2 Wochenschau Bauwelt 12 | 2014

DENKMALPFLEGE Um einzelne Gebäude aus der Serienproduktion ex- emplarisch schützen zu können, müsste man eigent- lich aus allen landesweit errichteten Bauten des Praxis gegen sang- und klangloses jeweiligen Typs die wenigen herausfiltern, die noch originalgetreu erhalten sind. Für solche Reihen-Un- Verschwinden | Denkmal-Ost-Moderne- tersuchungen ist die Denkmalpflege jedoch weder finanziell noch personell ausgestattet. Selbst bei dem Tagung in als Inkunabel der Ostmoderne geltenden zweiten Bauabschnitt der Berliner Karl-Marx-Allee, die größ- tenteils aus Typenbauten besteht, hat man nach der Tanja Scheffler Wende neben den bekannten Solitärbauten – Kon- Unbequeme Denkmale. Fast zwangsläufig fällt dieser Ostmoderne „als unschön empfindet“ – während sich gresshalle mit Haus des Lehrers, Begriff, wenn man vom geschützten Erbe der ostdeut- die rund 200 Teilnehmer als „Experten-Gesellschaft“ und Restaurant Moskau – nur die Verkaufspavillons schen Nachkriegsmoderne spricht. Schließlich stam- verstanden, die in der interessierten Öffentlichkeit und die straßenbegleitenden Wohnblöcke unter men die Bauten und Ensembles aus einem diskredi- durchaus breit verankert ist. Doch ob beim Laien ge- Schutz gestellt. tierten politischen System; und nicht selten zeichnen liebt oder ungeliebt: Entscheidende Teile dieses Dies wurde kürzlich durch einen weitgehend un- sie sich durch ein unzeitgemäßes, sprödes Äußeres kulturellen Erbes sind für nachfolgende Generationen veränderten Plattenbau des Typs QP von Josef Kaiser sowie allerlei konstruktive Schäden aus. Die zweite zu bewahren, darüber waren sich im Grunde alle und Klaus Deutschmann ergänzt. Der soll künftig als Ausgabe des Symposiums „Denkmal Ost-Moderne“ Redner der beiden Tage einig. gestalterisch-konstruktives „Belegstück“ für den ge- der Bauhaus-Universität Weimar, Ende Januar von der samten, ursprünglich für 15.000 Menschen konzipier- Professur Denkmalpflege und Baugeschichte gemein- Platte und Denkmalschutz ten „sozialistischen Wohnkomplex“ fungieren. Der BIQ Hamburg – Bioreaktive Fassade sam mit der Wüstenrot Stiftung veranstaltet, nahm Die gängige Inventarisierungspraxis der Denkmal- hohe Verwertungsdruck der Innenstadt-Lage­ führt je- sich die vermutlich kniffeligsten Aspekte des denk- pflege stößt da mitunter an ihre Grenzen, etwa bei doch an den Rändern des Areals zu diversen Nach- malpflegerischen Umgangs mit dieser Ära vor: Welche den Typenbauten, die für das Baugeschehen in der verdichtungs- und Neubauprojekten bis hin zum aktu- der vielen Objekte können über­­haupt denkmalwür­- späten DDR so charakteristisch sind. In den ersten ell am Alexanderplatz geplanten 150 Meter hohen dig sein? Und wie soll man dabei mit dem morali- Nachwende-Jahren, als man die meisten ostdeutschen Wohnturm im Gehry-Design (Bauwelt 9). schen, ästhetischen und konstruktiven Verschleiß der Bauten pauschal in die Schublade „Platte“ schob, DDR-Moderne umgehen? galten lediglich symbolträchtige Objekte, die die Zeit- Warum ist nicht überall? Das Interesse ist ungebrochen: Wie schon bei geschichte dokumentieren, als erhaltenswert: Grenz- Überhaupt scheint die Lage eines ostmodernen Bau- SONNENSCHUTZ & SYSTEME der Vorläuferkonferenz 2011 (Bauwelt 9.2011) war anlagen oder Wirkungsstätten von Politik und Staats- denkmals der wichtigste Aspekt seiner Erhaltungs- der Tagungsraum zum Bersten voll. „Sie alle sind der sicherheit zum Beispiel, daneben einige hochrangige, perspektive zu sein. Und dabei ging es einmal nicht FÜR DIE FASSADE VON COLT Rand, nicht die Mitte der Gesellschaft!“, erinnerte individuell konzipierte Sonderbauten. Sie wurden um am „falschen Ort“ errichtete Bauten, die der Re- der Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung Philip damals wegen der rasanten Überformung kompletter konstruktion ihrer Vorgänger im Wege stehen, son- ... Kurz das Publikum daran, dass der größte Teil der Stadtlandschaften in einer Art Schnellerfassung­ auf dern um die wirtschaftliche Attraktivität und demo- Bevölkerung die Nachkriegs- und im Besonderen die ihren potenziellen Denkmalwert untersucht. Erst seit grafische Entwicklung der Standorte. Die „coolen www.colt-info.de kurzem gerät auch die industrielle Serienproduktion jungen Denkmale“ in angesagten Metropolen ziehen in den Fokus der Denkmalpflege: die stadträumliche baukulturell interessierte Touristen, Immobilien­ inter­ ­­ Links: Detail der Stadthalle Cottbus, Aufnahme Aufenthaltsqualität einzelner Plattenbau-Ensembles – essenten und Architekten an. Deswegen konnten 2012; rechts: Pavillons der Stadtpromenade Cottbus, Aufnahme 2010, inzwischen abgebro- wie die oft präzise durchkomponierten Fußgänger­- die überaus kämpferisch auftretenden Berliner Denk- chen, Gelände liegt seither brach ­­zonen­ – oder die baukünstlerische Gestaltung einzel- malpfleger so viele Best-Practice-Beispiele zeigen – Fotos: Martin Maleschka ner Typenbauten. weshalb sich Mark Escherich, der Organisator der

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