Medizinische Hochschule Hannover

Institut für Klinische Pharmakologie Direktor: Professor Dr. med. Jens Jordan

Institut für Allgemeinmedizin Direktor: Professor Dr. med. Nils Schneider

Evaluation einer Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bei ambulanten Patienten

INAUGURALDISSERTATION zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Humanbiologie - Doctor rerum biologicarum humanarum - (Dr. rer. biol. hum.)

vorgelegt von

Friederike Laidig Apothekerin

aus Hannover

Hannover 2015

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 08.04.2016

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Christopher Baum Betreuer: Prof. Dr. med. Dirk O. Stichtenoth Kobetreuer: Prof. Dr. med. Nils Schneider

Referent: Prof. Dr. med. Dirk O. Stichtenoth Korreferent: Prof. Dr. med. Nils Schneider Korreferent: Prof. Dr. med. Roland Seifert

Tag der mündlichen Prüfung vor der Promotionskommission: 08.04.2016

Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Alves Prof. Dr. med. Dirk O. Stichtenoth Prof. Dr. med. Nils Schneider Prof. Dr. med. Roland Seifert

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis...... 3 Abkürzungsverzeichnis ...... 7 1 Einleitung ...... 9 1.1 Arzneimitteltherapiesicherheit ...... 10 1.1.1 Polypharmazie ...... 12 1.1.2 Selbstmedikation und Over-the-Counter-Präparate ...... 13 1.1.3 Arzneimittelversorgung im stationären und ambulanten Sektor ...... 14 1.2 Adverse Drug Events und Medikationsfehler ...... 15 1.2.1 Abgrenzungen der Arzneimitteltherapiesicherheit zu Pharmakovigilanz und Arzneimittelsicherheit ...... 16 1.2.2 Verordnungsfehler ...... 17 1.2.3 Ursachen von Medikationsfehlern ...... 18 1.3 Bestehende Maßnahmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit ...... 19 1.3.1 Nationale Maßnahmen ...... 19 1.3.2 Internationale Maßnahmen ...... 19 1.4 Hintergrund der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden” der Kaufmännischen Krankenkasse ...... 20 1.5 Zielsetzung der Arbeit ...... 21 2 Methoden ...... 22 2.1 Beschreibung der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ der Kaufmännischen Krankenkasse ...... 23 2.1.1 Der organisatorische Rahmen und der Ablauf der Maßnahme ...... 24 2.1.2 Die Durchführung eines telefonischen Gesundheitscoachings ...... 25 2.1.3 Übermittlung der Informationen an das Expertenteam ...... 26 2.1.4 Erstellung der Arzneimittelkonsile durch das Expertenteam ...... 27 2.1.5 Konsilversand ...... 32 2.1.6 Bearbeitung der Rückmeldungen der behandelnden Ärzte und Durchführung der telefonischen Beratungsgespräche ...... 33 2.1.7 Durchführung von Änderungen des Prozessablaufs während der Ausführung der Maßnahme ...... 33 2.2 Sammlung, Strukturierung und Kategorisierung der bei der Maßnahme anfallenden Daten.. 34 2.2.1 Ethik und Datenschutz ...... 34 2.2.2 Herkunft und Zusammensetzung der vorliegenden Daten ...... 36 2.2.3 Sammlung und Strukturierung der patientenbezogenen Daten ...... 37 2.2.4 Festlegen der Hauptkategorien für die potentiellen Verordnungsfehler der Medikationsanalysen ...... 38

Inhaltsverzeichnis

2.2.5 Festlegen der Unterkategorien der potentiellen Verordnungsfehler zur Sammlung und Strukturierung der Konsildaten ...... 39 2.2.6 Sammlung und Strukturierung der Daten zu Konsilen, Rückmeldungen und telefonischen Beratungsgesprächen ...... 48 2.3 Auswertung der Daten...... 49 2.3.1 Deskriptive Statistik ...... 49 2.3.2 Auswertung der patientenbezogenen Daten ...... 49 2.3.3 Auswertung der Konsildaten ...... 51 2.4 Bewertung der Zuverlässigkeit der kategorisierten Konsilergebnisse ...... 51 2.4.1 Erstellung eines Fragebogens und Durchführung der Befragung bei dem Expertenteam ...... 52 2.4.2 Auswertung der Fragebögen ...... 53 2.5 Bewertung des Schweregrads der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler ...... 53 2.5.1 Festlegen der Abstufungen der Schweregrade ...... 53 2.5.2 Durchführung der Schweregradeinschätzung nach der Delphi-Methode mit einem Expertenteam ...... 54 2.5.3 Auswertung der Fragebögen und Bestimmung des ermittelten Schweregrads eines jeden kategorisierten Verordnungsfehlers ...... 54 2.6 Beschreibung eines Risikoindexes aus der Schweregradeinstufung und dem Risiko der enthaltenen Arzneimittel ...... 55 2.6.1 Berücksichtigung des Arzneimittelrisikos je potentieller Verordnungsfehler ...... 57 2.7 Auswertung der Rückmeldungen ...... 58 3 Ergebnisse ...... 60 3.1 Patientenkollektiv...... 60 3.1.1 Personenbezogene Parameter wie Alter und Geschlecht ...... 60 3.1.2 Personenbezogene Parameter wie Body-Mass-Index und Nierenfunktion ...... 61 3.1.3 Medikation ...... 63 3.1.4 Diagnosen ...... 67 3.2 Konsile und Medikationsanalysen ...... 70 3.2.1 Übersicht über Konsilergebnisse ...... 71 3.2.2 Hauptkategorie Indikation ...... 73 3.2.3 Hauptkategorie Risikomedikamente ...... 77 3.2.4 Hauptkategorie Interaktion ...... 82 3.2.5 Hauptkategorie Kontraindikation ...... 86 3.2.6 Hauptkategorie Dosierung ...... 87 3.2.7 Hauptkategorie Dosisanpassung an die Nierenfunktion...... 93 3.2.8 Hauptkategorie Doppelverordnung ...... 96 3.2.9 Hauptkategorie Versorgungslücken...... 99

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Inhaltsverzeichnis

3.2.10 Selbstmedikation ...... 100 3.3 Ergebnisse der Fragebögen zur Bewertung der Zuverlässigkeit der Datenbasis der vorliegenden Verordnungsfehler ...... 104 3.4 Ergebnisse der Delphi-Methode zur Bestimmung des Schweregrads der potentiellen Verordnungsfehler ...... 105 3.4.1 Konvergenz der Stimmverteilung in den Delphi-Runden und Bildung eines Gruppenkonsenses ...... 105 3.4.2 Ergebnisse der Berechnung des Schweregrads der einzelnen Haupt- und Unterkategorien ...... 106 3.5 Ergebnisse der Berechnung des Risikoindexes der potentiellen Verordnungsfehler ...... 108 3.5.1 Übersicht zu den Risikoindexen der Hauptkategorien...... 108 3.5.2 Risikoindexe der Haupt- und Unterkategorien ...... 109 3.6 Rückmeldungen ...... 113 3.6.1 Rückmeldungen der behandelnden Ärzte...... 114 3.6.2 Inhalte der Zweitkonsile bei Beratungstelefonaten ...... 115 3.6.3 Meinung der rückmeldenden Ärzte zu der Maßnahme...... 115 4 Diskussion ...... 118 4.1 Evaluation der Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit ...... 118 4.2 Die einzelnen Elemente der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden" ...... 120 4.2.1 Das Expertenteam...... 120 4.2.2 Konsilerstellung ...... 120 4.3 Das Patientenkollektiv ...... 122 4.3.1 Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und Nierenfunktion ...... 122 4.3.2 Diagnosen ...... 123 4.3.3 Medikation ...... 124 4.4 Auswertungen der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler ...... 125 4.4.1 Hauptkategorie Indikation ...... 125 4.4.2 Hauptkategorie Risikomedikamente ...... 126 4.4.3 Hauptkategorie Interaktionen ...... 127 4.4.4 Hauptkategorie Kontraindikationen ...... 128 4.4.5 Hauptkategorie Dosierungen ...... 128 4.4.6 Hauptkategorie Dosisanpassung an die Nierenfunktion...... 129 4.4.7 Hauptkategorie Doppelverordnungen ...... 129 4.4.8 Hauptkategorie Versorgungslücke...... 130 4.4.9 Selbstmedikation ...... 131 4.5 Rückmeldungen der behandelnden Ärzte ...... 131 4.6 Bewertung der eigenen Methoden ...... 133 4.6.1 Methode der Zuverlässigkeit ...... 133 | 5

Inhaltsverzeichnis

4.6.2 Methode der Schweregradeinstufung ...... 134 4.6.3 Berechnung eines Risikoindexes ...... 135 4.7 Grenzen der Auswertung und Ausblick ...... 136 5 Zusammenfassung...... 138 6 Zusammenfassung (englisch) ...... 141 7 Abbildungsverzeichnis ...... 143 8 Tabellenverzeichnis ...... 145 9 Literaturverzeichnis ...... 147 10 Anhang ...... 158 Danksagung ...... 172 Lebenslauf ...... 173 Erklärung nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 der Promotionsordnung ...... 175

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Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

ABDA Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ACE Angiotensin-Converting-Enzym ADE Adverse Drug Event ADR Adverse Drug Reaction AkdÄ Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft AMG Arzneimittelgesetz AMP Arzneimittelbezogenes Problem AMTS Arzneimitteltherapiesicherheit AOK Allgemeine Ortskrankenkasse ATC anatomisch-therapeutisch-chemisches Klassifikationssystem ATHINA Arzneimitteltherapiesicherheit in Apotheken ATIS Arzneimitteltherapie-Informationssystem BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfR Bundesinstitut für Risikobewertung BMI Body Mass Index BVL Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit CDS Computerized Decision System CIRS Critical Incident Reporting System COPD Chronic obstructive pulmonary disease (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) CPOES Computerized Physician Order Entering System DDD Defined Daily Dose (definierte Tagesdosis) DMP Disease Management Program DRP Drug Related Problem GFR glomeruläre Filtrationsrate GKV Gesetzliche Krankenversicherung GKV WSG Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ICD-10-GM International Classification of Diseases, 10. Revision, German Modification HMG-CoA 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase HMR Home Medicines Review KHK Koronare Herzerkrankung KKH Kaufmännische Krankenkasse KVN Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen MDRD Modification of Diet in Renal Disease MFA Medizinische/r Fachangestellte/r MHH Medizinische Hochschule Hannover MUPS Multiple Unit Pellet System MUR Use Review NSAR Nichtsteroidale Antirheumatika | 7

Abkürzungsverzeichnis

NYHA New York Heart Association OTC Over the counter („über die Ladentheke verkauft") PEI Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel PTA Pharmazeutisch technische/r Assistent/in Rp Rezept SD Standard Deviation (Standardabweichung) SOP Standard Operating Procedure TAH Thrombozytenaggregationshemmer UAE Unerwünschtes Arzneimittelereignis UAW Unerwünschte Arzneimittelwirkung WHO World Health Organization

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Einleitung

1 Einleitung

Unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) sind ein häufiger Grund für Krankenhauseinwei- sungen, etwa 4,8 bis 5,3 % der Krankenhauseinweisungen erfolgen auf Grund eines UAE, bei älteren Patienten liegt dieser Prozentsatz mit 6 bis 15 % sogar noch höher (1-3). Etwa 1 % dieser UAE enden tödlich (4,5). Ein Teil der UAE ist unvermeidbar, da diese auch bei einer Arzneimitteltherapie bei sachgemäßer Anwendung auftreten, ca. 20 bis 67 % dieser UAE lassen sich jedoch vermeiden, da sie durch Medikationsfehler hervorgerufen werden (1,6-8). Medikationsfehler können während unter- schiedlicher Schritte des Medikationsprozesses auftreten (9): bei der Verordnung, der Übertragung, der Distribution, oder der Applikation des Arzneimittels (4). Im stationären Bereich findet dieser Prozess in einem abgegrenzten Areal statt, so dass die Anzahl der an der Verordnung eines Arznei- mittels beteiligten Personen und Professionen gering ist und die Kommunikationsabläufe direkt sind, der zeitliche Verlauf erstreckt sich meist über wenige Stunden. Im ambulanten Bereich ist der Weg des Arzneimittels von der Verordnung bis zur Applikation aufwendiger, da sich zwischen den einzel- nen Schritten des Medikationsprozesses mehrere, oft räumlich weit entfernte Schnittstellen, bei- spielsweise die Arztpraxis oder die Apotheke, befinden, und sich der zeitliche Rahmen auf mehrere Tage oder Wochen erstrecken kann. Die Schnittstellen im ambulanten Bereich sind häufig anfällig für ungewollte Veränderungen der Medikation, vor allem da es sich hierbei um die Aufteilung der Prozessschritte auf verschiedene Professionen und Gesundheitseinrichtungen sowie den Patienten selbst handelt (10). Während im stationären Bereich durch die direkte Arzneimittelversorgung in prospektiv und größer angelegten Studien auch auf Ursachen der Medikationsfehler eingegangen werden kann, ist im ambulanten Bereich auf Grund des komplexeren Versorgungswegs meist nur eine retrospektive, deskriptive Betrachtung von einzelnen Schritten des Medikationsprozesses möglich (11). Dabei ist die Erfassung von Medikationsfehlern im ambulanten Bereich ebenso bedeutsam wie im stationären Bereich. 13 % der ambulanten Patienten erleiden schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelereignisse (12) und 21 % der ambulanten UAE, die zu Krankenhauseinweisungen führten, wären vermeidbar gewe- sen (13). Zur Auswertung von Medikationsfehlern im ambulanten Bereich ist es wichtig, verschiedene Institutionen mit einzubeziehen, die am Medikationsprozess direkt oder indirekt beteiligt sind. Dazu gehören neben dem Patienten selbst die Arztpraxen, öffentliche Apotheken oder Krankenkassen, die je über wichtige Daten des Medikationsprozesses verfügen (14,15). Im Folgenden ist ein schematischer Verlauf eines ambulanten oder klinischen Medikations- prozesses aufgezeigt (Abb. 1).

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Einleitung

Abb. 1: Der ambulante/klinische Medikationsprozess in der Arzneimitteltherapie (MFA=medizinische/r Fachangestellte/r, Rp=Rezept, PTA=pharmazeutisch technische/r Assistent/in) (1,9,16).

1.1 Arzneimitteltherapiesicherheit

Arzneimitteltherapiesicherheit umfasst allgemein alle bereits ergriffenen und noch zu ergreifen- den Maßnahmen, die sich unterstützend auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch von Arzneimitteln auswirken, indem sie den Medikationsprozess optimieren und so das Auftreten unerwünschter Arzneimittelereignisse, insbesondere solcher, die durch Medikationsfehler verursacht werden, ver- ringern. So soll auch das Risiko des Patienten bei einer Arzneimitteltherapie minimiert werden (17). Der Begriff der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ist bereits seit einigen Jahren ein wichtiges Stichwort in Bezug auf eine möglichst risikoarme und mit Sicherheitsbarrieren versehene Verordnung und Verabreichung von Arzneimitteln im gesamten Medikationsprozess. 2005 wurde der erste "Deutsche Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie" durchgeführt (18), 2007 wurde erstmalig vom Bundesministerium für Gesundheit die Durchführung eines Aktionsplans für Arzneimitteltherapiesicherheit angekündigt (Aktionsplan 2008/2009, (19)). Die Anzahl der in Deutschland therapeutisch einsetzbaren Wirkstoffe und somit auch die Zahl der zugelassenen Arzneimittel steigen kontinuierlich. Derzeit verzeichnet das Bundesinstitut für Arznei- mittel und Medizinprodukte (BfArM) 101.612 verkehrsfähige Arzneimittel im Zuständigkeitsbereich des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte in Deutschland (Stand Juni 2015 (20)). Etwa die Hälfte dieser Arzneimittel sind als verschreibungspflichtige Arzneimittel nur mit ärztlicher Verordnung erhältlich (48,1 %), einige Arzneimittel können freiverkäuflich auch in Drogerien oder Reformhäusern erworben werden (32,6 %) und sind nicht an den Verkauf in einer Apotheke gebunden (Tab. 1).

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Einleitung

Anzahl Abgabeform Anteil % Tab. 1: Im Zuständigkeitsbereich des BfArM verkehrs- 33 108 freiverkäuflich 32,6 fähige Arzneimittel (Juni 2015) (20). 19 683 apothekenpflichtig 19,4 47 331 verschreibungspflichtig 46,6 1 477 betäubungsmittelrezeptpflichtig 1,5 13 sonderrezept(T-Rezept-)pflichtig < 0,1 101 612 gesamt

Allein im Jahr 2013 sind im Vergleich zum Vorjahr 2.085 neue Arzneimittel, die durch das BfArM zugelassen wurden, hinzugekommen (21). Die Anzahl der zugelassenen und neuzugelassenen Wirk- stoffe ist demgegenüber zwar geringer, allerdings kommt es durch unterschiedliche galenische For- mulierungen (Tabletten, Dragees, Kapseln, Infusionen, Salben, Tropfen), verschiedene Dosierungen und unterschiedliche generische Arzneimittel zu einer großen Vielfalt an verschiedenen Präparaten. Die Einführung der Rabattverträge im Jahr 2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbes in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV WSG) und die damit durch die Krankenkasse vorge- schriebene Abgabe eines bestimmten (generischen) Arzneimittelpräparats auf eine ärztliche Verord- nung hin (22), führt bei den Anwendern, vor allem bei älteren Personen, zu Verwirrungen, Verun- sicherungen und Fehlern beim Gebrauch der Arzneimittel (23). Eine Veränderung des Arzneimittels in Bezug auf Farbe oder Form kann sogar zu einem Einnahmestopp des Arzneimittels führen (24). Vor allem Patienten mit Risikofaktoren wie ein hohes Alter oder vorliegende Multimorbidität haben häufig einen komplexen Prozess der Arzneimittelverordnung durch viele parallel vorliegende Risiken und verordnende Ärzte (25,26). Die Übersichtlichkeit der Medikation sinkt auf Grund der Multimorbidität durch die parallele Einnahme vieler Arzneimittel, nicht selten werden diese von mehreren (Fach-) Ärzten verordnet, hinzu kommt die nicht ärztlich verordnete Selbstmedikation (14). Patienten nehmen eigenständig und zusätzlich Arzneimittel als Selbstmedikation ein, häufig ohne Kenntnis des oder der behandelnden Ärzte, so dass nicht ersichtlich ist, wie die komplette Medi- kation mit allen eingenommenen Arzneimitteln aussieht (27). Daher hat das Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen des Aktionsplans für Arzneimittel- therapiesicherheit 2013/15 (28), der bereits zum dritten Mal durchgeführt wird, einen einheitlichen Medikationsplan (Abb. 2) ausgearbeitet, der flächendeckend eingeführt werden soll (29). Über einen scannbaren Barcode oder die elektronische Gesundheitskarte selbst, findet die Kommunikation und die Übertragung der Informationen zwischen den verschiedenen Einrichtungen des Gesundheits- wesens statt (30). Eine so schriftlich festgelegte Medikation kann regelmäßig durch die Gesundheits- einrichtungen aktualisiert und gegebenenfalls um die Selbstmedikation ergänzt werden. Durch die Kenntnis des gesamten Medikationsplans bei Patient, Arzt, Apotheker und Pflegekräften können An- wendungsfehler und andere Medikationsfehler identifiziert und vermieden werden und das Risiko für das Auftreten unerwünschter Arzneimittelereignisse wird gesenkt (31). Der sogenannte bundes- einheitliche Medikationsplan wird derzeit unter anderem in Thüringen, Sachsen und Nordbayern

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Einleitung modell-erprobt (32), ab Oktober 2016 soll er für alle Patienten, die mehr als drei Arzneimittel ein- nehmen, verpflichtend sein (33).

Abb. 2: Muster des patientenbezogenene Medikationsplans, Version 2.0 mit Korrekturen vom 16.12.2014 (29).

1.1.1 Polypharmazie

Die Versorgung älterer Patienten mit Arzneimitteln gewinnt immer mehr Bedeutung. Im Jahr 1970 lag der Anteil von über 65-Jährigen an der Gesamtbundesbevölkerung bei 13,3 % und stieg von 14,9 % (1990) auf 20,9 % im Jahr 2013 an (34). Die gesetzlich versicherten Patienten über 65 Jahre haben 2012 im Durchschnitt 3,8 Einzeldosen an Arzneimitteln pro Tag eingenommen. Im Vergleich dazu nahmen Patienten zwischen 30 und 40 Jahren nur 0,8 Einzeldosen ein (35). Zur Beschreibung der Polypharmazie, das heißt der parallelen Einnahme von mehreren Arzneimitteln, sind verschie- dene Definitionen vorhanden, meist spricht man von einer Polypharmazie bei der Einnahme von fünf und mehr Arzneimitteln (36). Im Durchschnitt nehmen Patienten mit einer Polypharmazie etwa sieben bis neun Arzneimittel ein (37,38). Polypharmazie geht mit einem erhöhten Risiko für arznei- mittelbezogene Probleme (Drug Related Problems, DRP) oder unerwünschte Arzneimittel- wirkungen (UAW) einher, insbesondere Interaktionen sind häufiger zu finden als bei Patienten, die weniger als fünf Arzneimittel gleichzeitig einnehmen (38). Die Übersichtlichkeit der Medikation sinkt ebenfalls mit steigender Anzahl verordneter Arzneimittel.

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Einleitung

Auch der Begriff des „underprescribing“ (wörtlich: Unterverordnung) stellt eine wichtige Proble- matik dar: selbst bei einer Polymedikation älterer Patienten fehlen wichtige Arzneimittel, die für eine indikationsgerechte Medikation nötig wären (39). Die häufigsten Indikationen sind dabei Diabetes mellitus sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit verbunden die fehlende Einnahme von den Lipidstoffwechsel beeinflussenden Arzneimitteln, Antikoagulantien und Antihypertensiva (40). Dabei muss allerdings beachtet werden, dass das Verordnen in leitliniengerechter Art und Weise auch für Hausärzte eine besondere Herausforderung darstellt. Eine konsequente Therapie jeder einzelnen Diagnose des Patienten nach Leitlinien fordert das Ansetzen mehrerer Arzneimittel, das gegebenen- falls eine Polypharmazie noch unübersichtlicher machen würde (41,42). Ältere Menschen haben oft mehr als drei parallel vorliegende Erkrankungen, so dass das leitliniengerechte Verordnen eine Viel- zahl von Arzneimitteln mit sich bringen würde (43). Eine Polypharmazie kann durch Verschreibungskaskaden vergrößert werden, indem eine Neben- wirkung als eigenständiges Symptom angesehen und mit einem zusätzlichen Arzneimittel behandelt wird (44). Ein weiterer wichtiger Risikofaktor der Polypharmazie ist die Verordnung der Medika- mente durch mehrere (Fach-) Ärzte. Durchschnittlich verordnen 2,9 Ärzte je Patient Arzneimittel. Jeder weitere verordnende Arzt erhöht das Risiko des Auftretens unerwünschter Arzneimittelereig- nisse um 30 % (45).

1.1.2 Selbstmedikation und Over-the-Counter-Präparate

Unter dem Begriff „Selbstmedikation“ versteht man alle vom Patienten auf Eigeninitiative hin er- worbenen und eingenommenen Arzneimittel und Präparate, die der Prävention oder der Therapie von Krankheiten dienen (46). Präparate der Selbstmedikation sind als apothekenpflichtige Arzneimit- tel in Apotheken oder als freiverkäufliche Arzneimittel zusätzlich in Drogerien und Reformhäusern er- hältlich und unterliegen nicht der Rezeptpflicht (OTC-Arzneimittel = „Over-the-Counter“-Arzneimit- tel). Zur Selbstmedikation gehören auch Nahrungsergänzungsmittel sowie diätetische Lebensmittel, die nicht als Arzneimittel sondern als Lebensmittel gelten und daher nach der Definition des Bundes- instituts für Risikobewertung (BfR) frei von Nebenwirkungen sein müssen (47). Auch hier können ge- sundheitliche Schäden bei unsachgemäßem Gebrauch auftreten, allerdings sind auf europäischer Ebene bislang keine Höchstmengen festgelegt (48). Das BfR gibt Empfehlungen für Höchstmengen von Vitaminen und Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln an (49,50). Bei unsachgemäßer Anwendung wie Überdosierung oder der Kombination mit bestimmten ver- schreibungspflichtigen Arzneimitteln können auch Arzneimittel der Selbstmedikation schädlich sein und in seltenen Fällen gar zu Krankenhauseinweisungen führen (51). Die Anwendung der Präparate der Selbstmedikation durch den Patienten geschieht häufig ohne Kenntnis eines Arztes. Der Apothe- ker führt in diesem Fall die Beratung alleine durch. Da auch mit Arzneimitteln der Selbstmedikation

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Einleitung unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten können, ist die Kenntnis der Selbstmedikation und einer somit vollständigen Medikationsliste sehr wichtig und für die Arzneimitteltherapiesicherheit relevant (52).

1.1.3 Arzneimittelversorgung im stationären und ambulanten Sektor

Die Verordnung eines Arzneimittels wird im stationären Bereich durch den Stationsarzt vorge- nommen, der diese in der Patientenkardex dokumentiert. Die Auswahl der Arzneimittel geschieht nach der krankenhausinternen Arzneimittelliste. Das Stellen der Arzneimittel und die Applikation finden zu einem großen Teil durch die Pflegekräfte statt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der ambulanten und der stationären Arzneimittelversorgung besteht darin, dass im Krankenhaus keine Rabattverträge vorliegen, dies bedeutet, es findet keine bevorzugte Abgabe und Anwendung von Präparaten eines bestimmten Herstellers statt. Der Patient erhält außerdem bereits entblisterte Arzneimittel, ebenso werden Arzneimittel auch erstverordnet, so dass noch keine Gewöhnung an eine bestimmte Verpackung, Tablettenfarbe oder Tablettenform vorliegt. Im ambulanten Bereich werden je nach Krankenkasse, bei der der Patient versichert ist, und den zugehörigen Rabattverträgen dem Patienten bei längerfristig andauernder Verordnung Generika unterschiedlicher Firmen mitgegeben. Etwa 27 % der Tabletten, Kapseln oder Dragees verschiedener Generika desselben Wirkstoffes unterscheiden sich in der Form, 22 % in der Farbe der Arzneiform, bei 9 % der Arzneimittel ist nach dem Austausch des verordneten Arzneimittels einer bestimmten Firma in das rabattbegünstigte Arzneimittel keine Teilbarkeit mehr gewährleistet (53). Die verschie- denen äußeren Erscheinungsformen der Arzneimittel führen bei dem Patienten zu Verwirrung und in einem nicht absehbaren Maße zum Auftreten von Medikationsfehlern, und insbesondere bei älteren Patienten zu Handhabungs- oder Adherence-Problematiken (24). Ein Problem stellt auch die Schnittstelle zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor dar. Für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes werden etwa 36 % der Arzneimittel abgesetzt, andere angesetzt, 7 % der Arzneimittel ändern sich in ihrer Dosierung, und bei 6 % der Arzneimittel findet ein Wechsel auf einen anderen Hersteller statt (54). Bei der Entlassung des Patienten steigt die Zahl der verordneten Arzneimittel um etwa 18 % an, nur 66 % der Arzneimittel werden identisch durch den Hausarzt weiterverordnet (55). Bei 14 % der Patienten wird die Arzneimitteltherapie aus budgetären oder pharmakotherapeutischen Gründen nach der Entlassung unterbrochen (56). Eine gute Kommunikation zwischen Arzt, Krankenhaus und Apotheke kann Versorgungsdiskontinuitäten mindern (57).

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Einleitung

1.2 Adverse Drug Events und Medikationsfehler

Unter Adverse Drug Events (ADE, unerwünschte Arzneimittelereignisse, UAE) versteht man unerwünschte Ereignisse, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Gabe eines Arzneimittels auf- treten (9,58). Eine Kausalität wird dabei angenommen, ist im Einzelfall aber nicht bewiesen, da auch andere Ursachen vorliegen können. Ein Medikationsfehler kann an jeder Stelle des Medikationsprozesses auftreten. Dabei ist dieser nicht zunächst auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen, sondern findet seine Ursache meist im System und dem Ablauf des gesamten Prozesses (59). Das Modell, das die Entstehung von Medi- kationsfehlern treffend beschreibt, ist das sogenannte „Schweizer Käsescheibenmodell“ (60) (Abb. 3). Demzufolge gibt es für einen potentiellen Fehler verschiedene Sicherheitsbarrieren, die in einem normalen Prozess eingebaut sind, so dass der Fehler nicht auftreten kann. Fallen einzelne Sicherheitsmechanismen aus oder weg durch eine nicht sichere oder fehlerhafte Handlung oder an- dauernde, die Arzneimitteltherapiesicherheit gefährdende Umstände, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler auftritt, erhöht (61,62). Das Ziel bei der retrospektiven Fehleranalyse muss dabei sein, das Wegfallen der Barrieren zu identifizieren und gegebenenfalls andere Barrieren einzurichten, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler auftritt, gesenkt wird (60).

Abb. 3: Schweizer Käsescheibenmodell zur Beschreibung der Entstehung eines Medikationsfehlers, modifiziert nach Reason (60).

Ein Medikationsfehler ist vermeidbar, da er durch unsachgemäße Anwendung des Arzneimittels auftritt (63). Meist sind Medikationsfehler ohne Folgen, allerdings können sie in 1 % der Fälle zu einem unerwünschten Arzneimittelereignis (UAE) führen, und in 7 % stellen sie potentielle uner- wünschte Arzneimittelereignisse dar (9,64). Diese vermeidbaren UAEs lassen sich unter anderem auf Dosierungsfehler, Applikationsfehler oder nicht beachtete Interaktionen zwischen mehreren Arznei- mitteln zurückführen (9). Der Begriff der potentiellen unerwünschten Arzneimittelereignisse be- schreibt schädliche Reaktionen, die auf Grund eines erfolgten Medikationsfehlers hätten auftreten können, aber aus unterschiedlichen bestimmbaren oder nicht bestimmbaren Gründen doch nicht auftraten (16).

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Einleitung

Im deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) wird der Begriff „unerwünschte Arzneimittel- wirkung“ (UAW) als „Nebenwirkung“ bezeichnet. Durch eine Änderung des AMG in der 16. Novelle vom 28.06.2012 ist der Begriff „Nebenwirkung“ vergleichbar zu dem eines unerwünschten Arzneimit- telereignisses (UAE) definiert. Danach gehören neben den nicht vermeidbaren unerwünschten Wirkungen auch diejenigen Effekte zu den Nebenwirkungen hinzu, die „schädliche und unbeab- sichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel“ beinhalten, also solche, die infolge von Überdosierung, Fehlgebrauch oder Missbrauch auftreten können (Medikationsfehler) und nicht nur diejenigen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auftreten. Bei Tierarzneimitteln ist der Zusatz der bestim- mungsgemäßen Anwendung weiterhin erhalten (65-67). Die Unterschiede und Zusammenhänge zwischen den Begriffen Medikationsfehler, unerwünschtes Arzneimittelereignis und potentielles un- erwünschtes Arzneimittelereignis veranschaulicht die nachfolgende Abb. 4.

nicht vermeidbar

Medikationsfehler uner- wünschtes Arzneimittel- poten- ereignis tielle Abb. 4: Grafische Darstellung des Zusammenhangs zwischen uner- UAE wünschtem Arzneimittelereignis (UAE) unerwünschtes und Medikationsfehler, modifiziert Arzneimittelereignis, vermeidbar nach Morimoto (32).

1.2.1 Abgrenzungen der Arzneimitteltherapiesicherheit zu Pharmakovigilanz und Arzneimittelsicherheit

Die Pharmakovigilanz befasst sich mit der Erfassung, der Bewertung, dem Verständnis und der Prävention von unerwünschten Arzneimittelereignissen oder anderen arzneimittelbezogenen Problemen sowie allen zugehörigen Handlungen (Definition WHO 2014 (68)). Auch eine Spontaner- fassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen wird durchgeführt, da das Arzneimittelge- setz (AMG) diese Dokumentation und das Festlegen von Anordnungen zur Verminderung weiterer Gefährdungen vorsieht (69). Von den verschiedenen Berufsverbänden der Ärzte und Apotheker werden Spontanmeldesysteme unterhalten und die Arzneimittelkommissionen erfassen alle nach Zulassung der Arzneimittel auftretenden unerwünschten Ereignisse, die mutmaßlich mit dem Arznei- mittel in Zusammenhang stehen (70,71). Zuständige Bundesoberbehörden sind in allen Arzneimittel betreffenden Fällen das BfArM, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie das Bundesinstitut für Ver- braucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

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Einleitung

Die Arzneimittelsicherheit beschreibt alle Maßnahmen, die der Pharmakovigilanz zugehörig sind, und die notwendig sind, um ein Arzneimittel in seiner Sicherheit systematisch zu überwachen und den Zulassungsstatus des Arzneimittels so kontinuierlich zu erneuern (65). Arzneimittelbezogene Probleme (AMP, Drug Related Problems, DRP) sind Vorkommnisse, die potentiell oder tatsächlich den gewünschten Therapieerfolg mindern können (65,72). AMP beinhalten Medikationsfehler, uner- wünschte Arzneimittelereignisse und unerwünschte Arzneimittelwirkungen und werden in manchen Studien als Maß für identifizierte, problematische Situationen verwendet, die im Zusammenhang mit einem Arzneimittel stehen können (65).

1.2.2 Verordnungsfehler

Wie bereits beschrieben treten Medikationsfehler in verschiedenen Bereichen des Medikations- prozesses auf und lassen sich so auf unterschiedliche Arten klassifizieren. Sie können dabei auf jeder Stufe vermeidbare, unerwünschte Arzneimittelereignisse auslösen: im stationären Bereich machen Verordnungsfehler (Synonym: Verschreibungsfehler) mit 49 % den größten Anteil an vermeidbaren UAE aus neben den Übertragungs- (11 %), Distributions- (14 %), oder den Applikationsfeh- lern (26 %) (4). Verordnungsfehler sind Medikationsfehler, die während des Verschreibungsprozesses auf- tauchen. Ein Verordnungsfehler liegt dann vor, wenn das Ergebnis eines Verordnungsprozesses unbe- absichtigt eine signifikante Verminderung des therapeutischen Effekts auslöst oder eine Erhöhung des Schädigungspotentials hervorruft: „a clinically meaningful prescribing error occurs when, as a result of a prescribing decision or prescription writing process, there is an unintentional significant [1] reduction in the probability of treatment being timely and effective or [2] increase in the risk of harm when compared with generally accepted practice“ (73). Die häufigsten Fälle der Verordnungsfehler bilden Dosierungsfehler, dabei besonders Überdosierungen (41,8 %) und Unterdosie- rungen (16,4 %) (74). Verordnungsfehler können sich aber auch auf die fehlende Indikation für einen Wirkstoff, eine nicht beachtete Kontraindikation, eine fehlende Dosisanpassung an eine veränderte Nierenfunktion oder vorliegende, nicht erfasste Interaktionen beziehen (73). Um die Zahl der Verordnungsfehler zu reduzieren, gibt es bereits mehrere etablierte Ansatz- punkte. Eine Möglichkeit besteht in der Optimierung der Ausbildung von approbierten Fachkräften im klinisch-pharmakologischen oder klinisch-pharmazeutischen Bereich und anderen am Medika- tionsprozess beteiligten Professionen (1,75). Eine weitere Möglichkeit bietet die Verwendung elek- tronischer Hilfsmittel wie zum Beispiel der Eingabe ärztlicher Verordnungen in ein elektronisches Programm (Computerized Physician Order Entering System, CPOES) (76,77) sowie Software, die ärzt- liche Entscheidungen auf ihre Plausibilität hin überprüft und auf mögliche pharmakologische Pro- bleme wie Interaktionen hinweist (CPOES-CDS, computerized decision report) (78). Spontanmelde-

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Einleitung systeme (CIRS, Critical Incident Reporting Systems) ermöglichen es, auftretende Medikationsfehler anonym in eine Datenbank zur Sammlung und zur Auswertung für Fehlervermeidungsstrategien ein- zugeben (79). Besonders detailliert ist zudem der Ansatz von klinisch-pharmakologischen Experten- systemen: elektronische Ergebnisse aus Datenbanken und aktuellen Forschungsberichten werden durch eine persönliche Bewertung und das Erfahrungswissen klinisch-pharmakologischer Experten ergänzt und die verordnenden Ärzte individuell beraten (1). Ein Beispiel für ein solches klinisch- pharmakologisches Expertensystem stellt das Arzneimitteltherapie-Informationssystem ATIS dar (s. Kapitel 2.1.3).

1.2.3 Ursachen von Medikationsfehlern

Die Ursachen von Medikationsfehlern sind meist vielfältig, die Schwierigkeiten liegen oft im System begründet (60). Dies bedeutet, es sind nicht einzelnen Personen Unzulänglichkeiten zuzu- schreiben, sondern in der Regel liegt der Grund in Abläufen und im Prozess, oder dem vorherigen Auftreten von unerkannten Mängeln, die im letzten Schritt einen Medikationsfehler auslösen (62). Dabei können bei jeder Prozessstufe - Verschreibung, Übertragung, Distribution und Verabreichung - verschiedene Faktoren für das Auftreten von Medikationsfehlern verantwortlich sein, unter anderem Kommunikationsschwierigkeiten, Zeitmangel, das Arbeiten unter hohem Leistungsdruck, Defizite im Wissen, die Beteiligung mehrerer Professionen und Einrichtungen des Gesundheitswesens, Aufmerk- samkeits-, Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme (59). Ursachen von Verschreibungs- oder Übertragungsfehlern im ambulanten Bereich sind Wissens- defizite, Patientencharakteristika und deren Adherence, ebenso Kommunikationsschwierigkeiten, eine hohe Arbeitslast, Zeitmangel oder Unterbrechungen, sowie Konzentrationsprobleme oder elektronische Fehlfunktionen (80). Die Ursachen für Distributionsfehler in der öffentlichen Apotheke können eine falsch gelesene Verordnung sein (21 %), ähnliche Arzneimittelverpackungen (10 %), oder das Übernehmen der vorhergehenden Verordnung des Patienten aus seiner Kartei des Software- programms (8 %) (81). Eine erhöhte Arbeitslast oder Geschäftigkeit (33 %), Unterbrechungen des Arbeitsvorgangs durch Telefonanrufe (12 %) oder eine Unterbesetzung des Personals (12 %) sind oft Auslöser dieser Distributionsfehler (81). Handhabungs- und Verabreichungsfehler ergeben sich auch bei dem Patienten selbst, unter anderem haben 31 % der Patienten Schwierigkeiten beim Teilen von Tabletten (82), in 4 % der Fälle werden Tabletten geteilt, deren Teilung nicht vorgesehen ist (83). 10 % der Patienten geben Schwierigkeiten beim Öffnen der Arzneimittelpackung oder dem Ent- nehmen der Tablette aus der Blisterpackung an (84,85). Bei 31 % der Glaukom-Patienten bleiben Augentropfen äußerlich haften und erreichen nicht ihren Wirkort (86).

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Einleitung

1.3 Bestehende Maßnahmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit

1.3.1 Nationale Maßnahmen

Um die Sicherheit im Medikationsprozess zu erhöhen, haben in Deutschland insbesondere die Berufsverbände von Ärzten und Apothekern, einige Kostenträger im Gesundheitswesen, das Bundes- ministerium für Gesundheit sowie andere Organisationen Programme und Konzepte entwickelt, die das Auftreten von Medikationsfehlern untersuchen, die gesundheitlichen Risiken von Polymedikatio- nen mindern und schwerwiegende Folgeereignisse oder eine erhöhte Multimorbidität senken sollen. Einige Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse bieten einen Arzneimittelinformations- service an, bei dem sich Versicherte telefonisch durch Fachärzte und Apotheker über die richtige An- wendung oder über Nebenwirkungen und Kontraindikationen ihrer Medikamente sowie beispiels- weise über die Verordnung eines Arzneimittels aus der PRISCUS-Liste informieren können (87). Eine vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) finanzierte unabhängige Bera- tung für Patienten wird durch wissenschaftliche Mitarbeiter des klinisch-pharmakologischen Instituts der Universität Dresden durchgeführt (88). Des Weiteren führt das Bundesministerium für Gesundheit bereits zum dritten Mal einen Aktions- plan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (2013-2015) durch (89). Das „Aktionsbünd- nis Patientensicherheit e.V.“ befasst sich in der Arbeitsgruppe „Arzneimitteltherapiesicherheit“ mit der Bekanntmachung arzneimittelbezogener Risiken und stellt Materialien als Arbeitshilfen zur Ver- fügung (90). In vier Bundesländern führen Apothekerkammern im Rahmen des „ATHINA-Projektes“ Schulungen von Apothekern für die Durchführung eines sogenannten Brown-Bag-Reviews durch (91,92). Die AOK PLUS begann im April 2014 die Umsetzung eines Modellprojekts mit dem Apothekerverband und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Thüringen, um durch eine Wirk- stoffverordnung und ein Medikationsmanagement Fehlmedikationen bei chronisch kranken Patien- ten zu vermeiden (93). Die hausärztliche Leitlinie „Multimedikation“, erstellt von der Leitliniengruppe Hessen, gibt Emp- fehlungen für den Umgang mit Polymedikationen heraus, insbesondere für älteren Patienten (94). Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) führt seit Beginn 2015 ein Programm zur Erfassung und Bewertung von Medikationsfehlern über Spontanmeldesysteme durch (95). Dieses Programm steht in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM), das über ein Jahr Medikationsfehler in Krankenhausnotaufnahmen erfasst (96).

1.3.2 Internationale Maßnahmen

In England wird die Ausarbeitung von Medication Use Reviews (MUR) für Patienten angeboten, die eine Polymedikation erhalten und an chronischen Krankheiten leiden. Diese Reviews werden er- | 19

Einleitung arbeitet, um eventuelle medikationsbezogene Probleme in einem Gespräch zwischen dem Apotheker und dem zugehörigen Hausarzt zu erörtern. Der Patient erhält ebenfalls einen Medikationsplan, ein MUR kann einmal jährlich abgerechnet werden (97). In Australien führen Hausarzt und Apotheker gegen eine Vergütung einen Home Medicines Review (HMR) durch. Der Patient wird in seinem häuslichen Umfeld vom Apotheker besucht, der eine Medikationsanalyse durchführt und bei dem Patienten aufkommende Unklarheiten bezüglich der Medikation an seinen Hausarzt weiterleitet (98,99). Eine Kampagne des schweizerischen Apothekerverbands bietet Polymedikations-Checks für Patienten mit mehr als vier Arzneimitteln als pharmazeutische Dienstleistung an. Bei der Kranken- kasse kann diese Leistung bis zu zwei Mal im Jahr abgerechnet werden (100). Von der World Health Organisation (WHO) wurde im Jahr 2007 das Programm „High 5s" initiiert, dieses sollte ursprünglich fünf herausfordernde Sicherheitsaspekte von Patienten in fünf Ländern über fünf Jahre hinweg signifikant verbessern (101). In den inzwischen sieben beteiligten Ländern, auch in Deutschland, sollen standardisierte Handlungsempfehlungen (SOPs) entwickelt werden, die die Sicherheit des Patienten unter anderem im Bereich „Medication Reconciliation" (deutsch: „Medi- kationsabgleich") an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung ver- bessern (102,103).

1.4 Hintergrund der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden” der Kaufmännischen Krankenkasse

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) bietet Versicherten, die von chronischen Erkrankungen, beispielsweise Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 oder koronarer Herzkrankheit (KHK) (104) betroffen sind, interaktive Program- me, sogenannte Disease-Management-Programme (DMP) zur Betreuung an (104). Diese sollen den Patienten informieren und zu präventiven und kurativen Aktionen ermuntern. Die Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ ist Angebot für Versicherte, die bereits in ein solches Disease- Management-Programm involviert sind, oder auf Grund der parallelen Einnahme von fünf und mehr Arzneimitteln ein erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung aufweisen. Das Ziel der Maßnahme ist es, die Arzneimitteltherapiesicherheit von Patienten mit einer Multi- morbidität und der damit verbundenen Polypharmazie in ambulanter Behandlung zu erhöhen. Die Maßnahme soll dazu dienen, den Patienten aktiv in den Prozess der Medikation einzubeziehen, ihn bei der Bewältigung der mit den Erkrankungen verbundenen Konsequenzen zu unterstützen und so Risiken und unerwünschte Folgen der Arzneimitteltherapie zu verringern. Nach Abschluss der aktiven Phase (s. Kapitel 2.1.2) füllen die Patienten einen Fragebogen aus, der die Verbesserung der Lebens-

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Einleitung qualität einbezieht und der durch die Krankenkasse auswertet wird. Folgende zwei Kernelemente der Maßnahme sollen dabei Auswirkungen auf das Befinden und die Lebensqualität der Patienten haben: (1) ein individuelles telefonisches Gesundheitscoaching, das kontinuierlich über einen Zeitraum von 12 Monaten durchgeführt wird. Dabei beraten Gesundheitscoaches den Patienten zu seinen Erkrankungen und Arzneimitteln. (2) ein klinisch-pharmakologisches Expertenteam, das schriftliche Arzneimittelkonsile erstellt, die an den behandelnden Arzt des Patienten weitergeleitet werden. Dieser kann durch einen Rückruf eine Beratung zu dem empfangenen Arzneimittelkonsil erhalten. So werden eventuell aufgedeckte potentielle Risiken der Medikation durch Veränderungen in der Verordnung verringert.

1.5 Zielsetzung der Arbeit

Die in Kapitel 1.3 beschriebenen Konzepte und Programme sind zeit-, ressourcen- und kostenin- tensiv. Daher ist es notwendig, einzelne Programme wissenschaftlich auszuwerten, um ihren Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit qualitativ oder quantitativ bestimmen zu können. In dieser Arbeit wurde die oben skizzierte Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ be- schrieben und systematisch evaluiert. Evaluation bedeutete in dieser Arbeit, die Daten und Ergeb- nisse zusammenzutragen, die bei den Medikationsanalysen und zum teilnehmenden Patientenkollek- tiv angefallen sind, sie durch geeignete Methoden zu kategorisieren und durch eine Risikobewertung in einen Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapiesicherheit zu stellen. Konkrete Änderungen der Medikation konnten im Rahmen der Auswertungen nicht weiter untersucht werden, da in der Projektplanung der Krankenkasse ein Follow-up fehlte, und daher Aussagen zu den Medikations- änderungen nicht in ausreichender Qualität sichergestellt werden konnten. Im Einzelnen gehörten folgende Bestandteile zur Evaluation dazu:  Beschreibung eines ambulanten Patientenkollektivs mit Multimorbidität und Polypharmazie,  die Sammlung und Strukturierung der identifizierten risikoreichen Medikationen aus dem Ver- lauf der Maßnahme sowie die Kategorisierung der potentiellen Verordnungsfehler,  die Einschätzung der möglichen risikoreichen Auswirkungen für den Patienten durch die Er- mittlung eines Schweregrads und die Ableitung eines Risikoindexes,  die Möglichkeit, Kontakt zu den behandelnden Ärzten herzustellen, um eine Beratung zu den ermittelten potentiellen Verordnungsfehlern zu realisieren. Aus diesen Kriterien sollten Schlussfolgerungen gezogen und Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

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Methoden

2 Methoden

Zur Evaluation der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ wurde diese zunächst detailliert beschrieben und in ihren genauen Abläufen betrachtet, um so sicherzustellen, dass alle wesentlichen Aspekte der Maßnahme für eine Auswertung erfasst wurden. Anschließend wurden die teilweise in Textform und unstrukturiert vorliegenden Daten schrittweise, durch verschiedene in der Literatur gefundene Methoden gruppiert und klassifiziert, so dass sie für eine Auswertung verwendbar wurden. Angewendete Methoden waren dabei zum einen die Einstufung der Zuverlässigkeit der Richtigkeit des vorliegenden Datenmaterials, zum anderen das Delphi-Verfahren zur Bestimmung eines Schweregrads der vorliegenden potentiellen Verordnungsfehler, sowie die Berechnung eines Risikoindexes zur Einschätzung der potentiellen Auswirkungen der Verordnungsfehler. Da es sich bei der Evaluation nicht um die prospektive Betrachtung eines Patientenkollektivs oder einer durchzuführenden Intervention handelte, sondern um die retrospektive Darstellung und Be- schreibung der Maßnahme, die in einer Routinetätigkeit durch- und weitergeführt wurde, konnten Methoden nachträglich ermittelt und auf die Daten angewendet werden. Es wurden hauptsächlich deskriptive statistische Verfahren angewendet und oben genannte etablierte Methoden aus der Literatur an die bestehenden Sachverhalte angepasst. In Abb. 5 ist der schematische Ablauf der Evaluation dargestellt:

Abb. 5: Einzelne Aspekte zur Evaluation der Maßnahme "Arzneimittel sicher anwenden".

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Methoden

Den Kernteil der Evaluation bildete die Auswertung der Medikationsanalysen (Konsilergebnisse), die im Verlauf der Maßnahme erstellt wurden. Die Ergebnisse der Medikationsanalysen wurden zu- nächst zur besseren Auswertung in acht Haupt- und 33 Unterkategorien eingeteilt. Grundlage dieser Kategorien bildeten Literaturangaben und Vorgaben der Krankenkasse, die diese dem Expertenteam für die Erstellung der Medikationsanalysen während des Ablaufs der Maßnahme zur Verfügung ge- stellt hatte. Auf der Basis dieser kategorisierten Medikationsanalysen wurden eine Bestimmung der Zuverlässigkeit, eine Schweregradeinschätzung und eine Risikobewertung durchgeführt.

2.1 Beschreibung der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ der Kaufmännischen Krankenkasse

Die Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) bestand in ihrer Organisationsstruktur wesentlich aus folgenden drei Teilbereichen (Abb. 6):

Medikationsanalyse/ klinisch-pharmako- Gesundheitscoaching Erstellung eines Konsils logische Beratung

A B C

Abb. 6: Die drei Teilbereiche der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden" der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH).

A: telefonisches Gesundheitscoaching der teilnehmenden Patienten, das durch ausgebildete Krankenpflegekräfte der Krankenkasse durchgeführt wurde B: Medikationsanalyse der Arzneimittel der Patienten und die Erstellung eines Konsils durch ein klinisch-pharmakologisches Expertenteam des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) C: telefonische klinisch-pharmakologische Beratung des behandelnden Arztes, wenn dieser sich nach Erhalt des Konsils zurückmeldete, durchgeführt durch die Mitglieder des klinisch- pharmakologischen Expertenteams

Nachfolgende Abb. 7 zeigt den Ablauf der Maßnahme der Kaufmännischen Krankenkasse. Nach dem Einverständnis der Versicherten zur Teilnahme an der Maßnahme, welches durch die Kranken- kasse eingeholt wurde, wurden diese einem Versorgungszentrum in Halle oder München zugeordnet und erhielten ein regelmäßiges telefonisches Gesundheitscoaching von geschulten Gesundheitsbera- tern. Diese erfragten bei dem Patienten Informationen zu vorliegenden Erkrankungen und der aktu- ellen Medikation, die an das Expertenteam zur Auswertung übermittelt wurden. Aus diesen Daten erstellte das Expertenteam ein Konsil, das auf Weg A an den Patienten gesendet wurde, der es bei seinem nächsten Termin an seinen behandelnden Arzt weiterleitete. Nach der Hälfte des Evalua- tionszeitraums konnte auch Weg B durch den Patienten gewählt werden, wobei das Konsil nach Ein- | 23

Methoden verständnis des Patienten direkt an den Arzt versendet wurde. Es bestand die Möglichkeit einer klinisch-pharmakologischen telefonischen Beratung des Arztes durch das Expertenteam.

Gesundheitscoach (KKH) KKH Expertenteam (MHH)

Rekrutierung der Versicherten mit > 5 Medikamenten

Einholung einer Teilnahmeeinwil- ligung, Aufnahme der Versicher- ten in das Gesundheitscoaching Durchführung von 3 – 4 tele- fonischen Coachinggesprächen

Erstellung des Gesundheits- und Risikoberichts aus Diagnose- und Medikationsdaten, Versand der Informationen an das Expertenteam Auswertung der Informationen, Medikationsanalyse und Erstellung des Arzneimittel- konsils (Erstkonsil)

Versand des Erstkonsils A B Weiterleitung des Erstkonsils an den Gesundheitscoach Arzt Erhalt des Weiterleitung des Erstkonsils an Erstkonsils den Patienten (zur Weitergabe an den behandelnden Arzt) Empfang des Telefonanrufs des Arztes, Beratung zu Erstkonsil

Weiterführung des Gesundheitscoachings bis zur Dauer von einem Jahr

Abb. 7: Schematischer Ablauf der Maßnahme "Arzneimittel sicher anwenden" der Kaufmännischen Krankenkasse (185).

2.1.1 Der organisatorische Rahmen und der Ablauf der Maßnahme

Den Rahmen der Maßnahme bildete ein individuelles telefonisches Gesundheitscoaching, das von ausgebildeten Pflegekräften der Krankenkasse durchgeführt wurde. Über einen Zeitraum von 12 Monaten und in einem Intervall von etwa sechs Wochen wurden Telefongespräche mit den teil- nehmenden Versicherten durchgeführt. Detaillierte Inhalte der Gespräche standen für die Evaluation nicht zu Verfügung. Die Themen dieser Gespräche waren vor allem die Schulung des Versicherten in | 24

Methoden seinem Krankheitsverständnis und die Motivation zu präventiven und gesundheitsfördernden Verhaltensweisen. Der Patient sollte bestärkt werden, regelmäßig Blutdruck-, Blutzucker- oder Körpergewichtswerte zu messen, sowie Empfehlungen zu Pflege-, Bewegungs- oder Ernährungs- programmen nachzukommen. Ebenso wurden die Arztbesuche mit dem Patienten vorbereitet, um mehr Eigeninitiative im Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu erreichen, sowie Gesundheits- broschüren zugesandt, die über die bestehenden Erkrankungen informierten. Die Versicherten und ihre Daten wurden durch ein krankenkasseninternes Screening des gesam- ten Versichertenpools nach einem krankenkasseneigenem Risikoalgorithmus herausgefiltert. Mitar- beiter prüften, ob die Versicherten für ein Gesundheitscoaching im Rahmen der Maßnahme „Arznei- mittel sicher anwenden“ in Frage kamen. Das Auswahlkriterium der Krankenkasse war eine Polyme- dikation mit der parallelen Einnahme von mindestens fünf Arzneimitteln und die Übereinstimmung der Versichertendaten mit dem internen Algorithmus, der individuelle Risikofaktoren für eine Krankenhauseinweisung oder dem Auftreten unerwünschter Arzneimittelereignisse abschätzte. Bei einer parallelen Einnahme von mehr als 12 Arzneimitteln wurde der Versicherte ohne vorherige Überprüfung des Algorithmus direkt zu einer Teilnahme an der Maßnahme angefragt. Ausgeschlos- sen von der Teilnahme waren Versicherte mit einer Krebsdiagnose, Patienten in stationärer Pflege sowie Patienten mit einer Dialysepflicht. Der Risikoalgorithmus wurde in einer eigenständigen Disser- tation beschrieben (105). Nach einem Akquise-Anruf durch den Gesundheitscoach und dem Unter- schreiben einer Teilnahmeerklärung wurden die zeitlichen Abstände der Telefonanrufe mit dem Ver- sicherten festgesetzt.

2.1.2 Die Durchführung eines telefonischen Gesundheitscoachings

Während des Coachingzeitraums wurden die Versicherten in festgelegten Abständen von ihrem Gesundheitscoach kontaktiert. Vergleichbare Programme sind im deutschen Gesundheitswesen noch nicht etabliert worden, der Ansatz des Telefoncoachings wurde aus den Vereinigten Staaten über- nommen, wo diese Art der Prävention bereits seit einigen Jahren durchgeführt wird (106). In den telefonischen Beratungsgesprächen wurde zunächst ein persönliches Vertrauensverhältnis zu dem Versicherten aufgebaut. Der Versicherte konnte Fragen und Probleme zu seinen Gesundheitszustand oder zu bestimmten Behandlungen mit seinem Gesundheitscoach besprechen. Nach dem dritten oder vierten Gespräch erfolgte die Anfrage durch den Coach, ob der Versicherte seine bestehende Polymedikation durch ein unabhängiges, wissenschaftliches Expertenteam begutachten und auf As- pekte der Arzneimitteltherapiesicherheit hin überprüfen lassen möchte. Bei Teilnahmebereitschaft bestätigte der Versicherte dies durch das Ausfüllen einer weiteren Teilnahmeerklärung. Durch diese wurden das Expertenteam, der Gesundheitscoach, sowie der vom Patienten angegebene behandeln- de Arzt von der Schweigepflicht zum Austausch der für eine Medikationsanalyse erforderlichen Infor-

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Methoden mationen untereinander entbunden. Nach einem Zeitraum von zwölf Monaten war das aktive Gesundheitscoaching abgeschlossen und die Gesundheitsberatung konnte als sogenanntes „Papier- coaching" weitergeführt werden, wofür der Versicherte in passiver Betreuung verweilte und weitere Informationen zu seiner Erkrankung, sowie, falls erforderlich, individuelle Nachbetreuungsanrufe durch den Gesundheitscoach erhielt; es konnte jederzeit ein Wiedereintritt in eine aktive Phase der regelmäßigen telefonischen Betreuung erfolgen. Die Patienten wurden in einem ausführlichen Frage- bogen (s. Anhang Tab. A1) zu den Auswirkungen des Coachings auf ihre Lebensqualität, ihr Gesund- heitsverhalten, ihr Wissen in Bezug auf ihre Arzneimitteltherapie, ihre Medikamenteneinnahme sowie die Zufriedenheit mit der Maßnahme und der Gesundheitsberatung befragt. Die ausführlichen Auswertungen dazu wurden als interne Bewertung der Maßnahme durch die Krankenkasse selbst durchgeführt (107). In nachfolgender Abb. 8 ist ein schematischer Verlauf der einzelnen Phasen des Gesundheitscoachings zusammengefasst:

regelmäßig Zeitpunkt 0 1 bis 2 Jahre unbegrenzt nach 1 und 2 Jahren

Abb. 8: Schematischer Ablauf des Gesundheitscoachings der KKH (108).

2.1.3 Übermittlung der Informationen an das Expertenteam

Um die Polymedikationen beurteilen zu können, erfragten die Gesundheitscoaches beim Patienten Informationen zu den eingenommenen Arzneimitteln und bestehenden Diagnosen. Weitere vom Patienten angegebene Informationen wie Laborparameter oder zugesandte Arztbriefe sowie während des Gesprächsverlaufs gespeicherte Informationen aus der Coaching-Software wurden gemeinsam mit einer Medikationsliste als „Gesundheitsbericht“ und als „Risikobericht“ mit Diagnosen, Laborwerten, Puls, Körpergewichts- und Blutdruckmessungen an das Expertenteam des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) weitergegeben. Diese Übermittlung geschah zu Beginn der Maßnahme postalisch in Papierform, im weiteren Verlauf der Maßnahme erfolgte die Weitergabe in elektronischer Form als pdf-Dokument durch ein Aus- tausch-Netzlaufwerk. Alle Konsile und die Ergebnisse der klinisch-pharmakologischen Beratungen sowie die ausführlichen Ergebnisse der Medikationsanalysen wurden der Krankenkasse für eigene Auswertungen zur Verfügung gestellt. Wurde ein Kurzkonsil, durch den Patienten übermittelt, versandt, erhielt der Patient auch eine Kopie des Kurzkonsils. Bei Versand eines Direktkonsils erhielt der Patient zum Zeitpunkt des Versands an den behandelnden Arzt ein Informationsschreiben, dass das Direktkonsil abgeschickt worden war.

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Methoden

Bei der telefonischen Rückmeldung des Arztes wurde ein Beratungsgespräch auf der Basis des zu- vor verfassten Arzneimittelkonsils und der dokumentierten Ergebnisse durchgeführt. Das Gespräch wurde von einem Arzt des Expertenteams durchgeführt. Alle kritischen dokumentierten Medikatio- nen wurden angesprochen und mit dem behandelnden Arzt auf ihre Relevanz hin überprüft. Dabei wurde abgeklärt, ob Diagnosen existierten oder ob eine bei Konsilerstellung vorliegende Information bereits überholt war. Es wurde abschließend eine schriftliche Zusammenfassung des Gesprächs er- stellt und dem behandelnden Arzt in Briefform als abschließende Empfehlung (Zweitkonsil) zuge- sendet. Eventuell anstehende Änderungen der Medikation wurden nicht systematisch abgefragt. Es erfolgte eine regelmäßige Erfassung von Medikationsänderungen durch die Gesundheitscoaches, allerdings konnte eine gezielte Befragung zum Konsil nicht durchgeführt werden, da ein Eingreifen des Gesundheitscoaches nicht stattfand und Arzt und Patient ohne „Druck“ entscheiden sollten. Lediglich Rückfragen wurden durch den Gesundheitscoach geklärt mit Verweis auf den be- handelnden Arzt (109). Das Expertenteam bestand aus einem habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie, zwei Assistenzärzten in der Weiterbildung zum Facharzt für Klinische Pharmakologie und einem Apotheker. Die Ärzte des Expertenteams waren zudem in die klinisch-pharmakologische Beratungs- tätigkeit des Arzneimitteltherapie-Informationssystems (ATIS) eingebunden und konnten somit auf bereits vorhandene Erfahrung in Bezug auf komplexe Fragestellungen der Arzneimitteltherapie- sicherheit zurückgreifen. Das ATIS bietet niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Niedersachsen sowie angestellten Ärzten der MHH und angeschlossener Lehrkrankenhäuser einen klinisch-pharma- kologischen Informationsdienst zu Arzneimitteltherapiefragen in Zusammenarbeit mit der Kassen- ärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) an (110).

2.1.4 Erstellung der Arzneimittelkonsile durch das Expertenteam

Die inhaltliche Grundlage für die Erstellung eines Konsils bildete eine durch die Krankenkasse für die Maßnahme festgelegte Zielsetzung für das Expertenteam als „Senkung von Arzneimittelrisiken und Leistungsausgaben für Arzneimittel durch eine pharmakoökonomische Optimierung der Arzneimitteltherapie“ (111). Mit mehreren Unterpunkten beinhaltete diese Zielsetzung Vorschriften, die bei der Medikationsanalyse zur Risikoreduktion der vorliegenden Polymedikation zu berücksich- tigen waren. Bei der Erstellung der Konsile war eine wichtige Anforderung, dass trotz der herauszu- arbeitenden Risiken weder der behandelnde Arzt noch der Versicherte verunsichert oder das Arzt- Patienten-Verhältnis gestört werden sollte. Aus den Medikationsanalysen sollten konkrete Hand- lungsempfehlungen für den behandelnden Arzt abgeleitet werden. Neben den durch die Kranken- kasse übermittelten patientenbezogenen Daten wie

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Methoden

 Alter, Geschlecht, Body-Maß-Index (BMI), vorliegende Laborparameter wie z.B. Harnsäure- Werte, Serum-Kalium-Werte, Serum-Kreatinin-Werte,  Diagnosen,  genaue Medikation (Präparat) mit Dosierung mit der Angabe eingenommener Präparate der Selbstmedikation, waren die nachfolgenden Punkte in der Zielsetzung benannt und wurden zur Bearbeitung der vorliegenden Daten und Ausarbeitung der arzneimittelbezogenen Risiken herangezogen:  Reduktion der Multimedikation auf möglichst weniger als 13 oder optimal weniger als neun Wirkstoffe,  Reduktion der Anzahl an Risikoarzneimitteln (Arzneimittel der PRISCUS- (112) und der Beers- Liste (113)),  Reduktion von Arzneimittelinteraktionen,  Reduktion von Medikationsfehlern in den Bereichen Indikation, Kontraindikation, Allergie, Dosierung, Dosisanpassung an Alter und Organfunktion, Doppelverordnungen,  Erkennen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen,  Aufzeigen von Versorgungslücken und Empfehlung von nicht vorliegenden indizierten Arzneimitteln,  pharmakoökonomische Optimierung durch die Auswahl von Arzneimitteln der Selbstmedikation. Auf der Basis dieser vorgegebenen Richtlinien erstellte das Expertenteam eine Standard Operating Procedure (SOP), die sowohl das inhaltliche, als auch das administrative Vorgehen zur Dokumentation und dem Versand der Medikationsanalysen beschrieb. Die Ausarbeitung der Medika- tionsanalysen nach den oben beschriebenen Punkten erfolgte zunächst durch einen Assistenzarzt oder Apotheker. Um die notwendigen Recherchen durchzuführen, verwendete das Expertenteam folgende Datenbanken:  Interaktionsdatenbanken: Micromedex® (114), AiDKlinik® (115), Lexi-Interact® (116)  aktuelle wissenschaftliche Publikationen: PubMed® (117), UpToDate® (118)  Fachinformationen der einzelnen Arzneimittel: Fachinfo-Service® (119) Die Ergebnisse der Recherchen wurden individuell bewertet. Jede endgültige Beurteilung wurde mindestens nach dem Vier-Augen-Prinzip durch einen Assistenzarzt oder einen Apotheker und durch einen habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie erstellt. Jede abschließende Freigabe er- folgte durch den habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie. Alle Konsilergebnisse wurden vom Expertenteam stichwortartig oder als Fließtext in eine Excel-Tabelle eingefügt. Der ab- schließende Bericht (Synonym: Konsil, Arzneimittelkonsil, Erstkonsil) wurde elektronisch festgehalten und zur Übermittlung an den Patienten oder behandelnden Arzt ausgedruckt. Folgende Aspekte spielten für die Erstellung der Konsile eine Rolle: | 28

Methoden

(I) Indikation Für jedes Arzneimittel auf dem Arzneimittelmarkt in Deutschland wurde durch das Zulassungsver- fahren vom Hersteller geprüft und belegt, dass dieses für die gemeldeten Indikationen wirksam, in Bezug auf seine Sicherheit unbedenklich ist und die dafür erforderliche pharmazeutische Qualität be- sitzt (120). Die Indikationen für das Arzneimittel sind in der zugehörigen Fachinformation festgehal- ten (119). Weiterhin geben Fachgesellschaften Leitlinien zur Arzneimitteltherapie als Empfehlungen für die Anwendung der Arzneimittel bei bestimmten vorliegenden Erkrankungen heraus (121). Unter Berücksichtigung der aktuellen Studienlage kann somit eine evidenzbasierte Arzneimitteltherapie durchgeführt werden (122).

(II) Risikomedikamente Die Zahl älterer Menschen in Deutschland steigt kontinuierlich. Im Jahr 2030 wird der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre im Vergleich zum Jahr 2011 von 20 % auf 29 % angestiegen sein (123). Eine Auflistung risikoreicher Arzneimittel, die für ältere Menschen über 65 Jahre zu verstärkten uner- wünschten Wirkungen führen können wie beispielsweise einer vermehrten Sturzgefahr oder dem Auftreten deliranter Symptome, findet sich in der PRISCUS-Liste (112). Die Anwendung dieser Arznei- mittel sollte nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, wenn das Absetzen oder der Aus- tausch des Arzneimittels durch einen risikoärmeren Wirkstoff nicht möglich ist. Eine andere Zusam- menstellung risikoreicher Medikamente für ältere Menschen findet sich auf der aus den USA stam- menden Beers-Liste (113). Einige Medikamente dieser Liste sind in Deutschland nicht zugelassen, wiederum finden sich in Deutschland zugelassene Medikamente nicht auf der Liste, da sie für die USA keine Zulassung besitzen, daher ist diese Auswahl nur bedingt auf den deutschen Arzneimittelmarkt übertragbar.

(III) Interaktionen Das Risiko des Auftretens von Interaktionen steigt mit zunehmender Zahl eingenommener Arznei- mittel. Die Konsequenz von Interaktionen kann vielfältig sein, zum Beispiel Wirkabschwächungen, fehlende Wirksamkeit des Arzneimittels oder auch Wirkverstärkungen (124). Im Fall einer verminder- ten oder ausbleibenden Wirkung wird die Krankheit nicht oder nicht ausreichend behandelt, es können Komplikationen auftreten oder der Heilungsprozess kann verzögert werden, im Fall verstärk- ter Wirkungen kann es zu Überdosierungen oder vermehrten Nebenwirkungen kommen. Weitere Effekte sind unter anderem Veränderungen der Blutdruck- oder Laborwerte. Interaktionen können nach verschiedenen Schweregraden und nach klinischer Relevanz eingeteilt werden. Elektronische Datenbanken speichern eine Vielzahl an Wechselwirkungen, die dann an- schließend durch den behandelnden Arzt, der Patientenhistorie und -umstände genau kennt, in ihrer Relevanz eingeschätzt werden müssen. In vielen Arztpraxen und in allen Apotheken befinden sich be- | 29

Methoden reits Computerprogramme mit Interaktionsdatenbanken (125,126). Viele Interaktionen bedürfen keiner besonderen Handlung, allerdings ist meist das Wissen um eine bestehende Interaktion not- wendig, um eventuelle Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen oder ein entsprechendes Monitoring zu veranlassen.

(IV) Kontraindikationen Die Anwendung von Arzneimitteln bei einer gegebenen Indikation und einer gleichzeitig vor- liegenden Gegenanzeige darf nicht vorgenommen werden. Es wird in der Theorie zwischen absoluten und relativen Kontraindikationen unterschieden (127).

(V) Dosierung Richtdosen der Arzneimittel sind vom Hersteller durch verschiedene klinische Studien ermittelt worden und werden als Empfehlung zur Erzielung therapeutischer Effekte in der zugehörigen Fachin- formation festgehalten. Dazu gehören neben indikations- und altersbezogenen Dosierungen auch die Angabe von Tageshöchstdosierungen, oberhalb derer toxische Effekte auftreten können. Bei be- wusster Überschreitung dieser Maximaldosierungen ist der Hersteller nicht mehr haftbar, da es sich um einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch handelt (128). Darüber hinaus gelten für unter- schiedliche Indikationen bei demselben Wirkstoff verschiedene Dosierungen, die je nach Begleiter- krankungen oder Organfunktionen noch variiert oder angepasst werden müssen. Neben diesen The- rapieempfehlungen der Fachinformationen geben auch Fachgesellschaften in Leitlinien im Internet oder in Fachzeitschriften Empfehlungen zu Dosierungen heraus (129).

(VI) Nierenfunktion Etwa jedes 7. Arzneimittel wird hauptsächlich renal eliminiert (130). Ist die Niere geschädigt oder in ihrer Funktion eingeschränkt, kann der Wirkstoff nicht vollständig aus dem Körper ausgeschieden werden und es besteht die Gefahr der Akkumulation und der toxischen Wirkung des Wirkstoffs. Daher ist bei nierenerkrankten oder älteren Patienten, deren physiologische Nierenfunktion altersbe- dingt nachlässt (131), die Dosierung des Arzneimittels an die Nierenfunktion anzupassen. Zudem ist eine eingeschränkte Nierenfunktion auch als Kontraindikation für diejenigen Arzneimittel zu sehen, die die Niere schädigen können, auch dann wenn sie nicht primär renal sondern hepatisch eliminiert werden, wie z.B. NSAR oder Ciclosporin. Die Nierenfunktion kann, neben der direkten Bestimmung aus Blut und Urin, unter anderem mit Hilfe der Cockcroft-Gault-Formel über den Serum-Kreatinin-Wert als Kreatinin-Schätzclearance be- rechnet werden (132). Eine weitere Möglichkeit der Berechnung ist die Anwendung der vereinfach- ten MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease), mit der durch das Einsetzen der Variablen Alter, Geschlecht, Hautfarbe (schwarz oder nicht-schwarz) und des Serum-Kreatinin-Wertes die glo-

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Methoden meruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmt werden kann (133). Weder die Cockroft-Gault-Formel noch die MDRD-Formel dürfen bei stark ausgeprägter Adipositas angewendet werden (134,135). Die MDRD-Formel darf darüber hinaus nicht bei hohem Alter und großen Personen, bei Mangelernähr- ung oder bei sich schnell ändernder Nierenfunktion (134) angewendet werden und hat eine Stan- dard-Körperoberfläche zur Grundlage. Allerdings wurde für die Erstellung der Konsile dennoch die MDRD-Formel angewendet, da die Berechnung der GFR nicht zur Diagnostik, sondern lediglich zur Dosierungsberechnung diente, und die Durchführung der Dosisanpassung weiterhin dem behandel- nden Arzt oblag. Die erforderliche Dosisanpassung berechnet sich über die individuelle Ausscheidungskapazität Q.

In der Ausscheidungskapazität Q ist auch der extrarenal ausgeschiedene Anteil des Arzneistoffes Q0 berücksichtigt, der die Erforderlichkeit einer Dosisanpassung an die Nierenfunktion stoffspezifisch beschreibt, und dessen Werte tabellarisch gelistet sind (130). Die meisten Arzneimittel müssen ober- halb einer GFR von 60 ml/min in ihrer Dosierung angepasst werden (136). Über die Fachinformation gibt der Hersteller Empfehlungen zur Anpassung der Dosis an eine eingeschränkte Nierenfunktion oder verschiedene GFR-Intervalle mit bereits ermittelten Dosierungen an. Bei gegebener GFR kann so

über das Q0-Konzept die erforderliche Dosisanpassung bestimmt werden.

(VII) Doppelverordnung In der Regel sind Doppelverordnungen desselben Wirkstoffes nicht beabsichtigt und stellen einen Fehler bei der Verordnung dar. Es besteht die Möglichkeit, dass durch fehlenden Informationsaus- tausch ein und dasselbe Medikament von mehreren behandelnden (Fach-) Ärzten verordnet wurde oder dass derselbe Wirkstoff durch denselben Arzt in Kombinationspräparaten verordnet wurde, so dass die Doppelverordnung nicht sofort ersichtlich war. Doppelverordnungen unterliegen einem hohen Risiko für Überdosierungen des einzelnen Wirkstoffes und somit potentiellen toxikologischen Wirkungen.

(VIII) Versorgungslücke Neben der Polypharmazie besteht das unter Kapitel 1.1.1 beschriebene Phänomen des „underprescribing“, der fehlenden Versorgung des Patienten mit Arzneimitteln, die nach aktueller Studienlage oder nationalen Leitlinien empfohlen werden. Dieses Phänomen muss jedoch individuell hinterfragt werden, da einzelne Faktoren, die den Patienten selbst betreffen, eventuell bei der Nicht- Verordnung berücksichtigt wurden, und somit kein Verordnungsfehler vorliegt.

Selbstmedikation Unter dem Begriff „Selbstmedikation“ versteht man alle vom Patienten auf Eigeninitiative hin er- worbenen und eingenommenen Arzneimittel und Präparate, die der Prävention oder der Therapie

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Methoden von Krankheiten dienen (46). Präparate der Selbstmedikation sind als apothekenpflichtige Arzneimit- tel in Apotheken oder als freiverkäufliche Arzneimittel zusätzlich in Drogerien und Reformhäusern er- hältlich und unterliegen nicht der Verschreibungspflicht (OTC-Arzneimittel = „Over-the-Counter“- Arzneimittel). Zur Selbstmedikation gehören auch Nahrungsergänzungsmittel sowie diätetische Lebensmittel, welche nicht als Arzneimittel sondern als Lebensmittel gelten, und daher frei von Nebenwirkungen sein müssen (47). Allerdings können diese bei unsachgemäßem Gebrauch wie Überdosierung oder einer Kombination mit bestimmten Arzneimitteln auch schädlich sein. Die An- wendung dieser Präparate geschieht häufig ohne Kenntnis des Arztes. Bei der Selbstmedikation kommt daher der Apotheke bei der Abgabe eine wichtige Bedeutung in der Beratung und Informa- tion des Patienten zu.

2.1.5 Konsilversand

Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, konnte das Konsil (Erstkonsil) auf zwei Wegen an den behan- delnden Arzt weitergeleitet werden: Weg A (Kurzkonsil): Ein Konsilbrief wurde stichwortartig verfasst, indem lediglich einzelne Wirk- stoff- oder Präparatenamen aufgezählt wurden, für die ein erhebliches Risiko aufgefunden wurde. Dieser Brief wurde an den Patienten gesendet, der diesen dann bei seinem nächsten Termin an den behandelnden Arzt weitergab, der Patient selbst erhielt eine Kopie. Etwa drei Monate nach Beginn der Sammlung auszuwertender Konsile (März 2012) wurden vom Expertenteam nicht mehr alle iden- tifizierten Empfehlungen aus den Konsilergebnissen als Stichworte in die Kurzkonsile aufgenommen, sondern beabsichtigt auf drei bis fünf Anmerkungen reduziert. Weg B (Direktkonsil): Bei Einverständnis des Patienten wurde ein ausführlich verfasstes Konsil direkt an den behandelnden Arzt versendet. Der Patient erhielt einen Informationsbrief über den er- folgten Versand des Konsils. Das Direktkonsil enthielt ebenfalls stichwortartige Hinweise, jedoch mit einer ausführlicheren Beschreibung des jeweiligen Risikos, das das Expertenteam bei einem bestim- mten Arzneimittel festgestellt hatte. Die Möglichkeit des Direktkonsils war nicht zu Beginn, sondern etwa erst 10 Monate nach Beginn der Maßnahme gegeben (s. Kapitel 2.1.7). In beiden Fällen lagen den Konsilbriefen zu Beginn der Maßnahme eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse als Kontaktangabe bei, im weiteren Verlauf wurde eine Faxvorlage als direkte und un- komplizierte Art der Rückmeldung beigefügt mit der Möglichkeit, Wunschtermine für ein telefo- nisches Beratungsgespräch anzugeben. Die Auswahl, welcher Weg ausgeführt wurde, oblag dem Patienten. Alle Konsile und Zweitkonsile sowie die ausführlichen Ergebnisse der Medikationsanalysen wurden der Krankenkasse zu eigenen Auswertungen zur Verfügung gestellt.

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Methoden

2.1.6 Bearbeitung der Rückmeldungen der behandelnden Ärzte und Durchführung der telefonischen Beratungsgespräche

Im Beratungsgespräch mit dem behandelnden Arzt fand eine ausführliche Diskussion der übermit- telten Konsilergebnisse auf der Basis der dokumentierten Ergebnisse statt, eventuelle Unklarheiten zu dem Konsil konnten aufgeschlüsselt werden. Der behandelnde Arzt ergänzte und korrigierte fehlende oder fehlerhafte Informationen zum klinischen Bild des Patienten, die dem Expertenteam vorlagen, so dass sich die relevanten Risiken zu den Ergebnissen der Medikationsanalyse teilweise positiv veränderten oder auch ganz revidierten. Ebenso konnten weiterführende Fragen bezüglich der Medikation beantwortet werden. Eine abschließende schriftliche und ausformulierte Zusammen- fassung des Gesprächs sendete das Expertenteam als sogenanntes Zweitkonsil dem behandelnden Arzt zu. Änderungen der Medikation, die tatsächlich stattgefunden hatten, wurden gegebenenfalls über den behandelnden Arzt innerhalb der Beratungsgespräche übermittelt. Auf Grund der Projekt- planung der Krankenkasse wurden geänderte Medikationen nicht nachträglich erfasst und be- trachtet (s. Kapitel 4.7).

2.1.7 Durchführung von Änderungen des Prozessablaufs während der Ausführung der Maßnahme

Der Prozessablauf wurde im Verlauf der Maßnahme mehrmals geändert, teilweise nur gering- fügig. Änderungen ergaben sich durch Anpassungen des Prozesses an wiederkehrende Auffällig- keiten, Unstimmigkeiten oder unnötige Komplexitäten im Ablauf und wurden in Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der Krankenkasse und dem Expertenteam entwickelt und umgesetzt. Ebenso wurde der Konsilbrief wiederholt geringfügig geändert. Die Änderungen des Konsilbriefs waren zusammengefasst folgende: 1. Zweiseitiger Konsilbrief (Kurzkonsil), der neben den stichwortartigen Empfehlungen in Form von Handelsnamen, Wirkstoffnamen, Wirkstoffgruppennamen oder „Komplexbezeichnungen“ wie „Blutdrucktherapie“ oder „Herzinsuffizienztherapie“ weitere erläuternde Abschnitte enthielt wie Informationen zum Arzneimitteltherapie-Informationssystem ATIS (s. Kapitel 2.1.3), Selbstmedi- kation, Nutzen und Kostenfreiheit, Aufruf zu Rückruf und Informationen zu Datenschutz und Er- reichbarkeit. 2. Einseitiger Konsilbrief (Kurzkonsil), der die unter 1. genannte Inhalte besaß, ohne die Abschnitte Selbstmedikation, Aufruf zu Rückruf, mit je einem zusätzlichen erläuternden Satz je Medikament mit den Charakterisierungen „Empfehlung“, „Nachfrage“ und „keine Vorschläge“ (s. Anhang Tab. A2).

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Methoden

3. Direktkonsilbrief, der neben stichwortartigen, ausführlicheren Risikobeschreibungen auch Informationen zu ATIS, Erläuterungen zu der Auswertung der Medikation, sowie Hinweise zu Kostenfreiheit und Erreichbarkeit enthielt (s. Anhang Tab. A3). Die nachfolgende Tab. 2 stellt die einzelnen Prozessänderungen mit dem Initiator und dem Zeit- punkt der Umsetzung der Änderung auch in Bezug auf den Beginn der Maßnahme dar.

2.2 Sammlung, Strukturierung und Kategorisierung der bei der Maßnahme anfallenden Daten

Für die Evaluation wurden während der Maßnahme anfallende Daten gesammelt und in ihrem Einfluss auf die Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit ausgewertet. Die Hauptquellen dieser Daten waren dabei:  der Gesundheits- und Risikobericht, übermittelt durch die Krankenkasse an das Expertenteam zur Erstellung der Konsile mit enthaltenen Daten der Patienten,  die Medikationsanalysen des Expertenteams auf der Basis des Gesundheits- und Risikoberichts,  stichwortartige Zusammenfassungen der durchgeführten Beratungstelefonate sowie die abschließend versendeten Zweitkonsile,  die schriftlichen Rückmeldungen der behandelnden Ärzte. Der Evaluationszeitraum erstreckte sich vom 01.01.2012 bis zum 05.07.2013 und umfasste 400 Patienten, die während dieses Zeitraums einer Medikationsanalyse ihrer Polymedikation zustimmten.

2.2.1 Ethik und Datenschutz

Vor Beginn der Evaluation wurde der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover am 14.11.2012 ein Evaluationsplan zur Besprechung vorgelegt, die Kommission stimmte dem Vor- haben am 11.12.2012 zu. Das dazu verfasste Studienprotokoll enthielt die Zielsetzung und die zu er- wartenden neuen Erkenntnisse sowie Begründung und Darstellung des Ablaufs, die beabsichtigten Untersuchungen mit den anzuwendenden Methoden und die Zielgrößen. Da die Anzahl der zu unter- suchenden Fälle sich im Laufe der Auswertungen von 300 auf 400 erhöhte, wurde eine Änderung des Studienprotokolls am 22.05.2013 der Ethikkommission mitgeteilt, die am 29.05.2013 zustimmte. Die Rohdaten waren auf einem eigens eingerichteten Laufwerk gespeichert und nur den Mit- gliedern des Expertenteams zugänglich. Es erfolgte eine Pseudonymisierung der patientenbezogenen Daten.

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Methoden

Tab. 2: Prozessänderungen der Maßnahme im Zeitraum von Januar 2012 bis Juli 2013. Nr. Gegenstand der Änderung Initiator der Umsetzungs- Zeitpunkt Änderung zeitpunkt nach Maß- der nahmen- Änderung beginn 1 Reduktion der Anzahl der aufgeführten Arzneimittel in dem Expertenteam März 2012 3 Monate Kurzkonsilbrief 2 Aufführen der Versorgungszentren in dem Konsilbrief KKH März 2012 3 Monate 3 Individuelle Gestaltung des Konsilbriefs je nach Inhalt sowie KKH März 2012 3 Monate Auslassen einzelner Absätze (z.B. über den Gebrauch von OTC- Präparaten) 4 Aufführen des Geburtsdatums in dem Zweitkonsilbrief KKH April 2012 4 Monate 5 Angabe der in den Arzneimitteln enthaltenen Wirkstoffe auf KKH 11.05.2012 5 Monate der Medikationsliste im Gesundheitsbericht (ab Konsil 47- 2012) 6 Zusätzliche Angabe von angestrebten und durchgeführten KKH Juni 2012 6 Monate Präventions- und Therapiemaßnahmen unter dem Stichwort (ab Konsil 89- „Maßnahmen“ im Risikobericht des Versicherten (z.B. 2012) Durchführung von Blutdruckmessungen oder Bewegungstrainings) 7 Zusätzliche Informationen zu Diagnosen unter dem Stichwort KKH Juni 2012 6 Monate „weitere Details“ im Risikobericht des Patienten (z.B. Angabe (ab Konsil 89- von Operationen, Differenzierung von Erkrankungen) 2012) 8 Differenziertere Briefgestaltung in drei Ausfertigungen und Expertenteam 02.07.2012 7 Monate Risikoabstufungen („Empfehlung“ für schwerwiegendere (ab Konsil 84- Risiken, „Rückfrage“ für moderate Risiken, „keine Vorschläge“ 2012) für geringe Risiken) 9 Kürzung des Konsilbriefs von zwei Seiten auf eine Seite, Expertenteam 23.07.2012 7 Monate sachlichere Formulierung und weniger Bezug auf die (ab Konsil Krankenkasse 119-2012) 10 Ergänzung des Hinweises für den Versicherten auf der KKH August 2012 8 Monate Medikationsliste: (ab Konsil „Wichtig für Sie: Die Liste der Medikamente muss nicht 166-2012) vollständig sein. Ergänzen Sie bitte fehlende Medikamente, die Ihnen Ihr Arzt verordnet hat. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob die Medikamentenliste vollständig ist. Bitte überprüfen Sie insbesondere, ob die Zeiten der Einnahme und die Dosierung richtig notiert wurden.“ 11 Beifügen einer Faxvorlage zum Konsilbrief für die Rückmeldung KKH und Oktober 10 Monate des behandelnden Arztes Expertenteam 2012 12 Direkte Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt möglich KHH und November 11 Monate durch vorherige Einwilligung des Versicherten, Hinweis dazu im Expertenteam 2012 Risikobericht und direkter Versand eines ausführlichen Konsils 13 Kein Versand einer Medikationsliste mehr an die KKH bei KKH November 11 Monate direkter Kontaktaufnahme 2012 14 Bei vom Versicherten gewünschtes Direktkonsil Versand eines KKH Dezember 12 Monate Informationsschreibens an den Patienten über den 2012 Konsilversand an den behandelnden Arzt 15 Elektronische Kommunikation über ein Austausch-Netzwerk KKH 10.01.2013 13 Monate mit Übergabe der relevanten Dateien (ab Konsil 09- 2013)

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Methoden

2.2.2 Herkunft und Zusammensetzung der vorliegenden Daten

Die zur Auswertung vorliegenden Daten hatten ihren Ursprung ausschließlich in von der Kranken- kasse bereitgestellten Daten, die zu Beginn der Maßnahme in Papierform, später elektronisch über- mittelt worden waren. Die Daten waren Teil von Abrechnungsdaten der Krankenkasse oder übermit- telte Daten der Gesundheitscoaches, die diese in telefonischen Gesundheitscoaching-Gesprächen beim Patienten erfragt hatten. Dabei wurden einerseits die vorliegenden Daten zur Auswertung übernommen, andererseits wurden während des Ablaufs der Maßnahme neue Daten generiert und abgeleitet. Eine Erhebung weiterer Daten beim Patienten oder den angeschriebenen Ärzten während oder nach der Maßnahme wurde nicht vorgenommen.

Herkunft der Ausgangsdaten

Die elektronischen Verordnungs- und Abrechnungsdaten bestanden aus Verordnungsdaten als rezeptbezogene Daten oder übermittelten Daten von ambulanten oder stationären Behandlungen aus den Datenpools der Krankenkasse. Bei dem Patienten erfragte Informationen waren Angaben des Patienten, der elektronische Daten bestätigte oder revidierte. Ebenso wurden Aussagen des Patienten zu Laborwerten, tatsächlich eingenommenen Arzneimitteln inklusive Präparaten der Selbstmedikation und zusätzliche Informationen ergänzt. Eine weitere Quelle für Informationen waren vom Versicherten zusätzlich zugesendete Arztbriefe, eigene erstellte Medikationslisten sowie Befunde und Laborwerte, die den Gesundheitscoaches vorlagen. Diese wurden dem Expertenteam ebenfalls übermittelt und konnten so gleichermaßen für die Auswertung genutzt werden.

Herkunft der abgeleiteten Daten

Während der Maßnahme wurden neue Daten generiert, hierzu gehörten alle Ergebnisse der Medikationsanalysen aus den Recherchen und Bewertungen des Expertenteams. Indirekt generierte und im eigentlichen Sinne unbearbeitete Daten waren die Rückmeldungen, Beratungsgespräche und Zweitkonsile im Kontakt mit den behandelnden Ärzten (Abb. 9).

Konsilergebnisse Gesundheits- und (B) Risikobericht (A)

Medikationsanalysen Patientendaten Datensammlung (Beschreibung der Risiken (Alter, Geschlecht, BMI, ..), Medikationliste, Diagnosen und risikoreichen Arzneimittel, Konsilbriefe) Rückmeldungen (C) Ergebnisse aus Beratungsgesprächen und Rückmeldungen (Zeitpunkt, Reaktionen auf Maßnahme, Hintergrund zu Medikation und Diagnosen, Gesprächsinhalt)

Abb. 9: Datenherkunft, Datenzusammensetzung und Datensammlung. | 36

Methoden

Zusammensetzung der Patientendaten (A)

Die Patientendaten enthielten personenbezogene Daten wie Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Nierenfunktion als glomeruläre Filtrationsrate (GFR) oder Serum-Kreatinin- Wert, einzelne Laborparameter (Serum-Harnsäure-Wert, Serum-Kalium-Wert), chronische Diagnosen zum Zeitpunkt der Erfragung, teilweise in ICD-10-Codierung (International Classification of Diseases, 10. Revision), teilweise in eigenen von der Krankenkasse angelegten Diagnosegruppen, sowie die Medikation. Angaben zur Medikation waren der genaue Handelsname, die Darreichungsform, die Dosierung, die Angabe, ob es sich um die regelmäßige oder bedarfsmäßige Anwendung handelte, sowie Präparate der Selbstmedikation. Bei allen Arzneimitteln war vermerkt, ob das Arzneimittel vom behandelnden Arzt empfohlen oder verordnet, oder, bei nicht verschreibungspflichtigen Arznei- mitteln, eigenständig vom Patienten erworben und eingenommen wurde.

Zusammensetzung der Konsildaten (B)

Die Konsildaten enthielten Ergebnisse der Medikationsanalysen als Konsilergebnisse, tabellarisch und stichwortartig vom Expertenteam in einer Excel-Tabelle dokumentiert, das Datum der Konsiler- stellung, die Nennung der Experten, die das Konsil erstellten, die Angabe der Zeit, die für die Erstel- lung eines Konsils nötig war, sowie die Inhalte der Direkt- oder Kurzkonsile.

Zusammensetzung der Daten zu Beratungsgesprächen, Rückmeldungen, Zweitkonsilen (C)

Die Ergebnisse der Beratungsgespräche, der Rückmeldungen und der Zweitkonsile enthielten im Wesentlichen die stichwortartige Dokumentation des Inhalts in einer Excel-Tabelle sowie die ver- sendeten Zweitkonsile in elektronischer Form. Erfolgte eine Rückmeldung auf dem Postweg oder per Fax, so war diese in Papierformat vorhanden. Teil der Daten waren auch die Informationen zu den telefonischen oder schriftlichen Rückmeldungen, Beratungsgesprächen und Zweitkonsilen sowie der Kommunikationsweg.

2.2.3 Sammlung und Strukturierung der patientenbezogenen Daten

Die Daten der 400 Patienten wurden tabellarisch in einer Excel-Tabelle erfasst (Tab. 3).

Tab. 3: Beispieltabelle zur Sammlung der patientenbezogenen Daten.

Konsil Patient Zusatzangaben Medikationsliste

-

-

-

-

-

/Ent

-

-

Klinische

st

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]

2

ml/min

Alter vorhanden

)

Medikations

/Apotheke er

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Kreatinin[mg/dl]

- erordnet"

ortlaufendeNummer

f Konsilnummer männlich männlichAlter weiblich weibl Alter Gewicht[kg] [cm]Größe BMI S [ml/min] GFR 60 GFR > zusätzlicherArzt lassungsbrief vorhanden zusätzlicherLaborbe fund Chemie Patienten/Arztvon praxis stellte vorhanden liste Arzt"vom verordnet" Medikamente Angabe:"Selb medikation: "keineAngabe Selbstmedikation"fehlt OTC/"nichtvom Arzt v Medikamente Gesamtzahl Medi 1 01-2012 1 72 72 95 175 31,0 2,22 29,3 24 1 24 2 02-2012 1 57 57 117 186 33,8 0,77 1 13 1 13 3 03-2012 1 70 70 76 169 26,6 0,69 1 9 1 10 | 37

Methoden

Analog wurden auch die Medikations- und Diagnosedaten in je einer Excel-Tabelle gesammelt und dokumentiert.

2.2.4 Festlegen der Hauptkategorien für die potentiellen Verordnungsfehler der Medikationsanalysen

Die Krankenkasse hatte dem Expertenteam als Vorgabe und Leitfaden zur Erstellung der Medika- tionsanalysen eine „Anlage 2" zukommen lassen (111). Nachdem die Ergebnisse der Medikationsana- lysen aus der Excel-Tabelle zunächst oberflächlich gesichtet worden waren, wurden auf Grundlage dieser Vorgaben aus „Anlage 2" acht Hauptkategorien zur Gruppierung der vom Expertenteam iden- tifizierten potentiellen Verordnungsfehler festgelegt (Tab. 4). Die acht Hauptkategorien der poten- tiellen Verordnungsfehler bildeten die Grundlage für die weiteren Einstufungen in 33 Unterkate- gorien.

Tab. 4: Zielsetzung des Arzneimittel-Konsils nach „Anlage 2" (111) und Festlegung der acht Hauptkategorien. Nr. festgelegte Vorgabe der Krankenkasse Hauptkategorie 1 nicht aufgenommen Reduktion der Polypharmazie auf möglichst weniger als 13 oder optimal weniger als 9 Wirkstoffe je Patient, um das Risiko für Krankenhauseinweisungen zu senken 2 nicht aufgenommen Pharmakoökonomische Optimierung der Arzneimittelauswahl, z.B. Überprüfung der Evidenzbasierung, Über-/Unter-/Fehlversorgung, Reduktion von Arzneimittel- kosten 3 nicht aufgenommen Identifizierung unerwünschter Arzneimittelwirkungen, Allergien 4 Indikation Reduktion von Verordnungsfehlern bzgl. Indikation 5 Risikoarzneimittel Streichung von risikobehafteten Arzneimitteln, beinhaltend Arzneimittel der BEERS- bzw. PRISCUS-Liste, oder Empfehlung von Maßnahmen zur Risikoreduktion sowie Reduktion von Verordnungsfehlern bzgl. Dosisanpassung und Medikations- auswahl nach Alter 6 Kontraindikation Reduktion von Verordnungsfehlern bzgl. Kontraindikation 7 Interaktion Reduktion gefährlicher Arzneimittelinteraktionen oder Empfehlung von Maß- nahmen zur Risikoreduktion 8 Dosierung Reduktion von Dosierungsfehlern bzgl. Optimierung von Dosis/-bereich/-intervall 9 Nierenfunktion Reduktion von Dosisanpassungsfehlern nach Organfunktion 10 Doppelverordnung Reduktion von Doppelverordnungen 11 Versorgungslücke Schließen von Versorgungslücken für eine leitliniengerechte Arzneimitteltherapie und Empfehlung von fehlender indizierter Medikation 12 nicht aufgenommen Hinweise für den Coach bzgl. Wahl der Selbstmedikation erwünscht

Die Unterkategorien ergaben sich im weiteren Verlauf der Strukturierung der Konsilergebnisse auf der Grundlage der Ergebnisse von Dean et al. 2000 (73), die in ihrer Untersuchung betrachteten, inwiefern klinische Gegebenheiten als „Verschreibungsfehler“ bezeichnet werden können. Teilweise konnten die Hauptkategorien für diese Auswertung übernommen werden oder es ergaben sich durch weitere Differenzierungen die Einteilungen in Unterkategorien. Eine Nachverfolgung der Reduktion der Polypharmazie wie unter Punkt 1 der „Anlage 2" beschrie- ben, wurde intern durch die Krankenkasse durchgeführt und bewertet. Eine pharmakoökonomische Auswertung wie unter Punkt 2 in den Zielsetzungen nach „Anlage 2" aufgeführt, wurde nicht durch- | 38

Methoden geführt, da diese Auswertung ebenfalls in umfassendem Maße durch die Krankenkasse selbst be- werkstelligt wurde und den Rahmen dieser Arbeit überschritten hätte. Die Betrachtung von Neben- wirkungen oder Allergien durch Arzneimittel, wie unter Punkt 3 aufgeführt, wurde ebenfalls nicht in einer eigenen Unterkategorie durchgeführt, da zu wenige Angaben zu Nebenwirkungen vorlagen, oder die Nebenwirkung durch das Expertenteam direkt einem Risikoarzneimittel zugeordnet wurde. Bei der Einstufung der Konsilergebnisse wurde jeweils unterschieden, ob es sich um ein vom Arzt verordnetes bzw. mit Wissen des Arztes eingenommenes Medikament oder um ein Arzneimittel oder Präparat der Selbstmedikation handelte, das ohne ärztliches Wissen eingenommen wurde. Alle ver- schreibungspflichtigen Präparate wurden als Arzneimittel eingestuft, die die Patienten mit Wissen des Arztes einnahmen. Nicht verschreibungspflichtige Präparate wurden bei fehlenden Angaben als Selbstmedikation eingestuft, da von einer Kenntnis des Arztes nicht ausgegangen werden konnte. Der Bereich der Selbstmedikation bildete daher eine eigene Gruppe der Konsilergebnisse und hatte in den Auswertungen keinen Zusammenhang mit den acht Hauptkategorien der potentiellen Verord- nungsfehler, da der behandelnde Arzt von der Einnahme dieser Arzneimittel keine Kenntnis besaß.

2.2.5 Festlegen der Unterkategorien der potentiellen Verordnungsfehler zur Sammlung und Strukturierung der Konsildaten

Für die Strukturierung der Konsildaten wurden die Textinhalte der Konsilergebnisse aus den einzelnen Zellen der Excel-Tabelle nach Stichworten durchgesehen und weitere, nicht über Stichwor- te erfassbare Ergebnisse durch logische Einstufungen in die jeweilige Haupt- oder Unterkategorien für die beschriebenen Risiken der Medikationen eingeteilt. Weitere Risikobeschreibungen waren zu- sätzlich vereinzelt in handschriftlicher Form bei den Patientendaten vorhanden und wurden ebenfalls ausgewertet. Je Haupt- und Unterkategorie wurden die Häufigkeiten der potentiellen Verordnungs- fehler im Patientenkollektiv, der Anteil an der Gesamtzahl eingenommener Arzneimittel sowie die durchschnittliche Anzahl betroffener Arzneimittel je betroffenen Patienten ermittelt. Jede Unterkate- gorie wurde separat mit den am häufigsten enthaltenen Arzneimitteln beschrieben, sowie mit der Anzahl potentieller Verordnungsfehler je Patient dieser Unterkategorie ausgewertet. Die Systematik der Experten, die Risiken der Arzneimittel zu ermitteln, wurden nicht weiter unter- sucht, sondern lediglich die vorliegenden vom Expertenteam ermittelten Ergebnisse kategorisiert und eventuell zusätzliche Informationen zum Verständnis und zur Erläuterung der angegebenen Stichworte aus den zugehörigen Fachinformationen oder den zur Erstellung der Medikationsanalysen vom Expertenteam verwendeten Datenbanken zusammengetragen (s. Kapitel 2.1.4). Für die acht Haupt- und die 33 zugehörigen Unterkategorien wurde für die Strukturierung der Daten aus dem Textformat in ein auswertbares, stichwortartiges Tabellenformat folgendermaßen vorgegangen: | 39

Methoden

Hauptkategorie Indikation

Die Hauptkategorie „Indikation“ umfasste verschriebene Arzneimittel, für die das Expertenteam bei dem Patienten aus den bereitgestellten Daten keine Indikation oder eine fragliche Indikation er- kannte. Es ergaben sich vier Unterkategorien, die im Zusammenhang mit einer fehlenden oder mit Nach- fragen versehenen Indikation zu finden waren. Alle in den Konsilergebnissen mit den Stichworten „Indikation fehlt“/„fragliche Indikation“ aufgeführten Arzneimittel wurden in eine Excel-Tabelle auf- genommen. Bei einer weiteren Unterkategorie ging aus den zugehörigen Beschreibungen der Arznei- mittel hervor, dass spezielle Rückfragen zu einer vorliegenden Indikation oder die Nachfrage nach einer leitliniengerechten Therapie bestanden. Ebenso wurden Arzneimittel, die mit den Stichworten „Wirksamkeitsnachweis fehlend“/„kein Wirksamkeitsnachweis vorliegend“/„Wirksamkeit nicht mit Studien belegt“ beschrieben worden waren, sowie alle mit den Stichworten „Dauertherapie nicht indiziert“/„Dauertherapie notwendig?“ aufgeführten Arzneimittel in die Excel-Tabelle übernommen. Eine Dauertherapie war in dem Zusammenhang die Angabe zur regelmäßigen Anwendung im Medi- kationsplan des Patienten. Die Beschreibungen der vier Unterkategorien waren: 1. Verschreiben eines Arzneimittels, für welches keine Indikation für den Patienten vorliegt (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing a drug for which there is no indication for that patient” (73)). Ein Arzneimittel wurde eingenommen, wobei eine vorliegende Indikation aus den gegebenen Daten nicht ersichtlich war. 2. Verordnung eines Arzneimittels, für welches zwar eine Indikation gegeben, diese allerdings unklar ist. Ein Arzneimittel wurde mit einer vorliegenden Indikation eingenommen, allerdings stellte die Ver- ordnung für die gegebene Indikation nicht die erste Therapieoption dar, d.h. es existierte eine nach Leitlinien oder aktuellen Studien bessere therapeutische Alternative. 3. Verordnung eines Arzneimittels, bei dem gemäß Studienlage kein Wirksamkeitsnachweis gegeben ist. Ein Arzneimittel wurde eingenommen, es war allerdings nach aktueller Studienlage kein eindeu- tiger Wirksamkeitsnachweis für die angegebene Indikation vorhanden. Die Empfehlung belief sich auf die Gabe eines alternativen Arzneimittels oder das Weglassen dieses Arzneimittels. 4. Es ist eine Dauertherapie verordnet, ohne dass die Indikation ersichtlich ist, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend. (beschrieben bei Dean et al. als „Continuing a prescription for a longer duration than necessary” (73)). Ein Arzneimittel wurde regelmäßig eingenommen, allerdings war für das Arzneimittel keine Indi- kation ersichtlich und somit wurde eine erfolgende Dauertherapie hinterfragt. Die Dauertherapie war | 40

Methoden in den Dokumentationen der Experten mit keinem ausdrücklichen Risiko beschrieben, gegebenenfalls wäre eine Bedarfstherapie ausreichend gewesen.

Hauptkategorie Risikomedikamente

Die Hauptkategorie „Risikomedikamente“ beinhaltete verordnete Arzneimittel, die Bestandteil der PRISCUS-Liste (112) waren oder deren Verordnung auf Grund des klinischen Bildes des Patienten oder auf Grund von Nebenwirkungen des Arzneimittels risikobehaftet war. Die Konsilergebnisse wurden auf Medikamente hin durchsucht, die mit dem Stichwort „PRISCUS“ aufgeführt waren. In einem zweiten Durchlauf wurden die Ergebnisse auf alle Arzneimittel der PRISCUS-Liste hin betrachtet. In einer zweiten Unterkategorie wurden alle Arzneimittel erfasst, die mit dem Stichwort „Risiko“ oder mit der Angabe eines bestimmten Risikos aufgeführt wurden. Eine dritte Unterkategorie bildeten alle Arzneimittel, die im Zusammenhang mit den Stichworten „Risiko“ und „Dauertherapie“ aufgeführt waren, bei denen die regelmäßige, langfristige Einnahme mit einem vermehrten Risiko für unerwünschte Wirkungen einhergeht. Zwischen diesen beiden Unterkatego- rien gab es Überschneidungen, und die Entscheidung für eine der beiden Unterkategorien beruhte lediglich auf dem Vorhandensein der Worte „Dauertherapie“ oder „dauerhafte Einnahme“ in den Dokumentationen. Nach der Festlegung der Autoren der PRISCUS-Liste gelten die Empfehlungen der Arzneimittelaus- wahl dieser Liste für Patienten über 65 Jahre. Das Expertenteam wählte jedoch für alle Patienten eine routinemäßige Überprüfung auf PRISCUS-Arzneimittel bei der Konsilerstellung, daher wurde für alle Patienten des Kollektivs das Vorkommen von PRISCUS-Arzneimitteln ermittelt. Veränderte physiolo- gische Funktionen wie eine eingeschränkte Nierenfunktion treten nicht nur im Alter auf, patho- physiologisch bedingt können sich Nierenfunktionsstörungen auch schon früher einstellen. Sedierende Effekte einiger PRISCUS-Arzneimittel können sich durch Polymedikationen potenzieren. Zum anderen liegen häufig Dauereinnahmen vor, so dass die Patienten die Arzneimittel der PRISCUS- Liste über einen längeren Zeitraum einnehmen, der das Überschreiten der Altersgrenze von 65 Jahren möglich macht. Die Festlegung der Altersgrenze wurde von den Autoren der PRISCUS-Liste zum einen aus einer Studie von Berdot et al. 2009 übernommen (137), die ihre Grenze wiederum aus einer Übersichtsarbeit zu den Kostenentwicklungen des Gesundheitssystems der Vereinigten Staaten für das Jahr 1988 (138) entnahmen. Andererseits zitieren die Autoren den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, der für sein Sondergutachten 2009 mit dem Altersquotienten „65“ arbeitete (139). Die drei Unterkategorien der Hauptkategorie „Risikomedikamente“ wurden definiert als: 1. Verordnung eines Arzneimittels, das Bestandteil der PRISCUS-Liste (112) ist.

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Methoden

Ein Arzneimittel wurde eingenommen, das Teil der PRISCUS-Liste ist und dessen Anwendung ins- besondere bei älteren Menschen ab dem 65. Lebensjahr nicht oder nur unter besonderer Vorsicht er- folgen sollte. Alternativ wurde die Gabe eines für ältere Menschen mit weniger Risiken behafteten Arzneimittels empfohlen. 2. Verordnung eines Arzneimittels, dessen Gabe auf Grund des Krankheitsbildes des Patienten risikobehaftet ist. Bei dem vorliegenden Arzneimittel war für den Patienten auf Grund des mit einer Einnahme ver- bundenen Risikos ein zusätzliches Monitoring bzw. das Absetzens oder ein Austausch des betrof- fenen Arzneimittels erforderlich. 3. Ein Arzneimittel wird als Dauertherapie verordnet, wobei die Dauertherapie mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. Die regelmäßige, dauerhafte Anwendung des Arzneimittels war auf Grund vorliegender Diagnosen oder Einschränkungen und dem damit verbundenen Risiko nicht angezeigt. Es könnte alternativ eine Bedarfstherapie stattfinden, das Arzneimittel abgesetzt oder durch ein alternatives, therapeutisch geeigneteres Arzneimittel ausgetauscht werden.

Hauptkategorie Interaktion

In der Hauptkategorie „Interaktion“ wurden nicht berücksichtigte potentiell signifikante Arznei- mittelinteraktionen aufgelistet (auch beschrieben bei Dean et al. als „Not taking into account a potentially significant drug interaction“ (73)). Alle Arzneimittelkombinationen, die mit dem Stichwort „Interaktion“ oder mit Angabe eines Risikos bei paralleler Anwendung aufgeführt waren, wurden in die Kategorie aufgenommen. Alle Arzneimittelkombinationen wurden zunächst in die Datenbank Micromedex® (118) eingegeben und die dortige Einstufung des klinischen Risikos als Interaktionskategorie notiert. Wurde keine Interak- tion ermittelt, erfolgte eine Auswertung über die Datenbank AidKlinik® (115), bei fehlendem Eintrag wurde die Datenbank Lexi-Interact® (116) für eine Zuordnung der Arzneimittelkombination zu einer Interaktionskategorie herangezogen. War die Interaktion in keiner der drei Datenbanken enthalten, sondern nur in der zugehörigen Fachinformation aufgeführt oder basierte auf einer pharmakodyna- mischen, nicht in Datenbanken aufgeführten Wechselwirkung, wurde sie wegen fehlender Aufzäh- lung eines klinischen Risikos der Interaktionskategorie „keine Angabe“ zugeordnet. Da die Daten- banken Micromedex® und Lexi-Interact® US-amerikanischen Ursprung haben und in Deutschland zu- gelassene Arzneimittel in manchen Fällen auf dem US-amerikanischen Markt nicht erhältlich sind, wurden für eine Zuordnung zu einer Auswertungskategorie einzelne Wirkstoffe durch pharmakolo- gisch vergleichbare, in den USA zugelassene Wirkstoffe ersetzt.

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Methoden

Für eine einheitliche Systematik wurden folgende Risikoeinstufungen der einzelnen Interaktions- datenbanken für die Erstellung der Unterkategorien zusammengeführt (Tab. 5):

Tab. 5: Vergleich der Risikokategorien der drei Interaktionsdatenbanken und Zuordnung in Auswertungskategorien. Auswertungskategorie Micromedex® AidKlinik® Lexi-Interact® Kontraindizierte bzw. Hochrisiko- „kontraindiziert“ Contraindicated Avoid Combination Kombination Klinisch schwerwiegende Consider Therapie „schwerwiegend“ Major Interaktion Modification Potentiell klinisch relevante „moderat“ Moderate Monitor Therapy mittelschwere Interaktion Leichte klinisch selten relevante „geringfügig“ Minor No Action Needed Interaktion „widersprüchliche Erkennt- Widersprüchliche – – nisse“ oder „keine klinisch Untersuchungen/Erkenntnisse relevante Interaktion“ – Keine klinisch relevante Interaktion No Known Interaction in keiner der drei – – – Datenbanken aufgeführt

Folgende Unterkategorien ergaben sich daraus: 1. Gabe zweier Arzneimittel mit einer kontraindizierten Interaktion. Diese Arzneimittel sollten nicht gemeinsam gegeben werden. Eines der beiden Arzneimittel sollte abgesetzt oder durch ein anderes, nicht interagierendes Arzneimittel ersetzt werden. 2. Gabe zweier Arzneimittel mit einer schwerwiegenden Interaktion. Die Arzneimittel sollten nur unter Überwachung und Kontrolle der Laborwerte gemeinsam gege- ben werden, eine Dosisänderung, ein Absetzen oder Austauschen eines der beiden Arzneimittel ist empfohlen (116). 3. Gabe zweier Arzneimittel mit einer moderaten Interaktion. Die Arzneimittel sollten in der Kombination mit Vorsicht und gegebenenfalls in einer geringeren Dosierung gegeben werden. Durch regelmäßiges Monitoring sollte auf Laborwertänderungen geachtet werden (116). 4. Gabe zweier Arzneimittel mit einer geringfügigen Interaktion. Die gemeinsame Gabe der Arzneimittel kann unerwünschte Ereignisse hervorrufen, allerdings gibt es wenige bis keine Hinweise zu klinischen Auswirkungen bei der Kombination (116). 5. Gabe zweier Arzneimittel mit der Angabe „widersprüchlicher Erkenntnisse“ oder „keine klinisch relevante Interaktion“. Es sind keine klinischen Auswirkungen zu erwarten, jedoch sollte auf das Auftreten uner- wünschter Ereignisse geachtet werden. 6. In keiner der drei Datenbanken aufgeführt. Diese Wechselwirkung ist meist pharmakodynamischer Natur und sollte berücksichtig werden, auch wenn sie in keiner der Datenbanken aufgeführt wurde. Je nach individueller Risikoeinstufung

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Methoden des Expertenteams sollte das Absetzen oder der Austausch eines der beiden Arzneimittel oder ein vermehrtes Monitoring durchgeführt werden.

Hauptkategorie Kontraindikation

In der Hauptkategorie „Kontraindikation“ wurden alle verordneten Arzneimittel beschrieben, deren Gabe laut Herstellerangaben auf Grund vorliegender Diagnosen bei dem Patienten nicht erfol- gen darf. Alle Arzneimittel, die mit dem Stichwort „keine Anwendung bei“ oder „kontraindiziert“ in den Konsilergebnissen aufgeführt worden waren, wurden in diese Kategorie aufgenommen. Die Be- zeichnung der Kategorie lautete „Verordnung eines Arzneimittels für einen Patienten, für den das Arzneimittel auf Grund des vorliegenden klinischen Bildes kontraindiziert ist.“ (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing a drug for a patient for whom, as a result of a co-existing clinical condition, that drug is contraindicated" (73)). Auf Grund der vorliegenden Erkrankungen wurde grundsätzlich das Absetzen dieses Arzneimittels und das Ansetzen eines geeigneteren Arzneimittels empfohlen.

Hauptkategorie Dosierung

Die Hauptkategorie „Dosierung“ enthielt die verordneten Arzneimittel, deren Dosierung von der in der Fachinformation angegebenen oder nach allgemein anerkannten Therapieleitlinien für das klinische Bild des Patienten empfohlenen Dosierung abwich. Alle Arzneimittel, die mit dem Stichwort „Dosierung“, unter Angabe eines fehlerhaften Applikationsintervalls oder mit einer Unklarheit bezüg- lich einer Dosierung aufgeführt waren, wurden in die Dokumentation aufgenommen. Folgende Unterkategorien waren dafür vorgesehen: 1. Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung oberhalb der in der Fachinformation empfohlenen Höchstdosis (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing a drug in a dose above the maximum dose recommended in the British National Formulary or data sheet" (73)). Ein Arzneimittel wurde in einer Dosierung verordnet, die oberhalb der in der Fachinformation angegebenen Höchstdosierung lag, es wurde eine Verringerung der täglichen Dosis empfohlen. 2. Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung, die oberhalb der in der Fachinformation oder durch Leitlinien empfohlenen Dosierung für das klinische Bild des Patienten liegt, wobei die Höchstdosis nicht überschritten ist. Die Dosierung des Arzneimittels lag zwar unterhalb der in der Fachinformation angegebenen Höchstdosis, es lag somit keine Gabe potentiell toxischer Mengen des Wirkstoffes vor, allerdings war die durch Leitlinien oder in der Fachinformation empfohlene Dosierung für die vorliegende Indikation überschritten. 3. Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung unterhalb der in der Fachinformation angege- benen Therapieempfehlung für das klinische Bild des Patienten, wobei eine notwendige Ein-

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Methoden

schränkung nicht ersichtlich ist (z.B. eingeschränkte Nierenfunktion) (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing a drug in a dose below that recommended for the patient's clinical condition" (73)). Ein Arzneimittel wurde in einer Dosierung unterhalb derjenigen Dosierung verabreicht, die in der Fachinformation für die gegebene Indikation empfohlen ist. Eine erforderliche Einschränkung der Dosierung z.B. auf Grund einer verminderten Nierenfunktion oder anderer klinischer Situationen war nicht ersichtlich. 4. Verordnung eines Therapieregimes (Applikationsfrequenz), das für die gegebene galenische Formulierung nicht empfohlen ist (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing a drug in a dose regime (dose/frequency) that is not recommended for the formulation prescribed" (73)). Ein Arzneimittel wurde in Applikationsintervallen verabreicht, die für die vorliegende Arzneiform nicht empfohlen waren. Auf Grund der entsprechenden Galenik oder der Arzneiform war eine häufigere oder seltenere Applikation des Wirkstoffs notwendig und damit auch empfohlen. 5. Verordnung eines Therapieregimes (Applikationszeitpunkt), das für die gegebene galenische Formulierung nicht empfohlen ist. Ein Arzneimittel wurde zu einem Zeitpunkt verabreicht, der auf Grund der Arzneiform oder der Wirkstoffeigenschaften nicht sinnvoll war. Die Applikation zu einem anderen Tageszeitpunkt führte zu einer besseren Verträglichkeit oder einer optimierten (schneller einsetzenden oder länger anhal- tenden) Wirkung. 6. Verordnung eines Therapieregimes (Applikationsart), das für die gegebene Formulierung nicht empfohlen ist. Ein Arzneimittel wurde auf einem falschen Applikationsweg angewendet, oder die Art der Anwen- dung der Arzneiform war nicht korrekt. Dies kann zu einem Ausbleiben der Wirkung oder einer uner- wünschten Wirkung führen. 7. Statt einer täglichen Gabe wäre ein Applikationsintervall von > 24h erforderlich. Laut Angaben der bestehenden Medikationsliste wurde das Arzneimittel täglich angewendet, gemäß Fachinformation sollte es in größeren Zeitintervallen gegeben werden. 8. Die Dosierung ist wegen fehlender Angaben in der Medikationsliste nicht eindeutig ersichtlich. In der Medikationsliste des Patienten war keine eindeutige Dosierung angegeben. Aus den An- gaben resultierte eine zu häufige oder zu seltene Applikation, die unwahrscheinlich erschien und daher einer Nachfrage bedurfte. 9. Eine Reduktion der Tablettenzahl ist möglich, z.B. durch die Einzelgabe höher dosierter Präparate. Durch die Erhöhung der Dosierung eines Wirkstoffes in der Einzeltablette ließe sich die Gesamt- zahl an eingenommenen Tabletten reduzieren.

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Methoden

10. Ein Medikament wird als Bedarfsgabe gegeben, wobei eine Dauertherapie indiziert wäre. Die Wirksamkeit des Arzneimittels war bei der vorliegenden Indikation nicht bei einer Bedarfs- gabe sondern nur bei einer Dauertherapie gegeben. 11. Ein Medikament wird als Dauertherapie verordnet, wobei eine Bedarfsgabe indiziert wäre. Bei der vorliegenden Indikation wäre statt einer Dauertherapie eine Bedarfs- oder zeitlich be- grenzte Gabe, beispielsweise von Antibiotika, indiziert und für die Behandlung der Indikation aus- reichend oder empfohlen.

Hauptkategorie Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz

Die Hauptkategorie „Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz“ enthielt die Auflistung derjenigen Arzneimittel, die bei vorliegender eingeschränkter Nierenfunktion allgemein oder speziell in der an- gegebenen Dosierung ungeeignet für den Patienten sind. Gegebenenfalls muss bei einem Arzneimit- tel, das nicht nur hepatisch, sondern zu einem großen Teil auch renal eliminiert wird, die Dosierung an die Nierenfunktion angepasst werden. Alle Konsilergebnisse, die im Zusammenhang mit der Nierenfunktion aufgeführt waren, wurden festgehalten. Dabei bildeten sich folgende Unterkategorien heraus: 1. Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung, die nach Angaben in der Fachinformation un- geeignet für die Nierenfunktion des Patienten ist (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing a drug in a dose that, according to British National Formulary or data sheet recommendations, is inappropriate for the patient's renal function.“ (73)). Das Arzneimittel wurde in einer für die eingeschränkte Nierenfunktion zu hohen Dosierung verordnet. Bei der vorliegenden glomerulären Filtrationsrate < 60 ml/min müsste die Dosierung redu- ziert und anhand der MDRD-Formel oder nach den Angaben des Herstellers in der Fachinformation angepasst werden. Es wurde ermittelt, um wieviel Prozent die berechnete, angepasste Dosierung von der aktuellen Dosierung abwich. 2. Gabe eines Arzneimittels bei eingeschränkter Nierenfunktion, wobei die Gabe nur unter Vorsicht und ärztlicher Kontrolle empfohlen ist. Ein Arzneimittel wurde bei vorliegender Niereninsuffizienz gegeben. Die Gabe war allerdings mit einem Risiko verbunden und sollte daher nur unter Vorsicht und ärztlicher Kontrolle geschehen. Bei sich weiter verschlechternder Nierenfunktion wäre unter Umständen ein Absetzen erforderlich. 3. Gabe eines Arzneimittels bei eingeschränkter Nierenfunktion, wobei die Anwendung bei Niereninsuffizienz kontraindiziert ist. Ein Arzneimittel wurde bei vorliegender Niereninsuffizienz gegeben, dabei sollte die Gabe auf Grund einer Gegenanzeige nach Herstellerempfehlungen nicht erfolgen. Es sollte auf ein alternatives

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Methoden

Präparat umgestellt werden, da das Arzneimittel nicht renal eliminiert werden kann und somit die Gefahr der Akkumulation des Wirkstoffes und toxischer Wirkungen besteht.

Hauptkategorie Doppelverordnung

Die Hauptkategorie „Doppelverordnung“ beinhaltete die Verordnung zweier Arzneimittel für die- selbe Indikation, wobei nach Ansicht des Expertenteams nur eines der Arzneimittel erforderlich wäre (beschrieben bei Dean et al. als „Prescribing two drugs for the same indication when only one of the drugs is necessary.“ (73)). Eine differenziertere Einteilung ist durch das Vergleichen der ATC-Codes möglich, so dass zwischen vollständiger und teilweiser Übereinstimmung auf unterschiedlichen ATC- Code-Ebenen unterschieden werden kann. Der ATC-Code (anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation) setzt sich folgendermaßen zusammen (Tab. 6):

ATC-Code ATC-Bedeutung ATC-Ebene Tab. 6: Das ATC- A Alimentäres Systen und Stoffwechsel 1. Ebene, anatomische Hauptgruppe Klassifikations- system am Beispiel A10 Antidiabetika 2. Ebene, therapeutische Untergruppe Metformin (140). A10B Antidiabetika, exkl. Insuline 3. Ebene, pharmakologische Untergruppe A10B A Biguanide 4. Ebene, chemische Untergruppe A10B A02 Metformin 5. Ebene, chemische Substanz

Alle als „Doppelverordnung“ beschriebenen Medikamente sowie alle Medikamente mit den Stich- worten „gleicher Wirkmechanismus“ oder „Verordnung beider Präparate notwendig?“ wurden ge- sammelt. Folgende Unterkategorien wurden daraus erstellt: 1. Doppelte Verordnung derselben Wirkstoffe, die ATC-Codes stimmen in allen 7 Stellen überein. Die ATC-Codes der beiden Arzneimittel stimmten in allen 7 Stellen überein, das heißt es handelte sich hierbei um den identischen Wirkstoff. Es kann bedeuten, dass ein Arzneimittel in einem Kombi- nationspräparat vorlag, so dass eine doppelte Einnahme zunächst nicht ersichtlich war. Eine andere Möglichkeit bestand in der Einnahme eines Präparates der Selbstmedikation parallel zu einem ver- schriebenen Arzneimittel. 2. Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe Indikation, wobei die ATC-Codes in 5 Stellen übereinstimmen. Die Übereinstimmung bestand auf der 4. Ebene der therapeutisch-pharmakologisch-chemischen Untergruppe. 3. Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe Indikation, wobei die ATC-Codes in 4 Stellen übereinstimmen. Die Übereinstimmung bestand auf der 3. Ebene der therapeutisch-pharmakologischen Untergruppe. 4. Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe Indikation, wobei die ATC-Codes nicht übereinstimmen.

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Methoden

Die Übereinstimmung bestand entweder auf der 1. oder der 2. Ebene des Organsystems oder der therapeutischen Untergruppe, oder es war keine Übereinstimmung des ATC-Codes der Wirkstoffe vorhanden. Meist wurden die Gründe der doppelten Verordnung nachgefragt oder das Absetzen eines der beiden Wirkstoffe empfohlen.

Hauptkategorie Versorgungslücke

Die Hauptkategorie „Versorgungslücke“ beschrieb das unbeabsichtigte Nichtverschreiben eines Arzneimittels, das für eine beim Patienten vorliegende Indikation indiziert gewesen wäre (beschrieben bei Dean et al. als „Unintentionally not prescribing a drug for a clinical condition for which medication is indicated.“ (73)). Die Einstufung in diese Kategorie orientierte sich an allgemein gültigen Therapieleitlinien (z.B. „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Erwachsenen“ (141)), die zum einen von Fachgesellschaften erstellt wurden oder dem neuesten Stand der Forschung entsprachen. Alle Arzneimittel, die mit den Stichworten „fehlend“, „warum wird nicht verordnet“ oder „eventuell zusätzlich ansetzen“ in den Konsilergebnissen aufgeführt waren, wurden zur Dokumentation in die Excel-Tabelle übernommen. Die genaue Bezeichnung der Kategorie ist „Unbeabsichtigtes Nichtverschreiben eines Arzneimittels für ein klinisches Bild, für welche das Arzneimittel indiziert wäre“ (73). Es wurden dabei Arzneimittel beschrieben, die nicht verordnet worden waren, die allerdings nach Ansicht der Experten für eine umfassende und vollständige Therapie eines Krankheitsbildes nötig gewesen wären, aber aus unbe- kannten Gründen beabsichtigt oder nichtbeabsichtigt nicht verordnet wurden.

Selbstmedikation

Alle Arzneimittel der Selbstmedikation wurden separat zu den Arzneimitteln, von deren Einnahme der behandelnde Arzt Kenntnis hatte, in denselben Haupt- und Unterkategorien betrachtet.

2.2.6 Sammlung und Strukturierung der Daten zu Konsilen, Rückmeldungen und telefonischen Beratungsgesprächen

Alle Daten, die im Zusammenhang mit der Konsilerstellung generiert worden waren, wurden ebenfalls in einer separaten Excel-Tabelle festgehalten. In dieser wurde eingetragen, ob es sich um ein Kurz- oder ein Direktkonsil handelte, die Anzahl der aufgeführten risikoreichen Arzneimittel oder der aufgeführten Stichworte, die Bearbeitungszeit eines Konsils sowie die Angabe der das Konsil er- stellenden Experten mit Eingangs-, Erstellungs- und Versanddatum des Konsils. Ebenso wurde doku- mentiert, wie viele Arzneimittel je Kurzkonsil als risikobehaftet angesehen wurden. Alle Daten zum Zeitpunkt, der Art der Rückmeldung und der Reaktion auf die Maßnahme sowie die Angaben zur tele- fonischen Beratung wurden erfasst. | 48

Methoden

2.3 Auswertung der Daten

2.3.1 Deskriptive Statistik

Die Auswertung der Daten erfolgte in Form deskriptiver Statistik. Die patientenbezogenen Para- meter, Diagnosen und Medikationen dienten der Beschreibung eines ambulanten Patientenkollektivs sowie dessen Polymedikationen und Multimorbidität. Die stetigen Daten, wie beispielsweise Alter oder BMI-Werte, wurden mit Mittelwerten, Medianen, Maximal- und Minimalwerten angegeben und in Histogrammen oder Kreisdiagrammen dargestellt. Die kategorischen Daten, wie beispielsweise die Medikationen und Diagnosen, wurden mit absoluten und relativen Häufigkeiten angegeben und in Diagrammen oder Häufigkeitsverteilungen dargestellt (142). Das Vorgehen, über Konsile den Anteil potentieller Verordnungsfehler zu mindern, wurde über eine Auswertung der Rückmeldungen einge- schätzt, weiterführende Untersuchungen über Änderungen der Medikation waren im Ablauf der Maßnahme durch die Krankenkasse nicht vorgesehen (s. Kapitel 4.7). Eine Einstufung des Risikos, das von den potentiellen Verordnungsfehlern ausgeht, wurde über die Bewertung der Zuverlässigkeit der Daten, über den Schweregrad mittels Delphi-Methode sowie durch die Berechnung eines Risikoin- dexes durchgeführt.

2.3.2 Auswertung der patientenbezogenen Daten

Sofern nicht anders angegeben beziehen sich alle prozentualen Werte jeweils auf das gesamte Patientenkollektiv (n=400). Die Darstellungen von Alter und Geschlecht haben jeweils das gesamte Patientenkollektiv als Grundlage, da diese Angaben vollständig übermittelt waren, die Angaben von Body-Mass-Index (BMI) und Nierenfunktion sind auf Grund fehlender Daten nur teilweise veran- schaulicht. Alle Angaben zu Medikationen und Diagnosen beziehen sich auf patienteneigene Aussa- gen und die durch die Krankenkasse bereitgestellten Daten. Vergleiche mit den Gegebenheiten der bundesdeutschen Bevölkerung zu Altersverteilung, BMI, Nierenfunktion oder den Häufigkeiten auf- tretender Diagnosen und häufig verordneter Arzneimittel werden im zugehörigen Abschnitt der Dis- kussion aufgeführt (s. Kapitel 4.3).

Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und Nierenfunktion

Der Anteil männlicher und weiblicher Teilnehmer, deren Alter, Body-Mass-Index und die Nieren- funktion wurden als Parameter betrachtet. Als Alter wurde das Alter zum Zeitpunkt der Konsilerstel- lung gewählt, bei erforderlichem doppeltem Versand eines Konsils wurde das Alter zum Zeitpunkt der ersten Konsilerstellung beibehalten. Der Body-Mass-Index wurde aus vorhandenen Daten übernommen, bei Angabe von Gewicht und Körpergröße nach folgender Formel berechnet (143): | 49

Methoden

Die errechneten BMI-Werte wurden einem Grad des Unter-, Normal- oder Übergewichts nach der BMI-Klassifikation der WHO zugeordnet (Tab. 7).

Klassifikation BMI (kg/m2) Tab. 7: Klassifikation der WHO zur Einstufung des Body-Mass-Index (143). Untergewicht < 18,5 Normalgewicht 18,5 - 24,9 Übergewicht ≥ 25,0 Präadipositas 25,0 - 29,9 Adipositas ≥ 30,0 Adipositas Klasse I 30,0 - 34,9 Adipositas Klasse II 35,0 - 39,9 Adipositas Klasse III ≥ 40,0

Die Berechnung der Nierenfunktion erfolgte anhand der vereinfachten MDRD-Formel mit den vier Variablen Alter, Geschlecht, der schwarzen oder nicht-schwarzen Hautfarbe sowie des Serum- Kreatinin-Wertes. Die zu Grunde liegende Formel lautet (144):

Die MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease) darf nicht angewendet werden bei aus- geprägter Adipositas, Unterernährung, bei Skelettmuskelerkrankungen, hohem Alter über 70 Jahre und sich schnell verändernder Nierenfunktion (134). War die GFR in den bereitgestellten Patienten- daten bereits angegeben, wurde kein Wert berechnet, bei Angabe des Serum-Kreatinin-Wertes wurde mit Hilfe der MDRD-Formel eine GFR errechnet. Strenggenommen dürfte die MDRD-Formel bei einigen Patienten des Kollektivs nicht angewendet werden (132). Um die Auswertungen einheit- lich zu gestalten, wurde für alle Patienten die MDRD-Formel angewendet in dem Wissen, dass einige berechnete Arzneimitteldosierungen nicht genau zutreffend sind, sondern auf Grund einer zu niedrig ausfallenden GFR ebenfalls geringer sein können (145), als wenn man für die Bestimmung der GFR eine 24h-Sammelurin-Messung durchgeführt hätte. Andererseits ergaben sich viele Arzneimitteldo- sierungen aus in der Fachinformation angegebenen GFR-Bereichen, so dass der exakte errechnete Wert nicht ausschlaggebend war. Die Berechnung wurde mit Hilfe des Rechenprogramms des Labor Limbach (Heidelberg) durchge- führt (146). Zur Einteilung der GFR-Werte wurden die Stadien der Deutschen Gesellschaft für

Nephrologie mit den zugehörigen ICD-10-Codes übernommen (Tab. 8) (147).

Stadium GFR Code und Bezeichnung Tab. 8: Stadien der Niereninsuffizienz bei chronischer 1 90 ml/min oder höher N18.1 Nierenerkrankung (CKD) nach ICD-10-GM 2013 (148). 2 60 bis unter 90 ml/min N18.2 3 30 bis unter 60 ml/min N18.3 4 15 bis unter 30 ml/min N18.4 (präterminal) 5 unter 15 ml/min N18.5 (terminal) | 50

Methoden

Medikation

Die von den Patienten eingenommenen Arzneimittel wurden, bis auf wenige Ausnahmen wie Aclidiniumbromid, welches im Oktober 2012 auf dem deutschen Arzneimittelmarkt zugelassen wurde (149) und erst auf der Liste des ATC-Codes 2014 enthalten ist, nach ATC-Codes 2013 gruppiert und in ihren Häufigkeiten dargestellt. Die durchschnittliche Anzahl eingenommener Arzneimittel und der Anteil der Arzneimittel in Selbstmedikation wurden dokumentiert. Die je Patient unterschiedliche Menge eingenommener Arzneimittel wurde vergleichend dargestellt: nach männlichen und weib- lichen Patienten sowie im Zusammenhang mit dem Alter. Der Anteil der Selbstmedikation an der Gesamtmedikation wurde errechnet. Die Selbstmedikation wurde ebenfalls separat betrachtet und, soweit möglich, nach ATC-Codes sortiert. Die Häufigkeiten der Selbstmedikation, sowie die Häufig- keiten der verschiedenen Arzneimittel und Präparate wurden ausgewertet und nach dreistelligen ATC-Codes eingestuft dargestellt.

Diagnosen

Die Diagnosen wurden nach dem ICD-10-GM 2013 (148) eingestuft und nach dreistelligem ICD-10- Code gruppiert dargestellt. Ein Vergleich der Diagnosen mit dem Alter der Patienten und der Anzahl der eingenommenen Arzneimittel wurde ebenfalls durchgeführt. Von der Krankenkasse eigens erstel- lte Diagnosegruppen wurden zur besseren Vergleichbarkeit einer ICD-10-Gruppierung zugeordnet.

2.3.3 Auswertung der Konsildaten

Die Anzahl der die Konsile bearbeitenden Experten, die Bearbeitungszeit, sowie die Anzahl versen- deter Kurz- oder Direktkonsile mit der Anzahl der aufgeführten, vom Expertenteam als risikoreich an- gesehenen Arzneimittel wurden ausgewertet. Die kategorisierten Ergebnisse der Medikationsana- lysen als die potentiellen Verordnungsfehler wurden mit ihren Häufigkeiten und der Anzahl betrof- fener Patienten betrachtet. Ebenso wurden die am häufigsten aufgeführten Arzneimittel auf sieben- stelliger ATC-Code-Ebene sowie, je nach Deutlichkeit, auf ein- oder dreistelliger ATC-Code-Ebene dar- gestellt. Der Anteil der am häufigsten auftretenden Arneimittel je Haupt- oder Unterkategorie an der Anzahl der Gesamtverordnungen des jeweiligen Arzneimittels wurde errechnet. Weitere Auswer- tungen betrafen die Zuverlässigkeit, den Schweregrad und den Risikoindex der Haupt- und Unter- kategorien.

2.4 Bewertung der Zuverlässigkeit der kategorisierten Konsilergebnisse

Die Zuverlässigkeit darüber, dass die zur Konsilerstellung vorliegenden Daten den tatsächlichen, bei dem Patienten vorliegenden klinischen Gegebenheiten entsprachen, war während der Erstellung der Konsile nicht immer vollständig gegeben. Zusätzliche Informationen, die bei Konsilerstellung | 51

Methoden nicht vorlagen, hätten zum Teil die Verordnung noch klären können. Sowohl die gedächtnisge- stützten, mündlichen Aussagen des Patienten als auch die Krankenkassendaten, als die vom Arzt übermittelten, abgerechneten Verordnungen und Diagnosen, konnten Mängel und Lücken auf- weisen, wie beispielsweise nicht aufgeführte Diagnosen, fehlerhaft übermittelte Dosierungen oder bereits abgesetzte Medikamente. Ein Schritt bei der Evaluation der Maßnahme war daher die Bewertung der Zuverlässigkeit der zur Konsilerstellung vorliegenden Daten. Die Methode für diese Einstufung wurde von Dean et al. 2000 (73) angepasst übernommen. Dean et al. beschrieben klinische Situationen von Arzneimitteltherapien, die von einem Expertenteam in einer Delphi-Runde entweder als vorliegender Verordnungsfehler („situations that should be included as a prescribing errors“, A), als zu hinterfragender Verordnungsfehler („situations that may be considered prescribing errors, depending on the individual clinical situations“, B) oder als nicht vorliegender Verordnungsfehler („situations that should be excluded as prescribing errors“, C) eingestuft werden konnten. Da im Gegensatz zu Dean et al. bei den Medikationsanalysen des Expertenteams die Entscheidung, ob ein potentieller Verordnungsfehler vorliegt, bereits durch die Aufnahme des potentiellen Verordnungs- fehlers in die Medikationsanalysen getroffen worden war, wurden lediglich die ersten beiden Einteilungen A und B für die Berwertung der Zuverlässigkeit übernommen. Die Einstufung war eine „Entweder-Oder“-Entscheidung zwischen folgenden beiden Kriterien: A Vorliegen einer für den Patienten unangemessenen Verordnung.

B Es ist abhängig vom klinischen Bild des Patienten, ob eine unangemessene Verordnung vorliegt. Für diese Auswertung wurde ein Fragebogen (s. Anhang Tab. A4) erstellt, der die eingeteilten Haupt- und Unterkategorien mit je charakteristischen Beispielen der bereits als solche eingestuften, potentiellen Verordnungsfehler enthielt.

2.4.1 Erstellung eines Fragebogens und Durchführung der Befragung bei dem Expertenteam

Der Fragebogen bestand aus den acht Haupt- bzw. 33 Unterkategorien mit einem (Unterkategorie "Applikationsart fehlerhaft") bzw. je drei einschlägigen Beispielen aus den Konsilergebnissen. Der Fragebogen wurde von dem Expertenteam ausgefüllt, das die Konsilergebnisse ausgearbeitet hatte, sowie einem in hausärztlicher Praxis und Forschung tätigen Hausarzt. Das Team bestand somit aus einem habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie, zwei Ärzten in Weiterbildung der Klinischen Pharmakologie, einem Apotheker sowie einem habilitierten Facharzt für Allgemeinmedizin. Die Experten waren mit der Maßnahme sehr gut vertraut und kannten die Entstehung der Daten. Zudem waren vier der Experten für die Beurteilung der Medikationen als potentielle Verordnungsfehler

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Methoden verantwortlich. Die Experten teilten die einzelnen vorgegebenen Haupt- oder Unterkategorien in die Einstufungen A und B unter Berücksichtigung der vorgegebenen Beispiele ein.

2.4.2 Auswertung der Fragebögen

Die durch die Fragebögen eingestuften Zuverlässigkeiten wurden bewertet, indem folgende Entscheidungsregeln angewendet wurden: - Konsens bestand, wenn alle Beurteiler dieselbe Einstufung wählten, - bei teilweiser Übereinstimmung wurde diejenige Einstufung gewertet, die mehr Stimmen erhielt, - bei gleicher Stimmzahl wurde die risikoreichere Kategorie A gewertet. Bewerteten die Experten, anders als ursprünglich vorgegeben, anstelle einer Haupt- oder Unter- kategorie jeweils die zur Veranschaulichung gedachten einzelnen drei Beispiele, wurde in dieser Kategorie die Stimmverteilung bei dreifacher Bewertung als drei Einzelstimmen, bei einfacher Bewer- tung dreifach gewertet und anschließend aus allen 15 Stimmen der Mittelwert gebildet.

2.5 Bewertung des Schweregrads der identifizierten potentiellen Verord- nungsfehler

Nachdem die Zuverlässigkeit der Datenbasis für die potentiellen Verordungsfehler eingeschätzt worden war, erfolgte eine Risikobewertung der potentiellen Verordnungsfehler. Dies geschah zu- nächst durch die Bestimmung eines Schweregrads der einzelnen potentiellen Verordnungsfehler. Durch diese Einstufung sollten die schädlichen Auswirkungen der potentiellen Verordungsfehler bei dem Patienten abgeschätzt werden.

2.5.1 Festlegen der Abstufungen der Schweregrade

Die Einschätzung der möglichen Auswirkungen der potentiellen Verordnungsfehler auf den Patienten wurde durchgeführt unter der Annahme, dass die Konsilempfehlungen den tatsächlich vor- liegenden klinischen Gegebenheiten entsprachen. Aus der Übernahme einer adaptierten Form des NCC MERP Indexes (63), welcher von dem „National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention" als Index für insgesamt neun Abstufungen von schädlichen Auswirkungen eines Medikationsfehlers auf den Patienten beschrieben wird, ergaben sich folgende drei Einstu- fungen: F3 - potentiell lebensbedrohlich oder schwerwiegend schädlich ("potential life- threatening or severe harm") F2 - potentiell moderat schädlich ("potential moderate harm") F1 - potentiell gering oder nicht schädlich ("potential low or no harm") | 53

Methoden

2.5.2 Durchführung der Schweregradeinschätzung nach der Delphi-Methode mit einem Expertenteam

Die Einstufung des Schweregrads wurde anhand eines Fragebogens durchgeführt, der in Aufbau und Inhalt mit dem Fragebogen zur Einstufung der Zuverlässigkeit identisch war. Die Experten bestanden aus habilitierten Klinischen Pharmakologen, einem habilitierten Internisten und Ärzten in der Weiterbildung, alle Mitarbeiter des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Insgesamt acht Experten wurden zur Teilnahme angefragt. Die Einstufung wurde nach dem Delphi-Prinzip vorgenommen und so in zwei Befragungsrunden durchgeführt, in denen die Experten die beschriebenen Sachverhalte einschätzten (Abb. 10) (150).

Befragung der Experten Delphi II

Fragebogen als Basis mit zu Zwischenergebnis bewertenden Situationen Konsensergebnis

Delphi I Befragung der Experten Ergebnis

Abb. 10: Schematischer Ablauf der Delphi-Methode (184).

Die Experten griffen dabei auf ihr Fachwissen und ihre Praxiserfahrung zurück und stuften die Kategorien der Konsilergebnisse in die vorgegebenen drei Schweregrade ein. Nach der ersten Einstu- fung wurden die Ergebnisse der ersten Runde gesammelt, in den Fragebogen unter Markierung der eigenen Bewertung integriert und für eine weitere Einstufung an die Experten verteilt. Durch die Kenntnis der Einschätzung der Kollegen aus der ersten Runde sollte in der zweiten Delphi-Runde eine Angleichung der Meinungen und ein Gruppenkonsens erreicht werden.

2.5.3 Auswertung der Fragebögen und Bestimmung des ermittelten Schweregrads eines jeden kategorisierten Verordnungsfehlers

Zur Ermittlung des Schweregrads wurden die Ergebnisse der Experten aus der zweiten Delphi- Runde verwendet. Bei einer Bewertung der einzelnen Beispiele anstelle der allgemeinen Unterkate- gorien, wurde ein Mittelwert aus allen angegebenen Stimmen gebildet, analog zur Bewertung der Zu- verlässigkeit (s. Kapitel 2.4.2). Fehlte die Bewertung eines der drei Beispiele, wurde der Mittelwert der vorliegenden oder die schwerwiegendere Einstufung der beiden bewerteten Beispiele gewertet.

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Methoden

Eine Grundlage zur Berechnung des Schweregrads je Unterkategorie fand sich bei Bertsche et al. 2008 (151). Sie führten Schweregradberechnungen bei Handhabungsfehlern von Arzneimitteln im stationären Bereich durch. Bei den vorliegenden Auswertungen erfolgte die Ge- wichtung der einzelnen Schweregrade zur Vereinheitlichung und Messung des Ergebnisses, analog zu Bertsche et al., für die Bewertungen F3 mit Faktor 2, für F2 mit Faktor 1 und für F1 mit Faktor 0,5 (s. Kapitel 2.5.1). Jede von den Experten abgegebene Stimme je Unterkategorie wurde mit der zugehörigen Ge- wichtung multipliziert und anschließend der Mittelwert gebildet. Der endgültige Schweregrad be- rechnete sich für eine Unterkategorie j als:

, wobei 6 der Gesamtzahl der Einstufungen der sechs Experten entspricht. Folgendes Beispiel zu „Ver- ordnung eines Arzneimittels, das Bestandteil der PRISCUS-Liste ist“, verdeutlicht die Berechnung:

Dies bedeutet, dass von sechs Experten ein Experte den Verordnungsfehler mit dem Schwere- grad 2 und fünf Experten den Verordnungsfehler mit dem Schweregrad 1 bewertet haben. Für die Schweregrade ergeben sich Werte in einem Intervall [0,5; 2], die untere Grenze entsteht bei ein- stimmiger Bewertung mit F1, die obere Grenze bei einstimmiger Bewertung mit F3.

2.6 Beschreibung eines Risikoindexes aus der Schweregradeinstufung und dem Risiko der enthaltenen Arzneimittel

Der Schweregrad der einzelnen Kategorien bildete die Grundlage für die Berechnung eines Risiko- indexes zur Einstufung des möglichen Risikos des potentiellen Verordnungsfehlers. Der Risikoindex gibt das durchschnittliche potentielle Risiko eines Patienten des vorliegenden Kollektivs an, das von dem Verordnungsfehler einer Unter- bzw. Hauptkategorie ausgehen kann. Dabei wurde der Wert des Schweregrades des zugehörigen Verordnungsfehlers um einen Faktor erweitert, der das Risiko des einzelnen involvierten Arzneimittels einschloss. Die Annahme, dass die Auswirkungen eines Verord- nungsfehlers ebenfalls vom Risiko, das von den beteiligten Arzneimitteln ausgeht, abhängen, wurde somit berücksichtigt. Der Risikoindex wurde nach einem bei Bertsche et al. (151) beschriebenen Mo- dell an die vorliegenden Auswertungen angepasst.

Der Risikoindex rj für eine Unterkategorie j hat folgende Form:

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Methoden

Der Risikoindex rj wurde demnach aus der Summe der Risikowerte Ra der beteiligten Arzneimit- tel Aj der Unterkategorie j gebildet, multipliziert mit dem Schweregrad sj der Unterkategorie j. Das

Produkt wurde geteilt durch die Anzahl der Patienten Pj, die einen Verordnungsfehler in der Unterka- tegorie j aufweisen. Das Arzneimittelrisiko Ra kann die Werte 0,5, 1 und 2 annehmen (s. Kapi- tel 2.6.1). Die Formel zeigt, dass der Risikoindex von der Anzahl, aber auch vom Risikowert der invol- vierten Arzneimittel abhängig ist. Analog wurde der Risikoindex rk der Hauptkategorie k berechnet.

Dieser Risikoindex rk der Hauptkategorie k hat folgende Form:

Zur Berechnung wurden zunächst die Produkte aus der Summe der Risikowerte der Arznei- mittel Ra und dem Schweregrad sj jeder Unterkategorie j der Hauptkategorie k gebildet (Wert in der Klammer). Anschließend wurden diese Produkte der Unterkategorien aufsummiert. Den durch- schnittlichen Wert des Risikoindexes rk der Hauptkategorie k erhielt man letztlich, indem die Gesamt- summe durch die Anzahl der Patienten Pk der Hauptkategorie k dividiert wurde. Es wird darauf hinge- wiesen, dass die Summe aus der Anzahl Patienten Pj der Unterkategorie j größer sein konnte als die

Anzahl Patienten Pk der Hauptkategorie k, da bei ein und demselben Patienten Verordnungsfehler in mehr als einer Unterkategorie einer Hauptkategorie auftreten konnten. In nachfolgender Tab. 9 sind die einzelnen Parameter der Formel des Risikoindexes beschrieben.

Tab. 9: Beschreibung der Parameter der Formel zur Berechnung des Risikoindexes. Variable Beschreibung

rk Risiko (potentiell schädliche Auswirkung) aller potentiellen Verordnungsfehler der Hauptkategorie k rj Risiko (potentiell schädliche Auswirkung) eines potentiellen Verordnungsfehlers j (gleichbedeutend einer Unterkategorie j) sj von Experten eingeschätzter Schweregrad des potentiellen Verordnungsfehlers j Pk Anzahl Patienten, die von einem potentiellen Verordnungsfehler der Hauptkategorie k betroffen sind Pj Anzahl Patienten, die von einem potentiellen Verordnungsfehler j (gleichbedeutend der Unter- kategorie j) betroffen sind J Anzahl der eine Hauptkategorie k beinhaltenden Unterkategorien Aj Anzahl Arzneimittel der Unterkategorie j Ra Risiko des Arzneimittels a, Werte 0,5; 1; 2

Alternativ könnte der Risikoindex auf der Basis der einzelnen Patienten wie folgt ermittelt werden. Für die Berechnung des Risikoindexes eines individuellen Patienten, der eine bestimmte An- zahl an Verordnungsfehlern in verschiedenen Unterkategorien aufweist, werden die Produkte aus dem Schweregrad sj und dem Arzneimittelrisiko Ra jedes betroffenen Arzneimittels jeder einzelnen

Unterkategorie j, in der der Patient einen Verordnungsfehler aufweist, aufsummiert und durch Pj = 1 geteilt. Anschließend werden für den individuellen Risikoindex der Hauptkategorie die individuellen Risikoindexe der auftretenden Unterkategorien addiert. Der Mittelwert der individuellen Risikoin- dexe einer Hauptkategorie ergibt denselben Wert wie der Risikoindex rk aus obiger Formel. Es wurde

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Methoden allerdings nicht dieser patientenindividuelle Berechnungsweg gewählt, sondern die oben dargestellte Formel als Mittelwert der individuellen Risikoindexe der einzelnen Verordnungsfehler, da durch die nicht-patientenbezogene Form eine bessere Vergleichbarkeit der Risiken der einzelnen Verordnungs- fehler vorliegt. Die Berechnung der Risikoindexe wurde je Unterkategorie sowie je Hauptkategorie durchgeführt.

Nachfolgende Tab. 10 zeigt Beispielwerte für die Berechnung des Risikoindexes rk einer fiktiven Hauptkategorie k mit zwei Unterkategorien j=1 und j=2 mit unterschiedlichen Schweregraden, in die zwei und vier Arzneimittel bei insgesamt drei Patienten involviert sind.

Tab. 10: Beispielwerte zur Berechnung des Risikoindexes rk einer fiktiven Hauptkategorie k mit zwei enthaltenen Unterkate- gorien und insgesamt sechs involvierten Arzneimitteln bei drei Patienten. Unter- Schwere- Arzneimittel Patientenanzahl kategorie grad Arzneimittel Risiko Anzahl Patient Unterkategorie Hauptkategorie j sj a Ra Aj P Pj Pk Coenzym Q10 0,5 A 1 0,8 2 2 Amitriptylin 2 B Ramipril 1 A 3 Vitamin B Komplex 0,5 B 2 1,4 4 3 Methotrexat 2 C Metformin 1

Die Risikoindexe r der Unterkategorien j=1 und j=2 errechnen sich somit als

r1 = ½ x 0,8 x (0,5 + 2) = ½ x 0,8 x 2,5 = 1,0

r2 = ⅓ x 1,4 x (1 + 0,5 + 2 + 1) = ⅓ x 1,4 x 4,5 = 2,1

Der Risikoindex rk der Hauptkategorie k errechnet sich als

rk = ⅓ x [0,8 x (0,5 + 2) + 1,4 x (1 + 0,5 + 2 + 1)] = ⅓ x (0,8 x 2,5 + 1,4 x 4,5) = ⅓ x (2 + 6,3) = 2,8

2.6.1 Berücksichtigung des Arzneimittelrisikos je potentieller Verordnungsfehler

Die möglichen schädlichen Auswirkungen eines potentiellen Verordnungsfehlers stehen im Zusammenhang mit dem Risiko der beteiligten Arzneimittel. Je mehr Arzneimittel bei einem Verord- nungsfehler involviert und je größer deren Risikowerte sind, desto größer kann das anzunehmende potentielle Risiko eines Verordnungsfehlers sein, da von der Annahme ausgegangen wird, dass sich die Risiken der Arzneimittel aufsummieren. Daher ist es sinnvoll, das zugehörige Risiko der in den potentiellen Verordnungsfehler einbezogenen Arzneimittel zu berücksichtigen. Die von Bertsche et al. (151) für den stationären Bereich verwendete Risikoaufteilung der Arzneimittel wurde dafür gekürzt oder um Arzneimittelgruppen oder einzelne, im ambulanten Bereich gängige Arzneimittel erweitert. Es ergaben sich dabei die in Tab. 11 dargestellten drei Arzneimittelgruppen.

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Methoden

Tab. 11: Einteilung der drei Arzneimittelklassen zur Beschreibung des Risikos der enthaltenen Arzneimittel, kursiv=ergänzte Arzneimittel (-gruppen) (angepasst nach Bertsche et al. (151)). Risikogruppe Enthaltene Arzneimittel high risk – „critical dose drug“ „critical dose drugs“, definiert durch Health Canada (152): Ciclosporin, Digoxin, Flecainid, Lithium, Phenytoin, Sirolimus, Tacrolimus, Theophyllin, andere Herzglykoside, , Zytostatika Medikamente der PRISCUS-Liste (112) moderate risk –  alle verschreibungspflichtigen und andere zugelassene, apothekenpflichtige „uncomplicated drugs“ Arzneimittel low risk – „nutritional  Nahrungsergänzungsmittel, Lösungen ohne aktive Inhaltsstoffe supplements and diluents  andere, nicht apothekenpflichtige Präparate und Präparate ohne Wirkstoff without active ingredients“

Das Risiko eines Arzneimittels wurde in den folgenden drei Risikoabstufungen eingeschätzt: A3 - stark risikoreiches Arzneimittel (major critical drug) A2 - moderat risikoreiches Arzneimittel (moderate critical drug) A1 - geringfügig risikoreiches Arzneimittel (minor critical drug) Die Gewichtung erfolgte analog zum Schweregrad mit Faktor 2 für die Gruppe A3, mit Faktor 1 für die Gruppe A2 und mit Faktor 0,5 für die Gruppe A1 (s. Kapitel 2.5.3) (151). Für die Variable Ra wurde in obiger Formel des Risikoindexes somit der Faktor des Arzneimittelrisikos eingesetzt. Für Nahrungs- ergänzungsmittel ergibt sich beispielsweise der Faktor Ra = 0,5. Für jeden Verordnungsfehler errech- nete sich so durch das Einsetzen des Risikos Ra der bei dem Verordnungsfehler involvierten Arznei- mittel individuell ein Wert, der für das vorliegende Patientenkollektiv spezifisch ist.

2.7 Auswertung der Rückmeldungen

Alle gesammelten Rückmeldungen der Ärzte wurden nach folgenden, in Abb. 11 dargestellten Kriterien tabellarisch sortiert. Der durchschnittliche Zeitraum von Konsilerstellung bis Rückmeldung, die Art der Rückmeldung, ob diese per Post, Fax oder telefonisch erfolgte, sowie die enthaltenen Reaktionen auf die Maßnahme wurden ausgewertet. Ebenso wurde beschrieben, ob sich die Rückmeldung nach einem Kurz- oder einem Direktkonsil ereignete, und ob Beratungsgespräche durchgeführt wurden, sowie der Zeitraum von Konsilversand bis zum erfolgten Beratungsgespräch. Behandelte ein Arzt mehrere Patienten des Kollektivs, wurde eine Rückmeldung, die mehrere Patienten betraf mehrfach gewertet. Wurden durch das Experten- team Antworten auf eine Rückmeldung bei fehlendem Beratungsgespräch versendet, so erfolgte eine Auswertung mit dem zugehörigen Zeitraum, ebenso wie bei Anrufen der Patienten. Die schriftlichen Rückmeldungen in Papierform wurden ebenso betrachtet wie die Dokumentationen des Experten- teams aus der Exceltabelle.

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Methoden

Abb. 11: Kriterien zur Auswertung der schriftlichen Rückmeldungen und der telefonischen Beratungsgespräche.

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Ergebnisse

3 Ergebnisse

3.1 Patientenkollektiv

Das Patientenkollektiv setzte sich aus 400 versicherten Patienten der Kaufmännischen Kranken- kasse (KKH) zusammen, die an dem Programm „Arzneimittel sicher anwenden" der KKH teilnahmen und einer von dem Expertenteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) erstellten Medika- tionsanalyse zustimmten. In nachfolgender Tab. 12 sind die wichtigsten Charakteristika des Patien- tenkollektivs mit den dazugehörigen statistischen Werten dargestellt.

Tab. 12: Patientencharakteristika mit wichtigen Kenngrößen (SD=Standardabweichung), Bezugszahl Patienten n=400. Anzahl % Minimum Mittelwert  SD Median Maximum Patienten Alter 400 100 % 39 70  8,1 71 86 männlich 208 52 % 39 71  8,3 72 85 weiblich 192 48 % 39 69  7,7 71 86 Body-Mass-Index (BMI) 392 98 % 15,6 kg/m2 30,0 kg/m2  5,6 29,4 kg/m2 48,7 kg/m2 männlich 203 51 % 17,9 kg/m2 29,8 kg/m2  5,2 29,3 kg/m2 47,3 kg/m2 weiblich 189 47 % 15,6 kg/m2 30,2 kg/m2  6,0 29,9 kg/m2 48,7 kg/m2 keine Angabe 8 2 % Gewicht 392 98 % 45 kg 87 kg  18,5 86 kg 149 kg Körpergröße 393 98 % 140 cm 170 cm  8,8 170 cm 196 cm Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ≥ 60 ml/min 225 56 % < 60 ml/min 146 37 % 12,1 ml/min 43,4 ml/min  11,9 45,1 ml/min 59,9 ml/min männlich 79 20 % 12,1 ml/min 42,3 ml/min  12,6 43,6 ml/min 59,9 ml/min weiblich 67 17 % 13,7 ml/min 44,7 ml/min  11,0 48,0 ml/min 59,4 ml/min keine Angabe 29 7 % Medikation 400 100 % 6 13,4  3,6 13 26 Anteil Selbstmedikation 160 40 % 0,8  1,5 Selbstmedikation 160 40 % 1 2,1  1,8 1 12 keine Selbstmedikation 240 60 % Diagnosen 400 100 % 2 8,2  3,4 8 21

3.1.1 Personenbezogene Parameter wie Alter und Geschlecht

Der Anteil männlicher Teilnehmer betrug 52 % (n=208) und war damit leicht erhöht gegenüber dem Anteil weiblicher Teilnehmer mit 48 % (n=192). Das männliche Durchschnittsalter lag bei 71 Jahren, das weibliche bei 69 Jahren. Das Gesamtdurchschnittsalter betrug 70 Jahre. Die weib- lichen Versicherten waren zwischen 39 und 86 Jahre alt, die männlichen Versicherten zwischen 39 und 85 Jahren. Die nachfolgende Abb. 12 zeigt die Altersverteilung des Kollektivs in verschiedenen Klassen mit Angabe der Obergrenzen sowie die Aufteilung der Werte in männliche und weibliche Patienten der einzelnen Klassen.

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Ergebnisse

Abb. 12: Verteilung der verschiedenen Altersklassen im gesamten Patienten- kollektiv für männ- liche Patienten (m Alter, untere Säulen) und weib- liche Patienten (w Alter, obere Säulen) (n=400).

Der Median von 72 Jahren bei den männlichen Patienten und 71 Jahren bei den weiblichen Patienten zeigte einen starken Überhang zu älteren Teilnehmern. Die größte Altersklasse bildeten Patienten zwischen 70 und 75 Jahren (n=115 von 400), wenige Patienten waren jünger als 50 Jahre (n=8 von 400) und eine Person war älter als 85 Jahre. Die Altersklasse zwischen 65 und 70 Jahren bildete die zweitgrößte (n=76 von 400). Es zeigte sich bei der Verteilung der Altersklassen eine ähn- liche Struktur für männliche und weibliche Teilnehmer.

3.1.2 Personenbezogene Parameter wie Body-Mass-Index und Nierenfunktion

Body-Mass-Index

Das Durchschnittsgewicht des Patientenkollektivs betrug 87 kg bei einer durchschnittlichen Körpergröße von 170 cm, der durchschnittliche Body-Mass-Index (BMI) ergab 30,0 kg/m2 (je bezogen auf n=392 auf Grund teilweiser fehlender Angaben). Der höchste BMI-Wert betrug 48,7 kg/m2, der niedrigste 15,6 kg/m2, dies entsprach auch den Minimal- und Maximalwerten der weiblichen Patien- ten. Bei den männlichen Patienten lag der niedrigste BMI-Wert bei 17,9 kg/m2, der höchste bei 47,3 kg/m2. Es zeigte sich für den BMI der männlichen und weiblichen Teilnehmer ein annähernd identischer Median von 29,3 kg/m2 und 29,7 kg/m2, der Mittelwert lag je etwas darüber. Die nachfol- gende Abb. 13 zeigt die Verteilung der einzelnen Body-Mass-Index-Klassen beim Patientenkollektiv nach der BMI-Klassifikation der WHO (143). 73 von 392 Patienten (19 %) besaßen ein Normalgewicht im Sinne der WHO-Klassifikation, 317 der 392 Patienten (81 %) wiesen ein Übergewicht auf. Etwa die Hälfte der Patienten mit 183 von 392 Patienten (48 %) litt an einer Adipositas im Allgemeinen, sowie 19 von 392 Patienten (5 %) an einem starken Übergewicht (> 40 kg/m2) mit einer Adipositas der Klasse III. Zwei von 392 Patienten (1 %) waren von einem Untergewicht betroffen.

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Ergebnisse

Abb. 13: Verteilung der einzelnen BMI-Klassen nach der Klassifikation der WHO (143) des Patientenkollektivs (n=392).

Nierenfunktion

Insgesamt lag bei 225 von 400 Patienten (56 %) eine ausreichende Nierenfunktion mit Werten der glomerulären Filtrationsrate (GFR) von über 60 ml/min vor. Unterhalb dieses Wertes muss bei vielen Arzneimitteln eine Anpassung der Dosierung an eine veränderte Nierenfunktion stattfinden (136). Bei 29 von 400 Patienten (7 %) fehlte eine Angabe zur Nierenfunktion und bei 146 von 400 Patien- ten (37 %) nahm die glomeruläre Filtrationstrate Werte unterhalb von 60 ml/min an mit einem Durchschnittswert von 43,4 ml/min. Die Referenzwerte zur Einteilung der Stadien einer Niereninsuffi- zienz wurden von dem ICD-10-GM Code 2013 übernommen (148), nachfolgende Abb. 14 zeigt die Verteilung der Werte im Patientenkollektiv.

Abb. 14: Verteilung der Stadien der Niereninsuffizienz bei chro- nischer Nierenerkrankung nach ICD-10-GM 2013 (148) im gesamten Patientenkollektiv (n=400).

Bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und Werten der GFR von unter 60 ml/min lag der Mittelwert der weiblichen Patienten bei 44,7 ml/min, der Median bei 48,0 ml/min, der Mittel- wert der männlichen Patienten bei 42,3 ml/min, der Median bei 43,6 ml/min. Die Minimalwerte be- trugen 12,1 ml/min bei männlichen und 13,7 ml/min bei weiblichen Patienten. Da unter den Teil- nehmern keine dialysepflichtigen Patienten waren, ergab sich für die oberen GFR-Bereiche eine dichtere Werteverteilung. Die Verteilung der Werte stellte sich bei den männlichen und weiblichen Patienten in etwa identisch dar.

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Ergebnisse

3.1.3 Medikation

Die Patienten nahmen zum Zeitpunkt der Konsilerstellung im Durchschnitt 13,4 Arzneimittel ein, davon waren 12,6 Arzneimittel vom Arzt verschrieben oder auf dessen Empfehlung hin eingenom- men und 0,8 Arzneimittel der Selbstmedikation. Nachfolgende Abb. 15 zeigt die Verteilung der An- zahl eingenommener Arzneimittel im Patientenkollektiv bei männlichen und weiblichen Patienten.

Abb. 15: Arzneimitteleinnahme der Patienten mit der Anzahl je eingenommener Medikamente im Kollektiv, für männliche Patienten (m Medi, untere Säulen) und weibliche Patienten (w Medi, obere Säulen) (n=400).

Der Median lag bei 13 eingenommenen Arzneimitteln je Patient. Die höchste Anzahl eingenom- mener Arzneimittel betrug 26, die geringste sechs Arzneimittel. Die größte Patientengruppe bildete mit 49 von 400 Patienten (12 %) diejenige mit der Einnahme von 12 Arzneimitteln. Mit je einem Anteil von 10 bis 12 % (n=38 bis 47 von 400) nahmen vergleichsweise viele Patienten 10 bis 15 Arzneimittel gleichzeitig ein. Eine Einnahme von 20 Arzneimitteln oder mehr betraf 26 von 400 Patienten (7 %). Nur 3 von 400 Patienten (1 %) nahmen die minimale Anzahl von sechs Arznei- mitteln ein, 7 von 400 Patienten (2 %) nahmen sieben Arzneimittel ein. Dabei ist zu beachten, dass nur Patienten mit einer Einnahme von mehr als fünf Arzneimitteln zur Teilnahme angefragt wurden. Weniger als oder genau 10 Arzneimittel nahmen 77 von 400 Patienten (19 %) ein. Eine Gegenüberstellung der Anzahl eingenommener Arzneimittel und dem Alter der Patienten ist in Abb. 16 dargestellt. Die Altersspanne derjenigen Patienten, die mehr als 20 Arzneimittel einnah- men betrug 55 bis 84 Jahre, die Altersspanne der Patienten, die weniger als 10 Arzneimittel einnah- men 47 bis 84 Jahre. Die Patienten mit dem geringsten Alter von 39 Jahren nahmen je 13 und 19 Ar-

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Ergebnisse zneimittel ein, die älteste Patientin mit 86 Jahren nahm 13 Arzneimittel ein. Die Darstellung beinhal- tet sowohl die verordneten als auch die in Selbstmedikation eingenommenen Arzneimittel. Die Kor- relationskoeffizienten r zeigen einen negativen Zusammenhang zwischen der Anzahl eingenommener Arzneimittel und dem Alter der Patienten. Der Regressionskoeffizient von -0,0508 bei den weiblichen und -0,0273 bei den männlichen Patienten verdeutlicht, dass mit der Zunahme des Lebensalters um 10 Jahre die Anzahl eingenommener Arzneimittel bei den weiblichen um etwa 0,5 und bei männ- lichen Patienten um etwa 0,3 sinkt. Da allerdings die Beträge der Korrelationskoeffizienten r nahe bei Null liegen, ist ein linearer Zusammenhang zwischen den beiden Größen nicht wahrscheinlich.

Abb. 16: Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Anzahl eingenommener Arzneimittel und dem Alter für männliche Patienten (m Medi, ●) und weibliche Patienten (w Medi, X), lineare Regressionsgerade für den Zusammenhang bei männlichen (―) und weiblichen Patienten (‐ ‐ ‐) (n=400).

Die Patienten nahmen insgesamt 5357 Arzneimittel ein. Auf siebenstelliger Ebene des ATC-Codes (anatomisch-therapeutisch-chemisches Klassifikationssystem, s. Kapitel 2.2.5 „Hauptkategorie Dop- pelverordnung“) bedeutete dies für 98 % der Arzneimittel (5231 von 5357) eine Anzahl von 523 ver- schiedenen ATC-Codes, 2 % der eingenommenen Präparate (126 von 5357) beinhalteten unbestim- mte Mineral- oder Vitaminpräparate oder homöopathische Arzneimittel. Die häufigsten eingenom- menen Arzneimittel, sortiert nach dem ATC-Code 2013 (153) sind in nachfolgender Tab. 13 darge- stellt.

Arzneimittel Anzahl Patienten % ATC-Code Tab. 13: Die häufigsten eingenommenen Arznei- Acetylsalicylsäure (TAH) 203 51 % B01AC06 mittel im Patientenkollektiv (TAH = Thrombozy- Simvastatin 201 50 % C10AA01 tenaggregationshemmung) (n=400). Pantoprazol 155 39 % A02BC02 Torasemid 142 36 % C03CA04 Metoprolol 120 30 % C07AB02 Levothyroxin 115 29 % H03AA01 Allopurinol 114 29 % M04AA01 | 64

Ergebnisse

Jeder zweite Patient nahm Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregationshemmung oder Simvastatin zur Behandlung der Hypercholesterinämie oder zur kardiovaskulären Prävention bei koronarer Herzerkrankung oder Diabetes mellitus ein. Ebenfalls mehr als jeder dritte Patient nahm Pantoprazol oder Torasemid ein. Häufig waren auch die Einnahme von Metoprolol, insbesondere bei Hypertonie oder Herzinsuffizienz, Levothyroxin bei vorliegender Hypothyreose oder die Einnahme von Allopurinol. Im Bereich des dreistelligen ATC-Codes 2013 (153) traten nachfolgende Arzneimittelgruppen am häufigsten auf (Tab. 14). Besonders oft nahmen die Patienten Arzneimittel mit antithrombotischer Wirkung, Arzneimittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System oder Antidiabetika ein. Jedoch waren die prozentualen Häufigkeiten der Arzneimittel auf dreistelliger Ebene des ATC-Codes jeweils gering mit 7 % oder niedriger, so dass die Vielfalt der im Patientenkollektiv eingenommenen Arznei- mittel als sehr hoch angesehen werden kann.

ATC-Code dreistellig Häufigkeit % Tab. 14: Die häufigsten einge- B01 Antithrombotische Mittel 377 7 % nommenen Arzneimittel im C09 Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System 366 7 % Patientenkollektiv nach dreistel- A10 Antidiabetika 364 7 % ligem ATC-Code 2013 (n=5357).

C03 Diuretika 325 6 % R03 Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen 318 6 % C07 Beta-Adrenozeptor-Antagonisten 303 6 %

Nachfolgende Abb. 17 zeigt die Verteilung der von den 400 Patienten eingenommenen Arznei- mittel auf einstelliger Ebene des ATC-Codes.

Abb. 17: Häufigkeiten der ATC-Hauptgruppen der Arzneimittel, die von den Patienten eingenommen wurden (n=5357).

Mit 1804 von 5357 Arzneimitteln (34 %) bildeten Arzneimittel der ATC-Hauptgruppe C zur Be- handlung von Erkrankungen des kardiovaskulären Systems die größte Hauptgruppe, nachfolgend Arzneimittel der Hauptgruppe A zur Behandlung von Erkrankungen des alimentären Systems und Stoffwechsels mit 1074 von 5357 Arzneimitteln (20 %) sowie mit 653 von 5357 Arzneimitteln (12 %)

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Ergebnisse

Arzneimittel der Hauptgruppe N bei Erkrankungen des Nervensystems. Homöopathische Arzneimittel und andere, freiverkäufliche Präparate zur Nahrungsergänzung machten mit 150 von 5357 Arznei- mitteln einen Anteil von 3 % aller eingenommenen Arzneimittel aus.

Selbstmedikation

Arzneimittel in Selbstmedikation ohne Kenntnis des Arztes nahmen 92 weibliche und 68 männ- liche Patienten ein. Dies entspricht einem Anteil von 160 der 400 Patienten (40 %) des gesamten Kollektivs. Der maximale Anteil der Selbstmedikation an einer Polymedikation betrug 12 von insge- samt 25 eingenommenen Arzneimitteln (48 %) bei einem männlichen Patienten, dies entspricht auch dem Maximalwert eingenommener Arzneimittel der Selbstmedikation. Der Median bei Patienten mit Arzneimitteln der Selbstmedikation lag bei den weiblichen Patienten bei zwei und bei männlichen Patienten bei einem Arzneimittel, der Mittelwert betrug je 2,1 Arzneimittel. In Abb. 18 sind die Häufigkeiten der eingenommenen Arzneimittel der Selbstmedikation darge- stellt. Die meisten Patienten mit 83 von 160 Patienten (52 %) nahmen lediglich ein Arzneimittel, 39 von 160 Patienten (24 %) nahmen zwei und 38 von 160 Patienten (24 %) nahmen drei und mehr Arzneimittel ein.

Abb. 18: Eingenommene Arzneimittel in Selbstmedika- tion im Patientenkollektiv für männliche (m Selbstm, untere Säulen) und weibliche Patien- ten (w Selbstm, obere Säulen) (n=160).

Es wurden insgesamt 331 Arzneimittel eingenommen, davon 62 der 331 Arzneimittel (19 %) bei Bedarf, 245 der 331 Arzneimittel (74 %) als Dauermedikation, zu 24 der 331 Arzneimittel (7 %) war keine Angabe zur Einnahmegewohnheit angegeben. Besonders häufig nahmen die Patienten Nahrungsergänzungspräparate wie Vitamin- oder Mineralstoffpräparate ein mit 68 von 160 Patien- ten (43 %) und 91 von 331 Arzneimitteln (28 %) (Tab. 15). Ebenso nahmen 46 von 160 Patien- ten (29 %) Magnesiumpräparate ein, dies entspricht einem Anteil von 46 der 400 Patienten (12 %). 8 von 160 Patienten (5 %) nahmen ein Weißdorn- oder Ginkgo-Präparat oder ein homöopathisches Arzneimittel ein, 7 von 160 Patienten (4 %) nahmen ein Mineralstoffpräparat mit Calcium oder Zink in Selbstmedikation ein. In Tab. 16 dargestellte Arzneimittel auf dreistelliger ATC-Code-Ebene wur- | 66

Ergebnisse den besonders häufig eingenommen, dazu gehörten insbesondere Mineralstoffe und Vitamine sowie Analgetika und Laxantien.

Tab. 15: Die häufigsten Arzneimittel, die in Selbstmedikation eingenommen wurden (n=331). ATC-Gruppe Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code dreistellig Sonstige 91 27 % - Tab. 16: Die häufigsten eingenommenen Magnesium 46 14 % A12CC A12 – Mineralstoffe Arzneimittel in Selbstmedikation auf drei- Weißdorn 8 2 % C01EP01 C01 – Herztherapie stelliger ATC-Code Ebene (n=331). Homöopathisc ATC-Code dreistellig Häufigkeit % 8 2 % - - he Präparate Sonstige 92 28 % N06 – A12 – Mineralstoffe 74 22 % Ginkgo biloba 8 2 % N06DP01 Psychoanaleptika A11 – Vitamine 29 9 % Calcium 7 2 % A12AA A12 – Mineralstoffe A06 – Laxantien 15 5 % Zink 7 2 % A12CB A12 – Mineralstoffe N02 - Analgetika 12 4 %

3.1.4 Diagnosen

Die Patienten wiesen durchschnittlich 8,2 verschiedene Diagnosen auf, die dem Expertenteam zur Auswertung der Polymedikationen vorlagen und die bei dem Patienten zum einen mündlich erfragt oder aus übermittelten Daten der Krankenkasse übernommen wurden. Die Aufteilung der Häufig- keiten der Diagnosen im gesamten Patientenkollektiv ist in Abb. 19 dargestellt.

Abb. 19: Häufigkeiten der vorliegenden Diagnosen je Patient im gesamten Kollektiv (n=400).

Die Mehrzahl mit 241 von 400 Patienten (60 %) waren von fünf bis neun Diagnosen, und 118 von 400 Patienten (30 %) von 10 und mehr Diagnosen betroffen, bei drei Patienten lagen nur zwei ver- schiedene Diagnosen vor (je essentielle Hypertonie, sowie in zwei Fällen zusätzlich Diabetes mellitus Typ II und in einem Fall eine Polyneuropathie). Bei einer Patientin war die Höchstanzahl von | 67

Ergebnisse

21 Diagnosen vorhanden, bei den männlichen Patienten betrug der Maximalwert 18 Diagnosen. Der Median lag bei 8 Diagnosen. Die häufigsten Diagnosen bei einer Gesamtzahl von n=3273 waren mit 38 % Erkrankungen des Kreislaufsystems der ICD-10 Gruppe I, zu 12 % Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sowie des Bindegewebes der ICD-10 Gruppe M und mit 10 % endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrank- heiten der ICD-10 Gruppe E. Sehr selten waren Erkrankungen des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems (ICD-10 Gruppe D,) bestim- mte infektiöse und parasitäre Erkrankungen (ICD-10 Gruppe A-B) sowie Erkrankungen des Ohres und Warzenfortsatzes (ICD-10 Gruppe H) mit einem Anteil von jeweils < 1 % vorhanden (Abb. 20). Patien- ten mit Erkrankungen von gut- oder bösartigen Neubildungen sollten nach Angaben der Krankenkas- se nicht zur Teilnahme angefragt werden, allerdings enthielten die Diagnosen zu 2 % Erkrankungen des ICD-10-GM 2013 Codes C mit Neubildungen (beispielsweise Tumoren u. Ä.).

Abb. 20: Häufigkeiten der einzelnen Diagnosen der Hauptkapitel des ICD-10-GM 2013 Codes (n=3273).

Insgesamt waren 220 verschiedene ICD-10-GM 2013 Codes auf dreistelliger Ebene vorhanden. Nach den vorgegebenen Informationen der Krankenkasse litten 334 von 400 Patienten (84 %) an einer essentiellen Hypertonie, 202 von 400 Patienten (51 %) an einer koronaren Herzerkrankung und 196 der 400 Patienten (49 %) an einem Diabetes mellitus Typ II. Die nachfolgende Tab. 17 veran- schaulicht die häufigsten Diagnosen. Mit 37 % (146 von 400 Patienten) und 32 % (127 von 400 Pa- tienten) waren je ein Drittel der Patienten von einer Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern betroffen.

ICD-10 Code Anzahl Tab. 17: Häufigste Diagno- % Bezeichnung dreistellig Patienten sen je Patient nach dreistel- I10 334 84 % Essentielle (primäre) Hypertonie ligem ICD-10-GM 2013 Code im Patientenkollektiv I25 202 51 % Chronische ischämische Herzkrankheit (n=400). Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus E11 196 49 % [Typ-2-Diabetes] I50 146 37 % Herzinsuffizienz I48 127 32 % Vorhofflimmern und Vorhofflattern

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Ergebnisse

Abb. 21: Zusammenhang zwischen der Anzahl an Diagnosen und dem Alter für männliche Patienten (m Diagnosen, ●) und weibliche Patienten (w Diagnosen, X), lineare Regressionsgerade für den Zusammenhang bei männlichen (―) und weib- lichen Patienten (‐ ‐ ‐) (n=400).

Abb. 22: Darstellung des Zusammenhangs zwischen eingenommenen Arzneimitteln und der Anzahl Diagnosen je Patient für männliche Patienten (m Medi, ●) und weibliche Patienten (w Medi, X), lineare Regressionsgerade für den Zusammenhang bei männlichen (―) und weiblichen Patienten (‐ ‐ ‐) (n=400).

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Ergebnisse

Vorangehende Abb. 21 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Patientenalter und der Anzahl vorhandener Diagnosen. Bei höherem Alter war eine vermehrte Anzahl Diagnosen erkennbar, die maximalen Werte mit 17 bis 21 Diagnosen traten beispielsweise bei Patienten im Alter zwischen 72 und 79 Jahren auf. Andererseits hatten auch ältere Patienten mit etwa 80 Jahren mit drei bis fünf eine geringe Anzahl dokumentierter Diagnosen vorliegen. Der Regressionskoeffizient von 0,0283 bei den männlichen und 0,0435 bei den weiblichen Patienten sagt aus, dass bei einer Zunahme des Alters um 10 Lebensjahre die Anzahl der Diagnosen um etwa 0,3 bei den männlichen und 0,4 bei den weiblichen Patienten ansteigt. Da jedoch die Korrelationskoeffizienten einen Betrag nahe Null auf- weisen, ist ein linearer Zusammenhang wenig wahrscheinlich. Wie in Abb. 22 dargestellt ist ein Zusammenhang zwischen der Anzahl eingenommener Arznei- mittel und der Anzahl vorhandener Diagnosen ebenfall nicht erkennbar. Die Korrelationskoeffizenten zeigen mit einem Betrag nahe 0 einen unwahrscheinlichen statistischen Zusammenhang an. Auch bei wenigen aufgeführten Diagnosen, beispielsweise der Anzahl zwei, nahmen zwei weibliche Patienten je 12 und 20 und ein männlicher Patient 13 Arzneimittel, mit je einem enthaltenen Arzneimittel in Selbstmedikation, ein. Ebenso konnte eine hohe Anzahl an aufgeführten Diagnosen, beispielsweise 19 Diagnosen bei einer weiblichen Patientin, mit wenigen Arzneimitteln, hier sieben, auftreten.

3.2 Konsile und Medikationsanalysen

Die an die behandelnden Ärzte versendeten Konsile enthielten Stichworte oder kurze Zusammen- fassungen der Medikationsanalysen, die durch das Expertenteam auf der Basis der von der Kranken- kasse bereitgestellten Daten erstellt wurden. Die nachfolgenden Auswertungen stellen die Kategori- sierung der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler dar. An der Bearbeitung der Konsile waren vier Experten beteiligt: ein habilitierter klinischer Pharma- kologe, zwei Assistenzärzte in der Weiterbildung zum Klinischen Pharmakologen und ein Apotheker. Jedes Konsil wurde mindestens nach dem Vier-Augen-Prinzip bearbeitet und durch den Klinischen Pharmakologen freigegeben. 104 von 400 Konsile (26 %) wurden nach dem Vier-AugenPrinzip, 296 von 400 Konsilen (74 %) wurden nach dem Sechs-Augen-Prinzip bearbeitet, die Freigabe erfolgte je durch den Klinischen Pharmakologen. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Konsils betrug 67 Minuten bei einem Intervall von 30 bis 120 Minuten (n=400). Zu der Bearbeitungszeit, welche die Auswertung der Diagnosen und Medikationen, Literaturrecherche und die Erstellung eines Konsil- briefs umfasste, muss der Vollständigkeit halber ebenso die Zeit gerechnet werden, die für admini- strative Aufgaben wie die Aufarbeitung der Daten zur Auswertung, das Einpflegen der Ergebnisse in eine Excel-Tabelle sowie das Kopieren und Versenden der Unterlagen an den angegebenen Arzt, den Patienten oder die Krankenkasse aufgebracht wurde. Diese erforderte je Konsil zusätzlich etwa

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Ergebnisse

30 Minuten. Ein verfasstes Kurzkonsil enthielt im Durchschnitt drei Stichworte, ein Direktkonsil durchschnittlich Anmerkungen zu sieben Arzneimitteln. Es wurden 237 Konsile (59 %) als Kurzkonsil direkt an den Patienten versendet, der das Konsil bei seinem nächsten Termin an seinen behandelnden Arzt weitergab. Nachdem 10 Monate nach Beginn der Datensammlung die Möglichkeit bestand, einen Konsilbrief als Direktkonsil an den behandelnden Arzt zu versenden, wurden 163 der 400 Konsile (41 %) unter einer ausführlicheren Beschreibung der Konsilergebnisse an den Vertrauensarzt des Patienten versendet mit Erläuterungen zu Hintergrund und Kostenfreiheit der Konsile. Nach der Einführung des Versands von Direktkonsilen lehnten 14 von 400 Patienten (4 %) die direkte Kontaktaufnahme mit dem Arzt ab und es wurde entsprechend ein Kurzkonsil an den Patienten zur Weitergabe an seinen behandelnden Arzt versendet. In elf Fällen wurde das Konsil als Duplikat in der Annahme eines Verlustes über den Postweg erneut versendet, nachdem der Patient meldete, dass das Konsil ihn oder den behandelnden Arzt nicht ereicht hatte. Alle Angaben in den Tabellen beziehen sich auf eine Gesamtzahl von 5357 eingenommenen Arzneimitteln bei allen 400 Patienten. Die pharmakologischen und medizinischen Erläuterungen der potentiellen Verordungsfehler stellen die Ausarbeitungen der Experten dar, die die Medikationsana- lysen erstellten. Zusätzliche Informationen zum Verständnis und zur Erläuterung der angegebenen Stichworte wurden aus den zugehörigen Fachinformationen (119) oder den zur Erstellung der Medi- kationsanalysen verwendeten Datenbanken (114-116,118) zusammengetragen (s. Kapitel 2.1.4).

3.2.1 Übersicht über Konsilergebnisse

Die Ergebnisse der Medikationsanalysen, die vom Expertenteam als potentielle Verordnungs- fehler identifiziert und nach den in Kapitel 2.2.4 und 2.2.5 beschriebenen Haupt- und Unterkatego- rien eingestuft wurden, sind in nachfolgender Tab. 18 dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Summe der Häufigkeiten der Unterkategorien nicht die Häufigkeit der Hauptkategorie darstellt, da es sich hierbei um die Häufigkeit der betroffenen Patienten handelt. Jeder Patient konnte von mehreren Verordnungsfehlern einer Haupt- oder Unterkategorie betroffen sein. Sobald ein Patient von einem potentiellen Verordnungsfehler in mindestens einer Unterkategorie tangiert war, implizierte dies ein Auftreten in der zugehörigen Hauptkategorie. Die Gesamtzahl der je Unterkategorie involvierten Arzneimittel je zugehöriger Hauptkategorie war hingegen identisch. Abb. 23 zeigt die Verteilung der insgesamt 2943 identifizierten potentiellen Verordnungsfehler in den acht Hauptkategorien. Die Gesamtanzahl der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler ent- spricht je Patient 7,4 potentiellen Verordnungsfehlern. Mit 863 von 2943 potentiellen Verordnungs- fehlern (29 %) und 815 von 2943 potentiellen Verordnungsfehlern (28 %) traten am häufigsten die Hauptkategorien Indikation und Interaktion auf. Selten waren Verordnungsfehlern in den Haupt- kategorien Kontraindikation (1 %, 22 von 2943) und Nierenfunktion (5 %, 150 von 2943) enthalten.

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Ergebnisse

Abb. 23: Verteilung der 2943 identi- fizierten potentiellen Verordnungsfehler in den acht Hauptkategorien.

Tab. 18: Übersicht der Ergebnisse der Medikationsanalysen, eingeteilt in acht Haupt- und 33 Unterkategorien.

Anteil Gesamtzahl durchschnittliche Anteil Anzahl versch. Patien- Arzneimittel Anzahl Arznei- Arznei- Arzneimittel

ten (-kombina- mittel (-kombina- mittel (-kombina- Anzahl

Patienten (n=400) tionen) tionen) je Patient (n=5357) tionen) Indikation 336 84 % 863 2,6 16 % 251 fehlende Indikation 303 76 % 673 2,2 13 % 228 unklare Indikation 9 2 % 10 1,1 0 % 7 kein Wirksamkeitsnachweis 34 9 % 38 1,1 1 % 20 Dauertherapie Indikation fehlend 130 33 % 142 1,1 3 % 24 Risikomedikamente 235 59 % 376 1,6 7 % 88 PRISCUS-Arzneimittel 137 34 % 170 1,2 3 % 43 Risikoarzneimittel 117 29 % 145 1,3 3 % 43 risikoreiche Dauertherapie 55 14 % 61 1,1 1 % 8 Interaktion 294 74 % 815 2,8 384 „kontraindiziert" 16 4 % 19 1,2 14 „schwerwiegend" 196 49 % 352 1,8 140 „moderat" 192 48 % 363 1,9 175 „geringfügig" 22 6 % 22 1 9 keine Interaktion/widersprüchlich 20 5 % 22 1,1 10 keine Angabe 22 6 % 37 1,7 37 Kontraindikation 21 5 % 22 1 0 % 19 Dosierung 230 58 % 381 1,7 7 % 94 Höchstdosis überschritten 29 7 % 29 1 1 % 19 therap. Dosis überschritten 71 18 % 77 1,1 1 % 12 therap. Dosis unterschritten 10 3 % 10 1 0 % 8 Applikationsfrequenz fehlerhaft 131 33 % 177 1,4 3 % 38 Applikationszeitpunkt fehlerhaft 16 4 % 17 1,1 0 % 11 Applikationsart fehlerhaft 1 0 % 1 1 0 % 1 Applikationsintervall >24h 31 8 % 33 1,1 1 % 11 Dosierung unklar 7 2 % 8 1,1 0 % 8 Reduktion der Tablettenzahl 5 1 % 5 1 0 % 5 Bedarfsgabe statt Dauertherapie 16 4 % 16 1 0 % 15 Dauertherapie statt Bedarfsgabe 8 2 % 8 1 0 % 7 Dosisanpassung Nierenfunktion 88 22 % 150 1,7 3 % 42 Dosisanpassung erforderlich 56 14 % 70 1,3 1 % 21 Vorsicht bei Niereninsuffizienz 24 6 % 26 1,1 0 % 12 Kontraindikation Niereninsuffizienz 48 12 % 54 1,1 1 % 15 Doppelverordnung 118 30 % 165 1,4 99 7-stellige Übereinstimmung 53 13 % 60 1,1 34 5-stellige Übereinstimmung 53 13 % 63 1,2 33 4-stellige Übereinstimmung 24 6 % 24 1 21 1-3-stellige Übereinstimmung 17 4 % 18 1,1 16 Versorgungslücke 125 31 % 171 1,4 | 72

Ergebnisse

3.2.2 Hauptkategorie Indikation

Bei insgesamt 336 der 400 Patienten (84 %) lag ein potentieller Verordnungsfehler im Bereich „Indikation“ vor. Dies betraf 863 Arzneimittel, 16 % aller eingenommenen Arzneimittel, bei denen es eine Nachfrage in Bezug auf die vorliegende Indikation gab. Das entspricht je Patient einer durch- schnittlichen Anzahl von 2,6 Arzneimitteln. Nachfolgende Abb. 24 stellt dar, wie viele Arzneimittel je Patient in die Hauptkategorie „Indikation" eingeordnet waren. Der Großteil der Patienten mit 97 von 336 (29 %) nahm ein oder zwei Arzneimittel ein, die von den Experten mit Nachfragen bezüglich der Indikation versehen worden waren. Je ein Patient war von 8, 10 oder 12 dieser Arzneimittelnach- fragen betroffen.

Abb. 24: Anzahl der Patienten mit der Anzahl verordneter Arzneimittel der Hauptkategorie „Indikation" (n=336).

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Hauptkategorie „Indikation" mit ihren Einteilungen in die vier Unterkategorien näher erläutert.

(I) Verschreiben eines Arzneimittels, für welches keine Indikation für den Patienten vorliegt. In diese Unterkategorie fielen 303 von 400 Patienten (76 %). Jeder betroffene Patient nahm 2,2 Arzneimittel ein, bei denen mindestens eine Nachfrage des Expertenteams bezüglich der Indika- tion eines Arzneimittels vorhanden war. Es waren insgesamt 673 Arzneimittel, ein Anteil von 13 % aller Arzneimittel, in diese Unterkategorie involviert. In der nachfolgenden Tab. 19 sind die am häufigsten ohne vorliegende Indikation verordneten Arzneimittel, charakterisiert durch den ATC-Code, aufgeführt, mit den von den Experten vermuteten vorliegenden Indikationen. Ebenso ist angegeben, wie sich der Anteil jedes betroffenen Arzneimittels dieser Unterkategorie an der Anzahl der Gesamtverordnungen des Arzneimittels im Patienten- kollektiv darstellt (Verordnungen gesamt (%)). Besonders häufig handelte es sich dabei um Allopurinol, das eingenommen wurde, ohne dass die Indikation Gicht oder ersichtliche erhöhte Serum-Harnsäure-Werte oberhalb von 8,5 mg/dl vorlagen, sowie um Levothyroxin bei einer fehlenden Indikation einer Hypothyreose oder eines Strumas. Ebenso war häufig eine Notwendigkeit der Substitution von Colecalciferol nicht ersichtlich, beispiels-

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Ergebnisse weise zur Prophylaxe einer Osteoporose oder eines Vitamin-D-Mangels, oder die Gabe von Tamsulosin bei fehlender Diagnose einer benignen Prostatahyperplasie.

Tab. 19: Die häufigsten Arzneimittel, die ohne eine dem Expertenteam vorliegende Indikation verordnet waren (n=673). Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen vermutete (Haupt-) Indikation gesamt (%) Allopurinol 94 14 % M04AA01 114 (82 %) Hyperurikämie Levothyroxin 60 9 % V04CJ03 128 (47 %) Hypothyreose, Strumaprophylaxe Colecalciferol 22 3 % A11CC05 111 (20 %) Rachtitisprophylaxe, Osteoporoseprophylaxe, -therapie Tamsulosin 22 3 % G04CA02 47 (47 %) Benigne Prostatahyperplasie Glyceroltrinitrat 12 2 % A05AX08 113 (11 %) Angina pectoris Omeprazol 12 2 % A02BC01 87 (14 %) Ulcusprophylaxe, -therapie, Refluxösophagitis 11 2 % B01AC04 46 (24 %) Vorhofflimmern, nach Herzinfarkt, Stentimplantation mit Anwendung bis zu 12 Monaten Estradiol 10 1 % G03CA03 16 (63 %) Hormonsubstitution in der Menopause oder Osteoporoseprophylaxe Pantoprazol 10 1 % N06AA09 155 (6 %) Ulcusprophylaxe, -therapie, Refluxösophagitis

Die Gabe von Glyceroltrinitrat ist insbesondere bei bestehender Angina pectoris indiziert und nicht zur Blutdrucksenkung bei einer arteriellen Hypertonie (2 %, n=12) geeignet. Die Gabe von Protonenpumpeninhibitoren (3 %) wie Omeprazol (n=12), Pantoprazol (n=10) oder Lansoprazol (n=1) bei fehlender Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika oder Antiphlogistika oder dem Nichtvor- liegen einer Refluxösophagitis oder eines Ulcus ist über einen Zeitraum von maximal 8 Wochen empfohlen. Die Gabe von Clopidogrel (2 %, n=11) ist indiziert bei vorhandenem Stent oder zurück- liegendem Schlaganfall zur Weiterführung über eine Dauer von maximal zwölf Monaten. Auch eine eventuell vorliegende Indikation zur Hormonsubstitution nach der Menopause mit Estradiol (1 %, n=10) sollte regelmäßig und insbesondere bei Frauen über 65 Jahren überprüft werden.

(II) Verordnung eines Arzneimittels, für welches zwar eine Indikation gegeben, diese allerdings unklar ist. Bei 9 von 400 Medikationsanalysen (2 %) war je mindestens ein Arzneimittel vorhanden, zu dem zwar eine Indikation vorlag, die Gabe des Arzneimittels allerdings von den Experten hinterfragt wurde, da es eine andere, wirksamere Alternative im Vergleich zu dem verordneten Arzneimittel gab. Insgesamt 10 Arzneimittel waren in diese Unterkategorie involviert, und es entsprach je Patient 1,1 betroffenen Arzneimitteln. In der nachfolgenden Tab. 20 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Es waren mit 9 von 10 Arzneimitteln (90 %) hauptsächlich Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" enthalten. Ein Arzneimittel war das Antidiabetikum Repaglinid der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel". Bei der Gabe dieser Arzneimittel lässt sich die Therapie optimieren oder

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Ergebnisse eventuell eine Dosierung verringern, indem ein für die Indikation passenderes Medikament ausge- wählt wird. Tab. 20: Verordnete Arzneimittel mit vorliegender Indikation, allerdings besserer therapeutischer Alternative (n=10). Arzneimittel Häufigkeit % ATC– Verordnungen Grund Alternativmedikation Code gesamt (%) Moxonidin 4 40 % C02AC05 29 (14 %) nicht nachgewiesene Thiazid-Diuretikum, ACE- Mortalitätssenkung, Hemmer, AT1-Blocker, Reservetherapeutikum Spironolacton, Carvedilol Atenolol 1 10 % C07AB03 2 (50 %) keine erste Wahl Metoprolol, Bisoprolol Metoprolol 1 10 % C07AB02 122 (1 %) keine aktuelle ACE-Hemmer, Therapieempfehlung Calciumkanalblocker, bei Hypertonie Hydrochlorothiazid Nitrendipin 1 10 % C08CA08 22 (5 %) keine aktuelle ACE-Hemmer, Therapieempfehlung langwirksamer bei Hypertonie Calciumkanalblocker, Hydrochlorothiazid Repaglinid 1 10 % A10BX02 9 (11 %) gleichzeitige keine Insulingabe Torasemid 1 10 % C03CA04 142 (1 %) Gabe bei NYHA I Hydrochlorothiazid Urapidil 1 10 % C02CA06 9 (11 %) untypisches Calciumkanalblocker Blutdrucktherapeu- tikum

Moxonidin stellt als Reservetherapeutikum nicht die erste Therapieoption bei Hypertonie dar, andere Antihypertonika wie Thiazid-Diuretika, ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Antagonisten sollten bevorzugt angewendet werden. Bei dem Betablocker Atenolol handelt es sich in den meisten Bezirken der kassenärztlichen Vereinigungen nicht um eine Leitsubstanz nach dem Wirtschaftlich- keitsprinzip, es ist bevorzugt eine Therapie mit Metoprolol oder Bisoprolol auszuwählen (154). Eine Blutdrucktherapie mit Metoprolol und kurzwirksamem Nitrendipin wurde bei dem vorliegenden Patienten als nicht optimal angesehen, das Expertenteam empfahl stattdessen die Gabe von Hydrochlorothiazid oder eines ACE-Hemmers oder Calciumkanalblockers wie Amlodipin. Bei Herzin- suffizienz des NYHA Stadiums I wurde statt Torasemid zunächst die Gabe von Hydrochlorothiazid em- pfohlen. Bei dem Antidiabetikum Repaglinid bestand die Nachfrage der Notwendigkeit einer Gabe bei gleichzeitiger Gabe von Insulin. Urapidil stellt als Alpha-Adrenozeptor-Antagonist ein nicht typisches Blutdrucktherapeutikum dar, stattdessen wurde zunächst die Gabe eines Calciumkanal- blockers empfohlen.

(III) Verordnung eines Arzneimittels, bei dem gemäß Studienlage kein Wirksamkeitsnachweis gegeben ist. Insgesamt war bei 34 von 400 Medikationsanalysen (9 %) nach Einschätzung der Experten mindes- tens ein Arzneimittel vom Arzt verordnet worden, das laut aktueller Studienlage keinen Wirksam- keitsnachweis für eine vermutlich vorliegende, allerdings nicht angegebene Indikation zeigt. Es han- delte sich dabei um 38 Arzneimittel, das entspricht 1,1 Arzneimitteln je betroffenem Patienten. Nachfolgende Tab. 21 zeigt die am häufigsten auftretenden Arzneimittel dieser Unterkategorie. Mit | 75

Ergebnisse

16 von 38 Arzneimitteln (42 %) waren besonders häufig Arzneimittel der ATC-Gruppe R „Respira- tionstrakt", mit 13 % (5 von 38) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem" und mit 6 von 38 Arzneimitteln (16 %) kombinierte Mineralstoffpräparate vorhanden.

Tab. 21: Die häufigsten eingenommen Arzneimittel ohne Wirksamkeitsnachweis bei nicht vorliegender Indikation (n=38). Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen Grund gesamt (%) Acetylcystein 9 24 % R05CB01 16 (56 %) bei COPD oder Asthma bronchiale ohne Wirksamkeitsnachweis Montelukast 5 13 % R03DC03 12 (42 %) keine Wirkung bei COPD, nur bei leichtem bis mittelgradigem Asthma indiziert Diclofenac, 3 8 % D11AX18 9 (33 %) in gelartiger Applikationsform keine aus- topisch reichende Wirksamkeit

Die meisten Arzneimittel mit 9 von 38 (42 %) waren Arzneimittel der vierstelligen ATC-Gruppe „Mukolytika" (R05CB), darunter Acetylcystein (n=9) und Ambroxol (n=2), deren Wirksamkeit bei einer COPD oder Asthma bronchiale nicht belegt ist, sowie Montelukast (n=5), das bei leichtem bis mittel- schwerem Asthma bronchiale sowie zur Behandlung einer allergischen Rhinitis zugelassen, allerdings bei COPD nicht indiziert ist. Auch die Gabe von Diclofenac (n=3) oder Beinwellzubereitungen (n=1) in topischer Form ist nach Ansicht der Experten nicht in ihrer Wirksamkeit belegt. 17 Arzneimittel waren homöopathische Zubereitungen, Vitamin- oder Mineralstoffpräparate oder pflanzliche Wirkstoffgemische zur Behandlung von Neuropathien, Restless-Legs-Syndromen, Krebserkrankungen oder nervös bedingten Zuständen, die ebenfalls keinen Wirksamkeitsnachweis besitzen, und je nach Dosierung ein erhöhtes Nebenwirkungspotential aufweisen wie beispielsweise Mistelkraut (n=2) mit potentiellen Leberschädigungen oder der Gefahr einer Anaphylaxie. Die Gabe der meisten homöopathischen oder mineralstoffhaltigen Arzneimittel ist bei Einhaltung der Dosierungsvorgaben je nach Wirkstoff in der Regel nicht schädlich, und birgt daher meist keine besonderen Risiken, allerdings ist die Einnahme mit einem erhöhten Kostenfaktor und einer fehlenden erwünschten Wirkung verbunden, weshalb von einer regelmäßigen Einnahme abgeraten wird.

(IV) Es ist eine Dauertherapie verordnet, ohne dass die Indikation ersichtlich ist, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend. Insgesamt wurde bei 130 von 400 Medikationsanalysen (33 %) mindestens ein Arzneimittel verabreicht, wo eine Dauertherapie auf Grund der dokumentierten Diagnosen nicht indiziert war, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend gewesen, zudem lag für die Gabe des Arznei- mittels keine Indikation vor. Insgesamt waren 142 Arzneimittel, entsprechend 3 % aller einge- nommenen Arzneimittel, von dem Expertenteam gekennzeichnet worden, je betroffenen Patient 1,1 Arzneimittel. Die nachfolgende Tab. 22 zeigt die am häufigsten vorkommenden Arzneimittel dieser Unterkategorie. Mit 124 von 142 Arzneimitteln (83 %) traten besonders häufig Arzneimittel

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Ergebnisse des ATC-Codes A „Alimentäres System und Stoffwechsel" sowie mit 7 von 142 Arzneimittel (5 %) der ATC-Gruppe N „Nervensystem" auf.

Tab. 22: Die häufigsten als Dauertherapie verordneten Arzneimittel ohne vorliegende Indikation (n=142). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Code gesamt (%) Pantoprazol 86 61 % A02BC02 155 (55 %) Einnahme nicht länger als 8 Wochen empfohlen Omeprazol 23 16 % A02BC01 87 (26 %) Einnahme nicht länger als 8 Wochen empfohlen Esomeprazol 4 3 % A02BC05 10 (40 %) Einnahme nicht länger als 8 Wochen empfohlen Kalium 4 3 % A12BA 24 (17 %) Dauertherapie meiden wegen des Risikos einer Hyperkaliämie Metamizol 3 2 % N02BB02 74 (4 %) Dauertherapie meiden wegen Agranulo- cytoserisiko Loperamid 2 1 % A07DA03 5 (40 %) Einnahme von länger als 4 Wochen hinterfragen Metoclopramid 2 1 % A03FA01 29 (7 %) Einnahme nicht länger als 4-6 Wochen empfohlen Tilidin/Naloxon 2 1 % N02AX01 45 (4 %) kurzwirksame Präparate nur kurzfristig oder bei Bedarf anwenden

Die häufigste ATC-Gruppe auf fünfstelliger Ebene waren die Protonenpumpeninhibitoren (A02BC) mit 114 von 142 Arzneimitteln (80 %). Die Dauer der Gabe von Pantoprazol, Omeprazol, Esomeprazol und Rabeprazol (n=1) sollte nicht länger als acht Wochen betragen, da durch die Einnahme die Absorption von Magnesium und Calcium verringert wird, dies kann eine Osteoporose, Waden- krämpfe sowie Herzrhythmusstörungen begünstigen. Die Gabe von Kalium sollte nur bei ent- sprechenden Serum-Kaliumwerten durchgeführt und die Erforderlichkeit regelmäßig überprüft werden. Metamizol (n=3) ist bei lange andauernden Schmerzsyndromen eine Therapieoption, aller- dings ist die Dauertherapie nicht empfohlen. Die Gabe von Metoclopramid (n=2) und Tilidin (n=2) ist bei bestehender Indikation sinnvoll, allerdings sollten schnellwirksame Arzneiformen wie Tropfen eine Bedarfsgabe darstellen, ebenso ist bei einer langfristigen Therapie von mehr als 4 Wochen mit Loperamid (n=2) die beständige ärztliche Aufsicht notwendig. Die Zulassung metoclopramidhaltiger Tropfen mit einer Konzentration von mehr als 1 mg/ml wurde vom BfArM am 09.04.2015 auf Grund des erhöhten Nebenwirkungspotentials zurückgerufen, die Arzneimittel durfen nicht mehr verordnet oder vertrieben werden (155). Am 01.08.2015 brachte ein Hersteller erstmalig metoclopramidhaltige Tropfen in einer Konzentration von 1 mg/ml auf den deutschen Arzneimittelmarkt (156).

3.2.3 Hauptkategorie Risikomedikamente

Bei 235 der 400 Patienten (59 %) lag ein potentieller Verordnungsfehler im Bereich „Risiko- arzneimittel“ vor. 376 von 5357 Arzneimitteln (7 %) und durchschnittlich 1,6 Arzneimittel dieser Kategorie stufte das Expertenteam mit einem für den Patienten besonderen Risiko bei dessen

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Ergebnisse vorliegenden Erkrankungen und Parallelmedikation ein. In nachfolgender Abb. 25 sind die Anzahl der Patienten mit den Häufigkeiten der eingenommenen Risikoarzneimittel dargestellt.

Abb. 25: Anzahl der Patienten mit verordneten Risikoarzneimitteln (n=235 ). Die Hauptkategorie „Risikomedikamente" wird nachfolgend mit ihren Ergebnissen in drei Unter- kategorien näher erläutert.

(I) Verordnung eines Arzneimittels, das Bestandteil der PRISCUS-Liste ist. Bei 137 von 400 Patienten (34 %) wurde mindestens ein Arzneimittel der PRISCUS-Liste verordnet. Insgesamt waren 170 Arzneimittel, 3 % aller eingenommenen Arzneimittel, und dabei 43 verschie- dene der 83 Arzneimittel umfassenden PRISCUS-Liste verordnet. Je Patient wurden durchschnittlich 1,2 PRISCUS-Arzneimittel verordnet. Von den Patienten mit PRISCUS-Arzneimitteln waren 102 von 137 Patienten (74 %) älter als 65 Jahre, das heißt, für diese Patienten werden von den PRISCUS-Experten Alternativen zu den PRISCUS-Arzneimitteln empfohlen (112). 347 der 400 Patienten (87 %) waren älter als 65 Jahre, somit nahmen 29 % der Patienten (102 von 347) über 65 Jahren mindestens ein Arzneimittel der PRISCUS- Liste ein. Insgesamt handelte es sich bei den über 65-Jährigen Patienten um 121 PRISCUS-Arzneimittel und dabei um 43 verschiedene gelistete PRISCUS-Arzneimittel. Bei bestimmten Arzneimitteln wie Lorazepam, Zopiclon oder Zolpidem ist die Einnahme erst ab einer bestimmten Dosierung laut PRISCUS-Liste als potentiell inadäquate Medikation anzusehen. In den Medikationsanalysen wurden die Dosierungen der Arzneimittel nicht festgehalten, daher sind alle Wirkstoffe, die auf der PRISCUS- Liste enthalten sind, in die Risikoarzneimittel mit aufgenommen worden. Nachfolgende Tab. 23 zeigt die bei den Patienten älter als 65 Jahre am häufigsten verordneten PRISCUS-Arzneimittel.

Tab. 23: Die häufigsten verordneten Arzneimittel der PRISCUS-Liste (n=121) bei den Patienten älter als 65 Jahre. Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Alternativmedikation Code gesamt (%) Amitriptylin 12 12 % N06AA09 19 (63 %) Mirtazapin Nifedipin, 10 10 % C08CA05 17 (59 %) Betablocker, langwirksamer Calciumkanalblocker, unretardiert andere Antihypertensiva Trimipramin 10 10 % N06AA06 15 (67 %) Mirtazapin, Sertralin, Citalopram, Zopiclon und Zolpidem in geringer Dosierung

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Ergebnisse

Die in der nachfolgenden Tab. 24 dargestellten PRISCUS-Arzneimittel waren besonders häufig in den Polymedikationen aller 400 Patienten enthalten, insbesondere Arzneimittel der ATC-Gruppe N „Nervensystem" mit 89 von 170 Arzneimitteln (52 %) sowie mit 46 von 170 Arzneimitteln (27 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" und mit 23 von 170 Arzneimittel (14 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem".

Tab. 24: Die häufigsten verordneten Arzneimittel der PRISCUS-Liste (n=170) bei allen 400 Patienten im Kollektiv. Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Alternativmedikation Code gesamt (%) Amitriptylin 17 10 % N06AA09 19 (89 %) Mirtazapin Nifedipin, 14 8 % C08CA05 17 (82 %) Betablocker, langwirksamer Calciumkanalblocker, unretardiert andere Antihypertensiva Trimipramin 14 8 % N06AA06 15 (93 %) Mirtazapin, Sertralin, Citalopram, Zopiclon und Zolpidem in geringer Dosierung

Psychopharmaka wurden besonders häufig verordnet, insbesondere Antidepressiva (N06A) mit 43 von 170 Arzneimitteln (26 %) wie Amitriptylin, Trimipramin, Doxepin (n=8) und Fluoxetin (n=4) sowie Benzodiazepin-Derivate (N05BA, N05CD) mit 26 von 170 Arzneimitteln (15 %) wie Diazepam (n=7), Lorazepam (n=5), das laut Angaben der PRISCUS-Liste in Dosierungen ≤ 2mg/d angemessen ist, Oxazepam (n=4), Bromazepam, Brotizolam (n=2, in Dosierungen ≤ 0,125 mg/d angemessen), Lormetazepam (n=2, in Dosen ≤ 0,5 mg/d angemessen), Medazepam, Nitrazepam, Clorazepat und Prazepam (je n=1). Ebenso wurden die Benzodiazepin-verwandten Arzneimittel (N05CF) Zopiclon (n=6, in Dosierungen ≤ 5 mg/d vertretbar) und Zolpidem (n=4, in Dosierungen ≤ 3,75 mg/d vertret- bar) verordnet. Alternativen dazu stellen Mirtazapin und Citalopram sowie Zolpidem und Zopiclon in geringen Dosierungen dar. Einen weiteren Anteil hatten die nichtsteroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika (M01A) mit 11 % (n=19) wie Etoricoxib (n=6), Indometacin und Acemetacin (je n=4), Meloxicam (n=3) und Piroxicam (n=2) sowie die Digitalisglykoside (C01AA) Acetyldigoxin (n=6), Digoxin (n=2), Betaacetyldigoxin und Metildigoxin (je n=1). Diese Arzneimittel sind für Patienten über 65 Jahre nicht empfohlen, Alternativen sind Paracetamol oder schwachwirksame Opioide wie Tramadol sowie Betablocker bei Vorhofflimmern und ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz.

(II) Verordnung eines Arzneimittels, dessen Gabe auf Grund des Krankheitsbildes des Patienten risikobehaftet ist. Die Experten sahen insgesamt 145 verordnete Arzneimittel, 3 % aller Arzneimittel, bei 117 von 400 Patienten (29 %) auf Grund einer bestehenden Erkrankung, des Alters des Patienten oder all- gemein als besonders risikoreich an, das sind je Patient 1,3 verordnete Arzneimittel dieser Unterkate- gorie. Bei manchen Arzneimitteln wäre das Risiko auch bei sonst gesunden Patienten vorhanden, da das Arzneimittel per se ein Risiko auf Grund eines hohen Nebenwirkungspotentials oder einer engen

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Ergebnisse therapeutischen Breite aufweist. Allerdings wurden hier die Risiken speziell vor dem Krankheitsbild des Patienten betrachtet. In der nachfolgenden Tab. 25 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgelistet. Besonders oft waren Arzneimittel der ATC-Grupe C „kardiovaskuläres System“ mit 63 von 145 Arzneimitteln (43 %), sowie Arzneimittel der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“ mit 28 von 145 Arznei- mitteln (19 %) enthalten. Auf dreistelliger ATC-Code-Ebene waren mit 45 von 145 Arznei- mitteln (31 %) vor allem Arzneimittel zur Herztherapie (C01), mit 13 von 145 Arzneimittel (9 %) Arzneimittel bei funktionellen gastrointestinalen Beschwerden (A03) und mit 12 von 145 Arznei- mitteln (8 %) Analgetika (N02) verordnet.

Tab. 25: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Gabe auf Grund einer vorliegenden Diagnose oder aus anderen Gründen risikobehaftet ist (n=145). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Alternativ- Code gesamt (%) medikation Glyceroltrinitrat 33 23 % C01DA02 113 (29 %) erhöhte Mortalität bei bestehende Anwendung zur Blutdruckmedikation kurzfristigen erhöhen Blutdrucksenkung Metamizol 23 16 % N02BB02 74 (31 %) erhöhtes Risiko einer NSAR, Paracetamol, Agranulocytose Tramadol Digitoxin 11 8 % C01AA04 31 (35 %) erhöhtes Risiko un- ACE-Hemmer, erwünschter Neben- Betablocker wirkungen im Alter Metoclopramid 11 8 % A03FA01 29 (38 %) erhöhtes Risiko extra- Domperidon pyramidalmotorischer Nebenwirkungen, besonders im Alter

Glyceroltrinitrat sollte nur bei Beschwerden im Zusammenhang mit einer Angina pectoris gegeben werden. Es war bei den betroffenen Patienten im Zusammenhang mit einer kurzfristigen Blutdruck- senkung erwähnt, diese Anwendung ist auf Grund einer erhöhten Mortalität nicht empfohlen. Alter- nativ sollte die bestehende Blutdruckmedikation ausgeweitet oder in ihrer Dosierung erhöht oder andere Maßnahmen zur Blutdrucksenkung angewendet werden, wie das Ruhigstellen oder Ab- dunkeln des Raumes. Bei einer Metamizol-Anwendung ist das Risiko einer Agranulocytose gegeben. Es sollte möglichst auf andere, risikoärmere Analgetika umgestellt werden. Digitoxin und Metoclopramid sind Arzneimittel, die besonders im Alter wegen der erhöhten Anzahl von uner- wünschten Wirkungen gemieden werden sollen. Ebenso ist nichtretardiertes Nitrendipin (n=8) nicht zur kurzfristigen Blutdrucksenkung geeignet, und es sollte gegen eine retardierte galenische Formu- lierung ausgetauscht werden, um das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse zu reduzieren. Ibuprofen (n=6) und Diclofenac (n=3) können in Kombination mit Antihypertensiva den Blutdruck steigern und sollten daher bei hohem kardialem Risiko nicht die erste Option einer Schmerztherapie darstellen. Theophyllin und Chinin (je n=3) sind bei kardiovaskulären Erkrankungen zu meiden.

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Ergebnisse

(III) Ein Arzneimittel wird als Dauertherapie verordnet, wobei eine Dauertherapie mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. Bei 55 von 400 Patienten (14 %) waren insgesamt 61 Arzneimittel, 1 % aller eingenommenen Arzneimittel sowie neun verschiedene Arzneimittel verordnet, die von dem Expertenteam in Dauer- therapie als risikoreich angesehen wurden. Dies entsprach je Patient durchschnittlich 1,1 risikobehaf- teten Dauertherapien. Hier wurde speziell das Risiko bei dem jeweiligen Patienten betrachtet. Die nachfolgende Tab. 26 zeigt die häufigsten dieser Arzneimittel. Mit 37 von 61 Arzneimitteln (61 %) stammten die meisten Arzneimittel aus der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel", ebenso war Metamizol mit 24 von 61 Arzneimitteln (39 %) aus der ATC-Gruppe N „Nervensystem" enthalten.

Tab. 26: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dauergabe auf Grund vorliegender Diagnosen oder wegen eines erhöhten Nebenwirkungspotentials risikobehaftet ist (n=61). Verordnungen Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Grund Alternativmedikation gesamt (%) Metamizol 24 39 % N02BB02 74 (32 %) Dauertherapie meiden, Ibuprofen, Tramadol, da Agranulocytose-Risiko Paracetamol, Flupirtin Omeprazol 23 38 % A02BC01 87 (26 %) Wechselwirkungs- Pantoprazol potential, erhöhtes Vorkommen von UAW bei Dauertherapie Metoclopramid 4 7 % A03FA01 29 (14 %) Dauertherapie nicht Domperidon empfohlen wegen des Risikos extrapyramidal- motorischer Störungen

Das Risiko einer Agranulocytose bei einer Metamizol-Gabe ist insbesondere bei einer Dauerthera- pie gegeben, daher sollte möglichst auf andere, risikoärmere Analgetika umgestiegen werden. Bei der Dauergabe von Protonenpumpeninhibitoren, Omeprazol oder Pantoprazol (n=3), ist das Risiko einer verminderten Calcium- und Magnesiumresorption sowie eines Rebound-Effektes beim Ab- setzen des Arzneimittels gegeben. Metoclopramid birgt insbesondere bei regelmäßiger Gabe das Risiko extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen (s. Kapitel 3.2.1). Daher sollte eine alternative Gabe von Domperidon erfolgen. Eine Dauertherapie mit Kalium (n=3) erfordert eine regelmäßige Kontrolle der Serum-Kalium-Werte und sollte daher nur bei zwingender Indikation gegeben werden. Auch Natriumpicosulfat (n=2) sollte wegen Elektrolytverlust und damit möglicher Muskelschwäche nur bei Bedarf angewendet werden, die Gabe von Natriumhydrogencarbonat bei Niereninsuffi- zienz (n=1) sollte wegen des Risikos einer Hypernatriämie und Entwicklung einer Alkalose nur bei Erfordernis verabreicht werden.

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Ergebnisse

3.2.4 Hauptkategorie Interaktion

Insgesamt lagen bei 294 von 400 Patienten (74 %) 815 Interaktionen vor, durchschnittlich 2,8 Interaktionen je Patient. In der nachfolgenden Abb. 26 ist die Anzahl der Patienten mit der Häufigkeit an Interaktionen dargestellt. Jede Interaktion muss vom behandelnden Arzt auf ihre klinische Relevanz hin betrachtet werden.

Abb. 26: Anzahl der Patienten mit unterschiedlicher Häufigkeit an vorliegenden Arzneimittelinteraktionen (n=294).

Die nachfolgende Abb. 27 zeigt die Aufteilung der vom Expertenteam identifizierten Interaktionen nach ihrem Schweregrad, wie in Kapitel 2.2.5 beschrieben, aus den Datenbanken Micromedex® (118), AidKlinik® (115) und Lexi-Interact® (116) zusammengeführt.

Abb. 27: Verteilung der Inter- aktionen nach dem klinischen Schweregrad (n=815).

Besonders häufig waren mit 45 % die moderaten, mit 43 % die schwerwiegenden und mit 2 % die kontraindizierten Wechselwirkungen vorhanden. Geringfügige Wechselwirkungen machten einen An- teil von 3 % aus, zu 5 % der Wechselwirkungen gab es keinen Eintrag in den verwendeten Daten- banken, 3 % der Wechselwirkungen waren mit widersprüchlichen Erkenntnissen oder als „keine Interaktion" in den Datenbanken festgelegt.

(I) Gabe zweier Arzneimittel mit einer kontraindizierten Interaktion. Bei 16 der 400 Patienten (4 %) lagen insgesamt 19 Interaktionen vor, die von den Datenbanken als „kontraindiziert“ eingestuft wurden, je Patient 1,2 Interaktionen. Die nachfolgende Tab. 27 zeigt die häufigsten dieser Interaktionen.

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Ergebnisse

Am häufigsten traten mit 7 von 19 Interaktionen (37 %) kontraindizierte Interaktionen zwischen Aliskiren und Sartanen auf, sechs Interaktionen betrafen die Kombination von Antidepressiva (Citalopram, Mirtazapin und Amitriptylin, je n=1) und Metoclopramid mit einem erhöhten Risiko für extrapyramidalmotorische Reaktionen. Die Interaktion zwischen Eplerenon und Kalium (n=1) geht mit einem erhöhten Risiko lebensbedrohlicher Hyperkaliämien einher und die Interaktion zwischen Carbamazepin und Rasagilin (n=1) führt zu einem erhöhten Risiko eines Serotoninsyndroms.

Tab. 27: Die am häufigsten auftretenden, als „kontraindiziert" eingestuften Interaktionen (n=19). A ATC- B ATC- Häufigkeit % Art der Interaktion Code Code Citalopram N06AB04 Metoclopramid A03FA01 3 16 % erhöhtes Risiko von extrapyramidal- motorischen Reaktionen oder einem malignen neuroleptischen Syndrom Metoclopramid A03FA01 Mirtazapin N06AX11 2 11 % erhöhtes Risiko von extrapyramidal- motorischen Reaktionen oder einem malignen neuroleptischen Syndrom Aliskiren C09XA02 Valsartan C09CA03 2 11 % erhöhtes Risiko von Hyperkaliämie, Nierenversagen und Hypotonie Aliskiren C09XA02 Olmesartan C09CA08 2 11 % erhöhtes Risiko von Hyperkaliämie, Nierenversagen und Hypotonie

(II) Gabe zweier Arzneimittel mit einer schwerwiegenden Interaktion. Bei 196 von 400 Patienten (49 %) wurden 352 Interaktionen von den Datenbanken mit dem Schweregrad „schwerwiegend“ eingestuft, dies entspricht je Patient 1,8 Interaktionen. Nachfolgende Tab. 28 zeigt die häufigsten dieser schwerwiegenden Interaktionen.

Tab. 28: Die am häufigsten auftretenden Interaktionen, die als „schwerwiegend" eingestuft wurden (n=352). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Amlodipin C08CA01 Simvastatin C10AA01 41 12 % erhöhte Konzentration von Simvastatin und erhöhtes Myo- pathie- und Rhabdomyolyserisiko Allopurinol V04CJ03 Ramipril C09AA05 22 6 % erhöhte Wahrscheinlichkeit hämatologischer Reaktionen Acetylsalicylsäure B01AC06 Clopidogrel B01AC04 17 5 % erhöhtes Blutungsrisiko Acetylsalicylsäure B01AC06 Phenprocoumon B01AA04 17 5 % erhöhtes Blutungsrisiko Amiodaron C01BD01 Simvastatin C10AA01 12 3 % erhöhte Konzentration von Simvastatin und erhöhtes Myo- pathie- und Rhabdomyolyserisiko

Eine nachträgliche Betrachtung der Dosierungen von Simvastatin, ob diese oberhalb von 20 mg lagen, wurde nicht durchgeführt. Alleine die Ergebnisse der Experten wurden ausgewertet. Die häufigste Interaktion bestand zwischen Amlodipin und Simvastatin, wobei die Interaktion durch eine Reduktion der Simvastatindosis auf 20 mg oder durch einen Wechsel auf Pravastatin umgangen werden kann, ebenso bei der Interaktion Amiodaron und Simvastatin. 36 von 352 Inter- aktionen (10 %) stellte die Interaktion zwischen Allopurinol und ACE-Hemmern dar, dabei sollte bei der kombinierten Gabe auf Blutbildveränderungen geachtet werden, die Interaktionspartner waren

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Ergebnisse

Ramipril, Enalapril (n=10) und Lisinopril (n=4). Der häufigste Interaktionspartner war bei 56 von 352 Interaktionen (16 %) niedrigdosierte Acetylsalicylsäure und die häufigsten Interaktionen be- standen mit Phenprocoumon, Clopidogrel und Ginkgo (n=4), diese Interaktionen führen zu einem er- höhten Blutungsrisiko. Diese Wechselwirkung zwischen Acetylsalicylsäure und Clopidogrel kann bei bestimmten Indikationen erwünscht sein, beispielsweise als duale Plättchenhemmung nach Stentim- plantation (157). Auch Phenprocoumon war bei 45 von 352 (13 %) ein häufiger Interaktionspartner, die häufigsten Interaktionen bestanden dabei mit Acetylsalicylsäure, Amiodaron (n=9) und Simvastatin (n=5), auch hier ist bei den Interaktionen mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu rechnen.

(III) Gabe zweier Arzneimittel mit einer moderaten Interaktion. Bei 192 von 400 Patienten (48 %) waren 363 Interaktionen vorhanden, die von den Datenbanken als „moderat“ eingestuft wurden. Je Patient entspricht dies 1,9 Interaktionen. In Tab. 29 sind die häufigsten dieser Interaktionen aufgeführt.

Tab. 29: Interaktionen, die als „moderat" eingestuft wurden (n=363). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Allopurinol V04CJ03 Phenprocoumon B01AA04 26 7 % erhöhtes Blutungsrisiko Acetylsalicylsäure B01AC06 Ibuprofen M01AE01 18 5 % verminderter antiaggregato- rische Wirkung möglich Omeprazol A02BC01 Phenprocoumon B01AA04 12 3 % erhöhte INR-Werte und potenzierte antikoagulative Wirkung möglich Digitoxin C01AA04 Metoprolol C07AB02 11 3 % erhöhtes Risiko von Bradykardien

Besonders häufig traten die Interaktionen zwischen Allopurinol und Phenprocoumon sowie zwischen Omeprazol und Phenprocoumon mit einem erhöhten Blutungsrisiko auf. Es sollte insbeson- dere bei An- und Absetzen ein vermehrtes INR-Monitoring durchgeführt werden. Die Interaktion zwischen blutgerinnungshemmender Acetylsalicylsäure und Ibuprofen mit der möglichen Aufhebung der Blutgerinnungshemmung lässt sich durch die Einhaltung eines zeitlichen Abstands zwischen der Einnahme der beiden Arzneimittel umgehen. Die Wechselwirkungen zwischen zweiwertigen Kationen wie Calcium, Eisen, Magnesium und Zink und komplexbildenden Arzneimitteln wie Levothyroxin (n=11) und Risedronsäure (n=1) trat mit 12 von 363 Interaktionen (3 %) ebenfalls mehr- fach auf, die Wirkung der Arzneimittel wird durch die Komplexbildung gemindert oder bleibt aus. Besonders häufig war Phenprocoumon bei 79 von 363 Interaktionen (22 %) in die Interaktionen einbezogen, vor allem mit Allopurinol, Omeprazol, Metformin (n=7) und Levothyroxin (n=7), wobei zum einen mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu rechnen ist, bei Metformin allerdings der gegen- teilige Effekt ausgelöst wird und eine Dosiserhöhung von Phenprocoumon notwendig sein kann. Ebenso war Acetylsalicylsäure bei 56 von 363 Interaktionen (15 %) häufig von einer Interaktion be- troffen, insbesondere mit Ibuprofen, Furosemid (n=9) und Diclofenac (n=7). Furosemid kann, ohne

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Ergebnisse

Hinweis auf die betreffende Acetylsalicylsäure-Konzentration, in seiner Wirkung abgeschwächt sein, und Diclofenac ein erhöhtes Blutungsrisiko hervorrufen.

(IV) Gabe zweier Arzneimittel mit einer geringfügigen Interaktion. Bei 22 von 400 Patienten (6 %) wurden insgesamt 22 Interaktionen durch die Datenbanken als „geringfügig“ bewertet. Nachfolgende Tab. 30 zeigt die häufigsten dieser Interaktionen.

Tab. 30: Die häufigsten Interaktionen, die als „geringfügig" eingestuft wurden (n=22). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Simvastatin C10AA01 Sitagliptin A10BH01 10 45 % Fallberichte von Rhabdomyolysen vorliegend Allopurinol V04CJ03 Hydrochlorothiazid C03AA03 4 18 % Möglicherweise vermehrte Überempfindlichkeits- reaktionen auf Allopurinol Alendronsäure M05BA04 Calcium A12AA 2 9 % verminderte Resorption von Alendonsäure

Neben der Interaktion zwischen Simvastatin und Sitagliptin mit einem erhöhten Risiko für Myo- pathien trat ebenso die Interaktion zwischen Alendronsäure und Calcium unter Komplexbildung und Wirkminderung von Alendronsäure auf. Hydrochlorothiazid kann das Potential für Überempfindlich- keitsreaktionen bei Allopurinol erhöhen. Theophyllin war in je eine Interaktion mit Metoprolol und Furosemid involviert, wobei jeweils die Theophyllin-Konzentration erhöht sein kann.

(V) Gabe zweier Arzneimittel mit der Angabe „widersprüchlicher Erkenntnisse“ oder „keine klinisch relevante Interaktion“. Bei 20 von 400 Patienten (5 %) wurde eine Interaktion durch die Datenbanken entweder als „widersprüchliche Erkenntnisse“ oder als „keine klinisch relevante Interaktion“ bewertet. Es handelt sich dabei um 22 Wechselwirkungen, dies entspricht 1,1 Arzneimittel je Patient. Nachfolgende Tab. 31 zeigt die häufigsten dieser Interaktionen.

Tab. 31: Interaktionen, die durch die Datenbanken als „widersprüchlich" oder „keine klinisch relevante Interaktion“ einge- stuft wurden (n=22). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Metamizol N02BB02 Phenprocoumon B01AA04 7 32 % bei Gesunden kein Einfluss von Metamizol auf die Prothrombinzeit Acetylsalicylsäure B01AC06 Pantoprazol A02BC02 6 27 % widersprüchlich: erhöhte kardio- vaskuläre Ereignisse nach Myokardinfarkt Carbamazepin N03AF01 Pantoprazol A02BC02 2 9 % kein Einfluss von Pantoprazol auf die Carbamazepin-Kinetik

Sieben Patienten nahmen zeitgleich Metamizol und Phenprocoumon ein, wobei für gesunde Personen kein Hinweis auf eine veränderte Prothrombinzeit bestand. In neun Interaktionen mit Acetylsalicylsäure, Carbamazepin und Acetyldigoxin war Pantoprazol beteiligt, wobei Pantoprazol nicht die Resorption von Acetyldigoxin beeinflusst. | 85

Ergebnisse

(VI) In keiner der drei Datenbanken aufgeführt. Bei 22 von 400 Patienten (6 %), waren die vom Expertenteam identifizierten 37 unterschiedlichen Interaktionen in keiner Datenbank zur klinischen Einstufung hinterlegt, je Patient lagen 1,7 Interak- tionen vor und jede Interaktion trat nur einmal auf. Die Interaktion war zum einen in der Fachinfor- mation hinterlegt, zum anderen handelte es sich um pharmakodynamische Interaktionen, die sich aus dem Wirkmechanismus oder den pharmakologischen Effekten ableiten lassen. Die meisten Arzneimittel traten ein bis zweimal in dieser Unterkategorie auf. Acemetacin war in drei Interaktionen involviert (mit Sertralin, Doxepin und Chlorprothixen), wobei besondere Vorsicht bei der Kombination mit zentral wirksamen Arzneimitteln notwendig war.

3.2.5 Hauptkategorie Kontraindikation

Insgesamt waren 21 von 400 Patienten (5 %) von 22 Kontraindikationen betroffen, dabei handelte es sich um 19 verschiedene Arzneimittel. Dies entspricht je Patient 1,0 Arzneimittel, welches kontra- indiziert für das klinische Bild des Patienten war. Die in nachfolgender Tab. 32 dargestellten Arzneimittel waren am häufigsten enthalten. Besonders häufig traten mit 15 von 22 Arzneimitteln (68 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System“, sowie mit 4 von 22 Arzneimitteln (18 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem" auf.

Tab. 32: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Gabe auf Grund einer vorliegenden Diagnose kontraindiziert war (n=22). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Alternativ- Code gesamt (%) medikation Metoprolol 3 10 % C07AB02 122 (2 %) bei Asthma bronchiale Calciumkanalblocker, ohne vorliegende Herz- Thiaziddiuretikum insuffizienz oder KHK Verapamil 2 8 % C08DA01 15 (13 %) bei Herzinsuffizienz Digitoxin

Besonders häufig lag bei 6 der 22 Arzneimittel (27 %) die Gabe von Beta-Adrenozeptor-Antago- nisten der ATC-Gruppe C07A vor, die bei vorliegendem Asthma bronchiale ohne gleichzeitig vorlie- gender koronarer Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz kontraindiziert ist, sowie die Gabe der nicht- steroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika der ATC-Gruppe M01A wie Diclofenac, Ibuprofen, Celecoxib und Etoricoxib (je n=1), die insbesondere bei einem erhöhten kardiovaskulären Risiko nicht indiziert sind. Ebenso ist die Gabe von selektiven Calciumkanalblockern mit vorwiegender Herzwir- kung (C08D) wie Verapamil oder Diltiazem (n=1) oder die Gabe der Antiarrhythmika Klas- se 1c (C01BC) wie Propafenon und Dronedaron (je n=1) bei manifester Herzinsuffizienz nicht ange- zeigt.

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Ergebnisse

3.2.6 Hauptkategorie Dosierung

Insgesamt waren 230 von 400 Patienten (58 %) von mindestens einer Fehldosierung bezüglich eines Arzneimittels betroffen. Es wurden 381 Arzneimittel, entsprechend 7 % aller Arzneimittel, und je Patient 1,7 Arzneimittel, mit einer nach den vorliegenden Angaben zu geringen oder zu hohen Dosierung oder einer fehlerhaften Applikationsweise verordnet. In Abb. 28 ist die Anzahl der Patienten mit den Häufigkeiten der Arzneimittel dieser Hauptkategorie dargestellt.

Abb. 28: Anzahl der Patienten mit Häufigkeiten der Arzneimittel mit fehlerhafter Dosierung (n=230 ).

Im Folgenden wird die Hauptkategorie „Dosierung" mit ihren Ergebnissen in den elf Unter- kategorien näher erläutert.

(I) Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung oberhalb der in der Fachinformation empfohlenen Höchstdosis. 29 von 400 Patienten (7 %) nahmen je ein Arzneimittel ein, welches in seiner Dosierung die Höchstdosis der Angaben in der Fachinformation überschritt. In der nachfolgenden Tab. 33 sind die häufigsten dieser Arzneimittel dargestellt.

Tab. 33: Die häufigsten verordneten Arzneimittel in einer Dosierung, die die vom Hersteller empfohlene Höchstdosis über- schreiten (n=29). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Therapeutische Code gesamt (%) Höchstdosis Amlodipin 3 10 % C08CA01 117 (3 %) Gabe von 15mg 10 mg tgl. oder 20 mg Bisoprolol 3 10 % C07AB07 113 (3 %) Gabe von 15 mg 10 mg tgl. oder 20 mg Citalopram 3 10 % N06AB04 16 (19 %) Gabe von 40 mg 20 mg für ältere Menschen (Rote Hand Brief 2011) Tiotropiumbromid 3 10 % R03BB04 57 (5 %) 2x tgl. Gabe Gabe einmal täglich

Besonders häufig waren Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" nach Angaben der Fachinformation zu hoch dosiert mit 12 von 29 Arzneimitteln (41 %) und Arzneimittel der ATC- Gruppe N „Nervensystem" mit 7 von 29 Arzneimitteln (24 %) sowie Arzneimittel der ATC-Gruppe R „Respirationstrakt" mit 7 von 29 Arzneimitteln (24 %). Auf dreistelliger ATC-Code-Ebene waren be- sonders Arzneimittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (R03) wie Salmeterol/Fluticason (n=2)

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Ergebnisse und Tiotropiumbromid (n=3) sowie Calciumkanalblocker (C09) wie Amlodipin (n=3) und Diltiazem (n=1) von einer Überdosierung betroffen. Die Gabe von Citalopram ist für ältere Menschen nach Ver- sand eines Rote-Hand-Briefs im Oktober 2011 auf eine Maximaldosis von 20 mg täglich begrenzt wegen des vermehrten Auftretens von QT-Intervall-Verlängerungen (158). Es lagen sowohl erhöhte Einzelgaben bei 16 der 29 Arzneimittel (55 %) sowie zu häufige Applikationen bei 14 der 29 Arznei- mittel vor (48 %). Insgesamt entsprachen die gegebenen Dosierungen einer durchschnittlichen Über- dosierung von 94 % im Vergleich zu der vom Hersteller angegebenen Höchstdosis.

(II) Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung, die oberhalb der in der Fachinfor- mation oder durch Leitlinien empfohlenen Dosierung für das klinische Bild des Patienten liegt, wobei eine Höchstdosis nicht überschritten ist. Bei 71 von 400 Patienten (18 %) waren insgesamt 77 Arzneimittel, 1 % aller Arzneimittel, verord- net, deren Dosierung die in der Fachinformation oder in Leitlinien empfohlene therapeutische Dosierung überschritt. Dies entsprach 1,1 Arzneimitteln je Patient. In der nachfolgenden Tab. 34 sind die häufigsten dieser Arzneimittel dargestellt.

Tab. 34: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dosierung oberhalb der in der Fachinformation für die angegebene Indikation liegt (n=77). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Indikationsbezogene Dosierung Code gesamt (%) Pantoprazol 35 45 % A02BC02 155 (23 %) Gabe von 20 mg tgl. ausreichend zur Ulcuspro- 1-2x tgl. phylaxe oder bei gastroösophagealer 40mg Refluxkrankheit Torasemid 16 21 % C03CA04 142 (11 %) Gabe von 20 mg tgl. ausreichend bei Hypertonie- 30-70 mg Erkrankung Omeprazol 9 12 % A02BC01 87 (10 %) Gabe von 20 mg tgl. ausreichend bei gastro- 40 mg ösophagealer Refluxkrankheit

Besonders häufig waren Arzneimittel der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“ mit 51 von 77 Arzneimitteln (66 %) sowie Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" mit 23 von 77 Arzneimitteln (32 %) und Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregation der ATC- Gruppe B „Blutbildendes System“ mit 2 von 77 Arzneimitteln (3 %) von einer Überdosierung laut Therapieempfehlung betroffen. Auf fünfstelliger ATC-Code-Ebene waren es insbesondere Protonen- pumpenhemmer (A02BC) mit 45 von 77 Arzneimitteln (58 %), die bei der Indikation der Ulcusprophy- laxe oder einer Refluxösophagitis in ihrer Dosierung reduziert werden könnten, dazu gehörten Pantoprazol, Omeprazol und Esomeprazol (n=1). Ebenso ist die Dosierung des Sulfonamid- Diuretikums Torasemid bei arterieller Hypertonie oder Herzinsuffizienz laut Fachinformation mit 20 mg täglich ausreichend. Die Zufuhr von 1000 I.E. Colecalciferol täglich (n=5) ist bei bestehender Osteoporose ausreichend.

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Ergebnisse

(III) Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung unterhalb der in der Fachinformation angegebenen Therapieempfehlung für das klinische Bild des Patienten, wobei eine notwendige Einschränkung nicht ersichtlich ist (z.B. eingeschränkte Nierenfunktion). Bei 10 von 400 Patienten (3 %) war je ein Arzneimittel in seiner Dosierung geringer, als das Expertenteam und die Fachinformation es für die angegebene Indikation empfehlen. In der nach- folgenden Tab. 35 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt.

Tab. 35: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dosierung unterhalb der in der Fachinformation für die vorliegen- de Indikation angegebenen Dosierung liegt (n=10). Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen Grund Indikationsbezogene gesamt (%) Dosierung Levothyroxin 2 22 % M04AA01 128 (2 %) Dosis von Kinderdosierung bzw. 12,5 µg oder 25 µg Dosissteigerung möglich Simvastatin 2 22 % C10AA01 201 (1 %) Gabe von 10 mg Dosis von 40 mg oder 20 mg gering empfohlen

Die Gabe von Levothyroxin in Dosierungen unter 50 µg sowie die Gabe Simvastatin in Dosierungen unter 40 mg ohne ersichtliche Notwendigkeit einer Einschränkung waren von dem Expertenteam aufgeführt, ebenso war die Gabe von Allopurinol in Dosierungen von 50 mg ohne das Vorliegen einer eingeschränkten Nierenfunktion nicht ersichtlich (n=1). wird nach Herstel- lerangaben in Dosierungen von 2x tgl. 5mg statt 2x tgl. 2,5 mg gegeben (n=1), die empfohlene Initial- dosis von Minoxidil liegt nach Angaben in der Fachinformation bei 5 mg statt 1,25 mg täglich (n=1).

(IV) Verordnung eines Therapieregimes (Applikationsfrequenz), das für die gegebene galenische Formulierung nicht empfohlen ist. Bei 131 von 400 Patienten (33 %) war bei insgesamt 177 Arzneimitteln, entsprechend 3 % aller Arzneimittel, das Zeitintervall zwischen den einzelnen Einnahmen bei den Angaben der Medikationsliste fehlerhaft, dies entspricht je Patient 1,4 Arzneimitteln. In der nachfolgenden Tab. 36 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt.

Tab. 36: Die häufigsten Arzneimittel, die in einem nicht korrekten Applikationsintervall gegeben wurden (n=177). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Indikationsgerechtes Code gesamt (%) Applikationsintervall Metoprolol 35 20 % C07AB02 122 (29 %) 2x tgl. Gabe wegen galenischer Formulierung Gabe einmal täglich ausreichend, vorzugsweise zum Frühstück Bisoprolol 31 18 % C07AB07 113 (27 %) 2x tgl. Gabe einmal täglich morgens bei einer Gabe Wirkdauer von 24h empfohlen Amlodipin 28 16 % C08CA01 117 (24 %) 2x tgl. Gabe als Einzeldosis bei einer Gabe Plasmahalbwertszeit von >35h empfohlen

Besonders häufig waren mit 163 von 177 Arzneimitteln (91 %) Arzneimittel der ATC-Grupp C „kardiovaskuläres System" sowie mit 7 von 177 Arzneimitteln (4 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe N „Nervensystem" betroffen. Bei 153 von 177 Arzneimitteln (86 %) ließ sich das Dosierungsschema von

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Ergebnisse der zweimaligen täglichen Gabe zu einer einmaligen Gabe hin vereinfachen, bei 166 von 177 Arznei- mitteln (94 %) allgemein die Anzahl der täglichen Gaben. Die häufigste Gruppe auf der Ebene des fünfstelligen ATC-Codes waren mit 69 von 177 Arzneimitteln (17 %) die selektiven Beta-Adreno- zeptor-Antagonisten (C07AB) mit den Arzneimitteln Metoprolol, Bisoprolol und Nebivolol (n=3), deren Gabe einmal täglich ausreichend ist. Weiter gehörten mit 39 von 177 Arzneimitteln (10 %) häufig selektive Calciumkanalblocker mit vorwiegender Gefäßwirkung der Dihydropyridingruppe (C09CA) sowie Angiotensin-II-Antagonisten (C09CA) mit 19 von 177 Arzneimitteln (5 %) wie Candesartan (n=13), Losartan (n=3), Valsartan (n=1), Irbesartan (n=1) und Olmesartan (n=1) dazu.

(V) Verordnung eines Therapieregimes (Applikationszeitpunkt), das für die gegebene galenische Formulierung nicht empfohlen ist. Bei 16 von 400 Patienten (4 %) wurden 17 Arzneimittel zu einem nicht korrekten Applikationszeit- punkt verabreicht, je Patient entsprechend 1,1 Arzneimittel. In der nachfolgenden Tab. 37 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Bei den meisten Arzneimitteln mit 13 von 16 Arznei- mitteln (76 %) handelte es sich um Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System", 3 von 16 der Arzneimittel (18 %) waren aus der ATC-Gruppe N „Nervensystem" und das Arzneimittel Colecalciferol aus der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“.

Tab. 37: Gabe eines Arzneimittels zu einem nicht korrekten Applikationszeitpunkt (n=17). Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen Grund Indikationsgerechter gesamt (%) Applikationszeitpunkt Torasemid 5 29 % C03CA04 142 (4 %) abendl. Gabe auf Grund der diuretischen Wirkung Gabe zum Frühstück empfohlen Furosemid 2 12 % C03CA01 58 (3 %) mittägl. oder auf Grund der diuretischen abendl. Gabe Wirkung Gabe zum Frühstück empfohlen Simvastatin 2 12 % C10AA01 201 (1 %) morgendl. oder Gabe als Einzeldosis am mittägl. Gabe Abend empfohlen

Bei den HMG-CoA-Reduktasehemmern (C10AA) wie Simvastatin (n=2) und Atorvastatin (n=1) ist wegen physiologisch bedingten höheren Cholesterolspiegeln die abendliche Gabe zu bevorzugen, bei den Diuretika (C03) Hydrochlorothiazid (n=1), Furosemid und Torasemid war wegen der diuretischen Wirkung je statt der abendlichen die morgendliche Gabe empfohlen.

(VI) Verordnung eines Therapieregimes (Applikationsart), das für die gegebene Formulierung nicht empfohlen ist. Bei einem Patienten wurde ein Arzneimittel in einer Applikationsart verabreicht, die für diese galenische Formulierung ungeeignet ist. Das Arzneimittel wird dadurch unwirksam. Es handelte sich dabei um Omeprazol, das in der Arzneiform einer magensaftresistenten Tablette nicht geteilt werden darf. Durch die Teilung oder Mörserung von magensaftresistenten Tabletten wird der Überzug, der

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Ergebnisse eine vorzeitige Auflösung im Magen verhindert, zerstört, der Wirkstoff wird so durch die Magensäure deaktiviert und nicht, wie gewünscht, erst im alkalischen Dünndarm freigesetzt, wo es zur Resorption in die Blutbahn kommt. Von einer Wirkung ist bei der Teilung von magensaftresistenten Tabletten oder Kapseln nicht auszugehen. Eine Ausnahme bildet die Formulierung der Multi-Unit-Pellet- Systems (MUPS®), deren Wirkstoffpellets auch bei Suspendierung in Wasser unzerstört bleiben, und deren Einzelumhüllung Schutz vor Auflösung im Magensaft bietet (159).

(VII) Statt einer täglichen Gabe wäre ein Applikationsintervall von > 24h erforderlich. Bei 31 von 400 Patienten (8 %) wurden nach den Angaben, die dem Expertenteam vorlagen, insgesamt 33 Arzneimittel, dies entspricht je Patient 1,1 Arzneimittel, in einer Applikationsfrequenz von 24 Stunden oder häufiger verabreicht. Die Gabe sollte seltener als einmal täglich erfolgen und ist bei häufigerer Anwendung nicht unbedenklich. Auch bei diesem potentiellen Verordnungsfehler ist besonders die Exaktheit der Datengrundlage zu beachten, denn um die seltenere Gabe als „einmal täglich" anzugeben, musste eine zusätzliche (hand-)schriftliche Bemerkung durch die Gesundheits- coaches auf der Medikationsliste angegeben werden. In der nachfolgenden Tab. 38 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Das häufigste vorkommende Arzneimittel war mit 15 von 33 Arzneimitteln (45 %) Colecalciferol aus der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“ ebenso waren 9 von 33 Arzneimitteln (27 %) aus der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem“ und 3 von 33 Arzneimittel (9 %) aus der ATC-Gruppe N „Nervensystem" enthalten.

Tab. 38: Arzneimittel mit einem Applikationsintervall von mehr als 24 Stunden erforderlich (n=33). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Indikationsgerechte Dosierung Code gesamt (%) Colecalciferol 15 45 % A11CC05 111 (56 %) Gabe 1x tgl. aufgrund der Depotformulierung bis 1x bei regelmäßiger Anwendung wöchentl. Gabe 1 – 2x wöchentl.empfohlen Methotrexat 4 12 % L01BA01 21 (19 %) Gabe 1x tgl. Gabe 1x wöchentl. empfohlen Estriol 3 9 % G03CA04 16 (13 %) Gabe 1x tgl. Gabe 2x wöchentl. empfohlen

Besonders Depotpräparate wie transdermale Pflaster mit enthaltenen Analgetika wie Fentanyl (n=2), Buprenorphin (n=1) oder Hormonen wie Estriol, die ihren Wirkstoff nur langsam frei- setzen, dürfen nur alle 3 oder 4 Tage gewechselt werden, ebenso Depotarzneiformen wie Colecalciferol-Kapseln mit hoher Dosierung, welche zur initialen Behebung eines Vitaminmangels einmalig in hoher Dosierung, zur Erhaltungstherapie allerdings nur alle ein bis zwei Wochen gegeben werden sollten. Häufig waren auch die Dosierungsangaben zu Bisphosphonaten wie Alendronsäure (n=1), Risedronsäure (n=2) und Zoledronsäure (n=1) oder Methotrexat fehlerhaft. Diese Arzneimittel dürfen in den vorliegenden Dosierungen und bei den gegebenen Indikationen nicht häufiger als einmal wöchentlich verabreicht werden.

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Ergebnisse

(VIII) Die Dosierung ist wegen fehlender Angaben in der Medikationsliste nicht eindeutig ersichtlich. Bei 7 von 400 Patienten (2 %) und insgesamt 8 Arzneimitteln war die Dosierung des Arzneimittels unklar, da die Angaben in dem Medikationsplan des Patienten fehlten, dies entspricht je Patient 1,1 Arzneimitteln. In der nachfolgenden Tab. 39 sind diese Arzneimittel aufgeführt. Besonders häufig traten die ATC-Codes A „Alimentäres System und Stoffwechsel", N „Nervensystem" und H „Syste- mische Hormonpräparate exkl. Sexualhormone und Insuline" mit je n=2 auf.

Tab. 39: Dosierung der Arzneimittel unklar wegen fehlender Angaben im Medikationsplan, k.A.=keine Angabe (n=8). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Indikationsgerechte Code gesamt (%) Dosierung Colecalciferol 1 13 % A11CC05 111 (1 %) k. A. zugelassen für die einma- lige Gabe von 200.000 I.E., weitere Behandlung individuell festzulegen Flupirtin 1 13 % N02BG07 14 (7 %) k. A. bei Retardformulierung 1 Tbl. tgl. ausreichend Glyceroltrinitrat 1 13 % A05AX08 113 (1 %) k. A. Bedarfsmedikation Levothyroxin 1 13 % H03AA01 128 (1 %) tägl. Wechsel Gabe einer Dosis morgens zweier Dosierungen 1h vor dem Frühstück Prednisolon 1 13 % R01AD02 42 (2 %) k. A. je nach Schwere der Erkrankung dosieren Tilidin/Naloxon 1 13% N02AX01 45 (2%) k. A. bei Retardformulierung 2 Tabletten tgl. alle 12h Tiotropiumbromid 1 13% R03BB04 57 (2%) k. A. 1x tägl. Gabe empfohlen Torasemid 1 13% C03CA04 142 (1%) Dosierung tägl. Gabe einer Dosierung nach Gewicht empfohlen

Es kann sich um Bedarfsgaben handeln, wobei die Angabe „bei Bedarf" vergessen wurde, oder es handelte sich um Dauertherapien, wobei die Angabe der tatsächlichen Dosierung fehlte. Der Wechsel zweier Dosierungen von Schilddrüsenpräparaten kann zu Einnahmeunsicherheiten bei dem Patienten führen. Auch die tägliche Neuberechnung einer Torasemid-Gabe nach Körpergewicht kann unter Um- ständen eine Überforderung für den älteren Patienten darstellen.

(IX) Eine Reduktion der Tablettenzahl ist möglich, z.B. durch die Einzelgabe höher dosierter Präparate. Bei 5 von 400 Patienten (1 %) war bei je einem Arzneimittel die Reduktion der Tablettenzahl möglich. In der nachfolgenden Tab. 40 sind diese Arzneimittel aufgeführt.

Tab. 40: Reduktion der Tablettenzahl durch Gabe höher dosierter Tabletten möglich (n=5). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Reduktion der Code gesamt (%) Tablettenzahl Mirtazapin 1 20 % N06AX11 13 (8 %) Gabe von 2x 15 mg Gabe von 1x 30 mg Simvastatin 1 20 % C10AA01 201 (0 %) Gabe von 2x 20 mg Gabe von 1x 40 mg Torasemid 1 20 % C03CA04 142 (1 %) Gabe von 2x 2,5 mg Gabe von 1x 5 mg Verapamil 1 20 % C08DA01 15 (7 %) Gabe von 2x 120 mg Gabe von 1x 240 mg Xipamid 1 20 % C03BA10 23 (4 %) Gabe von 2x 10 mg Gabe von 1x 20 mg

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Ergebnisse

Es handelte sich bei 4 der 5 Patienten (80 %) um Arzneimittel der ATC-Grupp C „kardiovaskuläres System" sowie um ein Arzneimittel der ATC-Gruppe N „Nervensystem". In keinem der Fälle war durch die Gabe zweier Tabletten eine Dosierung entstanden, die nicht durch ein in Deutschland auf dem Arzneimittelmarkt erhältliches Fertigarzneimittel abgedeckt worden wäre. Bei keinem der Patienten war durch den Coach ein Hinweis gegeben, dass es sich um das Aufbrauchen einer Arznei- mittelpackung bis zur zukünftigen Verordnung eines höher dosierten Präparates handelte.

(X) Ein Medikament wird als Bedarfsgabe gegeben, wobei eine Dauertherapie indiziert wäre. Bei 16 der 400 Patienten (4 %) wurde je ein Arzneimittel in einer Bedarfsgabe verordnet, obwohl eine Dauertherapie für eine medizinisch sinnvolle Therapie nötig wäre. Bei den Angaben muss be- dacht werden, dass die Dosierungsvorgaben, wie sie dem Expertensystem vorlagen, nicht der tat- sächlichen Einnahmefrequenz entsprochen haben müssen. Mit 5 von 16 Arzneimitteln (31 %) waren besonders häufig Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System", mit 4 der 16 Arzneimittel (25 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe R „Respira- tionstrakt" betroffen. Die Arzneimittel Cromoglicinsäure, Ciclesonid, Salmeterol/Fluticason und Theophyllin (je n=1) zur COPD-Therapie oder Behandlung von Asthma bronchiale sollten als Dauer- gabe verabreicht werden, ebenso sollte eine Blutdruck- oder Herzinsuffizienztherapie mit Diuretika wie Hydrochlorothiazid (n=1) oder Torasemid (n=2) sowie mit Clonidin (n=1) regelmäßig stattfinden.

(XI) Ein Medikament wird als Dauertherapie verordnet, wobei eine Bedarfsgabe indiziert wäre. Bei 8 von 400 Patienten (2 %) wurde je ein Arzneimittel verordnet, das in einer Dauertherapie verordnet war, obwohl eine Bedarfs- oder zeitlich begrenzte Dauergabe empfohlen war. Die kurzwirksamen Beta-2-Adrenozeptor-Agonisten Salbutamol (n=2) und Fenoterol (n=1) sollten bei Asthma bronchiale nur im Bedarfsfall gegeben werden, gegebenenfalls können andere Arzneimit- tel zur Basistherapie eingesetzt oder höher dosiert werden. Ebenso ist die Therapie mit Antibiotika wie Cefuroxim, Trimethoprim/Sulfamethoxazol oder Oxytetracyclin-Augentrofen (je n=1) im ambu- lanten Bereich, um Resistenzen vorzubeugen, nicht als Dauer- sondern nur als zeitlich berenzte Therapie anzusehen.

3.2.7 Hauptkategorie Dosisanpassung an die Nierenfunktion

Insgesamt nahmen 88 der 400 Patienten (22 %) ein Arzneimittel ein, das bei einer eingeschränk- ten Nierenfunktion fehlerhaft dosiert oder kontraindiziert war. Es waren 150 Arzneimittel betroffen, dies entspricht 3 % aller Arzneimittel und je Patient 1,7 Arzneimitteln, die mit einer fehlenden Be- rücksichtigung der eingeschränkten Nierenfunktion verordnet worden waren. Zwei Patienten nahmen vier, 46 der 88 Patienten (52 %) ein und 24 der 88 Patienten (27 %) zwei dieser Arzneimittel ein. | 93

Ergebnisse

(I) Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosierung, die nach Angaben in der Fachinformation ungeeignet für die Nierenfunktion des Patienten ist. Bei 56 von 400 Patienten (14 %) und 70 Arzneimitteln, 1 % aller Arzneimittel, war die Dosierung nicht an die eingeschränkte Nierenfunktion angepasst worden, je Patient 1,3 Arzneimittel. Dabei ent- sprachen die auf Grund der eingeschränkten Nierenfunktion nachträglich berechneten Dosierungen 52 % der verordneten Dosierungen. Bei 33 der 70 Arzneimittel (47 %) konnte die Dosierung über die

Q0-Formel berechnet werden, bei 37 der 70 Arzneimittel (53 %) erfolgte die Anpassung auf Grund von Angaben der Fachinformation. Die Patienten, die von einer Dosisanpassung an die Nieren- funktion betroffen waren, hatten eine durchschnittliche GFR von 38,2 ml/min, minimal 12,1 ml/min. In der nachfolgenden Tab. 41 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Nicht bei allen Patienten war eine Nierenfunktion angegeben, daher sind die tatsächlichen Häufigkeiten vermutlich höher. Besonders häufig war eine Anpassung der Dosierung bei Arzneimitteln der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem“ mit 24 von 70 Arzneimitteln (34 %), der ATC-Gruppe C „kardiovasku- läres System“ mit 20 von 70 Arzneimitteln (29 %), sowie der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“ mit 17 von 70 Arzneimitteln (24 %) erforderlich.

Tab. 41: Anpassung der Dosierung der Arzneimittel an die eingeschränkte Nierenfunktion erforderlich (n=70). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen % Abweichung Dosisberechnung Code gesamt (%) der Dosis

Allopurinol 23 33 % V04CJ03 114 (20 %) 54 % Q0 – Konzept Sitagliptin 10 14 % A10BH01 35 (29 %) 49 % Herstellerangaben in der Fachinformation Ramipril 7 10 % C09AA05 117 (6 %) 50 % Herstellerangaben in der Fachinformation

Oft handelte es sich dabei um die Urikostatika (M04AA) Allopurinol und Febuxostat (n=1) sowie um die Dipeptidyl-Peptidase-4-Inhibitoren (A10BH) Sitagliptin, Vildagliptin (n=1) und Saxagliptin (n=1). Ebenso waren Arzneimittel, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen (C10A) von einer Dosisapassung betroffen, dazu gehörten Simvastatin (n=1) und Fenofibrat (n=5).

(II) Gabe eines Arzneimittels bei eingeschränkter Nierenfunktion, wobei die Gabe nur unter Vorsicht und ärztlicher Kontrolle empfohlen ist. Bei 24 von 400 Patienten (6 %) und 26 Arzneimitteln war die Gabe bei eingeschränkter Nieren- funktion nur unter besonderer Vorsicht und Überwachung empfohlen. Je Patient entspricht dies 1,1 Arzneimitteln. In der nachfolgenden Tab. 42 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Mit Vorsicht bei eingeschränkter Nierenfunktion anzuwendende Arzneimittel sind mit 13 von 26 Arzneimitteln (50 %) insbesondere bei der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" sowie Glimepirid bei der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel" zu finden. Auch Angio- tensin-II-Antagonisten (C09CA) wie Candesartan, Valsartan (n=1), Olmesartan (n=1) und

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Ergebnisse

Telmisartan (n=1) sowie nichtsteroidale Antiphlogistika und Antirheumatika (M01A) wie Ibuprofen (n=2) und Diclofenac (n=1) sollten mit Vorsicht angewendet werden.

Tab. 42: Die häufigsten Arzneimittel, deren Gabe bei eingeschränkter Nierenfunktion nur mit Vorsicht empfohlen ist (n=26). Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Verordnungen Grund Empfehlung Code gesamt (%) Glimepirid 8 31 % A10BB12 24 (33 %) erhöhtes Risiko bei Niereninsuffizienz meiden, für Hypoglykä- ab einer GFR < 30 ml/min mien kontraindiziert Spironolacton 5 19 % A10BB12 31 (16 %) Herzrhythmus- bei einer GFR von 30 bis störungen durch 60 ml/min besondere ärztli- Hyperkaliämien che Überwachung erforderlich Candesartan 3 12 % C09CA06 64 (5 %) Verschlechterung Kontrolle des S-Kreatinin- der Nieren- Spiegels empfohlen funktion möglich

Die NSAR werden mit einem Q0–Wert von 1 nicht hauptsächlich über die Niere metabolisiert, allerdings können sie auch akut schädigend auf die Niere wirken, beispielsweise bei einer Analgetika- Nephropathie (160), und insbesondere bei bereits bestehender Niereninsuffizienz ein Nierenversagen auslösen (161). Bei Glimepirid und Spironolacton ist die Anwendung bei einer GFR von unter 30 ml/min kontraindiziert.

(III) Gabe eines Arzneimittels bei eingeschränkter Nierenfunktion, wobei die Anwendung bei Niereninsuffizienz kontraindiziert ist. Bei 48 von 400 Patienten (12 %) war die Gabe eines Arzneimittels auf Grund der eingeschränkten Nierenfunktion laut Fachinformation kontraindiziert. Bei 54 Arzneimitteln, 1 % aller eingenommenen Arzneimittel, entspricht dies durchschnittlich 1,1 Arzneimitteln je Patient. In der nachfolgenden Tab. 43 sind die am häufigsten vorkommenden Arzneimittel dieser Unterkategorie dargestellt.

Tab. 43: Kontraindikation für die Anwendung bei eingeschränkter Nierenfunktion (n=54). Arzneimittel Häufigkeit % Verordnungen ATC-Code Empfehlung gesamt (%) Metformin 26 48 % 103 (25 %) A10BA02 bei einer GFR < 60 ml/min kontraindiziert Spironolacton 6 11 % 51 (12 %) A10BB12 bei einer GFR < 30 ml/min kontraindiziert

Besonders häufig waren mit 28 von 54 Arzneimitteln (52 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“, mit 18 von 54 Arzneimitteln (33 %) Arzneimittel der ATC- Gruppe C „kardiovaskuläres System“ mit 5 von 54 Arzneimitteln (9 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem" mit nicht angezeigter Gabe bei Niereninsuffizienz vorhanden. Bei Metformin besteht ein erhöhtes Risiko einer Laktatazidose, Spironolacton führt zu einer weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen. Die Grenze der glomerulären Filtrationsrate, unterhalb derer eine Kontraindikation für Metformin besteht, wurde von 60 ml/min auf 45 ml/min herabgesenkt, offiziell bestätigt durch das BfArM am 27.03.2015 (162). Ebenso waren

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Ergebnisse die kaliumsparenden Diuretika Spironolacton und Eplerenon (n=3) sowie Methotrexat und Aliskiren (je n=3) vertreten.

3.2.8 Hauptkategorie Doppelverordnung

Bei 118 von 400 Patienten (30 %) fanden sich insgesamt 165 Doppelverordnungen, dies bedeutet, dass zwei Arzneimittel als Kombination für dieselbe Indikation verordnet wurden, wobei nach Ansicht des Expertenteams eines der beiden Arzneimittel ausreichend gewesen wäre. Je Patient lagen 1,4 Doppelverordnungen vor. Nachfolgende Abb. 29 zeigt die Verteilung der verschiedenen Doppel- verordnungen je nach Übereinstimmung der Stellen des ATC-Codes.

Abb. 29: Aufteilung der Doppelverordnungen nach Übereinstimmung der ATC- Codes der Arzneimittel (n=165).

Abb. 30 zeigt die Häufigkeiten der Doppelverordnungen. Der größte Anteil mit 63 von 165 Arznei- mittelkombinationen (38 %) stimmte in fünf Stellen des ATC-Codes überein. Dies bedeutet, dass die Arzneimittel sich in ihrer pharmakologischen Wirkung und chemischen Struktur ähnelten. Bei 60 der 165 identifizierten Doppelverordnungen (37 %) waren der siebenstellige ATC-Code und somit auch der Wirkstoff identisch. 18 der 165 Arzneimittelkombinationen (10 %) stimmten in ihren ATC-Codes nur wenig überein, wurden aber dennoch für dieselbe Indikation verabreicht, so dass aus Sicht der Experten ein Arzneimittel weggelassen werden konnte.

Abb. 30: Anzahl der Patienten mit der Häufigkeit der vor- liegenden Doppel- verordnungen (n=118).

In Tab. 44 sind die häufigsten dieser vom Expertenteam identifizierten Arzneimittelkombinationen aufgeführt, die eine Doppelverordnung darstellen.

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Ergebnisse

Tab. 44: Die häufigsten Doppelverordnungen beim gesamten Patientenkollektiv (n=165). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Indikation Colecalciferol A11CC05 Colecalciferol A11CC05 12 7 % Osteoporoseprophylaxe, Osteoporosetherapie Ipratropiumbromid R03BB01 Tiotropiumbromid R03BB04 12 7 % Asthma bronchiale, COPD Hydrochlorothiazid C03AA03 Hydrochlorothiazid C03AA03 6 4 % Herzinsuffizienz, Hypertonie Isosorbiddinitrat C01DA08 Molsidomin C01DX12 6 4 % Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung

Besonders häufig wurde bei 12 Patienten Colecalciferol in zwei Präparaten kombiniert, ebenso wendeten 12 Patienten die beiden inhalativen Anticholingergika Ipratropiumbromid und Tiotropiumbromid gemeinsam an, diese Kombinationen wurden vom Expertenteam hinterfragt. Das Diuretikum Hydrochlorothiazid war häufig in Kombinationspräparaten mit anderen Antihypertonika verordnet. Die Doppelverordnung von langwirksamen Nitraten trat ebenfalls bei sechs Patienten auf.

(I) Doppelte Verordnung derselben Wirkstoffe, die ATC-Codes stimmen in allen 7 Stellen überein. Es waren 53 von 400 Patienten (13 %) von einer Doppelverordnung, bei der die ATC-Codes der Arzneimittel in allen sieben Stellen übereinstimmten, betroffen mit insgesamt 60 Doppelverord- nungen. Dies entspricht je Patient 1,1 Doppelverordnungen. In der nachfolgenden Tab. 45 sind die häufigsten dieser Doppelverordnungen aufgeführt.

Tab. 45: Die häufigsten Doppelverordnungen mit Übereinstimmung der ATC-Codes in allen sieben Stellen (n=60). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Indikation Colecalciferol A11CC05 Colecalciferol A11CC05 12 20 % Osteoporoseprophylaxe, Osteoporosetherapie Hydrochlorothiazid C03AA03 Hydrochlorothiazid C03AA03 6 10 % Herzinsuffizienz, Hypertonie Ramipril C09AA05 Ramipril C09AA05 3 5 % Herzinsuffizienz, Hypertonie

Die enthalten Wirkstoffe wurden je in zwei unterschiedlichen Präparaten verabreicht, teilweise in einem Mono- und einem Kombinationspräparat, wie Ramipril, Valsartan (n=2) oder Candesartan (n=2), in zwei Kombinationspräparaten wie Calcium (n=2) oder in unterschiedlichen Dosierungen in zwei verschiedenen Monopräparaten oder galenischen Formulierungen, wie unter anderem Levothyroxin (n=2) oder Metamizol (n=2).

(II) Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe Indikation, wobei die ATC-Codes in 5 Stellen übereinstimmen. Bei 53 von 400 Patienten (13 %) war je eine Doppelverordnung vorhanden, wobei die ATC-Codes der Arzneimittel in fünf Stellen übereinstimmten. Bei insgesamt 63 Doppelverordnungen entspricht dies je Patient 1,2 Doppelverordnungen. In der nachfolgenden Tab. 46 sind die häufigsten dieser Doppelverordnungen aufgeführt. | 97

Ergebnisse

Tab. 46: Die häufigsten Doppelverordnungen mit Übereinstimmung des ATC-Codes in 5 Stellen (n=63). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Indikation Ipratropiumbromid R03BB01 Tiotropiumbromid R03BB04 12 19 % Asthma bronchiale, COPD Amlodipin C08CA01 Nifedipin C08CA05 5 8 % Hypertonie, Angina pectoris Furosemid C03CA01 Torasemid C03CA04 5 8 % Herzinsuffizienz, Hypertonie

Die gemeinsame Gabe von zwei inhalativen Anticholinergika oder zwei inhalativen kurzwirksamen Beta-2-Adrenozeptor-Agonisten bei COPD oder Asthma bronchiale wie Salbutamol und Fenoterol (n=4) oder die gemeinsame Gabe zweier Antiepileptika wie Gabapentin und Pregabalin (n=3) wurden hinterfragt. Ebenso waren eine Blutdruck- oder Herzinsuffizienztherapie mit den zwei Wirkstoffen Amlodipin und Nifedipin oder Furosemid und Torasemid vom Expertenteam mit einer Rückfrage an den behandelnden Arzt versehen worden.

(III) Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe Indikation, wobei die ATC-Codes in 4 Stellen übereinstimmen. Die Medikationen von 24 von 400 Patienten (6 %) enthielten je eine Doppelverordnung mit der Übereinstimmung der ATC-Codes in vier Stellen. In dieser ATC-Code Übereinstimmung handelte es sich mit 6 von 24 Kombinationen (25 %) am häufigsten um die Kombination der beiden Nitratdona- toren ISDN und Molsidomin (n=6) bei Angina pectoris. Auch Kombinationen von Arzneimitteln der ATC-Gruppe N06A „Antidepressiva" waren betroffen (n=6), darunter Doxepin (n=3), Agomelatin (n=2), Sertralin (n=2), Amitriptylin, Trimipramin, Paroxetin, Fluoxetin oder Citalopram (je n=1) und Kombinationen von Analgetika (n=5) wie Fentanyl (n=2) mit Morphin oder Oxycodon/ Naloxon sowie Diclofenac (n=3) mit Naproxen, Etoricoxib oder Ibuprofen.

(IV) Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe Indikation, wobei die ATC-Codes nicht übereinstimmen. 17 von 400 Patienten (4 %) waren von einer Doppelverordnung betroffen, bei der sich die ATC- Codes nur im ein- bis dreistelligen Bereich glichen. Es handelte sich dabei um 18 Doppelverord- nungen und je Patient um 1,1 Doppelverordnungen. In der nachfolgenden Tab. 47 sind die am häufigsten auftretenden Arzneimittelkombinationen dieser Unterkategorie aufgeführt.

Tab. 47: Die häufigsten Doppelverordnungen mit Übereinstimmung des ATC-Codes in ein bis drei Stellen (n=18). A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Indikation Hydrochlorothiazid C03AA03 Torasemid C03CA04 2 11 % Herzinsuffizienz, Hypertonie Torasemid C03CA04 Xipamid C03BA10 2 11 % Herzinsuffizienz, Hypertonie Hydrochlorothiazid C03AA03 Xipamid C03BA10 1 6 % Herzinsuffizienz, Hypertonie

Die Diuretika Hydrochlorothiazid, Torasemid oder Xipamid wurden gemeinsam verordnet (n=5), allerdings kann die Kombination aus Schleifen- und Thiazid-Diuretikum als sequentielle Nephron- blockade, beispielsweise bei „Diuretikaresistenz“, pharmakologisch sinnvoll und indiziert sein, eine besondere Begründung und Kontrolle sind insbesondere bei älteren Patienten notwendig (163,164).

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Ergebnisse

Bei vier Patienten waren zentral wirksame Arzneimittel wie Lorazepam und Zopiclon oder Antide- pressiva wie Duloxetin und Agomelatin oder Sulpirid und Venlafaxin kombiniert.

3.2.9 Hauptkategorie Versorgungslücken

Insgesamt waren 125 der 400 Patienten (31 %) von einer Versorgungslücke betroffen und die Me- dikationen enthielten insgesamt 171 Versorgungslücken. Je Patient entspricht dies durchschnittlich 1,4 Versorgungslücken. In der nachfolgenden Abb. 31 sind die Häufigkeiten je Patient dargestellt.

Abb. 31: Anzahl der Patienten mit unter- schiedlicher Häufigkeit an Versorgungslücken (n=125).

In der nachfolgenden Tab. 48 sind alle vom Expertenteam identifizierten Versorgungslücken soweit möglich einem Kapitel der deutschen Version der ICD-10 Systematik (ICD-10-GM Version 2013) zugeordnet (143).

Tab. 48: Vom Expertenteam identifizierte bestehende, häufig auftretende Versorgungslücken der Patienten (n=171). Kapitel ICD-10-GM 2013 Versorgungslücke Häufigkeit % % Gabe eines Statins fehlt bei vorliegender koronarer 40 23 % Herzerkrankung IX. Krankheiten des Orale Antikoagulation fehlt 24 14 % 63 % Kreislaufsystems Therapie bei Herzinsuffizienz fehlt 19 11 % Ergänzung der antihypertensive Therapie empfohlen 14 8 % Thrombozytenaggregationshemmung fehlt 10 6 % Obstipationsprophylaxe bei Opioid-Gabe fehlt 14 8 % Schmerztherapie WHO I Medikation bei bestehender Opioid-Gabe fehlt 10 6 % 17 % Opioid-Gabe bei Bedarf fehlt 5 3 % Colecalciferol-Substitution bei bestehender Calcium- 6 4 % XIII. Krankheiten des Gabe oder Osteoporose-Diagnose fehlt Muskel-Skelett-Systems Osteoporosetherapie bei bestehender Diagnose fehlt 3 2 % 6 % und des Bindegewebes Calciumsubstitution bei bestehender Osteoporose- 2 1 % Diagnose fehlt X. Krankheiten des COPD- oder Asthma-bronchiale-Therapie wie 7 4 % Atmungssystems kurzwirksame Bedarfsmedikation fehlt IV. Endokrine, Diabetes-Medikation bei bestehender Diagnose oder Ernährungs- und einem HBA1c-Wert von 0,5 fehlt 6 4 % Stoffwechsel-krankheiten

Da jede Versorgungslücke nur einmal bei jedem Patienten auftrat, war eine fehlende Gabe eines Statins, welches bei vorliegender koronarer Herzerkrankung indiziert ist, bei 40 der 400 Patienten (10 %) zu finden. Eine fehlende Blutgerinnungshemmung bei bestehendem Vorhofflimmern oder Stent, bei vorausgegangenem Myokardinfarkt oder Schlaganfall trat bei 34 der 400 Patienten (9 %) | 99

Ergebnisse auf. Das Expertenteam empfahl bei 29 der 400 Patienten (7 %) eine Ergänzung der Schmerztherapie, eine Bedarfsmedikation oder eine Obstipationsprophylaxe bei Opioid-Gabe. Zu ergänzende oder feh- lende Arzneimittel bei weiteren Krankheiten des Kreislaufsystems wie Hypertonie oder Herzinsuffi- zienz ergaben sich bei 33 der 400 Patienten (19 %). Auch wurde eine ergänzende Osteoporose-Thera- pie oder -prophylaxe bei 11 der 400 Patienten (6 %) empfohlen. Eine fehlende medikamentöse The- rapie des Diabetes mellitus aus dem Bereich der endokrinen, Ernährungs- und Stoffwechselkrankhei- ten bei fehlendem Hinweis auf eine diätetische Einstellung ergab sich bei 6 der 400 Patienten (4 %).

3.2.10 Selbstmedikation

Die vom Expertenteam als risikoreich angesehenen Arzneimittel der Selbstmedikation sind nach- folgend dargestellt. Es handelt sich dabei ebenfalls um Medikationsfehler, allerdings können diese Fehler nicht den potentiellen Verordnungsfehlern zugeordnet werden, da der behandelnde Arzt keine Kenntnis von der Einnahme der Präparate hatte, und somit das Wissen und die Verantwortung für die gesamte Medikation alleine beim Patienten lag. Die Einteilung der Haupt- und Unterkatego- rien wurde beibehalten. Einige Unterkategorien enthielten keine Arzneimittel der Selbstmedikation und sind daher nicht aufgeführt. Nachfolgende Tab. 49 zeigt einen Überblick über die Medikations- fehler im Bereich der Selbstmedikation.

Hauptkategorie Indikation

In der Hauptkategorie „Indikation" waren 72 von 400 Patienten (18 %) von insgesamt 135 einge- nommenen Arzneimitteln der Selbstmedikation ohne vorliegende Indikation betroffen mit durch- schnittlich 1,9 Arzneimitteln. Die Aufschlüsselung in den drei Unterkategorien ist nachfolgend darge- stellt. In der Unterkategorie „Indikation unklar" war keine Selbstmedikation enthalten.  Einnahme eines Arzneimittels, für welches keine Indikation vorliegt: 23 von 400 Patienten (6 %) nahmen 50 Arzneimittel in Selbstmedikation ein, am häufigsten Mineralstoffe wie Magnesium, Zink, Calcium, Omega 3 oder Biotin.  Einnahme eines Arzneimittels, bei dem gemäß Studienlage kein Wirksamkeitsnachweis gegeben ist: 48 von 400 Patienten (12 %) nahmen 82 Arzneimittel in Selbstmedikation ein, bei denen die Experten keinen Wirksamkeitsnachweis sahen und auch keine Indikation vorlag, insbesondere Weißdorn, Acetylcystein, Artischocke, Cranberry und Kieselerde.  Ein Arzneimittel wird ohne ersichtliche Indikation in Dauertherapie eingenommen, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend: es nahmen 3 von 400 Patienten (1 %) drei Arznei- mittel in Selbstmedikation ein wobei eine Dauergabe nicht erforderlich ist, dazu gehörten Zink, Kalium und Simeticon.

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Ergebnisse

Tab. 49: Übersicht über die Haupt- und Unterkategorien der eingenommenen Arzneimittel der Selbstmedikation (n=400).

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kombi

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ersch

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% % Arzneimittel ( v mittel nationen) Anzahl Anzahl Patienten Häufigste Arzneimittel (Anzahl) Indikation 72 18 % 135 72 Magnesium (20) , Zink (6), Calcium (4), I fehlende Indikation 23 6 % 50 37 Omega 3 (4) Weißdorn (4), Acetylcystein (2), Artischocke (2), II kein Wirksamkeitsnachweis 48 12 % 82 41 Cranberry (2), Kieselerde (2) Indikation Dauertherapie IV 3 1 % 3 3 Zink (1), Kalium (1), Simeticon (1) fehlend Risikomedikamente 9 2 % 9 8 Acetylsalicylsäure (1), Chinin (1), Naproxen (1), II Risikoarzneimittel 4 1 % 4 4 Kalium/Magnesium (1) Natriumpicosulfat (2), Bisacodyl (1), Cranberry III risikoreiche Dauertherapie 5 1 % 5 4 (1), Kalium (1) Interaktion 22 6 % 28 18 Acetylsalicylsäure/Ginkgo (3), II schwerwiegend 9 2 % 11 7 Cranberry/Phenprocoumon (2) Calcium/Levothyroxin (5), Ginkgo/Omeprazol III moderat 13 3 % 14 8 (2), Clopidogrel/Ginkgo (2) IV geringfügig 3 1 % 3 3 Calcium/Hydrochlorothiazid (1) Kontraindikation 1 0 % 1 1 Chinin (1) Dosierung 11 3 % 11 3 therapeutische Dosis II 1 0 % 1 1 Colecalciferol (1) überschritten Applikationszeitpunkt V 9 2 % 9 1 Magnesium (9) fehlerhaft XI Bedarfs- statt Dauergabe 1 0 % 1 1 Cromoglicinsäure (1) Nierenfunktion 1 0 % 1 1 II Vorsicht Nierenfunktion 1 0 % 1 1 Calcium (1) Doppelverordnung 8 2 % 8 7 Colecalciferol (2), Cyanocobalamin (1), I 7stelliger ATC-Code 4 1 % 4 3 Kalium (1) II 5stelliger ATC-Code 1 0 % 1 1 Acetylcystein/Cineol (1) Natriumpicosulfat/Bisacodyl (1), III 4stelliger ATC-Code 2 1 % 2 2 Lactulose/Flohsamenschalen (1) IV 1-3stelliger ATC-Code 1 0 % 1 1 Krillöl/Omega 3 (1)

Hauptkategorie Risikomedikamente

Es nahmen 9 von 400 Patienten (2 %) je ein Arzneimittel der Selbstmedikation ein, das ein Risiko- arzneimittel darstellt. In der Unterkategorie „PRISCUS-Arzneimittel" war kein Arzneimittel enthalten.  Einnahme eines Arzneimittels, das auf Grund des Krankheitsbildes des Patienten risikobehaftet ist: 4 von 400 Patienten (1 %) nahmen Acetylsalicylsäure, Chinin, Naproxen oder Kalium/Magnesium ein.

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Ergebnisse

 Einnahme eines Arzneimittel als Dauertherapie, wobei eine Dauertherapie mit einem erhöhten Risiko verbunden ist: 5 von 400 Patienten (1 %) nahmen Natriumpicosulfat, Bisacodyl, Cranberry oder Kalium ein.

Hauptkategorie Interaktion

Insgesamt waren 22 Patienten von 28 Interaktionen zwischen einem verordneten Arzneimittel und einem Arzneimittel, das in Selbstmedikation ohne Wissen des Arztes eingenommen wurde be- troffen, zwischen den Arzneimitteln der Selbstmedikation selbst bestanden keine Interaktionen. Dies entspricht einem Anteil von 6 % aller Patienten, und je Patient durchschnittlich 1,3 Interaktionen. Es gab keine Interaktion mit Arzneimitteln der Selbstmedikation in den Untergruppen „keine Angabe", „widersprüchliche Angaben/keine Interaktion" und „kontraindizierte Interaktion". Insbesondere diese Interaktionen sind für den behandelnden Arzt schwer identifizierbar und daher häufig unent- deckt und unbeachtet.  Einnahme zweier Arzneimittel mit einer schwerwiegenden Interaktion: bei den Polymedikationen von neun Patienten waren elf Interaktionen, die von den Datenbanken als „schwerwiegend" ein- gestuft waren, enthalten, durchschnittlich 1,2 Interaktionen je Patient. Am häufigsten trat die Interaktion zwischen Acetylsalicylsäure und Ginkgo sowie diejenige zwischen Cranberry und Phenprocoumon auf.  Einnahme zweier Arzneimittel mit einer moderaten Interaktion: bei 13 Patienten waren 14 Inter- aktionen in den Medikationen enthalten, die von den Datenbanken als „moderat" eingestuft wurden, je Patient durchschnittlich 1,1 Interaktionen, darunter die Interaktionen zwischen Calcium und Levothyroxin, Ginkgo und Omeprazol sowie Ginkgo und Clopidogrel.  Gabe zweier Arzneimittel mit einer geringfügigen Interaktion: drei Patienten waren von je einer geringfügigen Interaktion betroffen, darunter die Interaktion zwischen Calcium und Hydrochlorothiazid.

Hauptkategorie Kontraindikation

Das einzige Arzneimittel in der Selbstmedikation bei einem Patienten mit Kontraindikation war Chinin, das als Medikament bei Wadenkrämpfen bis zum 30.03.2015 als apothekenpflichtiges Arznei- mittel ohne Rezept erhältlich war, seitdem besteht eine Verschreibungspflicht für Chinin (165). Es kann bei bestehenden Herzrhythmusstörungen diese verstärken, alternativ sollte Magnesium abends eingenommen werden.

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Ergebnisse

Hauptkategorie Dosierung

Es nahmen elf Patienten je ein Arzneimittel in Selbstmedikation ein, bei dem die Dosierung fehler- haft war.  Einnahme eines Arzneimittels in einer Dosierung, die oberhalb der in der Fachinformation angegebenen Therapieempfehlung oder Leitlinien liegt: ein Patient nahm Colecalciferol ergänzend bei einer Osteoporose-Therapie in einer zu hohen Dosierung ein.  Einnahme eines Arzneimittels zu einem fehlerhaften Applikationszeitpunkt: bei 9 Patienten lag eine morgendliche anstelle einer abendlichen Einnahme von Magnesium bei bestehenden nächtlichen Wadenkrämpfen vor.  Einnahme eines Arzneimittels als Bedarfsgabe anstelle einer Dauertherapie: ein Patient nahm Cromoglicinsäure als Bedarfstherapie ein, wobei die pharmakologische Wirkung nur bei einer regelmäßigen Einnahme erreicht wird.

Hauptkategorie Dosisanpassung an die Nierenfunktion

Ein Patient nahm Calcium bei bestehender Nierenfunktionsstörung ein, wobei Vorsicht geboten ist und eine Kontrolle der Calcium- und Phosphat-Homöostase erfolgen sollte.

Hauptkategorie Doppelverordnung

Bei acht Patienten lag je eine Arzneimittelkombination vor, bei denen die Einnahme eines der Präparate ausreichend wäre.  Übereinstimmung der ATC-Codes der Präparate in allen 7 Stellen: vier Patienten nahmen je zwei Präparate dieser Doppeleinnahme ein, dazu gehörten bei zwei Patienten die Wirkstoffe Colecalciferol, sowie Cyanocobalamin und Kalium.  Übereinstimmung der ATC-Codes der Präparate in 5 Stellen: ein Patient nahm die Kombination der Expektorantien Acetylcystein und Cineol ein.  Übereinstimmung der ATC-Codes der Präparate in 4 Stellen: zwei Patienten nahmen die Kombina- tionen der Laxantien Natriumpicosulfat/Bisacodyl und Lactulose/Flohsamenschalen ein.  Übereinstimmung der ATC-Codes der Präparate in ein bis drei Stellen: ein Patient nahm die Kombi- nation Krillöl und Omega 3 ein.

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Ergebnisse

3.3 Ergebnisse der Fragebögen zur Bewertung der Zuverlässigkeit der Datenbasis der vorliegenden Verordnungsfehler

Zur Bewertung der Zuverlässigkeit der Datenbasis bei Konsilerstellung (s. Kapitel 2.4) wurden die an fünf Experten verteilten Fragebögen zur Auswertung herangezogen. Alle fünf Fragebögen waren vollständig ausgefüllt zurückgegeben worden. Drei der fünf Experten hatten je die einzelnen ein bis drei Beispiele der Kategorien bewertet anstelle der einzelnen Unterkategorien im Allgemeinen. Von den 33 Kategorien ergab sich ein Anteil von 16 (48 %) für das Vorliegen der Einstufung A, die be- schreibt, dass vermutlich ein Verordnungsfehler vorhanden ist und die zur Auswertung der Medika- tionen vorliegenden Informationen vollständig und zuverlässig sind, sowie ein Anteil von 17 der 33 Kategorien (52 %) für das Vorliegen der Kategorie B, dass die Daten gegebenenfalls unzureichend oder unvollständig sind und erst eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt diese angenom- menen potentiellen Verordnungsfehler klären würde und sich eine eventuell als Risikomedikation eingestufte Verordnung als doch keine solche herausstellen könnte. Es zeigte sich, dass insbesondere in den Bereichen Indikation, Interaktion und Dosierung die Ein- stufung als potentielle Verordnungsfehler mit einer häufigen Nennung von Einstufung B vom Exper- tenteam hinterfragt wurde. Vier der vier Indikations-, fünf der sechs Interaktions- und fünf der elf Dosierungs-Unterkategorien wurden in der Zuverlässigkeit ihrer Datengrundlage hinterfragt. Dies be- deutet, dass zum einen erforderliche Daten fehlten oder fehlerhaft waren, so dass der potentielle Verordnungsfehler nicht vorlag, oder der behandelnde Arzt würde nach Ansicht des Expertenteams diesen potentiellen Verordnungsfehler erfasst haben, so dass ausreichendes Monitoring oder Auf- klärung des Patienten die potentiellen Risiken minderten und die Verordnung nicht als fehlerhaft zu bezeichnen war. Im Bereich der Interaktionen ging das Expertenteam im Wesentlichen davon aus, dass dieser theoretisch vorliegende Medikationsfehler dem behandelnden Arzt bekannt war, und daher nicht als Verordnungsfehler anzusehen war. Die Kategorien Kontraindikation und Versorgungslücke wurden vollständig, die Bereiche Risiko- medikamente (2 von 3), Dosierung (6 von 11), Nierenfunktion (2 von 3) und Doppelverordnung (3 von 4) fast vollständig vom Expertenteam mit Stufe A bewertet. Diese Kategorien wurden als poten- tiell vorliegende Verordnungsfehler angesehen. Insbesondere die Unterkategorien „PRISCUS-Arznei- mittel", „risikoreiche Dauertherapie" und „kontraindizierte Interaktion" sowie die Gabe von Arznei- mittelkombinationen mit Übereinstimmung in vier bis sieben Stellen des ATC-Codes, die Gabe von Arzneimitteln mit fehlender Dosisanpassung oder Kontraindikation bei eingeschränkter Nieren- funktion, eine fehlerhafte Applikationsfrequenz, -art oder -zeitpunkt wurden vom Expertenteam mit der Stufe A als dem vermutlichen Vorliegen eines potentiellen Verordnungsfehlers bewertet.

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Ergebnisse

Bei den mit Stufe B eingeschätzten Unterkategorien (beispielweise schwerwiegende, moderate oder geringfügige Interaktion, unklare Dosierung oder Über-/Unterschreitung der therapeutischen Dosierung) muss das Vorliegen eines potentiellen Verordnungsfehlers stark hinterfragt werden. Als besonders zuverlässig in der Datengrundlage (Einstufung „A“) wurden die Kategorien Risikoarznei- mittel, Kontraindikation, Nierenfunktion, Doppelverordnung und Versorgungslücke angesehen. Hier kann vermutet werden, dass die dem Expertenteam zur Auswertung vorliegenden Daten tatsächlich der Realität entsprechen und eine Einstufung als potentieller Verordnungsfehler als begründet ange- sehen werden kann. Ein Grund dafür liegt in der relativ hohen Zuverlässigkeit der Daten im Bereich Medikation, also dem Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer Verordnung. Hier kann von einer korrekten Angabe der Einnahme der Arzneimittel ausgegangen werden. In nachfolgender Abb. 32 sind die vom Expertenteam den Unterkategorien zugeordneten Zuverlässigkeiten „A“ und „B“ dargestellt.

3.4 Ergebnisse der Delphi-Methode zur Bestimmung des Schweregrads der potentiellen Verordnungsfehler

Von ursprünglich acht verteilten Fragebögen der ersten Delphi-Runde wurden sechs Fragebögen mit den Einschätzungen der Experten zurückgegeben, die sechs Fragebögen der zweiten Delphi- Runde wurden vollständig mit Einzeleinschätzungen zurückgegeben.

3.4.1 Konvergenz der Stimmverteilung in den Delphi-Runden und Bildung eines Gruppenkonsenses

Durch die Schweregrad-Einstufung nach der Delphi-Methode in zwei Runden konnte eine Konver- genz der Stimmverteilung erzielt werden. In der ersten Delphi-Runde wurden 5 von 33 Kategorien (15 %) mit drei, 25 von 33 Kategorien (76 %) mit zwei verschiedenen Schweregraden eingestuft und 3 von 33 Kategorien (9 %) einstimmig mit einem Schweregrad bewertet, in der zweiten Delphi-Runde ergab sich keine Kategorie mit drei verschiedenen Schweregraden. Ebenso wurde eine Minderung der Einstufung in zwei verschiedene Schweregrade auf 22 von 33 Kategorien (67 %) sowie ein Anstieg der Anzahl Kategorien mit einstimmiger Schweregradbewertung auf 11 von 33 Kategorien (33 %) be- obachtet (Tab. 50).

1. Runde % 2. Runde % Tab. 50: Stimmverteilung in Einstufung in drei verschiedene Schweregrade 5 15 % 0 0 % den Delphi-Runden zur Ein- Einstufung in zwei verschiedene Schweregrade 25 76 % 22 67 % stufung des Schweregrads der Verordnungsfehler. Einstufung in einen Schweregrad 3 9 % 11 30 %

Insgesamt ist eine Tendenz zur Vereinheitlichung der Meinung durch die zweite Runde zu ver- zeichnen. Dies bedeutet, die Experten haben durch die Kenntnis der Einstufungen ihrer Kollegen ihre | 105

Ergebnisse erste Einschätzung variiert und sich deren Bewertung angenähert. Eine Verteilung der Einstufungen auf alle drei Schweregrade, wie sie in der ersten Delphi-Runde in fünf Kategorien vorlag, ist bei keiner Kategorie mehr vorhanden, und auch die Anzahl derjenigen Kategorien, die von den Experten in zwei verschiedene Schweregradeinstufungen eingeteilt wurden, ist um drei Kategorien von 25 auf 22 ge- sunken. Die Anzahl derjenigen Kategorien, die einstimmig eingeschätzt wurden ist von 3 auf 11 ge- stiegen. Bei 22 Kategorien ist die Anzahl der eingestuften Schweregradkategorien gleich geblieben, bei elf Kategorien ist sie gesunken, in fünf Fällen von zwei auf eine, in drei Fällen von drei auf zwei und in zwei Fällen von drei auf eine Schweregradkategorie. Somit lässt sich zum einen eine Konver- genz der Schweregradbewertungen von der Einschätzung in drei verschiedene Schweregrade hin zu einer Einschätzung in zwei verschiedene Schweregrade ersehen, zum anderen eine Abnahme der An- zahl an Einstufungen in zwei verschiedene Schweregrade und eine deutliche Steigerung der Anzahl an Einstufungen von Kategorien in einen einzigen Schweregrad.

3.4.2 Ergebnisse der Berechnung des Schweregrads der einzelnen Haupt- und Unterkategorien

Die Berechnung der einzelnen Schweregrade wurde mit den Ergebnissen der zweiten Delphi- Runde je abgegebener Expertenmeinung nach Mittelwertbildung mit den Faktoren F3=2, F2=1 und F1=0,5 durchgeführt und ergab Werte im Intervall [0,5; 2]. Die nachfolgende Abb. 32 zeigt eine Übersicht über die Verteilung der Schweregradwerte für alle Unterkategorien der potentiellen Verordnungsfehler sowie die zugehörigen eingestuften Zuverlässig- keiten „A“ und „B“. Der höchste Schweregrad sj lag bei dem potentiellen Verordnungsfehler „Kontra- indikation“ mit einem Wert von 2 vor, nachfolgend wurde dem potentiellen Verordnungsfehler „kontraindizierte Interaktion“ einen Wert von 1,8 zugeordnet. Weitere Werte von 1,5 oder darüber waren in den Unterkategorien „Versorgungslücke" und „Kontraindikation bei Niereninsuffizienz" zu finden. Diese genannten Kategorien wurden in ihrer Zuverlässigkeit auch mit Stufe A, also mit guter Datenbasis, bewertet. Die Unterkategorie „Applikationsintervall von >24h erforderlich" mit einem

Schweregradwert sj von 1,5 war in der Einstufung der Zuverlässigkeit mit Stufe B, also geringer Zuver- lässigkeit der Datenbasis, bewertet worden. Der geringste Wert von 0,5 bestand bei den Verord- nungsfehlern „geringfügige Interaktion“, „keine klinisch relevante Interaktion“, „Interaktion in keiner Datenbank aufgeführt“, „fehlerhafter Applikationszeitpunkt“ und „Reduktion der Tablettenzahl möglich“, die auch alle in ihrer Zuverlässigkeit mit Stufe B bewertet worden waren.

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Ergebnisse

Abb. 32: Verteilung der Schweregradwerte der Unterkategorien nach der zweiten Delphi-Runde mit der Angabe der jeweili- gen Zuverlässigkeiten „A“ und „B“. | 107

Ergebnisse

3.5 Ergebnisse der Berechnung des Risikoindexes der potentiellen Verordnungsfehler

Für jede einzelne Haupt- und Unterkategorie wurde der Risikoindex des potentiellen Verord- nungsfehlers mit involvierten Arzneimitteln nach bereits beschriebener Formel (s. Kapitel 2.6) nach Bertsche et al. (151) errechnet. Die Ergebnisse der individuellen, patientenbezogenen Risikoindexe der Haupt- und Unterkategorien als Mittelwerte rk bzw. rj, wie in Kapitel 2.6 beschrieben, sind in den zugehörigen Abbildungen der Säulendiagramme dargestellt.

3.5.1 Übersicht zu den Risikoindexen der Hauptkategorien

In nachfolgender Abb. 33 sind die Risikoindexe rk für die acht Hauptkategorien dargestellt.

Abb. 33: Vergleichende Darstellung der Risikoindexe rk der acht Hauptkategorien für das gesamte Patientenkollektiv mit Angabe der von einem Verordnungsfehler betroffenen Patienten je Hauptkategorie (n=400).

Die Hauptkategorie „Interaktion“ weist mit 3,1 den höchsten Risikoindex und somit das potentiell größte Risiko für das vorliegende Patientenkollektiv auf. Die Hauptkategorie „Dosierung“ stellt mit einem Wert von 1,5 den geringsten Risikoindex und somit das für das Patientenkollektiv geringste Risiko dar. Für die vergleichende Auswertung wurden die Risikoindexe der Hauptkategorien bei einem Inter- vall [1,5; 3,1] relativ zueinander bewertet. Ein Wert im Intervall [1,5; 2,0] wurde als geringer Risiko- index interpretiert, ein Wert im Intervall [2,0; 2,5] als mittlerer Risikoindex und ein Wert im Intervall [2,5; 3,1] als hoher Risikoindex.

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Ergebnisse

3.5.2 Risikoindexe der Haupt- und Unterkategorien

Die Berechnung der Risikoindexe rk einer Hauptkategorie erfolgte als Summe der Risikoindexe der

Unterkategorien rj, allerdings war die Bezugszahl an Patienten unterschiedlich, da ein Patient von Verordnungsfehlern mehrerer Unterkategorien betroffen sein konnte. Somit ist die Summe der Säulen der Häufigkeiten an Patienten der Unterkategorien ungleich der Säule für die Häufigkeit an Patienten der Hauptkategorie.

Hauptkategorie Indikation

Die vier Unterkategorien der Hauptkategorie „Indikation“ waren durch das Expertenteam mit vier unterschiedlichen Schweregraden sj bewertet worden. Die Unterkategorie „Indikation fehlend“ wurde von dem Expertenteam mit einem Schweregrad von 1 bewertet, die Unterkategorie „Indika- tion unklar“ wurde mit dem Schweregrad 0,8 bewertet, die Unterkategorie „fehlender Wirksamkeits- nachweis“ erhielt den Schweregrad 0,6, und die Unterkategorie „fehlende Indikation für Dauerthera- pie“ erhielt den Schweregrad 0,9. Die Werte der Schweregrade der Unterkategorien stimmen mit den Werten der Risikoindexe teilweise überein, da die involvierten Arzneimittel hauptsächlich ein Risiko von 1 aufwiesen. Abb. 34 zeigt die Häufigkeiten, dies bedeutet die Anzahl der Patienten, bei denen der potentiellen Verordnungsfehler der Haupt- und Unterkategorien im Bereich „Indikation“ auftrat, sowie die durch- schnittlichen Risikoindexe der Haupt- und Unterkategorien errechnet aus den involvierten Arznei- mitteln und Schweregradwerten.

Abb. 34: Häufigkeiten und Risikoindexe rk und rj für die Hauptkategorie „Indikation" und die zugehörigen vier Unterkate- gorien (n=400).

Der Risikoindex von 2,6 ist nach der in Kapitel 3.5.1 beschriebener Einteilung als ein hohes Risiko, das von dieser Hauptkategorie dargestellt wird, anzusehen. Die Unterkategorien „Indikation unklar“

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Ergebnisse und „Wirksamkeitsnachweis fehlend“ traten selten auf und waren von geringem Risiko. Die Unter- kategorie „Indikation fehlend“ trat sehr häufig auf mit einem hohen Wert für den Risikoindex.

Hauptkategorie Risikomedikamente

Die drei Unterkategorien der Hauptkategorie „Risikomedikamente“ besaßen denselben Schwere- grad mit je einem Wert von 1,2. Da die Unterkategorie „PRISCUS-Arzneimittel“ per Definition nur Arzneimittel mit einem hohen Risikoindex von 2 enthielt, besitzen der zugehörige Risikoindex mit 2,9 sowie der Risikoindex der Hauptkategorie mit 2,8 ebenfalls einen hohen Wert (Abb. 35). Die Unterka- tegorien „Risikoarzneimittel“ und „risikoreiche Dauertherapie“ hatten einen moderaten Risikoindex mit einer mittleren Häufigkeit.

Abb. 35: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Risikomedikamente" und die zugehörigen drei Unterkate- gorien (n=400).

Hauptkategorie Interaktionen

Die sechs Unterkategorien der Hauptkategorie „Interaktion“ waren durch das Expertenteam mit unterschiedlichen Schweregraden bewertet worden. Die Unterkategorie „keine Angabe“ wurde mit einem Schweregrad von 0,5 bewertet, die Unterkategorie „kontraindizierte Interaktion“ mit einem Schweregrad von 1,8, die Unterkategorie „schwerwiegende Interaktion“ mit einem Schweregrad von 1,3, die Unterkategorie „moderate Interaktion“ mit einem Schweregrad von 1, die Unterkategorie „geringfügige Interaktion“ mit einem Schweregrad von 0,5 und die Unterkategorie „widersprüch- lich/keine Interaktion“ mit einem Schweregrad von 0,5. Die Unterkategorien „keine Angabe“, „widersprüchlich/keine Interaktion“ und „geringfügige Inter- aktion“ wiesen einen geringen Risikoindex auf mit einem Wert unter 1 sowie eine geringe Häufig- keit (Abb. 36). Die Unterkategorien „kontraindizierte Interaktion“ und „schwerwiegende Interaktion“ waren durch einen mittleren Risikoindex gekennzeichnet. Die Unterkategorie „kontraindizierte Inter- aktion“ wies dabei eine geringe Häufigkeit auf und stellte somit eine Interaktion mit einer klinischen Relevanz trotz seltenem Auftreten dar. Die Hauptkategorie hatte in der Summe eine große Häufigkeit und den höchsten Risikoindex der acht Hauptkategorien.

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Ergebnisse

Abb. 36: Verteilung der Risikoindexe der Hauptkategorie „Interaktion" und der zugehörigen Unterkategorien (n=400).

Hauptkategorie Kontraindikationen

Der Risikoindex der Hauptkategorie „Kontraindikation" besaß einen hohen Wert von 2,6 bei einem Schweregrad von 2. Diese Hauptkategorie trat selten auf, war allerdings von einem hohen Risikoindex betroffen (Abb. 37).

Abb. 37: Risikoindex der Hauptkategorie „Kontraindikation" (n=400).

Hauptkategorie Dosierung

Die Hauptkategorie „Dosierung“ enthielt mit elf Unterkategorien die stärkste Differenzierung mit je unterschiedlichen Schweregraden. Die Werte des Schweregrads lagen in einem Intervall von 0,5 („Reduktion der Tablettenzahl möglich“ und „fehlerhafter Applikationszeitpunkt“) bis 1,5 („Appli- kationsintervall >24h erforderlich“). Die Hauptkategorie wies einen geringen Risikoindex von 1,5 auf bei einer mittleren Häufig- keit (Abb. 38). Sechs der elf Unterkategorien waren selten vorhanden und besaßen einen geringen Risikoindex mit einem Wert weniger als 1. Die Unterkategorie „Applikationsintervall >24h“ wies die größte Häufigkeit auf, allerdings zeigte sie, wie die Unterkategorien „Applikationsintervall“ und „Höchstdosis überschritten“, einen geringen Risikoindex.

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Ergebnisse

Abb. 38: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Dosierung" und die zugehörigen Unterkategorien (n=400).

Hauptkategorie Dosisanpassung an die Nierenfunktion

Die Hauptkategorie „Dosisanpassung an die Nierenfunktion“ besaß drei Unterkategorien mit unterschiedlichen Schweregraden von geringem bis mittlerem Wert im Intervall [1,1; 1,8]. Der Risiko- index von 2,2 zeigte ein mittleres Risiko, allerdings traten die Verordnungsfehler im Vergleich zu den anderen Hauptkategorien nicht sehr häufig auf (Abb. 39).

Abb. 39: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Dosisanpassung an die Nierenfunktion" und die zuge- hörigen drei Unterkategorien (n=400).

Hauptkategorie Doppelverordnung

Die Hauptkategorie „Doppelverordnung“ enthielt vier Unterkategorien mit unterschiedlichen Schweregraden, diese lagen zwischen 0,9 und 1,2 bei sehr geringen Werten für den Schweregrad. Auch die Hauptkategorie zeigte mit einem Risikoindex von 1,6 einen sehr geringen Wert bei einer mittleren Häufigkeit (Abb. 40). Etwa jeder dritte Patient war von einem dieser Verordnungsfehler betroffen.

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Ergebnisse

Abb. 40: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Doppelverordnung" und die zugehörigen Unterkategorien (n=400).

Hauptkategorie Versorgungslücken

Der Risikoindex der Hauptkategorie „Versorgungslücke" besaß einen mittleren Wert von 2,3 und einen Schweregrad von 1,5 (Abb. 41), etwa ein Drittel des Kollektivs war von diesem Verordnungsfehler betroffen.

Abb. 41: Risikoindex der Hauptkategorie „Versorgungslücke" (n=400).

3.6 Rückmeldungen

Die Rückmeldungen der Ärzte, die ein Konsil erhalten hatten, erfolgten auf unterschiedliche Art. Sie ergaben sich im längsten Fall nach 288 Tagen, im kürzesten Fall fünf Tage nach Konsilerstellung. Insgesamt meldeten sich 68 der 400 angeschriebenen Ärzte auf ein Konsil zurück, dies entspricht einem Anteil von 17 %. 54 der 68 Ärzte (79 %) meldeten sich auf ein Kurzkonsil hin zurück, 14 der 68 Ärzte (21 %) nach Versand eines Direktkonsils. Durchschnittlich nach 49 Tagen erfolgte eine Rück- meldung eines angeschriebenen Arztes. Dabei ergaben sich 4 der 68 Rückmeldungen (6 %) bereits innerhalb von sieben Tagen, 7 der 68 Rückmeldungen (10 %) innerhalb von 14 Tagen, sowie 23 von 68 Rückmeldungen (34 %) innerhalb von 30 Tagen nach Konsilversand. Die Hälfte, 34 der 68 ange- schriebenen Ärzte (50 %), meldete sich erst nach mehr als 30 Tagen zurück, bei 13 % der versendeten Konsile erfolgte die Rückmeldung nach mehr als drei Monaten. Bei Versand eines Duplikats wegen

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Ergebnisse

Verlust des ersten Konsils auf dem Postweg, wurde das Versanddatum des Duplikats als Referenz- datum gewählt. Es meldeten sich neun Patienten nach Erstellung und Versand eines Konsils. Zwei Patienten baten um die Zusendung einer Kopie des Direktkonsils, das an den Arzt geschickt wurde. Ein Patient be- schrieb ein mangelndes Vertrauen zu seinem Arzt. Zwei Patienten waren mit dem Ansatz unzu- frieden, dass keine Beratung der Patienten am Telefon stattfand. Ebenfalls in zwei Fällen wünschte der Patient nach Versand eines Kurzkonsils die Zusendung eines Direktkonsils an den behandelnden Arzt. Ein Patient fragte nach den Einnahmemodalitäten der Medikation, ein anderer teilte ein fehlen- des Interesse des behandelnden Arztes an dem Programm mit. Bei acht Patienten betrug bei einem Intervall von 7 bis 27 Tagen der durchschnittliche Rückmeldezeitraum 15 Tage, bei einem Patienten war das Rückmeldedatum nicht übermittelt.

3.6.1 Rückmeldungen der behandelnden Ärzte

Die Rückmeldung der 68 Ärzte erfolgte per Post, Fax oder übermittelt durch den Patienten. Bei 332 der 400 Ärzte (83 %) erhielt das Expertenteam keine Rückmeldung. Die Experten führten 54 tele- fonische Beratungsgespräche, dies entspricht einem Anteil von 13 % aller angeschrieben Ärzte und 79 % der Rückmeldungen. Bei 14 der 68 Ärzte (4 %), die sich rückmeldeten, aber kein Beratungsge- spräch wünschten, erfolgte die Rückmeldung per Fax, Post oder über einen Patientenanruf. Die Beratungstelefonate wurden bei 8 der 68 Ärzte (15 %) auf Grund eines zuvor versendeten Direktkonsils geführt (diese machten 164 der 400 Konsile (41 %) aus), 46 der 68 Telefonate (87 %) fanden nach Versand eines Kurzkonsils (256 von 400 Konsilen, 59 %) statt. Es meldeten sich 43 Ärzte telefonisch für ein Beratungsgespräch zurück, sechs Ärzte per Fax, bei fünf Ärzten gab es keine Anga- be zur Art der Rückmeldung. Der Zeitraum von der Konsilerstellung bis zur Rückmeldung für eine Terminfestlegung betrug im Durchschnitt 52 Tage, bis zu einem tatsächlich durchgeführten Bera- tungsgespräch durchschnittlich 54 Tage. Die schnellste Rückmeldung mit gewünschtem Beratungsge- spräch erfolgte nach sieben Tagen, die längste Zeitspanne vom Zeitpunkt der Konsilerstellung bis zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs betrug 291 Tage. Bei denjenigen Ärzten, die kein Beratungsgespräch wünschten, erfolgten sechs Rückmeldungen per Post, sieben Rückmeldungen per Fax sowie eine Rückmeldung über den Patienten. Je sieben Rückmeldungen erfolgten nach Versand eines Direkt- und eines Kurzkonsils. Die Rückmeldungen ergaben sich durchschnittlich nach 33 Tagen, schnellstens nach fünf und längstens nach 153 Tagen. Sechs Ärzten ohne Beratungswunsch wurde keine Antwort als Zweitkonsil versandt, fünf Ärzte er- hielten als Ergänzung zu dem zuvor versendeten Kurzkonsil eine ausführliche Beschreibung der Risiken, bei drei Ärzten erfolgte der erneute Hinweis auf das Beratungsangebot.

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Ergebnisse

3.6.2 Inhalte der Zweitkonsile bei Beratungstelefonaten

Die Inhalte der Beratungsgespräche ließen sich aus den versendeten Zweitkonsilen ableiten. Das Expertenteam sprach mit den behandelnden Ärzten die in den Kurzkonsilen genannten Stichworte an sowie zusätzlich identifizierte Risiken der Medikationsanalysen. Während der telefonischen Bera- tungsgespräche wurden dem Expertenteam durch den Arzt teilweise nicht vorliegende Informa- tionen übermittelt, beispielsweise eine dem behandelnden Arzt vorliegende Indikation für Colelcalciferol, Levothyroxin oder Allopurinol. Ebenso ergab sich in einigen Fällen der Hinweis, dass das Arzneimittel seit Versand des Konsils bereits abgesetzt war, beispielsweise Tiotropiumbromid oder Theophyllin, oder dass Arzneimittel nicht verordnet waren und der Patient sie ohne Kenntnis des Arztes (weiterhin) einnahm, wie Digitoxin oder Penicillin G. Andere Beratungsgespräche ergaben, dass einzelne Arzneimittel bei einer vorherigen Gabe nicht vertragen wurden oder nicht ausreichend wirksam waren, wie beispielsweise Paracetamol. Bei einigen Arzneimitteln der Selbstmedikation war dem Arzt die Einnahme durch den Patienten nicht bekannt, beispielsweise Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregationshemmung oder Lachsöl-Kapseln. Bei anderen Arzneimitteln lag eine Indi- kation zur Gabe tatsächlich nicht vor, wie beispielsweise bei Mesalazin. Mit den behandelnden Ärzten wurden auch allgemeine Fragen zu Therapien besonderer Indikationen, wie beispielsweise Morbus Parkinson, oder besondere therapeutische Probleme bei multimorbiden Patienten besprochen.

3.6.3 Meinung der rückmeldenden Ärzte zu der Maßnahme

Es wurde keine systematische Befragung der angeschriebenen Ärzte durchgeführt, was ihre Meinung zur Maßnahme darstellte. Aus den schriftlichen Rückmeldungen oder durch Dokumentatio- nen der Telefonberatungen des Expertenteams konnten die Reaktionen zu den erhaltenen Konsilen abgeleitet werden. Für 33 der 68 Rückmeldungen (49 %) konnte keine Bewertung ermittelt werden, dies entspricht einer neutralen Reaktion. Eine positive Reaktion ergab sich bei 25 der 68 Rückmel- dungen (37 %), eine negative Reaktion bei 10 der 68 Rückmeldungen (15 %). Bei den erfolgten telefo- nischen Beratungsgesprächen waren 23 mit positiver Reaktion vermerkt, 26 Beratungsgespräche mit neutraler Reaktion und für fünf Telefonate wurde ein negatives Feedback aufgeführt. Die ausschließ- lich schriftlichen Rückmeldungen waren in zwei Fällen positiv, in sieben Fällen neutral und in fünf Fällen als negativ erfasst worden. Nachfolgend sind einige Beispiele wörtlicher Reaktionen von sich zurückmeldenden Ärzten mit oder ohne telefonisches Beratungsgespräch aufgeführt. In drei Fällen änderte der Arzt den er- haltenen Konsilbrief oder den mitgesendeten Medikationsplan handschriftlich und faxte ihn zurück.  Brief: „Die Beratung bei einer schwerkranken Patientin kann nicht aus der Ferne gemacht werden. Die Patientin wird durch Anrufe in Unruhe versetzt. Eine Änderung der Therapie, die | 115

Ergebnisse

nicht von mir, sondern von renommierten ortsansässigen Facharzt-Kollegen im Konsil festge- legt wird, nehme ich nicht vor. Bitte wenden Sie sich an Fachärzte. Ihre wohlgemeinten Rat- schläge haben auch schon andere Patienten erreicht und zu gefährlichen Situationen geführt, die durch das Weglassen lebensnotwendiger Medikamente entstanden.“  Fax: „Sehr geehrte Kollegen, die Medikation von Frau M. wurde mühevoll in Abstimmung mit den Kollegen zweier großer Krankenhäuser und einem Gastroenterologen erprobt. Da Ihnen vermutlich weder die genaue Anamnese noch der Status der Patientin bekannt sind, bitte ich um Ihr Verständnis, wenn ich ein zusätzliches Konsil durch Sie für nicht hilfreich halte. Wenn sich dieses ändern sollte komme ich gerne auf Ihr Angebot zurück. MfG.“  Brief: „Angeregt seitens der MH Hannover habe ich Ihren Medikamentenplan verändert und bitte Sie diesen so ab jetzt umzusetzen und Labor der Harnsäure im März 2013 bei uns kontrol- lieren zu lassen. Gruß! D: Nachrichtlich an MH Hannover“  Fax: „Med. von hochqualifizierten Kollegen verordnet! S. Kopie“  Brief: „Für Ihren Brief bedanke ich mich herzlich. Aufgrund des Krankheitsbildes, der Persön- lichkeitsstruktur und den Gepflogenheiten von Frau S. antworte ich Ihnen mit einem Text- schreiben, da die besondere Situation auf Ihrem Anhangsblatt in zwei Zeilen nicht darzustellen ist. Es handelt sich um eine 58-jährige Pat., die seit Jahren ständig in meiner Praxis erscheint. In den letzten Wochen hat sie mich sogar zwei mal besucht. Es gibt im Landkreis M. wahrschein- lich keinen Fachkollegen den sie nicht schon mit ihrer Anwesenheit mehr oder weniger erfreut hat. […] Vor 14 Tagen habe ich ihr Ihren Brief gezeigt und hab versucht ihr klar zu machen, dass man da einiges ändern müsste und könnte. Die Antwort von ihr: „die Fachärzte haben mir das aufgeschrieben, und wenn ich das weglasse geht es mir am anderen Tag gleich wesentlich schlechter.“ […] Frau S. braucht ihre Krankheiten, pflegt ihre Krankheiten, wenn sie das nicht mehr macht und nicht mehr kann dann ist sie wirklich krank.“  Fax: „Medikation z.T. nicht von uns verordnet, aktueller Medikamentenplan s. Anlage“  Brief: „Frau R. befindet sich in unserer langjährigen ärztlichen Behandlung. Sie leidet an einem schwerst!!! einstellbaren Blutdruck, weswegen sie in den vergangenen 1,5 Jahren ca. 7 mal in stationärer Behandlung war. Sämtliche fachspezifische Untersuchungen, einschließlich einer therapeutisch durchgeführen renalen Denervation, führen zu nicht befriedigenden Ergebnis- sen. Die von Ihnen mitgesandte Medikamentenliste ist bereits nicht mehr aktuell. Wir senden Ihnen den aktuellen Dosierplan zu, er wurde in der cardiologischen Klinik erstellt. Sollten aus Ihrer Sicht noch weitere fachliche Austäusche für sinnvoll erachtet werden, sollten auch die Klinikärzte eingeladen werden.“  Brief: „In o.g. Angelegenheit bat mich Herr Dr. S., das Konsil mit Ihnen als behandelnder Nephrologe zu suchen. […] Der korrigiert Medikamentenplan liegt bei.“ | 116

Ergebnisse

 Fax: „Kaliumkontrolle veranlasst.“  Fax: „O.g. Patient ist bei uns in hausärztlicher Behandlung. Sie hatten bereits eine Beurteilung der Medikation bei Herrn A. vorgenommen. Dabei wurden jedoch die neurologischen Medika- mente wegen der Parkinsonerkrankung nicht berücksichtigt. Wir bitten daher um nochmalige Überprüfung und Rückmeldung in der Praxis.“  Fax: „Es ist schon erstaunlich, dass Sie allein von der Aktenlage und ohne die Patientin zu kennen, die Verordnung der Universitätsklinik Rostock (mehrere Male) auf verschiedenen internistischen Stationen in Frage stellen. Dass Verapamil und Betablocker eine schlechte Kombi ist, ist mir bewusst. Neurexan nimmt Pat, um keine Benzos zu nehmen, Crea-Werte werden regelmäßig kontrolliert, VHF besteht nicht. Ich halte dieses Verfahren für unseriös! PS: Die Uni HRO macht ein ähnliches Programm, wo allerdings eine Pharmakologin auf Station kommt und mit Arzt und Patient gesprochen wird, finde ich seriöser!“ Für die übrigen angeschriebenen Ärzte ließ sich eine Reaktion auf die Maßnahme nur vermuten, da keine mündliche oder schriftliche Information vorlag. Einige Konsile waren laut Angabe des Patienten nicht erhalten worden, so dass Konsile zum zweiten Mal versendet wurden. Ob die Proble- matik auf dem Postweg oder dem organisatorischen Ablauf in der Praxis lag, war nicht zu klären. Ein hohes Maß an Rückmeldungen wurde als Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit gedeutet. Andererseits wurden alleine die Betrachtung der Polymedikationen und die Identifizierung von Risikomedikationen durch ein interdisziplinäres Expertenteam und die Weiterleitung dieser Risiken an die behandelnden Ärzte bereits als Schritt zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit gewertet.

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Diskussion

4 Diskussion

In den nachfolgenden Abschnitten werden die Ergebnisse zu den Auswertungen der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden" interpretiert und erörtert. Zunächst werden die Auswertungen des Patientenkollektivs untersucht, anschließend werden die Ergebnisse zu den Medikationsanalysen, die Einordnungen in die Haupt- und Unterkategorien sowie die Rückmeldungen der angeschriebenen Ärzte kritisch betrachtet. Weiterhin werden die angewendeten Methoden wie die Bewertung der Zuverlässigkeit der Datenbasis, die Einstufung der potentiellen Verordnungsfehler in Schweregrade sowie die darauf aufbauende Methode des Risikoindexes erläutert und bewertet. Abschließend werden mögliche Optimierungsansätze zur Konsilerstellung und -übermittlung sowie die Limitationen der eigenen Auswertungen diskutiert.

4.1 Evaluation der Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapie- sicherheit

Der Begriff der Arzneimitteltherapiesicherheit spielt schon seit einigen Jahren eine wichtige Rolle im Bereich der Pharmakotherapie, insbesondere bei älteren Menschen. Eine Studie aus den USA zeigte, dass sich die Anzahl der Patienten über 65 Jahren, die fünf und mehr Arzneimittel einnehmen, in den Jahren von 1988 bis 2010 von 12 % auf 39 % verdreifacht hat (166). Da vor allem ältere Men- schen von einer Polypharmazie und den damit verbundenen Risiken betroffen sind, ist es bei diesen, aber auch bei allen anderen Patienten besonders wichtig, geeignete Programme zu entwickeln, die die Arzneimitteltherapiesicherheit im Fokus haben und auf adäquate Weise die Sicherheit der ambu- lanten Arzneimitteltherapie erhöhen, optimieren und ausbauen. Einige Konzepte wurden bereits mit Erfolg ein- und umgesetzt, wie Medikationsreviews oder die Einbindung von Medikationsplänen (167,168) in Praxen niedergelassener Ärzte oder in der Zusam- menarbeit mit Apothekern, weiter die Verwendung elektronischer Verschreibungssoftware (76,79), sowohl in Kliniken als auch im ambulanten Bereich, zur besseren Überbrückung der Schnittstellen. Es mangelt jedoch weiterhin an praktikablen Programmen im ambulanten Bereich, die sowohl effektiv im Hinblick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit sind, als auch durchführbar in der Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen des Gesundheitssystems. Ab Oktober 2016 soll der bundeseinheit- liche Medikationsplan umgesetzt werden, der verpflichtend für Patienten sein wird, die mehr als drei bis fünf Arzneimittel einnehmen (169). Ein solches Konzept im ambulanten Bereich war die Maßnahme der Kaufmännischen Kranken- kasse KKH „Arzneimittel sicher anwenden". Auf Grund der lückenhaften Datenbasis war es allerdings nicht auszuschließen, dass dem Expertenteam wichtige Informationen für eine vollständige Bewer-

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Diskussion tung der Polymedikation fehlten. Dies bestätigten auch die Rückmeldungen der behandelnden Ärzte (s. Kapitel 3.6.3). Erst persönliche Telefongespräche konnten vorliegende Informationslücken schließen und eine kompetente und zuverlässige Empfehlung bezüglich der vorliegenden Polymedi- kation ermöglichen. Ohne diese zusätzlichen Informationen war eine gründliche und umfassende Be- trachtung der Polymedikation nicht möglich. Bei dieser Maßnahme stellten vor allem qualitative Aus- wertungen die Basis der Bewertung einer erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit dar. Daher war es für die hier vorliegende Evaluation als retrospektive Auswertung nicht möglich, eine erhöhte Arznei- mitteltherapiesicherheit durch den Versand der Arzneimittelkonsile über quantitative Indikatoren als Verminderung unerwünschter Arzneimittelereignisse oder Minimierung der Polypharmazie zu messen. Ein besonderer Schwerpunkt dieser Maßnahme lag auf der Identifizierung und Bewusstmachung von Medikationsfehlern. Im Rahmen dieser Maßnahme bestanden keine Handlungsoptionen zur Ver- änderung einer Medikation, diese oblagen nur dem behandelnden Arzt. Ebenso wurde eine stattge- fundene Veränderung der Medikation oft nicht durch eine Rückmeldung bestätigt, sondern war für den behandelnden Arzt, insbesondere bei den Direktkonsilen, auch ohne telefonisches Beratungsge- spräch alleine durch die ausführlicheren Risikobeschreibungen im Vergleich zum Kurzkonsil möglich. Durch das Weglassen eines Emblems der Krankenkasse auf dem Konsil, sowie durch die Betonung der Unabhängigkeit des Expertenteams war eine hohe Rückmelderate erwartet worden. Allerdings lässt die Rückmeldequote von 17 % der behandelnden Ärzte (s. Kapitel 3.6) darauf schließen, dass die Herangehensweise, über einen Konsilbrief mit den behandelnden Ärzten in Kontakt zu treten, nicht die zielführende Methodik ist. So bleibt zwar zum einen den behandelnden Ärzten die Option, auf den Konsilbrief zum selbstgewählten Zeitpunkt zu reagieren, andererseits bleiben Informations- lücken des Expertenteams zur vollständigen Bearbeitung der Medikationsanalyse offen. Erklärende hilfreiche Gespräche können so nicht stattfinden. Der wesentliche Beitrag dieser Maßnahme zur Er- höhung der Arzneimitteltherapiesicherheit war somit die Identifizierung von potentiellen Verord- nungsfehlern und die Sensibilisierung für die damit verbundenen Risiken für den Patienten. In dem Projekt wurden bei der Auswertung der Daten folgende Faktoren betrachtet, die durch Gesundheitscoaching, Medikationsanalysen, Konsilerstellung und -versand sowie durchgeführte Beratungsgespräche mit den behandelnden Ärzten eine Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bedeuten könnten:  qualitativ die Identifizierung der potentiellen Verordnungsfehler, die beim gleichzeitigen Vor- liegen der Polypharmazie große Risiken für den Patienten darstellen,  qualitativ die Sensibilisierung für diese potentiellen Verordnungsfehler durch Versand eines Arzneimittelkonsils an die behandelnden Ärzte,

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Diskussion

 quantitativ die Rückmeldungen der Ärzte, da dies auf die bewusste Auseinandersetzung mit dem Arzneimittelkonsil rückschließen ließ.

4.2 Die einzelnen Elemente der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden"

Die Maßnahme war ein in Deutschland neuartiges Konzept, das die Arzneimitteltherapiesicherheit der Polymedikationen multimorbider Patienten positiv beeinflussen sollte. Dies sollte durch die Bera- tung der niedergelassenen Ärzte durch das Expertenteam einerseits und durch ein individuelles Tele- foncoaching der Versicherten mit ausgebildeten Gesundheitscoaches andererseits ermöglicht werden.

4.2.1 Das Expertenteam

Das Expertenteam der MHH, das für die Medikationsanalysen und die Konsilerstellung verant- wortlich war, setzte sich interdisziplinär aus Klinische Pharmakologen und einem Apotheker zusam- men. In der Regel sind Klinischen Pharmakologen im ambulanten Bereich nicht an einem routinear- tigen Ablauf einer Medikationsanalyse beteiligt, bei dieser Maßnahme waren sie systematisch in die Beratung niedergelassener Ärzten eingebunden. Die Option, sowohl aus klinisch-pharmakologischer Sicht, als auch aus pharmazeutischer Sicht Polymedikationen zu betrachten, ergibt einen bedeutsa- men Gewinn und eine verbesserte Qualität für die Arzneimitteltherapiesicherheit, da sowohl thera- peutische als auch anwendungsbezogene Aspekte wie Handhabung und Lagerung von Arzneimitteln bei der Arzneimitteltherapie berücksichtigt werden. Das interdisziplinäre Zusammenwirken von Ärzten und Apothekern ist aus Sicht der Apotheker ein wichtiges Ziel, um eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit zu erreichen (170). Da hier alle Konsilersteller im Institut für Klinische Pharmakologie tätig waren, war die Zusammenarbeit be- sonders gut zu organisieren.

4.2.2 Konsilerstellung

Die Erstellung der Konsile war für das Expertenteam eine zeitintensive Aufgabe. Die Auswirkungen der Konsile konnten nur schwer gemessen werden, da ein adäquates Follow-up von Seiten der Krankenkasse nicht geplant und eine Ermittlung der Medikationsänderungen aus den von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Verordnungsdaten (s. Kapitel 4.7) nicht in ausreichender Detailliertheit möglich war. Die Vorgehensweise, proinitiativ über ein Arzneimittelkonsil Kontakt mit dem behandelnden Arzt herzustellen, stellte einen neuen Ansatz gegenüber bereits bestehenden Programmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit dar.

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Diskussion

Vorteile der Arzneimittelkonsile in dieser Maßnahme:

 die Ärzte mussten sich keine zusätzliche Zeit nehmen, um die Medikation selbst zu bewerten, diese eingehende Betrachtung wurde ihnen abgenommen. Sie erhielten eine komplette Zusam- menfassung der identifizierten Risiken und potentiellen Verordnungsfehler, von wissenschaft- lichen Experten zusammengetragen.  die Ärzte mussten die komplette Medikation nicht bei ihren fachärztlichen Kollegen oder im Be- reich der Selbstmedikation durch Auskünfte des Patienten zusammentragen, es wurde ihnen ein zu diesem Zeitpunkt vollständiger Medikationsplan nach Angaben des Patienten mit Auswertung vorgelegt.  es ist die Patientensicht der aktuellen Medikation und der Einnahme dargestellt, so lässt sich auf der Basis der tatsächlichen Einnahmen und Einnahmegewohnheiten des Patienten eine Aussage treffen.

Mögliche Schwachstellen eines Arzneimittelkonsils:

 eventuell wurden der behandelnde Arzt und/oder Patient verunsichert, da das Konsil unzutref- fende Risiken enthielt, die auf der Basis der dem Expertenteam vorliegenden Informationen er- mittelt worden waren.  die Zeiträume zwischen Informationssammlung, Konsilerstellung und dem Zeitpunkt der Ankunft des Konsils bei dem behandelnden Arzt konnten sich über mehrere Tage oder Wochen erstreckt haben, für problematische Risiken müsste ein schnellerer Handlungsweg ermöglicht werden.

Mögliche Optimierungsansätze der Konsilerstellung und -übermittlung:

 eine direkte Ansprache der behandelnden Ärzte durch das Expertenteam wäre ein guter Schritt, um die identifizierten Risiken proaktiv weiterzuleiten. So bestünde die Möglichkeit, dem behan- delnden Arzt die Maßnahme zu erläutern und beispielsweise für eine erneute Absprache nähere Beschreibungen der Risiken per Post zu versenden.  der gelegentliche Anruf eines Patienten bei dem Expertenteam auf die Maßnahme hin zeigte, dass es vereinzelt zu Verunsicherungen bei den Patienten gekommen war. Daher ist der eindeu- tige Verweis an die Gesundheitscoaches wichtig. Die Beratung der Patienten war nicht die Auf- gabe des Expertenteams, denn es ist die ausschließliche Bindung des Patienten an den behan- delnden Arzt notwendig, um Risiken durch eventuell den Patienten überfordernde Informa- tionen zu vermeiden.  für den Versand des Konsils über den Patienten war die Variante des Kurzkonsils sinnvoll, so er- hielt der behandelnde Arzt ebenfalls den Anstoß, sich für eine ausführliche Beratung zurückzu- melden, ohne dass der Patient durch dargestellte Risiken verunsichert und eine zusätzliche Min- | 121

Diskussion

derung der Arzneimitteltherapiesicherheit durch fehlgeleitete Informationen vermieden wurde. Andererseits stellt das Direktkonsil die informativere Variante für den behandelnden Arzt dar, mit der Freiheit, eine telefonische Beratung in Anspruch zu nehmen oder nicht.

4.3 Das Patientenkollektiv

Wie in Kapitel 2.2 bereits beschrieben umfasste das Patientenkollektiv 400 Versicherte der Kauf- männischen Krankenkasse, die sich in ambulanter Behandlung befanden und mindestens fünf Arzneimittel gleichzeitig einnahmen. Auf das zur Auswertung zur Verfügung stehende Patienten- kollektiv konnte kein Einfluss genommen werden, da die Krankenkasse die Versicherten ausgewählt hatte (105). Das Alter zur Teilnahme war nicht entscheidend.

4.3.1 Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und Nierenfunktion

Das durchschnittliche Alter betrug 70 Jahre und entsprach einem älteren Patientenkollektiv. Dabei hatten 95 % der Patienten (378 von 400 Patienten) ein Alter von 60 bis 86 Jahren. Ein Vergleich mit der Bundesbevölkerung zeigt, dass im Jahr 2013 der Anteil der Deutschen, die älter als 60 Jahre waren, 27,1 % betrug (171). Dies bedeutet, dass das Patientenkollektiv in dem Altersintervall liegt, das mehr als ein Viertel der Bundesbevölkerung umfasst. Es handelte sich bei den Untersuchungen nicht speziell um die Betrachtung älterer Patienten, allerdings ist Polypharmazie in der Regel mit einem höheren Alter assoziiert (36). Da die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt, wird der Anteil dieser Patienten in den nächsten Jahren zunehmen. Der Anteil der Bundesbürger über 60 Jahre nahm 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 1,2, der über 80 Jahre um 0,9 Prozentpunkte zu (172). Der Anteil männlicher Bundesbürger lag im Juni 2013 bei 49 % (172), die teilnehmenden Patienten waren zu 52 % männlich, dies entspricht einer ausgewogenen Zusammensetzung im Patientenkollektiv. Der durchschnittliche Body-Mass-Index der Patienten lag bei 30,0 kg/m2 mit einer durchschnitt- lichen Körpergröße von 170 cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 89 kg. Bei der bundesdeutschen Bevölkerung lag der durchschnittlicher BMI bei den über 60-Jährigen im Jahr 2013 bei 26,9 kg/m2 mit einer durchschnittlichen Körpergröße von 169 cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 77 kg (173). Der Anteil an Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas und einem BMI von über 30 kg/m2 war im Patientenkollektiv mit 48 % gegeben, im Vergleich dazu betrug der Bevölkerungsanteil im Jahr 2013 mit einem BMI über 30 kg/m2 21 % (173). An diesem Vergleich wird deutlich, dass der Anteil an Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas deutlich höher war als derje- nige der bundesdeutschen Bevölkerung. Es lag somit ein Patientenkollektiv mit einer Tendenz zur Adipositas vor. Bei 56 % der Patienten lag eine ausreichende Nierenfunktion mit einer GFR über 60 ml/min vor, bei 37 % der Patienten lag die GFR unterhalb von 60 ml/min. Bei diesen Patienten war eine Anpas- | 122

Diskussion sung der Arzneimitteldosierung an die eingeschränkte Nierenfunktion erforderlich. Vergleichbare Zahlen sind in der Literatur nicht zu finden. In Deutschland waren im Jahr 2013 43.460 Patienten auf Grund einer chronischen Nierenerkrankung des ICD-10 Codes N18 durchschnittlich 8,3 Tage in statio- närer Behandlung (174). Die erforderliche Anpassung der Arzneimitteldosierung an die Nierenfunktion bei etwa einem Drittel des Patientenkollektivs stellt allerdings eine erhöhte Anforderung an die Arzneimittelverordnung und -therapie dar.

4.3.2 Diagnosen

Die durchschnittliche Anzahl Diagnosen, die bei den Patienten vorlagen, betrug 8,2. Besonders häufig litten die Patienten mit einem Anteil von 84 % des Kollektivs an essentieller (primärer) Hyper- tonie (ICD-10 Code I10), mit 51 % an KHK (ICD-10 Code I25) und mit 49 % an einem nicht primär insu- linabhängigem Diabetes mellitus (ICD-10 Code E11). Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) machten lediglich einen Anteil von 3 % aus. Vergleichbare Werte wurden bei der kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen gefunden. Demnach waren im 2. Quartal 2013 die drei häufigsten Diagnosen der niedergelassenen Hausärzte mit 49 % die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 Code I10), mit 21 % Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) sowie mit 19 % der nicht primär insulinabhängige Diabetes mellitus (ICD-10 Code E11) (175). Ähnliche Zahlen zeigte die kassenärztliche Vereinigung Nordrhein für das 2. Quartal 2013 für Allgemeinärzte mit einem Anteil von 34 % für die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 Code I10), 23 % für Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) und 17 % für Rückenschmerzen (ICD-10 Code M54) (176). Somit weisen die Patienten im Kollektiv ein deutlich erhöhten Anteil an Patienten mit Diagnosen für eine essentielle Hypertonie auf, auch der Anteil der Patienten mit einem Diabetes Typ II war gegenüber den Zahlen der Literatur deutlich erhöht. Andererseits gehören diese beiden Diagnosen, wie bei den niedergelassenen Hausärzten in Sachsen und Nordhein, ebenso zu den häufigsten, doku- mentierten Diagnosen ambulanter Patienten. Der hohe Anteil an Diagnosen spiegelt auch die hohe Multimorbidität der Patienten wieder, die eine Voraussetzung zur Teilnahme an der Maßnahme darstellte. Ein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Anzahl an Diagnosen (s. Kapitel 3.1.4) war zwar zu erwarten, allerdings zeigte der Korrelationskoeffizient keine relevante Abhängigkeit der beiden Variablen. Ebenso verhielt es sich bei dem Zusammenhang zwischen der Anzahl eingenommener Arzneimittel und der Anzahl vorhandener Diagnosen. Im Idealfall werden auch bei einer Vielzahl an vorhandenen Diagnosen wenige, dafür aber gezielt Arzneimittel verordnet, die in der Verordnung so- wohl Risikofaktoren wie Alter und Komorbiditäten als auch die Nierenfunktion und Interaktionen be- rücksichtigen.

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Diskussion

4.3.3 Medikation

Die durchschnittliche Anzahl eingenommener Arzneimittel betrug 13,4 mit einem Anteil von 12,6 Arzneimitteln, die durch den Arzt verordnet oder empfohlen waren, sowie etwa einem Arznei- mittel, welches als Selbstmedikation ohne Kenntnis des Arztes eingenommen wurde. In einer Studie untersuchten Steinmann et al. 2006 in Iowa (USA), dass ältere ambulante Menschen mit einem durchschnittlichen Alter von 74,6 Jahren etwa 8,1 Arzneimittel einnahmen, davon lagen bei 65 % der Patienten inadäquate Medikationen vor, darunter nicht effektive, nicht indizierte oder auch doppel- verordnete Arzneimittel sowie Arzneimittel, die nach Angaben der Beers Liste zu vermeiden sind (177). Im Jahr 2012 wurden jedem gesetzlich versicherten Patienten in Deutschland durchschnittlich 9,0 Arzneimittelpackungen verordnet (35). Allerdings erstreckt sich diese Anzahl auf einen Zeitraum von 12 Monaten, und stellt daher keinen passenden Vergleichswert zur Anzahl eingenommener Arzneimittel des Patientenkollektivs dar. Es zeigen sich Unterschiede bei den regelmäßig eingenom- menen Tagesdosen (Defined Daily Dose, DDD, definierte Tagesdosis), die eine theoretisch ermittelte, durchschnittliche tägliche Dosis eines Arzneimittels für die Hauptindikation darstellen und nicht der tatsächlich eingenommenen Dosis entsprechen müssen (140). Patienten über 65 Jahren nahmen dabei 2012 einen Anteil von 55 % aller DDD ein, durchschnittlich 3,7 DDD täglich (35). Im Vergleich mit dem Patientenkollektiv erscheint diese Zahl gering, auch wenn man davon ausginge, dass die Patienten nicht jedes der durchschnittlich 13 Arzneimittel täglich einnehmen. Jedoch liegt die minimale Anzahl eingenommener Arzneimittel im Kollektiv bei einer Anzahl von fünf, daher sind auch diese Werte nur bedingt vergleichbar. Besonders häufig nahmen die Patienten des Kollektivs antithrombotische Mittel (ATC-Code B01), Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (ATC-Code C09) und Antidiabetika (ATC-Code A10) ein. Der Arzneiverordnungs-Report aus dem Jahr 2013 berichtet, dass im Jahr 2012 Renin- Angiotensin-Inhibitoren (ATC-Code C09) die am häufigsten zu Lasten der gesetzlichen Kranken- kasse (GKV) verordnete Arzneimittelgruppe darstellte (35), was sich in den Zahlen des Kollektivs widerspiegelt. Zu dieser Arzneimittelgruppe zählen ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorantagonisten und Renin-Inhibitoren. Nachfolgend wurden den gesetzlich versicherten Patienten häufig nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR, ATC-Code M01), Antibiotika (ATC-Code J01) und Betarezeptorblocker (ATC- Code C07) verordnet. Betarezeptorblocker stellten auch im Kollektiv die am sechsthäufigsten verord- neten Arzneimittel im dreistelligen ATC-Code-Bereich dar. Antibiotika gehören im ambulanten Be- reich zu den Akutmedikationen, und auch NSAR werden häufig für akute Beschwerden verordnet, so dass sie in den Polymedikationen des Kollektivs nicht so zahlreich auftraten. Die am häufigsten eingenommenen Wirkstoffe des Kollektivs waren Acetylsalicylsäure zur Throm- bozytenaggegationshemmung, Simvastatin, Pantoprazol und Torasemid. Simvastatin und Torasemid | 124

Diskussion gehören dabei zu den Leitsubstanzen und werden daher besonders häufig verordnet. Die Verord- nungen von Protonenpumpeninhibitoren zu Lasten der GKV wie Pantoprazol stieg in den letzten Jahren kontinuierlich, in den Jahren von 2003 bis 2012 um das Vierfache (35).

4.4 Auswertungen der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler

Die Identifikation der potentiellen Verordnungsfehler hing hauptsächlich von der Vollständigkeit der Daten ab, die dem Expertenteam für die Auswertungen zur Verfügung gestellt worden waren. Da die Daten nicht die ursprünglichen Informationen der verordnenden und behandelnden Ärzte dar- stellten, war es möglich, dass Verordnungsfehler als solche identifiziert wurden, so aber nicht in der Realität vorlagen, da entscheidende zusätzliche Informationen zur korrekten Einstufung fehlten. Es wurde bei der Identifikation der potentiellen Verordnungsfehler allerdings durch das Expertenteam bereits eine Vorentscheidung getroffen, ob die identifizierten Risiken nach Ansicht der Experten unter Berücksichtigung der Datenlage relevant waren. Ebenso wurde durch eine nachträgliche Be- wertung der Zuverlässigkeit (s. Kapitel 2.4 und 3.3) die Richtigkeit der Datenbasis eingestuft. Die Grenze, ab welcher eine Medikation als Risikomedikation beziehungsweise potentieller Ver- ordnungsfehler eingestuft wurde, war von den Experten sehr niedrig gewählt. Der Grund dafür lag insbesondere in der Grundeinstellung der Experten, bevorzugter Weise ein Risiko zu viel zu identifi- zieren als ein Risikoarzneimittel zu übergehen, ebenso lag ein hochqualifiziertes Fachwissen im Be- reich der Arzneimitteltherapie vor, so dass eine Vielzahl an Risiken detektiert werden konnte.

4.4.1 Hauptkategorie Indikation

Im Bereich der Indikation war mit 84 % der größte Anteil des Patientenkollektivs von einem potentiellen Verordnungsfehler in einer Hauptkategorie betroffen. Der Wert zeigt, dass etwa 8 von 10 Patienten mindestens ein Arzneimittel verordnet bekommen hatten, für welches dem Experten- team keine Indikation vorlag. Dabei war allerdings durch das Expertenteam allen vier Unterkatego- rien nur eine bedingte Zuverlässigkeit der Datenqualität mit der Einstufung „B" (s. Kapitel 3.3 und 3.4.2) zugeordnet worden. Dies bedeutet, dass sich der tatsächliche Anteil an Patienten mit mindes- tens einem verordneten Arzneimittel ohne Indikation theoretisch geringer darstellen kann. Mögliche Erklärungen dafür sind beispielsweise fehlerhaft vorliegende oder gänzlich fehlende Diagnosen, die die Verordnung hätten erklären können. Ebenso könnten Diagnosen nicht mehr aktuell oder gar nicht vorliegend sein. Der zugehörige Risikoindex der Hauptkategorie (s. Kapitel 3.5.1) mit einem Wert von 2,6 bei einem Werteintervall [1,5; 3,1] zeigt zudem, dass die Experten das Risiko für den Patienten bei tatsächlich verordneten Arzneimitteln ohne Indikation hoch einschätzten. In der Literatur fanden sich Ergebnisse von Steinman et al. 2006 (177), die bei älteren ambulanten Patienten mit einem Durchschnittsalter von 74,6 Jahren und einer durchschnittlichen Anzahl von | 125

Diskussion

8,1  2,5 eingenommenen Arzneimitteln herausfanden, dass 57 % der Arzneimittel nicht wirksam, nicht indiziert oder auch doppelt verordnet waren. Besonders häufig handelte es sich dabei um Digoxin bei diastolischer Dysfunktion, Furosemid oder Ranitidin. Koper et al. 2013 (37) untersuchten Patienten mit einem mittleren Alter von 76,4 Jahren und einer vorliegenden Polymedikation mit mehr als fünf Arzneimitteln in österreichischen Hausarztpraxen. Sie fanden dabei bei einen Anteil von 93 % der Patienten, deren eingenommene Arzneimittel, durchschnittlich 2,7 Arzneimittel je Patient, eine nicht-evidenzbasierte Medikation nach peer-reviewed Kapiteln in UpToDate® dar- stellten (118). Am häufigsten handelte es sich dabei um Betablocker wie z.B. Metoprolol, ACE-Inhibi- toren wie Lisinopril und Protonenpumpeninhibitoren wie Pantoprazol. Bei Untersuchungen von österreichischen stationären Patienten fanden Schuler et al. 2008 (178) bei 36 % der Patienten min- destens ein Arzneimittel verordnet, welches keinen nachgewiesenen Langzeit-Benefit hatte, darunter am häufigsten Pentoxifyllin, Ginkgo und Allopurinol. Im Vergleich mit dem vorliegenden Patienten- kollektiv zeigen sich diese Literaturwerte in dem häufigen Auftreten innerhalb der Hauptkategorie bei Allopurinol (n=94), Pantoprazol (n=10+86) und Omeprazol (n=23). Bei der nicht bestimmbaren Anzahl an Verordnungsfehlern, die tatsächlich so vorlagen und daher ein hohes Risiko bergen, können eine gezieltere Betrachtung von Laborparametern, wie beispiels- weise des Serum-Harnsäure-Wertes, oder auch die erneute Überprüfung der Indikation, ob eine Pharmakotherapie sinnvoll und angezeigt ist, Risiken rechtzeitig erkennbar und vermeidbar werden lassen. Die Adherence und auch das unbestimmte Risiko können durch eine Reduktion der Poly- pharmazie bei nicht erwiesener therapeutischer Wirksamkeit eines Arzneimittels verbessert werden. Ebenso erhöht die Reduktion von Dauertherapien in diesem Sinne die Arzneimitteltherapiesicherheit. Die wesentliche Grundlage für eine sichere und risikoverminderte Arzneimitteltherapie ist die richtige Indikationsstellung mit Berücksichtigung der aktuellen Studienlage.

4.4.2 Hauptkategorie Risikomedikamente

Die Verordnungsfehler im Bereich der Risikomedikamente betrafen 59 % der Patienten, 34 % aller Patienten waren von einem PRISCUS-Arzneimittel betroffen, dabei 29 % der Patienten über 65 Jahre. Die häufigsten verordneten PRISCUS-Arzneimittel waren Amitriptylin, unretardiertes Nifedipin und Trimipramin. Diese Angaben sind vergleichbar mit den Ergebnissen von Koper et al. 2013 (37). Sie fanden bei den Patienten, die älter als 65 Jahre waren, einen Anteil von 37 %, die mindestens ein Arzneimittel der PRISCUS-Liste einnahmen, darunter zunächst tricyclische Antidepressiva, Benzodia- zepine, ebenso andere Hypnotika und Alpha-1-Blocker. Die Datenqualität der drei Unterkategorien wurde vom Expertenteam zu 67 % mit „A" als ent- sprechend „zuverlässig“ gewertet, so dass die potentiellen Verordnungsfehler vermutlich so vor- lagen (s. Kapitel 3.3 und 3.4.2). Bei einem Schweregrad von 1,2 in jeder Unterkategorie und einem

| 126

Diskussion hohen Risikoindex von 2,8 in der Hauptkategorie bedeutet dies, dass ein erhöhtes Risiko vorlag und ein Handlungsbedarf bestand angesichts des erhöhten Anteils an Patienten, die von diesem potentiellen Verordnungsfehler betroffen waren.

4.4.3 Hauptkategorie Interaktionen

Bei Interaktionen ist es notwendig, das gesamte klinische Bild des Patienten zu betrachten, um die klinische Relevanz einzuschätzen und so die geeignete Handlung auszuführen. Besonders wenn ver- schiedene Ärzte Arzneimittel verordnen, sollte in der ärztlichen Praxis das Wissen um die parallele Einnahme beider Arzneimittel bei einem der beiden Ärzte vorliegen, damit die Interaktion individuell bewertet werden kann. Bei 74 % der Patienten lag mindestens eine Interaktion vor, die durch die Datenbanken Micromedex® (114), Lexi-Interact® (116), AiDKlinik® (115) oder UpToDate® (118) identifiziert oder in der Fachinfo® (119) aufgeführt war. Die Experten bewerteten vier der fünf Unterkategorien der Hauptkategorie „Interaktion" mit einem „B" als „bedingt zuverlässig“ (s. Kapitel 3.3 und 3.2.4). Nur eine Unterkategorie wurde von den Experten in ihrer Datenlage mit A als „zuverlässig“ eingestuft („kontraindizierte Interaktionen“). Der Schweregrad der eingestuften Unterkategorien lag zwischen 0,5 und 1,8, der Risikoindex war mit 3,1 sehr hoch und beschrieb den höchsten Risikoindex einer Hauptkategorie. Somit ergab sich ein sehr dringender Handlungsbedarf mit Absetzen oder Austausch eines oder beider beteiligten Arzneimittel durch den verordnenden Arzt. Da die Datenbanken, außer AiDKlinik®, einem US-amerikanischen Hintergrund unterliegen, mussten einzelne Wirkstoffe, die sich nicht auf dem US-amerikanischen Arzneimittelmarkt befinden, gegen strukturverwandte oder in ihrem Wirkmechanismus vergleichbare Wirkstoffe ausgetauscht werden, um sie als Interaktionspartner in den hier verwendeten Datenbanken verfügbar zu machen. Die drei Datenbanken Micromedex®, Lexi-Interact® und UpToDate® greifen vor allem auf Studien- ergebnisse zurück, die je nach Qualität der Studien (kontrolliert, nicht kontrolliert) oder Relevanz der Interaktionen die Grundlage für die Einstufung in die Kategorien darstellen. AiDKlinik® verwendet Fachinformationen, Standardliteratur und Studienergebnisse aus medizinischen Literaturdaten- banken, die Informationen werden wöchentlich durch einen qualifizierten Mitarbeiter aktualisiert und nach dem Vier-Augen-Prinzip freigegeben (179). Letzlich entschied die Einschätzung der Exper- ten, sowie am Ende der behandelnde Arzt, welche Empfehlung bzw. Handlung auf Grund der vorlie- genden Interaktion durchzuführen war. Schuler et al. 2008 (178) fanden bei 66 % der stationären Patienten mindestens eine potentielle Arzneimittelinteraktion auf der Basis der ABDA-Datenbank, am häufigsten pharmakodynamische Interaktionen zwischen Benzodiazepinen und Opioiden, Amiodaron und Betablockern. Koper et al. 2013 (37) beurteilten anhand der Datenbank Lexi-Interact® nur diejenigen Interaktionen,

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Diskussion die schwerwiegend (D, „consider therapy modification") oder kontraindiziert waren (X, „avoid combination"), und fanden einen Anteil von 58 % an Patienten mit einer D Interaktion und ein Anteil von 2,4 % mit einer X Interaktion. Diese Werte sind vergleichbar mit den Patienten dieses Kollektivs, hier war bei 49 % der Patienten eine schwerwiegende und bei 4 % der Patienten eine kontraindi- zierte Interaktion identifiziert worden. Dies bedeutet, dass das Patientenkollektiv eine realistische Zusammensetzung möglicher Interaktionen aufweist, und bei den vorliegenden hohen Werten und dem errechneten Risikoindex dringend eine Handlung folgen sollte. In der ambulanten Praxis ist es daher erforderlich, dass bei der Verordnung vermehrt auf Interaktionen geachtet wird. Idealerweise wird bei gleichzeitiger Verordnung der Arzneimittelkombination durch mehrere Ärzte bei der Abgabe der betroffenen Medikamente der verordnende Arzt durch die Apotheke informiert.

4.4.4 Hauptkategorie Kontraindikationen

Bei 5 % der Patienten lag die Applikation eines kontraindizierten Arzneimittels vor. Die Datenbasis wurde von den Experten als zutreffend („A") beschrieben. Der Schweregrad und der Risikoindex hatten jeweils einen hohen Wert von 2 beziehungsweise 2,6. Das Auftreten dieses Verordnungsfeh- lers war zwar vergleichsweise selten, allerdings lag ein hohes Risiko vor, was einen Handlungsbedarf signalisiert. Da in den meisten Studien nicht zwischen Arzneimitteln der PRISCUS- oder Beers-Liste und einer laut Herstellerangaben kontraindizierten Anwendung unterschieden wurde, konnten ver- gleichbare Zahlen zur Gegenüberstellung nicht herangezogen werden. Steinman et al. 2006 (177) fanden bei 73 von 196 Patienten (37 %) inadäquate Arzneimittel nach Kriterien der Beers-Liste, von 91 betroffenen Arzneimitteln waren 28 für den jeweiligen Patienten kontraindiziert.

4.4.5 Hauptkategorie Dosierungen

Bei 58 % der Patienten wurde ein Dosierungsfehler identifiziert. Von den elf Unterkategorien dieser Hauptkategorie wurden sechs (55 %) von dem Expertenteam mit einem Wert „A" als „zutref- fend“ eingestuft. In den Unterkategorien lagen die Schweregrade zwischen 0,5 und 1,2, der Risiko- index der Hauptkategorie betrug 1,5. Das stellt im Verhältnis zu den anderen Kategorien einen geringen Wert und ein relativ geringes Risiko für den Patienten dar. Schuler et al. 2008 (178) identifizierten bei 23 % der stationären Patienten mindestens eine Über- dosierung, wobei neben den Überdosierungen auf Grund einer eingeschränkten Nieren- funktion (s. Kapitel 4.4.6), insbesondere Protonenpumpeninhibitoren, NSAR und Herzglykoside involviert waren. Koper et al. 2013 (37) fanden bei 56,2 % der Patienten Dosierungsfehler, vor allem bei Betablockern, ACE-Hemmern und Protonenpumpeninhibitoren. Diese Zahl ist vergleichbar mit dem Anteil im vorliegenden Patientenkollektiv. In den vorliegenden Auswertungen war Pantoprazol das häufigste Arzneimittel, das bei 35 der 400 Patienten (9 %) nach Therapieempfehlungen über-

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Diskussion dosiert war. Kaushal et al. 2010 (180) fanden bei einer US-amerikanischen Untersuchung zur Ver- besserung der Arzneimitteltherapiesicherheit durch elektronische Verordnungssoftware bei 3 % der Verordnungen mindestens einen Dosierungsfehler, bei 13 % der Verordnungen eine fehlerhafte Dauer der Verschreibung und bei 4 % der Verordnungen ein fehlerhaftes Applikationsintervall. Da elektronische Verordnungssoftware Abweichungen von Verschreibungsregeln, beispielsweise empfohlener Dosierungen, nicht akzeptieren, wurden in den Daten grobe Abweichungen von Ver- schreibungsregeln, wie das Überschreiten von Höchstdosierungen, nicht berücksichtigt. Im Patien- tenkollektiv waren in der Hauptkategorie 33 % der Patienten von einem fehlerhaften Applikations- intervall betroffen, bei 6 % der Patienten war die Dauer der Anwendung nicht korrekt. Die Zahlen lassen sich nur indirekt vergleichen, da in dieser Evaluation der Bezug auf den Patienten und nicht auf die Anzahl verordneter Arzneimittel hergestellt wurde.

4.4.6 Hauptkategorie Dosisanpassung an die Nierenfunktion

Bei etwa 22 % aller Patienten war die Arzneimitteldosierung nicht ausreichend an die verminderte Nierenfunktion angepasst. Die Datenbasis von zwei der drei Unterkategorien wurde vom Experten- team mit „zutreffend" als Zuverlässigkeit „A" beschrieben und somit als Verordnungsfehler einge- stuft. Der Schweregrad lag bei Werten zwischen 1 und 1,5, der Risikoindex der Hauptkategorie be- trug 2,2, was einem mittleren Wert entsprach. Schuler et al. 2008 (178) identifizierten in ihrer Kate- gorie „fehlerhafte Dosierung“ eine Überdosierung bei bestehender Niereninsuffizienz von Allopurinol bei 19 von 543 Patienten (3 %) sowie bei Spironolacton bei 21 von 543 Patienten (4 %). In den vorlie- genden Auswertungen war Allopurinol ebenfalls dasjenige Arzneimittel, bei dem am häufigsten eine Dosisanpassung an die eingeschränkte Nierenfunktion fehlte (23 von 400 Patienten, 6 %), bei Spironolacton war bei 5 von 400 Patienten (1 %) vermehrte Vorsicht bei der Anwendung bei besteh- ender Niereninsuffizienz angezeigt. Eine Untersuchung an einem deutschen Klinikum (181) ergab für 61 chirurgische Patienten mit 408 Verordnungen einen Handlungsbedarf bei 235 der Arzneimit- tel (58 %) mit einer Überschreitung der maximalen Dosis, und dem Vorliegen einer Kontraindikation für die vorliegende Nierenfunktion bei 25 der 408 Arzneimittel (6 %). Diese Zahlen lassen sich eben- falls nur bedingt vergleichen, da die Patienten im stationären Bereich tendenziell eine erhöhte Mor- bididät aufweisen, und da auf chirurgischen Stationen besonders häufig Antibiotika verordnet wer- den, die in vielen Fällen eine Anpassung der Dosierung an die Nierenfunktion erforderlich machen.

4.4.7 Hauptkategorie Doppelverordnungen

Bei 30 % aller Patienten lag mindestens eine Doppelverordnung vor. Doppelverordnungen sind in der Regel nicht beabsichtigt, in einigen Fällen soll durch die Gabe von zwei Arzneimitteln mit ähnlicher oder gleicher Wirkung für ein und dieselbe Indikation eine Wirkverstärkung hervorgerufen

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Diskussion werden. Ebenso kann aber auch ein Informationsfehler vorliegen. Die Schweregrade der Unterkate- gorien lagen im Intervall [0,9; 1,2], auch der Risikoindex wies mit 1,6 den zweitgeringsten Risikoindex einer Hauptkategorie auf. Drei der vier Unterkategorien wurden mit einer hohen Zuverlässigkeit „A“ bewertet, so dass von einem Vorliegen der Doppelverordnung ausgegangen werden konnte. Auf Grund des geringen Risikoindexes können diese Verordnungsfehler trotz hoher Zuverlässigkeit als moderates Risiko angesehen werden. In einer österreichischen Studie mit stationären Patienten, die älter als 75 Jahre waren, fanden Schuler et al. heraus, dass 7,6 % der Patienten mindestens eine Doppelverordnung aufwiesen (178). Am häufigsten wurden Diuretika und Benzodiazepine doppeltverordnet. In den vorliegenden Aus- wertungen waren mit 30 % deutlich mehr Patienten von Doppelverordnungen betroffen, Hydrochlorothiazid gehörte neben Colecalciferol und inhalativen Anicholinergika zu den häufigsten Doppelverordnungen. Schuler et al. wählten Arzneimittelklassen als Basis, in den hier vorliegenden Medikationsanalysen geschah die Auswahl einer Doppelverordnung anhand der Indikation. Bei Doppelverordnungen kann der behandelnde Arzt entscheiden, ob eines der beiden Arzneimit- tel ausreichend wäre. Das gleichzeitige Verordnen eines Kombinations- und eines Monopräparats sollte zu einer Nachfrage über die Absicht der Kombination führen, um auszuschließen, dass es sich nicht lediglich um ein Vergessen des Absetzens eines der beiden Arzneimittel handelt. Die wichtigste Voraussetzung bei Doppelverordnungen ist, dass durch die kombinierte Gabe die empfohlene Höchstdosis nicht überschritten wird. Liegt eine beabsichtigte doppelte Verordnung vor, kann nicht von einem Verordnungsfehler gesprochen werden. Auch wenn die doppelte Verordnung unbeabsich- tigt durchgeführt wurde, da die Verordnungen durch zwei Ärzte stattfanden, liegt kein Verordnungs-, allerdings trotzdem ein Medikationsfehler vor, da ein Informationsaustausch zwischen den Ärzten nicht stattgefunden hat. Ein regelmäßig aktualisierter Medikationsplan kann diese unbeabsichtigten Doppelverordnungen vermeiden.

4.4.8 Hauptkategorie Versorgungslücke

Bei 31 % der Patienten wurde vom Expertenteam eine fehlende Verordnung eines Arzneimittels als Versorgungslücke identifiziert. Die Zuverlässigkeit der vorliegenden Daten wurde mit „zutreffend" als „A" bewertet, so dass dieser Verordnungsfehler vermutlich vorliegt. Der Schweregrad lag bei 1,5, der Risikoindex wurde mit 2,3 errechnet. Dies ist ein mittleres Risiko und bedeutet, dass ein Hand- lungsbedarf besteht. Die Nichtverordnung eines Arzneimittels kann neben einer Versorgungslücke auch einen Gewinn für die Arzneimitteltherapiesicherheit darstellen. Die Übersichtlichkeit in der Polymedikation wird verbessert und das Berücksichtigen des allgemeinen Gesundheitsstatus des Patienten oder der Lebensqualität kann das Nichtverordnen eines Arzneimittels rechtfertigen: würde

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Diskussion jede einzelne Diagnose des Patienten konsequent nach Leitlinie therapiert, würde dies eine Polyphar- mazie und somit das Risiko von unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE) verstärken (41). Garfinkel et al. 2010 zeigten, dass bei 119 Patienten das Absetzen von durchschnittlich 2,8 Arznei- mitteln möglich war, bei nur 18 % der Patienten misslang dies und die Arzneimitteltherapie musste fortgeführt werden (182). Im Bereich der möglichen Versorgungslücken fanden Steinman et al. 2006 (177) bei 64 % der älteren Patienten eine Unterversorgung, insbesondere mit Antihyperten- siva (25 %), Antikoagulantien (15 %) und lipidsenkenden Arzneimitteln (10 %). Diese Werte sind ver- gleichbar mit denen dieses Patientenkollektivs. Hier lagen die identifizierten fehlenden Verord- nungen im Bereich „Statin bei KHK" bei 23 % der Patienten, fehlende Arzneimittel zur Thrombozyten- aggregations- oder Blutgerinnungshemmung bei 20 % und eine empfohlene zu ergänzende anti- hypertensive Therapie bei 8 % der Patienten. Dies lässt im Vergleich zu Steinman et al. auf eine bessere Versorgung schließen, allerdings besteht auch hier ein Handlungsbedarf.

4.4.9 Selbstmedikation

Im Bereich der Selbstmedikation sind auftretende Medikationsfehler oft unentdeckt, da der be- handelnde Arzt keine Kenntnis von der Einnahme besitzt oder dem Apotheker nicht die gesamte aktuelle Medikation des Patienten vorliegt, um den Arzt auf Interaktionen oder arzneimittelbezogene Probleme hinzuweisen. Auch in diesem Bereich können Applikationsfehler auftreten und, da im un- günstigsten Fall weder der Arzt Einblick in die Selbstmedikation noch der Apotheker Einblick in die gesamte verordnete Medikation haben, sind die Risiken, wie beispielsweise die Auswirkungen einer Interaktion für den Patienten, nicht abschätzbar. Eine Studie von Schmiedl et al. 2014 fand heraus, dass 2 % aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW, Adverse Drug Reaction, ADR), die zu einer Notaufnahme führten, durch Arzneimittel der Selbstmedikation verursacht worden waren (51). Selbstmedikation bedeutete in diesem Zusammenhang die Einnahme von Arzneimitteln ohne Kenntnis oder gültige, aktuelle Verordnung des Arztes. Am häufigsten verursachten Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac gastrointestinale Blutungen mit 62 % aller Fälle. Daher sollte die Einnahme von Arzneimitteln der Selbstmedikation immer kritisch gesehen werden. Ebenso sind einige Arzneimittel der Selbstmedikation in ihren Wirkungen noch nicht genauer umschrieben, einige Präparate unterliegen bei fehlender Zulassung keiner ausreichenden Kontrolle durch Studien oder Sicherheitsanforderungen und sollten daher nur im Zusammenhang mit der Kenntnis der gesamten Medikation eingenommen werden.

4.5 Rückmeldungen der behandelnden Ärzte

Ein Ziel der Maßnahme war es, Kontakt mit den behandelnden Ärzten herzustellen. Da sich von allen Ärzten, denen je ein Arzneimittelkonsil zugesendet wurde, nur 63 Ärzte (16 %) per Telefon, Fax | 131

Diskussion oder Post zurückmeldeten, lässt sich das Gelingen der Kontaktaufnahme zu den sich nicht rückmel- denden Ärzten nicht feststellen. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass diese, ausgelöst durch das versendete Konsil, auch ohne unmittelbare Rückmeldung einzelne Risiken der Polymedikation ihrer Patienten betrachtet und beseitigt haben. Ebenso muss betont werden, dass die Rückmeldung auf einer ausschließlich freiwilligen Basis erfolgte. Die Dringlichkeit für ein Beratungsgespräch musste daher vom behandelnden Arzt selbst eingeschätzt werden. Gründe für eine fehlende Rückmeldung können zum einen die Zusammenarbeit des Expertenteams mit der Krankenkasse gewesen sein, die möglicherweise von den Ärzten indirekt mit Überwachung und Regressforderungen in Verbindung gebracht wurde, so dass ein weiteres Befassen mit den Inhalten des Konsils bereits nicht mehr statt- fand. Eine weitere Möglichkeit könnten Zeitmangel und die fehlende Vergütung des Arztes für die Beschäftigung mit der Polymedikation des Patienten sein. Ebenso könnten viele aufgeführte Risiken seit Erstellung der Medikationsliste durch veränderte Beschwerden des Patienten nicht mehr oder von vornherein nicht vorhanden gewesen sein. Durch die Einführung der Direktkonsile konnten die behandelnden Ärzte zwar auf Grund der aus- führlicher dargestellten Risiken unmittelbarer handeln, andererseits ereigneten sich weniger Rück- meldungen. Dies zeigt der Anteil von 79 % (54 von 68 Ärzten) der Rückmeldungen, die nach Versand eines Kurzkonsils erfolgten, im Vergleich dazu meldeten sich 14 von 68 Ärzten (21 %) nach Versand eines Direktkonsils. Ein Rückruf konnte zum einen auf Wunsch des Arztes zur Erläuterung der Konsil- inhalte oder zur Beratung zu bestehenden Risikomedikationen erfolgt sein, zum anderen konnte der behandelnde Arzt von seinem Patienten zum Rückruf gedrängt worden sein, was eine schlechte Voraussetzung für eine objektive und intensive Auseinandersetzung mit der Polymedikation darstellt. Der lange Zeitraum von Konsilerstellung bis zur Rückmeldung lässt auf einen langen Übermit- tlungsweg des Konsils schließen. Bei Kurzkonsilen führte dieser Weg über den Patienten, bei Direktkonsilen konnten Verzögerungen oder gar der Verlust des Konsils auf dem Postweg zu einem verspäteten oder fehlenden Eintreffen des Konsils beim behandelnden Arzt führen. Ein Versand der Konsile über Fax oder E-Mail könnte diese Übermittlungszeiträume verkürzen. Manche sich rückmeldenden Ärzte befürworteten die Medikationsanalysen, indem sie dem Exper- tenteam beim Beratungsgespräch eine positive Reaktion signalisierten (s. Kapitel 3.6.3). Andere Ärzte sahen die Konsile als Eingriff in ihre oder die Therapie ihrer (fachärztlichen) Kollegen an und gaben ein negatives Feedback auf die Maßnahme. Eine erhöhte Akzeptanz der Konsile wäre eine wichtige Voraussetzung für ein besseres Gelingen der Maßnahme und so für eine optimierte Arznei- mitteltherapiesicherheit.

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Diskussion

Mögliche Verbesserungen zur Erhöhung des Anteils sich rückmeldender Ärzte

 eine Verbesserung der Datenbasis könnte ein Baustein für eine vermehrte Bereitschaft zur Rückmeldung sein. Bei einem multimorbiden Patienten scheint das fehlerfreie Wissen um alle vorliegenden Diagnosen nicht realistisch und gedächtnisgestützte Aussagen sind anfällig für fehlende oder fehlerhafte Informationen. Durch die Gesundheitscoaches zusammengestellte Arztberichte, Medikationspläne oder Laborwerte könnten die Richtigkeit der Hintergrund- informationen verbessern.  eine telefonische Nachfrage bei den behandelnden Ärzten etwa ein bis zwei Wochen nach Ver- sand des Konsils könnte den Erhalt des Konsils und gegebenenfalls das Angebot zum Bera- tungsgespräch bestätigen.  eine Vergütung des Einsatzes der angeschriebenen Ärzte stellt eine Grundvoraussetzung für eine ausführliche, individuelle und auf eine Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit hin angelegte Betrachtung der Polymedikation dar. Eine Vergütung erhöht die Motivation und die Sorgfalt, mit welcher eine Betrachtung der Medikation durchgeführt wird.

4.6 Bewertung der eigenen Methoden

Um die Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit während dieser Maßnahme bewerten zu können, wurden drei verschiedene Methoden, die in der Literatur beschrieben sind, herangezogen, aufgegriffen und an die vorliegende Maßnahme angepasst. Mit Hilfe der ersten Methode wurden nachträglich die Zuverlässigkeit und Richtigkeit der zur Konsilerstellung vorliegenden Datenbasis be- wertet (s. Kapitel 2.4). Die zweite Methode beschrieb den Schweregrad der potentiellen schädlichen Auswirkungen der Verordnungsfehler über eine Delphi-Runde (s. Kapitel 2.5). Durch die dritte Methode wurde ein Risikoindex ermittelt, der den Schweregrad berücksichtigte und so dem poten- tiellen klinischen Risiko einen numerischen Wert zuordnete (s. Kapitel 2.6).

4.6.1 Methode der Zuverlässigkeit

Die Qualität der Datenbasis, die den Medikationsanalysen zu Grunde lag, mit Patienten-, Medika- tions- und Diagnoseinformationen wurde nachträglich durch das Expertenteam und einen Facharzt für Allgemeinmedizin bewertet. Dazu erfolgte eine Einstufung der Datenbasis der potentiellen Ver- ordnungsfehler in die Kategorien A, „zuverlässig" und B, „bedingt zuverlässig". Dabei wurden 16 von 33 Unterkategorien (48 %) mit der Einstufung A als einer vermutlich korrekten Datenbasis mit vorlie- gendem potentiellen Verordnungsfehler bewertet. Bei 17 von 33 Unterkategorien (52 %) wurde die Einstufung B gewählt mit dem Bedarf einer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, ob der poten- tielle Verordnungsfehler so vorliegt, da nach Einschätzung des Expertenteams unzureichende oder

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Diskussion fehlerhafte Informationen vorliegen könnten. Eine Verifizierung der Bewertung der Zuverlässigkeit wäre möglich gewesen, wenn ein systematischer Abgleich der zur Konsilerstellung vorliegenden Da- ten mit den beim behandelnden Arzt vorliegenden tatsächlichen Daten durchgeführt worden wäre. Die Methode zur Bewertung der Zuverlässigkeit wurde von Dean et al. 2000 abgeleitet (73). Sie teilten klinische Situationen in Umstände ein, die als Verordnungsfehler berücksichtigt werden sollten („situations that should be included as a prescribing errors“, A), Situationen, die als Verord- nungsfehler aufgefasst werden könnten, abhängig von der individuellen klinischen Situation („situations that may be considered prescribing errors, depending on the individual clinical situations“, B) und Situationen, die nicht als Verordnungsfehler bezeichnet werden sollten („situations that should be excluded as prescribing errors“, C). Dean et al. ließen abstrakte klinische Situationen, basierend auf realen Verordnungsfehlern aus Studien, mit mutmaßlich korrekter Datenbasis als Verordnungsfehler einstufen. Dagegen wurden bei den vorliegenden Auswertungen Kategorien bewertet, die aus konkreten klinischen Situationen heraus entstanden sind, allerdings auf einer nicht direkt vor Ort erhobenen Datenbasis. Da diese Situationen per Definition, sobald sie in die Medikationsanalyse aufgenommen worden waren, vom Expertenteam bereits als potentielle Verord- nungsfehler eingestuft waren, bedeutet dies, dass hier nur die ersten beiden Einteilungen A und B von Dean et al. übernommen wurden. Die Experten waren mit den Gegebenheiten des deutschen Gesundheitssystems sowie mit der Entstehung und Erhebung der Daten durch die Gesundheitscoaches bei den Patienten vertraut und konnten somit eine kundige Einschätzung der Zuverlässigkeit abgeben. Allerdings zeigt sich eine mangelhafte Zuverlässigkeit „B“ bei 52 % der Unterkategorien, dies bedeutet, dass bei mehr als der Hälfte der Unterkategorien ein Optimierungsbedarf bei der Zusammenstellung der Daten gesehen wurde. Umfassendere und verlässlichere Informationen, die als ursprüngliche und direkte Daten zu- verlässig übermittelt werden und so eine auf die reellen Gegebenheiten besser übertragbare Medi- kationsanalyse ermöglichen, wären für nachfolgende Projekte notwendig.

4.6.2 Methode der Schweregradeinstufung

Die Einstufung der potentiellen Verordnungsfehler in Schweregrade hatte zum Ziel, die risiko- reichen Auswirkungen der Verordnungsfehler einzuschätzen. Die Basis dieser Einstufung fand sich bei Garfield et al. 2013 (183). Sie untersuchten Literatur aus einem Zeitraum von 28 Jahren und die dort dargestellten verschiedenen Skalen zur Einstufung der potentiellen oder tatsächlichen schädlichen Auswirkungen von Verschreibungsfehlern. Die meisten dieser Studien hatten den NCC MERP Index (63) als Grundlage (s. Kapitel 2.5.1). In Anlehnung an die Untersuchungen von Garfield et al. wurde für die Auswertung dieser Maßnahme aus dem NCC MERP Index eine eigene dreistufige Skala entwickelt. Anschließend wurden die 33 Unterkategorien mit dem Delphi-Verfahren durch sechs

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Diskussion klinische Experten eingestuft. Das zweistufige Verfahren der Delphi-Methode gab den Experten in der zweiten Runde die Gelegenheit, ihr eigenes Ergebnis mit den Werten ihrer Kollegen zu ver- gleichen und gegebenenfalls zu hinterfragen. Durch diese Vergleichsmöglichkeit wurde die Konsens- wahrscheinlichkeit erhöht. Mit der Einstufung des Schweregrads konnte so das Risiko, das von den potentiellen Verordnungsfehlern ausgeht, gut eingeschätzt werden.

4.6.3 Berechnung eines Risikoindexes

Die Formel zur Berechnung des Risikoindexes für diese Maßnahme war von Bertsche et al. 2008 abgeleitet. Bertsche et al. ermittelten einen Risikoindex anhand der Einstufung des Schweregrads einer klinischen Situation (151). In den klinischen Situationen ging es um die Untersuchung von Hand- lungsfehlern bei der Bereitstellung von Arzneimitteln im klinischen Umfeld. Die Intention von Bertsche et al. war es, bei der Vermeidung von Handlungsfehlern Schwerpunkte und Prioritäten zu setzen. Dabei wurden die Relevanz und die Häufigkeit des Auftretens des Fehlers berücksichtigt. Ein- zelne Elemente der Formel von Bertsche et al. mussten für die Auswertung dieser Maßnahme ange- passt werden. Ergänzend zu Bertsche et al. wurde bei dieser Arbeit der Bezug zur Anzahl der Patien- ten hergestellt, die von einem Fehler aus der Haupt- oder Unterkategorie betroffen waren. Ebenso mussten die Arzneimittelgruppen, denen Risikoindexe zugeordnet wurden, leicht variiert oder er- gänzt werden. Dazu zählten die PRISCUS- und die apothekenpflichtigen Arzneimittel der Selbstmedi- kation, die im ambulanten Bereich zu einer Arzneimitteltherapie dazugehören. Die höchsten Risikoindexe wurden in den Hauptkategorien „Indikation", „Risikoarzneimittel", „Interaktionen" und „Kontraindikation" errechnet mit Werten oberhalb von 2,5. Gründe für die hohen Werte waren für die Hauptkategorie "Indikation" die große Anzahl an potentiellen Verord- nungsfehlern je Patient, die bei einem durchschnittlichen Wert von 2,6 Arzneimitteln je Patient in dieser Hauptkategorie lag, vergleichbar mit der Hauptkategorie "Interaktion" mit je 2,8 Interaktionen je Patient. Der hohe Risikoindex der Hauptkategorie "Risikoarzneimittel" entsprach dem hohen Anteil an enthaltenen Arzneimitteln der PRISCUS-Liste, denen per se ein hohes Risiko von 2 zugeordnet war, für die Hauptkategorie "Kontraindikation" war hauptsächlich der hohe Wert für den einge- schätzten Schweregrad von 2 verantwortlich. Ein geringer Risikoindex mit Werten zwischen 1,5 und 2,0 ergab sich für die Hauptkategorien „Dosierung" und „Doppelverordnung". Ein Grund für niedrige Risikoindexe besteht insbesondere bei der Hauptkategorie "Dosierung" in geringen Schweregraden mit Werten unter 1 bei neun der elf Unterkategorien. Die Risikoindexe für die Hauptkategorien „Dosisanpassung an die Nierenfunktion" und "Versorgungslücke" wiesen mittlere Werte zwischen 2,0 und 2,5 auf. Aus den individuellen Risikoindexen ließe sich das spezifische Risiko jeder einzelnen Polymedika- tion für jeden Patienten ermitteln. Die so ermittelten Risikoindexe der Polymedikationen könnten

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Diskussion

Anhaltspunkte sein, um potentielle Risiken einzelner Polymedikationen zu bestimmen und zu ver- gleichen. Da die Daten, anhand derer die Verordnungsfehler ermittelt wurden, nicht nachträglich überprüft werden konnten, erscheint die Ableitung eines Bezugswertes für besonders kritische Werte der Risikoindexe nicht sinnvoll zu sein. Eine geschätzte Datenzuverlässigkeit bei weniger als 50 % der Unterkategorien zeigt an, dass die hier errechneten Risiken zurückhaltend als „potentiell“ betrachtet werden sollten.

4.7 Grenzen der Auswertung und Ausblick

Da diese Maßnahme retrospektiv ausgewertet wurde, bestand keine Einflussmöglichkeit auf die Auswahl des Patientenkollektivs oder andere Bausteine der Maßnahme. Das Fehlen der Auswer- tungen der geänderten Medikationen nach Versand der Konsile stellte eine deutliche Limitation der Evaluation dar, da so der tatsächliche Effekt auf die Arzneimitteltherapiesicherheit nicht quantitativ festgestellt werden konnte. Die Verfügbarkeit von Informationen zu den geänderten Medikationen wäre ein wichtiger Schlüssel zur Untersuchung des Einflusses des Konsils auf die Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit gewesen. Durch eine systematische Betrachtung der geänderten Medikationen vor und nach der Durchführung der Medikationsanalysen und durch den Vergleich der beiden Medikationslisten hätte eine definierte Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit ermittelt werden können. Neben dem An- und Absetzen von Arzneimitteln wäre durch eine Betrachtung von Dosisänderungen eine genauere Feststellung der Umsetzung der Empfehlungen durch das Experten- team möglich gewesen. Eine methodisch korrekte Verfahrensweise wäre dabei die Erhebung der Medikation nach einem definierten Zeitraum nach Erstellung des Konsils gewesen, beispielsweise nach sechs Monaten. Diese Erhebung hätte auf dieselbe Art geschehen müssen, wie diejenige der Gesundheitscoaches zur Erstellung der Medikationslisten. Dieser systematische Abgleich war aller- dings von der Krankenkasse nicht vorgesehen gewesen, da diese in der Nachfrage durch die Gesund- heitscoaches bei den Patienten eine Beeinträchtigung des Arzt-Patienten-Verhältnisses sah (109). Die geänderten Medikationen hätten im Vergleich mit den vor Konsilerstellung existierenden Medika- tionslisten einen möglichen Einfluss des Konsils gezeigt. Nur durch diese Auswertung wäre ein Zusammenhang zwischen der geänderten Medikation und dem Versand eines Konsils erklärbar und nachgewiesen gewesen. Eine weitere Möglichkeit, Medikationsänderungen zu erkennen, wäre die Betrachtung der Ver- ordnungsdaten der Krankenkasse nach Konsilerstellung gewesen. Somit hätte ebenfalls ein Vergleich mit der vor Konsilerstellung eingenommenen Medikation stattfinden können. Allerdings besitzt auch dieses Verfahren nachfolgend beschriebene Limitationen. Allein über Verordnungsdaten hätte der Einblick in die eingenommene Selbstmedikation gefehlt. Zudem wären Änderungen im Bereich der Dosierungen sowie dem Bereich der Dosisanpassungen bei Nierenfunktion, die je einen Anteil von | 136

Diskussion

58 % und 22 % von betroffenen Patienten ausmachten, nicht ausreichend berücksichtigt gewesen. Ebenso enthalten die Verordnungsdaten keine Informationen darüber, ob eine Indikation für ein Arzneimittel vorliegt. Dieser Bereich machte 29 % der identifizierten Verordnungsfehler aus und betraf 84 % der Patienten des Kollektivs. Auch würden Gründe für das An- und Absetzen sowie das Berücksichtigen von Interaktionen, beispielsweise durch ein vermehrtes Monitoring von Laborpara- metern oder dafür erforderliche Dosisanpassungen, nicht über Verordnungsdaten ersichtlich. Zusam- menfassend lässt sich sagen, dass der Informationsgehalt der Verordnungsdaten nach Konsilerstel- lung in seiner Detailliertheit nicht denen der Daten entspricht, die zur Erstellung der Medikationsana- lysen vorlagen, so dass ein qualifizierter Vergleich nicht möglich gewesen wäre. Daher wurde auf eine Auswertung angesichts vermutlich nicht zufriedenstellender Ergebnisse verzichtet. Wesentliche Informationen, die sich aus einer geänderten Medikation oder einer erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit hätten gewinnen lassen, wären nachfolgende gewesen:  Absetzen eines Risikoarzneimittels  Dosisänderung/-anpassung eines Arzneimittels  Neuansetzen eines laut Leitlinie und Indikation fehlenden Arzneimittels  zusätzliche Beratung des Patienten zu Adherence/Anwendung eines Arzneimittels  zusätzliches Monitoring bei Einnahme einer Risikokombination oder eines -arzneimittels Im Idealfall hätte man beobachten können, wie sich die Medikationen nach Konsilversand mit oder ohne erfolgtes telefonisches Beratungsgespräch verändert hätten und somit eine Auswirkung des Konsils feststellen können. Allerdings kann durch das Aufdecken der potentiellen Verordnungsfehler bei den behandelnden Ärzten ein positiver, quantitativ nicht messbarer Effekt auf eine Erhöhung der Arzneimitteltherapie- sicherheit angenommen werden. Durch die Beteiligung mehrerer Ärzte an einer Polymedikation können problematische Arzneimittelkombinationen oder Doppelverordnungen eventuell bei dem einzelnen verordnenden Arzt verschleiert werden, daher hat diese Maßnahme durch die Erstellung einer Übersicht über die gesamte Medikation und den Versand dieses aktuellen kompletten Medika- tionsplans mit eingenommener Selbstmedikation einen weiteren Beitrag zur Erhöhung der Arzneimit- teltherapiesicherheit geleistet. Durch die Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden" könnten UAE vermieden worden sein, allerdings ist die Messung dessen im Rahmen der Untersuchungen nicht vorgesehen gewesen. Die Ergebnisse dieser Auswertung werden einen Einfluss auf das Fortführen der Maßnahme haben. Ein großes Risikopotential innerhalb der Medikationen zeigt, neben dem positiven Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit durch die Identifikation von potentiellen Verordnungsfehlern, eine hohe Dringlichkeit, diese oder andere Maßnahmen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit im ambulanten Bereich weiter auszubauen und fortzuführen. | 137

Zusammenfassung

5 Zusammenfassung

Friederike Laidig Evaluation einer Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bei ambulanten Patienten

Etwa 5 % aller Krankenhausaufnahmen sind durch unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) verursacht, bei älteren Menschen ist der Anteil mit etwa 15 % sogar höher. Bis zu 1 % der UAE enden tödlich, dabei wären 20 % der UAE vermeidbar, da sie durch Medikationsfehler verursacht werden. Medikationsfehler können an jeder Stelle des Medikationsprozesses auftreten, dabei haben Verschreibungsfehler mit 49 % den größten Anteil. Da der Ablauf von der Arzneimittelverordnung bis zur -applikation im ambulanten Bereich komplexer ist als im stationären Bereich, sind geeignete Methoden zur Vermeidung von Medikationsfehlern komplizierter umzusetzen. Patienten mit Poly- medikationen haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von UAE, daher sind Medikationsanalysen notwendig, um potentielle Verschreibungsfehler zu identifizieren und so mögliche unerwünschte Arzneimittelereignisse zu vermeiden. Eine zusätzliche Risikobewertung kann den Schweregrad der identifizierten Risikoverordnungen einstufen. In dieser Arbeit wurde die Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ der kaufmännischen Krankenkasse evaluiert. Das Ziel der Maßnahme war dabei, die Arzneimitteltherapiesicherheit bei ambulanten Patienten mit Polypharmazie und Multimorbidität zu erhöhen.

In dieser Maßnahme wurden die Patienten, die mindestens fünf Arzneimittel einnahmen und ein erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung hatten, nach Zustimmung in ein telefonisches Gesundheitscoaching aufgenommen. Ein Expertenteam, bestehend aus klinischen Pharmakologen und einem Apotheker, führte Medikationsanalysen durch und wertete die Medikationen der Patienten im Hinblick auf Risikoverordnungen aus. Die behandelnden Ärzte erhielten Kurz- oder ausführlichere Direktkonsile, sowie das Angebot einer telefonischen Beratung durch das Experten- team. Zur Evaluation wurden die Ergebnisse von 400 Medikationsanalysen als potentielle Verordnungsfehler in acht Haupt- und 33 Unterkategorien eingeordnet und die Häufigkeit ihres Auftretens festgestellt sowie die involvierten Arzneimittel erfasst. Die Zuverlässigkeit der Datenbasis, die den Medikationsanalysen zu Grunde lag wurde durch das Expertenteam beurteilt. Anschließend wurde der Schweregrad der potentiellen Verordnungsfehler durch ein weiteres Expertenteam, das aus klinischen Pharmakologen und Internisten bestand, über die Delphi-Methode eingruppiert, um die möglichen risikoreichen Auswirkungen zu bestimmen. Ein Risikoindex wurde aus dem Schweregrad und dem Risiko des betroffenen Arzneimittels errechnet, um das Risiko der potentiellen Verschreibungsfehler der Haupt- und Unterkategorien zu quantifizieren. Die Rückmeldungen der | 138

Zusammenfassung

Ärzte wurden dokumentiert und interpretiert. Unterschiede der Medikationen vor und nach Konsilversand wurden nicht ausgewertet, da kein ausreichendes Follow-up durchgeführt wurde.

Das Patientenkollektiv umfasste 400 Patienten, davon waren 48 % weiblich, 52 % männlich und das Durchschnittsalter ergab 70 Jahre. Sie nahmen durchschnittlich 13,4 Arzneimittel ein, darunter 0,8 Arzneimittel aus der Selbstmedikation. Die am häufigsten auftretenden Erkrankungen waren Hypertonie, koronare Herzerkrankung und Diabetes mellitus Typ II. Insgesamt wurden 2943 potentielle Verordnungsfehler identifiziert. Von den 400 Patienten wiesen 84 % in der Haupt- kategorie „Indikation“, 74 % in der Hauptkategorie „Risikomedikamente“, 59 % in der Hauptkategorie „Dosierung“ und 58 % in der Hauptkategorie „Interaktionen“ mindestens einen potentiellen Verord- nungsfehler auf. In die höchsten Schweregrade eingestuft wurden die Unterkategorien „Kontraindikation” und „kontraindizierte Interkationen”, in die geringsten Schweregrade die Unterkategorien „geringfügige Interaktion“, „keine Interaktion“, „fehlerhafter Applikationszeitpunkt“ und „Reduktion der Tablettenzahl möglich“. Der höchste Risikoindex wurde für die Unterkategorien „Kontraindikation“ und „PRISCUS-Arzneimittel“ errechnet und der geringste Risikoindex für die Unterkategorien „geringfügige Interaktion“ und „widersprüchlich/keine Interaktion“. Jeder behandelnde Arzt erhielt ein Konsil, es meldeten sich aber nur 17 % der angeschriebenen Ärzte nach einem durchschnittlichen Zeitraum von 49 Tagen zurück. 13 % der Ärzte meldeten sich bei dem Expertenteam für ein telefonisches Beratungsgespräch zurück. Die Rückmeldungen waren zu 37 % positiv, zu 15 % negativ und für 49 % der rückmeldenden Ärzte ergab sich eine neutrale Einstellung zu der Maßnahme.

Diese Evaluation zeigt, dass bei Polymedikationen älterer, ambulanter Patienten eine große Anzahl Verordnungsfehler auftreten, von denen UAE ausgehen können, und die so ein hohes Risiko für den Patienten darstellen. Die Arzneimitteltherapiesicherheit könnte nachhaltig verbessert werden, wenn geeignete Programme dauerhaft in der ambulanten Arzneimittelversorgung einge- richtet würden. Die Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ der KKH stellt einen ausbaufähigen Ansatz zur Verwirklichung dieses Ziels dar. Allerdings müssten Polymedikationen in der ambulanten Praxis regelmäßig bewertet und Medikationsüberprüfungen für alle Patienten mit Polypharmazie bereitgestellt werden, um mehr Arzneimitteltherapiesicherheit zu gewährleisten. Medikations- überprüfungen sollten daher vermehrt in der täglichen Routine eingesetzt werden. Insbesondere könnte ein interdisziplinäres Expertenteam die Qualität von Medikationsüberprüfungen verbessern. Den behandelnden Ärzten kommt die wichtigste Rolle bei den Überprüfungen zu, da sie die Patientenhistorie genau kennen. Weiter könnten Apotheker dazu beitragen, die wichtigen Medika- tionsdaten, inklusive der Selbstmedikation, zusammenzutragen, um eine Medikationsüberprüfung der Gesamtmedikation möglich zu machen. | 139

Zusammenfassung

Die Zusammenarbeit zwischen Krankenkasse und klinischen Pharmakologen war in dieser Maß- nahme effektiv, könnte künftig aber noch optimiert werden mit dem Ziel, bei den behandelnden Ärzten eine höhere Akzeptanz zu erreichen und schnelleres Handeln bei identifizierten Risiken möglich zu machen. Medikationsüberprüfungen durch klinisch-pharmakologische Experten und die pharmakotherapeutische Beratung möglichst vieler behandelnder Ärzte, die sich auf den Versand eines Konsils hin zurückmelden, kann ein Schlüssel sein, um Medikationsfehler zu verringern und um Polymedikationen von ambulanten Patienten zu optimieren.

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Zusammenfassung (englisch)

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Friederike Laidig Evaluation of a method for improving medication safety in ambulatory care

Adverse Drug Events (ADEs) are estimated to cause about 5 % of all hospital admissions. Within the elderly this percentage is even higher with about 15 %. 1 % of all ADE lead to death, though about 20 % of ADE are preventable, being caused by medication errors. Medication errors can occur in any phase within the process of medication therapy, thereof prescribing errors being the most frequent with 49 %. Since this process of prescribing and medication therapy is more complex in ambulatory care than in hospital settings, it is difficult to implement adequate programms to avoid medication errors. Patients with polypharmacy are more likely to experience an ADE. Therefore, structured analyses of polymedications are essential in order to detect potential prescribing errors and to discover potential ADEs. In addition, risk assessment can be used to grade severity of identified critical prescriptions. In this thesis the programm “Safe use of medication” from Kaufmännische Krankenkasse (KKH) was evaluated. The aim of this programm was to increase medication safety of patients with polypharmacy and multimorbidity.

Within this programm patients, taking at least 5 drugs regularly and having an increased risk for hospital admission, agreed to receive a telephonic health coaching. An expert team, consisting of clinical pharmacologists and a pharmacist, analyzed their with regard to risk prescriptions. Attending physicians received a report, either in a short or a more detailed version, and were offered to contact the experts for counseling. As part of the evaluation, potential prescribing errors resulting from 400 medication analyses were categorized into eight main categories and 33 subcategories of types of prescribing errors. Their frequency was registered as well as the involved drugs. The reliability of the data underlying the medication analyses was appraised by the expert team. Subsequently severity of the prescribing errors was rated with a Delphi method by a second expert team consisting of clinical pharmacologists and internists for estimating the potential high-risk effects. A risk score was calculated as an attempt to quantify and compare the risk effects of the prescribing errors. The risk score was combined by severity of the potential prescribing errors and the drugs own risk for each category and subcategory. Feedback from the physicians was recorded and interpreted as well. Differences in medication therapy before and after counseling were not evaluated for there was no adequate follow-up carried out.

The collective consisted of 400 patients, thereof 48 % were female and 52 % were male with an average age of 70 years. They took an average of 13.4 drugs regularly, thereof 0.8 being drugs of self-

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Zusammenfassung (englisch) medication. The most common diagnoses were hypertension, coronary heart disease and diabetes mellitus type II. 2943 critical prescriptions were identified. Highest frequencies were found in the category unclear indication within 84 %, in interactions within 74 %, in risk or PRISCUS medication within 59 % and in dosage within 58 % of the 400 participants. Severity was rated highest for the subcategories contraindication and contraindicated interactions while lowest severity was observed for subcategories minor and not clinical relevant interactions, wrong application time and possible reduction of the number of tablets. Highest rate for the risk score was found within the subcategory contraindication and PRISCUS medication while the lowest risk score was assessed for minor and debatable interaction and no interaction found. Every physician received a report, but only 17 % of the physicians replied after an average period of 49 days. 13 % of all physicians replied to receive a counseling conversation with the expert team. 37 % of the replies were positive, 15 % of the physicians gave a negative response to the campaign and 49 % gave a neutral feedback.

The results of this evaluation clearly show that critical prescriptions are of very high frequency in polymedications of the eldery, which have a high risk to suffer ADEs arising from polypharmacy. Medication safety can be strongly improved if appropriate programs are being installed permanently in ambulatory care. The programm “Safe use of medication” of KKH constitutes an expandable approach to reach this aim. Polymedications still need to be reviewed constantly in ambulatory care and medication checks need to be amenable to all patients holding a polypharmacy to ensure better medication safety. Therefore, the implementation of medication reviews needs to be established in daily practice of ambulant settings. Particularly the assimilation of an interdisciplinary expert team improves the quality of medication reviews. However, the most important role within these reviews comes up to the attending physicians because they know the medical history of the patient. Furthermore, pharmacists can contribute to collect all necessary data of medication including self- medication to make medication checks of polymedications possible.

Cooperation between health insurance companies and clinical pharmacologists was effective within this programm but needs to be optimized with the objective to receive a better acceptance by physicians and more rapid ability to react. Medication checks carried out by pharmacotherapy experts and pharmacological consulting with a high response of attending physicians can be a key tool to reduce medication errors and to improve polymedications of patients in ambulatory settings.

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Abb. 1: Der ambulante/klinische Medikationsprozess in der Arzneimitteltherapie (MFA=medizinische/r Fachangestellte/r, Rp=Rezept, PTA=pharmazeutisch technische/r Assistent/in) (1,9,16)...... 10 Abb. 2: Muster des patientenbezogenene Medikationsplans, Version 2.0 mit Korrekturen vom 16.12.2014 (29)...... 12 Abb. 3: Schweizer Käsescheibenmodell zur Beschreibung der Entstehung eines Medikationsfehlers, modifiziert nach Reason (60)...... 15 Abb. 4: Grafische Darstellung des Zusammenhangs zwischen unerwünschtem Arzneimittelereignis (UAE) und Medikationsfehler, modifiziert nach Morimoto (32)...... 16 Abb. 5: Einzelne Aspekte zur Evaluation der Maßnahme "Arzneimittel sicher anwenden"...... 22 Abb. 6: Die drei Teilbereiche der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden" der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH)...... 23 Abb. 7: Schematischer Ablauf der Maßnahme "Arzneimittel sicher anwenden" der Kaufmännischen Krankenkasse (185)...... 24 Abb. 8: Schematischer Ablauf des Gesundheitscoachings der KKH (108)...... 26 Abb. 9: Datenherkunft, Datenzusammensetzung und Datensammlung...... 36 Abb. 10: Schematischer Ablauf der Delphi-Methode (184)...... 54 Abb. 11: Kriterien zur Auswertung der schriftlichen Rückmeldungen und der telefonischen Beratungsgespräche...... 59 Abb. 12: Verteilung der verschiedenen Altersklassen im gesamten Patientenkollektiv für männliche Patienten (m Alter, untere Säulen) und weibliche Patienten (w Alter, obere Säulen) (n=400)...... 61 Abb. 13: Verteilung der einzelnen BMI-Klassen nach der Klassifikation der WHO (143) des Patientenkollektivs (n=392)...... 62 Abb. 14: Verteilung der Stadien der Niereninsuffizienz bei chronischer Nierenerkrankung nach ICD-10-GM 2013 (148) im gesamten Patientenkollektiv (n=400)...... 62 Abb. 15: Arzneimitteleinnahme der Patienten mit der Anzahl je eingenommener Medikamente im Kollektiv, für männliche Patienten (m Medi, untere Säulen) und weibliche Patienten (w Medi, obere Säulen) (n=400). 63 Abb. 16: Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Anzahl eingenommener Arzneimittel und dem Alter für männliche Patienten (m Medi, ●) und weibliche Patienten (w Medi, X), lineare Regressionsgerade für den Zusammenhang bei männlichen (―) und weiblichen Patienten (‐ ‐ ‐) (n=400)...... 64 Abb. 17: Häufigkeiten der ATC-Hauptgruppen der Arzneimittel, die von den Patienten eingenommen wurden (n=5357)...... 65 Abb. 18: Eingenommene Arzneimittel in Selbstmedikation im Patientenkollektiv für männliche (m Selbstm, untere Säulen) und weibliche Patienten (w Selbstm, obere Säulen) (n=160)...... 66 Abb. 19: Häufigkeiten der vorliegenden Diagnosen je Patient im gesamten Kollektiv (n=400)...... 67 Abb. 20: Häufig-keiten der einzelnen Diagnosen der Hauptkapitel des ICD-10-GM 2013 Codes (n=3273)...... 68 Abb. 21: Zusammenhang zwischen der Anzahl an Diagnosen und dem Alter für männliche Patienten (m Diagnosen, ●) und weibliche Patienten (w Diagnosen, X), lineare Regressionsgerade für den Zusammenhang bei männlichen (―) und weiblichen Patienten (‐ ‐ ‐) (n=400)...... 69 Abb. 22: Darstellung des Zusammenhangs zwischen eingenommenen Arzneimitteln und der Anzahl Diagnosen je Patient für männliche Patienten (m Medi, ●) und weibliche Patienten (w Medi, X), lineare Regressionsgerade für den Zusammenhang bei männlichen (―) und weiblichen Patienten (‐ ‐ ‐) (n=400)...... 69

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Abb. 23: Verteilung der 2943 identifizierten potentiellen Verordnungsfehler in den acht Hauptkategorien...... 72 Abb. 24: Anzahl der Patienten mit der Anzahl verordneter Arzneimittel der Hauptkategorie „Indikation" (n=336)...... 73 Abb. 25: Anzahl der Patienten mit verordneten Risikoarzneimitteln (n=235)...... 78 Abb. 26: Anzahl der Patienten mit unterschiedlicher Häufigkeit an vorliegenden Arzneimittelinteraktionen (n=294)...... 82 Abb. 27: Verteilung der Interaktionen nach dem klinischen Schweregrad (n=815)...... 82 Abb. 28: Anzahl der Patienten mit Häufigkeiten der Arzneimittel mit fehlerhafter Dosierung (n=230)...... 87 Abb. 29: Aufteilung der Doppelverordnungen nach Übereinstimmung der ATC-Codes der Arzneimittel (n=165)...... 96 Abb. 30: Anzahl der Patienten mit der Häufigkeit der vorliegenden Doppelverordnungen (n=118)...... 96 Abb. 31: Anzahl der Patienten mit unterschiedlicher Häufigkeit an Versorgungslücken (n=125)...... 99 Abb. 32: Verteilung der Schweregradwerte der Unterkategorien nach der zweiten Delphi-Runde mit der Angabe der jeweiligen Zuverlässigkeiten „A“ und „B“...... 107

Abb. 33: Vergleichende Darstellung der Risikoindexe rk der acht Hauptkategorien für das gesamte Patientenkollektiv mit Angabe der von einem Verordnungsfehler betroffenen Patienten je Hauptkategorie (n=400)...... 108

Abb. 34: Häufigkeiten und Risikoindexe rk und rj für die Hauptkategorie „Indikation" und die zugehörigen vier Unterkategorien (n=400)...... 109 Abb. 35: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Risikomedikamente" und die zugehörigen drei Unterkategorien (n=400)...... 110 Abb. 36: Verteilung der Risikoindexe der Hauptkategorie „Interaktion" und der zugehörigen Unterkategorien (n=400)...... 111 Abb. 37: Risikoindex der Hauptkategorie „Kontraindikation" (n=400)...... 111 Abb. 38: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Dosierung" und die zugehörigen Unterkategorien (n=400)...... 112 Abb. 39: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Dosisanpassung an die Nierenfunktion" und die zugehörigen drei Unterkategorien (n=400)...... 112 Abb. 40: Häufigkeiten und Risikoindexe für die Hauptkategorie „Doppelverordnung" und die zugehörigen Unterkategorien (n=400)...... 113 Abb. 41: Risikoindex der Hauptkategorie „Versorgungslücke" (n=400)...... 113

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Tab. 1: Im Zuständigkeitsbereich des BfArM verkehrsfähige Arzneimittel (Juni 2015) (20)...... 11 Tab. 2: Prozessänderungen der Maßnahme im Zeitraum von Januar 2012 bis Juli 2013...... 35 Tab. 3: Beispieltabelle zur Sammlung der patientenbezogenen Daten...... 37 Tab. 4: Zielsetzung des Arzneimittel-Konsils nach „Anlage 2" (111) und Festlegung der acht Hauptkategorien. 38 Tab. 5: Vergleich der Risikokategorien der drei Interaktionsdatenbanken und Zuordnung in Auswertungskategorien...... 43 Tab. 6: Das ATC-Klassifikationssystem am Beispiel Metformin (140)...... 47 Tab. 7: Klassifikation der WHO zur Einstufung des Body-Mass-Index (143)...... 50 Tab. 8: Stadien der Niereninsuffizienz bei chronischer Nierenerkrankung (CKD) nach ICD-10-GM 2013 (148). .. 50 Tab. 9: Beschreibung der Parameter der Formel zur Berechnung des Risikoindexes...... 56

Tab. 10: Beispielwerte zur Berechnung des Risikoindexes rk einer fiktiven Hauptkategorie k mit zwei enthaltenen Unterkategorien und insgesamt sechs involvierten Arzneimitteln bei drei Patienten...... 57 Tab. 11: Einteilung der drei Arzneimittelklassen zur Beschreibung des Risikos der enthaltenen Arzneimittel, kursiv=ergänzte Arzneimittel (-gruppen) (angepasst nach Bertsche et al. (151))...... 58 Tab. 12: Patientencharakteristika mit wichtigen Kenngrößen (SD=Standardabweichung), Bezugszahl Patienten n=400...... 60 Tab. 13: Die häufigsten eingenommenen Arzneimittel im Patientenkollektiv (TAH = Thrombozytenaggregationshemmung) (n=400)...... 64 Tab. 14: Die häufigsten eingenommenen Arzneimittel im Patientenkollektiv nach dreistel-ligem ATC-Code 2013 (n=5357)...... 65 Tab. 15: Die häufigsten Arzneimittel, die in Selbstmedikation eingenommen wurden (n=331)...... 67 Tab. 16: Die häufigsten eingenommenen Arzneimittel in Selbstmedikation auf dreistelliger ATC-Code Ebene (n=331)...... 67 Tab. 17: Häufigste Diagnosen je Patient nach dreistelligem ICD-10-GM 2013 Code im Patientenkollektiv (n=400)...... 68 Tab. 18: Übersicht der Ergebnisse der Medikationsanalysen, eingeteilt in acht Haupt- und 33 Unterkategorien...... 72 Tab. 19: Die häufigsten Arzneimittel, die ohne eine dem Expertenteam vorliegende Indikation verordnet waren (n=673)...... 74 Tab. 20: Verordnete Arzneimittel mit vorliegender Indikation, allerdings besserer therapeutischer Alternative (n=10)...... 75 Tab. 21: Die häufigsten eingenommen Arzneimittel ohne Wirksamkeitsnachweis bei nicht vorliegender Indikation (n=38)...... 76 Tab. 22: Die häufigsten als Dauertherapie verordneten Arzneimittel ohne vorliegende Indikation (n=142)...... 77 Tab. 23: Die häufigsten verordneten Arzneimittel der PRISCUS-Liste (n=121) bei den Patienten älter als 65 Jahre...... 78 Tab. 24: Die häufigsten verordneten Arzneimittel der PRISCUS-Liste (n=170) bei allen 400 Patienten im Kollektiv...... 79 Tab. 25: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Gabe auf Grund einer vorliegenden Diagnose oder aus anderen Gründen risikobehaftet ist (n=145)...... 80 Tab. 26: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dauergabe auf Grund vorliegender Diagnosen oder wegen eines erhöhten Nebenwirkungspotentials risikobehaftet ist (n=61)...... 81 | 145

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Tab. 27: Die am häufigsten auftretenden, als „kontraindiziert" eingestuften Interaktionen (n=19)...... 83 Tab. 28: Die am häufigsten auftretenden Interaktionen, die als „schwerwiegend" eingestuft wurden (n=352). 83 Tab. 29: Interaktionen, die als „moderat" eingestuft wurden (n=363)...... 84 Tab. 30: Die häufigsten Interaktionen, die als „geringfügig" eingestuft wurden (n=22)...... 85 Tab. 31: Interaktionen, die durch die Datenbanken als „widersprüchlich" oder „keine klinisch relevante Interaktion“ eingestuft wurden (n=22)...... 85 Tab. 32: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Gabe auf Grund einer vorliegenden Diagnose kontraindiziert war (n=22)...... 86 Tab. 33: Die häufigsten verordneten Arzneimittel in einer Dosierung, die die vom Hersteller empfohlene Höchstdosis überschreiten (n=29)...... 87 Tab. 34: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dosierung oberhalb der in der Fachinformation für die angegebene Indikation liegt (n=77)...... 88 Tab. 35: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dosierung unterhalb der in der Fachinformation für die vorliegende Indikation angegebenen Dosierung liegt (n=10)...... 89 Tab. 36: Die häufigsten Arzneimittel, die in einem nicht korrekten Applikationsintervall gegeben wurden (n=177)...... 89 Tab. 37: Gabe eines Arzneimittels zu einem nicht korrekten Applikationszeitpunkt (n=17)...... 90 Tab. 38: Arzneimittel mit einem Applikationsintervall von mehr als 24 Stunden erforderlich (n=33)...... 91 Tab. 39: Dosierung der Arzneimittel unklar wegen fehlender Angaben im Medikationsplan, k.A.=keine Angabe (n=8)...... 92 Tab. 40: Reduktion der Tablettenzahl durch Gabe höher dosierter Tabletten möglich (n=5)...... 92 Tab. 41: Anpassung der Dosierung der Arzneimittel an die eingeschränkte Nierenfunktion erforderlich (n=70)...... 94 Tab. 42: Die häufigsten Arzneimittel, deren Gabe bei eingeschränkter Nierenfunktion nur mit Vorsicht empfohlen ist (n=26)...... 95 Tab. 43: Kontraindikation für die Anwendung bei eingeschränkter Nierenfunktion (n=54)...... 95 Tab. 44: Die häufigsten Doppelverordnungen beim gesamten Patientenkollektiv (n=165)...... 97 Tab. 45: Die häufigsten Doppelverordnungen mit Übereinstimmung der ATC-Codes in allen sieben Stellen (n=60)...... 97 Tab. 46: Die häufigsten Doppelverordnungen mit Übereinstimmung des ATC-Codes in 5 Stellen (n=63)...... 98 Tab. 47: Die häufigsten Doppelverordnungen mit Übereinstimmung des ATC-Codes in ein bis drei Stellen (n=18)...... 98 Tab. 48: Vom Expertenteam identifizierte bestehende, häufig auftretende Versorgungslücken der Patienten (n=171)...... 99 Tab. 49: Übersicht über die Haupt- und Unterkategorien der eingenommenen Arzneimittel der Selbstmedikation (n=400)...... 101 Tab. 50: Stimmverteilung in den Delphi-Runden zur Einstufung des Schweregrads der Verordnungsfehler. ... 105

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10 Anhang

Tab. A1: Fragebogen der Kaufmännischen Krankenkasse zur Bewertung der Auswirkungen des telefonischen Gesundheitscoachings auf die an der Maßnahme "Arzneimittel sicher anwenden" teilnehmenden Patienten.

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Tab. A2: Beispiel eines Kurzkonsils in der endgültigen Version mit der Charakterisierung "Empfehlung".

Dr. med. Hausarzt Beispielstraße 1 12345 Musterhausen

Ihr Zeichen: Mein Zeichen: E-Mail: 30. August 2012 MHH xxx-2012

Arzneimittel-Konsil für Ihren Patienten Willi Mustermann, geb. am 27.02.57

Sehr geehrter Herr Dr. Hausarzt, mit Einverständnis Ihres Patienten hat das Institut für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ein fallbezogenes Arzneimittel-Konsil erstellt. Seit 1994 bieten wir niedergelassenen Ärzten ein unabhängiges Informationsangebot zur Arzneimitteltherapie an.

Wie können Sie das Arzneimittel-Konsil nutzen? Unsere erste Vorbetrachtung der Arzneimitteltherapie Ihres Patienten ergab mögliche Ansatzpunkte zur Optimierung bei folgenden Arzneimitteln: . Citalopram, ASS, Clopidogrel, Ginkgo . Allopurinol . Trimipramin . Doxazosin Zu einem fachlichen Austausch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Bitte geben Sie uns bei Interesse eine kurze schriftliche Mitteilung per FAX oder Email mit Hinweis auf den oben genannten Patienten. Gerne rufen wir Sie dann zu einem von Ihnen gewünschten Termin in Ihrer Praxis zurück.

Mit freundlichen Grüßen

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Tab. A3: Beispiel eines Direktkonsils.

Dr. med. Hausarzt

Beispielstraße 1 12345 Musterhausen

Ihr Zeichen: Mein Zeichen: E-Mail: 08. Mai 2013 MHH xxx-2013

Arzneimittel-Konsil für Ihre Patientin Martha Musterfrau, geb. am 03.06.35

Sehr geehrter Herr Dr. Hausarzt, das Institut für klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat ein fallbezogenes Arzneimittel-Konsil zu Ihrer o.g. Patientin erstellt. Wir bieten niedergelassenen Ärzten seit 1994 ein unabhängiges Informationsangebot zur Arzneimitteltherapie an. Auf pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Basis untersuchen wir die Medikation nach Hinweisen auf mögliche Medikamenteninteraktionen und unterstützen Sie bei Pharmakotherapiefragen im Alter und speziellen klinischen Situationen. Die Kosten hierfür werden von der KKH übernommen.

Das Einverständnis Ihrer Patientin für ein solches Konsil liegt uns vor und wir erhielten bereits Informationen zu ihrer aktuellen Medikation sowie einige klinische Angaben.

Unsere erste Vorbetrachtung der Arzneimitteltherapie Ihrer Patientin ergab mögliche Ansatzpunkte für eine Optimierung bei folgenden Arzneimitteln:

 Digitoxin gehört insbesondere im Alter zu den Reservemedikamenten bei supraventrikulärer Tachykardie und Herzinsuffizienz. Es zeigt insbesondere in Kombination mit Diuretika (hier Furosemid und HCT) ein erhöhtes UAW Potential. Bei

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erniedrigten Kalium Werten könnten Symptome einer Digitalisintoxikation bereits bei therapeutischen Plasmakonzentrationen auftreten.

 Das NYHA Statium geht aus den uns vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Bereits ab Stadium II ist ein Aldosteronantagonist indiziert (insbesondere bei Fortführung der Digitoxintherapie).

 Bisoprolol hat eine Wirkdauer von 24h, eine einmal tägliche Gabe ist meist ausreichend (Empfehlung 10mg, in Ausnahmefällen bis 20mg).

 Die Indikation für Amitriptylin ist unklar. Im Alter und bei bestehender kardialer Erkrankung sollte der Einsatz wenn möglich vermieden werden (PRISCUS-Liste). Zur Schlafmodulation wird eine abendliche Gabe von Zolpidem empfohlen, zur adjuvanten Schmerztherapie stellt Venlafaxin eine wirksame und sichere Alternative dar. Zur Therapie einer möglicherweise vorliegenden Depression könnte z.b. Mirtazapin gegeben werden. Bei Dosisveränderungen unter einer gleichzeitigen Behandlung mit Antagonisten sollte die Gerinnung regelmäßig überprüft werden.

 Bei chronischer Obstipation unter Opioidtherapie könnte alternativ zu Bisacodyl, welches häufiger zu Hypokaliämien führt, Movicol® eingesetzt werden. Die tägliche Trinkmenge ist jedoch zu beachten (2-3 Liter tägl.).

Zu einem fachlichen Austausch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Bitte geben Sie uns bei Interesse eine kurze schriftliche Mitteilung per FAX oder Email mit Hinweis auf die oben genannte Patientin. Gerne rufen wir Sie dann zu einem von Ihnen gewünschten Termin in Ihrer Praxis zurück.

Mit freundlichen Grüßen

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Tab. A4: Fragebogen zur Einschätzung der Zuverlässigkeit der Datenbasis zur Erstellung der Medikationsanalysen durch das Expertenteam. Einteilung in "(A) Vorliegen einer für den Patienten unangemessenen Verordnung" und "(B) Es ist abhängig vom klinischen Bild des Patienten, ob eine unangemessene Verordnung vorliegt.". Indikation Beispiel (A) (B) 1. Verschreibung eines Arzneimittels, für welches - Gabe von Allopurinol bei fehlender keine Indikation für den Patienten vorliegt. (1) Diagnose „Gicht“ [n=673 in 303 Konsilen] - Gabe von L-Thyroxin bei fehlender Diagnose „Hypothyreose“ - Gabe von MTX bei fehlender Diagnose „rheumatoide Arthritis“ 2. Verordnung eines Arzneimittels, für welches - Gabe von Atenolol statt Bisoprolol, zwar eine Indikation gegeben ist, diese allerdings Metoprolol unklar ist. - Gabe von Torasemid bei Herzinsuffizienz [n=10 in 9 Konsilen] NYHA I statt HCT - Gabe von Urapidil statt eines Calcium- Antagonisten 3. Verordnung eines Arzneimittels, bei dem laut - Gabe von ACC bei COPD Studienlage kein Wirksamkeitsnachweis - Gabe von Montelukast bei Asthma gegeben ist. bronchiale [n=38 in 34 Konsilen] - Gabe von Diclofenac-Gel bei Erkran- kungen des Bewegungsapparates 4. Es wird eine Dauertherapie verordnet, ohne dass - Gabe von Pantoprazol 40mg/d die Indikation ersichtlich ist, eine Bedarfsgabe - Gabe von Simeticon wäre gegebenenfalls ausreichend. - Gabe von Tilidin [n=142 in 130 Konsilen]

PRISCUS-/Risikoarzneimittel Beispiel (A) (B) 1. Verordnung eines Arzneimittels, das Bestandteil - Gabe von Bromazepam der PRISCUS-Liste ist. (2) - Gabe von Clonidin [n=170 in 137 Konsilen] - Gabe von Digoxin 2. Verordnung eines Arzneimittels, dessen Gabe auf - Gabe von Glyceroltrinitrat bei Blutdruck- Grund des klinischen Bildes des Patienten spitzen risikobehaftet ist. - Gabe von MCP mit Risiko extrapyra- [n=145 in 117 Konsilen] midal-motorischer Störungen - Gabe von Metamizol mit Risiko einer Agranulocytose 3. Ein Arzneimittel wird in einer Dauertherapie - Risiko einer Agranulocytose bei regelm. verordnet, wobei die Dauertherapie mit einem Gabe von Metamizol erhöhten Risiko verbunden ist. - Risiko extrapyramidalmotorischer [n=61 in 55 Konsilen] Nebenwirkungen bei regelm. Gabe von MCP - Risiko von Elektrolytstörungen bei regelm. Gabe von Natriumpicosulfat

Interaktion Beispiel (A) (B) 1. Gabe zweier Arzneimittel mit einer - Aliskiren – Telmisartan "contraindicated“ Interaktion. - Citalopram – MCP [n=14 Micromedex + n=2 AidKlinik + n=3 - Amitritpylin – Domperidon Lexicomp in 16 Konsilen] 2. Gabe zweier Arzneimittel mit einer „major“ - Phenprocoumon – Simvastatin Interaktion. - Allopurinol – Enalapril [n=292 Micromedex + n=45 AidKlinik + n=15 - MTX – Pantoprazol Lexicomp in 196 Konsilen]

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3. Gabe zweier Arzneimittel mit einer „moderate“ - ASS – Prednisolon Interaktion. - Candesartan – Spironolacton [n=276 Micromedex + n=51 AidKlinik + n=36 - Amlodipin – Simvastatin Lexicomp in 192 Konsilen] 4. Gabe zweier Arzneimittel mit einer „minor“ - Alendronsäure – Calcium Interaktion. - Furosemid – Theophyllin [n=3 Micromedex + n=18 AidKlinik + n=1 - Exenatid – Paracetamol Lexicomp in 22 Konsilen] 5. Gabe zweier Arzneimittel mit der Angabe - Carbamazepin – Pantoprazol „widersprüchliche Erkenntnisse“ oder „keine - Levodopa – Rasagilin klinisch relevante Interaktion“ - ASS – Pantoprazol [n=22 AidKlinik in 20 Konsilen] 6. In keiner der drei Datenbanken aufgeführt. - ASS – Mirtazapin [n=37 in 22 Konsilen] - Febuxostat – Xipamid - Ginkgo – Pentoxifyllin

Kontraindikation Beispiel (A) (B) 1. Verordnung eines Arzneimittels für einen - Gabe Bisoprolol bei vorliegendem Patienten, für den das Arzneimittel auf Grund Asthma bronchiale des vorliegenden klinischen Bildes kontraindiziert - Gabe von Celecoxib bei vorliegender KHK ist. (1) - Gabe von Verapamil bei Herzinsuffizienz [n=22 in 21 Konsilen]

Dosierung Beispiel (A) (B) 1. Verordnung eines Arzneimittels in einer - Gabe von 48mg/d Candesartan statt Dosierung oberhalb der in der Fachinformation 32mg/d empfohlenen Höchstdosis. (1) - Gabe vom 180 Trp./d Metamizol statt [n=29 in 29 Konsilen] 120 Trp./d - Gabe von Tiotropiumbromid 2xtgl. statt 1xtgl. 2. Verordnung eines Arzneimittels in einer Dosie- - Gabe von 150mg/d ASS statt 100mg/d rung oberhalb der in der Fachinformation ange- - Gabe von 40mg/d Pantoprazol statt gebenen Therapieempfehlung für das klinische 20mg/d Bild des Patienten, wobei die Höchstdosis nicht - Gabe von 30mg/d Torasemid statt überschritten ist. 20mg/d [n=77 in 71 Konsilen] 3. Verordnung eines Arzneimittels in einer - Gabe von 50mg/d Allopurinol statt Dosierung unterhalb der in der Fachinformation 300mg/d angegebenen Therapieempfehlung für das - Gabe von 10mg/d Simvastatin statt klinische Bild des Patienten, wobei eine 40mg/d notwendige Einschränkung nicht ersichtlich ist - Gabe von 12µg/d L-Thyroxin statt (z.B. eingeschränkte Nierenfunktion). (1) 25µg/d [n=10 in 10 Konsilen] 4. Verordnung eines Therapieregimes (Applika- - Gabe Metoprololsuccinat 2x tgl. statt tionsfrequenz), das für die gegebene galenische 1x tgl. Formulierung nicht empfohlen ist. (1) - Gabe Morphin retardiert 4x tgl. statt [n=177 in 131 Konsilen] 2x tgl. - Gabe Vitamin B12 1x wöchentl. statt 1x monatl. 5. Verordnung eines Therapieregimes (Applika- - Gabe HCT 1x tgl. abends statt 1x tgl. tionszeitpunkt), das für die gegebene galenische morgens Formulierung nicht empfohlen ist. (1) - Gabe Magnesium bei Wadenkrämpfen [n=17 in 16 Konsilen] 1xtgl. morgens statt 1x tgl. abends - Gabe Simvastatin 1x tgl. morgens statt

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1x tgl. abends 6. Verordnung eines Therapieregimes (Applika- - Teilung von magensaftresistenten tionsart), das für die gegebene galenische Omeprazoltabletten Formulierung nicht empfohlen ist. (1) [n=1 in 1 Konsil] 7. Statt einer täglichen Gabe wäre ein Applikations- - Gabe Colecalciferol 20.000 IE 1x tgl. statt intervall von > 24h erforderlich. alle 2 Wochen [n=33 in 31 Konsilen] - Gabe Risedronat 1xtgl. statt 1xwöchentl. - Gabe Buprenorphin TTS 1xtgl. statt 1xwöchentl. 8. Die Dosierung ist nicht eindeutig ersichtlich - Gabe Prednisolon keine Angabe wegen fehlender Angaben in der Medikations- - Dosierung Torasemid nach Gewicht statt liste. fester Dosis [n=8 in 7 Konsilen] - Gabe L-Thyroxin 100µg/88µg im Wech- sel statt kontinuierliche Gabe einer Dosis 9. Eine Reduktion der Tablettenzahl ist möglich, - Gabe von 2x10mg Xipamid statt 1x20mg z.B. durch die Einzelgabe höher dosierter - Gabe von 2x20mg Simvastatin statt Applikationsformen. 1x40mg [n=5 in 5 Konsilen] - Gabe von 2x120mg Verapamil statt 1x240mg 10. Ein Medikament wird als Bedarfsgabe gegeben, - Gabe L-Thyroxin b.B. obwohl eine Dauertherapie indiziert wäre. - Gabe HCT b.B. [n=16 in 16 Konsilen] - Gabe Pregabalin b.B. 11. Ein Medikament wird in Dauertherapie ver- - Gabe von Salbutamol 2x tgl. statt b.B. ordnet, obwohl eine Bedarfsgabe indiziert wäre. - Gabe Cefuroxim dauerhaft statt [n=8 in 8 Konsilen] 7-10 Tage - Gabe von Haenal akut dauerhaft statt 7 Tage

Nierenfunktion Beispiel (A) (B) 1. Verordnung eines Arzneimittels in einer - Gabe Allopurinol 300 mg/d bei einer Dosierung, das nach Angaben in der Fachinfor- GFR = 22 ml/min statt 90 mg mation unpassend ist für die Nierenfunktion des - Gabe von Sitagliptin 100 mg/d bei einer Patienten. (1) GFR = 48 ml/min statt 50 mg/d [n=70 in 56 Konsilen] - Gabe von Ramipril 10 mg/d bei einer GFR = 27 ml/min statt 5 mg/d 2. Gabe eines Arzneimittels bei eingeschränkter - Gabe von Spironolacton bei einer GFR Nierenfunktion, wobei die Gabe nur unter von 30-60 ml/min Vorsicht und ärztlicher Kontrolle empfohlen ist. - Gabe von Glimepirid bei Niereninsuffi- [n=26 in 24 Konsilen] zienz - Gabe von Ibuprofen bei Niereninsuffi- zienz 3. Gabe eines Arzneimittels bei eingeschränkter - Gabe von Metformin bei einer Nierenfunktion, wobei die Anwendung bei GFR < 60 ml/min Niereninsuffizienz kontraindiziert ist. - Gabe von MTX bei einer [n=54 in 48 Konsilen] GFR < 60 ml/min - Gabe von Spironolacton bei einer GFR < 30ml/min

Doppelverordnung Beispiel (A) (B) 1. Doppelte Verordnung desselben Wirkstoffes, die - Gabe von HCT in einem Kombinations- ATC-Codes stimmen in allen 7 Stellen überein. präparat und als Monopräparat. [n=60 in 53 Konsilen] - Gabe von Colecalciferol als Depot- präparat und als Kombinationspräparat

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mit Calcium - Gabe von Tilidin Retardtabletten in zwei Dosierungen 2. Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe - Gabe von Xipamid und Indapamid Indikation, wobei die ATC-Codes in 5 Stellen - Gabe von Ipratropiumbromid und übereinstimmen. (Pseudodoppelverordnung) Tiotropiumbromid [n=63 in 53 Konsilen] - Gabe von Nifedipin und Amlodipin 3. Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe - Gabe von Molsidomin und ISDN Indikation, wobei die ATC-Codes in 4 Stellen - Gabe von Carvedilol und Bisoprolol übereinstimmen. (Pseudodoppelverordnung) - Gabe von Tapentadol und Oxycodon [n=24 in 24 Konsilen] 4. Gabe von zwei Arzneimitteln für dieselbe - Gabe von Xipamid und Torasemid Indikation, wobei die ATC-Codes nicht - Gabe von Zopiclon und Lorazepam übereinstimmen. - Gabe von Pantoprazol und Magaldrat [n=18 in 17 Konsilen]

Versorgungslücke Beispiel (A) (B) 1. Unbeabsichtigtes Nichtverschreiben eines - bei beschriebener KHK oder Diabetes Arzneimittels für ein klinisches Bild, für welches mellitus fehlende Gabe eines Statins das Arzneimittel indiziert wäre. (1) - bei CHAD2DS2-VASc-Score>=2 oder [n=171 in 125 Konsilen] beschriebenem VHF fehlende Gabe von oraler Antikoagulation bzw. bei beschrie- bener KHK fehlende Gabe von Thrombozytenaggregations-hemmung - bei beschriebener Opioid-Gabe fehlende Obstipationsprophylaxe

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Danksagung

Danksagung

An erster Stelle möchte ich Herrn Prof. Dr. Dirk O. Stichtenoth danken für die freundliche Überlassung des hochinteressanten und aktuellen Themas, insbesondere für die Freiheit, die er mir bei der Ausarbeitung gewährte, aber auch für die notwendige Begrenzung und das fortwährende Ermutigen und Auffordern zum Fokussieren. Einen herzlichen Dank für die wohlwollende Begleitung meiner Arbeit.

Herrn Prof. Dr. Nils Schneider danke ich herzlich für die Übernahme der Zweitbetreuung und seine Beratung mit vielen hilfreichen, konstruktiven und unterstützenden Anmerkungen.

Herrn Prof. Dr. Jens Jordan danke ich für die freundliche Aufnahme in das Institut für Klinische Pharmakologie und die gewährte Möglichkeit, wissenschaftlich tätig zu sein.

Der Kaufmännischen Krankenkasse, insbesondere Herrn Dr. Lutz Herbarth und Frau Dr. Kerstin Boldt danke ich für die gute Zusammenarbeit und die hilfreiche Kooperation.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Klinische Pharmakologie ein herzliches Danke für lebhafte, motivierende und weiterbringende Pausengespräche und nicht zuletzt für die rege Teilnahme an der Delphi-Runde.

Dr. Marcus May danke ich für seinen unermüdlichen Zuspruch und den Ansporn, das Vorhaben zuversichtlich voran- und zu Ende zu bringen und Dr. Julia Brinkmann für ihre aufbauenden und animierenden Worte und für den Smalltalk zwischendurch. Dr. Gesine Picksak danke ich für den pünktlichen "Kick", eine Doktorarbeit zu beginnen, für das stetige Interesse und den fachlichen Austausch mit vielfältigem Ermutigen.

Dr. Anke Böhmer und Dr. Arne Trettin für witzige Stunden, zahllose Mensagänge und den nötigen Grad an Unbeschwertheit, danke!

Dr. Kristine Chobanyan-Jürgens und Anja Mitschke – für die kleinen Unterhaltungen im ATIS-Raum zwischendurch und Dr. Alexander Zörner für die wertvollen Impulse auf den letzten Metern.

Und – nicht zuletzt – meiner Familie. Ob über's Telefon oder live vor Ort, für alle Unterstützung, für allen Beistand, alles Aushalten, Mitfiebern oder einfach nur schöne Zeit verbringen, ihr seid unersetzlich! Und meinen Freunden, insbesondere meinen lieben Mitbewohnerinnen Tine, Alide und Doro, für gemeinsame gemütliche Zeiten und die nötige Ablenkung, gerade in den trubeligen Zeiten. Ohne euch wäre das Vorhaben „Doktorarbeit“ nicht denkbar gewesen.

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Lebenslauf

Abstracts und Kongressbeiträge Laidig F, May M, Brinkmann J, Herbarth L, Boldt K, Jordan J, Stichtenoth DO. Evaluation of risk prescriptions and physicians' feedback in a method for improving medication safety in ambulatory care. Naunyn-Schmiedeberg´s Arch Pharmacol 2014; 387 (Suppl 1):S1–S113. (Abstract) / Short Talk, 80. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie e.V. 2014, Hannover

Laidig F, May M, Brinkmann J, Herbarth L, Jordan J, Stichtenoth DO. Examination and risk assessment of critical prescriptions in patients on polypharmacy in ambulatory care. Naunyn-Schmiedeberg´s Arch Pharmacol 2015; 388 (Suppl 1):S1–S98. (Abstract) / Short Talk, 81. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie e.V. 2015, Kiel

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Erklärung nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 der Promotionsordnung

Erklärung nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 der Promotionsordnung

Hiermit erkläre ich, dass ich die Dissertation

„Evaluation einer Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bei ambulanten Patienten" selbstständig verfasst habe. Bei der Anfertigung wurden folgende Hilfen Dritter in Anspruch genommen:

Prof. Dr. med. Dirk O. Stichtenoth, wissenschaftliche Betreuung, Beratung und Revision

Prof. Dr. med. Nils Schneider, wissenschaftliche Betreuung und Beratung

Ich habe keine entgeltliche Hilfe von Vermittlungs- bzw. Beratungsdiensten (Promotionsberater oder anderer Personen) in Anspruch genommen. Niemand hat von mir unmittelbar oder mittelbar entgeltliche Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Ich habe die Dissertation an folgenden Institutionen angefertigt:

Institut für Klinische Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover

Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover

Die Dissertation wurde bisher nicht für eine Prüfung oder Promotion oder für einen ähnlichen Zweck zur Beurteilung eingereicht. Ich versichere, dass ich die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen vollständig und der Wahrheit entsprechend gemacht habe.

Hannover, den ______Friederike Laidig

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