Universität Konstanz

Fakultät für Politik- und Verwaltungswissenschaft

Magisterarbeit

Die Riesterrente – Eine Analyse der Programmentwicklung und Implementation des Altersvermögensgesetzes

1. Gutachter (Betreuer): Prof. Dr. Leonard Neidhart 2. Gutachter: Prof. Dr. Volker Schneider

Vorgelegt von

Thomas Heimpel Max-Stromeyer Strasse 7b 78467 Konstanz Matrikelnummer: 01/380081 Abgabetermin: 25. Januar 2003

I

Inhaltsverzeichnis

VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN:...... III

1. EINLEITUNG ...... - 1 -

1.1 Vorgehensweise...... - 3 -

2. THEORETISCHER BEZUGSRAHMEN ...... - 5 -

2.1 Die Politikfeldanalyse im Allgemeinen...... - 5 -

2.2 Die Methode der Policy Analyse ...... - 7 - 2.2.2 Policies als Voraussetzung des politischen Entscheidungsprozesses ...... - 8 - 2.2.3 Bestimmungsfaktoren von Policies ...... - 10 - 2.2.4 Policy Netz und die Politikarena ...... - 12 - 1. Das Policy Netz...... - 12 - 2. Die Politikarena ...... - 12 - 2.3.5 Der Policy-Making Zyklus...... - 15 - 2.3.5.1 Die einzelnen Phasen in den Grundzügen: ...... - 15 - Phase 1: Problemdefinition ...... - 15 - Phase 2: Agenda Setting ...... - 16 - Phase 3: Politikformulierung ...... - 16 - Phase 4: Politikimplementation...... - 17 - Phase 5: Termination ...... - 17 - Phase 6: Policy Reaktion und politische Verarbeitung ...... - 18 -

3. DIE GESETZLICHE RENTENVERSICHERUNG UND DAS AVMG ...... - 19 -

3.1 Die Bedeutung und die Funktion der GRV...... - 19 -

3.2 Die Organisation der GRV...... - 19 - 3.2.1 Versicherter Personenkreis...... - 20 - 3.2.2 Leistungen der Rentenversicherung ...... - 21 - 3.2.3 Die Finanzierung der GRV...... - 22 - 3.2.4 Die Rentenhöhe...... - 23 -

3.3 Wichtige Entwicklungspunkte der GRV...... - 25 -

3.4 Der Regelungsgegenstand des AVmG ...... - 27 -

4. DIE RENTENREFORM 2001 – PROGRAMMENTWICKLUNG UND IMPLEMENTATION DES AVMG ...... - 29 -

4.1 Problemformulierung und Agendasetting ...... - 29 - 4.1.1 Die Notwendigkeit einer Reform ...... - 29 - 4.1.2 Die Haltung der Parteien zu den Notwendigkeiten einer Reform ...... - 31 - 4.1.2.1 Die rentenpolitischen Inhalte des Koalitionsvertrages...... - 32 - 4.1.3 Der Beginn der Reform ...... - 33 - 4.1.4 Die Eckpunkte der Reform:...... - 34 - 4.1.5 Zusammenfassung:...... - 35 -

4.2 Die Programmentwicklung ...... - 36 - 4.2.1 Die Programmformulierung ...... - 36 - 4.2.1.1 Die Koalitionsarbeitsgruppe (1. Konzeptpapier) ...... - 36 - II

4.2.1.2 Beginn der Rentenkonsensgespräche...... - 37 - 4.2.1.2.1 Die Haltung der anderen Akteure zu den Eckpunkten, dem 1. Konzeptpapier und des Spitzengesprächs...... - 38 - 4.2.1.3 Die Fortsetzung der Rentenkonsensgespräche (17.01.2000 – 30.05.2000) ...... - 40 - 4.2.1.3.1 Zusammenfassung: ...... - 45 - 4.2.1.4 Die Koalitionsarbeitsgruppe (2. Konzeptpapier) ...... - 46 - 4.2.1.5 Die Fortsetzung der Rentenkonsensgespräche (31.05.2000 – 17.6.2000) ...... - 47 - 4.2.1.5.1 Zusammenfassung ...... - 54 - 4.2.1.6 Die Koalitionsarbeitsgruppe: Das Konzeptpapier vom 18.07.2000...... - 55 - 4.2.1.7 Die Fortsetzung der Rentenkonsensgespräche (19.07.2000 – 22.09.2000) ...... - 55 - 4.2.1.7.1 Zusammenfassung ...... - 58 - 4.2.1.8 Die Diskussionsentwürfe vom 21./22. September und die Herauslösung der Erwerbsminderungsrenten...... - 58 - 4.2.1.9 Die Diskussion des Entwurfs zum AVAG (25.09.2000 – 14.11.2000) ...... - 60 - 4.2.1.9.1 Zusammenfassung ...... - 63 -

4.3 Die Programmentscheidung...... - 64 - 4.3.1 Die Gesetzesbeschlüsse vom 26. Januar 2001 im Bundestag...... - 66 - 4.3.2 Die Bundesratssitzung am 16. Februar 2001...... - 67 - 4.3.3 Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss...... - 68 - 4.3.4 Die Bundesratssitzung am 11.05.2001 ...... - 69 - 4.3.4.1 Das Vorspiel zur Sitzung...... - 69 - 4.3.4.2 Die Abstimmung...... - 70 - 4.3.5 Zusammenfassung:...... - 71 - 4.3.6 Das AVmG als Folge der Programmentwicklung...... - 73 -

4.4 Die Implementation der Riesterrente...... - 76 - 4.4.1 Die Ziele und die Umsetzung der Reform...... - 76 - 4.4.2 Die Ausgestaltung der Förderung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge im AVmG ...... - 77 - 4.4.1.1 Der Aufbau des Verwaltungsapparats: ...... - 82 - 4.4.1.2 Der Beginn der Zertifizierung ...... - 83 - 4.4.1.3 Der Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge...... - 84 - 4.4.1.4 Die Entwicklung des Erweiterten Auskunftsservice durch die Rentenversicherungsträger...... - 86 - 4.4.1.5 Das Urteil des BVerfG zur ungleichen Besteuerung von Renten und Pensionen...... - 86 - 4.4.3 Ergebnis...... - 86 -

4.5 Die Veränderung der Identität der GRV...... - 89 -

ANHANG 1: ABBILDUNGEN...... VI

ANHANG 2: TABELLEN...... VIII

ANHANG 3:...... XI

1. Die Anforderungen der Parteien an eine Rentenreform im Bundestagswahlkampf 1998...... XI 1.1 CDU/CSU...... XI 1.2. FDP...... XI 1.3 PDS...... XII 1.4 SPD...... XII 1.5 Bündnis90/Die Grünen ...... XII

2. Einigungsvorschlag des Bundesrates vom 8. Mai 2001...... XIII

3. Inhalt des AVmG ...... XVI

LITERATURVERZEICHNIS:...... XXIII

III

Verzeichnis der Abkürzungen:

Anm. Anmerkung Abs. Absatz Abschn. Abschnitt AG Arbeitgeber AltZertG Altersvorsorgeverträge Zertifizierungsgesetz AN Arbeitnehmer Art. Artikel des Grundgesetzes AV Abhängige Variable AVAG Altersvermögensaufbaugesetz AVmG Altersvermögensgesetz AVmEG Altersvermögensergänzungsgesetz bA betriebliche Altersvorsorge BAFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände BfA Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BMA Bundesministerium für Arbeit BR-Drs. Bundesratesdrucksache BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BZ Berliner Zeitung

CDA Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft (Sozialausschüsse der CDU) CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union CSA Christlich Soziale Arbeitnehmerschaft (Sozialausschüsse der CSU) d.h. das heißt DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DAG Deutsche Angestellten Gewerkschaft DAngVers. Deutsche Angestellten Versicherung (Zeitschrift)

IV ebd. ebenda EStG Einkommenssteuergesetz EUR Euro f. folgende (Seiten) ff. fort folgende (Seiten) FDP Freie Demokratische Partei – Die Liberalen

GG Grundgesetz GKV Gesetzliche Krankenversicherung GRV Gesetzliche Rentenversicherung GSiG Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs- minderung

Hrsg. Herausgeber kzV kapitalgedeckte Zusatzvorsorge max. maximal min. minimal Mio. Millionen Mrd. Milliarden

ÖTV Gewerkschaft für den Öffentlichen Dienst, Transport und Verkehr pA private Altersvorsorge PA Policy Arena PDS Partei des demokratischen Sozialismus pers. persönlich p.J. pro Jahr PN Policy-Netz PZ Policy-Zyklus

RRG Rentenreformgesetz V

SGB VI 6. Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung) SGB IV 4. Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung) SGB X 10. Sozialgesetzbuch (Verwaltungsverfahren) s.o. siehe oben sog. so genannten SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands tats. tatsächlich(en) u.a. unter Anderem u.ä. und ähnliches UV Unabhängige Variable

VDR Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel ZDK Zentralkomitee der Deutschen Katholiken ZfA Zulagenstelle für Altersvermögen zpV zusätzliche private Vorsorge zuzüg. zuzüglich

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1. Einleitung

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“.1 Diese Norm nennt die unabänderlichen staatsorganisatorischen Strukturprinzipien der Bundesrepu- blik Deutschland. Dabei bleibt das hier genannte Sozialstaatsprinzip inhaltlich unbestimmt, d.h. es gibt den politisch Handelnden lediglich den Auftrag sich bei ihren Entscheidungen an etwas wie „sozialen Grundsätzen“ zu orientieren bzw. ein „soziales Gewissen“ zu berücksich- tigen. Aus dem Sozialstaatsprinzip geht nur hervor, dass es Sozialgesetzgebung und damit auch Sozialpolitik geben muss2, nicht aber wie diese in Art, Ausgestaltung und Reichweite auszusehen hat. Das Bundesverfassungsgericht konkretisierte diese Allgemeinformel mit sei- ner Rechtsprechung mehrfach, indem es das Sozialstaatsprinzip als Verpflichtung des Staates interpretierte für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, sowie die Existenzgrundlagen der Bürger zu sichern und zu fördern.3

Doch mit welchem Inhalt ist der der formelle Begriff des Sozialstaates insbesondere aus poli- tikwissenschaftlicher Sicht materiell gefüllt? Unter Sozialstaat kann man die Gesamtheit staatlicher Einrichtungen, Steuerungsmaßnahmen und Normen innerhalb eines demokratischen Systems verstehen, deren Ziel es ist individuelle Lebensrisiken und soziale Folgewirkungen, die sich insbesondere aus der vorherrschenden Wirtschaftsordnung ergeben, durch Systeme der sozialen Vorsorge, Entschädigung, Förde- rung und Hilfe zu minimieren.4 Ziel des Sozialstaates ist wirtschaftlich Schwächere zu schützen, die großen Lebensrisiken wie Alter, Krankheit, Invalidität etc. abzusichern und auf soziale Chancengleichheit hinzu- wirken, ergo: die Ausrichtung staatlichen Handelns auf die Herstellung von sozialer Gerech- tigkeit und Sicherheit.

Die Umsetzung dieses Handlungsauftrags durch die Politik lässt sich zusammenfassen in dem Politikfeld Sozialpolitik. Nach Manfred G. Schmidt ist Sozialpolitik im engeren Sinn „die Bezeichnung für institutio- nelle, prozessuale und entscheidungsinhaltliche Dimensionen der gesamtgesellschaftlich ver- bindlichen Regelung der sozialen Sicherheit (vor allem des Schutzes gegen die Wechselfälle

1 Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz. 2 Siehe Art. 79 Abs. 3 GG 3 Waltermann, 2001:5 4 Nullmeier, 1997:508 - 2 - des Lebens) durch Staat, Verbände, Betriebe, Familien und Eigenvorsorge“. Im weiteren Sinn der Sozialpolitik zählt er noch die Arbeitsordnung, die Beschäftigungspolitik und das Bil- dungswesen dazu.5 Eines der wichtigsten Elemente staatlicher Sozialpolitik ist die Sozialversicherung.6 Initiiert durch die enormen Probleme der Industrialisierung am Ende des 19. Jh. entstanden in Deutschland ab 1883 Pflichtversicherungen gegen Krankheit, Alter, Invalidität und Arbeitsun- fälle.

Wirtschaft und Gesellschaft sind dauerhaftem Wandel und Anpassungsprozessen unterwor- fen. Die Gesetzliche Rentenversicherung, in der Bundesrepublik Deutschland kann aus die- sem Grund nicht statisch sein. Sie ist ihrerseits einem kontinuierlichen Anpassungsdruck aus- gesetzt. Deutlich wird dies an den drei großen Reformen der letzten 50 Jahre. Während der Zeiten prosperierender Wirtschaftstätigkeit und einer im Durchschnitt jungen Gesellschaft erfuhren die Sozialversicherungen einen Leistungsausbau, nicht nur in Deutschland, sondern in allen OECD Ländern7, so geschehen bei den Rentenreformen 1957 und 1972.

Seit geraumer Zeit verschlechtert sich die finanzielle Situation der Sozialversicherungen. Die öffentlich-rechtlichen Träger der einzelnen Sozialversicherungszweige stehen in regelmäßi- gen, betrachtet man sich die öffentliche Diskussion, gar in immer kürzeren Abständen vor dem Problem der Unterfinanzierung bei gleichzeitiger Expansion der Sozialhaushalte. Diese Entwicklung ist zum einen Teil das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen, zum anderen Teil eine Folge der nachlassenden konjunkturellen Entwicklung und damit, in einem an Beschäftigung gekoppelten sozialen Sicherungssystem, der Arbeitslosigkeit. Um darauf zu reagieren stehen den Entscheidungsträgern prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung: 1. Leistungen zu kürzen oder ganz zu streichen 2. Die Beiträge zu erhöhen8 Beide Möglichkeiten führen regelmäßig zu lauten Unmutsäußerungen seitens der Betroffenen, und dies sind in den Zwangsversicherungen der BRD nicht nur einzelne, sondern in der Regel die Mehrheit und damit ein gewaltiges Wählerpotential, das man nicht verschrecken möchte.9

5 Schmidt, 1997:506 6 Michalsky, 1995:720 7 Apolte, 2002:4 8 Anm. Die dritte Möglichkeit eines Bundeszuschusses ist eigentlich keine, da der Bund ohnehin schon über die Grenzen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit hinaus belastet ist. 9 So titelte die Süddeutsche Zeitung am 12.06.2002: „Furcht vor der Stimme der Rentner“ - 3 -

Hinzu kommt die enge Bengrenzung des Politikfelds Rentenpolitik zu dem nur wenige Akteu- re und Institutionen Zugang haben. Diese Akteure verfügen zum Teil über einen hohen Rück- halt in der Bevölkerung, wie z.B. die Gewerkschaften, oder sie sind, wie die Rentenversiche- rungsträger, sehr stark in die Ausführung und Umsetzung der Regelungsgegenstände der Ren- tenpolitik integriert.10 Dies mag auch ein Grund dafür sein warum es weitreichende Reformen bisher kaum oder gar nicht gab und sich die Entscheidungsträger mit dem kurzfristigen Behandeln von Symptomen von Wahlperiode zu Wahlperiode „gehangelt“ haben. Ein weiteres Problem in diesem Zu- sammenhang stellt die erforderliche Mehrheit für eine Reform in beiden Kammern des Parla- ments dar. Wollte die eine Seite den „großen Wurf“, wurde dieser durch die andere Seite im Bundesrat meist mit dem Vorwurf einer unsozialen Politik verhindert.

In der vergangenen Legislaturperiode wurde ein seit langem verfolgtes Reformprojekt, eines Teils der Sozialversicherung, namentlich der Rentenversicherung, vom Gesetzgeber verab- schiedet und ist zum 01.01.2002 in Kraft getreten. Es handelt sich um das Altersvermögens- gesetz (AVmG), im Volksmund auch Risterrente genannt. Ziel dieser Arbeit ist es die Entste- hung und die Umsetzung der letzten Reform der GRV zu darzustellen und zu analysieren.

1.1 Vorgehensweise

Im Mittelpunkt dieser Literaturarbeit steht die Beschreibung und Erklärung der Programm- entwicklung und Implementation des Altersvermögensgesetzes. Die verwendeten Quellen sind in erster Linie sekundärliterarischer Natur. An primärliterarischen Quellen verwendet wurden Bundestags- und Bundesratsdrucksachen, Plenarprotokolle sowie Gesetzestexte. Die Arbeit gliedert sich in 4 Teile: Im zweiten, dem theoretischen Teil werde ich das Modell der Politikfeldanalyse und seine Anwendung auf das Politikfeld Rentenpolitik beschreiben. Im dritten, dem deskriptiven Teil werde ich die Grundzüge der Gesetzlichen Rentenversiche- rung veranschaulichen und einen Überblick über die bisher vorgenommen Reformen in die- sem Bereich der Sozialversicherung liefern, sowie einen kurzen Überblick über den Rege- lungsgegenstand des Altersvermögensgesetzes geben.

10 Nullmeier/Rüb, 1993:300 - 4 -

Im vierten Teil werde ich den Prozess der Gesetzesentstehung und der Implementation des Altersvermögensgesetzes und Insbesondere des Programms „Riesterrente“ darstellen und ana- lysieren.

- 5 -

2. Theoretischer Bezugsrahmen

2.1 Die Politikfeldanalyse im Allgemeinen

Seit Beginn der 70er Jahre beschäftigt sich die Politikwissenschaft verstärkt mit der Analyse von einzelnen Politikfeldern.11 Diese Entwicklung ist das Ergebnis eines wachsenden Interes- ses der Politikwissenschaft an der inhaltlichen Dimension von Politik.12 Dies geschieht „in- dem sie die Fragestellung der Policy-Analyse nach den „Eigengesetzlichkeiten“ spezifischer Policies mit einem Gerüst „traditioneller“ politikwissenschaftlicher Fragestellungen durch- zieht und nach dem Zusammenhang zwischen politischen Institutionen, politischem Prozess und Politikinhalten fragt.“13 Sie nimmt die materielle, inhaltliche Politik zu ihrem Gegens- tand statt generell politische Institutionen, Strukturen und Prozesse in den Vordergrund zu stellen. Im Zentrum der Politikfeldanalyse steht dabei die Betrachtung der Politik als „Policy- Making“, als Prozess der Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme.14 „Als den Prozess also, in dem lösungsbedürftige Probleme artikuliert, politische Ziele formuliert, alternative Hand- lungsmöglichkeiten entwickelt und schließlich als verbindliche Festlegung gewählt werden“15 oder mit anderen Worten: „Policy analysis is finding out what Governments do, why they do it, and what difference it makes“16

Die zentralen Elemente der Policy Forschung sind also: a) Was ist der Inhalt von staatlichen Policies? b) das Warum – was sind die Gründe und die Voraussetzungen für Policies und was sind die Einflussfaktoren auf Policies? c) das Wozu – was sind die Folgen und die Wirkungen von Policies?17

Dabei geht die Fragestellung dieser politikwissenschaftlichen Forschungsrichtung von der im Englischen üblichen Dreiteilung, des im Deutschen umfassenden Begriffs18 der Politik aus - Polity, Politics und Policy.

11 Hartwich 1985, Schubert 1991, Windhoff-Héritier 1987, zitiert nach Jann 1998: 550 12 Vgl. Jann 1998:550 13 Windhoff-Héritier, 1987:7 14 Vgl. Jann/Wegrich 2003:71 15 Scharpf 1973 zitiert nach Jann/Wegrich 2003:71 16 Dye 1976:1, zitiert nach Schubert 1991:25 17 Vgl. Jann 1998:551 18 Anm.: Die Ausprägung des Begriffes der Politik in der deutschen Sprache war nicht immer so reduziert. Der deutsche Begriff der Polizei, der heute der Exekutive zugeordnet ist, diente früher dazu alle öffentlichen Aufga- - 6 -

Unter Polity werden die normativen, strukturellen und verfassungsmäßigen Aspekte des Poli- tischen subsumiert. Polity bezeichnet eine konkret bestimmte oder gewünschte politische Ordnung und ihre normative oder tatsächliche Ausgestaltung in Institutionen und Strukturen, also das Themengebiet der „klassisch“ politikwissenschaftlichen Fragestellung. Mit Hilfe des Begriffs Politics wird der – meist konfliktbehaftete - Prozess des Politischen beschrieben, also die Aushandlung, die Entscheidungsfindung, die Politikgestaltung und als solche die politische Fragestellung: Wer regiert? Der Begriff der Policy beschreibt – wie eingangs dieses Absatzes bereits angesprochen – die inhaltliche und materielle Dimension von Politik. Aus Polity und Politics werden hier konkre- te Programme, Gesetze und Verordnungen.19 Dieser Ansatz entwickelt die klassische und die politische Sichtweise weiter zu der Frage: „Wer regiert – mit welchen Folgen?“20 Nach Schubert ist die Frage, die in der Politikfeldanalyse gestellt wird: „Welches Resultat (policy) sich ergibt, wenn in einem gegebenen politischen System (polity) eine bestimmte – aber prinzipiell veränderbare – Problemlösungsstrategie (politics) eingeschlagen wurde oder – antizipierend – eingeschlagen werden soll.“21 Dadurch ist eine Erweiterung traditioneller poli- tikwissenschaftlicher Fragestellungen möglich geworden.22 Die Politikfeldanalyse beschäftigt sich dabei im besonderen Maße mit den Phasen der Politik- formulierung und der Implementation von bestimmten Politiken.23 In der Policy-Analyse inte- ressieren vor allem die Fragen politischer Gestaltung und Problemlösung, d.h. welche Akteure unter welchen Bedingungen aus welchen Motiven heraus und mit welchen Instrumenten wel- che Ziele und Werte (Konzeptionen) verfolgen, welche Aufgaben mit welchen Ergebnissen erfüllt werden sollen, aber auch wer mit welchem Erfolg die Problembearbeitung zu verhin- dern versucht.24

Die Policy Forschung wird in zwei Bereichen angewendet. Erstens als beschreibend erklären- de Analyse welche die Entstehung, Entwicklung und Veränderung von Policies untersucht und zweitens als praktisch Beratend agierende Wissenschaft, die dem politisch administrati- ven Entscheidungsprozess wissenschaftliche Informationen zur Verfügung stellt.25

ben, die „Policeyen“, zu beschreiben, insbesondere die „gute Ordnung“, die sich auf die öffentliche Wohlfahrt bezog. Zusammenfassende Darstellung findet sich bei Schubert, 1991:25 ff, Windhoff-Héritier 1987:17 eine ausführlichere Darstellung bei Beyme, 2003:25 ff. 19 Vgl.: Schubert, 1991:26 f. 20 Clark 1968:576 zitiert nach Windhoff-Héritier 1987:7 21 Schubert, 1991:27 22 Thun, 1984:86 23 Vgl.: Windhoff-Héritier, 1987:18f 24 Holtmann, 1994:458 25 Windhoff-Héritier, 1987:115 - 7 -

2.2 Die Methode der Policy Analyse

Gegenüber anderen Teildisziplinen und Herangehensweisen in der Politikwissenschaft zeich- net sich die Politikfeldanalyse durch eine pragmatische Herangehensweise aus. Ziel ist nicht eine neue Definition des Politischen bzw. der Politik zu geben, sondern konkrete Politik zu analysieren. Fragestellungen können darin bestehen die tatsächlichen konkreten Ergebnisse bestimmter politischer Entscheidungen und Handlungen festzustellen, oder andererseits, ob und auf welche politischen Handlungen ein bestimmtes Ergebnis zurückgeführt werden kann. Weitere Fragestellungen sind: die Analyse, welche Folgen und Wirkungen bestimmte Ergeb- nisse haben und ob diese Folgen und Wirkungen mit den politischen Absichten übereinstim- men. Daraus lassen sich zwei Konstellationen von politikwissenschaftlichen Fragestellungen in der Politikfeldanalyse ableiten. 1. Policies als Folgen des Entscheidungsprozesses und 2. Policies als Voraussetzungen des Entscheidungsprozesses.

2.2.1 Policies als Folgen des politischen Entscheidungsprozesses Eine Policy wird als abhängige Variable gesehen. Sie ist Ergebnis und ist determiniert durch die, sie umgebenden Strukturen und den Prozess ihres Zustandekommens (polity und politics als unabhängige Variable)26, z.B.: Wie wirken sich die parteipolitischen Zusammensetzung einer Regierung, die Form der Interessenvermittlung, das Wählerverhalten und andere politi- sche Strukturvariablen auf die Gestalt einer Policy aus? Schwerpunkt bei dieser Herangehensweise ist die Analyse der Interessen von Akteuren und deren Fähigkeit diese Interessen tatsächlich durchzusetzen, also ihren tatsächlichen Einfluss auf die Gestaltung eines politischen Programms zu ermitteln, sowie den Einfluss von Institu- tionen auf den Entscheidungsprozess zu ermitteln.

Institutionen spielen hier in zweierlei Hinsicht eine Rolle:

1. Institutionen als Gegebenheit des politischen Systems (polity): Hier werden Institutionen als Verfahrensregeln betrachtet, beispielsweise der gesetzliche Entscheidungsprozess, der in bestimmten Fällen die Zustimmung der zweiten Kammer voraussetzt. Bei Mehrheiten in beiden Kammern ist der handelnde Akteur in der Lage seine Gestaltungsinteressen we- sentlich leichter durchzusetzen als bei ungleichen Mehrheiten. In letzterem Fall besteht die Notwendigkeit auf die Opposition zuzugehen, eine Mehrheit des Konsenses zu - 8 -

schmieden, wenn man verhindern will, dass die Gestaltungsinteressen nicht durchgesetzt werden können. Als Beispiel sei der sehr konfliktbehaftete Aushandlungsprozess zum Zuwanderungsge- setz genannt. Trotz unterschiedlichster Konsensbemühungen kam es keiner einvernehmli- chen Lösung der Beteiligten und daraus resultierend zu keinem verfassungsgemäß zustan- de gekommenen Gesetz, da die erforderliche Mehrheit im Bundesrat nicht zustande kam.

2. Institutionen als handelnde Akteure im politischen Entscheidungsprozess (politics): Institutionen sind nicht nur Verfahrensregeln, sondern können auch als Akteur mit eige- nen Interessen auftreten. In der GRV geschieht dies durch einen dreistufigen Prozess der Machtverlagerung. Die erste Stufe stellt die Dominanz der Ministerialbürokratie über die Bürokratie der Legisla- tive dar. Die zweite Stufe ist die – zumindest informelle - Dominanz untergeordneter, rechtlich verselbständigter Verwaltungseinheiten in Selbstverwaltung über die Ministeri- albürokratie, und die dritte Stufe schließlich ist die Organisation dieser verselbständigten Verwaltungseinheiten zu einem Verband. Im Falle der GRV ist dies der VDR. Dieser kann, obgleich die Träger der GRV Regelungsgegenstand und Ausführungsorgan der Ren- tenpolitik sind, als eigenständiger Interessenvertreter gegenüber der Legislative und der Ministerialbürokratie auftreten.27

2.2.2 Policies als Voraussetzung des politischen Entscheidungsprozesses

Eine Policy wird als unabhängige Variable betrachtet. Sie ist Voraussetzung für den Entschei- dungsprozess, sie ist es welche die Politics determiniert.28 Z.B: Welche Mehrheitskonstellationen ergeben sich bei, teilweise nur geringfügig, unter- schiedlichen Gesetzesinitiativen, welche denselben Regelungsgegenstand beinhalten. Ein weiteres Mal das Beispiel des Zuwanderungsgesetzes. Dieses Gesetz erhielt im Bundes- rat keine verfassungsgemäß zustande gekommene Mehrheit, weil die CDU und die von ihr geführten Länder zwar prinzipiell der Auffassung waren, dass eine Regelung der Zuwande- rung erfolgen muss, den Entwurf der Bundesregierung aber in einigen Punkten als zu unpräzi-

26 Schubert, 1991:27 27 Nullmeier/Rüb, 1993:317f, Nullmeier/Rüb leiten diese Dominanz aus einem außerordentlichen Ressourcen- übergewichts ab, der durch die Dominanz der Träger auf dem rentenpolitischen Wissensmarkt ab. 28 Anm.: Diese Fragestellung geht zurück auf Theodore Lowi der die, in der Literatur viel zitierte Frage stellte: „Do policies determine Politics?“ - 9 - se oder unzureichend ablehnten. Der Zusammenhang zwischen Inhalt und politischer Reakti- on auf eine Policy ist also durch Institutionen und Gruppenloyalitäten unterminiert. Für diese Sichtweise von Policies sind insbesondere gesellschaftliche Werte, Ideologien und Normen maßgebend. Die „moralische“ Komponente, die Differenzierung zwischen richtigem und falschem Handeln bzw. die Inanspruchnahme „das Richtige zu tun“, leiten die Handlun- gen der beteiligten Akteure. Beispielhaft hierfür ist das von Nullmeier/Rüb identifizierte Normensystem in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nullmeier/Rüb gestehen der GRV eine eigene Identität zu.29 Diese Identität besteht allerdings nicht a priori, sondern muss „durch eine interpretative Leistung der Akteure ausgebildet und produziert werden.“30 Dies geschieht durch die Leitideen mit deren Hilfe die handelnden Akteure die jeweilige Institution mit Prinzipien „unterfüttern“. Diese Leitideen, so Nullmeier/Rüb, haben sich bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als Policy Prinzipien verfestigt und wirken bis heute als kleinster gemeinsamer Nenner der an der Rentenpolitik beteiligten Akteure. Zusammenge- fasst identifizieren Nullmeier/Rüb folgende Policy Prinzipien:

1. Rente mit Lohnersatzfunktion als Lebensstandardsicherung 2. Lohn und beitragsbezogene Rente nach dem Versicherungsprinzip 3. Dynamisierung der Rente durch Koppelung an die Lohnentwicklung 4. Berücksichtigung von Faktoren des „sozialen Ausgleichs“ (Anrechnung von Wehr- /Ersatzdienstzeiten) 5. Finanzierung durch den Generationenvertrag als im Umlageverfahren 6. Berücksichtigung von Faktoren der „sozialen Sicherung“ (Hinterbliebenenversorgung) 7. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten auch in der Organisations- form 8. Die Selbstverwaltung der GRV als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Der Versuch eines dieser Prinzipien nachhaltig zu verändern oder gar aufzulösen würde zu massivem Widerstand führen. Aus diesem Grund wirken solche Policy Prinzipien system- erhaltend und verhindern von Beginn an die Möglichkeit weitreichende strukturelle Verände- rungen innerhalb einer Policy zu erreichen. Als Beispiel nennen Nullmeier/Rüb den Aushand- lungsprozess zum RRG 1992.31

29 Nullmeier/Rüb, 1993:71ff 30 ebd. 71 31 ebd. 115 - 10 -

2.2.3 Bestimmungsfaktoren von Policies32

Windhoff-Héritier nennt vier Unterscheidungsmerkmale anhand derer Policies klassifiziert werden können: a) Nominalkategorien - definitorischer Rahmen einer Policy: Sie ermöglichen eine Zuord- nung durch die Bestimmung von institutionellen Zuständigkeiten und sachlicher Zusammen- gehörigkeit, legen also mehr oder weniger genau den Gegenstandsbereich einer Policy fest. Dies geschieht zum einen durch die Benennung nach dem tatsächlichen Gegenstand, z.B. So- zial-, Umwelt- oder Verteidigungspolitik, zum anderen nach der Gruppe die Ziel einer be- stimmten Politik ist, z.B. Familienpolitik, oder nach der Bezeichnung einer politischen Hand- lungsebene, wie z.B. Lokalpolitik und Kommunalpolitik. b) Wirkungen einer Policy – bestimmt die politisch administrative Arena einer Policy: Un- terschieden werden distributive und redistributive Programme. Distributive Policies stellen Leistungen dar, welche an bestimmte Personen oder Gruppen erteilt werden, ohne dass andere daraus einen Nachteil erleiden. Die Programme enthalten zur Durchsetzung keinen oder kaum staatlichen Zwang. Beispiele sind: Kollektive Güter, wie z.B. Stadtbüchereien, Hallenbäder, Zuschüsse an Universitäten etc. Redistributive Programme schichten Nutzen und Kosten zwi- schen verschiedenen Gruppen um. In einem Null-Summen Spiel kann eine Gruppe nur ge- winnen indem einer anderen Gruppe dieser Gewinn als Kosten auferlegt wird. Problematisch an redistributiven Policies ist die subjektive Wahrnehmung der Nutzen- und Kostenträger. Denn daraus resultieren Verhaltensänderungen die sich insbesondere bei Wahlen zeigen. Bei- spiele für redistributive Programme sind die Rentenversicherung und die Sozialhilfe.

Die Rentenversicherung – und das ergibt sich schon aus ihrer Finanzierungsart dem Umlage- verfahren – ist ein reines Transfersystem von Geldmitteln, also ein redistributives Programm. Die GRV lebt sozusagen „von der Hand in den Mund“. Das bedeutet natürlich dass ein Nut- zenzuwachs der Leistungsbezieher, die Rentner einen Kostenfaktor für die Beitragszahler bedeutet, dies sind neben den Arbeitnehmern auch die Arbeitgeber. Beide sind paritätisch an der Finanzierung beteiligt. Die Beiträge decken den größten Teil der Einnahmen der GRV ab. Neben den Beiträgen kann die GRV noch einen Bundeszuschuss sowie sonstige Einnahmen – wie z.B. Zinserträge – auf der Habenseite verbuchen.

32 Anm. die folgende Darstellung orientiert sich im wesentlichen an Windhoff-Héritier 1987:21-114 - 11 -

Durch die paritätische Finanzierung sind sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber in die Rentenpolitik eingebunden. Sie gehören zu den wichtigen Akteuren in der Rentenpolitik und sind durch ihre (Zentral-) Verbände daran beteiligt. (siehe 3.2.2)

C) Steuerungsprinzipien einer Policy – Beschreibt den Implementationsprozess eines Pro- gramms: Die Steuerung beschreibt durch welche Instrumente der Adressatenkreis einer Policy zu einer Verhaltensänderung im Sinne des Programms veranlasst werden kann. Dies kann geschehen durch ein sanktioniertes Gebot/Verbot; bei Zuwiderhandlung gegen das Programm droht eine Strafe, z.B. bei einer Geschwindigkeitsübertretung im Straßenverkehr. Durch An- reize wird ein Verhalten im Sinne des Programms belohnt, so z.B. bei der Eigenheimzulage oder der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge. Angebote von Leistungen beinhalten keine Verhaltenserwartungen, sondern werden direkt einer bestimmten Zielgruppe zur Verfü- gung gestellt, wie z.B. bei der Hochwasserhilfe und Jugendhäusern. Mildere Formen der Steuerung sind Überzeugung/Aufklärung, welche häufig zur Verstärkung von anderen In- strumenten eingesetzt werden, sowie die Steuerung durch Vorbild als mildeste Form, welche durch Nachahmeffekte die gewünschten Ziele zu erreichen helfen soll. d) Beschaffenheit einer Policy – Ermöglicht die Analyse des Durchführungsprozesses: Steue- rung und Beschaffenheit eines Programms bestimmen die Gestalt einer Policy. Unterschieden werden: 1. Materielle Leistungen und immaterielle Leistungen Form von Einkommens- und Finanzhil- feprogrammen (Ausbildungsförderung, Bildungskredite), Infrastrukturprogramme (Strassen, Schulen) und Sachprogramme (Lernmittel). 2. Immaterielle Leistungen in Form von freiwilligen/obligatirischen sozialen oder sachbezo- genen Dienstleistungen (Erziehungsberatung, Schulunterricht, Müllabfuhr, Altpapiersamm- lung). 3. Verhaltensnormierende Programme ohne Leistungscharakter, die als sozialregulative Poli- cy das menschliche Verhalten regulieren (Strafrecht) oder als entscheidungsprozedurale Pro- gramme die Rahmenbedingungen für Entscheidungsprozesse festlegen, ohne die Entschei- dung zu beeinflussen (Selbstverwaltung bei der GKV)

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2.2.4 Policy Netz und die Politikarena

1. Das Policy Netz Unter dem Policy Netz versteht man das Zusammenwirken von exekutiven, legislativen und gesellschaftlichen Institutionen und Gruppen bei der Entstehung und Durchführung von be- stimmten Policies, also die Akteure und die institutionalisierte Beziehungen zwischen ihnen. Der Zugang zu einem PN richtet sich nach dem funktionellen Beitrag bei der Entstehung und der Durchführung eines Programms. Prinzipiell lassen sich fünf Arten von Policy Netzen un- terscheiden. 1. Die Policy Community: Verfügt über enge Grenzen 2. Das Policy Subgovernment zeichnet sich durch hohe Exklusivität aus. Nur wenige Betei- ligte und ein erschwerter Zugang kennzeichnen dieses Netz. Die Beziehungen der Akteure sind intensiv, eingeschliffen und oft institutionalisiert 3. Das offenes Policy Netz verfügt über viele Akteure und große Fluktuation, d.h. viele Inte- ressen und wenig Institutionalisierung. 4. Das Policy Netz als Nominalkategorie33 5. Das „Issue Network“ stellt ein Policy Netz dar dessen Inhalt sehr präzise formuliert ist.

2. Die Politikarena Die Politikarena bezeichnet den Raum des politischen Prozesses, sowie der Konflikt- und Konsensfindung während der Entscheidungsphase und Entscheidungsumsetzung eines politi- schen Programms. Der Begriff der „Arena“ umfasst zum einen die Orte in denen politische Entscheidungen ausgehandelt und getroffen werden, sowie die Reaktionen der an diesen Aus- handlungs- und Entscheidungsprozessen beteiligten Akteure. Die Maßnahmen einer Policy lösen Reaktionen und Erwartungen bei von den Maßnahmen Betroffenen aus und bei denjenigen, die den politischen Entscheidungs- und Durchführungs- prozess prägen.34 Die Arena bestimmt sich auch aus der Wahrnehmung von Kosten und Nut- zen der Betroffenen, sowie der Steuerungsstrategie wie diese Kosten/Nutzen Verteilung ver- mittelt wird. Allerdings bestimmt sich die Arena nicht nur aus einer Kosten/Nutzen Abwä- gung. Durch moralische und ideologische Momente, durch den Charakter der Policy selbst

33 Anm.: Nullmeier/Rüb sehen diesen Begriff fortschreitend analytisch neutralisiert, indem er von der Policy Forschung vom speziellen Typ politischer Strukturen zum Allgemeinbegriff für die Bezeichnung von Beziehun- gen und Relationen in Politikfeldern vereinnahmt wurde. Vgl.: Nullmeier/Rüb, 1993:296 34 Siehe auch 2.2.3 dieser Arbeit - 13 - und institutionelle Momente wird die Arena beeinflusst. Da Policies nicht statisch sind, son- dern sich wandeln, gilt dies auch für das Policie-Netz und die Politik Arena. Aus diesem Grund müssen Veränderungen im Policy Zyklus35 insbesondere zwischen Formu- lierung und Implementation eines Programms, Veränderungen über mehrere Politikzyklen und Veränderungen durch den Wechsel wichtiger Akteure betrachtet werden. Das PN kann als objektive Struktur einer Policy und die PA als subjektive Erwartung an ein Programm und dadurch ausgelöste Reaktionen aufgefasst werden. Durch die Analyse konkre- ter Elemente (Akteure, Institutionen in Zahl und Art) und der politischen Reaktionen der Are- na (Zustimmung, Widerspruch, Gleichgültigkeit) kann ermittelt werden welche Elemente ei- nes Programms welche Reaktionen auslösen bzw. welche Akteure welche Interessen verfol- gen.

Im Politikfeld Rentenpolitik fällt zunächst die relativ geringe Anzahl von Akteuren und Insti- tutionen auf. Im Kern des rentenpolitischen Netzwerkes finden sich die staatliche Bürokratie vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung36, die Renten- versicherungsträger und ihr Gesamtverband VDR, die Gewerkschaften DGB und Ver.di37, die BDA, die rentenpolitischen Arbeitskreise der Bundestagsfraktionen der etablierten Parteien sowie der Sozialbeirat.38 Der Inner Circle der Rentenpolitik umfasst nur eine relativ kleine Anzahl von ca. 30 Personen, die sog. „Rentenmänner“.39

Die Rentenpolitik ist ein hoch integriertes institutionelles Netz und kaum mit anderen Politik- feldern verbunden. Die Träger der Rentenversicherung bilden den Regelungsgegenstand und bestimmen zugleich die Grenzen des Politikfeldes. Grund hierfür ist der fehlende Kontakt von Dienstleistern zu Klienten, bedingt durch die rein monetären Transfers der GRV. Eine Anbin- dung besteht lediglich an die Finanz- und Haushaltspolitik 40 Die Akteure, so Nullmeier/Rüb, würden sich dementsprechend an internen Politikfeldsichten und finanzpolitischen Rationalitäten in ihren Handlungen orientieren.

35 ebd. 36 Anm.: Durch Organisationserlass vom 22. Oktober 2002 ist das bisherige Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das bisherige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu einem neuen Bundes- ministerium für Wirtschaft und Arbeit zusammengelegt worden. Inhaltlich betrifft dies vor allem die Bereiche: Arbeit, Arbeitsschutz, Arbeitsrecht, Internationales. Die Bereiche Sozialversicherung, Rentenversicherung, Kriegsopferversorgung, Entschädigungsrecht, Versorgungsmedizin, Prävention, Rehabilitation, Behindertenpoli- tik und Sozialhilfe gingen über in das neue Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Vgl.: http://www.BMA.de 37 Ver.di als Nachfolger der DAG (Deutsche Angestellten Gewerkschaft) 38 Nullmeier/Rüb, 1993:300 39 ebd. 301, Anm.: Winter, 1997:394, zählt auch die Kirchen zu dem Entscheidungsrelevanten Netzwerk. 40 ebd. - 14 -

Davon ausgehend kann man die Rentenpolitik als Policy Subgovernment bezeichnen. Diese Konzentration auf wenige Akteure wird auch dadurch begünstigt, dass in der Rentenpolitik keine staatsfremden Implementationsakteure existieren, die mit eigenen Interessen versuchen auf den Entscheidungsprozess einzuwirken.41 Im Gesundheitssystem sind die Träger als Körperschaften öffentlichen Rechts mit Selbstver- waltung, staatlichen Zuschnitts, während die Leistungserbringer wie z.B. Ärzte oder Apothe- ker außerhalb des Staates aktiv sind. Das macht die Durchsetzung von Entscheidungen - ins- besondere Sparmaßnahmen - in der GKV ungleich schwerer, da starke Interessenverbände42 versuchen die Interessen ihrer Mitglieder zu schützen.43 In der Rentenpolitik hingegen sind Träger und Leistungserbringer identisch.

In der Rentenpolitik lassen sich demnach die folgenden relevanten Akteure identifizieren:

1. Der Verband deutscher Rentenversicherungsträger VDR 2. Die Sozialpartner als Arbeitgeber und Arbeitnehmer und hauptsächlich vertreten durch ihre Zentralverbände BDA, DGB und.44 3. Die etablierten Parteien CDU/CSU, FDP, SPD (PDS) und ihre Rentenexperten sowie zeitweilig die Partei- und Fraktionsspitzen 4. Das BMA mit der Abteilung Rentenversicherung, dem Minister, dem Staatsekretär und einzelnen Wissenschaftlern. Zudem ist das BMA geschäftsführend für den Sozi- albeirat45 tätig, der sich aus Vertretern (in Klammern die Anzahl) von: Versicherten (4), Arbeitgebern (4), Deutscher Bundesbank (1), Wirtschafts- und Sozialwissenschaf- ten (3), sowie je ein Vertreter aus den Vorständen von VDR, RDA, BFA und Bundes- knappschaft zusammensetzt.

41 Richter, 2001:23f 42 Anm.: Im Falle der Ärzte der Hartmannbund. 43 Im Augenblick wird dies wieder deutlich an der Ankündigung der Ärzteschaft nur noch „Dienst nach Vor- schrift“ zu leisten, aufgrund von Plänen für eine Gesundheitsreform, die manchen Ärzten Verdiensteinbußen bescheren dürfte. 44 Anm.: Nicht nur die Zentralverbände beteiligen sich an der Rentenpolitik, sondern auch subsidiäre Organisati- onen wie z.B. die Vertreter des Handwerks oder die IG-Bau. Allerdings haben die Zentralverbände den größten Einfluss. 45 §§ 155f SGB VI - 15 -

2.3.5 Der Policy-Making Zyklus

Die Politikfeldanalyse fragt nach der Veränderung von Politikinhalten, indem sie politische Programme als dynamische, prozessorientierte Politikinhalte betrachtet und deren Entstehung, Durchführung, evtl. Neuformulierung oder Beendigung analysiert. Ursprünglich kam der Anstoß politische Prozesse als eine Folge von Phasen der Problemver- arbeitung darzustellen und zu analysieren von Harold D. Lasswell. Sein aus sieben Phasen bestehendes Modell stellt noch heute die Grundlage aller Phasenmodelle dar und erlaubte eine, wenn auch idealtypische, Strukturierung des politischen Prozesses.46 Neben Lasswell war es David Easton, der durch eine systemtheoretische Betrachtung den Begriff des „Policy Outputs“ in die Diskussion einbrachte, durch den eine weitere Strukturierung politischer Pro- zesse möglich wurde.47 Dieses Modell48 stellt einen Idealtypus dar. In der Realität sind die einzelnen Phasen nicht immer klar zu trennen. Es kommt zu Überschneidungen und Gleichzeitigkeiten zwischen den einzelnen Phasen. Dennoch ermöglicht diese Einteilung einen Vorher/Nachher Vergleich durchzuführen, also den Vergleich was sollte mit der Policy erreicht werden, und was wird in Wirklichkeit erreicht.

2.3.5.1 Die einzelnen Phasen in den Grundzügen: Relevant für diese Arbeit sind die Phasen eins bis vier des Policy Zyklus. Der Vollständigkeit halber werde ich in diesem Abschnitt alle Phasen kurz besprechen.

Phase 1: Problemdefinition Diese Phase steht logisch am Anfang eines Policy Zyklus (PZ), ist aber bis zum Ende nie ab- geschlossen. Ziel dieser Phase ist es handlungsrelevante Probleme zu erkennen und einer poli- tischen Lösung zuzuführen. Was ein handlungsrelevantes Problem ist, wird nicht nur in Insti- tutionen entschieden, sondern in vielen gesellschaftlichen Gruppen mit unterschiedlichsten Akteuren. Aus diesem Grund sind Probleme keine objektiven Größen, sondern enthalten auch subjektive Elemente, und die Definition der handlungsrelevanten Teilaspekte eines Problems ist von Werten und Normen determiniert. Eine wichtige Rolle spielt die öffentliche Meinung. Je stärker die Resonanz in der Gesellschaft desto stärker wird der Problemlösungsdruck.

46 Schubert, 2003:78 47 Siehe Abbildung 1: Anhang 1 48 Siehe Anhang 1:Abbildung 4 - 16 -

Phase 2: Agenda Setting Das Agenda Setting stellt die Brücke zwischen Problemdefinition und der Politikformulierung dar. Die Agenda beinhaltet diejenigen Fragen, die für die politischen Entscheider zur aktiven und ernsthaften Behandlung anstehen. Zu unterscheiden sind in abnehmender Entscheidungshäufigkeit:

- habituel items: Regelmäßig zu entscheidende Fragen, z.B. über den Staatshaushalt

- recurrent issues: Unregelmäßig zu entscheidende Fragen, wie z.B. die Anschaffung mo- dernen Geräts für die Armee.

- discretionary issues: Kanalisierte neue Fragen völlig neue Politiken, z.B. die Ökosteuerre- form zur Gegenfinanzierung der Rentenkasse, oder Sofortmaßnahmen, wie z.B. die Aus- setzung der zweiten Stufe der Steuerreform zur Finanzierung der Hochwasserschäden in Ostdeutschland und Bayern.

Agenden repräsentieren gesellschaftliche und individuelle Ressourcen, dies aber nicht eins zu eins, sondern nur in dem Umfang, wie politische Ressourcen verfügbar und aktivierbar sind und sich durch Überzeugen, Überreden, Drohen und Aushandeln eine politische Koalition schmieden lässt. Es ist politische Macht notwendig um neue Fragen auf die Agenda zu setzen (instrumenteller Aspekt). Ähnlich verhält es sich wenn das gesellschaftliche Wertesystem durch Probleme tangiert wird (kultureller Aspekt). Neben der Frage des Zugangs zur Agenda - wer kann auf welche Weise „sein“ Thema auf die Agenda setzen? - interessiert auch die Frage nach den Wirkungen des Agenda Settings. Welche politisch administrativen Zuständig- keiten ergeben sich, welche Kosten/Nutzen Verteilung ist zu erwarte, und wie groß ist der Grad der Zustimmung bzw. der Ablehnung zu diesem Regelungsgegenstand.

Phase 3: Politikformulierung In dieser Phase wird eine Policy beschlossen. Dazu werden Informationen gesammelt und zu Programmvorschlägen verdichtet. Aus Konflikt- und Konsensprozessen in einem oder mehre- ren politischen Organen geht schließlich eine rechtlich verbindliche Mehrheitsentscheidung hervor. Das beschlossene Programm ist somit eine Folge und determiniert durch den politi- schen Entscheidungsprozess. Von Interesse in dieser Phase ist vor allem der Zusammenhang zwischen politisch institutionellen Entscheidungsstrukturen und konkreten Entscheidungen, die Art des Zustandekommens (konflikt- oder konsensorientiert), die Form der Interessenver- mittlung. Neben dem Satz „Prozesse bestimmen die Inhalte“ gilt auch der Satz „Inhalte - 17 - bestimmen die Prozesse“ (s.o.). Der Zusammenhang zwischen Inhalt und politischer Reaktion auf eine Policy ist durch Institutionen und Gruppenloyalitäten unterminiert. Die Politikformulierung stellt eine Rahmenentscheidung dar. Sie gibt einen Handlungsauftrag an die Akteure der Implementationsphase, welcher in einem vagen Aufruf oder einer präzisen Vorschrift liegen kann. Zu unterscheiden sind:

- „Policy without Law“: Die Gestaltung der Policy wird der Verwaltung überlassen (rege- lungsfreie Policy), um redistributiven Konflikten aus dem Weg zu gehen

- „Rule of Law“: explizite Ausführungsstandards sowie Kosten und Nutzen werden klar festgelegt.

Phase 4: Politikimplementation Zentral in dieser Phase ist die Frage: Was wird aus einem Gesetz nach seiner Verabschie- dung? Welche Hemmnisse muss es überwinden bis es praktische Wirklichkeit wird? Implementation bedeutet Erfüllen oder Ausfüllen. In der Politikwissenschaft wird darunter die Durchführung von rechtsverbindlichen Entscheidungen, also Gesetzen, Verordnungen, Erlassen u.ä. verstanden. Zur Beantwortung dieser Frage existieren zwei Herangehensweisen: 1. Der programmorientierter Ansatz: Soll-Ist Vergleich. Hier steht die Überprüfung von Auftrags- und Durchführungswirklichkeit im Vordergrund sowie die Analyse der implementationsbedingten Ursachen, welche dieser Zielabwei- chung zugrunde liegen. 2. Der struktur- bzw. akteursorientierte Ansatz Es wird der Frage nachgegangen wie und warum ein bestimmter Implementationsverlauf so ist wie er ist? Politikformulierung und Politikimplementation können nicht getrennt werden. Sie überlappen sich und die Grenze zwischen beiden ist fließend. Dies gilt für die Ebene der Akteure der Po- licy Entwicklung und der Politikinhalte. Implementationsforschung darf nicht erst bei Vorlie- gen eines politischen Programms einsetzen, sondern muss auch den politischen Entschei- dungsprozess berücksichtigen.

Phase 5: Termination Die zentralen Fragen bei der Analyse der Beendigung eines Programms sind: Was sind die Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und die Mechanismen der Programmbeendigung?

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Phase 6: Policy Reaktion und politische Verarbeitung Hier wird die Reaktion der Öffentlichkeit auf ein Programm als neuer Input in das politisch administrative System zurückgeleitet. Von Interesse sind der „Feedback Loop“, also wie nehmen Zielgruppen die ihnen zugedachten Maßnahmen auf, wie nehmen die mittelbar Be- troffenen die Maßnahmen auf, und wie reagieren die Verfasser einer Policy auf die Reaktion der (un-)mittelbar Betroffenen?

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3. Die Gesetzliche Rentenversicherung und das AVmG49

3.1 Die Bedeutung und die Funktion der GRV

Die gesetzliche Rentenversicherung – also die Rentenversicherung der Arbeiter und Ange- stellten sowie die knappschaftliche Rentenversicherung – stellt von allen Sozialversiche- rungsbereichen den Größten dar.50 So lagen die Gesamtausgaben für Leistungen der GRV im Jahr 2001 bei 225,1 Mrd. Euro, was einem Anteil von 32,2% am gesamten Sozialbudget ent- sprach.51 Etwa 90% der Gesamtbevölkerung sind in der GRV versichert oder erhalten Leis- tungen aus ihr.52 Charakteristisch für die GRV ist der Versicherungszwang. Das bedeutet nicht, dass jeder ver- pflichtet ist einen Versicherungsvertrag abzuschließen, sondern dass automatisch ein öffent- lich rechtliches Mitgliedschafts- und Versicherungsverhältnis begründet wird, sobald die Tat- bestandsmerkmale der jeweiligen Gesetzesnorm erfüllt sind. Mit dem Beginn des Versiche- rungsverhältnisses entsteht die Pflicht zur Entrichtung der Versicherungsbeiträge und das Recht den Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen. Während in der Krankenversiche- rung der Schutz mit Begründung des Versicherungsverhältnisses beginnt, müssen in der GRV bestimmte Wartezeiten erfüllt sein um Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Rentenversi- cherung stellt den Regelfall der Alterssicherung dar. Neben der Regelalterssicherung durch die Rentenversicherung existieren noch die betriebliche Altersvorsorge und die Möglichkeit einer privaten Eigenvorsorge.53

3.2 Die Organisation der GRV

Die gesetzliche Rentenversicherung ist in vier Versicherungszweige unterteilt: - die Rentenversicherung der Arbeiter - die Rentenversicherung der Angestellten - die knappschaftliche Rentenversicherung - die Altershilfe für Landwirte

49 Anm.: Ziel dieser Darstellung soll ein Überblick über die Prinzipien und die Organisation der GRV sein. Im Rahmen dieser Arbeit kann dies nur mit Beschränkung auf die wichtigsten Punkte geschehen. Die Darstellung ist aus diesem Grund nicht vollständig und erhebt auch nicht den Anspruch der Vollständigkeit. 50 Vgl.: Otting, 1990:145 51 Siehe Tabelle 3:Anhang 2 52 Vgl.: http://www.masfg.rlp.de/Arbeit/Rentenversicherung.htm#2 53 Siehe Tabelle 2: Anhang 2 - 20 -

Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung werden nicht von der allgemeinen Staats- verwaltung, sondern von den Rentenversicherungsträgern wahrgenommen. Sie sind Körper- schaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung wird durch die Versicherten und die Arbeitgeber ausgeübt, die auch paritätisch für die die Beitragstragung zuständig sind. Träger dieser selbstverwalteten Rentenversicherung der Arbeiter sind 23 Lan- desversicherungsanstalten, welche ihre Versicherten und Leistungsbezieher auf Länderebene bzw. Bundesebene betreuen. Zu diesen Trägern zählen auch einige Rentenversicherungsträger für besondere Berufsgruppen, etwa die Bahnversicherungsanstalt oder die Seekasse. Für die Angestellten ist die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zuständig, für die Versiche- rung der Bergleute die Bundesknappschaft.54 Die einzelnen Träger haben sich zum Verband deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) zusammengeschlossen.55 Wie oben schon angesprochen verwalten die Träger die Angelegenheiten der GRV in Selbst- verwaltung, allerdings unter staatlicher Aufsicht des Ministeriums für Arbeit Soziales und Gesundheit, das bei weitreichenden Entscheidungen seine Genehmigung erteilen muss.

3.2.1 Versicherter Personenkreis

Die GRV ist als Pflichtversicherung konzipiert. Die Versicherungspflicht kraft Gesetzes er- fasst alle gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigte Personen, sowie seit dem 01.01.1999 Selbständige, welche einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung nachgehen und geringfügig Beschäftigte. Arbeitnehmerähnliche Personen sind selbständig Erwerbstätige, die in Art und Entlohnung einer gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Person gleichzustellen sind und selbst keine Arbeitnehmer beschäftigen. Dies wird als ein Indiz für die soziale Schutzbedürftigkeit durch die GRV gewertet, da es diesen Personen nicht zuzumuten ist, die durch die GRV abge- sicherten Risiken selbst zu tragen. Dazu gehören auch geringfügig Beschäftigte, Kindererzie- hende, Pflegepersonen und Bezieher von Kranken- und Arbeitslosengeld sowie Selbständige mit einem geringen Betriebsvermögen, wie z.B. Handwerker.56 Personen, die nicht pflichtver- sichert sind, haben die Möglichkeit sich freiwillig zu versichern, sie haben eine Versiche- rungsberechtigung. Zum einen verdeutlicht dies die Konzeption der GRV als Volksversiche- rung. Zum anderen ergibt sich dadurch die Möglichkeit hohe, nicht von der Versicherungs-

54 Vgl.: SGB VI §§125ff. Anm.: Die früher übliche Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten ist heute durch die Angleichung der gesetzlichen Regelungen in allen Teilen der Gesetzgebung z.B. beim Bundesurlaubs- gesetz oder den Kündigungsfristen obsolet geworden. In der Rentenversicherung hat diese Unterscheidung heute noch überlebt durch die Unterscheidung der Rentenversicherung der Arbeiter und der Bundesversicherungsan- stalt für Angestellte. 55 Vgl.: SGB VI §146 56 Vgl.: §§1-3 SGB VI - 21 - pflicht erfasste Einkommen von Selbständigen der GRV zugänglich zu machen.57 Alle Perso- nen, deren Alterssicherung aufgrund anderer Versorgungszusagen abgesichert ist, sind versi- cherungsfrei, so z.B. Beamte aufgrund der Zusage einer beamtenrechtlichen Versorgung durch den Dienstherrn, und Freiberufler, wie z.B. Anwälte, die sich in eigenen, berufständi- schen Versorgungswerken organisiert haben.58

3.2.2 Leistungen der Rentenversicherung

Die Leistungen der GRV lassen sich in drei große Bereiche einteilen:

1. Renten Die Renten stellen den mit Abstand größten Leistungsbereich der GRV dar, wobei das Leis- tungsprinzip final und nicht kausal ausgelegt ist, d.h. nicht der Grund warum der anspruchs- begründende Tatbestand eintritt, sondern lediglich der Eintritt des Tatbestandes an sich führt zur Leistung der Versicherung. Renten im Sinne der Versicherung haben Lohnersatzfunktion, d.h. sie stellen eine langfristige Entgeltersatzleistung dar. Unterschieden werden (Regel-) Altersrenten, Renten wegen teilwei- ser und vollständiger Erwerbsunfähigkeit (früher Berufsunfähigkeit) und Renten wegen To- des. Unter letztere fallen Witwen- und Witwerrenten, Erziehungs- und Waisenrenten.59 Ziel der Leistung ist eine annähernde Lebensstandardsicherung bei Ausscheiden aus dem Erwerbs- leben, verminderter bzw. voller Erwerbsfähigkeit sowie die Unterstützung von Hinterbliebe- nen bei Ausfall des Unterhaltspflichtigen.

2. Leistungen zur Teilhabe Darunter versteht man Leistungen der medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teil- habe am Arbeitsleben, also berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahmen. Das sind alle Leis- tungen die dazu dienen den Auswirkungen einer Krankheit oder einer sonstigen seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderung der Versicherten entgegenzuwirken, diese Auswir- kungen zu überwinden sowie Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten bzw. ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor

57 Vgl.: § 7 SGB VI 58 Vgl.: §§ 5-6 SGB VI 59 Vgl.: §§ 35ff SGB VI - 22 - den Rentenleistungen, da sie prinzipiell so angelegt sind, dass sie die Zahlung von Renten hinauszögern oder ganz verhindern sollen.60

3. Sonstige Leistungen Zu den sonstigen Leistungen der Rentenversicherung zählen Übergangsgelder, Zuschüsse zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen von Rentnern, aber auch versicherungsfrem- de Leistungen, wie z.B. die Anrechnung von Kindererziehungs- und Ausbildungszeiten.

3.2.3 Die Finanzierung der GRV

Die GRV wird durch ein Umlageverfahren, den sog. Generationenvertrag finanziert.61 Das Umlageverfahren stellt das Gegenteil des Kapitaldeckungsverfahrens dar. In Letzterem wer- den die geleisteten Beiträge auf individuellen Konten angespart, so dass für die späteren Ren- tenansprüche eine Kapitaldeckung aus angesparten Guthaben besteht. Beim Umlageverfahren wird der Auszahlungsbedarf durch die direkte Umlage auf die Beiträge geschützt. Dabei muss der Beitragssatz so hoch sein, dass eine Schwankungsreserve62 gebildet werden kann, welche die Ausgaben von einem Monat nicht unterschreiten soll. Sollte die GRV dennoch in Liquidi- tätsprobleme kommen, gibt der Bund zinslose Darlehen.63 Nicht das gesamte Einkommen ist rentenversicherungspflichtig. Die Beitragsbemessungs- grenze stellt die Höchstgrenze für das beitragspflichtige Einkommen dar. Durch sie kommt zum Ausdruck, dass die Rente lediglich eine Basissicherung sein soll, denn verfassungsrecht- lich ist es notwendig den Zwangsversicherten noch genügend Möglichkeiten zu lassen Eigen- vorsorge betreiben zu können. Grundsätzlich sollte es so sein, dass die Ausgaben von den laufenden Einnahmen aus Beiträ- gen gedeckt sind. Da die Beiträge aber zum größten Teil von pflichtversicherten Erwerbstäti- gen gedeckt werden, ist die GRV in besonderem Maße von demographischen und wirtschaft- lichen Faktoren abhängig. Da sich seit einiger Zeit diese Rahmenbedingungen verschlechtern steht die Rentenversicherung vor massiven Finanzierungsproblemen. Neben den Beiträgen stellt der Bundeszuschuss den größten Einnahmeposten der GRV dar. Bundeszuschüsse die- nen insbesondere dazu, die Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen der GRV zu kompensieren, z.B. die rentenrechtliche Anrechnung von Wehr- oder Ersatzdienstzeiten. Der Bundeszuschuss beinhaltet auch die für die Rentenversicherung bestimmten Einnahmen aus

60 Vgl.: §§ 9ff SGB VI 61 Siehe § 153 SGB VI 62 Siehe §216ff SGB VI - 23 - der ökologischen Steuerreform. Hinzu kommen in weit geringerem Maße sonstige Einnahmen wie Zinserträge u.ä.64

3.2.4 Die Rentenhöhe

Das Grundprinzip der Rente besteht aus der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen, zu dem Faktoren des sozialen Ausgleichs treten, wie z.B. die Anrechnung von beitragsfreien Zeiten für die Ausbildung. Die Höhe der Rente richtet sich nach der Höhe der während de Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen.65 Um die individuelle Renten- höhe zu bestimmen gibt es vier wesentliche Berechnungsfaktoren: Die persönlichen Entgeltpunkte, den aktuellen Rentenwert, den Rentenartfaktor und den Zu- gangsfaktor. Die pers. Entgeltpunkte sind Ausdruck des Äquivalenzprinzips und des sozialen Ausgleichs. Ein Entgeltpunkt entspricht dem, von allen Versicherten bezahlten, Durchschnittsbeitrag.66 Er spiegelt das Verhältnis des individuellen Verdienstes eines Versicherten zum Durchschnitts- verdienst aller Versicherten wieder. Der aktuelle Rentenwert hat zwei Funktionen. Zum einen gibt er an wie viel ein Entgeltpunkt aktuell in Geld Wert ist, und zum anderen, welches Rentenniveau typischerweise erreicht werden soll. Er wird zum ersten Juli jeden Jahres neu festgelegt, und durch ihn wird die Dy- namisierung der Rente umgesetzt, d.h. die Anpassung der Rente an die Nettolöhne.67 Der Rentenartfaktor bestimmt den Bedarfsfall der Rente. Entgeltpunkte für Altersrenten wer- den mit einem Rentenartfaktor von 1.0 multipliziert, bei teilweiser Erwerbsminderung mit 0.5 und bei Halbwaisenrenten mit 0.1.68 Der Zugangsfaktor schließlich gibt an wann die Rente in Anspruch genommen wird. Bei einer Inanspruchnahme ab 65 liegt er bei 1.0. Für jeden Monat der früheren Inanspruchnahme muss der Versicherte einen Malus von 0.003 Punkten hinnehmen, arbeitet er jedoch länger so be-

63 Siehe: § 214 SGB VI 64 Siehe Tabelle 1: Anhang 2 65 Siehe: § 63 SGB VI 66 Bsp.: Durchschnitt aller Bezahlten Beiträge ist 100 Euro. Für die Zahlung eines Beitrags in Höhe von 100 Euro erhält der Beitragszahler einen Entgeltpunkt von 1.0 gutgeschrieben. Bezahlt er nur 80 Euro erhält er 0.8 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Zahlt er 120 Euro bekommt er 1,2 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Siehe § 66 SGB VI 67 Siehe § 68 SGB VI 68 Siehe § 67 SGB VI - 24 - kommt er für jeden Monat der Erwerbstätigkeit nach dem 65. Lebensjahr einen Bonus von 0.005 Punkten.69

Die Rentenhöhe errechnet sich also aus folgender Formel:

Pers. Entgeltpunkt = Entgeltpunkt x Zugangsfaktor

Rente = Pers. Entgeltpunkt x Rentenartfaktor x Aktueller Rentenwert

Zur Illustration das Beispiel der Berechnung einer Nettostandardrente – Die im Idealfall er- reichbare Rente des sog. Eckrentners. Der Eckrentner hat 45 Jahre gearbeitet und möchte mit 65 Jahren in den Ruhestand. Er hat in jedem Monat die durchschnittlichen Beiträge an die GRV entrichtet und so 45 Entgeltpunkte angesammelt. Da er nicht vorzeitig Rente beziehen möchte beträgt der Zugangsfaktor 1.0, so dass er ein Guthaben von 45 pers. Entgeltpunkten besitzt. Bei einem aktuellen Rentenwert von 25,86 Euro seit dem 1.07.200270 und einem Rentenartfaktor von 1.0 wegen Zugangs zur Altersrente ergäbe dies eine monatliche Netto-Standardrente von:

45 x 1,0 x 25,86 = 1163,7 Euro / Monat

Dieser Betrag entspricht in etwa einem Rentenniveau von 70%, also dem durchschnittlich durch Beiträge versicherten Einkommen aller Beitragszahler.71

Die hier errechnete monatliche Netto-Standardrente entspricht in etwa 70% des aktuellen durchschnittlichen Nettolohns aller Erwerbstätigen. Es wird deutlich, dass die gesetzliche Rentenversicherung in zunehmendem Maße, den an sie gestellten Auftrag Lohnersatzfunktio- nen zu übernehmen, um eine gewisse Lebensstandardsicherung zu gewährleisten, nicht mehr nachkommen kann. Die im Idealfall erreichbare Rente liegt bei 1163,7 EUR pro Monat. Die

69 Siehe § 77 SGB VI 70 http://www.bfa.de/ 71 Anm.: Diese Rechnung stellt den Idealfall des Rentenbezugs dar und kommt relativ selten vor. 1998 lagen die Prognosen für die durchschnittliche Rentenhöhe der 65 jährigen Männer bei 1500.- DM und der Frauen bei 1250.- DM angesichts dieser Zahlen würde ein Absenken des Rentenniveaus ohne kompensatorische Elemente einen großen Teil der Leistungsbezieher an den Rand des Existenzminimums und damit in die Arme der Sozial- hilfe treiben. Vgl.: Boecken, 1999:211 - 25 - durchschnittliche Rente bei Männern lag 1998 bei umgerechnet 766, 94 EUR und damit sehr nahe an den Einkommensgrenzen für die Sozialhilfe. 72

3.3 Wichtige Entwicklungspunkte der GRV

Die Alters- und Invaliditätsversicherung für Arbeiter wurde 1889 als erstes Alterssicherungs- system weltweit eingeführt, im Jahre 1911 wurden die Angestellten in die in die Sozialversi- cherung einbezogen. Die Rentenversicherung basierte im Wesentlichen auf einem Kapitalde- ckungsverfahren, welches durch ein rudimentäres Umlageverfahren ergänzt wurde, um die laufenden Ausgaben durch die Einnahmen zu ergänzen. Ursprünglich war die Rente lediglich als Zuschuss zum Lebensunterhalt konzipiert, für dessen Tragung in erster Linie die Ver- wandten des aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Verantwortliche waren.73 Durch das rapide Wirtschaftswachstum und dem Steigen der Verbraucherpreise nach 1949 wurde bald deutlich, dass die bisherige Organisationsform der Kapitaldeckung unzureichend war. Die Armut aus Gründen von Alter und Invalidität nahm zu, da die angesparten Beiträge der all- gemeinen Lohn- und Preisentwicklung nicht angepasst wurden.74 Dies war der Grund für die erste weitreichende Reform der GRV. Das Kapitaldeckungsverfahren wurde durch ein Umla- geverfahren ersetzt, und die Renten wurden an die allgemeine Entwicklung der Bruttolöhne gekoppelt, um der Inflation entgegenzuwirken. Die Rücklagen aus dem Kapitalstock des frü- heren Systems wurden nach und nach aufgebraucht bis 1967 die Renten ausschließlich aus dem Umlageverfahren finanziert wurden. Eine zweite große Reform erfuhr die GRV 1972. In Zeiten einer prosperierenden Wirtschaft erfuhr der Leistungskatalog der GRV eine großzügige Erweiterung, vor allem auch aufgrund der überaus günstigen Prognosen bezüglich der Entwicklung der Finanzlage der GRV. So kam es zur Einführung der „flexiblen Altersgrenze“, die es den Versicherten ermöglichte die Regelaltersrente mit 63, im Falle von Schwerbehinderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bereits mit 60 Jahren ohne finanzielle Nachteile die Rente in Anspruch zu nehmen. Zudem wurde die GRV für Selbständige und Hausfrauen geöffnet. Durch den Ölpreisschock 1973 und die damit einhergehende Wirtschaftskrise wurden die positiven finanziellen Prognosen Makulatur. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit der GRV von guten wirtschaftlichen Rahmen- bedingungen und einer damit verbundenen hohen Erwerbsquote deutlich. In der Folge würden

72 Anm.: in Bayern lag die Einkommensgrenze zum Erhalt von Sozialhilfe 2002 bei 551 EUR plus den Kosten für eine Unterkunft. 73 Vgl. Gerlach et al., 1996: 99f 74 Vgl. Roth, 1989:25f - 26 - anrechenbare Ausbildungszeiten geringer bewertet und die Rentenanpassung von der Ent- wicklung der Bruttolöhne abgekoppelt.75 Zwischen 1983 und 1989 wurden neben der Einführung Krankenversicherungspflicht für Rentner und der vorzeitigen Altersrente nach einem Urteil des BVerfG die Benachteiligung von Frauen bei den Hinterbliebenenrenten beseitigt und die Anrechnung von Kindererzie- hungszeiten als Beitragszeiten eingeführt. Die in den „guten“ Jahren eingeführten Erweiterungen des Leistungskatalogs führten schließ- lich Anfang der 90er Jahre zu Handlungsbedarf, da die Beitragssatzstabilität der GRV in Ge- fahr war. Begegnet wurde diesem Problem durch die dritte große Rentenreform 1992 mit einer Anhebung der Altersgrenzen auf 65 Jahre bis 2001 und einem weiteren Einschnitt bei der Anrechnung von Ausbildungszeiten. Hinzu kam eine Anhebung der langen Wartezeit von 25 auf 35 Jahre76 für langjährige Versicherte und Schwerbehinderte. In der Folgezeit setzte sich die Zunahme der Belastung der Rentner und die Leistungsminde- rung in der GRV fort. Seit 1995 sind Rentner beitragspflichtig pflegeversichert. Seit 1997 werden schulische Ausbildungszeiten nur noch mit maximal drei Jahren als geleistete Beiträ- ge angerechnet. Auch berufliche Ausbildungszeiten werden seitdem geringer berücksichtigt. Neben dem Beschluss die Anhebung der Altergrenzen auf 65 Jahre von 2001 auf das Jahr 2000 vorzuziehen, enthielt das Rentenreformgesetz 1999 auch einen „demographischen Fak- tor“ in der Rentenformel, der die durchschnittliche Lebenserwartung als die Zeit des Renten- bezugs bei der Berechnung der Höhe der individuellen Rente berücksichtigen sollte. Dies hät- te de facto zu einer Absenkung des Rentenniveaus geführt.77 Die neue Regierung setzte 1998 diesen demographischen Faktor aus, entkoppelte als Kom- pensation die Renten von der Nettolohnanpassung und beschloss die Renten 2000 und 2001 nur um die Inflationsrate zu erhöhen. Im November 2000 stellte die Rot-Grüne Bundesregierung ihren Entwurf für eine erneute Reform der GRV vor. Ziel war die Einführung einer freiwilligen, kapitalgedeckten Altersvor- sorge, die staatlich gefördert wird. Diese soll die Absenkung des Renteniveaus von 70% auf 67% des Durchschnitts des letzten Bruttoeinkommens ausgleichen. Das Altersvermögensge- setz als vorläufig letzte einer Vielzahl von großen und kleinen Reformen der GRV trat nach seiner Verabschiedung 2001 zum 01.01.2002 in Kraft.78

75 Vgl. Nullmeier, 1993:116ff 76 Anm.: Die Wartezeit ist die Zeit in der ein Versicherter beitragspflichtig war. Nur bei Erfüllung der Wartezeit begründet sich ein Anspruch auf die jeweilige Leistung der GRV. Siehe SGB VI § 50 Abs. 4 77 Vgl.: http://www.dia-vorsorge.de/df_050102.htm 78 Vgl.: ebd. - 27 -

3.4 Der Regelungsgegenstand des AVmG

Das Altersvermögensgesetz stellt im Prinzip eine zweistufige Reform dar. Zum einen handelt es sich um das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG), zum anderen um das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Ren- tenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Alters- vermögensergänzungsgesetz – AVmEG). Das AVmG wurde am 11.05.2001 von Bundestag und Bundesrat beschlossen, das AVmEG bereits im März 2001 verabschiedet. Das AVmEG soll eine Reform innerhalb des bestehenden Rentensystems ermöglichen. Die wichtigsten Ziele des Reformgesetzes sind:

1. die langfristige Sicherung des Beitragsatzes auf max. 22% bis 2030 2. Gewährleistung eines stabilen Rentenniveaus bei 67% 3. Verbesserung der Alterssicherung von Frauen 4. Bekämpfung der Altersarmut79

Dies soll erreicht werden durch die Minderung des Rentenniveaus durch eine neue Rentenan- passungsformel, Ausbau der eigenständigen Alterssicherung von Frauen durch die Höherbe- wertung von Kindererziehungszeiten als Beitragszeiten bei der Rentenberechnung, Schlie- ßung von rentenmindernden Lücken bei jungen Versicherten80, einer Reform der Hinterblie- benenrente durch Berücksichtigung von Kindern, ein neues Rentensplitting unter Ehegatten und die Neuregelung der Einkommensanrechnung auf die Rentenhöhe.81

Die wichtigsten Ziele des AVmG sind die steuerliche Förderung des Aufbaus einer privaten kapitalgedeckten, steuergeförderten Altersvorsorge, ein verbesserter Auskunftsservice durch die Rentenversicherungsträger sowie die Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung durch die neue bedarfsorientierte Grundsicherung.82 Sicherge- stellt werden soll der grundlegende Bedarf für den Lebensunterhalt von Menschen, die wegen Alters oder auf Grund voller Erwerbsminderung endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschie-

79 BfA-aktuell, 2001:3 80 Anm.: Solche Lücken entstehen typischerweise beim Übergang von schulischer Ausbildung in den Beruf. Diese Lücken sollen durch die Einführung zusätzlicher Anrechnungszeiten geschlossen werden. Eine Erhöhung der Rente wird dadurch nicht erzielt, aber die Erfüllung der besonderen Wartezeit von 35 Jahren erleichtert. Vgl. hierzu: BfA-aktuell, 2001:29; VDR, 2001:7; BMA, 2001:29 81 Vgl.: VDR, 2001: 3f 82 ebd. - 28 - den sind und deren Einkünfte für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichen. Durch diese beitragsunabhängige Leistung soll die Zahlung von Sozialhilfe vermieden werden. Im Gegensatz zur Sozialhilfe wird auf Einkommen oder Eigentum der Kinder oder Eltern nicht zurückgegriffen.83 Während es sich beim AVmEG um eine Reform innerhalb der Rentenver- sicherung handelt, stellt das AVmG eine Strukturreform der Alterssicherung an sich dar. Hier wird der erste Schritt eines Systemwechsels vollzogen, der die nach dem Versicherungsprin- zip organisierte und umlagefinanzierte Rentenversicherung auf ein, durch Kapitaldeckung durch Eigenvorsorge ausgerichtetes Alterssicherungssystem umbauen soll.

83 ebd. - 29 -

4. Die Rentenreform 2001 – Programmentwicklung und Imple- mentation des AVmG

In diesem Teil der Arbeit werde ich zuerst die Ausgangslage der Reform darstellen die zu einer Problemdefinition führte. In einem zweiten Schritt das Agenda Setting untersuchen und zum Ende der Formulierungsphase den Entscheidungsprozess darstellen und die Programm- formulierung analysieren. Die Analyse der Implementation des Gesetzes wird den empiri- schen Teil abschließen.

4.1 Problemformulierung und Agendasetting

4.1.1 Die Notwendigkeit einer Reform

Die Alterssicherung in der BRD besteht aus drei Säulen. Die erste, und mit Abstand wichtigs- te Säule, stellt die gesetzliche Rentenversicherung dar. Daneben besteht die Säule der betrieb- lichen Alterssicherung und die der privaten Vorsorge. Letztere hat bisher allerdings – zumin- dest im Vergleich mit den beiden ersten Säulen – einen sehr kleinen Stellenwert eingenom- men. Die Organisation der GRV nach dem Versicherungsprinzip und damit nach den Grundsätzen von sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit, sowie sozialem Ausgleich und Vor- sorge und der damit verbundenen Finanzierung durch das Umlageverfahren führten im Laufe der Zeit zu immer mehr Reformen und Anpassungen mit immer kleineren Halbwertszeiten.84 Hauptauslöser der finanziellen Probleme der GRV ist die Steigerung des Durchschnittsalters der Bevölkerung. Dies liegt zum einen an der Stagnation der Nettoreproduktionsrate bei 0.67 seit 1970.85 zum anderen am Problem der stetig steigenden Lebenserwartung. Seit 1960 ist die durchschnittliche Lebenserwartung bei 65-järigen Männern um 2,3 Jahre gestiegen, bei den Frauen sogar um 3,9 Jahre.86 Das Statistische Bundesamt geht von einer Zunahme der Le- benserwartung bei Männern auf 80,2 bzw. bei Frauen auf 85,1 bis zum Jahr 2025 aus.87 Diese beiden Faktoren führen zu einer „Überalterung“ der Gesamtbevölkerung. Der Altenquotient der über 60-jährigen wird von heute 40 auf ca. 72 bis 2030 steigen.88 Gemessen an diesem

84 Einfügen – Halbwertszeit - 85 Anm.: D.h. jeder Erwachsene zeugt in seinem Leben nur 0.67 Kinder, was zu einer Verkleinerung jeder nach- folgenden Generation um ein Drittel führt 86 Ruland, 2000:227 87 Statistisches Bundesamt, 2000:10 88 ebd., Anm.: Der Altenquotient gibt an wie viel Personen von 100 über einem bestimmten Alter liegen. - 30 -

Altersquotienten, dem aussagekräftigsten Alterungsindikator, ist Deutschland die am schnells- ten alternde Gesellschaft der Welt.89

Hinzu treten veränderte sozioökonomische Rahmenbedingungen durch die technologisch be- dingte Informatisierung von Wirtschaft und Arbeit, die Globalisierung der Wirtschaft und den dienstleistungsorientierten Strukturwandel. Gemeinsam führen diese Faktoren zu höheren Mobilitätsanforderungen an die Beschäftigten und zu einer Zunahme von bisher als atypisch bezeichneten Beschäftigungsformen, wie z.B. befristete Arbeitsverhältnisse, Werkvertragsbe- schäftigungen, freie Mitarbeit etc..90 Die drei wichtigsten Folgen für die GRV sind:

1. Durch die niedrigen Geburtenraten und die steigende Lebenserwartung kommt es zu einer Verschiebung der Alterspyramide zu einem Alterspilz. Immer weniger jungen Menschen stehen immer mehr Alte gegenüber.91 Aus diesem Grund wird sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern in zunehmendem Ma- ße annähern. Heute kommen ungefähr zwei Beitragszahler für einen Rentner auf, im Jahr 2030 würde sich dieses Verhältnis auf 1:1 geändert haben.92 Dies hätte extreme Auswirkungen auf die Beiträge zur Rentenversicherung. Schätzungen gingen 1992 von einem Beitragssatzniveau von bis zu 41% für das Jahr 2030 aus.93 2. Ein weiteres Problem ist die sich ändernde Erwerbsbiographie der einzahlenden Gene- rationen. Durch längere Ausbildungs- und Studienzeiten wird immer später mit der Beitragszahlung begonnen. Hinzu treten immer häufiger beitragslose oder beitrags- mindernde Zeiten wie Arbeitslosigkeit und Selbstständigkeit. Für die Jüngeren bedeu- tet dies bei Eintritt des Bedarfsfalles der Rente eine Differenz zwischen dem erreich- ten Lebensstandard und der zu erwarteten Lebensstandardsicherung durch die GRV. Diese Versorgungslücke führt dazu, dass die heutige beitragstragende Generation in Zukunft ein geringeres Rentenniveau erwarten muss als die noch heute anvisierten 70%.94 3. Als dritter Punkt spielt die Bindung der Beiträge zur Rentenversicherung an ein Be- schäftigungsverhältnis eine große Rolle. Die Abhängigkeit der Finanzen der GRV von

89 Rürup, 2000:85; Anm.: Gemessen am Durchschnittsalter ist Japan die am schnellsten alternde Gesellschaft der Welt; ebd. 90 ebd. 91 Statistisches Bundesamt, 2000:14 92 Jeschke, 2001:5f 93 Ruland, 2000:227 - 31 -

einer prosperierenden Wirtschaft führt gerade in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und damit verbundenen hohen Arbeitslosenzahlen zu wachsendem Druck auf die Bei- tragshöhe. Wenn diese Beiträge steigen, wird durch die Erhöhung der Lohnnebenkos- ten die Bereitschaft Mitarbeiter einzustellen geringer, bzw. der Druck auf die Unter- nehmen, aufgrund höherer Lohnkosten zu rationalisieren, stärker.

4.1.2 Die Haltung der Parteien zu den Notwendigkeiten einer Reform

Allen Parteien war bereits 1998 bewusst, dass die vergangenen Reformen nur ein kleiner Schritt in Richtung der Sicherung der Renten bedeutete. Dies spiegelte sich auch im Bundes- tagswahlkampf 1998 wieder, wo heftig um den richtigen Weg einer Modernisierung des Al- terssicherungssystems gerungen wurde. Außer den Arbeitgebern hatten alle Akteure zwei gleiche Ziele bei dieser Reform:

1. Die Rente als Lebensstandardsicherung 2. Senkung oder langfristige Stabilisierung des Rentenbeitragssatzes

Auch die Arbeitgeber plädierten für eine Senkung des Beitragssatzes, traten aber für eine Rente als Grundsicherung ein und waren gegenüber den anderen Akteuren bereit das Renten- niveau auf 58%-60% abzusenken (siehe 4.2.1.4)95

Es herrschte ein Einvernehmen in den Parteien darüber, dass die Rentenversicherung umge- baut werden muss.96 Nur über das „wie“ gab es Kontroversen. So kam es im Wahlkampf 1998 zu einer Verwirrung um Begriffe und Modelle für das „richtige“ Konzept zur Lösung der Probleme der GRV. Die Aufmerksamkeit der Medien und die Kontroverse zwischen den Parteien konzentrierten sich auf den Begriff „Grundrente“. Dieser war von SPD Politikern in die Debatte geworfen worden.97 Von Seiten der CDU und der FDP wurden der SPD daraufhin ein Systembruch und der erste Schritt zu einer Einheitsrente vorgeworfen. Allerdings hatte sich auch der BDA 1998 für eine Basissicherung in der Renten- und Krankenversicherung ausgesprochen, und die FDP plädierte in ihrem Wahlprogramm 1998 für eine beitragsfinan-

94 Jeschke, 2001:6 95 Vgl.: Anhang 3, Die Forderungen der Parteien zu einer Rentenreform im Bundestagswahlkampf 1998 96 Rürup, 2000:85 97 Vgl.: Walter Riester: „steuerfinanzierte Mindestrente“ am 07.05.1998 im Handelsblatt; Heide Simonis: „steu- erfinanzierte Sockelrente“ am 30.03.1998 Süddeutsche Zeitung; Gerhard Schröder: “beitragsfinanzierte Grund- versorgung“ am 18.05.1998 Handelsblatt. In: Bäcker 1998:201 - 32 - zierte Altersgrundsicherung.98 Die Folge war eine große Verwirrung, und zu bezweifeln ist, ob selbst die Experten noch wussten, worum sich diese Kontroverse drehte.99

4.1.2.1 Die rentenpolitischen Inhalte des Koalitionsvertrages Durch die Entscheidung bei der Bundestagswahl war klar welche der konkurrierenden Kon- zepte den Durchbruch geschafft hatten und wer die größte Definitionsmacht über die Themen auf der Agenda der nächsten Legislaturperiode haben würde. Die Reform der Altersicherung war eines von vielen Reformvorhaben der neu gewählten rot- grünen Regierung. Dabei waren die Mittel, mit denen beide Parteien die Ziele dieser Reform erreichen wollten, teilweise sehr unterschiedlich und umstritten.100 Insbesondere der Genera- tionenfaktor, eine Variante des demographischen Faktors, den die Grünen favorisierten, sorgte für Zündstoff. Dennoch gelang es den Koalitionspartnern ein gemeinsames Konzept einer Rentenreform auszuhandeln. Als allgemeines Ziel formulierten die Verfasser, durch die Reform solle „ein bezahlbares Rentensystem, das den Menschen im Alter einen angemessenen Lebensstandard garantiert“, geschaffen werden. Konkretere Ziele waren die Stabilisierung der Beitragssätze und eine Strukturreform der Alterssicherung.

Dazu einigten sich die Regierungspartner auf folgende Maßnahmen, die sie in den Koalitions- vertrag aufnahmen: Kurzfristige Maßnahmen: - Aussetzung der Rentenniveaukürzung und der Einschnitte bei den Erwerbsminde- rungsrenten aus dem RRG 1999 bis längsten 31.12.2000 - Ausweitung der Sozialversicherungspflicht auf geringfügige Beschäftigungsverhält- nisse und Scheinselbständige101 Langfristige Maßnahmen: - Mitarbeiterbeteiligung am Betriebsvermögen als vierte Säule der Alterssicherung - Einführung von Kindererziehungsbeitragszeiten finanziert aus Steuermitteln - Erweiterung des Versichertenkreises - Reform der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten

98 FDP Wahlprogramm, 1998:25 99 ebd. 100 Vgl.: Anhang 3 Nr. 1: Die Anforderungen der Parteien an eine Rentenreform im Bundestagswahlkampf 1998 101 Zur Definition der Begriffe „geringfügige Beschäftigung“ siehe §8 SGB IV und „Scheinselbständigkeit“ siehe §7 Abs. 4 SGB IV - 33 -

- Regelungen zur Lebensarbeitszeit und zur Altersteilzeit - Absicherung unsteter Erwerbsverläufe - Einführung einer eigenständigen Alterssicherung der Frau - Vorsorgemaßnahmen für den demographischen Wandel, wie z.B. ein ergänzendes Kapitaldeckungsverfahren - Einbeziehung aller Alterssicherungssysteme in die Reform102

4.1.3 Der Beginn der Reform

Die Rentenreform 2001 kann man – zumindest in Teilen – als Folge der Rentenreform 1997 ansehen. Nach der großen Reform 1992 und weiteren Eingriffen in das Leistungsniveau 1996 sollte das Rentenreformgesetz 1999 ein weiterer großer Schritt mit Zielrichtung einer langfris- tigen Sicherung der Renten, einer Entlastung der Beitragszahlung und einer Schaffung von Generationengerechtigkeit sein.103 Erstmals wurden als Begründung für eine notwendige Re- form der internationale Wettbewerb, sowie die Beitragsbelastung der Betriebe und Arbeit- nehmer angeführt.104 Die damalige CDU/CSU/FDP Bundesregierung war der Ansicht dies könne erreicht werden durch die Einführung eines demographischen Faktors und einer damit verbundenen Absen- kung des Rentenniveaus von 70% auf 64%, der Reformierung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, sowie der Heraufsetzung der Altersgrenze bei Schwerbehinderten.105 Die SPD war gegen diese Reform, insbesondere gegen die Einführung des demographischen Faktors, und argumentierte, dass die damit verbundene Absenkung des Rentenniveaus auf 64% viele Rentner, und hier insbesondere die Frauen, zu Sozialhilfeempfängern machen wür- den. Gleichzeitig kündigte sie an, dass im Falle eines Wahlsieges die beschlossenen Regelun- gen umgehend korrigiert werden würden.106 In der Koalitionsvereinbahrung der Rot-Grünen Koalition wurde dies nach der Bundestagswahl festgehalten.107 Am 19.12.1998 trat das „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte“ mit Zustimmung von Bundesrat und Bundestag in Kraft, und damit

102 Koalitionsvertrag, 1998:23f 103 Blüm, Norbert: BMA-Pressestelle - Bonn, den 27.6.1997 104 Roggenkamp, 2002:117 105 Anm.: Geplant war auch eine Heraufsetzung des Grades der Behinderung von 50% auf 60% zur Anerkennung einer Schwerbehinderung was aber nach Protesten insbesondere der Sozialverbände wieder aufgegeben wurde. Siehe ebd. 106 SPD Regierungsprogramm 1998 107 Koalitionsvereinbahrung, 1998:21 Anm.: Koalitionsverträge dienen zur Festlegung der regierenden Parteien. Sie haben darüber hinaus auch eine beträchtliche Außenwirkung. Sie wecken Erwartungen. Vgl.: Bizer/Sesselmeier 2002:279 - 34 - wurden die Regelungen des Rentenreformgesetzes 1999 zum demographischen Faktor und die Änderung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten befristet außer Kraft gesetzt.108 Mitte 1999 stellte Arbeitsminister Riester den Entwurf eines Rentenreformgesetzes 2000 in Aussicht.109 Durch die Aussetzung des demographischen Faktors, eine Variable in der Ren- tenformel, welche die Bezugsdauer der Rente in der Rentenhöhe widerspiegelt, war Hand- lungsdruck entstanden eine starke Beitragssteigerung zu verhindern.110 Der finanzielle Druck auf die GRV wurde der Öffentlichkeit bewusst, als die Regierung ihre Pläne bekannt gab, durch Aussetzung der Nettolohnanpassung und die ledigliche Erhöhung der Renten um den Inflationsausgleich, eine Beitragserhöhungen zu verhindern111

4.1.4 Die Eckpunkte der Reform:

Arbeitsminister Walter Riester legte am 16.06.1999 dem Bundeskabinett ein vom BMA aus- gearbeitetes Eckpunktepapier einer grundlegenden Reform der Alterssicherung vor, die im Jahre 2003 beginnen sollte.112 Zentrale Punkte dieser Reform waren die Einführung: - einer verpflichtenden, kapitalgedeckten Zusatzvorsorge - einer steuerfinanzierten bedarfsorientierten Grundsicherung innerhalb der GRV - einer Verbesserung der Alterssicherung von Frauen (3 Optionen Modell) - einer Neuregelung für die Erwerbsminderungsrenten Zudem war geplant die Renten in den nächsten zwei Jahren nur um die Inflationsrate steigen zu lassen. Das hätte zur Folge, dass die Renten 2000 nur um 0.7%, anstatt 3.6% steigen wür- den und 2001 um 1,6 statt 3.4 Prozent. Dies hätte Einsparungen beim Bundeszuschuss für 2000 von 3,8 MRD. DM und für 2001 von 7,9 Mrd. DM bedeutet. Der Koalition wurde des- wegen der Vorwurf einer „Rentenanpassung nach Kassenlage“ gemacht.113 Neben den Eins- sparungen hätte Aussetzung der Anpassung zur Folge gehabt, dass langfristig das Rentenni- veau von ca. 70% auf 66% gefallen wäre.

108 Bundesgesetzblatt Nr.85, 1998:3843:§1 – Allerdings nicht vollständig, sondern befristet auf zunächst zwei Jahre bis zum 01.01.2001, um Zeit zu gewinnen, um sozial gerechtere Regelungen auszuarbeiten. Die Reform der Erwerbsminderungsrenten wurde durch ein Vorschaltgesetz zur Rentenreform sowohl vom Bundesrat als auch vom Bundestag im Dezember 2000 gebilligt, so dass die Neuregelungen rechtzeitig zum 01.01.2001, also bei Auslauf der Befristung, in Kraft treten konnten 109 Roggenkamp 2002:121 110 Dünn/Fasshauer, 2001:266 111 Boecken, 1999:211f 112 DAngVers, 8/99:364 113 Schwaetzer. Irmgard: FDP-Bundestagsfraktion – Pressemitteilung vom 09.06.1999; auch: Pressestelle der CDA / CDU-Sozialausschüsse – Berlin, 7.08.2002 - 35 -

Die Beitragssätze sollten durch weitere Stufen der Ökosteuer auf 19% gesenkt und auf diesem Niveau bis 2020 gehalten werden.114

Hauptstreitpunkt dieses Vorschlags war nicht die Grundsicherung oder die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge - obwohl diese Vorschläge keineswegs kritiklos blieben -, sondern der Um- stand, dass die geplante kapitalgedeckte Zusatzvorsorge obligatorisch sein sollte. Die Bild Zeitung sprach von einer „Zwangsrente“.115 Auch der VDR meldete Bedenken gegen das Obligatorium an, aber auch gegen die bedarfsorientierte Mindestsicherung116 Die CDU war insbesondere gegen die Aussetzung der Nettolohnanpassung, gegen die sich auch aus den Reihen der Koalition Widerstand regte. Eine geteilte Meinung vertraten die Ren- tenexperten, Bert Rürup sprach sich dafür, Gert Wagner dagegen aus. 117 Aufgrund des massiven Widerstandes der Öffentlichkeit und des VDR „knickten die Refor- mer ein“118 und zogen ihren Vorschlag einer verpflichtenden Zusatzversicherung zurück.119

4.1.5 Zusammenfassung:

Um ein Problem auf die Agenda zu setzen, sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen. 1. Es muss ein politisch handlungsrelevantes und lösbares Problem bestehen und/oder 2. dieses Problem muss das Wertesystem der Gesellschaft tangieren, oder es muss politi- sche Macht vorhanden sein, um das Problem gegenüber anderen Interessen dem politi- schen Entscheidungsprozess zuzuführen.

Im Falle der Rentenreform 2001 waren beide Faktoren erfüllt. Die demographische Entwicklung, die Veränderung der Lebensentwürfe und die Kopplung der GRV an die Voraussetzung der Erwerbstätigkeit drohten zu langfristigen finanziellen Problemen in der GRV zu führen. Die Beitragsatzstabilität und die Rente als Lebensstandard- sicherung waren in Gefahr. Über 90% der deutschen Bevölkerung sind in der GRV versichert oder erhalten Leistungen aus ihr. Eine überwiegende Zahl ist auf eine ausreichende Absiche-

114 BZ, 17.06.1999 115 Der Spiegel, 04/2001:99 116 Anm.: Zweifel bestanden insbesondere an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine verpflichtende Zusatzvorsorge, und der Umbau zu einem renditeabhängigen Kapitaldeckungsverfahren wurde mit dem Hinweis auf höhere Risiken bei höheren Renditen abgelehnt. Gegen die bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde ein- gewandt, Rentenversicherung und Sozialhilfe seien zwei getrennte Regelungsfelder. Vgl.: Dünn/Fasshauer, 2001:267 117 BZ, 17.06.1999 118 Der Spiegel, 04/2001:99 119 ebd. - 36 - rung im Alter durch die gesetzliche Rente angewiesen. Dies aus dem Grund, da die anderen Säulen des Alterssicherungssystems, wie die Betriebsrenten, nicht allen zugänglich waren, oder die private Vorsorge aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen nicht oder nicht ausrei- chend praktiziert werden konnte. Den Akteuren auf der politischen Entscheidungsebene war dies bewusst, und es herrschte Konsens über die Notwendigkeit einer Reform. Die politische Macht „ihre Vorschläge“ auf die Agenda zu setzen erhielten die SPD und Bündnis90/Die Grünen durch die Bundestagswahl 1998. Auch hatten diese Parteien jetzt die Möglichkeit die Ministerialbürokratie des BMA zu nutzen und sich dadurch einen Ressour- cenvorteil gegenüber den anderen politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen, die am rentenpolitischen Entscheidungsprozess beteiligt waren, zu sichern. Auf welche Art und Weise das Rentensystem reformiert werden sollte, wurde im Koalitions- vertrag festgelegt. Der Arbeitsminister und das BMA erarbeiteten daraufhin einen Reform- entwurf, der als Grundlage für die weitere Programmentwicklung diente.

4.2 Die Programmentwicklung

4.2.1 Die Programmformulierung

4.2.1.1 Die Koalitionsarbeitsgruppe (1. Konzeptpapier) Walter Riester setzte eine Koalitionsarbeitsgruppe „Rentenstrukturreform“ ein. Diese Ar- beitsgruppe überarbeitete die Eckpunkte zur Rentenreform. Unverändert blieben dabei die ursprünglichen Konzepte einer kapitalgedeckten Zusatzvorsorge und einer bedarfsorientierten Mindestsicherung. Dies bedeutete aber gleichzeitig, dass man den Bedenken des VDR kein Gehör geschenkt hatte.120 Bei der Verbesserung der Rente der Frauen verringerte die Arbeits- gruppe das Modell um eine Option und formulierte erstmals die Planung einer kinderbezoge- nen Höherbewertung der Beitragszeiten. Als neues Kernelement wurde erstmals die Absiche- rung unsteter Erwerbsverläufe durch die Schließung von Versicherungslücken erwähnt. Kein Kernelement, aber dennoch zum ersten Mal neu auf der Agenda, war die Rückkehr zur Netto- lohnanpassung der Renten. Die am 15.Januar 2000 in einem Arbeitspapier veröffentlichten Ergebnisse gingen über eine Überarbeitung des ursprünglichen Eckpunktepapiers vom BMA nicht hinaus. Eine inhaltliche Konkretisierung von Maßnahmen hatte noch nicht stattgefun- den.121

120 Anm.: Siehe 4.2.1.1 121 Dünn/Fasshauer, 2001:268f - 37 -

4.2.1.2 Beginn der Rentenkonsensgespräche Am 25.11.1999 kündigte Walter Riester einen Rentengipfel noch vor Weihnachten an, bei dem diese Vorschläge aus dem Eckpunktepapier des BMA in einem Spitzengespräch - trotz allen Streits über Einzelpunkte – verhandelt werden sollten. Die Oppositionsparteien zeigten sich bereit für solche Gespräche.122 Das Spitzengespräch fand am 17.12.1999 in Berlin statt. Führende Sozialpolitiker von SPD, CDU/CSU, Bündnis90/Die Grünen und der FDP123 verständigten sich darauf im Laufe des Jahres 2000 eine gemeinsame Rentenreform auf den Weg zu bringen, die weit in das nächste Jahrtausend hinein tragen solle und keine Tabus kennen dürfe. Im Mittelpunkt der Reform sollte die Stabilisierung der Beiträge stehen. Als Zeitplan – der als ehrgeizig bezeichnet wer- den kann – wurde Anfang 2001 genannt. Die Partei- und Fraktionsspitzen setzten eine Ar- beitsgruppe aus Experten der beteiligten Parteien ein, die sich bereits in der zweiten Januar- woche erneut treffen sollte.124 Ziel dieser Treffen war eine parteienübergreifende Rentenre- form. Walter Riester legte dazu einen fünf Punkte Plan vor: - Förderung der privaten Altersvorsorge - Neuregelung der Erwerbsminderungsrenten - Neuregelung der Ansprüche für Erziehende und Hinterbliebene - Rückkehr zur Nettolohnanpassung - Schaffung einer bedarfsorientierten Grundsicherung

Die CDU/CSU Fraktion setzte diesen Konkretisierungen einen zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog mit folgenden Schwerpunkten entgegen: - Deutlicher und rascher Aufbau der zweiten und dritten Säule der Alterssicherung - Zukunftsfähige und objektiv nachvollziehbare Anpassung der gesetzlichen Renten durch einen demographischen Faktor. - Ablehnung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung - Stärkere Berücksichtigung der Belange von Frauen und Familien mit Kindern - Verlängerung des Wirkungszeitraums der geplanten Reform von 2015 auf 2030 - Beibehaltung der Regelungen des RRG 99 - Rente und Sozialhilfe besser koordinieren

122 BZ, 26.11.1999 123 Anm.: Die PDS war zu dem Spitzengespräch nicht eingeladen. Im Oktober 2000 gab es Treffen zwischen Arbeitsminister Riester und der PDS, die als konstruktiv bezeichnet wurden, aber keine Ergebnisse brachten. Auch die Hoffnung der PDS danach regelmäßig beteiligt zu werden erfüllte sich nicht. BZ, 24.10.2000 und BZ, 24.10.2000 124 BZ, 18.12.1999 - 38 -

Die Union ließ keinen Zweifel daran, dass sie den rentenpolitischen Kurs der Regierung, was die Abkopplung der Nettolöhne anbetraf, strikt ablehnte. Sie zeigte sich aber bereit „Vorur- teilsfrei und parteienübergreifend an einer sinnvollen Lösung mitzuarbeiten“, die langfristig Bestand habe.125

Die FDP sah den zentralen Punkt einer Reform im Ausbau der privaten Vorsorge. Eine Ren- tenreform könne nicht ohne eine Rentenniveauabsenkung, einen demographischen Faktor oder andere Veränderungen der Rentenanpassung erfolgen. Eine Grundsicherung werde es mit der FDP nicht geben, dies müsse im Bereich der Sozialhilfe geregelt werden. Ebenso lehnte die FDP Tariffonds für die kapitalgedeckte Vorsorge ab. Eine Reform der Hinterblie- benenrenten müsste mit einer verbesserten eigenständigen Sicherung von Frauen und einer besseren Anerkennung der Kindererziehung einhergehen. Bei Ehepaaren plädierte die FDP für ein Splitting Verfahren.

4.2.1.2.1 Die Haltung der anderen Akteure zu den Eckpunkten, dem 1. Konzeptpapier und des Spitzengesprächs In diesem Abschnitt werde ich die Positionen der anderen Akteure der deutschen Rentenpoli- tik zu den Vorschlägen darstellen, die bis zu diesem Zeitpunkt diskutiert worden waren. 126

Die BDA: Am 03.02.2000 veröffentlichte die BDA ihre Positionen zu der geplanten Reform. Sie plädierte dabei für eine Basissicherung und Strukturreformen, die auf der Ausgabenseite ansetzen, um den Beitragssatz dauerhaft bis 2030 bei unter 19% zu stabilisieren. Des weiteren forderte die BDA - Ein Einfrieren der Beitragsbemessungsgrenze, um Handlungsspielräume zum Aufbau einer zpV zu schaffen. - Einen demographischen Faktor, um die steigende Lebenserwartung in der Rentenfor- mel zu verankern - Streichung der Anrechnung von Ausbildungszeiten und Stärkung des Äquivalenzprin- zips - Stärkere Anrechnung anderer Einkommen auf die Hinterbliebenenrenten

125 Schnieber-Jastram/Singhammer/Storm, 2000:21f; auch: DRV, 12/99:601f - 39 -

- Stärkung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge durch bessere Anreize, um ei- ne verbessere Lebensstandardsicherung zu erreichen. - keine Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung - keine Anrechnung von beitragsfinanzierten Kindererziehungszeiten und anderer fami- lienpolitischer Maßnahmen, um das Äquivalenzprinzip nicht zu verwässern, allerdings Zustimmung bei steuerfinanzierten Maßnahmen. - Keine Beitragssenkung über Bundeszuschüsse (Ökosteuer), sondern ausgabensenken- de Maßnahmen127

Die Gewerkschaften: Die Gewerkschaften waren gegen eine Absenkung des Rentenniveaus und für eine Beitrags- satzstabilisierung. Die konkreten Forderungen der Gewerkschaften waren: - Außer der Ökosteuer keine weiteren Steuermittel für die GRV, dafür eine Versiche- rungspflicht für alle Erwerbstätigen - Steuerung des Arbeitsmarktes durch flexiblere und differenziertere Altersgrenzen (Rente mit 60) - Eine Förderung von privater Vorsorge in Form von Tarif- und Betriebsrenten und Festlegung gesetzlicher Mindestanforderungen, aber nur um das Sicherungsniveau im Alter zu erhöhen, nicht um die Leistungen der GRV im Gegenzug zu senken. - Weitere Verbesserungen bei den Renten für Erwerbsgeminderte durch die Finanzie- rung durch die Bundesanstalt für Arbeit128 - Wiedereinführung der Nettolohnanpassung - Nicht nur Aussetzung, sondern endgültige Abschaffung des demographischen Faktors - Schließung von Sicherungslücken bei Arbeitslosigkeit und Rücknahme von Leis- tungskürzungen bei Arbeitslosen - Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung, dadurch die Aufhebung des Un- terhaltsanspruchs von Eltern gegen die Kinder zum Kampf gegen verschämte Armut - Höherbewertung von Teilzeitarbeit oder geringer Entlohnung und von Familienauf- gaben (Kindererziehung) - Aufbau einer Alterssicherung der Frauen und die Reform der Hinterbliebenenversor- gung129

126 Vgl.: DAngVers, 8/99:364ff; 9/99:439ff ; 10/99:484ff; 11/99:525ff; 12/99:598ff; 1/00:598ff 127 BDA, 03.02.2000 128 Engelen-Kefer, 2000:92 129 DGB, 2000:53 - 40 -

Der Sozialbeirat: Der Sozialbeirat als Expertenkommission unterstützte das Ziel eine zpV für untere und mittle- re Einkommen zu fördern und dabei bisherige Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbil- dung auf die Alterssicherung zu konzentrieren. Er stellte sich jedoch gegen eine bedarfsorientierte Grundsicherung, da die Aufgabenzuwei- sung innerhalb von Institutionen klar geregelt sein müsse und die Grundsicherung in den Be- reich der Sozialhilfe gehöre. Im Bereich der Familienförderung war der Sozialbeirat der Auf- fassung, dass eine familienpolitische Komponente in der GRV aus Steuermitteln finanziert werden müsse. Bei den Erwerbsminderungsrenten sahen die Experten die Verantwortung bei der Bundesanstalt für Arbeit und plädierten für eine Finanzierung aus deren Haushalt. Zudem sah der Sozialbeirat Handlungsdruck bei der Rentenanpassung, eine Frage die spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung von Renten und Pensionen in An- griff zu nehmen sei.130

Der VDR: Auch der VDR lehnte eine Grundsicherung aus denselben Gründen, wie der Sozialbeirat ab. Er befürwortete eine Rückkehr zur lohnbezogenen Rentenanpassung und eine weitere Sen- kung und Stabilisierung des Beitragssatzes durch die Ökosteuer. Auch befürwortete der VDR die Einführung einer zpV, aber nur, wenn dies der Bund finanziell, z.B. durch Steuerbefrei- ung, unterstützt. Des weiteren plädierte der VDR für eine Ausweitung der Versicherungs- pflicht auf Selbständige.

4.2.1.3 Die Fortsetzung der Rentenkonsensgespräche (17.01.2000 – 30.05.2000) In dieser Zeit erreichte der Spendenskandal der CDU seinen Höhepunkt, und die Partei war gelähmt. Die SPD hoffte daraus Kapital schlagen zu können. Mitte Januar schien eine Rück- kehr zu der Nettolohnanpassung seitens der Koalition ausgeschlossen. Rentenexperten der SPD hatten bereits Mitte 1999 intern darauf verwiesen, dass dies mit erheblichem finanziel- lem Aufwand verbunden sei. Die SPD war zwar für eine Rückkehr, doch da sowohl der Koa- litionspartner, als auch die CDU für eine veränderte Rentenformel eintraten131, hoffte die SPD auf die Schwäche der CDU, die durch die Spendenaffäre gezwungen sei – so die An-

130 Sozialbeirat, 2000:58 131 Anm.: Grüne wollten einen Generationenfaktor, die Union und FDP den demographischen Faktor, um die gestiegene Lebenserwartung in der Rentenformel festzuhalten. - 41 - nahme - um jeden Preis wieder an der Diskussion um politische Sachthemen teilzunehmen und den Einfluss auf den kleinen Koalitionspartner, um durch Verzicht auf die Rückkehr zur Nettolohnanpassung die Verhandlungspartner ihrerseits zum Verzicht auf die Änderung der Rentenformel zu bewegen.132 Ende Januar schien ein Einlenken der SPD auf eine Rentenni- veaukürzung möglich, allerdings nur langfristig, in einer späteren Reform sagte Walter Ries- ter. Riester sah Regierung und Opposition in den zentralen Punkten, Berufsunfähigkeitsrenten, zpV nahe beieinander und erwartetet auch eine Übereinkunft beim Thema Alterssicherung für Frauen. Beim Thema Grundsicherung133 war dies nicht so. Die FDP drohte mit einem Aus- stieg aus den Gesprächen und wandte sich entschieden gegen die Grundsicherung, die Öko- steuer sowie die Rente mit 60. Auch die BfA kritisierte das bisherige Rentenkonzept der Re- gierung und forderte die stärkere Berücksichtigung unsteter Erwerbsverläufe.134 Beim ersten Rentengipfel verständigten sich die 15 Experten von SPD, Grünen, Union und FDP auf ein bis 2030 reichendes Konzept. Die Themen der weiteren Konsensgespräche sollten sein: die Neuordnung der Erwerbsunfähigkeitsrenten, der Ausbau der privaten Zusatzvorsorge, die Reform der Witwenrenten, zusätzliche Kinderkomponenten, das Problem unsteter Erwerbs- biografien, die soziale Grundsicherung im Alter und die Rentenanpassungen vom Jahr 2002 an. Streitig waren vor allem der demographische Faktor und der Zeitraum bis zum Inkrafttre- ten der Reform. Die SPD wollte so schnell wie möglich vorankommen und ging davon aus, dass die ausstehende Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung den Zeit- plan für die Verhandlungen nicht beeinflussen werde. Die Union forderte das genaue Gegen- teil: Sich Zeit lassen und das Urteil des BVerfG abwarten. Die BDA hatte im Vorfeld des Treffens einen Beitragssatz dauerhaft unter 19%, eine Renteniveausenkung und einen Demo- graphiefaktor gefordert, sowie eine Rückkehr zur Nettolohnanpassung als ausgeschlossen bezeichnet. Die PDS unterstellte den an den Konsensgesprächen beteiligten Parteien sich be- reits über eine weitere Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus einig zu sein.135 Im Verlauf der folgenden Gespräche brachte die Union den Vorschlag ein alle erwerbstätigen dazu zu verpflichten eine Altersvorsorge nachzuweisen, die mindestens der gesetzlichen Rente ent- spricht, wandte sich aber gegen den Vorschlag der Grünen nach einer Bürgerversicherung.136 Nach den Vorstellungen von Bundesarbeitsminister Walter Riester soll jeder Arbeitnehmer

132 BZ, 16.01.2000 und 17.01.2001 133 Anm.: Grundsicherung: Die Leistungen sollen dem Sozialhilfeniveau entsprechen und nach denselben Krite- rien bewilligt werden, aber von der GRV getragen werden, um älteren Menschen den Gang zum Sozialamt zu ersparen. 134 BZ, 18.01.2000 135 BZ, 21.01.2000 - 42 - zusätzlich zu seinem Rentenbeitrag 2,5 Prozent seines Einkommens für eine private Alters- vorsorge ausgeben. Bürger mit einem Jahreseinkommen von bis zu 60 000 Mark sollen dafür vom Staat eine jährliche "Alterssparprämie" von 250 Mark erhalten. Die CDU kritisierte dies als unzureichend und forderte eine Steuerbefreiung für alle Beiträge zur zpV. Die CSU kriti- sierte, dass das BMA immer noch kein Konzept zur langfristigen Stabilisierung der Beiträge auf den Tisch gelegt hatte und drohte mit dem Auszug aus der Rentenrunde.137 Kurz zuvor hatte der CDU-Vize Christian Wulff der Bundesregierung noch vorgeworfen die Bürger bei den Rentenkonsensgesprächen zu täuschen, indem sie den Eindruck erwecke, dass langfristig ein 20-Prozent-Beitragssatz, ein Rentenniveau von 67 Prozent und die Rückkehr zur Netto- Lohn-Rente möglich sein. Dies sei Betrug an den Bürgern. Die Union hatte daraufhin mit dem Abbruch der Gespräche gedroht. Ein Vorschlag von brachte die Rentenge- spräche wieder in Gang. Seehofer hatte angeregt, den Rentenbeitrag zu senken und das ge- sparte Geld am Kapitalmarkt anzulegen. 138

Mitte März zeichnete sich ein Stillstand der Rentengespräche bis nach den Landtagswahlen in Nordrhein Westfahlen Mitte Mai ab. Das BMA hatte neue Zahlen vorgelegt, was die Opposi- tion als Startpunkt für die Sacharbeit wertete. Über den weiteren Verlauf der Rentengespräche wurde Stillschweigen vereinbart. Die FDP begrüßte den Vorschlag Riesters durch die An- rechnung privater Altersvorsorge auf den Nettolohn das Niveau der Rente zu senken. Dadurch würde die Bedeutung der Eigenvorsorge gestärkt. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ur- sula Engelen-Kefer warnte davor, durch Manipulation der Anpassungsformel das Rentenni- veau weiter abzusenken. Dies wäre ein weiterer willkürlicher Eingriff in das System, erklärte sie. Die Regierung müsse ihr Versprechen halten, ab 2002 zur Nettoanpassung zurückzukeh- ren.139 Friedrich Merz140 erntete Kritik aus den eigenen Reihen und der SPD für den Vor- schlag das Renteneintrittsalter auf 70 zu erhöhen. Des weiteren forderte er eine nachgelagerte Besteuerung der Renten mit dem Hinweis auf das BVerfG.141 Die Grünen schlossen sich dem Vorschlag der nachgelagerten Besteuerung von Merz an, nicht aber dem höheren Rentenein- trittsalter.142

136 Anm.: GRV und Altersversorgung von Beamten und Abgeordneten 137 BZ, 14.02.2000 138 BZ, 28.02.2000 139 BZ, 16.03.2000 140 Anm. Fraktionsvorsitzender der CDU Fraktion im Bundestag 141 In dem Urteil sollte es um die unterschiedliche Besteuerung von Renten (steuerfrei) und Pensionen (besteu- ert) gehen. Die Beamten fühlten sich diskriminiert. Sollte das BVerfG zugunsten der Beamten entscheiden, so hieße das im Umkehrschluss, dass alle Beiträge zu einer zpV von der Einkommenssteuer befreit werden müss- ten, da diese Anlagen sonst bei der Auszahlung ein zweites Mal besteuert werden würden. 142 BZ, 01.04.2000 - 43 -

In der Folge gab es noch einige Treffen, aber über mehr als die Einsicht, das Dissens zwi- schen den Verhandlungspartnern über die bloßen Zahlen aus dem BMA herrschte, wurde kei- ne Einigung erzielt. Die SPD zeigte sich über den bisherigen Verlauf der Rentenkonsensge- spräche nicht besonders glücklich. Als Grund für diesen Verlauf nannte die SPD das immer noch ausstehende Rentenurteil des BVerfG. Walter Riester rechnete mit erheblichen Konse- quenzen für die Rentenreform und Finanzminister Eichel mit hohen Steuerausfällen.143 Aller- dings sahen alle Teilnehmer der Gespräche keine Alternativen zu steuerlichen Anreizen. Denn nur durch steuerlichen Anreiz könne man die Bürger dazu bringen privat vorzusorgen, um so eine Garantie des Lebensstandards durch eine zpV zu schaffen, da die Renten der GRV in den nächsten Jahren massiv schrumpfen würden. Eine höhere Mehrwertsteuer zur Gegenfinanzie- rung der Steuerbefreiung von privaten Vorsorgebeiträgen lehnten alle Beteiligten ab.144 Nach den Landtagswahlen gingen die Gespräche weiter. Allerdings ohne große Fortschritte. Ein Scheitern war genauso wahrscheinlich wie ein Erfolg. Vor der letzten Gesprächsrunde auf Expertenebene gegen Ende Mai wurde von beiden Seiten lediglich jener grobe Terminplan bestätigt, den sie bereits seit Monaten anpeilten. Nachdem die Fachleute von SPD, Grünen, Union und FDP ihre Konzepte für eine kapitalgedeckte pri- vate Zusatzvorsorge, für mögliche Sparmaßnahmen im gesetzlichen Rentensystem, für eine Reform der Witwen- und Berufsunfähigkeitsrente oder für eine soziale Grundsicherung aus- getauscht hatten, wollten die Beteiligten in getrennte Klausurtagungen gehen und den Stand der Beratungen erörtern. Auf dieser Grundlage sollten Ende Juni, Anfang Juli die Parteivor- sitzenden zusammenkommen und grünes Licht für ernsthafte Verhandlungen geben. Wäre dies der Fall, wollten die Experten sich noch vor der Sommerpause für mehrere Tage zurück- ziehen und, wenn möglich, erste konkrete Beschlüsse fassen. Die Union drohte aus der Reform auszusteigen, sollte die SPD nicht in entscheidenden Fragen auf ihren Kurs einschwenken und monierte weiter ein fehlendes Gesamtkonzept des BMA, insbesondere die konkrete Nennung der Höhe der zukünftigen Rente und was für Kosten diese Rente verursachen würde. Die Grundsicherung wurde von der Opposition strikt abgelehnt.145 Die Union formulierte in der Folge konkrete Bedingungen für einen Rentenkonsens aus. Die- se lauteten: - eine nachgelagerte Besteuerung der Renten mit einer langen Übergangsfrist

143 Anm.: Das Problem war, dass die Steuern auf Renten erst in einigen Jahren bzw. Jahrzehnten eingenommen werden könnten, die Freistellung der Beiträge für eine zpV aber bereits heute den Haushalt mit ca. 30 Mrd. DM/Jahr belasten würden. 144 BZ, 05.05.2000 145 BZ, 17.05.2000 - 44 -

- die Förderung der privaten Eigenvorsorge und damit die Zuschüsse pro Kind für Ge- ringverdiener im Rentenkonsens zu berücksichtigen. - Rot-Grün müsse ein langfristiges Rentenkonzept bis zum Jahr 2030 vorlegen - Verlässliche und sichere Rente für die Generation, die keine Vorsorge mehr betreiben könne Zuvor hatte CDU-Chefin den weiteren Verlauf der Konsensgespräche ultima- tiv davon abhängig gemacht, dass Bundesarbeitsminister Walter Riester bis zum 8. Juni ein in der Regierung abgestimmtes Konzept für eine zukunftsfähige Rente präsentiert. Sonst werde nichts aus den Gesprächen. Walter Riester und kündigten an auf der kommenden Klausurtagung ein neues Konzept abzustimmen, dass bei der Finanzierung der zpV der Oppo- sition entgegenkomme.146 Die Gewerkschaften sahen einem Konsens optimistisch entgegen, sprachen sich aber gegen eine weitere Senkung des Rentenniveaus aus, wie dies schon durch die Aussetzung der Lohn- anpassung geschehen sei.147 Die Einführung eines Generationenfaktors, wie von Grünen und Union gefordert, sei aus diesem Grund nicht akzeptabel. Eine zpV solle dazu dienen das Ren- tenniveau zu heben und nicht als Gegenfinanzierung zu Leistungskürzungen in der GRV missbraucht werden. Auch müsse ein zpV paritätisch finanziert sein und Elemente des sozia- len Ausgleichs wie, die Förderung untere und mittlerer Einkommen, enthalten. Die Arbeitgeber forderten erneut eine deutliche Verringerung des Rentenniveaus, ansonsten lasse sich die Finanzierung der Rente und niedrige Beiträge nicht sichern. Auch müssen die steigende Lebenserwartung und die damit längeren Rentenbezugszeiten in der Rentenformel berücksichtigt werden. Die BDA sprach sich gegen eine Grundsicherung, wie gegen alle Leis- tungserweiterungen aus, dafür aber für eine Streichung der Anrechnung von Ausbildungszei- ten. Finanzminister Eichel kündigte Steuersenkungen bei Lohn- und Einkommenssteuer an. Dies würde bei einer Rückkehr zur Nettolohnanpassung die Renten erhöhen148 und den Bei- tragssatz in Zukunft um 0.3 Prozent belasten, so Arbeitsminister Riester.149

146 BZ, 29.05.2000 147 Anm.: durch die geplante zweijährige Aussetzung der Lohnanpassung, so Berechnungen, sollte das Rentenni- veau dauerhaft auf 67% sinken. 148 Steigen die Nettolöhne, steigen auch die Renten. Das Senken von Steuern kommt einer Lohnerhöhung gleich. Diese würde als „allgemeine Lohnentwicklung“ in den aktuellen Rentenwert einfließen und so zu höheren Ren- ten führen, die aber nicht durch Beiträge abgesichert sind. Aus diesem Grund müsste der Beitrag zur Rente um 0.3% erhöht werden. 149 DAngVers, 2/2000:70ff und 3/2000:114ff - 45 -

4.2.1.3.1 Zusammenfassung: Die Rentenkonsensgespräche hatten bis zu diesem Zeitpunkt kaum Fortschritte gebracht. Die Teilnehmer diskutierten hauptsächlich die Richtigkeit und Vollständigkeit der Zahlen aus dem BMA. Als das BMA Mitte März auf Forderung von CDU und FDP andere Zahlen zur Verfügung stellte, wertete die CDU dies zwar als Beginn der Sacharbeit, wollte die Daten aber erst noch prüfen. Die Gespräche wurden daraufhin, bis nach den Landtagswahlen in Nordrhein Westfahlen Ende März, unterbrochen.

Der VDR forderte die Anrechnung unsteter Erwerbsverläufe mit in die Reform aufzunehmen. Die nachgelagerte Besteuerung der Renten war ein neues Thema, das diskutiert wurde. Die Union sah darin einen Anlass die Rentenreform zu verschieben bis das BVerfG sein Ur- teil über die Besteuerung von Renten und Pensionen verkündet habe. Finanzminister Eichel befürchtete deswegen Steuerausfälle. Arbeitsminister Walter Riester sah in einem „Rentenbe- steuerungsurteil“ Konsequenzen für den Zeitplan der Reform. Walter Riester schlug daraufhin vor die Beiträge zu einer zpV durch die Anrechnung auf die Nettolöhne steuerlich abzugsfä- hig zu machen, die Union wollte ebenfalls die Beiträge steuerfrei stellen, um damit die Folgen einer nachgelagerten Besteuerung auszugleichen. Alle Beteiligten einigten sich darauf, dass eine zpV steuerlich zu fördern sei, allerdings nicht über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Union drohte mit einem Ausstieg aus den Gesprächen sollte bis Anfang Juni kein lang- fristiges Konzept der Regierung vorliegen, dass die nachgelagerte Besteuerung, die Förderung einer zpV mit Kinderzuschüssen, sowie der Garantie einer sicheren Rente für die Generation, die keine Vorsorge mehr betreiben könne, beinhalte. Die FDP schloss sich dieser Forderung an. Finanzminister Eichel und Arbeitsminister Riester kündigten daraufhin an ein Konzept vorzulegen, dass der Opposition entgegenkomme. Zu einem Kurswechsel kam es bei der Regierung, sie änderte ihre Meinung bezüglich der Nicht-Rückkehr zu der Lohnanpassung der Renten. Dies sei möglich, aber nur langfristig und in einer anderen Reform.

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4.2.1.4 Die Koalitionsarbeitsgruppe (2. Konzeptpapier) Am 30. Mai 2000 veröffentlichte die Koalitionsarbeitsgruppe die Schöneberger Beschlüsse. Durch sie wurde zum ersten Mal deutlich, dass es in der Diskussion nicht mehr um system- immanente, sondern um systemändernde Reformen ging.150 Den Forderungen der Union war man darin entgegengekommen. Die Regierung stellte zum ersten Mal einen „Ausgleichsfaktor“ in Zusammenhang mit dem Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge vor.151 Um den Anreiz einer zu- sätzlichen privaten Vorsorge (zpV) zu erhalten, hätte nur die Hälfte der zu erreichenden zpV in den Faktor einfließen sollen. Zeiten einer unzumutbaren zpV, z.B. Arbeitslosigkeit, sollten nicht berücksichtigt werden. Seine volle Wirkung hätte der Ausgleichsfaktor aber erst 2050 entfaltet, wenn die Generation in Rente gehen würde, die ihr ganzes Leben die Möglichkeit des Aufbaus einer zpV gehabt haben würden.152 Der Ausgleichsfaktor würde das Rentenni- veau von 70% auf 64% senken. Der Aufbau einer kapitalgedeckten Alterssicherung sollte schrittweise von 2001 an mit Beiträgen von 0,5 bis 4 Prozent im Jahre 2008 erfolgen. Eine Pflicht zur privaten Altersvorsorge sollte es aber nicht geben. Der Rentenbeitrag sollte durch diese Maßnahmen bis 2020 unter 20 Prozent und bis 2030 unter 22 Prozent gehalten werden. Weiter wurde bekannt gegeben, dass die Koalition zu einer „modifizierten“ Nettolohnanpas- sung zurückehren würde.153 Die Pläne einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung in- nerhalb der GRV wurden in dem Konzeptpapier nicht weiter verfolgt.154 Die Eigenvorsorge sollte stärker als ursprünglich geplant gefördert werden. Alleinstehende, geringverdienende Arbeitnehmer mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von bis zu 35 000 Mark (70 000 Mark bei Verheirateten) würden einen Zuschuss von höchstens 400 Mark im Jahr erhalten, wenn sie vier Prozent ihres Bruttolohnes in die Privatvorsorge einzahlten. Diese Förderung sollte aber nur für solche Anlageformen gewährt werden, die eine lebenslange, monatliche Rente garantieren. Die Koalitionsrunde ließ offen, ob der Staat auch Durchschnittsverdiener beim Aufbau einer Zusatzrente unterstützen will, indem er die Aufwendungen von der Steuer

150 Koalitionskonzept, 2000:182f 151Anm.: Die Höhe des Faktors sollte in der Rentenformel das Ausmaß der Kürzung der gesetzlichen Rente wi- derspiegeln, welche durch die Zahl der Jahre, in denen eine zusätzliche Altersvorsorge hätte aufgebaut werden können, zustande kämen. Je länger der Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge, desto höher der Ausgleichsfak- tor und desto größer die Kürzung der gesetzlichen Rente. 152 Dünn/Fasshauer, 2001:269f 153 BZ, 31.05.2000 154 Anm.: Diese Thematik wurde zum Sozialhilferecht verlagert. Wo sie, betrachtet man den Regelungsgegens- tand, der, gegenüber der vorleistungsbezogenen GRV subsidiären „Bedürftigkeitsabhängigkeit“ der Sozialhilfe, will man eine Systemvermischung verhindern, auch besser zu regeln ist. - 47 - befreit.155 Die Regierung wiederholte ihre Einladung an die Opposition Gespräche zu führen. Wolle sie das nicht, würde die rot-grüne Regierung die Verantwortung alleine tragen.156

Das Konzept der Koalition stieß auf erheblichen Widerspruch und Widerstand.

4.2.1.5 Die Fortsetzung der Rentenkonsensgespräche (31.05.2000 – 17.6.2000) Der Streit um die Rente hatte sich nach Vorlage des Reformkonzepts der Koalitionsarbeits- gruppe deutlich verschärft. Union, FDP, Sozialverbände, Wirtschaftsexperten und Gewerk- schaften kritisierten das Konzept aufs Schärfste. Die CDU stellte den Rentenkonsens erneut in Frage und sah auf der Basis der jetzigen Vor- schläge keine Grundlage für ein Spitzengespräch. Die Union war der Ansicht, dass die Vor- schläge „völlig unzureichend“ seien, da die Frage der Steuerbefreiung von Beiträgen zu einer zpV nicht geklärt sei.157 Zudem kritisierte die Union, das Modell Riesters würde künftige Ge- nerationen drastisch mehr belasten, und die geplante Förderung sei mit 25-35.- DM pro Monat zu gering. Auch der DGB kritisierte das Reformkonzept. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer meinte, Hauptverlierer wären Geringverdiener, die trotz der Förderung keine ausreichende Privatvor- sorge aufbauen könnten. Bei den Zuschüssen würden zudem die meisten Arbeitnehmer leer ausgehen, weil sie über den Einkommensgrenzen liegen. "Dies kann man wohl nicht als För- derung der privaten Altersvorsorge bezeichnen", erklärte sie. Zudem bemängelte sie, dass die Arbeitnehmer die Kosten der Reform alleine tragen würden und die Arbeitgeber nicht betei- ligt wären. Gerade Familien seien nicht in der Lage die hohen Kosten der Privatvorsorge zu bezahlen. Der Sozialverband VDK schloss sich Frau Engelen-Kefers Kritik an. Lediglich die Arbeitge- ber lobten das Konzept. Die Rentenexperten waren sich uneinig. Bert Rürup158 lobte das Konzept, forderte aber eine Entlastung durch die Senkung der Beiträge zur GRV oder eine steuerliche Entlastung der Bei- träge zur zpV. Winfried Schmähl159 kritisierte die Einschnitte bei der gesetzlichen Rente.160

155 BZ, 31.05.2000 (1) 156 BZ, 31.05.2000 (2) 157 ebd. 158 Anm.: Rentenpolitischer Berater der Regierung Schröder 159 Anm.: Vorsitzender des Sozialbeirats 160 BZ, 02.06.2000 - 48 -

Mitte Juni fand ein erneuter Rentengipfel statt. SPD, Grüne, Union und FDP waren sich prin- zipiell darüber einig, eine Reform ohne radikalen Systemwechsel durchzuführen, sondern das System Schritt für Schritt umzubauen. Die, wie eine Pflichtversicherung organisierte und nach dem Umlageverfahren finanzierte Rente sollte sinken und teilweise ersetzt werden durch eine kapitalgedeckte Altersversorgung, die jeder Versicherte für sich selbst ansparen muss. Lang- sam und gleitend sollte so ein neues Mischsystem entstehen. Die tragende Säule sollte die umlagefinanzierte Altersversorgung bleiben. Dies wurde vom Rentenexperten Bert Rürup unterstützt. Rürup bezeichnete die Umlagefinanzierung als tragende Säule des Sozialstaats. Ein hauptsächlich auf Kapitaldeckung aufgebautes Altersversorgungssystem wäre zu riskant, da die Gefahren der Inflation und des weltweiten Kapitalmarktes nicht ausgeschlossen werden könnten.161 Alle Beteiligten waren sich einig, dass eine zpV von einer Steuerrechtsänderung flankiert werden müsste und forderten, Finanzminister Eichel solle sich an den Konsensgesprächen beteiligen.162 Dies hätte aber für neuen Zündstoff gesorgt, da Eichel gegen eine Anreizsteue- rung über Steuerbefreiung eintrat und stattdessen die, nach heftigen Protesten von der Koaliti- on zurückgezogene, verpflichtende zpV favorisierte. Horst Seehofer trat dafür ein die Beiträge und die Zinserträge einer zpV steuerfrei zu stellen und dafür die Renten bei der Auszahlung zu besteuern.163 Der Sozialbeirat legte daraufhin Berechnungen vor nach denen die komplette steuerliche Frei- stellung für alle Arten der Altersvorsorge zu Steuerausfällen von bis zu 40 Mrd. DM/Jahr füh- ren würde. Dies veranlasste die Verhandlungspartner festzustellen, dass nur bestimmte Anla- gen steuerfrei gestellt werden sollten.164

Die Ergebnisse des Rentengipfels: 1. Private Zusatzvorsorge für das Alter: Sie soll staatlich gefördert werden. Unklar war noch, wie die Förderung ausgestaltet werden sollte. Die Union forderte eine Steuerbefreiung für die Beiträge zur Privatversicherung plus 500 Mark Zulage jährlich. Zudem wollte sie pro Kind 30 Mark im Monat zur Vorsorge zu- schießen. Die Koalition schlug ein Kombinationsmodell aus Abzug von der Steuerbemes- sungsgrundlage mit Staffelung der Höchstbeträge nach Kinderzahl vor. Diese Förderung soll-

161 BZ, 14.06.2006 Rentenexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung 162 Diese Aufforderung war für den Konsens nicht ungefährlich, da Hans Eichel eine verpflichtende zpV einer anreizgesteuerten zpV vorzog. 163 Anm.: Horst Seehofer sprach von allen Möglichkeiten, ein zpV. Lebensversicherungen, betriebliche Altervor- sorge, staatlich geförderte Altersvorsorge etc. 164 DAngVers, 5-6/00:225 - 49 - te stufenweise eingeführt werden und hätte für die öffentlichen Haushalte spätestens 2008 jährliche Mindereinnahmen von rund 19 Milliarden Mark bedeutet.

2. Rentenberechnung: Das Rentenniveau des Durchschnittsverdieners sollte bis 2030 auf unter 60 Prozent des Net- toeinkommens sinken. Die Beiträge sollten bis 2020 unter 20 Prozent bleiben. Die Renten- formel sollte geändert und ein "Ausgleichsfaktor" eingeführt werden. Je länger die Beitrags- zahler Zeit haben privat vorzusorgen, desto niedriger wird ihre gesetzliche Rente. Konkret: Die Hälfte der Summe, die nach den oben genannten Prozentzahlen für die private Vorsorge aufgebracht werden soll, wird von der Rente abgezogen - selbst wenn nicht privat vorgesorgt wurde. Die Höhe der Abschläge steigt mit der Zahl der Jahre, die für den Aufbau der Privat- vorsorge zur Verfügung stehen. Steuerentlastungen für Beschäftigte werden nicht zur Renten- erhöhung führen.

3. Rentenansprüche von Frauen: Für jedes Kind sollte eine Witwe künftig einen Zuschlag erhalten. Die Hinterbliebenenrente sollte von 60 auf 55 Prozent der Rente des Verstorbenen gesenkt. Niedrige Einkommen wäh- rend der ersten 10 Jahre eines Kindes sollten aufgewertet werden. Müttern oder Vätern, die dann Teilzeit arbeiten oder Erziehungsurlaub nehmen, sollte für die Rentenberechnung das Einkommen um die Hälfte auf maximal 100 Prozent des Durchschnittseinkommens erhöht werden.165

In der Sache schien nun ein Durchbruch möglich, aber die Union konnte sich nicht durchrin- gen einer gemeinsamen Reform zuzustimmen. Der Bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte interveniert da er die die Rentenreform zum Wahlkampfthema machen, also ver- hindern wollte. Dies geschah das Votum der CDU Parteivorsitzenden Angela Merkel, die zum Konsens bereit war. De facto bedeutete dieses keine Fortschritte in der Diskussion um eine gemeinsame Rentenreform. Es herrschte Stillstand. Das sah auch die FDP so und warf der Union vor, Kompetenzstreitigkeiten in den eigenen Reihen würden den Konsens gefährden, da man sich in der Sache einig und Bundeskanzler Schröder der Union in der Frage der Fi- nanzierung weit entgegengekommen sei. SPD und Grüne schlossen sich dieser Auffassung an.

165 BZ, 14.06.2000 - 50 -

Die Union warf ihrerseits der Regierung vor nicht alles auf den Tisch zu legen, und Angela Merkel kritisierte den schnellen Zeitplan für die Reform. „Wenn die Regierung eine schnelle Reform wolle, müsse sie diesen Weg alleine gehen.“166 Für den Fall eines Ausstiegs der Union aus den Rentenkonsensgesprächen kündigte Walter Riester eine Änderung des bisherigen Reformkonzepts an, das den Bedenken der Gewerk- schaften und der Sozialverbände Rechnung trage und wieder an die früheren Eckpunkte an- knüpfen würde.167 Daraufhin signalisierte die Union erneut Gesprächsbereitschaft.168 Die Arbeitgeber verwarfen die Pläne als nicht ausreichend und weit hinter den Notwendigkei- ten und Möglichkeiten einer Strukturreform zurückbleibend. Der Ausgleichsfaktor solle durch einen reinen Demographiefaktor ersetzt werden. Auch der BDA plädierte für eine Steuerbe- freiung der Beiträge zu einer zpV.169 Die Grünen waren bereit die Pläne mitzutragen, und die FDP lehnte die Pläne ab.170 Zeitgleich fand ein „alternativer Rentengipfel“ der Gewerkschaften und Sozialverbände in Berlin statt.171 In einer dazu veröffentlichten Erklärung, ließen die Beteiligten folgendes ver- lautbaren. Die Reformvorstellungen von Regierung und Opposition seien nicht geeignet die Rentenver- sicherung gerecht, sozial und zukunftsorientiert zu gestalten. Sie beklagten eine einseitige Ausrichtung auf den Beitragssatz, sowie die einseitige Belastung der Arbeitnehmer mit den Kosten der zpV und die damit verbundene Aufgabe der paritäti- schen Finanzierung. Nicht akzeptabel sei auch die geplante Rentenniveaukürzung, damit sei ein gesichertes Leben im Alter nicht gewährleistet. Durch die drastische Absenkung des Ren- tenniveaus würde die GRV als beitrags- und leistungsorientiertes System an Legitimation verlieren, wenn ein immer größerer Teil der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler im Alter Leistungen erhält, die entweder unter oder nur noch knapp oberhalb des Sozialhilfeniveaus liegen. Die Sicherung des solidarischen Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht dessen Abbau muss das zentrale Ziel der Reformbemühungen sein. Im Bereich der zpV wurde weiter kritisiert, dass die stärkere Belastung der Beitragszahler und der Aufbau einer zpV zu Lasten der GRV unakzeptabel sei. Sie forderten ein ergänzendes, kein ersetzendes System. Das wäre eine Systemänderung

166 BZ, 15.06.2000 (1), Zitat: Angela Merkel 167 BZ, 15.06.2000 (2) 168 Angela Merkel: „ Die CDU werde versuchen an der 40-jährigen Tradition festzuhalten, politische Auseinan- dersetzungen nicht auf dem Rücken der Rentner auszutragen"; BZ, 19.06.2000 169 DAngVers, 7/00:262f 170 BZ, 04.07.2000 171 Anm.: Teilnehmer waren: Ursula Engelen-Kefer (DGB), Horst Schmitthenner (IG Metall), Lutz Freitag (DAG), Walter Hirrlinger (Sozialverband VdK), Hans Fiedler (Sozialverband Deutschland e. V.). - 51 -

Die Beibehaltung der GRV als zentrale Säule des Alterssicherungssystems sei notwendig. Wesentliches Element einer Rentenstrukturreform sollte es sein, eine gleichgewichtige Vertei- lung der Belastung auf Beitragszahler, Rentner und Staat vorzunehmen, sowie vorhandene und zu erwartende Sicherungslücken zu schließen. Eine Ergänzung der gesetzlichen Renten- versicherung könnte am ehesten durch eine flächendeckende Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung erreicht werden. Um dies zu realisieren, wäre auch ein gesetzliches Obliga- torium ins Auge zu fassen. Sie sprachen sich für den Ausbau der eigenständigen Alterssiche- rung von Frauen in Verbindung mit einer Reform der Hinterbliebenenreform aus. Durch eine Reform sollte erreicht werden, dass wenigstens ein Teil der bisher abgeleiteten Ansprüche in eigenständige Ansprüche umgewandelt werden kann. Zum Abschluss forderten die Teilnehmer von Regierung und Opposition eine Neuorientie- rung der rentenpolitischen Diskussion. Sozialer Sicherheit im Alter müsste dabei mindestens der gleiche Rang eingeräumt werden, wie der Diskussion um die Entwicklung des Beitrags- satzes. Die Sicherung des solidarischen Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht dessen Abbau, müsste das zentrale Ziel sein. 172 In der Folge wiederholten die Gewerkschaften ihre Kritik. Sie forderten massive Nachbesse- rungen. Der DGB wollte prüfen, ob die Rente als Pflichtversicherung noch verfassungskon- form sei, wenn sie für eine steigende Zahl von Bürgern nicht einmal mehr das Sozialhilfeni- veau erreicht. Die DAG (Ver.di) kritisierte die einseitige Belastung der jüngeren Generati- on.173 Allerdings war die Position der Gewerkschaften zur Rentenreform nicht einheitlich.174

Die Kirchen stellten in ihren "Grundorientierungen und zentralen Eckpunkten" fest, die ge- setzliche Rentenversicherung müsse durch den Ausbau der zwei Säulen "betriebliche Alters- sicherung" und "private Eigenvorsorge" ergänzt werden, wenn ein sozialer Abstieg im Ren- tenfall vermieden werden soll. Zur Umsetzung forderten sie die zpV steuerlich zu fördern und Geringverdienende gesondert zu unterstützen. Auch eine verpflichtende Vorsorge war für die Kirchen eine Option. Die Kirchen befürworteten darüber hinaus die Aufnahme eines Korrek- turfaktors in die Rentenformel, eine Versicherungspflicht für alle, langfristig auch für Beamte und Selbstständige und ein Aussetzen der exzessiven Frühverrentungen. Wer dennoch früher in Rente gehe, müsse Abschläge hinnehmen.175

172 Vgl.: http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/a/rentengipf1306.pdf/file_view_raw 173 ebd. 174 BZ, 27.06.2000 (1); Die IG Chemie warnte die Gewerkschaften vor einer Blockade der Rentenreform, eine gute Reform sei nur mit Einschnitten und nicht mit Besitzstandswahrung zu erreichen. 175 BZ, 24.06.2000 - 52 -

Der Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte sich nach der heftigen Kritik mit DGB-Chef Die- ter Schulte treffen, um den Konflikt um die Rentenreform zu entschärfen.176 Die IG Metall und die DAG warnten vor einem Großkonflikt, sollte die Absenkung des Ren- tenniveaus und die einseitige Belastung der Arbeitnehmer mit den Beiträgen für eine zpV nicht korrigiert werden und bezeichneten die Pläne der Koalition als Systembruch bei der pa- ritätischen Finanzierung. Auch der Ausgleichsfaktor wurde scharf kritisiert, ebenso wie das Fehlen einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen und dass die Mindestrente (Grundsi- cherung) vorschnell aufgegeben worden sei. Die Gewerkschaften forderten einen Beitragssatz bis 2030 von max. 23,9 % und ein Rentenniveau von 68%. Die ÖTV appellierte an alle Betei- ligten, dass ein Konsens zwischen Gewerkschaften, Bundesregierung, Arbeitgebern und Op- position auf Grund der Bedeutung der Rentenreform für die gesamte Gesellschaft unaus- weichlich sei.177

Walter Riester schlug daraufhin vor, ArbeitnehmerInnen künftig zu ermöglichen, Teile ihres Lohns steuer- und sozialabgabenfrei - aus einem Rechtsanspruch - in die private Altersvor- sorge zu investieren. Damit solle die betriebliche Altersvorsorge gestärkt und der Kritik der Gewerkschaften an der geplanten Rentenreform teilweise Rechnung getragen werden. Des weiteren schlug er vor den Ausgleichsfaktor so zu modifizieren, dass das Rentenniveau 2020 zwischen 67 und 68 Prozent und 2030 bei rund 64 Prozent der Durchschnittseinkommen läge, bei einem Beitragssatz von ca. 22%. Riesters bisherige Formel hätte dafür gesorgt, dass das Niveau 2030 auf etwa 62 Prozent gesunken wäre. Den Gewerkschaften ging dieser Vorschlag immer noch nicht weit genug. Sie forderten eine Begrenzung der Beiträge zur zpV auf 2.5% und eine untere Grenze des Rentenniveaus von 65,66%178

Die Union machte weitere Gespräche von einer eindeutigen Positionierung der Koalition ab- hängig, diese war aber nur bei einer Einigung mit den Gewerkschaften möglich.179 Die Gewerkschaften hingegen drohten aufgrund der Vorschläge mit Massenprotesten und einem „Heißen Herbst“. Die Renten würden immer noch zu stark sinken, so der DGB. Am 6. Juli lehnte die Union die Einladung zu einem neuerlichen Rentenkonsensgespräch ab. Die Begründung war, die Koalition sei auf Forderungen der Union nach der Rentenanpassung

176 BZ, 27.06.2000 (2) 177 BZ, 30.06.2000 178 BZ, 06.07.2000 (1) 179 BZ, 01.07.2000 - 53 -

2001, einer Kinderkomponente bei der zpV, nicht nachgekommen. Außerdem sei es nicht akzeptabel die soziale Grundsicherung für Rentner auf die Kommunen über die Sozialhilfe abzuwälzen. Auch das Fehlen eines präzisen und klaren Konzepts wurde erneut bemängelt. Die FDP zeigte sich bereit zu einem neuen Gespräch und wollte auf Nachbesserungen drän- gen. Auch der VDR kritisierte das Reformkonzept. Das Rentenniveau sinke bis 2030 deutlich stärker als vom BMA angekündigt, so der Verband. Nach seinen Berechnungen würden die Renten im Jahr 2030 nur noch 61 Prozent des Durchschnittseinkommens betragen und nicht die zugesicherten 64 Prozent.180 Eine gemeinsam von Regierung und Opposition getragene Rentenreform rückte aufgrund des Fernbleibens der Union bei den Konsensgesprächen in immer weitere Ferne. Die Union war der achten Rentenrunde wegen "grundlegender und substanzieller" Differenzen fern geblie- ben. Die FDP-Rentenexpertin Irmgard Adam-Schwaetzer, die im Gegensatz zur Union an den Gesprächen mit Riester teilnahm, warf CDU und CSU vor keine Verantwortung übernehmen zu wollen. Die Forderung nach weiteren Klarstellungen könne sie nicht nachvollziehen. Die FDP-Politikerin unterstellte dem früheren Regierungspartner Ausflüchte zu suchen. "Faden- scheinige Einwendungen" warf auch die Grünen-Expertin Karin Göring-Eckardt der Union vor. Die überfällige Rentenreform zu boykottieren sei verantwortungslos, sagte sie.181 Für weiteren Konfliktstoff sorgte die Einladung von Bundeskanzler Schröder an die PDS, an den Rentenkonsensgesprächen teilzunehmen.182 Die CSU drohte für den Fall einer Beteili- gung der PDS mit einem kompletten Rückzug aus den Gesprächen. Aus der CDU waren ähn- liche Stimmen zu hören. CDU/CSU-Fraktionschef wies die Aufforderung Schröders zurück, nach der Niederlage der Union bei der Steuerreform zu den Rentenkon- sensgesprächen zurückzukehren. Ohne einen Regierungsentwurf würde sich die Union ver- weigern. An den Beratungen über einen Entwurf werde sich die Bundestagsfraktion dann beteiligen und zustimmen, wenn die Reform ihre Handschrift trage, andernfalls aber ableh- nen.183 Nach der Einladung des Bundeskanzlers legte die PDS ein eigenes Konzept vor. Die Senkung des Rentenniveaus lehnte die PDS genauso ab, wie die Verpflichtung und Förderung von zu- sätzlicher privater Vorsorge, sie würden einen Ausstieg aus der GRV bedeuten. Die Maßnahmen der PDS waren: Beibehaltung des Rentenniveaus von 70%, Probleme bei der Finanzierung sollten durch:

180 BZ, 07.07.2000 181 BZ, 13.07.2000 182 Anm.: Dies war Teil der Strategie von rot-grün die Steuerreform mit Hilfe der PDS Stimmen aus Mecklen- burg-Vorpommern durch den Bundesrat zu bringen, was auch gelang. 183 BZ, 17.07.2000 - 54 -

- Erweiterung der Beitragspflicht auf Selbständige, Freiberufler, Beamte und Mandats- träger - Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, um Besserverdiener stärker heranzuziehen - den Arbeitgeberanteil zur GRV durch eine Wertschöpfungsabgabe zu ersetzen gelöst werden.184

4.2.1.5.1 Zusammenfassung Die Rentenkonsensgespräche setzten sich fort mit weitreichender Kritik am Konzeptpapier der Bundesregierung. Die Union sah den Rentenkonsens erneut in Frage gestellt, da die Fra- gen der Steuerbefreiung und der Förderung nicht ausreichend geklärt waren, obwohl ihr die Regierung entgegen gekommen war. Alle Beteiligten waren sich einig, dass eine Steuer- rechtsänderung notwendig sei und Finanzminister Eichel an den weiteren Gesprächen teil- nehmen sollte, sowie, dass eine Reform ohne radikalen Systemwechsel erfolgen sollte. Auf einem Rentengipfel kam die Regierung der Opposition in Bezug auf die nachgelagerte Be- steuerung noch weiter entgegen, dennoch verweigerte die Union ihre Zustimmung zu den Ergebnissen des Gipfels. Riester drohte daraufhin die Wünsche der Union zu ignorieren und mit den Gewerkschaften ein Konzept zu erarbeiten, dass sich an den ursprünglichen Eckpunk- ten orientieren sollte. Den Arbeitgebern gingen die Beschlüsse auf dem Gipfel noch nicht weit genug. Die Grünen waren bereit die Pläne mitzutragen, und die FDP lehnte die Pläne ab. Durch die Annäherung an die Union entfernte sich die Regierung von der Position der Ge- werkschaften und erntete scharfe Kritik, die bei einem alternativen Rentengipfel von Gewerk- schaften und Sozialverbänden formuliert wurde. Insbesondere die Absenkung des Rentenni- veaus und die Zentrierung der Gespräche auf die Beitragssatzstabilität wurden moniert. Auch die Kirchen meldeten sich zu Wort. Ein Ausbau der 2. und 3. Säule, steuerliche Förde- rung und die Unterstützung von Geringverdienenden beim Aufbau einer zpV und ein Korrek- turfaktor in der Rentenformel waren die zentralen Elemente ihre Forderung. Kanzler Schröder und DGB Chef Schulte trafen sich zu einem Spitzengespräch, um den Kon- flikt zu entschärfen, nachdem mit Aktionen der Gewerkschaften gedroht worden war. Daraufhin legte Walter Riester einen neuen Vorschlag vor, welcher der Kritik der Gewerk- schaften Rechnung trug. Doch den Gewerkschaften gingen die Vorschläge immer noch nicht weit genug und drohten mit einem „Heißen Herbst“ und Aktionen in den Betrieben.

184 BZ, 18.07.2000 - 55 -

Die Kritik am Kurs der Regierung riss nicht ab. Die Union sagte ein Gespräch ab, da sie ihre Forderungen nicht erfüllt sah und war erst nach der Präsentation eines neuen Konzepts zu einer Wiederaufnahme der Gespräche bereit. Die Grünen und die FDP warfen ihr daraufhin Verantwortungslosigkeit und fadenscheinige Ausflüchte vor. Durch die Einladung der PDS zu den Rentengesprächen, durch den Bundeskanzler, kam es zu weiteren Differenzen zwischen Regierung und Opposition.

4.2.1.6 Die Koalitionsarbeitsgruppe: Das Konzeptpapier vom 18.07.2000185 Ungefähr ein Jahr nach der Bekanntgabe der Eckpunkte der Rentenreform wurden durch die- ses Konzeptpapier weitere Änderungen und Spezifikationen gegenüber früheren Entwürfen veröffentlicht. Dabei enthielt es deutliche Anpassungen an die Position der Gewerkschaften und der Opposition und trug somit die Handschrift der Rentenkonsensgespräche. Der in den Schöneberger Beschlüssen eingeführte Ausgleichsfaktor wurde durch einen linea- ren Ausgleichsfaktor ersetzt.186 Danach bleibe für alle die bis 2030 in Rente gehen das Ver- sorgungsniveau auf über 64%, für Neurentner nach 2030 würde es nicht unter 64% sinken.187 Um verschämte Altersarmut zu vermeiden, kündigte die Regierung an mit Union und FDP entsprechende Regelungen im Sozialhilferecht treffen zu wollen. Kindererziehungszeiten soll- ten sowohl bei der Alterssicherung der Frau als auch bei den Hinterbliebenenrenten höher bewertet werden und ein Rentensplitting eingeführt werden.188 Die Förderung der zpV wurde auch auf höhere Einkommensgruppen ausgedehnt, mit der Möglichkeit für diese Gruppen ihre Aufwendungen steuerlich geltend machen zu können. Als neues Reformziel wurde die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge formuliert. Dies sollte durch einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung umgesetzt werden.189

4.2.1.7 Die Fortsetzung der Rentenkonsensgespräche (19.07.2000 – 22.09.2000) Die Fortsetzung der Debatte war zunächst geprägt von dem Versuch, die Union dazu zu Be- wegen, wieder an den Konsensgesprächen teilzunehmen und das Thema nicht bis zum nächs-

185 Die SPD Fraktion verabschiedete diesen Entwurf mit 70% zu 30%, allerdings wies die FDP Expertin Irmgard Schwaetzer darauf hin, dass bei den Gegnern fasst alle SPD Mitglieder waren, die im für die Rentenreform zu- ständigen Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung vertreten sind. In diesem Ausschuss muss der Gesetzentwurf beraten und beschlossen werden, bevor er im Plenum des Parlaments zur Abstimmung kommt. DAngVers 8/00:256 186 Anm.: linear, weil der Ausgleichsfaktor in linearen Schritten von 0.3 % p.J. von 2011-2030 das Rentenniveau auf 64% senken sollte. 187 DAngVers. 8/2000:296 188 ebd. - 56 - ten Bundestagswahlkampf zu verschleppen. Die FDP und die Gewerkschaften riefen die Uni- on auf an einem parteienübergreifenden Konsens mitzuwirken. Innerhalb der Union kam es vermehrt zu Spannungen zwischen CSU (Stoiber) und CDU (Merkel) über die Rolle der Uni- on. Die SPD wiederholte die Gesprächsbereitschaft und drohte erneut mit einem Alleingang bei einer weiteren Verweigerung der Union. Die ÖTV appellierte an den DGB Aktionen ge- gen die Reform in den Betrieben zu unterlassen und konstruktiv mitzuarbeiten.190 Die SPD signalisierte der Union erneutes Entgegenkommen. Dies bestand aus der baldigen Rückkehr zur Nettolohnanpassung, der Absicherung des Existenzminimums von älteren Men- schen, ohne Rückgriff des Sozialamts auf die Kinder, und die Gewährung eines Zuschusses zu den Beiträgen für Familien und Kinder. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte hingegen vor einem Rentenkonsens um jeden Preis. Er würde zwar ein Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition begrüßen. Da die Pläne der Regierung aus Sicht der Wirtschaft aber besser seien, sollte diese ihre Pläne notfalls auch im Alleingang durchsetzen. Die Gewerkschaften kritisierten erneut die Rentenpläne. Wenn die Regierung das Rentenni- veau absenke, gäbe es richtig Ärger, so die DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer. Über Riesters Kurs seien die Gewerkschaften enttäuscht.191 Die PDS kündigte Plakataktionen nach dem Motto: „Die Rente: Verriestert, geschrödert, zerstoibert. Wir halten dagegen“ an. Etwas ernsthafter äußerte sich der CDA, der bezweifelte, dass eine Absenkung des Niveaus der Renten einer Überprüfung durch das Verfassungsge- richt Standhalten würde und ankündigte in Zusammenarbeit in einem Aktionsbündnis mit Frauenverbänden, Kirchen und Sozialverbänden für eine gerechte Rentenreform zu kämp- fen.192 Dessen ungeachtet kamen von Seiten der SPD neue Vorschläge. So sollte die Förderung einer zpV auf eine breitere Grundlage gestellt und alle, die in die GRV einzahlen, gefördert werden.193 Auch eine Teilauszahlung der ersparten Beträge für ei- nen Immobilienerwerb wurde angedacht, um mietfreies Wohnen im Alter zu ermöglichen. Aus Gründen des Verbraucherschutzes sollte der Staat Anforderungen an die geförderten Al-

189 Dünn/Fasshauer, 2001:270f 190 BZ, 24.07.2000 191 BZ, 31.07.2000 192 BZ, 01.08.2000 193 Anm.: Bisher waren nur die Arbeitnehmer im Förderkonzept vorgesehen, freiwillig Versicherte oder Angehö- rige der Künstlersozialversicherung hingegen nicht. - 57 - tersvorsorgeprodukte formulieren, zudem sollte die Privatvorsorge unter Gläubigerschutz ge- sellt, also unpfändbar gemacht werden.194 Die Chancen eines Konsenses stiegen in der Folge wieder. Nach der Sommerpause erklärte der Verhandlungsführer der Union, Horst Seehofer, durch die Zugeständnisse der Regierung seien die Chancen auf eine Einigung gestiegen, ließ aber offen, ob die Union an den Verhand- lungstisch zurückkehren würde, und wollte den Gesetzentwurf des Arbeitsministers abwar- ten. Die Regierung ging auch weiter auf die Gewerkschaften zu. Neben der Rückkehr zur Netto- lohnanpassung 2001 signalisierte die Regierung Entgegenkommen beim Ausgleichsfaktor, so dass das Rentenniveau weniger stark absinken sollte wie bisher geplant.195 Den Gewerkschaften gingen diese Schritte aber nicht weit genug. Ihr weiteres Verhalten, in Bezug auf Gespräche, machten diese, ebenso wie die CDU, vom Gesetzentwurf der Koalition abhängig. Die BDA kritisierte die Rückkehr zur Nettolohnanpassung, die inzwischen angekündigt wor- den war, da dies die Haltbarkeit der Reform und die Beitragsentwicklung belaste.196

Finanzminister Eichel stellte die Regelungen zur Förderung einer zpV vor, die in den vom Arbeitsministerium zu erarbeitenden Gesetzentwurf einfließen sollten. Folgende Regelungen wurden vorgestellt: - Beiträge zu einer zpV können als Sonderausgaben bei der Steuererklärung angegeben werden oder wenn für den Arbeitnehmer vorteilhafter über eine staatliche Zulage. Ge- fördert werden untere und mittlere Einkommen. Die Obergrenze der steuerlichen Ab- zugsfähigkeit sollte bei ca. 50% der Beitragsbemessungsgrenze, also ca. 4000 DM/Jahr liegen, für Ehegatten sollte der doppelte Betrag gelten. - Ab 2001 sollten Beiträge zu bis zu 0.5% dieser Grenze als Sonderausgaben abzugsfä- hig sein. Dieser Satz sollte um 0.5/Jahr bis 2008 auf die max. 4% angehoben werden. Parallel dazu sollten die Zulagen bis auf 300 DM für Ledige und 600 DM für Verhei- ratete angehoben werden. Kinder erhalten eine zusätzliche Förderung von 360 DM/Jahr - Dieses Modell soll nur für Pflichtversicherte der GRV gelten, also nicht für Beamte. - Als förderfähige Anlagen sollten gelten: Leibrenten, Investmentfonds und Bankspar- pläne.197

194 BZ, 04.08.2000 195 BZ, 11.09.2000 196 BZ, 06.09.2000 - 58 -

Innerhalb der SPD kam es zu einem wichtigen Positionswechsel. Einer der schärfsten inner- parteilichen Kritiker der Reform, – Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels der SPD -, verlor eine Kampfabstimmung gegen die Gesundheitsexpertin Schaich-Walch um den Vize-Fraktionsvorsitz, so dass die Chancen der Zustimmung der Fraktion zur Rentenre- form gestiegen waren.198

4.2.1.7.1 Zusammenfassung Das Koalitionspapier vom 18.7.2000 enthielt Änderungen und Spezifikationen, die an die Forderungen der Gewerkschaften und der Opposition angeglichen waren. Die Fortsetzung der Debatte war zunächst davon geprägt die Union wieder zur Teilnahme an den Gesprächen zu bewegen. Dazu erweiterte die SPD die Vorschläge aus dem Konzeptpapier. Während Ge- werkschaften und FDP die Union zum Konsens aufriefen, warnte Arbeitgeberpräsident Hund vor einem Konsens um jeden Preis. Den Gewerkschaften gingen die Änderungen immer noch nicht weit genug. Daraufhin erweiterte die Regierung ihre Vorschläge nochmals. Horst Seeho- fer sah darin wieder eine Chance zum Konsens. Die Gewerkschaften jedoch forderten nach der letzten Zugabe noch weitere Änderungen und machten ihr weiteres Verhalten, wie die Union eine Runde zuvor, vom Gesetzentwurf der Bundesregierung abhängig. Die BDA war nach den letzten Veränderungen der Konzepte von der Haltbarkeit der Reform in Bezug auf die Beitragssatzentwicklung nicht mehr überzeugt. Finanzminister Eichel stellte die geplanten Regelungen zur Förderung einer zpV vor, die nur für Pflichtversicherte gelten sollten. . Diese beinhalteten einen Sonderausgabenabzug für Bei- träge zu einer zpV oder Zulagenförderung. Höhe der Zulagen 300/600/360 DM für Ledige, Verheiratete und Kinder. Durch die Abwahl Ottmar Schreiners in der SPD wurde die Chance die Fraktion auf Linie mit dem Arbeitsminister und Bundeskanzler zu bekommen größer.

4.2.1.8 Die Diskussionsentwürfe vom 21./22. September und die Herauslösung der Er- werbsminderungsrenten Ende September 2000 stellten die Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen zwei Gesetzentwürfe vor, am 21. September den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und am 22. September den Diskussionsent-

197 DAngVers, 10/00:383f, Siehe auch: DAngVers, 8/00:297f 198 BZ, 18.09.2000 - 59 - wurf zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalge- deckten Vermögens zur Altersvorsorge (Altersvermögensaufbaugesetz – AVAG).199 Damit wurde die Reform der Erwerbsminderungsrenten aus der Gesamtreform herausge- löst.200

Der Inhalt des Diskussionsentwurfs des AVAG: - Rückkehr zu den Grundsätzen der Nettoanpassung Die Nettoanpassung wird modifiziert. Neben der Veränderung der durchschnittlichen Bruttoeinkommen soll nur noch die Belastungsänderung durch die Altersvorsorge (Beiträge zur GRV und Aufwendungen für zpV) auf die Rentenanpassung übertragen werden. - Förderung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge Gefördert werden nur Anlagen, die bestimmten Kriterien genügen. Die Anlagen ge- nießen Bestandsschutz,201 und können in der betrieblichen oder privaten Altersvorsor- ge erfolgen. Gefördert werden alle in der GRV Versicherungspflichtigen. Die Förderung erfolgt entweder über Zulagen oder über Sonderausgabenabzug. Gefördert werden maximal 4% des Einkommens, das in Beiträge zu einer zpV fließt. Die Förderung sollte bereits 2001 beginnen und bis 2008 um jährlich 0.5% bis auf 4% steigen. Der Zulagenhöchstbetrag liegt bei 300.- DM/Jahr (Grundzulage), Verheiratete erhalten das Doppelte. Für jedes kindergeldberechtigte Kind bis zu 360.- DM/Jahr. Es ist eine Eigenleistung von mind. 1% der Gesamteinkünfte nötig, um die Forderung zu erhalten. - Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge Beschäftigte erhalten Anspruch auf Entgeltumwandlung bis zu 4%. Anwartschaften aus dieser Umwandlung werden nach 5 Jahren unverfallbar unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer frühestens im Alter von 30 Jahren aus dem Unternehmen aus- scheidet. - Einführung eines Ausgleichsfaktors

199 Dünn/Fasshauer, 2001:271, Anm.: Das AVAG hat einen Umfang von 186 Seiten und kann eingesehen wer- den unter: http://www.rentenseiten.de/reform2000/reform2.pdf, der Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Ren- ten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit umfasst 99 Seiten und kann eingesehen werden unter: http://www.rentenseiten.de/reform2000/reform1.pdf, Auch in der Datenbank des Deutschen Bundestages unter der Nummer 14/4230 200 Vgl.: 4.1.3 dieser Arbeit 201 Anm.: Die Anlagen können nicht verpfändet, beliehen oder anderweitig verwendet werden. Sie können auch nicht zur Anrechnung in anderen Sicherungssystemen genutzt werden (Sozial-, Arbeitslosenhilfe) - 60 -

Keine Absenkung des Rentenniveaus unter 64% und keine Beitragssteigerung über 22% bis 2030. Er setzt 2011 ein und steigt linear um 0.3% / Jahr bis 6% 2030. Der Ausgleichsfaktor wirkt nur auf Zeiten, der vollwertige Beitragszeiten zugrunde liegen, Zeiten des sozialen Ausgleichs bleiben unberührt. - Hinterbliebenenrente, eigenständige Sicherung von Frauen, Rentensplitting Einführung eines Zuschlages in Höhe eines Entgeltpunktes für jedes vom Hinterblie- benen erzogene Kind. Der Festbetrag der Einkommensanrechnung wird auf heutiger Höhe festgeschrieben zuzüglich eines Festbetrages für jedes Kind. Einkommen aller Art werden aus Gleichbehandlungsgrundsätzen angerechnet. Befristung der Witwen- rente bei voll erwerbsfähigen Frauen ohne Kinder bis 45 Jahre auf 2 Jahre. - Schließung von rentenrechtlichen Lücken zu Beginn der Erwerbsbiographie - Verhinderung verschämter Armut Fortentwicklung des Sozialhilferechts: Verzicht auf den Rückgriff gegenüber unter- haltsverpflichteten Kindern, Erleichterung der Inanspruchnahme von Sozialhilfe durch Verbesserung des Services der GRV. Mehrausgaben der Kommunen werden durch den Bund ausgeglichen. - Verbesserung des Auskunftsservice durch die Rentenversicherungsträger Jährliche Zusendung des Standes der Rentenanwartschaften an die Versicherten. - Beamtenversorgung Die Reformmaßnahmen werden wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertra- gen.202 Die Entwürfe wurden am 25. September 2000 der Öffentlichkeit vorgestellt.

4.2.1.9 Die Diskussion des Entwurfs zum AVAG (25.09.2000 – 14.11.2000) Innerhalb der SPD Fraktion gab es einige kritische Gegenstimmen gewerkschaftsnaher Abge- ordneter. Dennoch unterstützte die SPD Fraktion, genauso wie die der Grünen, die von einer mutigen Reform sprachen, dieses Reformkonzept.203 Die Union zeigte sich direkt nach der Vorlage des Gesetzentwurfs wieder gesprächsbereit. Die Union, die diesen Gesetzentwurf zur Bedingung für weitere Verhandlungen gemacht hat- te, sah, nach einer genauen Durchsicht, in diesen Entwürfen erhebliche Mängel und stellte neue Forderungen. Um Gerechtigkeit herzustellen müssten die heutigen Rentner stärker zu-

202 Vgl.: Riester, 2000:330ff 203 BZ, 26.09.2000 - 61 - gunsten der jüngeren Generation belastet werden. Der Ausgleichsfaktor auf die Zugangsrente sei unzureichend, deswegen müssten auch die Bestandsrenten vom Ausgleichsfaktor erfasst werden, der Demographiefaktor wäre generationengerechter gewesen.204 Die Fraktion der Union forderte die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf im Bundestag einzubringen in dem ihre Forderungen enthalten seien, dann sei die Union bereit im Gesetzgebungsverfahren an einer Lösung mitzuwirken.205 Die Konsensgespräche wurden daraufhin von der Union für beendet erklärt.206 Des weiteren forderte die Union Klarheit über die Rentenbesteuerungsplä- ne der Regierung.207 Die FDP machte ihre weitere Mitarbeit von der Einführung einer nachgelagerten Rentenbe- steuerung abhängig. Zudem kritisierte die FDP eine Generationenungerechtigkeit und be- mängelte, dass die Jüngeren höhere Beiträge für eine geringere Rente bezahlen müssten.208 Auch sah die FDP keine Möglichkeit einen langfristig unter 20% liegenden Beitragssatz mit diesem Konzept zu erreichen. Die BDA kritisierte gravierende Strukturfehler, Lücken und Unzulänglichkeiten. Ein Bei- tragssatz von 22% sei nicht akzeptabel, zumal in anderen SV-Zweigen ebenfalls Beitragsan- hebungen drohten. Zentrale Kritikpunkte der Gewerkschaften waren die Senkung des Rentenniveaus und die Tatsache, dass die zpV allein aus Beiträgen der Arbeitnehmer finanziert werden sollte. Klaus Zwickel forderte die Erweiterung des versicherten Personenkreises auf Beamte, Selb- ständige und Politiker. Engelen Kefer warf der Regierung einen rentenpolitischen Irrweg vor, und die Gewerkschaften drohten erneut mit Protestaktionen.209 Innerhalb der SPD Fraktion gab es einige kritische Gegenstimmen gewerkschaftsnaher Abge- ordneter. Der VDR kritisierte den Ausgleichsfaktor als Generationenungerecht und stellte eine Modell- rechnung des Riesterschen Entwurfs vor, nach der ein Neurentner im Jahr 2011 4311 DM, 2030 jedoch nur 4053 DM erhalten würde. Der VDR forderte eine Korrektur des Ausgleichs- faktors. Auch das Rentensplitting wurde kritisiert.

204 BZ, 27.09.2000 205 DAngVers, 11/00:419 206 ebd. 207 DAngVers, 11/00:421 208 BZ, 30.09.2000 209 Anm.: Auf einem Gewerkschaftskongress der ÖTV, bei dem Bundeskanzler Schröder die Rentenpläne der Regierung verteidigte, kam es zu dem berühmten „Es ist notwendig, wir werden es so machen - und damit Bas- ta“ Ausspruch des Bundeskanzlers, als Reaktion auf die Pfiffe und „Buh-Rufe“ der 550 Delegierten. Vgl.: BZ, 05.11.2000 - 62 -

Der VDR begrüßte das Herauslösen der Erwerbsminderungsrenten aus der allgemeinen Re- form, obwohl dies eine Belastung von 0.2% des Beitragsatzes gegenüber dem RRG 99 bedeu- ten würde. Bundeskanzler Schröder stoppte im Oktober 2000 einen Plan von Finanzminister Eichel die Beiträge zur zpV schrittweise steuerfrei zu stellen und im Gegenzug die Renten zu besteuern, um die Renten mit den Pensionen steuerrechtlich gleichzustellen. Ziel von Eichel war es ei- nem Urteil des BVerfG zu dieser Thematik zuvorzukommen. Nach der Entscheidung Schrö- ders will die Regierung damit bis zur Entscheidung des BVerfG warten. Der Grüne Koalitionspartner plädierte demgegenüber dafür, die Besteuerung der Altersvor- sorge bereits mit der Rentenreform zu regeln. Der Forderung der Union schneller in eine kapitalgedeckte Vorsorge einzusteigen, erteilte Riester mit Hinweis auf die Unfinanzierbarkeit dieser Forderung bei 20 Mrd. DM jährlich schon in drei Jahren eine Absage. Eine Renditebetrachtung des BMA erbrachte bei einem 55- jährigen eine Rendite von 3,2 % und bei einem 25 Jährigen von 3,4%. Somit sah Riester die Argumente der Union und FDP, was die Generationenungerechtigkeit anbelangte, als unbe- gründet an. Ohne die Reform läge die Rendite des 25 Jährigen bei 3.0 %.210 Der Rentenexperte Meinhard Miegel warf dem Minister Rosstäuscherei vor, da sich die jetzi- ge Reform von der Blümschen Reform 1999 kaum unterscheide.211 Die privatwirtschaftlichen Versicherungen sahen noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Be- sonders die strengen Kriterien für eine Förderung, die festlegen was für Voraussetzungen Banksparpläne, Investmentfonds oder auch Lebensversicherungen zukünftig erfüllen müssen, waren der Versicherungswirtschaft ein Dorn im Auge. Auch die Offenlegung von Prämien- kalkulationen lehnten die Versicherungen ab, da sie dort eine Benachteiligung gegenüber Banken sahen, die ihre Zinsspanne bei Banksparplänen nicht offen legen müssen. Unzufrie- den war der GDV auch mit der Vorschrift, dass Kunden bereits nach zehn Jahren Vertrags- laufzeit bei einer Lebensversicherung einen verbindlichen Anspruch darauf haben sollen, bei einem Wechsel des Produkts die bereits gezahlten Prämien mitnehmen zu dürfen. Auch die von der Regierung geplante Vorschrift, dass einmalige Abschluss- und Vertriebskosten auf einen Zeitraum von zehn Jahren verteilt werden müssen, sei entbehrlich, so der GDV. Zudem forderte der GDV eine Vereinfachung der Vorschriften der Förderungssummen.212

210 BZ, 30.09.2000 211 BZ, 27.09.2000 212 BZ, 29.09.2000 - 63 -

Auch die Bausparkassen kritisierten Riesters Rentenreform. Die Unternehmen sahen eine Be- nachteiligung des Wohneigentums gegenüber anderen privaten Anlageformen. Die Grünen plädierten kurz darauf für eine Einbeziehung des Wohneigentums in die Förderung213 Finanzminister Eichel und Arbeitsminister Riester hatten Anfang November vereinbart die Förderung für die zpV aufgrund der Finanzprobleme der Bundesländer erst 2002 anlaufen zu lassen. Dies führte zu Streit in der Koalition, und die Grünen äußerten, dass sie dem nur Zu- stimmen könnten, wenn die Rentenanpassung 2002 wie geplant um 0.5% gemindert würde. Die SPD warf den Grünen daraufhin Profilierungsversuche vor.214

4.2.1.9.1 Zusammenfassung Die Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen stellten am 25. September 2000 die Ge- setzentwürfe für ein AVAG (Altersvermögensaufbaugesetz) und für ein Gesetz zu Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Öffentlichkeit vor. Die Union erkannte nach wie vor Mängel in dem Entwurf und stellte neue Forderungen. Nur wenn diese Forderungen im Entwurf für das Gesetzgebungsverfahren stehen würden, wolle die Union an einer Lösung mitwirken. Daraufhin erklärte die Union die Konsensgespräche für beendet. Auch die FDP machte ihre weitere Mitarbeit von Änderungen im Gesetz abhängig, kündigte jedoch nicht den Konsens auf. Die BDA sah gravierende Strukturfehler und Unzu- länglichkeiten. Die Gewerkschaften sahen ihre Forderungen in dem Diskussionsentwurf weiterhin nicht er- füllt und drohten erneut mit Protestaktionen. Der VDR veröffentlichte eine Modellrechnung zum Ausgleichsfaktor, die aufzeigte, dass er generationenungerecht ist. Zudem stellte sich der VDR gegen das Rentensplitting. Finanzminister Hans Eichel stellte im Oktober einen Plan zu schrittweisen Einführung einer Rentenbesteuerung bei gleichzeitiger Steuerbefreiung der Beiträge zur zpV vor. Der Bundes- kanzler machte jedoch von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch und stoppte die Pläne von Finanzminister Eichel. Die Grünen hatten sich mehrmals für eine Regelung der Besteuerung in dieser Reform eingesetzt. Ein schnellerer Einstieg in die kapitalgedeckte Vorsorge wäre, so Riester, auf die Forderung der Union unfinanzierbar, da dies bereits nach drei Jahren 20 Mrd. DM kosten würde. Auch wies er, sich stützend auf eine Rechnung des BMA, die Vorwürfe von CDU und FDP, eine generationenungerechte Reform machen zu wollen zu haben, zurück.

213 BZ, 05.10.2000 214 BZ, 14.11.2000 - 64 -

Die privatwirtschaftlichen Versicherungen sahen noch erheblichen Verbesserungsbedarf, be- sonders bei den strengen Kriterien der Förderung und der Komplexität der Förderungssum- men. Die Bausparkassen sahen sich benachteiligt und forderten wie die Grünen eine Einbe- ziehung des Wohneigentums in die Reform. Zum Streit mit den Grünen kam es, als Finanz- minister Eichel und Walter Riester den Beginn der Förderung auf 2002 festlegten, die Grünen forderten dennoch den Beginn der Kürzung der Rentenanpassung ab 2001.

4.3 Die Programmentscheidung

Nach der Bundesratsentscheidung war klar, dass das Gesetz in dieser Form nicht mehr durch die zweite Kammer zu bekommen war. Allerdings war die Koalition nicht bereit der Union noch weiter entgegenzukommen, als sie dies ohnehin schon getan hatte. Die Drohung, die Rentenreform im Alleingang durchzusetzen, ohne den Konsens mit der Opposition, wurde nun wahr gemacht. Das ursprüngliche Altersvermögensgesetz wurde in das zustimmungsfreie Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) und das zustimmungspflichtige Altersvermö- gensgesetz (AVmG) aufgespaltet. Das AVmEG enthielt dabei die Regelungen, die keine Zustimmungspflicht des Bundesrates begründeten, also jene Regeln, die nur die GRV betreffen. Diese waren: - Die Rentenanpassung Rückkehr zur Anpassung an die Bruttolohnentwicklung. Der Anpassungsfaktor wurde ersetzt durch folgende Regelung: Die Rentenanpassungen werden acht Jahre lang, ab 2003, um jeweils 0.5% gekürzt. Diese Niveaukürzung entspricht den angepeilten 4% Kapitalaufbau aus der zpV. Ab 2011 werden die Lohnerhöhungen zu 90% an die Rentner weitergegeben. - Aufwertung von Erziehungszeiten Aufwertung: Personen, die während der ersten 10 Jahre des Kindes arbeiten, werden die ab 1992 erzielten Entgeltpunkte um 50% aufgewertet, aber nicht höher als auf ei- nen ganzen Entgeltpunkt und nur unter der Voraussetzung, dass sie insgesamt 25 Jahre versichert waren. Rentengutschrift: Personen, die gleichzeitig zwei oder mehr Kinder erziehen, erhalten bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres des jüngsten Kindes eine Rentengutschrift von 0.3 Entgeltpunkten - Regelungen zur Hinterbliebenenrente - 65 -

Bestandsschutz der Regelungen für Fälle vor 2002 Bei neuen Fällen: Hinterbliebenenrente in Höhe von 55% (alt 60%) der Rente des Verstorbenen. Zuschläge von 50 DM für jedes vom Hinterbliebenen erzogene Kind. Einfrieren des anrechnungsfreien Grundbetrags auf zusätzliche Einkommen bei 1283 DM. Befristung der Witwenrente von erwerbsfähigen Frauen ohne Kinder auf 2 Jahre. Das Rentensplitting: Ähnlich dem Versorgungsausgleich bei Scheidung können die Ehepartner vereinbaren, dass die während der Ehe erworbenen Anwartschaften unter- einander aufgeteilt werden. - Beseitigung von Versicherungslücken Die rentenrechtliche Absicherung jüngerer Versicherter mit unsteten Erwerbsverläufen wird verbessert. 215 Das zustimmungspflichtige Altersvermögensgesetz (AVmG) enthielt alle Regelungsgegens- tände, die auch die Länder betrafen. - Die Einführung der Renteninformation Ab 2004 soll jeder Versicherte jährlich über den Stand seiner Rentenansprüche infor- miert werden, um Versorgungslücken frühzeitig erkennen zu können. - Anspruch auf Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersvorsorge Der Arbeitnehmer kann den Abschluss einer Direktversicherung verlangen, wenn mit dem Arbeitgeber keine Vereinbahrung über den Durchführungsweg der Umwandlung zustande kommt oder dieser keine Versicherung in einer Pensionskasse anbietet. An- sprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung werden unverfallbar, wenn die Zusa- ge seit fünf (alt 10) Jahren besteht und der Arbeitnehmer frühestens im Alter von 30 (alt 35) aus dem Unternehmen ausscheidet. Betriebliche Altersvorsorge aus Entgelt- umwandlung wird sofort unverfallbar. Es werden Pensionsfonds eingeführt - Bedarfsorientierte Grundsicherung Geregelt in einem separaten Gesetz.216 Bemisst sich nach den Regelsätzen der Sozial- hilfe zuzügl. 15% Pauschale bei einmaligem Bedarf. Erstattung von Unterkunft und Heizung in Höhe der tats. Kosten. Leistung an alle Personen ab 65 oder Erwerbsunfä- hige, die den Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestrei- ten können. Unterhaltsansprüche gegen Eltern oder Kinder bleiben unberücksichtigt. Tragung durch Landkreise und kreisfreie Städte. Länder erhalten eine pauschale Er- stattung von 600 Mio. DM jährlich. Der Zuschuss des Bundes zur GRV wird entspre-

215 Vgl.: Flecken, 2001:81f; DAngVers, 2/01:94f 216 Anm.: Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) - 66 -

chend gekürzt. RV-Träger sind verpflichtet Bezieher von niedrigen Renten zu infor- mieren und bei Anträgen zu unterstützen. - Förderung über Zulagen für eine kzV217 Höhe der Zulagen für eine kzV. Definition von Standards für Anlagen. Zertifikate für förderfähige Anlageprodukte.218

4.3.1 Die Gesetzesbeschlüsse vom 26. Januar 2001 im Bundestag

Gegen die Stimmen der Opposition hat die rot-grüne Koalition im Bundestag am 26.01.2001 die Gesetze zur Rentenreform beschlossen. Danach werden die Renten zukünftig langsamer steigen als die Löhne, was einer Absenkung des Rentenniveaus von 70% im Jahr 2000 auf 67% bis 2030 bedeutete. Dies ist eindeutig auf den Druck der Gewerkschaften zurückzufüh- ren. In dem Gesetzentwurf gab es eine Niveausicherungsklausel. Danach verpflichtete sich der Bundesarbeitsminister zu einer Garantie von min. 64% des Nettolohniveaus. Dies wider- sprach aber der Absprache mit den Gewerkschaften, bei der 67% vereinbart worden waren. Zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag machte der Vorsitzende der IG-Metall Klaus Zwickel den Bundeskanzler darauf aufmerksam und drohte mit neuen Protesten gegen die Reform. Arbeitsminister Riester änderte daraufhin die Niveausicherungsklausel auf 67%. Dies bedeutet aber, dass das Versprechen den Beitragssatz auf 22% zu stabilisieren zur Makulatur geworden war, da sich beide Zusicherungen nicht vereinbaren lassen.219 Deswegen verwun- dert es kaum, dass die Gewerkschaften den Beschluss des Bundestages begrüßten. Der DGB erklärte, die Rente könne so auch in Zukunft den Lebensstandard sichern. Auch die Förderung der betrieblichen/tariflichen Altersvorsorge sei dem DGB zu verdanken. Ablehnend äußerte sich der DGB gegenüber der Neuregelung der Hinterbliebenenrenten und der eigenständigen Alterssicherung der Frauen. Die DAG zeigte sich unzufrieden mit der Aussparung der Wohn- immobilie bei der Förderung und forderte Nachbesserungen. Den Arbeitgebern gingen die Gesetze nicht weit genug. Die Anhebung der Altersgrenzen sei in den Gesetzen nicht zu fin- den, und der Korrekturfaktor zur Absenkung des Rentenniveaus falle zu gering aus. Die Bei- tragsobergrenze von 22% wurde von den Arbeitgebern als zu hoch eingeschätzt, insbesondere da sie mit optimistischen Zahlen errechnet worden sei. Die Arbeitgeber forderten eine Absen- kung des Rentenniveaus auf 60 -62% bis 2030.

217 Anm.: Die vollständige Darstellung unter 4.4.2 218 Vgl.: Flecken, 2001:81f; DAngVers, 2/01:94f 219 Vgl.: Der Spiegel, 05/2001:26f; auch: DAngVers, 02/01:94; auch Dünn/Fasshauer, 2001:274f - 67 -

Der Einstieg in die geförderte private Zusatzvorsorge wurde von den Arbeitgebern begrüßt, sie kritisierten aber die bürokratische Überfrachtetheit des Konzepts. Für die betriebliche Al- tersvorsorge sollte ein eigenes und praktikables Förderkonzept erarbeitet werden. Die Opposition warf der Regierung eine Täuschung der Wähler vor. Ihr Konzept sei irrefüh- rend. Die Frauen seien die großen Verlierer der Reform, da die Witwenrente ausgehöhlt wor- den sei. Die private Zusatzvorsorge bezeichnete die Union als „bürokratisches Monster“. Auch die Geschwindigkeit mit der die Reform vorangetrieben worden war, wurde kritisiert. Insgesamt wurde die Reform als Stückwerk gesehen und die Effekte für eine zpV als so ge- ring angesehen, dass diese keinen ausreichenden Schub entwickeln würden.220 Vertreter der Rentenversicherungsträger forderten die Union auf im Bundesrat zuzustimmen, da die Kritikpunkte des VDR weitgehend ausgeräumt worden seien. Ein Konsens sei für die Reform wichtig, und es sei nicht möglich nach jeder Bundestagswahl eine neue Reform zu stricken.221

4.3.2 Die Bundesratssitzung am 16. Februar 2001

Sowohl das AVmEG als auch das AVmG wurden in der Bundesratsitzung vom 16.02.2001 verhandelt. Während das zustimmungsfreie Gesetz ohne Einspruch222 den Bundesrat passier- te, wurde das AVmG durch den Bundesrat gestoppt. Daraufhin rief die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss an. Die Union und die FDP kündigten an, dass im Zuge der Verhand- lungen im Vermittlungsausschuss, auch der zustimmungsfreie Teil der Reform noch einmal verhandeln zu wollen und ein „Ja“ zum AVmG von diesen Verhandlungen abhängig zu ma- chen.223 Die Haltungen der Länder während der Debatte waren zum Teil nicht von der Partei- linie determiniert. Die meisten Forderungen bezogen sich auf eine Vereinfachung der zpV und eine höhere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Reform. So wurde insbesondere aus Bayern moniert, dass die Förderung bis zu 3000 neue Planstellen in den Finanzämtern kosten würde. Auch an der Förderung der Privatvorsorge in Höhe von 20 Mrd. DM/Jahr ab 2008 müsste sich der Bund stärker beteiligen. Eine Einbeziehung von Wohneigentum in die Förderung war wegen der ungeklärten Kostenfrage unter den Ländern umstritten.

220 Storm, 2001:48ff 221 DAngVers, 2/01:96f; BZ, 22.01.2001 222 Anm.: Der Bundesrat hat bei zustimmungsfreien Gesetzen die Möglichkeit ein suspensives Vetorecht auszu- üben. Damit kann er das Inkrafttreten eines Gesetzes zwar nicht verhindern, aber doch hinauszögern, da es im Falle des Einspruchs an den Bundestag zur Neuverhandlung überwiesen wird. Vgl.: Rudzio, 1991:301f 223 Anm.: Eine solche Aussage ist in der Hinsicht verwunderlich, als dass Union und FDP keine Mehrheit im Bundestag hatten. Es herrschte ein Patt und von entscheidender Bedeutung waren die großen Koalitionen in - 68 -

Die Unionsregierten Länder lehnten die Regelungen zur Grundsicherung kategorisch ab und forderten eine Rücknahme der Einschnitte bei den Hinterbliebenenrenten. Die Ansprüche auf Kindererziehungsrenten müssten unabhängig von der Erwerbssituation des jeweiligen Eltern- teils gewährt und vor allem ausgebaut werden. Auch die Förderung der zpV war Gegenstand der Unionskritik. Eine Konzentration der Förderung auf Geringverdiener und Familien mit Kindern im Rahmen der vorgegeben 20 Mrd. wurde gefordert. Union und FDP traten schließ- lich für eine Regelung der Besteuerung der Renten noch in dieser Reform ein, bevor das BVerfG die Verantwortlichen zum Handeln zwinge. Die FDP zeigte sich darüber hinaus un- zufrieden mit dem geplanten Rentenanstieg und forderte diesen weiter zu begrenzen. Die SPD regierten Länder und die Kommunen vertraten die Ansicht, dass der Bund die vollen Kosten für die Grundsicherung tragen solle und dass die 600. Mio. Pauschale keinesfalls ausreiche. Am 13.02.2001 stellte der Sozialbeirat ein Sondergutachten zur Reform vor, um „seinen Bei- trag in den gesetzgebenden Körperschaften zu leisten.“224 Dieses Gutachten war im Novem- ber 2000 angekündigt worden. Darin befürwortet der Sozialbeirat in weiten Teilen die in den Rentenreformgesetzen geplanten Maßnahmen. Neben diesen Maßnahmen hält er aber die An- hebung des Renteneintrittsalters für erforderlich, um die Beitragszahler weiter zu entlasten. Durch die Erhöhung um ein Jahr könnte der Beitragssatz um 1,3% gesenkt werden. Des wei- teren sprach sich der Sozialbeirat für eine Steuerbefreiung der Beiträge zu einer zpV aus.225 Am 26. März 2001 trat das AVmEG in Kraft.226

4.3.3 Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss

Noch während der Verhandlungen der Mitglieder des Vermittlungsausschusses über das AVMG trat das AVmEG mit seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt am 26.03.2001 in Kraft. Die Regelungen über die neue Rentenanpassung traten rückwirkend zum 01.01.2001 in Kraft. Das bedeutete, dass die Renten, entgegen den ursprünglichen Ankündigungen der Re- gierung, bereits 2001 wieder an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst werden konn- ten.227 In der ersten Verhandlungsrunde ging die rot-grüne Koalition in einigen Punkten auf die auf die Union zu. Durch die Begrenzung des steuerlichen Ausgabenabzugs für Beiträge zu einer zpV auf 4200 DM/Jahr würde die Dynamisierung dieses Betrages durch Koppelung an

Berlin, Brandenburg und Bremen, sowie die SPD/FDP Regierung in Rheinland-Pfalz. Vgl.: Der Spiegel, 7/2000:92f 224 Sondergutachten Sozialbeirat, 14/5394:2 225 DAngVers, 3/01:126f 226 Bundesgesetzblatt 13/2001:403 227 Köhler, 2001:165, Siehe auch: §255e SGB VI - 69 - die Beitragsbemessungsgrenze – die ihrerseits an die Lohnentwicklung gekoppelt ist - aufge- hoben. Dadurch würden ca. 500 Mio. DM frei, die an anderer Stelle eingesetzt werden könn- ten, so z.B. wie von der Union gefordert für höhere Zulagen für Geringverdiener und kinder- reiche Familien. Riester forderte die Union auf Vorschläge zu machen wie das Geld einzuset- zen wäre ohne dabei die Höchstförderung ab 2008 von 20 Mrd. DM/ Jahr zu überschreiten. Zudem bot die Koalition an das bisherige Hinterbliebenenrecht für die nächsten 10 Jahre bei- zubehalten. Bei der pauschalierten Beteiligung an den Kosten der Grundsicherung durch den Bund verweigerte die Koalition den Kompromiss auf die Forderung, nach der die überwie- gende Kostenlast beim Bund zu liegen hätte. Die Regierung bot aber an den Pauschalbetrag auf 800 Mio. DM/Jahr anzuheben. Dafür fehlen diese 200 Mio. bei den Trägern der GRV, da der Pauschalbetrag vom Bundszuschuss an die GRV abgezogen wird. Es wurde eine Überprü- fung der Grundsicherung im zwei Jahres Turnus vereinbart, um die Kosten genau überblicken zu können. Der Rückgriff auf die Kinder bei Unterhaltspflicht sollte bis zu einem Jahresein- kommen von 200.000 DM nicht erfolgen, und die Anbieter von Vorsorgeprodukten sollten die bürokratische Abwicklung der Förderung übernehmen. So kämen die Länder um die teu- ren Planstellen in den Finanzämtern herum. Eine neue Bundesstelle, die „Zentrale Stelle“, sollte die Regelungen mit den Anbietern treffen. Die Union wies die Vorschläge als unzurei- chend zurück und forderte neue Kompromissangebote, speziell im Bereich der Witwenrenten. Die RV-Träger, die Sozialpartner und die Versicherungswirtschaft forderten Regierung und Opposition auf einen Konsens zu finden.228 Am 8. Mai 2001 legte der Vermittlungsausschuss seinen Einigungsvorschlag vor.229

4.3.4 Die Bundesratssitzung am 11.05.2001

4.3.4.1 Das Vorspiel zur Sitzung Im Sommer 2000 hatte Gerhard Schröder durch einen „Coup“ die Steuerreform durch den Bundesrat gebracht. Damals herrschte dort ebenso eine Pattsituation wie im Mai 2001.230 Um die notwendige Mehrheit für die Rentenreform in der Bundesratsdebatte am 11.05.2001 zu erhalten, zeichnete sich ein ähnliches Vorgehen ab.

228 DAngVers, 4/2001:157f 229 Zur detaillierten Darstellung siehe: Anhang 3, Nr. 1: Einigungsvorschlag des Bundesrates vom 8. Mai 2001 230 Siehe: 4.3.2 dieser Arbeit; Anm.: Damals hatte der Bundeskanzler mit Rainer Brüderle (Parteivorsitzender der FDP in der SPD/FDP Koalition in Rheinland Pfalz) und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen am Telefon Zugeständnisse gemacht und so die Stimmen der Länder im Bundesrat „gekauft“. Brüderle erhielt ein Prozent Steuernachlass für die Spitzenverdiener beim Höchststeuersatz bei der Steuerreform zugesagt, Diepgen erhielt die Zusage der Kostenübernahme für den Umbau des Berliner Olympiastadions. - 70 -

Die SPD-Länder bedeuteten keinesfalls sichere Stimmen für die Reform. Durch die Zustim- mung der Regierung zu Kompromissen in anderen Streitfällen (Kindergelderhöhung, Erhö- hung des Länderfinanzausgleichs), gelang es der Berliner Koalition aber die 23 Stimmen der von der SPD geführten Länder auf ihre Seite zu ziehen. Durch die Hereinnahme des modifi- zierten Entnahmemodells in den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, und damit die Förderung von Wohneigentum, war es gelungen auch die SPD/FDP Regierung in Rhein- land-Pfalz zu einer Zustimmung zu bewegen. Es fehlten also noch 8 Stimmen zur Mehrheit im Bundesrat. Grundsätzlich enthalten sich große Koalitionen der Länder im Bundesrat, wenn sie sich nicht einigen können. Da die Union eine Niederlage wie im Sommer 2000 verhindern wollte, verzichtete sie auf eine Direktive zur Abstimmung der Länder und erteilte somit eine Abstimmungsfreigabe. Dies nutzte Walter Riester und kam mit den Neuregelungen bei den Hinterbliebenenrenten den CDU Positionen der Regierungen in Bremen und Brandenburg soweit entgegen, dass auch diese ihre Zustimmung signalisiert. Damit fehlte noch eine Stim- me zur Mehrheit im Bundesrat. In Mecklenburg-Vorpommern (SPD/PDS) hatte die PDS an- gekündigt mit Nein zu stimmen. Für den Fall eines „Neins“ aus Berlin sollte sich der SPD Ministerpräsident Ringsdorf über den Koalitionspartner hinwegsetzen. Die Regierung in Ber- lin ging davon aus, dass die Koalition in Mecklenburg-Vorpommern zwar darunter leiden, aber nicht zerbrechen würde. Berlin (CDU/SPD) sollte durch die Zusage, die Privatvorsorge in der Hauptstadt anzusiedeln, zu einer Zustimmung bewegt werden Dies würde ca. Tausend vom Bund bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Zudem lockte die Regierung damit, das „Stadt- staatenprinzip“ für Berlin um weitere sieben Jahre zu verlängern. Aufgrund der finanziellen Vorteile ein „Muss“ für die von Finanznöten geplagte Stadt.231

4.3.4.2 Die Abstimmung Schon im Vorfeld der Abstimmung schien aufgrund der Zusagen der Länder einem positiven Abstimmungsergebnis nichts mehr im Weg zu stehen. Auch Berlin hatte kurz zuvor noch sei- ne Zustimmungsbereitschaft signalisiert. Die von der Union allein oder in Koalitionen mit der FDP geführten Länder stimmten dem AVmG nicht zu. Das von einer großen Koalition regierte Bremen enthielt sich seiner Stimme. Alle anderen Länder stimmten der Reform zu, auch die SPD/PDS Regierung in Mecklenburg Vorpommern. Dies bedeutete eine Verletzung des Koalitionsvertrages und stürzte das Regie- rungsbündnis in eine Regierungskrise. Erst nachdem SPD Ministerpräsident Harald Ringsdorf

231 BZ, 08.05.2001 - 71 - sich öffentlich für sein Verhalten bei der Bundesratssitzung entschuldigt hatte, sah die PDS eine Grundlage für die Fortsetzung der Koalition. Berlin stimmte aufgrund der Zusage, die zentrale Stelle für die Zulagenförderung bei der BfA in Berlin anzusiedeln, mit „Ja“. Auch die große Koalition in Brandenburg stimmte zu.232

So fand das AVmG mit 38 zu 28 Stimmen bei Enthaltung Bremens (3 Stimmen) die Zustim- mung des Bundesrates. Der Bundesrat hat in seiner Entschließung zum AVmG zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Zustimmung die, im AVmEG geregelte, Hinterbliebenenrente in zwei Punkten geän- dert wird. 1. Ausgleich der Absenkung von 60 auf 55 Prozent für Witwer/Witwen, die mindestens ein Kind erzogen haben. So sollten diese Personen für die ersten 36 Monate der Erzie- hung zwei Entgeltpunkte und für die restliche Erziehungszeit max. ein Entgeltpunkt zugrunde gelegt werden. 2. Die Freibeträge bei der Anrechnung von Einkommen sollten dynamisch bleiben und nicht eingefroren werden, sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland.233 Diese Entschließung wurde vom Bundestag in seiner Sitzung vom 18.05.2001 umgesetzt. Am 29. Juni 2001 wurde das AVmG nach über zweijährigen Verhandlungen im Bundesge- setzblatt verkündet.234

4.3.5 Zusammenfassung:

Nach der Ablehnung des Gesetzentwurfs in der Länderkammer kündigte die Regierung an, die Reform ohne den Konsens mit der Union durchzuführen. Dazu wurde das AVmG in ein zustimmungspflichtiges (AVmG) und ein zustimmungsfreies Gesetz aufgespaltet. Am 26.01.2001 wurden gegen die Stimmen der Oppositionsparteien im Bundestag das AV- mEG und einer Absenkung des Renteniveaus auf „nur“ 67% beschlossen. Dies hatten die Gewerkschaften unter Androhung von Aktionen bei der Regierung durchgesetzt. Nach dem Bundestagsbeschluss erklärten die Gewerkschaften, sie seien zufrieden mit der Reform. Die Arbeitgeber sahen die Gesetze als unzureichend an. Die Opposition bezichtigte die Regierung der Wählertäuschung und bezeichnete die Förderung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge als „bürokratisches Monster“. Die Reform sei zu schnell vorangetrieben worden und die Effekte

232 DAngVers, 5-6/01:212 233 Heller, 2001:239 234 Bundesgesetzblatt 31/2001 - 72 - für eine zpV seien zu gering. Vertreter des VDR riefen die Opposition auf im Bundesrat zuzu- stimmen. In der Bundesratssitzung am 16.02.2002 wurde das AVmG gestoppt. Die Haltungen der Län- der während der Debatte waren zum Teil nicht von der Parteilinie determiniert. Daraufhin rief die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss an. Union und FDP kündigten an bei den Verhandlungen über das AVmG auch Teile des AVmEG nochmals verhandeln zu wollen. Sie wollten Änderungen bei der zpV, den Hinterbliebenenrenten und dem Rentenanstieg. Die Kommunen forderten mehr Geld für die Finanzierung der Grundsicherung. Der Sozialbeirat befürwortete in weiten Teilen die, in den Rentenreformgesetzen, geplanten Maßnahmen. Zu- sätzlich forderte er aber die Anhebung des Renteneintrittsalters, sowie eine Steuerbefreiung von Beiträgen zur privaten Vorsorge. Durch das Inkrafttreten des AVmG rückwirkend zum 1.01.2001 wurden die Renten ein Jahr früher als angekündigt wieder an die allgemeine Lohn- entwicklung angepasst. In der ersten Verhandlungsrunde ging die Regierung weiter auf die Union zu und empfahl Maßnahmen, die zur Freisetzung von 500 Mio. DM führen sollten, die für die von der Union geforderten Zwecke, bessere Förderung von Geringverdienern und kinderreichen Familien, sowie das bisherige Hinterbliebenenrecht noch 10 Jahre beizubehalten, benötigt wurden. Ge- genüber den Ländern bot der Bund an 200 Mio./Jahr mehr Beteiligung an der Grundsicherung zu bezahlen und die Förderungsbürokratie auf die Anbieter von Förderprodukten abzuwälzen. Die Union wies die Vorschläge zurück und forderte neue Kompromissangebote. Dennoch legte der Vermittlungsausschuss einen Einigungsvorschlag vor. Durch Entgegenkommen in anderen Streitfällen gelang es der Regierung die SPD Länder auf Linie zu bringen. Durch die im Vermittlungsausschuss erzielte Einigung der Förderung von Wohneigentum war auch Rheinland Pfalz (rot-gelb) für eine Zustimmung gewonnen worden. Die Mehrheit im Bundes- rat kam schließlich durch die Zusage des Kanzlers an Berlin zustande, die zur Durchführung der Förderung zu schaffende „Zentrale Stelle“ in Berlin anzusiedeln. Die CDU oder CSU ge- führten Länder, sowie die CDU/FDP geführten Länder votierten gegen das Gesetz. Die große Koalition in Bremen enthielt sich. Alle anderen Länder stimmten zu, was in Mecklenburg- Vorpommern eine Regierungskrise auslöste, da die dort mitregierende PDS dem AVmG nicht zustimmen wollte. Mit 38 zu 28 Stimmen erhielt das Gesetz die Zustimmung des Bundesrates. Zur Zustimmung wurde eine Entschließung verabschiedet, die bei den Hinterbliebenenrenten weitere Verbesserungen vorsah. Diese Entschließung wurde am 18.05.01 vom Bundestag um- gesetzt. Am 29. Juni 2001 wurde das AVmG nach über zweijährigen Verhandlungen im Bun- desgesetzblatt verkündet. - 73 -

4.3.6 Das AVmG als Folge der Programmentwicklung

Fast zwei Jahre, nachdem sich das Kabinett zum ersten Mal mit der als „große Strukturre- form“ der Rentenversicherung angekündigten Rentenreform 2001 befasst hatte, wurde das AVmG zum Gesetz. Den größten Zeitanteil nahmen die Rentenkonsensgespräche von SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, CDU und CSU in Anspruch. Die Rolle des Konsenses in der Rentenpolitik ist bedeutend seitdem der Ölpreisschock Mitte der 70er Jahre die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung Makulatur werden ließ, auf welche die GRV nach den Leis- tungsausweitungen des RRG 1972 angewiesen war, und dies zum Rentendebakel 1976235 führte. Im Wahlkampf 1976 wurde der drohende Zusammenbruch der GRV zum Kampf um die Regierungsmacht eingesetzt, was zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung in Bezug auf die GRV führte.236 Seitdem wird davon ausgegangen, dass eine öffentliche Debatte um zukünftige Probleme der GRV in der Bevölkerung Zukunftsangst weckt, woran keine Partei interessiert sein kann.237 Seit diesem Zeitpunkt versuchen die Parteien Reformen in der GRV durch Abstimmung in Konsensgesprächen, als einvernehmliche Lösung aller Beteiligten, um- zusetzen. Auch beim RRG 2001 wurde ab der Vorlage des ersten Konzeptpapiers versucht einen parteienübergreifenden Konsens herzustellen, was aber, trotz mehrmaliger Annäherung der Regierung an die Union und Aufrufe der anderen Akteure, sich zu einigen, nicht gelang. Die Union hatte die Bundestagswahl 1998 auch wegen der Rentenfrage verloren und drohte während der Gespräche ihrerseits damit die Rentenreform zum Wahlkampfthema zu machen. Auch war die Geschlossenheit in der Union zeitweise nicht gegeben, als es zum Machtkampf zwischen Edmund Stoiber (CSU) und Angela Merkel (CDU) um die Frage kam einem Kon- sens zuzustimmen oder nicht. Die bittere Abstimmungsniederlage bei der Steuerreform, bei der die Union, die von Ihr allein oder in Koalition geführten Länder verpflichten wollte gegen das Gesetz zu stimmen, der Bundeskanzler aber mit Zugeständnissen genügend Stimmen „einkaufen“ konnte, so dass die Union, die angekündigt hatte das Gesetz scheitern zu lassen, in der Öffentlichkeit als Verlierer dastand, kann auch als Grund für den Ausstieg der Union betrachtet werden. Die Oppositionsparteien drohten, um Druck auf die Regierung auszuüben, mit dem Ausstieg aus den Konsensgesprächen. FDP und Union machten mehrmals davon Gebrauch, doch nur die Union erklärte die Gespräche für beendet, als sie ihre Positionen in den ersten Diskussionsentwürfen von der Regierung nicht ausreichend berücksichtigt sah. Allerdings gab sie dadurch Gestaltungsmöglichkeiten auf, denn der nächste Entwurf war wie- der stärker an die Gewerkschaften angenähert, und die Regierung drohte ihrerseits damit, falls

235 Nullmeier/Rüb, 1993:117ff 236 Gerlach Irene, 1996:106 - 74 - kein Konsens zustande käme, die Reform ohne die Union zu vollziehen. Neben den Renten- konsensgesprächen fanden auf außerparlamentarischer Ebene auch „Rentengipfel“ mit wech- selnden Beteiligungen im Bundeskanzleramt statt. Dort berieten sich die Parteivorsitzenden von SPD, CDU und CSU sowie der FDP auf höchster Ebene, um die Verhandlungen der Ren- tenexperten bei den Rentenkonsensgesprächen zu unterstützen. Die wichtigsten Akteure der Rentenreform 2001 waren diejenigen, die Nullmeier/Rüb auch für die Aushandlung des RRG 92 identifiziert haben. Dies waren die im Bundestag etablierten Parteien, die Sozialpartner, der Verband deutscher Rentenversicherungsträger VDR, das BMA und der Sozialbeirat. Von Anfang an stark in die Verhandlungen einbezogen war der Finanzminister. Damit hat sich die Anbindung des Politikfelds Rentenpolitik an die Politikfelder Haushalts- und Steuer- politik bestätigt.238 Neu hinzugetretene Akteure waren die Vertreter der Banken, Bausparkassen, privatwirtschaft- licher Versicherungen und anderer Finanzdienstleister, die, nachdem die Einführung einer zusätzlichen privaten Vorsorge auf der Agenda stand, versuchten ihre Interessen in den Aus- handlungs- und Entscheidungsprozess einzubringen. Lamping und Rüb bezeichnen die Ren- tenreform als Ende des korporatistischen Policymaking, da Banken, Versicherungen und Grossunternehmen als Akteure die Policy Arena betreten hätten. Eine Kontinuität der Ent- scheidungsprozesse zeigt sich jedoch darin, dass Entscheidungen außerhalb des Parlaments unter Mitwirkungen der Gewerkschaften, der Opposition und des VDR getroffen wurden.239 Durch den konzertierten Einfluss der Massenmedien, der CDU und des VDR auf die Öffent- lichkeit, wurde gleich zu Beginn der Reform ein zentraler Punkt eliminiert. Die zusätzliche Vorsorge hatte ursprünglich als verpflichtend ausgestaltet werden sollen, durch den Verzicht auf die „Zwangsrente“ ist der Staat gezwungen ab 2008 jährlich ca. 20 Mrd. EUR für die För- derung der privaten Renten aufzuwenden. Die PDS war im Aushandlungsprozess zum RRG 1992, der 1989 stattfand, noch nicht im Bundestag vertreten. Seit 1990 waren Abgeordnete der PDS im Bundestag vertreten, doch erst 1998 schaffte es die Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen.240 Sie wurde nicht an den Rentenkonsensgesprächen beteiligt und im gesamten Aushandlungsprozess nur einige wenige Male von der Regierung in erweiterte Gespräche einbezogen. Dies ist zum ei- nen damit zu erklären, dass die zweitgrößte Fraktion im Bundestag, die CDU/CSU Fraktion, für den Fall einer Beteiligung der PDS ihren Austritt aus den Rentenkonsensgesprächen ange-

237 Richter Saskia, 2001:27 238 Vgl.: Nullmeier/Rüb, 1993:300f 239 Vgl.: Lamping/Rüb, 2001:25 240 Vgl.: www.pds-im-bundestag.de/mdb/alle.php - 75 - kündigt hatte, zum anderen, dass die PDS im Bundesrat nur als Juniorpartner der Koalition in Mecklenburg Vorpommern vertreten, die CDU im Bundesrat aber an neun Regierungen betei- ligt war, so dass eine erfolgreiche Gesetzesvorlage ohne die Zustimmung von – zumindest Teilen der Union – nicht durch den Bundesrat zu bringen gewesen wäre. Die Gewerkschaften übten erheblichen Einfluss auf die Gestaltung des Gesetzes aus. Dies lässt sich zum einen begründen durch die gewerkschaftliche Nähe der SPD Fraktion und des Arbeitsministers Wal- ter Riester, zum anderen durch die Drohung mit Aktionen in Betrieben und deren Ausführung während der Konsensgespräche. Durch die Mobilisierung ihrer Mitglieder oder mit der Dro- hung konnten die Gewerkschaften viele ihrer Forderungen durchsetzen. Die Gewerkschaften konnten zwar den Bruch mit dem Prinzip der paritätischen Finanzierung in der privaten Zu- satzversicherung nicht verhindern, jedoch konnten sie bewirken, dass eine tarifvertragliche Regelung mit Öffnungsklauseln für Betriebsrenten möglich ist, dass die betriebliche Alters- vorsorge steuerlich bevorzugt behandelt wird und dass die Niveausicherungsklausel von 64% auf 67% festgeschrieben wurde. Bündnis90/Die Grünen konnten sich mit der Forderung nach der Einbeziehung von Wohneigentum in die Förderung durchsetzen. Die BDA und die Anbie- ter von nach dem AVmG geförderten Produkten konnten durchsetzen, dass Pensionsfonds in die Förderung mit einbezogen wurden und dies, obwohl das Risiko bei Pensionsfonds höher liegt als bei allen anderen Durchführungsformen. Obwohl die CDU sich von den Konsens- bemühungen löste, hat sie eine Höherbewertung der Kindererziehungsleistung sowohl bei Hinterbliebenen und Frauenrenten, als auch in der zusätzlichen privaten Vorsorge erreichen können. Durch die Anhörung im federführenden Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung wurde der umstrittene Ausgleichsfaktor durch die, auf dem Vorschlag des VDR basierende, „modifizierte“ Nettolohnanpassung ersetzt. Die im AVmG geregelte Materie betrifft auch die Steuergesetzgebung. Aus diesem Grund muss der Bundesrat für das Gesamtgesetz seine Zustimmung erklären. Da die Länderkammer bei der ersten Lesung im Bundesrat das Gesetz zurückgewiesen hatte und die Unionsgeführ- ten Länder angekündigt hatten nicht zuzustimmen, spaltete die Bundesregierung das Gesetz in das Altersvermögensergänzungsgesetz und das Altersvermögensgesetz auf. Die steuerrechtli- chen Regelungen waren alle im AVmG enthalten, so dass das AVmEG, nachdem der Bun- desrat kein suspensives Veto eingelegt hatte, zum 26.03.2001 in Kraft trat. Der Bundesrat verweigerte dem AVmG bei der 2. Vorlage erneut die Zustimmung, worauf die Bundesregie- rung den Vermittlungsausschuss anrief. Im Vermittlungsverfahren konnte die Bundesregie- rung Rheinland-Pfalz durch die Förderung von Wohneigentum und Berlin mit der Ansiedlung der Zentralen Stelle bei der BfA in Berlin zur Zustimmung bewegen. Am 29. Juni 2001 trat - 76 - das AVmG mit den im Vermittlungsausschuss ausgehandelten Änderungen241, sowie den im Entschließungsantrag des Bundesrates enthaltenen Verbesserungen bei der Hinterbliebenen- rente in Kraft.

4.4 Die Implementation der Riesterrente

4.4.1 Die Ziele und die Umsetzung der Reform

Im Mittelpunkt der Reform der GRV durch das AVmG und das AVmEG stehen zwei struktu- relle Ziele. Zum einen soll der demographisch bedingte Beitragssatzanstieg in den kommen- den Jahrzehnten begrenzt werden. Zum anderen soll der Anteil der kapitalgedeckten Alters- vorsorge im dreigliedrigen Säulensystem der Alterssicherung verstärkt werden.242 Dies soll geschehen durch einen Ausbau der Eigenverantwortung und der Eigenbeteiligung im Alterssicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland, also durch mehr private Vorsorge. Bisher wurde unter privater Vorsorge, als Ergänzung zur GRV und der betrieblichen Vorsor- ge, üblicherweise die individuelle Vermögensbildung verstanden, soweit sie darauf ausgerich- tet war die Versorgung im Alter zu ergänzen. Diese beiden Reformziele werden im AVmG und im AVmEG durch zwei Maßnahmenpakete angegangen.

1. Die Maßnahme im AVmEG: Es wird eine langfristige moderate Minderung des Rentenniveaus eingeleitet. Dies geschieht durch eine neue Rentenanpassungsformel, mit welcher der aktuelle Rentenwert jedes Jahr neu berechnet wird.243 Die neue Rentenanpassungsformel enthält einen so genann- ten Altersvorsorgeanteil. Er steigt ab der Rentenanpassung zum 01.07.2002 jährlich um 0.5% bis 4% im Jahr 2008 und bewirkt damit keine Rentensenkung, sondern eine Verlangsamung des Rentenanstieges.244 Ab 2011 gilt erneut eine andere Rentenanpassungsformel. In Ihr wird der Altersvorsorgeanteil nicht mehr gesteigert, sondern bleibt konstant bei 4%. Dafür wird ab 2011 die vom VDK vor- geschlagene Modifikation eingesetzt.245 Sie sorgt dafür, dass das der Rentenanstieg bis 2030

241 Siehe: Anhang 3: Nr. 1 242 Rische, 1/2002:1 243 Siehe 3.2.4 dieser Arbeit 244 Der Ausgleichsfaktor stellt das Rentenformel-Gegenstück zur gesetzlichen Förderung der Beiträge zu einer privaten Altersvorsorge dar, die ab 2002 im Zweijahresrhythmus um 1% auf 4% im Jahr 2008 steigt. 245 Vgl.: Köhler, 5/6/01:167f. Anm.: Der Altersvorsorgeanteil ist der Ersatz für den gestrichenen Ausgleichsfak- tor - 77 - so verlangsamt wird, dass die dann erzielbare Standardrente um rd. 6,5% niedriger liegt als bei einer durchgängig angewandten Nettoanpassung, also bei ca. 63,5% im Jahr 2030.246

2. Die Maßnahmen im AVmG: Die, durch die Modifikationen in der Rentenanpassungsformel des AVmEG, ausgelösten Ren- tenniveaukürzungen sollen durch eine kapitalgedeckte Zusatzvorsorge kompensiert werden. Damit möglichst viele der, von der Absenkung des Rentenniveaus Betroffenen, die Zusatz- vorsorge in Anspruch nehmen, beinhaltet die Reform eine staatliche Förderung. Die Förde- rung bezieht sich auf die private und die betriebliche Altersvorsorge, sowie auf die Förderung von Wohneigentum. Zusätzlich zu der Förderung wurden die Auskunfts- und Beratungs- pflichten der Rentenversicherungsträger erweitert. Diese Informationen sollen den Versicher- ten helfen Versorgungslücken festzustellen, um ihre zusätzliche private Vorsorge danach aus- richten zu können. Das AVmG hat die Auskunfts- und Beratungspflicht der RV-Träger erweitert. Sie können über Möglichkeiten zum Aufbau der steuerlich geförderten zusätzlichen Alters- vorsorge Auskünfte erteilen.

4.4.2 Die Ausgestaltung der Förderung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge im AVmG

Ab dem Jahr 2002 wird der Aufbau betrieblicher und privater Altersvorsorge durch die Ge- währung von Grund- und Kinderzulagen oder einem Sonderausgabenabenabzug zur Einkom- menssteuerminderung staatlich gefördert. Dabei umfasst die Förderungen nicht alle Vorsor- geformen, sondern nur bestimmte, nach dem Alterszertifizierungsgesetz (AltZertG) zertifi- zierte Altersvorsorgeverträge, über die das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Zertifizierungsaufsicht hat.

1. Was wird gefördert A) Die Förderung privater Altersvorsorge durch Altersvorsorgeverträge: Ein Altersvorsorgevertrag muss nach dem AltZertG zertifiziert sein. Um das Zertifikat, also die Bestätigung der staatlichen Förderungswürdigkeit, zu erhalten, muss ein Altersvorsorge- vertrag (AVV) folgende Elemente enthalten:247

246 ebd. 247 Vgl.: AltZertG §1 - 78 -

- Während der Ansparphase müssen laufende freiwillige Aufwendungen des Beitragszah- lers auf den Altersvorsorgevertrag einbezahlt werden.

- Die Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag dürfen nicht vor dem 60. Lebensjahr oder vor der Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsrente erbracht werden.

- Der Anbieter eines Altersvorsorgevertrages muss bei Vertragsschluss zusagen, dass: zu Beginn der Auszahlungsphase min. die eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen und die Auszahlung dieser Beiträge bis zur Vollendung des 85. Lebensjahres in gleich- bleibenden oder steigenden monatlichen Leistungen erfolgt. er einen Teil des Kapitals in eine Rentenversicherung investiert, die sicherstellt, dass ab dem 85. Lebensjahr eine lebenslange, gleich bleibende oder steigende monatliche Leitung erbracht werden kann.

- In dem Vertrag muss ein Anspruch festgelegt sein, der dem Beitragszahler ein Recht auf Kündigung mit Frist von drei Monaten einräumt, sowie ein Anspruch, der dem Beitrags- zahler das Recht auf die Übertragung des Kapitals auf einen anderen AVV desselben oder eines anderen Anbieters einräumt.

- Der Vertrag muss festlegen, dass die Abtretung oder Übertragung von Forderungen oder Eigentumsrechten aus dem Vertrag an Dritte ausgeschlossen ist.

- Altverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden, können nachträglich zertifi- ziert werden, wenn sie den oben genannten Bestimmungen entsprechen.

- Der Anbieter eines Vertrages muss zusagen die Abschluss- und Vertriebskosten auf einen Zeitraum von 10 Jahren zu verteilen, soweit sie nicht prozentual von den Beiträgen abge- zogen werden.

- Der Anbieter muss ferner zusagen den Berechtigten vor Abschluss des Vertrages schrift- lich über die Höhe und zeitliche Verteilung der Vertriebskosten, der Kosten für die Ver- mögensverwaltung und die Kosten beim Wechsel des Produkts zu informieren

- Altersvorsorgeverträge können angeboten werden von: In- oder ausländische Lebensver- sicherungsgesellschaften, Pensionskassen, Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunter- nehmen und Kapitalgesellschaften, die im Inland nach geltenden Aufsichtsvorschriften ih- ren Geschäften nachgehen. Als Anlageformen kommen in Betracht: Private Rentenversicherungen, Banksparpläne, Bankguthaben mit Zinsansammlung und Investmentfonds. Beispiele für nicht förderungswürdige Anlageformen sind: Lebensversicherungen mit Kapi- talauszahlung bei Ende der Versicherungsdauer, der direkte Erwerb von Aktien, Investment- fonds, wenn der Anbieter nicht wenigstens die Einzahlung garantieren kann, Sparbücher und - 79 - festverzinsliche Wertpapieren, wenn sie nicht mit einer Versicherung fürs Alter verbunden sind.

B) Die betriebliche Altersicherung und der Anspruch auf Entgeltumwandlung248 Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber die Einrichtung einer betrieblichen Altersvor- sorge verlangen, wenn dafür künftig Bestandteile des Arbeitsentgelts verwendet werden sol- len. Der Arbeitgeber kann diese betriebliche Altersvorsorge über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse durchführen. Verweigert der Arbeitgeber diese Durchführung, kann der Arbeitnehmer den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Diese Formen werden durch die betriebliche Altersvorsorge in die Förderung einbezogen. Damit die Förderung möglich wird, müssen die Aufwendungen hierzu künftig direkt mit der Lohn- oder Gehalts- zahlung geleistet werden. Dazu gibt der AG entweder eine beitragsorientierte Leistungszusage ab oder verpflichtet sich direkt an eine der drei Durchführungsmöglichkeiten zu zahlen. Eine Zertifizierung dieser Durchführungsformen ist nicht notwendig, da das Betriebsrenten- gesetz Mindeststandards für diese Durchführungsformen setzt.

C) Die Kapitalentnahmemöglichkeit für Wohneigentum249 Die Kapitalentnahme zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum als Darlehen ist mög- lich. Während der Ansparphase können mind. 10.000 EUR bis max. 50.000 EUR zu diesem Zweck ausbezahlt werden. Das Darlehen muss nicht versteuert werden und wird nicht mit Sollzinsen belastet. Es muss aber spätestens ab dem zweiten Jahr nach Erwerb des Wohnei- gentums in monatlichen Raten bis spätestens zum 65. Lebensjahr zurückgezahlt sein. Wird das Wohneigentum verkauft, ist der Erlös wieder in den AVV einzubezahlen, um die bis da- hin vom Staat geleisteten Fördermittel zu erhalten, geschieht dies nicht, sind die Förderleis- tungen zurückzubezahlen.

2. Wer wird wie gefördert. Die Förderung erfolgt über Sonderausgabenabzug und Zulagen.250 Sowohl die betriebliche als auch die private Altersvorsorge werden nach den Vorschriften des Einkommenssteuergesetzes gefördert.251 Die Einkommenshöchstgrenze, die gefördert wird, liegt bei 75.000 Euro pro

248 Vgl.: Betriebsrentengesetz, sowie §115 SGB IV 249 Vgl.: § 93 EStG 250 Vgl.: §10a EStG sowie Abschnitt XI. Altersvorsorgezulage §§ 79-96 EStG 251 Auf eine Detaillierte Darstellung aller einzelnen Regelungen verzichte ich, da dies den Rahmen dieser Arbeit bei weitem Sprengen würde. - 80 -

Jahr. Die Aufgaben dieses Gesetzes hat der Gesetzgeber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, als zentrale Stelle, übertragen.252

A) Der Kreis der Zulageberechtigten253 Alle in der GRV Pflichtversicherten254, sowie Landwirte, Arbeitsuchende und Personen, die keine Arbeitsförderung nach SGB III aufgrund ihrer Einkommenssituation beziehen, sind zulageberechtigt. Ausgenommen von der Zulageberechtigung sind Pflichtversicherte, die über eine zusätzliche Versorgungsregelung in einer Zusatzversorgung, einer beamtenähnlichen Versorgung oder einer Zusatzversorgung pflichtversichert sind. Arbeitnehmer im öffentli- chen Dienst und Mitglieder von berufsständischen Versorgungswerken sind ausgenommen, da diese Personengruppe durch das AVmG keine Rentenniveauabsenkung hinnehmen musste, da die geänderte Rentenformel nur für Pflichtversicherte der GRV Bedeutung hat. Nicht zula- geberechtigt sind freiwillig Versicherte und bei fehlender Versicherungspflicht Selbständige, geringfügig Beschäftigte sowie Beamte.

B) Die Förderung von Altersvorsorgebeiträgen255 Steuerlich gefördert werden Altervorsorgebeiträge, also Beiträge, die der Zulageberechtigte zugunsten eines auf seinen Namen laufenden AVV leistet, der nach §5 AltZertG zertifiziert ist. Auch Beitragsanteile zur Sicherung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und der Hinterblie- benenversorgung sind förderfähig. Förderfähig sind auch Beiträge zu einer betrieblichen Al- tersvorsorge in den Durchführungsformen der Pensionsfonds, Pensionskasse und der Direkt- versicherung. Voraussetzung ist, dass die Beiträge aus dem Nettoeinkommen des Beitragszah- lers stammen (versteuert und mit Sozialabgaben belastet) und die Einrichtung, an die diese Beiträge entrichtet werden, eine lebenslange Altersversorgung garantiert. Die Beiträge werden nur bis zu einer Obergrenze gefördert. Diese Beitragsobergrenze steigt von 2002 bis 2008 bis auf max. 4% an.256

C) Die Zulagenarten257: Die Grund- und Kinderzulagen258 Zulagen werden gewährt, wenn Vorsorgebeiträge an eine der oben beschriebenen Durchfüh- rungsmöglichkeiten entrichtet werden. Gefördert wird nur, wenn Beiträge geleistet werden.

252 Siehe: Punkt D) Die Aufgaben der zentralen Stelle dieses Abschnitts 253 §10a Abs.1 EStG 254 Vgl.: 3.2.1 dieser Arbeit oder §§1-4 SGB VI, §§ 229,229a SGBVI 255 § 82 Abs.1,2 EStG 256 Vgl.: Anhang 2: Tabelle 4 257 Zur Höhe der einzelnen Zulagen und des Sonderausgabenabzugs siehe: Anhang 2:Tabelle 4 - 81 -

Hat der Beitragszahler kein Erwerbseinkommen, entbindet ihn das nicht von der Beitragszah- lung, um eine Förderung zu erlangen. Gefördert werden alle Förderungswürdigen mit einer Grundzulage. Werden Kinder erzogen, erhalten die Geförderten noch eine Kinderzulage. Sind Ehegatten gemeinsam veranlagt und zahlen beide Beiträge, so sind beide zulageberechtigt, egal ob nur einer von beiden zum be- günstigten Personenkreis nach §10a EStG gehört. Um die maximale Zulage pro Jahr zu erhal- ten, ist ein Mindestbeitrag erforderlich. Dieser variiert nach dem erzielten Einkommen des Berechtigten. Wird der Mindestbeitrag nicht erreicht, wird die Zulage entsprechend gekürzt. Wenn es für den Steuerpflichtigen günstiger ist, kann er, anstatt durch Zulagen, durch einen Sonderausgabenabzug gefördert werden. Die Günstigkeitsprüfung wird vom Finanzamt auto- matisch durchgeführt, wenn eine Bescheinigung über die Beitragsleistung vorliegt. 3. Die Aufgaben der Zentralen Stelle259

- Jährliche Feststellung der Höhe und des Zeitpunkts der Zulagenberechtigung auf Antrag

- Die Zahlungsanweisung an den Anbieter der zulagegeförderten Anlage, zugunsten des Zulagenempfängers

- Die Rückabwicklung zu Unrecht gezahlter Zulagen

- Das Verfahren bei Entnahme von Kapital zum Erwerb von Wohneigentum

- Der Datenabgleich mit den RV-Trägern, der Bundesanstalt für Arbeit, den Meldebehör- den, Familienkassen und Finanzämtern

- Auskunftserteilung zu Anfragen von Anbietern über die Anwendung des Abschn. XI Al- tersvorsorgezulage im EStG

A) Verfahren zur Gutschrift der Zulage Damit eine Zulage gewährt wird, ist folgendes zu tun: Ein Antrag auf Erlangung der Zulage ist beim Anbieter der zulagegeförderten Anlage einzu- reichen. Dieser leitet den Antrag mit den Vertragsdaten, der Sozialversicherungsnummer des Berechtigten und dessen Ehegatten, die Bemessungsgrundlage, die für die Kinderzulage er- forderlichen Daten, sowie die Höhe der geleisteten Beiträge an die zentrale Stelle weiter. Die- se errechnet die Höhe der Zulage und weist die Zahlung an. Existiert mehr als ein AVV, so muss der Berechtigte mitteilen auf welchem AVV die Gutschrift der Zulage erfolgen soll. Der Zulageberechtigte erhält vom Anbieter jährlich eine Bescheinigung, auf der die im Jahr ge- leisteten Beiträge, die Höhe des Gesamtvermögens und die Höhe der gutgeschriebenen Zula- gen aufgeführt sind.

258 §§ 84-85 EStG und §10a EStG (Sonderausgabenabzug) - 82 -

4. Erweiterter Auskunftsservice durch die Rentenversicherungsträger260 Das AVmG hat die Auskunfts- und Beratungspflicht der Rentenversicherungsträger erweitert. Sie können über Möglichkeiten zum Aufbau der steuerlich geförderten zusätzlichen Alters- vorsorge Auskünfte erteilen. Ab 01.01.2004 sollen Renteninformationen verschickt werden. Jeder Versicherte ab 27 Jahren erhält künftig eine Renteninformation. Ab dem 54. Lebensjahr wird diese Information alle 3 Jahre durch eine Rentenauskunft ersetzt. Beide sind mit dem Hinweis auf den Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen zu versehen. Die Renteninformation muss enthalten:

- Die Grundlage der Rentenberechnung

- Die Höhe einer Erwerbsminderungsrente und einer Rente wg. Todes, für den Fall, dass sie zu leisten wäre

- Eine Prognose der zu erwartenden Regelaltersrente

- Die Informationen über die Auswirkungen künftiger Rentenanpassungen

- Eine Übersicht über die Beitragszahlungen der vorhandenen Beitragszeiten

- Eine Übersicht über die im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten

- Eine detaillierte Darstellung der pers. Entgeltpunkte

- Auf Antrag die Höhe der Beitragszahlung, die nötig wäre eine Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente auszugleichen

- Hinweise zur Erfüllung der rentenrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch

- Auf Antrag, die aus Ehezeiten stammenden Rentenanwartschaften

Spätestens nach der Durchsicht dieses Abschnittes muss dem Leser klar sein, warum die CDU und der Spiegel die „Risterrente“ mehrmals ein „bürokratisches Monstrum“ nannten.261

4.4.1.1 Der Aufbau des Verwaltungsapparats: Der Gesetzgeber hat der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Errichtung der zent- ralen Stelle übertragen.262 Die ZfA ist den Bundesfinanzbehörden unterstellt. „Die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen“ (ZfA), so die Bezeichnung, wurde von der BfA in der Stadt Brandenburg an der Havel im Bundesland Brandenburg angesiedelt. Am 29.10.2001 wurde, zur Vorbereitung der Arbeitsaufnahme und als erste Anlaufstelle für Anbieter von

259 Abschn. XI Altersvorsorgezulage EStG 260 §§ 15, 109 SGB VI 261 Vgl.: u.a. BZ, 22.01.2001; Der Spiegel 04/2001; Storm, 2001:48ff - 83 - geförderten Produkten, ein Aufbaubüro mit 30 Mitarbeitern von der ZfA eröffnet. Die Förde- rung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge begann am 01.01.2002. Aus diesem Grund muss die ZfA am 01.01.2003 voll arbeitsfähig sein, damit zu diesem Zeitpunkt die ersten Anträge auf Zulagengewährung geprüft und bei einem positiven Bescheid die Zulagen den Antragstel- lern gutgeschrieben werden können. Bei der BfA rechnete man nach der Einbeziehung des öffentlichen Dienstes Ende 2001 mit bis zu 30 Mio. Anträgen pro Jahr.263 Demgegenüber er- hob das deutsche Institut für Altersvorsorge für sein Rentenbarometer von Anfang Oktober 2002 folgende Zahlen: Bis Oktober 2002 waren etwa 3,2 Mio. Altersvorsorgeverträge abge- schlossen worden. Davon entfallen 2,1 Mio. auf die private Altersvorsorge und 1.1 Mio. auf die betriebliche Altersvorsorge. Geplant eine Vorsorge abzuschließen haben 6.6 Mio., wovon 3.6 Mio. einen privaten Vorsorgevertrag und 3 Mio. eine betriebliche Altersvorsorge eingehen wollen.264 Im Dezember 2002 nahm die ZfA mit 430 Beschäftigten ihre reguläre Arbeit auf. Bis 2006 sollen bei der ZfA 1000 neue Arbeitsplätze entstehen.265.

4.4.1.2 Der Beginn der Zertifizierung Bereits kurze Zeit nach der Verabschiedung der Rentenreform begannen Lebensversicherun- gen und andere Geldinstitute damit Werbung für ihre Altersvorsorgeprodukte zu machen. Dies veranlasste Finanzminister Hans Eichel und Arbeitsminister Walter Riester sowie Verbraucherverbände darauf hinzuweisen, dass die Kunden noch abwarten sollten, da keines der zu diesem Zeitpunkt angebotenen Produkte zertifiziert war. Zur Zertifizierung der Alters- vorsorgeverträge wurde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) in Bonn eine neue Stelle eingerichtet. Bei dieser Zertifizierungsstelle können Versicherungen, Banken und Investmentfonds, die Altersvorsorgeverträge anbieten wollen, ihre Produkte nach dem AltZertG zertifizieren lassen.266 Die Zertifizierungsbehörde prüft nicht, ob ein Altersvor- sorgevertrag wirtschaftlich tragfähig, die Zusage des Anbieters erfüllbar und die Vertragsbe- dingungen zivilrechtlich wirksam sind, sie überprüft lediglich ob die im AltZertG genannten Kriterien für einen Altersvorsorgevertrag erfüllt sind. Seit dem 01.07.2001 können die Anbie- ter Ihre Anträge auf Zertifizierung einreichen. Alle Anträge, die zum 01.11.2001 bei der Zerti- fizierungsbehörde eingegangen und zertifizierungswürdig waren, wurden rechtzeitig zum Förderungsbeginn am 01.01.2002 zertifiziert. Die Bescheide über eine Zertifizierung wurden

262 Abschn. XI EStG 263 DAngVers. 1/02 264 http://www.dia-vorsorge.de/downloads/rentenb_okt_02.pdf; Am 27.11.2002 sprach Bundesgesundheitsminis- terin von insgesamt 3 Mio. Altersvorsorgeverträgen, BZ, 28.11.2002 265 BK, 09.11.2002 - 84 - den Antragsstellern in einem engen Zeitfenster zum Jahreswechsel 2001/2002 zugesandt, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Die Zertifizierungen sind seit dem 01.01.2002 wirk- sam. Die Kunden hatten danach noch ausreichend Zeit ein passendes Produkt auszusuchen, da die Förderung für das gesamte Jahr 2002 auch dann noch gewährleistet ist, wenn der Alters- vorsorgevertrag erst kurz vor Jahresende abgeschlossen wird und der max. förderungsfähige Beitrag auf den Vertrag einbezahlt worden ist. Für das Jahr 2002 lag dieser Betrag bei 525 Euro. Bis zum 02.01.2002 wurden 3995 Altersvorsorgeverträge durch das BAFin zertifi- ziert.267 Die erteilten Zertifizierungen werden im Bundesanzeiger veröffentlicht268 Kurz nach der Gesetzesveröffentlichung war man beim BAFin noch von 20.000 Anträgen ausgegan- gen.269

4.4.1.3 Der Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge270 Betriebliche Altersvorsorge gibt es in der Bundesrepublik in Form von Unterstützungskassen bereits seit Mitte des 19. Jh., sie hat also Tradition. Betriebliche Altersvorsorge gibt es in 5 Durchführungswegen: Als Unterstützungskasse, Direktzusage, Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung. Die Direktzusage und die Unterstützungskasse haben den Vorzug, dass der Arbeitgeberbeitrag unbegrenzt steuer- und sozialabgabenfrei bleibt. Die Riester- Förderung erhalten jedoch nur die Direktversicherung, die Pensionskasse und der Pensions- fonds.271. Aus dem Entgeltumwandlungsanspruch können Arbeitnehmer verlangen, dass 4% von der Beitragsbemessungsgrundlage der GRV auf ein Betriebsrentenkonto fließen (2003 2448 EUR).272 Der Anspruch auf Entgeltumwandlung ist ausgeschlossen, wenn bereits vor 2002 eine per Entgeltumwandlung finanzierte, betriebliche Altersversorgung existierte. Wird das Entgelt auf Grund eines Tarifvertrags gezahlt, kann es nur umgewandelt werden, wenn der Tarifvertrag das vorsieht oder es zumindest zulässt (Öffnungsklausel). Es gilt hier der Tarifvorrang oder Tarifvorbehalt. Über den Durchführungsweg müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Vereinbarung per Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag treffen. Wenn der Arbeitgeber zu Gunsten des Arbeitnehmers schon bis zu 4 Prozent der Bei- tragsbemessungsgrenze in den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung

266 DAngVers 7/01 267 http://www.bafin.de/datenbanken/zertifizierung.xls 268 §10 AltZertG 269 DAngVers., 8/01 270 Zu einer sehr detaillierten Darstellung Vgl.: Sasdrich/Wirth, 2001:16ff, die hier nicht ansatzweise wiederge- geben werden kann. 271 §1b Betriebsrentengesetz 272 Vgl.: §275c SGB VI; Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003=61200Eurr davon 4%=2448 EUR (2002 2160EUR) - 85 - zahlt, kann der Arbeitnehmer keine gleichartige Entgeltumwandlung mehr praktizieren, da doppelte Förderung nicht zulässig ist.. Einigen sich beide darauf die Durchführungswege Di- rektzusage oder Unterstützungskasse zu wählen, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ge- meinsam mit staatlicher Hilfe die betriebliche Altersvorsorge aufbauen. Für Betriebsrenten gibt es zwei Fördermöglichkeiten, von denen eine ausgewählt werden muss: Die Riester-Förderung mit Zulagen bzw. Sonderausgabenabzug nach Paragraph 10a Einkommenssteuergesetz (Entgeltumwandlung neu) oder die Förderung nach Paragraph 3 Nr. 63 Einkommenssteuergesetz (Entgeltumwandlung alt). Der grundsätzliche Unterschied ist, dass Einzahlungen in die Riester-Rente vom versteuerten und sozialabgabenbelasteten Netto- lohn bezahlt werden müssen. Einzahlungen per Entgeltumwandlung alt werden direkt vom Bruttolohn abgezogen, senken also das zu versteuernde Einkommen und sind sozialabgaben- frei, dies aber nur bis 2008. Ab 2009 sind beide Förderungen in diesem Punkt gleich ge- stellt.273 Bereits ab dem 1.06.2001 bot die IG-Bau die neue betriebliche Altersvorsorge für ihre ca. 1 Million Beschäftigten an. Auch in anderen Branchen wurden Verhandlungen zwischen priva- ten Versicherungen und den Gewerkschaften, Arbeitnehmerverbänden, Geschäftsleitungen und Betriebsräten geführt.274 Die Tarifpartner der Metallindustrie verständigten sich darauf ein gemeinsames Versorgungswerk für die Branche zu bilden. Ab 2002 erhielten 3,5 Mio. Beschäftigte das tarifvertraglich verankerte Recht ihre betriebliche Altersvorsorge über das Metall-Versorgungswerk abzuwickeln. Ähnliche Entwicklungen gab es in anderen Branchen auch.275 Die Vorteile dieser Entwicklung liegen auf der Hand. Im Tarifverbund lassen sich mit den Versicherern wesentlich bessere Vertragskonditionen aushandeln, es fällt keine Ab- schlussprovision an und die Verwaltungskosten pro Gefördertem sind niedriger. Für alle Ge- werkschaftsmitglieder, die keine Möglichkeit haben sich ein einem solchen Netz, wie in der Metallindustrie, anzuschließen, bietet der DGB eine Einzelvertragslösung nach dem Zertifi- zierungsmodell, die aber auch günstigere Konditionen aufweist als der direkte Weg zum Ver- sicherer oder der Bank.276

273 Vgl.: http://www.dgb.de/themen/Altersvorsorge/altersvorsorge04.htm#1 274 DAngVers. 7/01 275 DAngVers. 8/01 276 Siehe.: http://www.das-rentenplus.de/ - 86 -

4.4.1.4 Die Entwicklung des Erweiterten Auskunftsservice durch die Rentenversiche- rungsträger. Im AVmG wurden die Rentenversicherungsträger verpflichtet die Renteninformation ab 2004 zu versenden. Im Juni 2002 starteten diese einen Pilotversuch der Versendung dieser Informa- tionen. Von insgesamt 42 Mio. berechtigten Versicherten sollen 2002 7 Mio., 2003 14 Mio. und 2004 21 Mio. eine erste Renteninformation erhalten. Ab 2005 sollen die Informationen an alle Berechtigten jährlich verschickt werden. Die Träger haben Infratest mit einer Erhebung bezüglich der Reaktion der Versicherten beauftragt, die dazu dienen soll die Renteninformati- on weiterzuentwickeln.277

4.4.1.5 Das Urteil des BVerfG zur ungleichen Besteuerung von Renten und Pensionen

Am 06.03.2002 erließ das BVerfG sein langerwartetes, und mehrmals verschobene Urteil zur Rentenbesteuerung. Die ungleiche Besteuerung von Renten und Pensionen ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und aus diesem Grund verfassungswidrig. Es verpflichtete den Gesetzgeber bis zum 01.01.2005 eine Neuregelung zu treffen.278 In einer gemeinsamen Presseerklärung des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialord- nung erklärten Hans Eichel und Walter Riester: „Die Bundesregierung wird in den Grenzen des vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Handlungsrahmens: die steuerliche Abzieh- barkeit von Beiträgen zur Altersvorsorge in Zukunft schrittweise mit dem Ziel einer völligen Freistellung verbessern und damit insbesondere Arbeitnehmer entlasten, unter Vermeidung von sozialpolitischen Härten die notwendige Gleichbehandlung bei der Besteuerung von Al- terseinkünften herbeiführen und die Masse der Renten auch weiterhin steuerlich nicht be- lasten und dabei insbesondere den notwendigen Vertrauensschutz gewährleisten.279

4.4.3 Ergebnis

Bei der Riesterrente handelt es sich um ein Programm, das redistributive und distributive Wirkungen vereint. Der von den Auswirkungen betroffene Persondenkreis ist bei beiden Wir- kungen derselbe, die Pflichtversicherten der GRV, sowie die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes.

277 Vgl.: Hussmann, 2002:607; Anm.: Das Ergebnis von Infratest lag zum Zeitpunkt dieser Arbeit noch nicht vor. 278 Sell, 2002:1 279 Bundesfinanzministerium, 06.03.02 - 87 -

Die redistributive Wirkung des Programms rührt daher, dass in Zukunft, bei relativ konstanten Beitragssätzen von 20-22%, die Leistungen der GRV bei allen Rentenarten zurückgehen. Die Versicherten erhalten bei gleicher Einzahlleistung in das System weniger an Auszahlleistung zurück, als wenn die bisherigen Regelungen beibehalten worden wären. Während in früherer Zeit der Staat durch die Anpassung von Beitragssätzen, den Bestandschutz von Rentenan- wartschaften und auf ein bestimmtes Rentenniveau garantierte, wurde durch die Regelungen im AVmG und im AVmEG ein Strategiewechsel vollzogen. In Zukunft wird der Staat auch weiterhin ein bestimmtes Rentenniveau garantieren, allerdings wird dies mit ca. 67% drei Prozent unter dem bisher garantierten 70% des RRG 99 liegen (Siehe: 4.3). Die Garantie wird jedoch nicht über die jeweilige Anpassung von Beitragssätzen oder die Zahlung von Zuschüs- sen gewährleistet, sondern durch eine Verlagerung der Verantwortung, nämlich dass die Ren- te eine langfristige Entgeltersatzleistung zur Lebensstandardsicherung nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sein soll, auf die Versicherten. Das Problem an der Ausgestaltung der Rentenniveaukürzung und der Verlagerung der Verantwortung auf die Versicherten diese Kürzung auszugleichen ist, dass aufgrund der Konzeption des Programms als freiwillige kapi- talgedeckte Zusatzvorsorge, alle in der GRV oder im öffentlichen Dienst Versicherten von der Niveauabsenkung betroffen sind, aber nicht alle verpflichtet sind diese Absenkung auch auszugleichen. Das heißt der Staat verteilt die Lasten der Alterssicherung um, aber übt keinen Zwang auf die Versicherten aus kompensatorische Maßnahmen zu ergreifen, um den Ein- kommensverlust im Alter auszugleichen. Der Ausgleich des Einkommensverlustes soll durch ein staatliches Förderprogramm, die sog. Riesterrente, erfolgen. Sie stellt die distributive Wir- kungskomponente des Programms dar. Durch die Zuteilung von Mitteln aus dem allgemeinen Staatshaushalt sollen die von der Renteniveauabsenkung betroffenen Personen dazu angehal- ten werden eine freiwillige kapitalgedeckte Vorsorge zu betreiben. Die Riesterrente ist als ein Anreizsystem konzipiert, dass von anderen Strategien flankiert wird. Verhalten im Sinne des Programms wird belohnt durch die Gewährung von staatlichen Fördermitteln, den Anreizen des Programms. Dabei handelt es sich bei der Risterente um ein Programm nach der Typisie- rung der „Rule of Law“, d.h. explizite Ausführungsstandards, sowie Kosten und Nutzen des Programms sind vom Gesetzgeber klar festgelegt und es existieren keine Spielräume von die- sen Standards abzuweichen. Die Durchführungsformen der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge sind begrenzt auf den Abschluss von genau definierten und dadurch als förde- rungswürdig eingestuften Durchführungsmöglichkeiten. Das sind Altervorsorgeverträge für eine private kapitalgedeckte Zusatzvorsorge, sowie Pensionsfonds, Pensionskassen und Di- rektversicherungen (meist förderungswürdige Lebens- oder Rentenversicherungen) in der - 88 - betrieblichen Altersvorsorge. Durch Bindung der Gewährung von Fördermitteln an die lau- fende Aufwendung von Geldmitteln zur Bildung eines Kapitalstocks zur Sicherstellung einer lebenslangen gleich bleibend oder steigenden Rentenzahlung wird die Konzeption der Ries- terrente als ein Einkommensprogramm deutlich. Ergänzt wird dieses durch Anreize gestaltete Einkommensprogramm durch die im AVmG festgelegte Ausweitung der Beratungs- und Informationspflichten der Rentenversicherungs- träger. Dies kann als Beitrag zur aktiven Implementation des Programms „Riesterrente“ ver- standen werden. Von großer Bedeutung dürften dabei die folgenden Informationen sein:

- Die Prognose der zu erwartenden Regelaltersrente

- Die Informationen über die Auswirkungen künftiger Rentenanpassungen

- Die Höhe einer Erwerbsminderungsrente und einer Rente wg. Todes für den Fall, dass sie zu leisten wäre. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Versicherten nicht ausreichend über die Höhe ihrer Rente informiert waren. Dies hat sich dadurch gezeigt, dass die Höhe der Altersrente oftmals wesentlich höher eingeschätzt wird als sie tatsächlich ist. Die Bertelsmann Stiftung hat in einer Studie ermittelt, dass 2 von 3 Befragten die Höhe ihrer Rente als zu hoch ein- schätzen und jeder vierte bei seiner Schätzung sogar um 50% über dem tatsächlichen Wert seiner Rente lag.280 Durch die Aufklärung der Versicherten, wie hoch ihre Altersrente tatsäch- lich ist, dürfte sich die Zahl der Abschlüsse einer zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge in Zukunft deutlich erhöhen. Anfang Dezember 2002 waren 3 Mio. förderfähige Verträge in den beiden geförderten Bereichen abgeschlossen. Die Zahl der abschlussbereiten Personen beweg- te sich um 6 Mio. Insgesamt wird von 30 Mio. förderfähigen Verträgen in privater und be- trieblicher Alterszusatzvorsorge ausgegangen (Siehe. 4.4.1.2). Allerdings ist der Aufbau der Renteninformationsinfrastruktur noch nicht abgeschlossen, erst im Jahr 2004 werden alle Ver- sicherten über die genaue Höhe ihrer zu erwartenden Altersrente informiert sein, und erst ab diesem Zeitpunkt dürfte klar sein, ob die Riesterrente ein Erfolg wird oder nicht.

Die Regelungen des AVmG sind auf den Zeitraum bis 2030 ausgelegt. Bis zu diesem Zeit- punk sollten durch dieses Gesetz Aufgrund der demographischen Entwicklung, der zunehmenden Lebenserwartung und den – im Augenblick noch - anhaltend hohen Zahlen der Erwerbslosen ist mit einer Erhöhung der Leistungen auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Konnte durch die Einführung der Öko- steuer der Beitragssatz, der paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entrichtet wird, - 89 - kurzfristig von knapp über 20% auf 19.1 Prozent gesenkt werden, so ist von der Rot/Grünen Koalition bereits für das Jahr 2003 eine Anhebung des Beitragssatzes auf 19.5% beschlossen worden. Der Rentenexperte der Union Horst Seehofer geht davon aus, dass der Rentenbeitrag bis 2004 auf über 20% angehoben werden muss.281

4.5 Die Veränderung der Identität der GRV282

Die GRV, so Nullmeier/Rüb, ist im Laufe der Zeit von handelnden Akteuren mit Leitideen unterfüttert worden. Diese Leitideen haben sich im Laufe der Zeit zu einem Normensystem verfestigt und wirken nicht nur identitätsstiftend auf die GRV, sondern bis heute als kleinster gemeinsamer Nenner für die an der Rentenpolitik beteiligten Akteure. Zusammengefasst iden- tifizierten Nullmeier/Rüb folgende Policy Prinzipien:

1. Gesetzliche Rente mit Lohnersatzfunktion als Lebensstandardsicherung 2. Lohn und beitragsbezogene Rente nach dem Versicherungsprinzip 3. Dynamisierung der Rente durch Koppelung an die Lohnentwicklung 4. Berücksichtigung von Faktoren des „sozialen Ausgleichs“ 5. Finanzierung durch den Generationenvertrag, also im Umlageverfahren 6. Berücksichtigung von Faktoren der „sozialen Sicherung“ 7. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten, auch in der Organisations- form283 8. Die Selbstverwaltung der GRV als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Diese Prinzipien wirken systemerhaltend, so Nullmeier/Rüb, da jeder Versuch sie abzuändern oder aufzulösen zu massivem Widerstand führen würde. Der Versuch eines dieser Prinzipien nachhaltig zu verändern oder gar aufzulösen, würde zu massivem Widerstand führen.

Ziel dieses Absatzes ist, anhand des Ergebnisses der Programmentwicklung des AVmG, zu überprüfen ob und welche dieser systemerhaltenden Leitideen verändert wurden und was das für die GRV bedeutet.

280 Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 02.12.2002, einzusehen unter http://www.bertelsmann- stiftung.de/press/item.cfm?lan=de&nId=14&aId=8297 281 Tagesschau:, 5.11.2002 282 Anm.: Siehe 2.2.2 dieser Arbeit 283 Das Policy Prinzip sieben und ist von dem Gesetz nicht tangiert, und wird aus diesem Grund auch nicht Ge- genstand der Betrachtung sein. - 90 -

1. Die gesetzliche Rente mit Lohnersatzfunktion als Lebensstandardsicherung Wie unter 3.2.4 dieser Arbeit gezeigt, liegt die Nettostandardrente mit 45 Entgeltpunkten bei einem Rentenniveau von 70% nach dem RRG 92 bei 1163,7 EUR. Heute haben 50% der Männer und 95% der Frauen weniger als 45 Entgeltpunkte auf ihrem Beitragskonto gutge- schrieben. Schon bei 40 Entgeltpunkten sinkt das Rentenniveau auf 62,4%. Bei vorzeitiger Inanspruchname einer Regelaltersrente mindert sich die Rentenzahlung nochmals um 3,6% pro Jahr in drei Jahren.284 1998 lag die durchschnittlich ausbezahlte Regelaltersrente von Männern bei 766, 94 EUR, also bei 45% Renteniveau. Zum Vergleich, der Sozialhilfesatz liegt bei 40% des Nettolohnniveaus. Ein Rentner muss heute in der als Zwangsversicherung organisierten GRV 26 Jahre lang Beiträge einbezahlt haben, um Anwartschaften in Höhe des Sozialhilfesatzes zu erwerben.285 Durch die Regelungen des AVmG wird das Rentenniveau um 3% abgesenkt. Zusätzlich muss der Versicherte von verbeitragtem und versteuertem Lohn Beiträge in eine zusätzliche private Vorsorge investieren. Das bedeutet, dass der durchschnitt- liche Rentenempfänger in Zukunft bei 42% Rentenniveau liegen wird, verzichtet er auf die zusätzliche Vorsorge. Die direkte Wirkung der Reform ist, dass der Versicherte für einen Teil seiner Rente in Zu- kunft alleinverantwortlich sorgen muss, um im Idealfall 67% des Nettolohniveaus als Al- terseinkommen durch die GRV zu erreichen. Diese Alleinverantwortlichkeit reicht bereits aus, um die erste Leitidee zu verletzen. Zusätzlich wird dem Hintergrund dieser Zahlen deut- lich, dass die GRV, nicht erst seit dieser Reform, nicht mehr in der Lage ist, als langfristige Entgeltersatzleistung den Lohnausfall zu kompensieren.

2. Die Lohn und beitragsbezogene Rente nach dem Versicherungsprinzip Zum einen beschreibt dieses Prinzip, als das „Äquivalenzprinzip“, das Verhältnis von einge- zahlten Beiträgen zur ausbezahlten Rente. Daran ändert sich durch das RRG 2001 nichts. Zum anderen beschreibt dieses Prinzip die paritätische Finanzierung der Beiträge durch Arbeitge- ber und Arbeitnehmer. Diese paritätische Beitragstragung ist durch die einseitige Belastung der Beschäftigten mit der zusätzlichen privaten Vorsorge aufgegeben worden.

3. Faktoren des sozialen Ausgleichs Hier kam es durch das AVmG zu einer Verbesserung von Leistungen. Durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Hinterbliebenenrente, der Altersicherung der Frau und der

284 Roggenkamp, 2002:124 285 ebd. - 91 -

Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung bei der Förderung der privaten Vorsorge er- fuhr das Leitprinzip des sozialen Ausgleichs einen Ausbau.

4. Koppelung der Rente an die allgemeine Lohnentwicklung Auch dieses Prinzip ist durch das AVmG negativ verändert worden. Die Renten werden in Zukunft durch die modifizierte Nettolohnanpassung langsamer steigen als die Löhne und Ge- hälter. Durch diese Maßnahme soll dir Generationengerechtigkeit hergestellt werden. D.h., dass sowohl Beitragszahler, als auch Rentenbezieher gleichermaßen die Kosten für eine Stabi- lisierung des Systems zu tragen haben.

5. Finanzierung durch das Umlageverfahren. Durch den Einstieg in die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge ist das Prinzip der Umlagefinan- zierung teilweise außer Kraft gesetzt worden und ein weiterer Umbau des Systems zu mehr Kapitaldeckungs- und weniger Umlageanteil ist in Zukunft zu erwarten.

6. Faktoren der sozialen Sicherung Durch die Einführung der Grundsicherung zur Bekämpfung von verschämter Armut wurde ein Mehr an Sicherheit für den Einzelnen geschaffen. Allerdings wurden bei den Erwerbs- minderungs- und Hinterbliebenenrenten Leistungskürzungen durchgeführt.

8. Die Selbstverwaltung der GRV als Körperschaft des öffentlichen Rechts Ein entscheidendes neues Merkmal welches durch das AVmG hinzugekommen ist, ist die Tatsache, dass neue Leistungserbringer in die GKV „hereingeholt“ worden sind. Waren Frü- her die Träger der Rentenversicherung für die Beitragseinziehung und Auszahlung gleicher- maßen allein Zuständig, sind nun zum öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnis auch privatwirtschaftliche Versicherungen hinzugetreten. In Zukunft wird es darauf ankommen müssen die Kriterien für den Zugang zum staatlichen Rentenmarkt sehr hoch anzusetzen um im Interesse der Beitragszahler die Sicherheit der Anwartschaften, und damit ein Alterserein- kommen in ausreichender Höhe, gewährleisten zu können

Vergleicht man die Policy Prinzipien die Nullmeier/Rüb identifiziert haben mit den Ergebnis- sen dieses Abschnitts, wird deutlich, dass durch das RRG 2001 der Einstieg in einen System- wechsel in der Gesetzlichen Rentenversicherung begonnen hat. In Zukunft werden die, in der GRV Pflichtversicherten einen wachsenden Anteil an eigener Vorsorgeleistung zu erbringen - 92 - haben. Fraglich ist zum heutigen Zeitpunkt noch in welchem Ausmaß sie dazu bereit sind. Die Abschlusszahlen privater Vorsorgeverträge blieben bislang unter den Erwartungen zurück. Ob die Reform an sich ein langfristiger Erfolg wird ist fraglich. Die Übergangszeiten sind sehr lang und die wirtschaftlichen Probleme, insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit haben dazu geführt, dass seit der Gesetzesverkündung, das Thema GRV dauerhaft die politische Bühne nicht verlassen hat. Die Konzepte die heute diskutiert werden, sei es Verlängerung der Lebensarbeitszeit o.ä., sind schon aus der letzten Reform bekannt.

Abschließend lässt sich sagen, die sozialen Sicherungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland werden noch lange nicht von der Tagesordnung verschwinden und um eine Me- tapher Ursprungsfremd zu verwenden: Nach der Reform ist vor der Reform, nicht nur im Fußball sondern auch in der Gesetzlichen Rentenversicherung.

VI

Anhang 1: Abbildungen

Abbildung 1: David Easton: Simplified Model of a political System

Quelle: Schubert, 1991:29

Abbildung 2: System-Umwelt Theorie

Politisch-administratives System Steuerungsleistung Soziokulturelles ökonom. System

Wünsche von Prägend, Verhaltenssteuernd Bürgern, Parteien Verbänden

Verfassungsmäßige politische Institutionen Intermediäre Organisationen Verbindliche Entscheidungen

Policy-Making System (Engerer staatlicher Entscheidungsapparat)

Quelle: Eigene Darstellung nach Windhoff-Héritier, 1987:64

VII

Abbildung 3: Policy Netz

Institutionen

Ebenen des polit. admin. Systems

Policy Netz

Legislative, Exekutive und gesellschaft- liche Gruppen

Quelle: Eigene Darstellung nach Windhoff-Héritier 1987

Abbildung 4: Phasen des Policy-Zyklus

1. Problemformulierung

2. Agenda Gestaltung

3. Politikformulierung

4. Politikimplementation Evaluation 5. Politikterminierung

Policy-Reaktion Oder Neuformulierung und politische Verarbeitung

Quelle: Windhoff-Héritier, 1987:65

VIII

Anhang 2: Tabellen

Tabelle 1: Einnahmen und Ausgaben der GRV 2000

Tabelle 2: Alterssicherung in Deutschland 1999, Aktiv gesicherte und Leistungsvolumen

IX

Tabelle 3: Sozialbudget: Leistungen nach Institutionen

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Tabelle 4: Maximale Beiträge zur kapitalgedeckten Altersvorsorge die gefördert werden bis 2008

Quelle: http://www.odendahl.com/2_AVmG-Rente/WegweiserRentenreform.pdf

Tabelle 5: Förderung der privaten Vorsorge:

XI

Anhang 3:

1. Die Anforderungen der Parteien an eine Rentenreform im Bundestags- wahlkampf 1998

1.1 CDU/CSU Für die CDU war durch das RRG 1999 bereits ein großer Schritt getan. Als weitergehende Maßnahmen forderte die CDU einen Umbau des Sozialstaats - für ein Leben in sozialer Si- cherheit. Dies sollte erreicht werden durch. - Beibehaltung des Demographischen Faktors des RRG 1999 - Reform der Hinterbliebenenrenten - Berücksichtigung von Kindern und der Erziehungsleistung der Eltern bei der Renten- höhe - Eigenständige Alterssicherung von Frauen - Ergänzung des Umlage- durch ein Kapitalvorsorgesystem - Schaffung von Vorsorgefonds - Förderung von Wohneigentum zur Altersvorsorge - Harmonisierung der GRV und der Beamtenversorgung

1.2. FDP Auch die FDP sieht eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme als unum- gänglich an und wollte Strukturreformen durchführen. Hauptziele der, von der FDP geforder- ten, Reform sollte eine generationengerechte und verlässliche Alterssicherung sowie Beitrags- stabilität sein. Um diese Ziele zu ereichen will die FDP:

- Beibehaltung der Regelungen des RRG99 - Den schrittweisen Übergang zu einer Mischform aus umlagefinanzierter und kapital- gedeckter Alterssicherung - die Überprüfung von sog. Versorgungslücken - Förderung der Eigenvorsorge durch steuerliche Entlastung - Einführung von Pensionsfonds für die betriebliche Altersvorsorge und die Kapitalde- ckung - Bessere Beteiligungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer am Betriebsvermögen XII

- Verlängerung der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit - Eine eigenständige Alterssicherung der Frauen - Beitragsfinanzierte Altersgrundsicherung

1.3 PDS Die PDS sieht ebenfalls die Notwendigkeit einer Rentenreform. Hauptziele einer Reform sind die Sicherung und Verbesserung der Lebensverhältnisse älterer Menschen und die Verhinde- rung von Altersarmut. Dies soll erreicht werden durch: - Die Koppelung der Lohnnebenkosten an die Bruttowertschöpfung der Unternehmen - Die Erweiterung des versicherten Personenkreises - Rückgängigmachung der Rentenniveausenkung des RRG 1999 - Verbesserung der Stellung der Frauen durch ein Frauenrentenrecht - Einführung einer Grundsicherung - Beseitigung von Versorgungsungerechtigkeiten ehemaliger DDR-BürgerInnen - Erhöhung der Zuschüsse aus Steuermitteln

1.4 SPD Im Vordergrund einer Rentenreform standen für die SPD die Sicherung der Rente als Lebens- standardsicherung und die Stabilisierung der Beiträge. Mittel dies zu erreichen sollten sein: - Entlastung der Rentenkasse von versicherungsfremden Leistungen - Erweiterung des Versichertenkreises - Verlängerung der Lebensarbeitszeit - Ergänzung des Umlageverfahrens durch ein Kapitaldeckungsverfahren - Mitarbeiterbeteiligung am Betriebsvermögen als vierte Säule der Alterssicherung - Aufbau einer eigenständigen Altersversorgung von Frauen - Beibehaltung des Äquivalenzprinzips - Korrektur der Rentengesetze der alten Regierung.

1.5 Bündnis90/Die Grünen Für die Grünen war eine grundlegende Strukturreform der GRV unumgänglich. Kernelement war eine Existenzsicherung im Alter für alle und damit der Kampf gegen die Altersarmut. Um dies zu erreichen wollten die Grünen: - Den Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen XIII

- Die Lasten zwischen den Generationen durch einen Generationenfaktor gerecht vertei- len - Festhalten an der solidarisch finanzierten Alterssicherung - Einführung von Elementen einer Mindestsicherung finanziert durch Steuern - Erweiterung des Versicherten Personenkreises - Pauschalierte Beitragszeiten um unstete Erwerbsverläufe auszugleichen - Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge - Senkung hoher Renten um niedrige Renten erhöhen zu können - Ersatz des Arbeitgeberanteils durch eine Wertschöpfungsabgabe

2. Einigungsvorschlag des Bundesrates vom 8. Mai 2001

1. Versorgungssatz und Einkommensanrechnung im Hinterbliebenenrentenrecht a) der Grundfreibetrag bei der Einkommensanrechnung in der Hinterbliebenenversorgung wird nicht eingefroren, sondern weiterhin dynamisiert. b) die Kinderkomponente bei der Hinterbliebenenversorgung für das erste Kind wird auf zwei Entgeltpunkte erhöht. Für das zweite und jedes weitere Kind bleibt es bei je einem Entgeltpunkt.

2. Verlagerung der Zulagengewährung bei der Förderung der Privatvorsorge auf Anbieter und eine Zentralstelle: a) Das Verfahren der Zulagenberechnung wird von der Ermittlung des Sonderausgabenvor- teils abgetrennt. b) Die Ermittlung der Zulage und deren Auszahlung wird von einer zentralen Stelle namentlich der BfA übernommen c) Die Anbieter werden in dieses Verfahren eingebunden d) Begrenzung der Zulagenförderung auf max. zwei Altersvorsorgeverträge einschließlich betrieblicher Altersvorsorge. e) Zur Prüfung der in den Anträgen auf Zulage enthaltenen Angaben soll die Zentralstelle einen Datenabgleich mit Rentenversicherungsträgern, Familienkasse und Meldebehör- den vornehmen. f) Von den Finanzämtern soll nur der im Rahmen der Einkommensteuerveranlagunfestge- stellte zusätzliche steuerliche Vorteil des Sonderausgabenabzugs berechnet, an den Be- XIV

günstigten ausgezahlt und an die Zentralstelle übermittelt werden. Für die sog. Günstig- erprüfung des Finanzamts (Prüfung, ob der Sonderausgabenabzug oder die Zulagen günstiger sind) sollen die maximal möglichen Zulagen und nicht die tatsächlich gezahl- ten Zulagen zugrunde gelegt werden. g) Vererbung: Abweichend vom Gesetzesbeschluss soll es dem überlebenden Ehegatten möglich sein, das vom verstorbenen Ehegatten hinterlassene Altersvorsorgekapital steu- erunschädlich in einen eigenen Altersvorsorgevertrag einzuzahlen. Geht das Altersvor- sorgekapital auf andere Erben über, sollen nicht nur die Zulagen und Sonderausgaben- vorteile zurückgezahlt, sondern auch die Erträge und Wertzuwächse besteuert werden. h) Zuordnung der Kinderzulage: Abweichend vom Gesetzesbeschluss soll der Zulagenbe- rechtigte die Kinderzulage erhalten, der gleichzeitig auch das Kindergeld erhält. Bei zu- sammenveranlagten Eltern soll die Kinderzulage grundsätzlich der Mutter zugeordnet werden, auf Antrag beider Eltern dem Vater. i) Wegzug ins Ausland: Abweichend vom Gesetzesbeschluss wird bei Wegzug ins Ausland die steuerliche Förderung zurückgefordert. Allerdings wird der Rückforderungsbetrag bis zum Bezug der Altersvorsorgeleistungen gestundet. Dann erfolgt eine schrittweise Tilgung dieser Steuerschuld in Höhe von 15 % der ausgezahlten Altersvorsorgeleistun- gen. In Entsendefällen kann die staatliche Förderung auch für die Auslandsjahre in An- spruch genommen werden. Mit der Umsetzung dieses Verfahrensvorschlages würde die personelle Mehrbelastung der Landesfinanzverwaltungen auf bundesweit maximal rd. 400 Steuerbeamte begrenzt.

3. Begrenzung des Sonderausgabenabzugs: Der Sonderausgabenabzug wird begrenzt. Die Regelung des Mindesteigenbetrages wird dementsprechend angepasst. Die Einsparungen in Höhe von 500 Mio. DM können für die Förderung von Wohneigentum verwendet werden.

4. Förderung des Wohneigentums: Eröffnung der Möglichkeit einer Zwischenentnahme zur Erwerbung von selbstgenutztem Wohneigentum bei Verpflichtung der Rückführung der entnommenen Beträge.

5. Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen Zur Verfahrensmäßigen Vereinfachung erfolgen folgende Änderungen: a) Rente bei verminderter Erwerbsfähigkeit: XV

Rentenbezug aus privater Vorsorge frühestens mit 60. b) Absicherung der Hinterbliebenen (Ehegatten und Kinder): Anhebung der Obergrenze von 5% der Eingezahlten Beträge zugunsten von Hinterblie- benen. c) Auszahlungsmodus: Erweiterung der obligatorischen monatlichen Auszahlung um eine vierteljährliche Aus- zahlungsoption d) Zwangsverrentung ab Alter 85 e) Kündigungsrecht des Zulagenberechtigten: Beschränkung des besonderen Kündigungsrechts auf die Einzahlungsphase f) Vertragsstrafe bei Verstoß gegen die Berichtspflichten: Aufhebung der Vertragstrafe von 2500 Euro bei Verletzung der Berichtspflichten und Ahndung als Ordnungswidrigkeit. g) Informationspflichten auch bei Altverträgen h) Zertifizierung von Musterverträgen wird erlaubt

6. Insolvenzschutz und Anlagefreiheit bei Pensionsfonds in der betrieblichen Altersversor- gung: Der Pensionsfonds für Beitrags- und Leistungszusagen wird mit einer höheren Anlagefreiheit gegenüber der Pensionskasse und der Direktversicherung ausgestattet. Durch eine Anpassung des Betriebsrentenrechts wird der Pensionsfonds insgesamt in den Insolvenzschutz einbezogen. Demgegenüber ist kein derartiger Insolvenzschutz für Direkt- versicherung und Pensionskasse vorgesehen, da diese strengeren Kapitalanlagevorschriften unterliegen.

7. Änderungen im Steuerrecht im Zusammenhang mit der Einführung von Pensionsfonds in der betrieblichen Altersversorgung: Beiträge an Pensionskassen, die eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes durch- führen, sollen nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 63 EStG erfasst werden

8. Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG): a) Erstattung der Mehrausgaben durch den Bund XVI

b) Erhöhung des Erstattungsvolumens für die Mehrausgaben auf 800 Mio. DM erhöht. Der Anpassungszeitraum wird auf 2 Jahre verkürzt. c) Verzicht auf den Unterhaltsrückgriff bis 100.000 Euro Jahreseinkommen des Unterhalt- pflichtigen d) Sonderzuständigkeit der Bundesknappschaft

9. Zuständigkeit der Bundesknappschaft schon ab einem Monat Beitragszahlung in der knappschaftlichen Rentenversicherung

3. Der Inhalt des AVmG

1. Private- und betriebliche Altersvorsorge a) betriebliche / private Altersvorsorge allgemeines Private Altersvorsorge (pA) ist die Ergänzung zur GRV, die üblicherweise als indivi- duelle Vermögensbildung verstanden wird, soweit sie der Erzielung von Einkünften im Alter gilt. Z.B: Kauf von Immobilien und Kapitalmarktprodukten und Abschluss von privaten Renten- oder Lebensversicherungen.

Betriebliche Altersvorsorge (bA) ist die Zusicherung von Unternehmen an ihre Ange- stellten, ergänzend zur GRV, Renten wegen Alters, Erwerbsminderung und Todes zu gewähren. Freiwillige Leistung, die bei Leistungszusage Ansprüche des Angestellten begründen gegen das Unternehmen begründen.

Ab 2002 wird der Aufbau betrieblicher und privater Altersvorsorge durch die Gewäh- rung von Zulagen (Grund- Kinderzulagen) oder Sonderausgabenabzug (Einkommens- steuerminderung) staatlich gefördert. Die Förderung umfasst nicht alle Vorsorgefor- men sondern nur bestimmte und nach dem AltZertG zertifizierte Altersvorsorgeverträ- ge über die das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Zertifizierungs- aufsicht hat. Die Durchführungsformen der Direktversicherung, der Pensionskassen und der Pensi- onsfonds sind bei der Zertifizierung begünstigt.

XVII aa) Altersvorsorgeverträge (AVV) (AltZertG) Ein Altersvorsorgevertrag muss, um nach §1 AltZertG zertifiziert zu werden, folgende Elemente Enthalten. - Ansparphase: regelmäßige, freiwillige Aufwendungen (Altersvorsorgebeiträge) des Geförderten, Leistungserbringung nicht vor dem 60. Lebensjahr oder vor Ge- währung einer Rente wegen Erwerbsminderung. - Zusage des Anbieters eines AVV bei Vertragsschluss: a) zu Beginn der Auszahlungsphase min. aber bis zum 85. Lebensjahr die Einge- zahlten Beiträge zur Verfügung stehen und die Auszahlung in gleich bleiben- den oder steigenden monatlichen Leistungen erfolgt. b) Einen Teil des Kapitals in eine Rentenversicherung zu investieren die Sicher- stellt, dass ab dem 85. Lebensjahr eine lebenslange, gleich bleibende oder stei- gende monatliche Leitung erbracht werden kann. - Festlegung eines Anspruchs auf Kündigung mit Frist von drei Monaten und eines Anspruchs auf Übertragung des Kapitals auf einen anderen AVV desselben oder eines anderen Anbieters - Ausschluss der Abtretung oder Übertragung von Forderungen oder Eigentums- rechten aus dem Vertrag an Dritte. - Altverträge vor dem 01.01.2002 könne Zertifiziert werden wenn sie den oben ge- nannten Bestimmungen entsprechen. - Anbieter muss Zusagen die Abschluss und Vertriebskosten auf einen Zeitraum von 10 Jahren zu verteilen soweit sie nicht Prozentual von den Beiträgen abgezogen werden. - Anbieter muss Zusagen den Berechtigten vor Abschluss schriftlich auf die Höhe und zeitliche Verteilung der Vertriebskosten, die Kosten der Vermögensverwal- tung und die Kosten beim Wechsel des Produkts zu informieren - AVV können anbieten: In- oder Ausländische Lebensversicherungsgesellschaften, Pensionskassen, Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen und Kapitalge- sellschaften die im Inland nach geltenden Aufsichtsvorschriften ihren Geschäften nachgehen. bb) Betriebliche Altersicherung und Entgeltumwandlung ( Betriebsrentengesetz, §115 SGB IV) XVIII

Arbeitnehmer (AN) können vom Arbeitgeber (AG) die Einrichtung einer bA verlangen, soweit dafür künftig Bestandteile des Arbeitsentgelts verwandt werden. Der AG kann diese über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse durchführen. Verweigert dies der AG, kann der AN den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Eine Zertifi- zierung dieser Durchführungsformen ist nicht notwendig, da das Betriebsrentengesetz Mindeststandards für diese Durchführungsformen setzt.

cc) Pensionsfonds, Pensionskassen, Direktversicherungen (Betriebsrentengesetz) Diese Formen werden durch die bA in die Förderung einbezogen. Damit die Förderung möglich wird müssen die Aufwendungen hierzu künftig zusätzlich zum Lohn oder Ge- halt gezahlt werden. Dazu gibt der AG entweder eine beitragsorientierte Leistungszusa- ge ab oder verpflichtet sich direkt an eine der drei Durchführungsmöglichkeiten zu zah- len.

dd) Kapitalentnahme für Wohneigentum (Vermittlungsausschuss) Kapitalentnahme zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum als Darlehen ist möglich. Während der Ansparphase können mind. 10.000 EUR bis max. 50.000 EUR zu diesem Zweck ausbezahlt werden. Das Darlehen muss nicht versteuert werden und wird nicht mit Sollzinsen belastet. Es muss aber spätestens ab dem zweiten Jahr nach Erwerb des Wohneigentums in monatlichen Raten bis spätestens zum 65. Lebensjahr zurückgezahlt sein. Wird das Wohneigentum verkauft ist der Erlös wieder in den AVV einzubezahlen um die bis dahin geleisteten Fördermittel zu erhalten, geschieht dies nicht sind die Förderleistungen zu erstatten.

2. Steuerliche Förderung ( §10a Abschn. XI. Altersvorsorgezulage EStG; §§79-96 EStG) Sowohl die betriebliche als auch die private Altersvorsorge werden nach den Vorschriften des Einkommenssteuergesetzes (EStG) gefördert.

§§ 79-83: Zulageberechtigte, Anbieter, Zentrale Stelle, Altersvorsorgebeiträge, Altersvor- sorgezulage §§ 84-88: Entstehung des Anspruchs, Höhe der Zulage §§ 89-92: Antrags- und Datenübermittlungsverfahren §§ 93-96: Folgen und Verfahren einer schädlichen Verwendung der Zulage

XIX

Die zentrale Stelle ist die BfA die nach der Abgabenordnung und nicht nach dem SGB X (Verwaltungsverfahren) zu verfahren hat. aa) Kreis der Zulageberechtigten (§10a Abs.1 EStG) Alle in der GRV Pflichtversicherten (Vgl.: §§1-4 SGB VI, §§ 229,229a SGBVI) Sowie Landwirte, Arbeitsuchende und Personen die keine Arbeitsförderung nach SGB III auf- grund ihrer Einkommenssituation beziehen sind Zulageberechtigt.

1) Ausgenommen von der Zulageberechtigung sind Pflichtversicherte die: über eine zusätzliche Versorgungsregelung in einer Zusatzversorgung, einer beamte- nähnlichen Versorgung oder einer Zusatzversorgung (und aus der Summe der Leis- tungen der GRV und der zusätzlichen Versorgung eine Gesamtversorgung erhalten) Pflichtversichert sind. (Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Mitglieder von berufs- ständischen Versorgungswerken) Ausgenommen deshalb, da diese Personengruppe durch das AVmG keine Rentenni- veauabsenkung hinnehmen musste.

2) Nicht Zulageberechtigt sind: - Freiwillig Versicherte der GRV - Bei fehlender Versicherungspflicht: Selbständige, geringfügig Beschäftigte - Beamte bb) Altersvorsorgebeiträge (§82 Abs.1,2 EStG) Steuerlich gefördert werden Altervorsorgebeiträge, also Beiträge die der Zulagebe- rechtigte zugunsten eines auf seinen Namen laufenden AVV leistet der nach §5 Alt- ZertG zertifiziert ist. Auch Beitragsanteile zur Sicherung bei verminderter Erwerbsfä- higkeit und der Hinterbliebenenversorgung sind förderfähig.

Förderfähig sind auch Beiträge zu einer bA in den Durchführungsformen der Pensi- onsfonds, Pensionskasse und der Direktversicherung. Voraussetzung ist dass die Bei- träge aus dem Nettoeinkommen des Beitragszahlers stammen (versteuert und mit So- zialabgaben belastet) und die Einrichtung eine lebenslange Altersversorgung bezahlt. cc) Grund- und Kinderzulagen XX

Steuerliche Förderung durch Zulagengewährung bei Leistung von Vorsorgebeiträgen. Die Leistungsvoraussetzung der Beitragszahlung ist auch gegeben für Zeiten von feh- lendem Erwerbseinkommen des Beitragszahlers.

1) Grundzulage §84 EStG Anstieg im Zweijahresrhythmus von 38 EUR für 2002/2003, 76 EUR für 2004/2005, 114 EUR 2006/2007 auf max. 154 EUR ab 2008 2) Kinderzulage §85 EStG Anstieg im Zweijahresrhythmus von 46 EUR über 92 und 138 EUR auf max. 185 EUR ab 2008 Sind Ehegatten gemeinsam veranlagt und zahlen beide Beiträge, so sind beide Zula- genberechtigt egal ob nur einer von Beiden zum begünstigten Personenkreis nach §10a EStG gehört. 3) Mindestbeitrag §86 EStG Um die maximale Zulage pro Jahr zu erhalten ist ein Mindestbeitrag erforderlich. Dieser Variiert nach dem erzielten Einkommen des Berechtigten. Wird der Mindest- beitrag nicht erreicht wird die Zulage entsprechend gekürzt. 4) Sonderausgabenabzug §10a EStG Anstieg im Zweijahresrhythmus von bis zu 525 EUR ab 2002/2003, über 1050 und 1575 EUR bis zu 2100 EUR ab 2008 Wenn für den Steuerpflichtigen günstiger, kann durch Sonderausgabenabzug geför- dert werden. Die Günstigkeitsprüfung wird vom Finanzamt automatisch durchgeführt wenn eine Bescheinigung über die Beitragsleistung vorliegt.

3. Aufgaben der Zentralen Stelle (Abschn. XI Altersvorsorgezulage EStG, §§ 84-96 EStG) - Jährliche Feststellung der Höhe und des Zeitpunkts der Zulagenberechtigung auf Antrag - die Zahlungsanweisung an den Anbieter der Zulagengeförderten Anlage zugunsten des Zu- lagenempfängers - Die Rückabwicklung zu Unrecht gezahlter Zulagen - das Verfahren bei Entnahme von Kapital zum Erwerb von Wohneigentum - Der Datenabgleich mit den RV-Trägern, der Bundesanstalt für Arbeit, den Meldebehörden, Familienkassen und Finanzämtern - Auskunftserteilung zu Anfragen von Anbietern über die Anwendung des Abschn. XI Alters- vorsorgezulage EStG XXI

aa) Verfahren zur Gutschrift der Zulage Ein Antrag auf Erlangung der Zulage ist beim Anbieter der zulagegeförderten Anlage einzureichen Dieser leitet den Antrag mit den Vertragsdaten, der Sozialversicherungsnummer des Be- rechtigten und dessen Ehegatten, die Bemessungsgrundlage, die für die Kinderzulage erforderlichen Daten sowie die Höhe der geleisteten Beiträge an die zentrale Stelle wei- ter. Diese Errechnet die Höher der Zulage und weist die Zahlung an. Existieren mehr als ein AVV so muss der Berechtigte mitteilen auf welchem AVV die Gutschrift der Zulage erfolgen soll. Der Zulageberechtigte erhält vom Anbieter jährlich eine Bescheinigung auf der die im Jahr geleisteten Beiträge, die Höhe des Gesamtvermögens und die Höhe der gutge- schriebenen Zulagen enthalten ist.

4. Erweiterter Auskunftsservice durch die RV-Träger §§ 15, 109 SGB VI

aa) Das AVmG hat die Auskunfts- und Beratungspflicht der RV-Träger erweitert. Sie können über Möglichkeiten zum Aufbau der steuerlich geförderten zusätzlichen Al- tersvorsorge Auskünfte erteilen.

bb) Renteninformationen ab 01.01.2004 Jeder Versicherte ab 27 Jahren erhält künftig eine Renteninformation, ab dem 54. Le- bensjahr wird diese alle 3 Jahre durch eine Rentenauskunft ersetzt. Beide sind mit dem Hinweis auf den Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen zu versehen. Die Rentenin- formation muss enthalten: - Grundlage der Rentenberechnung - Die Höhe einer Erwerbsminderungsrente und einer Rente wg. Todes für den Fall dass sie zu leisten wäre - Prognose der zu erwartenden Regelaltersrente - Informationen über die Auswirkungen künftiger Rentenanpassungen - Eine Übersicht über die Beitragszahlungen der vorhandenen Beitragszeiten - Eine Übersicht über die im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten - Eine Detaillierte Darstellung der pers. Entgeltpunkte XXII

- Auf Antrag die Höhe der Beitragszahlung die nötig wäre eine Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente auszugleichen - Hinweise zur Erfüllung der rentenrechtlichen Voraussetzungen für einen Renten- anspruch - Auf Antrag die aus Ehezeiten stammenden Rentenanwartschaften

5. Sicherung des Lebensunterhalts im Alter oder bei dauerhafter Erwerbsminderung (GSiG) - Leistungsberechtigt sind Personen die 65 Jahre alt oder 18 Jahre alt und unabhän- gig vom Arbeitsmarkt dauerhaft voll erwerbsgemindert sind - Die Leistung ist Abhängig von der Bedürftigkeit. Die Bedürftigkeit ergibt sich aus dem Einkommen und dem Vermögen des Berechtigten sowie dem nicht dauerhaft getrennt lebenden Ehepartners. Übersteigt das Einkommen von Eltern oder Kin- dern 100.000 EUR so können diese zum Unterhalt herangezogen. - Die Leistung orientiert sich an den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegeset- zes. - Leistungserbringer sind die Landkreise oder die kreisfreien Städte - Finanzierung aus Steuermitteln - Leistungsgewährung auf Antrag für eine bestimmte Dauer - Die RV-Träger werden die leistungsberechtigten Personen über das Verfahren nach dem GSiG informieren und bei Bedarf beraten. - Der Antrag auf Leistung wird beim RV-Träger gestellt - Zuständig ist der RV-Träger an den der letzte Pflichtbeitrag bezahlt worden ist.

6. Zuständigkeit der Bundesknappschaft Die Bundesknappschaft wird in Zukunft für alle Personen zuständig sein die mindestens einen Monat Beitragszeit in der Knappschaftlichen Rentenversicherung aufzuweisen ha- ben.

XXIII

Literaturverzeichnis:

Literatur:

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Zeitschriften mit Artikeln ohne Verfasser:

Deutsche Angestellten Versicherung (DAngVers): „Bericht aus der Hauptstadt“; Ausgaben: (Monat/Jahrgang) 08/99, 09/99, 10/99, 11/99, 12/99, 1/00, 2/00, 3/00, 5-6/00, 7/00, 8/00, 9/00, 10/00, 11/00, 12/00, 1/01, 2/01, 3/01, 4/01, 5-6/01, 7/01

Deutsche Angestellten Versicherung (DAngVers): „Aus der Selbstverwaltung“; Ausgaben: 1/02

XXIX

Presse / Nachrichten:

Berliner Zeitung (BZ):

BZ, 17.06.1999: Minister Riester plant eine radikale Reform des Rentensystems. BZ, 26.11.1999: Riester will bei Rente mit Opposition kooperieren. BZ, 18.12.1999: Parteien stellen Weichen für Rentenkonsens. BZ, 16.01.2000: SPD will CDU-Schwäche bei Renten-Gesprächen nutzen BZ, 17.01.2000: Keine einheitliche Linie der Koalition beim Rentengipfel BZ, 18.01.2000: Walter Riester begibt sich auf Grünen-Kurs BZ, 21.01.2000: Rentengipfel setzt sich Horizont bis 2030 BZ, 14.02.2000: CDU will Pflicht zur Altersvorsorge für alle BZ, 28.02.2000: Wieder Bewegung in der Renten-Diskussion BZ, 16.03.2000: FDP lobt Riesters Vorschlag zur Senkung des Rentenniveaus BZ, 01.04.2000: Union streitet sich über Merz-Vorstoß zur Besteuerung der Renten BZ, 05.05.2000: "Das ist auf einen Schlag nicht zu schaffen" BZ, 17.05.2000: Die Union pokert hoch beim Rentenkompromiss BZ, 29.05.2000: Union nennt Bedingungen für Rentenkonsens BZ, 31.05.2000 (1): Koalition will das Rentensystem bereits ab 2001 völlig umbauen. BZ, 31.05.2000 (2): Scharfe Kritik an rot-grünem Rentenkonzept. BZ, 02.06.2000: Union fordert mehr Anreize für Privatvorsorge BZ, 14.06.2000: Kein radikaler Systemwechsel, aber ein allmählicher Umbau BZ, 15.06.2000 (1): FDP kritisiert Verhalten der Union BZ, 15.06.2000 (2): SPD-Fraktion will Riesters Konzept ändern BZ, 19.06.2000: DGB erwägt Gang nach Karlsruhe BZ, 24.06.2000: Kirchen fordern mehr Privatvorsorge BZ, 27.06.2000 (1): IG Chemie warnt Gewerkschaften vor Blockade der Renten-Reform BZ, 27.06.2000 (2): Neues Spitzentreffen zur Rentenreform BZ, 30.06.2000: IG Metall will Bundesregierung zur Änderung der Rentenpläne zwingen BZ, 01.07.2000: Riester kippt seine Rentenformel BZ, 04.07.2000: SPD stützt Riesters Renten-Konzept DGB droht mit massiven Protesten BZ, 06.07.2000: Zusatzvorsorge soll begrenzt werden BT, 07.07.2000: Union gibt Riester einen Korb BZ, 13.07.2000: Der Rentenkonsens ist vorerst gescheitert BZ, 17.07.2000: CDU/CSU droht nach Niederlage im Bundesrat mit Renten-Blockade XXX

BZ, 18.07.2000: Beitragspflicht für alle gefordert BZ, 24.07.2000: Gewerkschaften und FDP fordern Union zum Rentenkonsens auf BZ, 31.07.2000: SPD signalisiert bei Rente Kompromissbereitschaft BZ, 01.08.2000: Rentenpläne: CDA bezweifelt Verfassungsmäßigkeit BZ, 04.08.2000: Zuschüsse zur Privatrente auch für Freiberufler BZ, 06.09.2000: Union sieht steigende Chancen für Rentenkonsens BZ, 11.09.2000: SPD will Renten weniger stark senken BZ, 18.09.2000: Mai: Riester riskiert einen "heißen Herbst" BZ, 26.09.2000: Riester legt Rentenkonzept vor BZ, 27.09.2000: "Das ist Rosstäuscherei, Herr Riester!" BZ, 29.09.2000: Versicherungen fordern Korrektur der rot-grünen Rentenreform BZ, 30.09.2000: Union will die Rentner stärker belasten BZ, 05.10.2000: Grüne: Auch Wohneigentum berücksichtigen BZ, 05.11.2000: "Wir werden es so machen - und damit basta" BZ, 24.10.2000: Rentengespräch zwischen Riester und der PDS ohne Ergebnis BZ, 14.11.2000: Kanzler verärgert über Rentendebatte BZ, 02.01.2001: Eichel will Besteuerung der Altersvorsorge ganz neu regeln BZ, 12.01.2001: Rot-Grün ringt um Details der Rentenreform BZ, 22.01.2001: Die Union plant einen Rentenwahlkampf BZ, 25.01.2001: Meyer allein zu Haus BZ, 09.05.2001: Der mit dem Bundesrat tanzt BZ, 27.11.2002: Geringes Interesse an Riester-Rente

Andere Pressequellen:

Berliner Kurier vom 9.11.2002: Neue Jobs BDA 03.02.2000: Positionen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung Blüm, Norbert: BMA-Pressestelle - Bonn, den 27.6.1997 DGB Bundesvorstand (1998): Stellungnahme des DGB zur Koalitionsvereinbarung zwi- schen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998, Düsseldorf, den 29.10.98 Bundesfinanzministerium 06.03.2002: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Beamtenpensionen Der Spiegel: Bürokratisches Monster, 04/2001, S. 95 – 99 Der Spiegel: Rente - Anruf Genügt, 05/2001, S. 26-27 XXXI

Der Spiegel: Riesters Reformruine, 07/2001, S. 90-105 Pressestelle der CDA / CDU-Sozialausschüsse – Berlin, 7.08.2002 Schwaetzer. Irmgard: FDP-Bundestagsfraktion – Pressemitteilung vom 09.06.1999

Tagesschau vom 5.11.2002: Schlappe für Grüne im Rentenstreit

Bundestags-/Bundesratsdrucksachen:

BT-Drs- 14/4230 (Diskussionsentwürfe: AVAG, Erwerbsminderungsrenten) BT-Drs. 14/4595 (Gesetzentwurf AVmG) BT-Drs. 14/147 (Plenarprotokoll vom 26.01.2001: 2. und 3. Beratung AVmG/AVmEG) BT-Drs. 14/5394 (Sondergutachten des Sozialbeirats) BT-Drs. 14/5146 (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung) BT-Drs.: 14/7064 (Gesetzentwurf Versorgungsänderungsgesetz 2001) BR-Drs. 14/763 (Bundesrats Plenarprotokoll vom 16.02.2001) BR-Drs. 764/00 (Bundesrats Plenarprotokoll vom 23.11.2000)

Parteiprogramme/Koalitionsverträge:

Koalitionsvereinbahrung (1998): Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokrati- schen Partei Deutschlands und Bündnis 90/Die GRÜNEN: Aufbruch und Erneuerung: Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert; Bonn, 20. Oktober 1998

SPD: Pogramm für die Bundestagswahl 1998 – Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit, S. 22-23

FDP: Wahlprogramm 1998, S. 1-77

CDU/CSU: Programm zur Bundestagswahl 1998 – Zukunftsprogramm, S. 51-55

Bündnis90/Die Grünen: Programm zur Bundestagswahl 1998 - Grün ist der Wechsel, S. 69-87 XXXII

PDS: Programm zur Bundestagswahl 1998 – Für den politischen Richtungswechsel! – Sozial und solidarisch - für eine gerechte Republik, S. 5-16

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