie unseren Antrag nicht gelesen. nicht angehört zu haben. (B) Sie von SPD und Grünen versuchen in der Tat, ein Vor- In der gleichen Situation befinden wir uns heute wie- (D) haben gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen; der. Die SPD bringt einen wachsweichen Antrag. Wie das wird sie sich nicht gefallen lassen. nachher die Rechtsverordnung aussehen soll, wissen wir (Beifall bei der CDU/CSU – Siegfried bis heute nicht, ebenso wenig wann Sie die Bürger in Scheffler [SPD]: Was haben Sie getan? 16 Jahre diesem Verfahren, das zu einer Rechtsverordnung führen geschlafen! – Karin Rehbock-Zureich [SPD]: soll, anhören wollen, um deren Interessen zu berücksich- 16 Jahre geschlafen haben Sie!) tigen. – Erzählen Sie mir nichts von diesen 16 Jahren, Frau (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kollegin Rehbock-Zureich. Sie wissen genauso gut wie Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ich, dass es den Warteraum RILAX erst seit dem 18. Mai NEN]: Seit wann ist die CDU für Bürgerbetei- 2000 gibt. ligung?) (Karin Rehbock-Zureich [SPD]: Mit Zustim- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: mung der Landesregierung! – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege Kauder, erlauben Sie eine Zwischen- Den Flughafen gibt es wahrscheinlich auch frage der Kollegin Rehbock-Zureich? erst seit 2000!) Man muss mit Ihnen, Frau Kollegin Rehbock- Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): Zureich, Deutsch reden, damit die Bevölkerung im süd- Bitte schön. deutschen Raum begreift, was Sie möchten. Sie haben sich in einem Zeitungsartikel folgendermaßen geäußert: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Man wolle, dass die Warteräume SAFFA und EKRIT in Bitte schön, Frau Kollegin. die Schweiz verlegt werden. Sie wissen ganz genau, dass es dann nur noch einen Warteraum RILAX über dem Schwarzwald-Baar-Kreis gibt. Karin Rehbock-Zureich (SPD): (Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Dem hat die Herr Kollege Kauder, ich komme auf den Rechts- Landesregierung zugestimmt!) spruch für den Warteraum RILAX zurück. Wissen Sie eigentlich, dass es darum ging, zwei verschiedene Ur- Wenn Sie es so gesagt haben, wie es in der Presse steht, teile zu bewerten – ein Urteil im Norden Deutschlands, dann wiederholen Sie das doch heute auch hier. Das be- wo dasselbe Verfahren angewandt wurde und ein 3182 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

Karin Rehbock-Zureich (A) Gerichtsurteil bestätigt hat, dass das rechtens sei, und Am 17. April soll die Rechtsverordnung in Kraft treten (C) das Urteil zum Warteraum RILAX im Süden Deutsch- und der Bürger weiß heute noch nicht, mit welchem In- lands, wo das Verfahren der Einbindung der Kommune halt sie ergehen soll. Das ist Ihre U-Boot-Politik, die die bemängelt wurde –, damit in Deutschland Rechtssicher- Bürger sich nicht gefallen lassen. heit besteht? Lesen Sie sich bitte einmal Ihren völlig unkonkreten Antrag durch, mit dem Sie die Bedürfnisse der Bürger Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): im Schwarzwald-Baar-Kreis zu befriedigen glauben. Da Frau Kollegin Rehbock-Zureich, ich verstehe Ihre sagen Sie beispielsweise, in den Ruhezeiten sollen die Frage nicht. Sie weichen dem Problem aus, Überflughöhen angehoben werden. Die Schweizer ha- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- ben bisher erklärt, solche Überflughöhen seien nicht wie bei der FDP) möglich, weil dann der Landewinkel zu groß werde. Aber wenn diese größeren Überflughöhen in Ruhezeiten dass die Bundesregierung in einem Rechtsstreit, in dem möglich sind, warum sollen sie dann nicht auch in den sich Bürger ihr Recht erkämpfen mussten, vortragen übrigen Zeiten gelten? Das heißt, Sie werfen Nebelker- lässt, sie hätten nicht einmal ein Rechtsschutzbedürfnis. zen in die Bevölkerung, während Sie genau wissen, dass Das ist der Umgang der Bundesregierung mit den Bür- Sie den Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis und im gern; das ist die Informationspolitik, wie Sie sie auch süddeutschen Raum damit nicht dienen. jetzt wieder pflegen. Die Menschen haben einen Anspruch auf Ruhe. Meine Damen und Herren, man braucht sich nur die Schauen Sie sich einmal die Einflugskizzen an. Es kann Argumente zu Eigen zu machen, die aus der Schweiz doch nicht sein, dass Maschinen aus dem Süden, aus kommen. Andreas Heiter – vielen nicht bekannt –, der Neapel, Rom oder Mailand, die Zürich anfliegen, an Zü- Flugsicherungsleiter im Tower in Zürich, hat bei einem rich vorbeifliegen, in 75 Kilometer Entfernung einen Besuch der Bürgerinitiative am 19. Juni 2001 erklärt, er großen Bogen drehen und an der schweizerisch-deut- brauche RILAX nicht; er sei froh, wenn es RILAX nicht schen Grenze unser Gebiet überfliegen. Das ist technisch gegeben hätte, denn dann hätte man die Probleme nicht. auch nicht notwendig – auch das muss man Ihnen einmal Das sagt ein zuständiger Beamter in der Schweiz. Das sagen, Frau Kollegin Rehbock-Zureich –, denn es gibt unterstützt unsere Forderung, Warteräume in die noch einen weiteren Warteraum: RAPEX. RAPEX ist Schweiz zu verlegen und sie nicht auf deutschem Gebiet der Warteraum über Rapperswil. Warum ist dieser zu lassen. Warteraum ausgedünnt? – Weil es inzwischen den War- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) teraum RILAX über dem süddeutschen Raum gibt. Das (B) heißt, die Schweizer entlasten ihre Goldküste am Zürich- (D) Ebenso kann man den Verkehrsminister aus der see. Den Begriff „Goldküste“ dürfen wir Deutschen ver- Schweiz, Herrn Moritz Leuenberger, zitieren, der am wenden, weil er nicht von uns stammt, sondern von der 18. Juni 2001 in der Sitzung des Ständerates Folgendes „Neuen Zürcher Zeitung“. zu den Warteräumen über Deutschland gesagt hat: Wäre ich in Deutschland, hätte ich die Warteräume abge- Deswegen müssen wir die Schweiz mit einer Rechts- schafft. Sie haben sie jetzt noch. verordnung in die Pflicht nehmen, die Hand und Fuß hat und nicht so wachsweich ist, wie Sie es wieder versu- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen. NEN]: Lesen Sie doch mal unseren Antrag! Da steht genau drin, dass alle Warteräume in Ich danke Ihnen. die Schweiz verlagert werden! Sie rennen doch offene Türen ein!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie sehen also, dass Schweizer Vertreter die Interes- sen der Deutschen besser artikulieren können, als die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: deutsche Bundesregierung es tut. Ich schließe die Aussprache. Ich darf auch zitieren, was der damalige Staatssekre- tär Stephan Hilsberg in einem Brief an Kollegen Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Dörflinger geschrieben hat: Für den Fall, dass der Stän- den Drucksachen 15/651, 15/744 sowie 15/755 an die in derat den Staatsvertrag ebenfalls ablehnt, ist die DFS, der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- die Deutsche Flugsicherung, bereits angewiesen, eine gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Rechtsverordnung vorzubereiten, die binnen sechs Mo- Dann sind die Überweisungen so beschlossen. naten in Kraft treten sollte. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- (Karin Rehbock-Zureich [SPD]: Ja!) ordnung. – Sie sind im Verzug, Frau Kollegin Rehbock-Zureich. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- Jetzt haben wir den 4. April 2003. tages auf Mittwoch, den 9. April 2003, 13 Uhr, ein. (Karin Rehbock-Zureich [SPD]: Am 18. März Die Sitzung ist geschlossen. war die Ständeratssitzung, falls Sie das nicht wissen!) (Schluss: 12.55 Uhr) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3183

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bätzing, Sabine SPD 04.04.2003 Oswald, Eduard CDU/CSU 04.04.2003 Bindig, Rudolf SPD 04.04.2003* Dr. Pinkwart, Andreas FDP 04.04.2003 Breuer, Paul CDU/CSU 04.04.2003 Raab, Daniela CDU/CSU 04.04.2003 Bury, Hans Martin SPD 04.04.2003 Raidel, Hans CDU/CSU 04.04.2003** Fahrenschon, Georg CDU/CSU 04.04.2003 Rauen, Peter CDU/CSU 04.04.2003 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 04.04.2003 Riester, Walter SPD 04.04.2003* Joseph DIE GRÜNEN Dr. Scheer, Hermann SPD 04.04.2003* Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.04.2003 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 04.04.2003 Dr. Gerhardt, FDP 04.04.2003 Wolfgang Schmidt (Eisleben), SPD 04.04.2003 Silvia Gloser, Günter SPD 04.04.2003 Dr. Schwall-Düren, SPD 04.04.2003 Gönner, Tanja CDU/CSU 04.04.2003 Angelica Götz, Peter CDU/CSU 04.04.2003* Siebert, Bernd CDU/CSU 04.04.2003* Gröhe, Hermann CDU/CSU 04.04.2003 Sowa, Ursula BÜNDNIS 90/ 04.04.2003 DIE GRÜNEN (B) Hartnagel, Anke SPD 04.04.2003 (D) Dr. Stadler, Max FDP 04.04.2003 Hemker, Reinhold SPD 04.04.2003 Thiele, Carl-Ludwig FDP 04.04.2003 Höfer, Gerd SPD 04.04.2003* Wettig-Danielmeier, SPD 04.04.2003 Irber, Brunhilde SPD 04.04.2003 Inge Jäger, Renate SPD 04.04.2003* Jonas, Klaus Werner SPD 04.04.2003* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- Klimke, Jürgen CDU/CSU 04.04.2003 lung des Europarates ** für die Teilnahme an der 108. Jahreskonferenz der Interparlamenta- Dr. Köhler, Heinz SPD 04.04.2003 rischen Union Kramme, Anette SPD 04.04.2003 Kressl, Nicolette SPD 04.04.2003 Anlage 2 Kurth (Quedlinburg), BÜNDNIS 90/ 04.04.2003 Amtliche Mitteilungen Undine DIE GRÜNEN Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 4. Sitzung zu Leibrecht, Harald FDP 04.04.2003* dem vom Deutschen Bundestag am 31. Januar 2003 be- schlossenen Letzgus, Peter CDU/CSU 04.04.2003* Ersten Gesetz zur Änderung des Zivildienst- Leutheusser-Schnarren- FDP 04.04.2003 gesetzes (Erstes Zivildienständerungsgesetz – berger, Sabine 1. ZDGÄndG) Lintner, Eduard CDU/CSU 04.04.2003* – Drucksachen 15/297, 15/375, 15/494 – Möllemann, fraktionslos 04.04.2003 das Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlos- Jürgen W. sen. Müller (Gera), CDU/CSU 04.04.2003 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Bernward mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- 3184 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003

(A) Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische (C) Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat.

Sportausschuss Drucksache 15/345 Nr. 15

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/611 Nr. 2.14

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/392 Nr. 1.2

(B) (D)

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