Dr. Alfred Kröner (Oberasbach) Ludwig Feuerbach und Georg Friedrich Daumer Beispiel einer Freundschaft und ihr Verlauf1

Vorbemerkungen lin. Von diesem wurde sein Denken ent- Über Ludwig Feuerbachs Lebensumstän- scheidend geprägt. de und seinen Freundeskreis in der Zeit 1827 Fortführung der Studien in , nach seiner Rückkehr aus Berlin im Jahre dort 1828 Promotion und Habilitation. Seit 1827 sind wir nur unzureichend unterrich- Februar 1829 Privatdozent für philosophi- tet. Ebenso sind nur wenige Briefe aus den sche Themen in Erlangen. Regelmäßige Jahren 1828/29 überliefert, aus dem Jahre Vorlesungen bis 1832. Nach einem erneuten 1829 sogar nur einer. Dennoch hatte es erfolglosen Anlauf zur Erlangung einer im Jahre 1827 den Beginn einer Freund- Professur 1835/36 endgültige Aufgabe der schaft mit einem Mann gegeben, der heu- Lehrtätigkeit; seither fast ausschließlich als te gänzlich vergessen wäre, wenn seine religionskritischer Schriftsteller tätig. Person nicht im Zusammenhang mit dem Seit 1837 lebte er auf Schloss Bruckberg, geheimnisvollen gestanden verheiratete sich im gleichen Jahr mit hätte. Diese Person ist Georg Friedrich Bertha Löw und hatte mit ihr zwei Kinder. Daumer, ein ehemaliger Lehrer am Egidien- Nach dem Konkurs der im Schloss betrie- gymnasium (heute Melanchthon-Gymna- benen Porzellanfabrik, an der Feuerbachs sium) in Nürnberg und religionsphiloso- Ehefrau beteiligt war, Umzug auf den Re- phischer Schriftsteller, dessen skurrile chenberg bei Nürnberg, wo die Familie Werke mit Recht heute nicht mehr bekannt von 1860 – 1872 lebte. Nach seinem Tode sind. am 13. September 1872 glanzvolle Beer- digung auf dem Johanniskirchhof. Kurze Vorstellung der beiden Prot- Ludwig Feuerbach ist vor allem durch die agonisten vorzügliche Herausgabe der „Gesammel- Wenngleich Ludwig Andreas Feuerbach ten Werke“3 durch Werner Schuffenhauer den Lesern dieser Zeitschrift nicht unbe- nicht nur als Religionsphilosoph sondern kannt sein dürfte, ein kurzer Überblick, auch als Mensch in lebhafter Erinnerung der auf den Veröffentlichungen des Ver- geblieben; dazu haben auch die Ludwig- fassers beruht,2 kann für das Folgende Feuerbach-Gesellschaft in Nürnberg und hilfreich sein. der Verfasser manches beigetragen. Geboren am 28. Juli 1804 in Landshut, wo der Vater Professor an der dortigen Über Georg Friedrich Daumer gibt es, Universität war. Umzug mit der Familie soweit ich sehe, nur eine 1984 erschiene- nach München und Bamberg. Seit 1817 ne Biografie von Karlhans Kluncker.4 Dau- lebte er mit dem Vater, seinen Brüdern und mer wurde am 5. März 1800 in einer Nürn- der Mätresse des Vaters in Ansbach, wo berger Handwerker- und Kaufmannsfamilie er das Abitur ablegte. Ab 1823 Studium als drittes von sechs Kindern geboren; er der Theologie in Heidelberg, seit Juli 1824 besuchte unter Georg F. W. Hegel das Egi- Wechsel zur Philosophie bei Hegel in Ber- diengymnasium. 1817 wechselte er zum

Aufklärung und Kritik 1/2009 143 Studium der Theologie auf die Universi- Die Freundschaft zwischen Feuerbach tät Erlangen, wo seine akademischen Leh- und Daumer – Beginn und Verlauf rer u.a. Arnold Kanne, Gotthilf Heinrich Es ist kennzeichnend, dass sowohl der Schubert und Schelling wurden. Die in erste Biograf Feuerbachs Adolph Kohut5 Erlangen kennen gelernten extrem pietisti- als auch der gut unterrichtete Bolin6 den schen Strömungen veranlassten ihn, zur Namen Daumer nicht erwähnen. Selbst die Philologie überzuwechseln. Er legte 1823 solide Bildmonografie von Hans-Martin das philologische Staatsexamen ab und Sass7 kennt den Namen nicht. Dennoch erhielt eine Anstellung an dem bereits ge- hat es diese Freundschaft gegeben und nannten Gymnasium, die er wegen Krank- sie hatte Spuren hinterlassen. heit bereits 1828 aufgab. Im gleichen Jah- re erhielt er die Pflege des Findlings Kas- Wie kam sie zustand? par Hauser übertragen, die ihm jedoch im Wenngleich die Einzelheiten dazu im Dun- Januar 1830 wieder entzogen wurde. kel liegen, ist davon auszugehen, dass Nachdem Daumer sich bereits vor seiner Daumer während seiner Studienzeit mit Jo- Erkrankung mit dem streng lutherisch or- seph Anselm Feuerbach, dem Bruder Lud- thodoxen Rektor seiner Schule, Karl Lud- wigs, bekannt wurde. Joseph Anselm hatte wig Roth, unheilbar zerstritten hatte, wand- ebenso 1817 in Erlangen sein Studium be- te er sich der Schriftstellerei zu, die seine gonnen und war unter den unseligen pieti- Lebensaufgabe wurde. Neben Veröffent- stischen Einfluss des bigotten Mythologen lichungen über Kaspar Hauser traten sehr und Sprachforschers Johann Arnold Kan- bald religionskritische Schriften, die ihn ne geraten. Von hier aus dürfte die Ver- in die Nähe von Ludwig Feuerbach brach- bindung mit der Familie Feuerbach resul- ten. 1834 heiratet Daumer; aus der Ehe tieren. Sie hatte sich noch dadurch ver- ging eine Tochter hervor. 1840 gründete stärkt, dass der Dynastiegründer Paul J. er zusammen mit seinem Schwager Rose A. Feuerbach schon am 11. Juli 1828 Kon- den ersten deutschen Tierschutzverein. takt mit Hauser aufnahm und dessen Über- 1854/56 siedelte er mit der Familie nach gabe an Daumer befürwortete. Nachdem über. 1858 trat er in zum Ludwig Feuerbach damals noch teilweise Katholizismus über, ohne in dieser Konfes- im elterlichen Hause in Ansbach lebte, sion seine Heimat zu finden. Er zog 1860 waren die Ereignisse um Hauser sicher Ge- nach Würzburg, wo er am 14.12.1875 sprächsstoff in der Familie. Zudem teilte starb. Daumer Feuerbach in einem Briefe vom Daumers Religionsphilosophie war äußert April 1834 (GW 17 S. 190) mit, er sei ambivalent. Wenngleich er sein Leben lang während seines Studiums in Erlangen – die Religion des Christentums, wie er sie also zwischen 1817 bis 1823 – mit Lud- verstand, bekämpfte, war der Leitgedan- wigs Bruder Karl, wenn auch nur für kur- ke seines Lebens der Glaube an eine ab- ze Zeit, in einem vertraulichen Verhältnis solute Religion der Zukunft. Seine schrift- gestanden, was wiederum auf Beziehun- stellerische Tätigkeit war weitgehend reli- gen zur Feuerbachfamilie hinweist. giöse Dichtung. Die erste konkrete Nachricht über die Be- ziehung der beiden enthält ein Brief Dau- mers vom 12. Februar 1828 (GW 17 S.

144 Aufklärung und Kritik 1/2009 99 – 101) an Feuerbach, in dem dieser Juli 1828 stattfand. Nach erfolgreicher mit dem vertrauten „Du“ angesprochen Ablegung der Prüfung erhielt er die philo- wird. Aus dem Brief ist ersichtlich, dass sophische Doktorwürde erteilt. Dies war Daumer es für richtig hielt, dass Ludwig jedoch nur der erste Schritt auf dem Weg sich „zum akademischen Lehrer bestimmt“ zum Dozenten. Sofern er Privatdozent wer- hat. Weiterhin ergibt sich daraus, dass Feu- den wollte, musste er eine erweiterte Fas- erbach seine handschriftliche Fassung der sung drucken lassen und dem Dekan vor- Dissertation Daumer zur Durchsicht über- legen. Diese Umarbeitung geschah in den lassen hatte. Dieser lobte die Abhandlung Monaten August bis Oktober 1828; sie und führte aus, er habe ähnliche Gedan- wurde bei J. A. Brügel in Ansbach ge- ken in seiner 1827 veröffentlichten Ab- druckt und am 15. November 1828 als handlung „Urgeschichte des Menschen- Habilitationsschrift vorgelegt. Am 6. De- geistes“ vertreten. Wichtig ist für diese Zeit zember 1828 hatte er dann seine Schrift das 1873 erschienen Buch Daumers über ebenso erfolgreich öffentlich verteidigt, Kaspar Hauser8, wo dieser ausführte: was Voraussetzung für eine Dozententä- „Ich stand zur Hauserzeit in sehr vertrau- tigkeit war. Daneben ergibt sich aus den tem Verhältnis auch zu Ludwig Feuerbach. Senatsakten, dass Feuerbach damals „mit Derselbe besuchte mich häufig und wohn- seinen Vorbereitungen zum künftigen Lehr- te zuweilen bei mir, beobachtete mit mir vortrag so weit vorgerückt [war], um noch auch den Findling. Ich bewahre noch Auf- im laufenden Studienhalbjahr lesen zu kön- zeichnungen über denselben von ihm, die nen.“ Tatsächlich konnte er im Februar ich unten wörtlich folgen lassen werde.“ 1829 mit Vorlesungen beginnen.9 Und im selben Buche führte er unter der Betrachtet man die starken Belastungen, Überschrift „Aufzeichnungen von Dr. denen Feuerbach im Jahre 1828 ausgesetzt Ludwig Feuerbach aus den Monaten Juli war, muss man Daumers Angaben von und August 1828“ aus, er sei „in den ver- den häufigen Besuchen in Nürnberg wohl trautesten Verhältnissen“ zu Feuerbach ge- kritisch sehen. Daneben war zu dieser Zeit standen; dieser habe sich oft bei ihm auf- Feuerbach auch mit dem Manuskript sei- gehalten und mit ihm und Anderen den nes 1830 erschienen Buchs „Gedanken Findling beobachtet. Er führte auch in die- über Tod und Unsterblichkeit“ beschäf- sem Zusammenhang ein längeres Proto- tigt. Leider fehlen anderweitige Quellen zu koll Feuerbachs über Kaspar Hauser an. Daumers Angaben. Ebenso mit Vorsicht Bei Durcharbeitung des Stoffes sind dem möchte ich Daumers Hinweise über Auf- Verfasser Bedenken gekommen, was die zeichnungen Feuerbachs zu Kaspar Hau- häufigen Besuche bei Daumer betreffen. ser sehen. Dies umso mehr, als eine An- Feuerbach war im ersten Halbjahr 1828 frage bei der Universitätsbibliothek Frank- sehr intensiv mit der Fertigstellung seiner furt/M. ergab, dass bei dem dortigen Nach- Dissertation beschäftigt, die er handge- lass Daumers und dem erschlossenen Brief- schrieben im Juni 1828 der philosophi- wechsel keine Briefe von und an Ludwig schen Fakultät vorgelegt hatte. Nachdem Feuerbach vorhanden sind; ebenso ent- die Schrift durch die Universität angenom- halte die Kapsel „Kaspar Hauser“ keine men worden war, wurde er zu dem „exa- Hinweise auf diesen. men rigorosum“ eingeladen, dass am 25.

Aufklärung und Kritik 1/2009 145 Wie hatte sich die Freundschaft der bei- Bibelglauben und Theologie“ (erschienen den Männer weiter entwickelt? 1834), wobei er Folgendes ausführte: Wenngleich beide in der Beurteilung des „Der negative Teil ist auch hier, wie in sei- orthodoxen Luther- und Christentums viele nen übrigen Schriften, größtenteils vor- Berührungspunkte hatten, auf dem Felde trefflich. Die Pfaffen haben auch diese der Philosophie bestanden große Differen- Schrift von ihm konfisziert, was kein Wun- zen. So ergibt sich aus einem Brief von der ist.“ Georg Wolfgang Karl Lochner vom 25. Als Feuerbach 1835 in Nürnberg lebte und Juli 1831 (GW 17 S. 124 – 126), dass es in einer tiefen Krise hinsichtlich seines zwischen den Freunden zu einer schwe- weitere Berufsweges sowie seiner Liebes- ren Verstimmung gekommen war. Lochner beziehungen zu Bertha Löw stand, gibt riet Feuerbach, die „philosophische Dis- ein Brief an Kapp vom 27. Juni 1835 (GW putation“ mündlich fortzusetzen, um Miss- 17 S. 241) darüber Auskunft, dass er noch verständnisse abzubauen. Ob es wirklich engen Kontakt mit Daumer hatte, den er dazu kam, ist aus den vorhandenen Un- liebevoll einen „tapferen Pietistenwürger“ terlagen nicht ersichtlich. Schuffenhauer nannte. Als Feuerbach dann im Jahre hat dazu einen sehr ausführlichen Brief- 1836/37 nach dem endgültigen Scheitern entwurf Feuerbachs vom Jahre 1830 ver- seiner akademischen Laufbahn10 nach öffentlicht (GW 18 S. 430 – 437), der die Bruckberg zog und heiratete, werden die erheblichen philosophischen Differenzen Nachrichten über die Freundschaft spär- beider erkennen lässt. Auf Einzelheiten soll licher; meist wurden die Beziehungen in diesem Zusammenhang nicht eingegan- durch den in Nürnberg lebenden Bruder gen werden. Trotz dieser wohl auch münd- Friedrich gepflegt. lich erörterten Unterschiede, die Freund- schaft hatte weiter Bestand. Sowohl ein Der Bruch der Freundschaft Daumer-Brief vom Dezember 1833 (GW Das Ende der Freundschaft begann ge- 17 S. 149) als auch einer vom April 1834 nau genommen mit einer Rezension einer (GW 17 S. 190/191) lassen erkennen, dass Schrift Daumers durch Ludwig Feuerbach die Freunde vor allem wegen Fragen zu in den „Deutschen Jahrbüchern“ vom 13. Kaspar Hauser in Kontakt standen. Dies und 14. Januar 1842. Es lag folgender geht ebenso aus einem ausführlichen Brief Sachverhalt zugrunde. Daumer hatte 1841 Daumers vom 24. Juni 1834 (GW 17 S. in Nürnberg unter dem Pseudonym Euse- 203 – 205) hervor, in dem Fragen, die bius Emmeran eine eigenartig katholisch nach dem Tode Hausers erörtert wurden, angehauchte Schrift veröffentlicht, die als den Gegenstand bildeten; aus dem Brief typisch paradoxe Wendung des Autors zu ist auch ersichtlich, dass Feuerbach u.U. sehen ist. Sie heißt „Die Gloria der heili- etwas zur Hausersache veröffentlichen gen Jungfrau Maria. Legenden und Ge- wollte. dichte nach spanischen, italienischen, la- Feuerbach verfolgte auch weiterhin Dau- teinischen und deutschen Relationen und mers Veröffentlichungen und lobte gegen- Originalpoesien“. Feuerbach hatte Arnold über Christian Kapp im Brief vom 13./14. Ruge in einem Brief vom November 1841 Januar 1835 (GW 17 S. 221) dessen „Po- (GW 18 S. 119/120) die Rezension und vor lemische Blätter betreffend Christenthum, allem ihren Verfasser wie folgt vorgestellt:

146 Aufklärung und Kritik 1/2009 „Der Verfasser der Glorie ist ein Freund ben Daumers, Feuerbach für die Teilnah- von mir, ein bekannter vielfältig tätiger Li- me an der Gründung eines religionskri- terat, verdienstvoll besonders als rück- tischen Magazins zu gewinnen scheiter- sichtsloser, freisinniger Bekämpfer der ten 1844 ebenso wie die Gründung der Theologie, aber befangen im Mystizismus Zeitschrift selbst der alten Mythologie und in den Illusio- Den unmittelbaren Bruch der Freundschaft nen eines nur poetischen Gemüts.“ vollzog Daumer, als im „Korrespondent Die auch heute noch überaus lesenswerte von und für Deutschland“ vom 4. Dezem- Rezension kritisierte nicht den Verfasser, ber 184411 sein Buch „Der Anthropolo- sie charakterisierte jedoch das Buch und gismus und Kriticismus der Gegenwart in ihren Inhalt als einen rein ästhetischen, der Reife seiner Selbstoffenbarung nebst poetischen Gegenstand. Dabei wird je- Ideen zur Begründung einer neuen Ent- doch fundierte Kritik an dem abstrusen wicklung in Religion und Theologie.“ an- katholischen Marienkult geübt, der aus ei- kündigte. Dabei führte er u.a. Folgendes ner normalen Frau eine Göttin ohne Un- aus: terleib geschaffen hatte. „Die erste Abtheilung dieser Schrift ent- Daumer hatte sich bei Feuerbach noch hält eine Beleuchtung der letzten Produk- Mitte Januar 1842 brieflich dafür bedankt te von Ludw[ig] und Fr[iedrich] Feuer- (GW 18 S. 150 – 152), dass er die Ma- bach, so wie der von Bruno und Edgar rienschrift besprochen und damit bekannt Bauer, in welcher der Verfasser das trau- gemacht hatte, dabei gleichzeitig aber op- rige Ende darstellt, das die von jenen Den- ponierte. Es scheint, dass Daumer sich kern und Kritikern repräsentierte Richtung nach eingehendem Studium der Rezensi- in sich selber nimmt“. Und etwas später on immer mehr von Feuerbach und den heißt es dann: „Als Anhang ist unter An- Linkshegelianern abgrenzte. Dennoch müs- derem eine Kritik des Feuerbach’schen sen in den Jahre 1842 und 1843 freund- „Wesen des Christentums“ beigegeben schaftliche Bande existiert haben, denn und in derselben auf die Widersprüche hin- beide sandten sich ihre neuesten Veröf- gewiesen, welche sich der Verfasser je- fentlichungen zu. Hier ist einmal Feuer- nes Werkes hat zu Schulden kommen las- bachs Hauptwerk „Das Wesen des Chri- sen.“ stentums“ von 1841 zu nennen, zum an- In dem veröffentlichten Buch behauptete deren Daumers skurriles Buch „Der Feu- Daumer in einer überaus verletzenden Wei- er- und Molochdienst der alten Hebräer se, dass sich Feuerbachs „Anthropologis- als urväterlicher, legaler, orthodoxer Cultus mus“ „im Zustand der Verrücktheit“ be- der Nation, historisch-kritisch nachgewie- finde und vor allem dessen Schrift „Das sen“ von 1842. Daumer hatte zudem Feu- Wesen des Glaubens im Sinne Luthers“ erbach in einem ausführlichen Brief vom als Ausdruck „einer Geisteszerrüttung, ei- Januar 1843 (GW 18 S. 243 – 247) seine ner totalen Auflösung des Denkvermö- absurden und abstrusen Thesen vom jü- gens“ (zitiert nach Schuffenhauer, GW 19 dischen und christlichen Molochdienst mit S. 515) zu charakterisieren sei. Mit Recht Kinderopfern und Kannibalismus erläutert. bezeichnete Feuerbach Daumers Verhal- Äußerungen des Freundes zu Daumers ten als „infam“ und charakterisierte den Thesen sind nicht bekannt. Das Vorha- einstigen Freund in einem Brief an den

Aufklärung und Kritik 1/2009 147 Bruder Heinrich vom 8.12.1844 (GW 18 Anmerkungen: S. 418/419) als „Obskuranten“. Weiter heißt 1 Den folgenden Ausführungen liegt ein geringfügig es darin in Hinblick auf Daumers Verhal- erweiterter Vortrag des Verfassers anlässlich der am ten: 8. November 2008 in Nürnberg gehaltenen Feuer- „Es ist nichts andres als Eitelkeit, lang- bach-Tagungt zugrunde. verhaltene Rache gegen mein „Christen- 2 Hier sind vor allem die Schriften von Alfred Kröner, tum“, weil ich das Fundament seiner Lieb- Die Familie Feuerbach in Franken, Zeitschrift „Auf- klärung und Kritik“, Sonderheft 6/2002 und der- lingsträume zerstört, aber auch sein un- selbe Paul Johann Anselm und Ludwig Andreas austilgbarer religiöser Sektengeist, was ihn Feuerbach als Exponenten des Bürgertums im 19. zur Opposition trieb.“ Jahrhundert. Leben und Wirkungen, Zeitschrift „Auf- Feuerbach konnte sich nicht dazu durch- klärung und Kritik“, Sonderheft 12/2007 zu nennen. ringen, Daumer zu antworten; es ist auch 3 Bisher erschienen 19 Bände, drei weitere Bände zu keiner persönlichen Begegnung mehr sollen die Herausgabe abschließen. Alle Bände er- gekommen. Damit war, verursacht durch schienen im Akademie-Verlag Berlin. Sie werden das Verhalten Daumers, die Freundschaft künftig zitiert GW mit Band- und Seitenzahl. unwiderruflich zu Ende. 4 Karlhans Kluncker, Georg Friedrich Daumer, Feuerbach hatte sich in einem Antwort- Leben und Werk. 1800 – 1875, Bonn 1984. Auf dieser Arbeit beruht der Großteil der Angaben zur brief an Joseph Schibich vom 21. Okto- Person und zum Werk Daumers. ber 1851 (GW 19 S. 324) eine Art ab- 5 Adolph Kohut, Ludwig Feuerbach. Sein Leben schließende Rechenschaft über die Freund- und sein Wirken. Leipzig 1909. schaft und den Freund gegeben. Dieser 6 Wilhelm Bolin, Ausgewählte Briefe von und an sei zum Schluss wörtlich zitiert: Ludwig Feuerbach. Zum Säkulargedächtnis seiner „Daumer war viele Jahre lang mein per- Geburt. Hrsg. und biogr. eingeleitet von Wilhelm sönlicher Freund trotz unsrer geistigen, Bolin, 2 Bde. Leipzig 1904. Hierbei sind die den wissenschaftlichen Differenz. Mit dem jeweiligen Abschnitten vorangestellten biografischen „Wesen das Christentums“ aber und ei- Bemerkungen von größtem Wert, da Bolin seit Früh- ner Rezension von mir über seinen „Ma- herbst 1857 mit der Familie Feuerbach eng befreun- rienkultus“, die ich im reinsten Sinne der det war. 7 Freundschaft, aber freilich auch der Wahr- Hans-Martin Sass, Ludwig Feuerbach in Selbst- zeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg 1978. haftigkeit schrieb, er aber missverstand Die wertvolle Schrift wurde leider nicht wieder auf- und missdeutete, wurde diese geistige Dif- gelegt. ferenz seinerseits eine persönliche. Seit der 8 Georg Friedrich Daumer, Kaspar Hauser. Sein Zeit (1844), wo er seine Schrift gegen mich Wesen, seine Unschuld, seine Erduldungen und sein in dem „Nürnberger Korrespondent von Ursprung. Regensburg 1873, hier Seiten 94-95 so- und für Deutschland“ auf eine höchst be- wie Seite 124. leidigende Weise ankündigte, habe ich ihn 9 Siehe dazu Alfred Kröner, Ludwig Feuerbach an nicht mehr besucht noch gesprochen, ob der Universität Erlangen – Chronik eines Scheiterns, ich gleich ihm nicht böse bin, denn er ist in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 66 unzurechnungsfähig, unfrei, Sklave seiner (2006) S. 263 – 284. krankhaften Einbildungen, ein pietistischer 10 Wie Anm. 9, S. 263 – 284. Naturalist.“ 11 Der Korrespondent von und für Deutschland vom Mittwoch 4. Dezember 1844 Nr. 339 S. 2108 un- ter Privatanzeigen.

148 Aufklärung und Kritik 1/2009