WeißenburgerWeißenburger BlätterBlätter GeschichteGeschichte .. HeimatkundeHeimatkunde .. KulturKultur 2/2020 Mai 2020 nostra villa villa nostra – Weißenburger Blätter Geschichte . Heimatkunde . Kultur 2/2020

Impressum: Inhalt: Herausgeber: Große Kreisstadt Weißenburg i. Bay., Ulf Beier: Neues Rathaus, 91780 Weißenburg i. Bay., Spuren mittelalterlichen Weinbaus Tel.: 09141/907102, Fax: 09141/907138 in der Region Weißenburg i. Bay. (Büro des Oberbürgermeisters) S. 5 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.weissenburg.de Erscheinungsweise: dreimal jährlich (Januar, Mai, September) Auflage: 2500 Titelbild: Schriftleitung v.i.S.d.P.: Dipl.-Archivar (FH) Reiner Kammerl, Auflistung der Heilkräfte der Weinrebe in der 1546 in Stadtarchiv, Neues Rathaus, Tel.: 09141/907222, Fax: 09141/907227, E-Mail: [email protected] Frankfurt a. M. erschienenen deutschen Ausgabe des Arz- neibuchs („De materia medica“) von Pedanios Dioscuri- Redaktion und Konzeption: Reiner Kammerl, Jürgen Schröppel des, einem griechischen Arzt, der im 1. Jahrhundert lebte Beiträge: Ulf Beier und als Pionier der Pflanzenkunde gilt. Der sogenannte Abbildungen: Ulf Beier, Staatsarchiv Nürnberg, Hubert Stanka „Dioscurides“ enthält in fünf Büchern pflanzliche und tie- und (nicht eigens angegeben) Stadtarchiv Weißenburg i. Bay. rische Nahrungs- und Arzneimittel, aber auch Genussmit- tel wie Wein und Mineralien, wobei auch die Magie ihren Satz und Druck: Buch- und Offsetdruckerei Braun & Elbel, Weißenburg i. Bay. Platz findet. Das Werk ist eines von ganz wenigen medizinischen Die „villa nostra – Weißenburger Blätter“ sind kostenlos erhält- Büchern, die sich im Bestand der Weißenburger Rats - lich in den bekannten Verteilerstellen der Stadtverwaltung (u. a. bibliothek erhalten haben. Neues Rathaus, Amt für Kultur und Touristik, Stadtbibliothek), im Weißenburger Museumsshop, im Kundenzentrum der Stadt- Gesammelt hat man Arzneibücher mit Rezepten für er- werke GmbH, in den Weißenburger Geschäftsstellen der Spar- probte Medikamente oder Kräuterbücher. Denn Heilpflan- kasse sowie den örtlichen Buchhandlungen und Banken. zen sind die ältesten Arzneimittel – und dazu gehört auch der Wein. Verwendung fanden, das zeigt die Beschrei- Bei Bedarf, soweit von Institutionen oder Gewerbebetrieben Exemplare zur Auslage in Wartezimmern o. Ä. gewünscht, oder bung, nicht nur die Reben, sondern auch die Blätter. Zu- auch falls frühere Ausgaben ganz oder teilweise benötigt werden, geschrieben hat man ihnen Heilwirkung als Pflaster, wenden Sie sich bitte an das Stadtarchiv oder das OB-Büro. gegen Magenprobleme und Entzündungen und gegen die Ruhr. Der „Safft der Weinreben“ sollte (getrunken) gegen Nachdruck und digitale Verbreitung nur mit Genehmigung des Herausgebers. Blasensteine und (äußerlich) gegen Flechten helfen. © Stadt Weißenburg bzw. Verfasser der Beiträge.

2 „Vil wein trincken ist nit gesundt ...“

Zitat aus der 1546 erschienenen deutschen Ausgabe des eingepflegt werden. Das wertvolle Wissen um frühere Pflanzen- und Arzneibuchs von Pedanios Dioscurides Kulturlandschaften wird so gleichzeitig gesichert und (vgl. Titelbild). Allerdings weist Dioscurides dem Wein für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. viele heilende Kräfte zu: Er „stercket alle krefften, Auf der Homepage des Landkreises Weißenburg- macht dem menschen freud, leichtmuetigkeyt, guete (Kultur & Freizeit/Brauchtum & Hei- hoffnung vnd vil kuenheyt”. matpflege / Erfassung von (hist.) Kulturlandschaften) Jahrhunderte nach der Ablösung des Weins als bevor- findet sich auch eine Begriffsbestimmung. So ist „Kul- zugtem Alltagsgetränk durch den aufstrebenden Bier- turlandschaft“ definiert als „...das Ergebnis der Wech- konsum haben die Freunde der weißen und roten selwirkung zwischen naturräumlichen Gegebenheiten Trauben bei uns wieder zugenommen, ja es gab sogar und menschlicher Einflussnahme im Verlauf der Ge- einen – leider gescheiterten – Versuch, bei Bubenheim schichte“. wieder Wein anzubauen. Trotz aller Anstrengungen war Die Bedeutung der historischen Kulturlandschaften es weder dem Verfasser noch den Herausgebern dieser für das unverwechselbare Gefühl von regionaler Iden- Zeitschrift möglich, Fotoaufnahmen des Bubenheimer tität und Heimat ist unbestritten. Ob man sie vor dem Weinbergs zu finden. Verschwinden bewahren kann, wird die Zukunft zei- Wer sonst als Ulf Beier hätte sich auf die Suche nach gen, das aktuelle Projekt soll zumindest ein Vergessen Zeugnissen historischen Weinanbaus im Weißenburger verhindern. Auf die Ergebnisse darf man jedenfalls ge- Land machen können. Er ist durch seine Namensfor- spannt sein. schungen in unserer Region bereits hinlänglich be- kannt; man denke nur an das in der Reihe der „Weißenburger Heimatbücher“ erschienene Straßen- Ihr Ihr namenbuch (1991, 2. Aufl. 2000) sowie das Flurna- menbuch (1995) oder an seine Beiträge in den Weißenburger Heimatblättern „villa nostra“ (zuletzt in Ausgabe 1/2009 über „Exulantennamen im Raum Jürgen Schröppel Reiner Kammerl Weißenburg“). Oberbürgermeister Stadtarchivar Inspiriert hat ihn dazu das im Frühjahr 2018 durch den Landkreis (zusammen mit anderen Regionen in Mittelfranken, Bamberg und der Oberpfalz) angesto- ßene LEADER-Projekt (es soll bis September 2020 ab- geschlossen sein) zur Erfassung von (historischen) Kulturlandschaften. Beier und andere engagierte frei- willige Mitarbeiter erforschen und dokumentieren die verschiedenen Elemente, die dann in eine Datenbank

3 - Anzeige -

4 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. Ulf Beier

Thematische Einführung sigen Raum zwischen 1819 und 1825 gemacht wurden), Mainfranken ist allgemein als Weinland bekannt. Heute alten Landkarten und Steuerverzeichnissen konnten unterscheidet man gerne Weinfranken von Bierfranken Orte und Fluren gefunden werden, deren Namen auf und meint mit Letzterem neben Oberfranken das süd- früheren Weinbau hinweisen. Denn heute besteht in un- liche Mittelfranken, weil hier traditionell guter Hopfen serer Gegend bekanntlich kein bewirtschafteter Wein- gedeiht (vgl. Abb. 11). Das war jedoch nicht immer so. berg mehr – von winzigen Stellen abgesehen. Auch auf Im Mittelalter wurde auch im Raum Weißenburg we- den ältesten Landkarten ist kein Weinberg mit Rebstö- sentlich mehr Wein getrunken als heute. Das ist keine cken eingezeichnet. neue Erkenntnis. Aber es erhebt sich die Frage: Woher kam der Wein? Bei den schlechten Verkehrsverhältnis- Historische Hinweise auf ehemaligen Weinbau im sen bis weit in die Neuzeit hinein kann man davon aus- Raum Weißenburg gehen, dass man vor Ort Weinbau betrieben haben „Von den Alpen bis nach Bamberg erstreckte sich im muss, um die nötigen Mengen zu bekommen. So ist es Mittelalter der Anbau der Rebe, sodass Bayern als nicht verwunderlich, dass auch im hiesigen Raum an Weinland galt. … Besonders geeignet erwiesen sich vielen Stellen Reben gepflanzt wurden. dabei die warmen Hänge der Kalkberge an der Donau In der vorliegenden Arbeit wird der mittelalterliche und Altmühl um Eichstätt, Rebdorf (1055), Eßlingen und frühneuzeitliche Weinbau im Altlandkreis Weißen- (1258), und (1193). … Teil- burg näher untersucht (vgl. Abb. 1), d. h. im Gebiet weise lässt sich noch im 18. Jahrhundert der Weinbau zwischen Stirn im Norden und im an den genannten Orten hier nachweisen.“ 3 Süden und zwischen Gundelsheim an der Altmühl im 1 Die Untersuchung der Ortsteile von Treuchtlingen und , die erst 1 Westen und Thalmannsfeld im Osten. nach 1972 dazukamen, blieb unergiebig. Umfangreiche Nachforschungen in Bibliotheken und 2 1801 begann die der Grundbesteuerung dienende systematische Landesver- Archiven über den Weinbau in unserer Gegend hatten messung in Bayern mit der Gründung des Topographischen Bureaus (heute Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung). Die bis 1864 leider meist nur sehr wenig Erfolg, d. h. es gibt bisher entstandenen Flurkarten (mit Grundstücksgrenzen, Gebäuden, Nutzungsar- noch keine Monografie über den ehemaligen Weinbau ten, Flurnamen, einschließlich Wege und Gewässer) bezeichnet man als Ur- im Weißenburger Raum. Diese Abhandlung versucht, aufnahmeblätter. Aufgrund von Umschreibungen und Änderungen waren ständig Neuvermessungen mit überarbeiteten Flurkarten (Extraditionspläne) jene Lücke wenigstens etwas zu schließen. Anhand von notwendig (vgl. www.ldbv.bayern.de; Aufruf vom 04.02.2020). alten Flurplänen (vor allem den sogenannten Extradi- 3 Wilhelm Kraft, Das Urbar der Reichsmarschälle von Pappenheim (Schrif- tionsplänen2 aufgrund der Uraufnahmen, die im hie- tenreihe zur bayer. Landesgeschichte, Bd. 3), München 1929, S. 52.

5 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 1: Übersichtskarte mit allen ehemaligen Weinbergen im Raum Weißenburg (Zeichnung: Ulf Beier).

6 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

tigkeit, wenn ein Wirt Wein einlagert, daß er nieman- dem davon abgibt, ehe er durch die Verordneten ge- schätzt [wurde] ausgenommen ... eine Wöchnerin oder kranke Person … “. An anderer Stelle ist zum neuen Wein bestimmt: „Wenn der neue Wein ausgereift ist und man ihn aus- schenken würde, so darf man bis zu St. Martinstag [11. November] den nicht schätzen. Hätten die Wirte aber alten Wein dabei, so sollen sie den schätzen lassen.“ 17 Diese Verordnung legt nahe, dass im Raum Weißen- burg in normalen Wirtshäusern nicht nur Wein getrun- ken wurde, sondern dass dieser wohl auch in der Nähe angebaut wurde. Denn nur so ist der Hinweis auf den

4 Ein Urbar ist ein Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft und zu erbringende Leistungen ihrer Grunduntertanen (www.wikipedia.org; Auf- ruf vom 04.02.2020). Abb. 2: In der 1546 erschienenen Ausgabe des Pflanzenbuchs 5 Im Abschnitt III (Hie hebt sich an die weinstiür) sind zahlreiche Höfe ge- von Pedanios Dioscurides findet sich ein ganzer Abschnitt nannt, die Weinsteuer leisten mussten. Das setzt natürlich den Anbau von über Wein, Weinanbau und Zubereitung. Wein voraus (Kraft, a. a. O., S. 118 f.). 6 Conrad von dem Berge. Daselb von ainem gütlein 10 dn. [= Pfennig] Item [ebenso] von aim halben gu˚t 5 dn. Es gibt weitere Quellen, die den ehemaligen Weinbau 7 Ze Hage 15 gütlein, yetlichs 6: Item doselb 3 gütlein 13 dn. im Mittelalter und der frühen Neuzeit bezeugen. 8 Otto von dem Hoff vnd der hu˚b 15 dn. Von 2 gütlein 8 dn. 4 9 Der mairhof ze Herda 15 dn vnd daz lehen 6 dn. So ist im Urbar der Reichsmarschälle von Pappen- 10 Ze Lohe 4 gütlein, yedlichs 10 dn. heim aus dem Jahr 1214 an folgenden Orten Weinan- 11 Ze Niuvanck ain halbs gu˚t 6 dn. Item 3 gütlein 13 dn; item 2 gu˚t 12 dn; item bau 5 nachgewiesen: beim Altheimersberg 6, in Haag 7, ½ gütlein 4 dn; item doselb 3 gütlein 15 dn, yedlichs 5 dn. Die mül gilt 12 dn. 8 9 10 11 12 12 Der mairhof ze Rochlingen 14 dn. Außerdem weitere Anwesen: Ain hu˚b 12 Höfen , Hürth , Lohhof , Neufang , Rehlingen , dn. Item 3 hu˚b daselbs 36 dn. Item 2 gütlein 14 dn. Item ain hu˚b 12 dn. Item Rutzenhof 13 und Wachenhofen 14. 2 hu˚b 20 dn. Leider weiß man die Lage der einzelnen Weinberge 13 Ze Ru˚zinhove ain gütlein 10 dn. 14 Der hof zu Wachinhovin 60 dn oder halben weg gen francken nach wein. Ain nicht mehr. Es ist auch nicht bekannt, ob die kleinen hofstat daselb 24 dn. Item 2 hofstet 30 dn. Höfe ihre Ernte zum zentralen Keltern nach Pappen- 15 Hans Navratil/Johann Ritzka, Ortsfamilienbuch Pappenheim, Pappenheim heim bringen mussten. Weinmeister werden die Arbeit 2015, erwähnen zahlreiche Weinwirte, aber nur einen Weinsetzer Meulbeck, der Weinzierln (= Weingärtner) überwacht haben.15 1616 (S. 594). 16 Ehaften waren unter dem Feudalrecht entwickelte Rechtsverordnungen, auf 16 Ferner heißt es in einer Ehehaftsordnung des Bi- deren Grundlage die Grundherren Abgaben verlangten. chofs von Eichstätt von 1512 für , die Wirte 17 Gottfried Mertens, Markt Pleinfeld. Ein Blick in die Vergangenheit, Eichstätt betreffend: „Es ist des Marktes Ehehaft und Gerech- 1984, S. 61 ff. Schätzen ist im Sinne von Festsetzen der Steuer zu verstehen.

7 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Neuen Wein sinnvoll. Man kann bei den damaligen (Weinberg, Weinbauernwiese) 19, Geyern (Weinbuck) 20, Straßenverhältnissen ausschließen, dass der Most von Höttingen (Weinäckerl) 21, Mannholz (Weinberg) 22, weit her transportiert wurde, ehe er nach dem 11. No- Nennslingen (Weinberg) 23, (beim Wein- vember als neuer Wein geschätzt, d. h. versteuert berg) 24 oder Weiboldshausen (Weingärtlein) 25. wurde. Im Fall Pleinfeld lagen die ehemaligen Wein- In Rehlingen ist mit der Weinheck allerdings der berge in Allmannsdorf, Kleinweingarten, Ramsberg wilde Wein am Waldrand gemeint. und Stirn ja vor der Haustüre. Der Weinberg in Bergen ist ebenso wie der Weinbuck in Kattenhochstatt ein Nordhang. 26 Für Rebland kom- Flurnamen men diese Lagen nicht infrage. Urkunden, alte Landkarten und Steuerverzeichnisse, in Auch der Weinacker in Kattenhochstatt 27 ist wegen denen Namen auf früheren Weinbau hinweisen, sind seiner geringen Neigung eher kein Weingarten gewesen. für die Weißenburger Gegend leider äußerst spärlich Die Weingesteigäcker in Suffersheim waren kein vorhanden.18 Aber Bezeichnungen für Flurstücke, Weinberg. Sie sind historisch gut belegt: 1565 am wein- Berge oder Verkehrswege sind oft viele hundert Jahre steig 28 – 1807 Weinsteigacker 29 – 1808 an der Wein- alt und können so ein hilfreicher Hinweis auf ehema- straße 30. Die Taläcker an den flachen Ausläufern lige Weinberge sein (vgl. Abb. 2). 18 Private Unterlagen von Bauern, die Weingärten bewirtschaftet haben, sind, Flurnamen mit dem Bestimmungswort Wein- sind sofern sie überhaupt bestanden, nicht in die öffentlichen Archive gelangt. heute noch zu finden, und zwar: 19 Marianne Peißner, 867 – 1978. 1111 Jahre Raitenbuch, Reuth am Wald, - unter dem Namen Weinberg in Bubenheim, Dann- Bechthal, St. Egid und Umgebung, München, 2. Aufl. 1997, S. 669. 20 Stadtarchiv Weißenburg (im Folgenden StadtA Wßbg.), Flurnamensamm- hausen, , Holzingen, Mischelbach mit Sand- lung Geyern, von Friedrich Schneider und Michael Mögen (StadtA Wßbg.; see, Pappenheim, Ramsberg, Stirn, Treuchtlingen Depot Thurner 10). und Weimersheim; 21 Flurnamensammlung Höttingen, alte Flurnummer 910 (StadtA Wßbg., Depot Thurner 13). -als Weinbrod in Oberhochstatt und Weißenburg; 22 Extraditionsplan von 1832 (vgl. Anm. 2). - als Weinbuck in Fiegenstall, Holzingen, Naßwiesen; 23 Extraditionsplan von 1832 (vgl. Anm. 2). - als Weinfeld in Dorsbrunn; 24 Peißner, a. a. O., S. 666. 25 Flurnamensammlung Weiboldshausen (StadtA Wßbg., Depot Thurner 27). -als Weinfessel in Übermatzhofen; 26 Die Namen mögen wohl ebenfalls eher an wilden Wein erinnern oder an das - als Weingarten in Niederhofen und Weimersheim; althochdeutsche winna, was Weideland bedeutet (Remigius Vollmann, Flur- -als Weinhau in Ottmarsfeld; namensammlung, München, 3. Aufl. 1924, S. 41). 27 Zu den Flurnamen Weinacker und Weinbuck in Kattenhochstatt vgl. Ulf Beier, - als Weinleite in Allmannsdorf und ; Weißenburger Flurnamenbuch. Vom Galgenberg ins Himmelreich (Weißen- - als Weinsiedel in Graben; burger Heimatbücher Bd. 4), Weißenburg i. Bay. 1994, S. 190 f. - als Weinzogel in Langenaltheim. 28 Salbuch des Pflegamts Weißenburg 1514-1631 („die Zinss vnd Gült über das Dorff Suffersham“; StadtA Wßbg. B 98), S. 396. 29 Evang.-luth. Pfarrramt Neudorf, Kirchenbücher von Suffersheim-Haardt, Nr. Außerdem gibt es viele Orte, an denen historisch Wein- 84, Urk. 26. bau betrieben wurde, aber es sind heute keine nennens- 30 Evang.-luth. Pfarrramt Neudorf, Kirchenbücher von Suffersheim-Haardt, Nr. werten Spuren mehr erkennbar, z. B. in Bechthal 84, Urk. 14.

8 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 3: Ansichtskarte mit „Gruss von Weinbergshof“, 1915, mit dem damaligen Wirtschafts- gebäude, links die „Neugier“ des damaligen Biergartens, dahinter stand das alte Jurahaus (Foto: Hubert Stanka). der Winterleite weisen aber lediglich auf eine mittelal- garten (Kneuer Gärten), Schambach (Kipferberg), terliche Weinstraße hin. Durch das Schambachtal Thalmannsfeld (Wechslerberg) oder Weißenburg (Teile wurde bis ins 18. Jahrhundert „Wein aus Franken“ von des Rohrbergs). Allen hier genannten Weinbergen ist Würzburg über Ansbach nach Eichstätt und Altbaiern gemeinsam, dass sie terrassierte Süd- oder Südwest- befördert. Dabei hielt die alte Straße respektvoll Ab- hänge sind. Solche finden wir ebenso in der Nachbar- stand von der Schambach, die durch ihre Hochwasser schaft, z. B. in , Cronheim, Großweingarten, das Tal überschwemmte. Hier bei der Hammermühle Gunzenhausen, Kalbensteinberg, Obenbrunn, , geht der Weg hinauf nach Neudorf, daher der Name Stadeln, Unterasbach usw. Steig, aber der Nordhang war mit Sicherheit kein Wein- berg. Auch auf dem 1538 belegten steilen Weg Wein- Die Entstehung des Weinbaus im hiesigen Raum gesteig 31 in Weißenburg unterhalb der Flur Weinbrod Eine wichtige Rolle hat der Weinbau im Großraum wurde wahrscheinlich lediglich Wein auf die Wülzburg Weißenburg wohl nie gespielt. Er hatte eher eine Ni- transportiert. schenfunktion. Sicherlich wurde auch an vielen anderen Orten Wein- Man kann zunächst davon ausgehen, dass zur Zeit bau betrieben, ohne dass ein einschlägiger Name be- der römischen Besiedlung im 1. bis 3. Jahrhundert nach kannt ist, nämlich in Dettenheim (Kapellenweg), Dietfurt (Kohbrunn), Eßlingen (Saalbuck), Kleinwein- 31 Wilhelm Korte, Altes und Neues über Wülzburg; Ansbach 1869, S. 50.

9 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Christus hier, an geeigneten Süd- bzw. Südwestlagen, Nach dem Abzug der Römer im 3. Jahrhundert ist der Wein angebaut wurde, denn der Transport aus südli- Weinbau vermutlich während und nach der Völkerwan- chen Ländern war aufwendig und langwierig und somit derungszeit für mehrere Jahrhunderte erloschen, ehe er teuer. Und da die Römer an den Wein gewöhnt waren, im Mittelalter – wahrscheinlich an gleicher Stelle – war die Nachfrage für ihr Volksgetränk entsprechend wiederbelebt wurde, allerdings wohl erst nach den Un- groß. garneinfällen im 10. Jahrhundert.36 Der hiesige Raum Hinweise liefern die römischen Gutshöfe (villae rus- war ohnehin noch sehr dünn besiedelt, damit war die ticae), von denen es bei uns zahlreiche gab, z. B. beim benötigte Menge an Wein ebenfalls noch gering. Markhof, bei , beim Gut Hürth, in Der ehemalige Weinberg am Burgstall in Treucht- Schambach oder Treuchtlingen. lingen ist seit 1193 nachweisbar 37 und damit die älteste Die 1964 in der villa rustica nordwestlich von bekannte schriftliche Quelle für den Weinbau im Groß- Schambach entdeckten, gut erhaltenen Keramiktrink- 32 Friedrich Eigler, Die früh- und hochmittelalterliche Besiedlung des Altmühl- becher legen den Weingenuss der Bewohner und den Rezat-Rednitz-Raums (Eichstätter Geographische Arbeiten, Bd. 11), Mün- Weinanbau am dortigen Südhang nahe.32 chen/Wien 2000, S. 68 ff.; Segelflugverein Weißenburg (Hrsg.), Motorsegler und Archäologie, Weißenburg i. Bay. 1977, S. 32 f. Am Kipferberg, nordöstlich von Schambach, finden 33 Der steile Südhang oberhalb des Dorfes ist heute im unteren Teil bebaut. Im wir Wiesenterrassen anstelle eines ehemaligen Wein- mittleren Teil liegen Sportanlagen sowie Vereinsheime. Die einzelnen Ebe- bergs.33 nen sind durch Terrassen verbunden, die nur zum Teil noch ursprünglich sind. Der obere Teil ist flacher und hat offensichtlich noch die ursprünglichen 34 Auch oberhalb des Weinbergshofes am Nagelberg Terrassen des Stufenrains, die auf ehemaligen Weinbau schließen lassen. nordöstlich von Treuchtlingen (vgl. Abb. 3) wurde 34 Der Name Weinbergshof ist erstmals 1444 belegt als Weinbergs Hoff. Im 16. 1984 eine römische villa rustica ausgegraben. Der Jh. gehört der Hoff zu Weinberg (mit dem Schlösschen und der Scheune zu Dettenheim) den Marschällen zu Pappenheim. 1644 kommt er zum bran- Name erklärt sich als „zu dem Hof beim Weinberg“. Es denburgisch-ansbachischen Verwalteramt Treuchtlingen (Erich Straßner, ist also nicht auszuschließen, dass bereits im 2. Jahr- Land- und Stadtkreis Weißenburg i. Bay. (Historisches Ortsnamenbuch von hundert n. Chr. auf diesem Südhang Weinbau betrieben Bayern. Mittelfranken, Bd. 2), München 1966, S. 75). Von 1842 bis 1945 war hier eine viel besuchte Gastwirtschaft (vgl. Abb. 3). wurde. 1983 wurde das Gebäude abgebaut und im Fränkischen Freilandmuseum Unterhalb dieses Einödhofes liegen eine Wiesenter- Bad Windsheim wieder aufgebaut. Heute steht an gleicher Stelle ein Neubau. rasse (als obere) und eine Ackerterrasse (als untere), 35 „Ze Schambach 10 hube, gilt yedliche 15 dn, das drifft 5 groß Schilling. Item doselb die teffer [Taferne, Wirtschaft] 4 dn vnd ain gütlein 4 dn.“ (In Scham- die durch eine Geländestufe mit Hecken, Büschen und bach müssen die 10 Vollbauern je 15 Pfg. Weinsteuer bezahlen, der Bezirk Bäumen (u. a. eine kleine Streuobstwiese) voneinander 5 große Schilling; ebenso die Gastwirtschaft 4 Pfg. und ein Gütlein 4 Pfg.). getrennt sind. Diese beiden Flurstücke und der Stufen- Weinsteuer ist nur für Weinbau zu bezahlen (Kraft, a. a. O., S. 118). rain sind Teile des ehemaligen Weinbergs. Erst 1214 36 Noch vor 1100 sind solche für das Altmühltal dokumentiert. Für die Zeit davor sind, im Gegensatz zur Regensburger Gegend, weder archäologische tauchen mit dem Weinsteuer-Register im Pappenheimer noch schriftliche Zeugnisse bekannt. Für den Raum Regensburg ist Weinbau Urbar (vgl. S. 7) die nächsten frühen schriftlichen sogar für das 9. Jahrhundert nachgewiesen, für Spalt um 1030 (vgl. Konrad Zeugnisse für Weinbau bei Schambach auf.35 Tyrakowski, Historische Reblandrelikte zwischen Rebdorf und Inching, in: Globulus. Beiträge der Natur- und kulturwissenschaftl. Gesellschaft für In- golstadt, Eichstätt, Weißenburg …, 18. Band, Eichstätt 2014, S. 97). 37 Kraft, a. a. O., S. 52.

10 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 4: Trockenmauern des Weinbergs am Treuchtlinger Burgstall, Luftbild 2019 (Foto: Hubert Stanka). raum Weißenburg. Er liegt auf der Verebnungsfläche der Gemarkungsgrenze nach Pappenheim, der eben- am sehr steilen Südhang des Weinbergs südöstlich der falls 1214 erstmals erwähnt wird, als drei Höfe Wein- Altstadt in Richtung Dietfurt und ist ein ehemaliger steuer an die Marschälle von Pappenheim zahlen Prallhang der Altmühl. Dieser warme Jurahang, der aus mussten.40 Der Weiler ist im Dreißigjährigen Krieg ab- Kalkstein (Oberer Mergelkalk) aufgebaut ist und zur gegangen. Heute ist der z. T. noch terrassierte Südhang Altmühl hin abfällt, war für den Rebenanbau besonders Grünland bzw. bewaldet. geeignet. Der gesamte Berg heißt Weinberg, aber nur die Lichtung im Westen zwischen 424 m und 433 m 38 Sie sind im BayernAtlas (www.geoportal.bayern.de/Treuchtlingen; Aufruf mit den noch erhaltenen Terrassen, die mit Kalkstein- vom 05.02.2020) im Geländerelief ausgezeichnet zu erkennen. 39 Der im Hoch- und Spätmittelalter bewirtschaftete Weinberg mit den Resten trockenmauern (vgl. Abb. 4) und Rampenstücken ab- der Befestigungsanlagen, seinen Terrassen und Trockenmauern steht heute gefangen sind, wurde für den Weinbau genutzt.38 unter Denkmalschutz. Vor Ort befinden sich Informationstafeln zum Objekt. Auf einem kleinen Teil der heute als Grünland ge- Wann der Weinbau hier durch Ackerbau ersetzt wurde, ist nicht bekannt , aber im 20. Jh. trat in weiten Teilen Grünlandbewirtschaftung ein (vgl.: 4. nutzten Fläche werden seit ein paar Jahren wieder Extraditionsplan Nro 18 Steuer-Gemeinde Treuchtlingen k. Landgerichts 39 Weinreben angebaut. Heidenheim im Rezat-Kreise, München 1833: Hier ist Feldbau angegeben). Ähnlich verhält es sich auch mit dem ehemaligen 40 „Ze Kainprunne 2 gütlin 20 dn [= Pfennig] vnd ½ gütlein 5 dn.“ (Kraft, Weinberg in der Flur Kohbrunn östlich von Dietfurt an a. a. O., S. 120).

11 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Auch in Eßlingen an der Altmühl wurde mit Sicherheit Wie lange das Projekt bestanden hat, darüber sind keine schon früh Wein angebaut. Beim Saalbuck handelt sich Unterlagen bekannt. Der Flurname Weinfeld weist je- um uralten Kulturboden und zumindest die unteren doch darauf hin, dass es erfolgreich war. Hangterrassen könnten im Spätmittelalter dem Wein- bau gedient haben.41 Dort liegen, sich auf zwei Flächen Terrassierte Hänge verteilende, terrassierte Hangbereiche oberhalb des Wie bereits erwähnt, ist die Terrassierung ein auffal- Dorfes (im Nordosten) bzw. östlich der Straße nach lendes Merkmal für ehemalige Weinberge. Während Hochholz.42 Nur die unteren Hangterrassen erinnern ein Acker nur verhältnismäßig kurz im Jahr brach liegt, wohl an den ehemaligen Weinbau.43 ist der Boden im gepflegten Weinberg um die Rebstö- Das Beispiel für den Versuch, noch sehr spät einen cke das ganze Jahr über dem Regen und damit der Ab- Weinberg anzulegen, ist in Dorsbrunn zu finden. Der tragung ausgesetzt. Eine geringere Hangneigung durch im oberen Teil verhältnismäßig steile Südhang des Mis- Terrassierung bedeutet weniger Abschwemmung und telberges nördlich von Dorsbrunn ist heute bewaldet somit weniger Arbeit, den abgespülten Humus wieder und steigt bis 481 m an. Von der Straße von Dorsbrunn den Berg hinaufzutragen, erst recht, wenn die Humus- nach Thannhausen zweigt kurz nach Eintritt in den schicht ohnehin schon dünn ist wie an den Hängen des Wald rechts ein Weg ab. Unterhalb und oberhalb dessen Fränkischen Jura.45 ist die Terrassierung durch Steilhänge und Verebnungs- 41 Kraft, a. a. O., S. 52, nennt die Jahreszahl 1258 für Eßlingen. flächen noch erkennbar. 42 Die weniger als 10 m breiten Terrassen wurden um 1850 ackerbaulich ge- Es gibt einen notariellen Vertrag vom 20. Febraur nutzt und waren in eine ehem. Gemeinweide eingebunden. Nach 1920 trat Vergrünlandung ein. Der untere Hang ist vereinzelt mit Kirschbäumen be- 1502, der im Ellinger Schloss zwischen Komtur Wolf- stockt, die Raine werden z. T. von artenreichen Baum-Strauchhecken ein- gang von Eisenhofen und Junker Wilhelm von Secken- genommen. Der jetzige Besitzer, Manfred Rejschek (Eßlingen 19), ein dorf (zu Stopfenheim) geschlossen wurde. Beide Heimatvertriebener aus dem Egerland, hat das untere Terrassengelände (etwa einen halben Hektar) in den 1970er-Jahren gekauft, pflegt die Mähwiesen wollten am Bustelberg (dem heutigen Mistelberg) bei und Obstbäume und kümmert sich aktiv um den Naturschutz. Dorsbrunn ihre Äcker in Weingärten verwandeln und 43 Die oberen Hangterrassen hingegen sind wahrscheinlich erst im 19. Jahr- vereinbarten daher mit dem zehentberechtigten Pfarrer hundert entstanden, um Ackerland zu gewinnen. 44 „Noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts hören wir von der Anlage neuer auf die Zeit seines Lebens eine angemessene Entschä- Weingärten in Weißenburgs Nachbarschaft.“ (Otto Rieder, Geschichte der digung. Der Komtur versprach ihm drei Eimer Wein ehemaligen Reichsstadt und Reichspflege Weißenburg am Nordgau, bear- und jährlich ein gewisses Quantum ungehacktes Brenn- beitet von Reiner Kammerl (Weißenburger Heimatbücher B. 10), Weißen- burg i. Bay. 2002, Bd. 2, S. 1222). holz, Seckendorf jährlich einen Eimer Wein oder einen Auch die Geländereliefkarte im BayernAtlas (vgl. Anm. 38) zeigt die noch Rheinischen Gulden. Außerdem sollte der Pfarrer aus sehr ausgeprägte untere Terrasse im Wald. den von ihm selbst bewirtschafteten, zur Pfarrei gehö- 45 Die geringe Bodengüte hätte eine Nutzung für den Getreideanbau kaum er- rigen, bisherigen Äckern keinen Zehent mehr an die laubt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es auch heute noch an Main, Mosel oder Rhein Rebhänge gibt, die auf 100 und mehr Metern keine einzige Herrschaft zu entrichten haben und von jedem der Terrasse haben. Aber heute hat man Maschinen, mit denen man den abge- neuen Weingärten einen Morgen zehentfrei für sich er- schwemmten Boden wieder nach oben bringen kann. Beispiele für terras- werben können.44 sierte Hänge werden weiter unten besprochen.

12 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 5: Die Terrassen am vorderen Rohrberg in Weißenburg sind typisch für den ehemaligen Weinbau im hiesigen Raum (Foto: Ulf Beier).

Bei der Terrassierung muss man zwischen Groß- und Die Schlehenhecken an den oberen Rainen und einem Kleinterrassen unterscheiden, was nicht unerheblich unteren sind ein typisches Kennzeichen von Folge- auch von der Steilheit des Geländes abhängt. pflanzen an ehemaligen Weinbauterrassen. Ein klassisches Beispiel für die schmalen Terrassen 46 Die Terrassen sind heute ackerbaulich kaum zu nutzen, da praktisch keine Wendemöglichkeit für Mähdrescher besteht, einige fielen brach. Heute lie- ist der Südhang des vorderen Rohrberges am östlichen gen kaum noch welche brach, denn die Bewirtschaftung wird durch staatli- Gemarkungsende von Weißenburg mit heute überwie- che Programme gefördert bzw. den Aufkauf einiger Flächen durch das gend als Wiesen genutzten Terrassen (Abb. 5).46 Diese Landratsamt seit Anfang 2019. Sie werden jetzt von Jungschäfern gemäht bzw. mit Schafen beweidet. sind oft weniger als 10 m, in manchen Fällen sogar nur 47 Die Schlehen breiteten sich besonders auf den von den Häckern (= Wein- 5 m breit. Einzelne obere Terrassen sind heute z. T. mit bauern) durchgearbeiteten Reblandböden als „Wurzelkriechpioniere“ durch Obstbäumen bestockt. Die Stufenraine werden von He- wildes Verzweigen besonders gut aus und bilden dadurch einen „biologi- 47 schen Stacheldrahtverhau“ (vgl. Tyrakowski, a. a. O., S. 100). cken (maßgeblich Schlehe ) eingenommen, aus denen 48 „Überhälter“ werden diejenigen Hecken genannt, die beim „Auf-den-Stock- einzelne Überhälter 48 herausragen. Manche Flächen setzen“ (Verjüngungen) stehen gelassen werden (www.wikipedia.org; Aufruf sind aufgelassen. vom 19.03.2020).

13 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Gemauerte Geländestufen („Ranke“) sind weder sicht- Nördlich von Dettenheim, unterhalb des Waldes Vor- bar noch den befragten Bauern bekannt. Auch bei Drai- dere Schlicht, gibt es einen teilweise noch immer ter- nagearbeiten seien keine Steinstützmauern entdeckt rassierten Südwesthang (Kapellenfeld) und Westhang worden. Das wundert zunächst, denn manche Terras- (Flur Leite) mit Wiesen und Äckern, die z. T. durch He- senstufen sind so steil, dass sie sich sonst im Laufe der cken an den Geländestufen voneinander abgegrenzt Jahrhunderte hätten verebnen müssen. So ist wohl da- sind (vgl. Abb. 6).53 von auszugehen, dass man das untere Gelände an einer 1214 musste hier eine Weinsteuer entrichtet wer- Geländekante abgegraben hat, um weniger steile Felder den.54 Diese Steuer von 15 Pfennig lässt auf eine mitt- zu bekommen und damit die Erosion zu verlangsamen, lere Größe an Rebland schließen, für das Abgaben zu denn die Humusschicht ist ohnehin oft nur eine Pflug- entrichten war. Wie lange Weinbau in Dettenheim be- schar tief. trieben wurde, weiß man nicht. Der Flurname Kapel- Dieses Ackerterrassensystem ist auch in seiner heu- lenfeld – 1820: Kappelacker 55 – bezieht sich auf den tigen Form noch ein schöner Beweis für den mittelal- durch die Flur führenden Kapellenweg. Wann und wo terlichen Weinbau in unserer Gegend. Das Gelände dort eine Kapelle stand, ist nicht mehr bekannt. Aber wurde bei der Flurbereinigung – im Gegensatz zur Flurkapellen in Weingärten sind heute noch im katho- Nachbarschaft – erhalten (nur Drainagen und Wegebau lischen Mainfranken weit verbreitet. So ist nicht aus- sind zugelassen), sodass die kleinteilige Parzellierung zuschließen, dass sich in diesem ehemaligen Weinberg geradezu bilderbuchmäßig erkennbar ist.49 ebenfalls eine solche Kapelle befand.56 Seit wann und wie lange am Rohrberg Weinbau be- 50 49 So wurde z. B. 2002 eine Streuobstwiese am vorderen Rohrberg westlich trieben wurde, ist nicht bekannt. des Wasserhochbehälters neu angelegt. Eingestreut finden sich im oberen Im Salbuch des Klosters Wülzburg von 1545 heißt Teil kleine Gartenhäuschen und Hütten sowie ein größerer Hühnerstall. es: „Gegen diesen Wülzbergischen Berg, an der andern 50 In der Folge wurde er durch Ackerbau abgelöst. Anfang des 20. Jahrhunderts setzte eine Vergrünlandung ein. Erst um 1980 wurde der Feldbau ganz auf- seit über am Rorberg, hat ein Burger zu Weißenburg, gegeben zugunsten von Wiesen und Weidewirtschaft. der alt Koehlein genannt, einen garten, solichs bergs 51 Sigmund von Oelhafen, Aus Abt Warnhoeffers Salbuch über Wiltzberg, in: uff der höhe gehabt, der mitler zeit gar abgegangen, Weißenburger Heimatbücher, 5. Jahrgang 1928, Weißenburg i. Bay. 1928, S. 21. Mit Stift ist das ehem. Benediktinerkloster Wülzburg gemeint. welich zu meins castners Zeiten ungeferlichen 40 oder 52 Auskunft des Weißenburger Stadtarchivars Reiner Kammerl, Januar 2020. zweyundvierzigsten jars wein darin gebaut. Dieser hat 53 Im östlichen Teil liegt ein schmaler Streifen Streuobstwiesen unterhalb des dem Stifft zehenden davon geben müssen.“ 51 Waldes (Flurnummern 871 und 872). Außerdem erkennt man am nördlichen Ende der Flur-Nummer 481 spärliche Reste einer Schanze der sog. Weißen- Die Reichsstadt Weißenburg selbst hatte offenbar burger Linie aus dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), die als Bo- keine Weinberge, zumindest gibt es keine Unterlagen dendenkmal erfasst sind (vgl. Gotthard Kießling, Stadt Weißenburg i. Bay. dazu.52 Der örtliche Weinbau war vermutlich in privater (Denkmäler in Bayern Band V.70/2), München 2001, S. 313. 54 „Ze Tettenheim ain hub 15 dn [= Pfennig] vnd ain lehen 5 dn.“ (Kraft, Hand. Es ist daher eine mosaikartige Mischnutzung a. a. O., S. 118). aus Acker-, Wein- und Obstbau anzunehmen. Solche 55 Subrepartitions-Tabelle des dem Spital Eichstätt zugehörigen 1/12 Großze- Nutzungsweisen waren für bäuerliche Weinberge ty- hents zu Dettenheim, o. J. (1829), Privatbesitz der Fam. Hilpert, Dettenheim. pisch. 56 Beier, a. a. O., S. 35 f.

14 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 6: Die Flur Kapellenfeld in Dettenheim ist ein terrassierter Hang, an dem im Mittelalter höchstwahrscheinlich Wein angebaut wurde (Foto: Ulf Beier).

Abb. 7: Der Weinberg in Weimersheim ist heute zum Großteil als Streuobst- wiese genutzt (Foto: Ulf Beier).

15 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Der Weinberg in Weimersheim heißt mundartlich wai- Im Unterschied dazu gibt es auch Hänge mit Großter- bug und waiga(r)dswîsn. Er ist ein terrassierter Süd- rassen, etwa in Graben an der Weinsiedel oder unter- hang im Nordwesten am Waldrand als Streuobst- halb des Weinbergshofes in Treuchtlingen. Ob die wiese (vgl. Abb. 7).57 Die Terrassen im Braunjuragebiet Großterrassen am Schießbuck in Zimmern je für den wurden künstlich vertieft, wodurch an der Gelände- Weinbau genutzt wurden, ist nicht bekannt. kante der unteren Terrasse ein etwa 3 m breiter, fast Eine Sonderform der Terrassierung finden wir beim waagrechter Bereich entstand, der den Anbau begüns- Weinbuck in Fiegenstall. Der Südwesthang im Südos- tigte und der Bodenabtragung entgegenwirkt. ten des Ortes liegt nahe der Kruglmühle oberhalb des Für das Jahr 1214 ist hier Weinbau nachweisbar.58 Felchbachs. Der ursprüngliche Weinbuck dürfte die Das Klima im Ort gilt als außerordentlich mild, Nebel alte Flurnummer 399 gewesen sein. Auf diesem Süd- sind selten, Westwinde und Starkregen werden durch hang sind vier parallel verlaufende Wiesen zu erken- den Flüglinger Berg abgemildert. Streuobstwiesen tra- nen, die offensichtlich nicht terrassiert waren, da das ten an die Stelle des Weins. Gelände sich schon auf dem Verebnungsgebiet des Es gab oberhalb von Weimersheim die Burg der Her- Hangs befindet, dessen Bodengüte mäßig ist. Die ein- ren von Flüglingen, die 1255 genannt wird. Diese dürften zelnen Grundstücke sind durch Gebüsch und Laub- wohl den Weinbau unterhalb der Burg befördert haben.59 bäume voneinander getrennt. Das Gelände und der Im 13. Jahrhundert hatte der Weinbau hier wohl seine Flurname erinnern an den ehemaligen Weinbau im größte Bedeutung, wobei die einfachen Leute vor allem Felchbachtal, der sonst nur durch zwei Flurnamen für Weißwein tranken, während die Herrschaften den sü- kleine Äcker in Höttingen und Weiboldshausen nach- ßeren Rotwein bevorzugten. Ab dem 16. Jahrhundert weisbar ist. verlor der Weinbau in unserer Gegend zunehmend an 57 1994 hat der „Bund Naturschutz in Bayern e.V., Ortsgruppe Weißenburg“ Bedeutung60. Um 1800 gab es mit Sicherheit in Wei- einen Pachtvertrag über diese Wiese abgeschlossen und pflegt das Gelände. mersheim keinen Weinbau mehr, dafür spielte der Damals standen nur noch 30 alte Apfelbäume. Inzwischen sind es wieder etwa 120 Hochstammbäume (meist alte, früher hier heimische Obstsorten). Obstbau eine große Rolle. Die Ortsgeschichte erwähnt 58 Conrad Scherzer, Franken. Land. Volk. Geschichte und Wirtschaft, Nürnberg immerhin noch 1804 den althergebrachten Brauch, (1955), S. 444. dass der Kuhhirte für sein Signalblasen in der Micha- 59 Außerdem war der Ort von 1556 bis 1812 Dekanat für 18 Pfarreien und hatte dadurch überörtliche Bedeutung. Er wurde leider im Dreißigjährigen Krieg elsnacht (29. September) eine Maß Wein bekommen fast völlig zerstört, und es sind alle Urkunden verbrannt. haben soll. Der Ursprung des Brauchs liegt weit zurück 60 Saal-Buch Stifft-Amts Wültzburg de Anno 1545, zitiert nach Abschrift Josef und liefert keinen Anhaltspunkt für die Aufgabe des Thurner im Stadtarchiv (Depot Thurner 46). In Weimersheim ist für das An- wesen des Lienhart Jung d. J. (Bl. 445) ein Tagwerk Wiese In der Weingart 61 Weinbaus in Weimersheim. genannt, sowie bei Veit Jung (Bl. 448) 1 1/2 Morgen Acker am Weingartten. Es lässt sich feststellten, dass Kleinterrassen hier bei 61 Der geschichtliche Hintergrund war 1804 noch bekannt: „Einst“ soll für den Weinhängen sehr häufig sind. Man findet sie außer in Hirten, der sein Vieh als Erster auf eine zwischen Weimersheim und Wei- ßenburg gemeinsame Viehweide getrieben hat, als Preis eine Maß Wein den vorhin genannten Orten z. B. auch in Allmanns- ausgelobt worden sein; vgl. Ulrike Pierl/Reiner Kammerl (Bearb.), dorf, Eßlingen, Kleinweingarten, Ramsberg, Stirn, Weimersheim um 1800. Die Welt des Johann Leonhard Conrad (1760-1848), Übermatzhofen usw. (Weißenburger Heimatbücher Bd. 14), Weißenburg i. Bay. 2008, S. 165.

16 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Wein als Medizin Wenn der Wein auch als Medizin (vgl. Titelbild sowie Abb. 2 und 8) an Wöchnerinnen und Kranke abgegeben wurde 62, zeigt das, wie wichtig er war. So schätzte man die lösende Wirkung des Weins bei Erkältungskrank- heiten. Er wurde oft mit verschiedenen Gewürzen an- gereichert und z. B. mit Zusatz von Anis und Fenchel als Hustenmittel eingesetzt, mit Rosmarin zur Stärkung des Zahnfleisches und gegen Haarausfall, vor allem aber gegen Krebs. Wein mit Sonnenwirbel (= Chico- rée), Rosmarin, Gänsedistel (= Endivien) und ein wenig Wermut sollte gegen Milz- und Lebererkrankun- gen helfen. 63 Der Text (Abb. 8) nennt weitere „Tugen- den“. Der Spruch „Frankenwein ist Krankenwein“ ist glei- chermaßen positiv und negativ besetzt. Im Weißenbur- ger Raum, der über 400 m hoch liegt, ist der Wein in den meisten Jahrgängen wohl ziemlich sauer gewesen, d. h. man verabreichte ihn nur Kranken, selbst wollte man süßeren Wein. Positiv ist, dass nachgewiesener- maßen der Wein mit dem höheren Anteil an Gerbsäure – in Maßen genossen – gesundheitsfördernd wirken kann.

Wein als Volksgetränk Aufgrund der hygienischen Verhältnisse war das Trink- wasser oft mit Krankheitserregern belastet, während der gegorene Wein keimfrei und damit auch als Medi- zin geeignet war.64 Wenn man Durst hatte, trank man eben Wein. Er war das Hauptgetränk der niederen und oberen Bevölkerungsschicht.

62 Vgl. S. 6/Pleinfeld (Mertens, a. a. O., S. 61 ff. ). 63 Otto Meyer, Weinkultur in Franken, Würzburg 2000, S. 66. Abb. 8: Beschreibung des Weins als Medizin 64 Die Brunnenpflege war oft äußerst schlecht und die Güte des Trinkwassers im Arzneybuch von Christoph Wirsung, Heidelberg 1568. entsprechend.

17 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Die bevorzugte Traube war der Weiße Elbling 65, eine Kirchen und Klöster Traubensorte, die zwar mengenmäßig viel lieferte, aber Die Bedeutung von Kirchen (für den Messwein) und von geringer Qualität war. Je näher man an die Grenze Klöstern (für ihre Bewohner) ist für den Weinbau im des Weinbaus gelangt, desto frischer und fruchtiger, Mittelalter nicht zu unterschätzen. Die vollkommene aber auch desto säurehaltiger und alkoholärmer ist der Echtheit des Weines gewährleistete eben nur der Eigen- Weißwein. Das lässt doch vermuten, dass insgesamt ge- bau. Der Antransport auswärtigen Weins verursachte nügend preiswerter Wein vorhanden gewesen sein nur zusätzliche Kosten. muss, sagt aber nichts über dessen Güte aus. Kirchliche Stiftungen gab es unzählige, nicht zuletzt Man kann aber davon ausgehen, dass der hiesige weil die Menschen des Mittelalters für ihr Seelenheil Wein in normalen Jahren wohl eher unterdurchschnitt- zu Lebzeiten vorsorgen wollten und deshalb der Kirche lich süß war. In vielen mittelalterlichen und frühneu- auch Liegenschaften vermachten. zeitlichen Quellen aus dem Raum Regensburg, das 325 Klöster gab es in der Region mehrere. Das älteste war m hoch liegt, wird der dortige Wein immer wieder in Solnhofen 71. In den Benediktinerregeln ist u. a. wegen seines hohen Säuregehalts getadelt und als Essig davon die Rede, die Klosterfamilie solle „auch die bezeichnet. Das galt für den Wein aus den höher gele- Weinberge anlegen, karsten [hacken], durch Fechser genen Weingärten im Raum Weißenburg dann wohl vermehren, beschneiden und herbsten.“ 72 Das Bier erst recht.66 Durch Würzen, Süßen mit Honig, Zugabe von Bee- 65 Der Elbling (von lat. albus, weiß) ist eine der ältesten Rebsorten Deutsch- ren- und Fruchtsäften und Wärmen hat man versucht, lands. Er wurde bereits von den Römern im Moselgebiet angebaut und war bis ins Mittelalter auch die häufigste deutsche Rebsorte; ab dem 17. Jh. den Wein schmackhafter zu machen (vgl. Abb. 2). Auch wurde er von den Rebsorten Riesling und Silvaner verdrängt. Als reichhal- hat man durch Keltern ohne Stängel süßeren Wein be- tiger Traubenträger war er früher bei denen besonders beliebt, die den kommen.67 Langfristig ist der Weinkonsum aber dem Zehenten in Wein entrichten mussten (www.wikipedia.org; Aufruf vom 06.02.2020). Biergenuss unterlegen gewesen. 66 Andererseits ist hinlänglich bekannt, dass jeder Jahrgang anders ausfällt, und Im Mittelalter lag, trotz unterschiedlicher Schätzun- so gab es natürlich auch im Mittelalter und der frühen Neuzeit Jahrgänge, gen, der Pro-Kopf-Verbrauch offensichtlich bei über in denen selbst in ungünstigeren Lagen Wein von durchaus anerkennenswer- 68 ter Güte gedieh. Außerdem gab und gibt es recht unterschiedliche Rebsorten, 120 Litern im Jahr . Auch die sogenannten Ungeld- die dem hiesigen Klima mehr oder weniger gut angepasst waren. rechnungen 69 für Wein im Weißenburger Stadtarchiv 67 Theodor Häußler, Der Baierwein. Weinbau und Weinkultur in Altbaiern, Am- zeigen, dass noch im 16. und 17. Jahrhundert erhebli- berg 2001, S. 99. 68 Auskunft von Dr. Wolfgang Thomann, Ingelheim, vom 08.03.2019. che Summen an Weinsteuer von den Wirten zu zahlen 69 Das Ungeld ist eine mittelalterliche Abgabe, eine seit dem 13. Jahrhundert waren. Diese große Nachfrage erklärt auch, dass manch erhobene Verbrauchssteuer. einer die Mühe, die Arbeit und den Verdruss mit Miss- 70 Nach dem Lukasevangelium, Kapitel 22, Vers 62; dort heißt es, nachdem ernten auf sich genommen hat, weil sein saurer Wein Petrus in der Nacht zum Karfreitag Jesus dreimal verleugnet hatte: Petrus ging hinaus und weinte bitterlich. gefragt war, trotz des Spotts, dass die Schweden und 71 Erste Klosterkirche vermutlich nach 794, Benediktinerkloster bis 1525/34, andere im Dreißigjährigen Krieg den hiesigen sauren danach Klosterverwalteramt des Fürstentums Brandenburg-Ansbach. Wein abschätzig als „Petri Tränen“ bezeichneten. 70 72 Nach Häußler, a. a. O., S. 23.

18 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 9: Auf dieser nach Osten ausgerichteten Karte aus der Zeit um 1575 ist noch das Kloster Wülzburg eingezeichnet. Am Hang südwestlich (rechts) davon sind der „Weinberg“ und das „Weingesteig“ durch Be- schriftung hervorgehoben (Foto: Staatsarchiv Nürnberg, Fst. Brandenburg-Ansbach, Karten und Pläne Nr. 550). wird nicht erwähnt. Wenn auch für Solnhofen keine Ur- der Wülzburg. Die Geländestufen sind bis zu 4 m hoch. kunden zum Weinbau gefunden werden konnten, so Die Stufenrainreste mit den Hecken sind ein beredtes weiß man doch von anderen Klöstern, etwa im Raum Beispiel für den Weinbau. Dies belegen historische Regensburg, dass diese bereits um das Jahr 1000 einen Quellen..75 Er dürfte aber trotzdem vermutlich wesent- stattlichen Besitz an Weingütern hatten. lich älter sein. Für 1545 ist der Wülzburger Kastner Neben dem Karmeliterkloster in Weißenburg 73 und Hans Hartung genannt, der diesen Weinberg 32 Jahre dem Eigenkloster St. Augustin der Marschälle von Pap- verwaltet und bewirtschaftet hat.76 penheim seien nachfolgend beispielhaft 74 das ehema- 73 Gestiftet um 1325, Ende des 15. Jh. ausgebaut, 1544 endgültig aufgegeben lige Benediktinerkloster auf der Wülzburg (vermutlich (vgl. Gustav Mödl (Hrsg.), Weißenburger Kulturfenster Karmeliterkirche. 793 bis 1536) und der Deutsche Orden in Ellingen Der Weg eines Klosters durch die Jahrhunderte, Weißenburg i. Bay. 1983). (1216 bis 1788) genannt. 74 Das Augustinerinnenkloster in der Weißenburger Vorstadt bestand nur von In Weißenburg am Wülzburghang finden wir fünf 1236 bis 1276, weshalb es hier nicht näher in Betracht kommt. 75 1456 weingarten (StadtA Wßbg., Urkunde v. 1456 VII 23). Ackerterrassen am nach oben hin zunehmend steiler 1575 Weinberg (StadtA Wßbg., PlS 63; Staatsarchiv Nürnberg, Fst. Bran- werdenden Westhang, die teilweise von Hecken und denburg-Ansbach, Karten und Pläne Nr. 550). Magerrasen begrenzt sind. Sie liegen zwischen der Be- 76 Hartung hat trotz großer Anstrengungen nur den halben Teil des 7-8 Morgen großen Weinbergs bebaut. Der Ertrag war gering, weil die Trauben „fast al- bauung am Weißenburger Stadtrand und dem bewalde- lemal erfrorn“ und die Weinstöcke von „bösen buben zerrissen“ wurden ten Steilhang (vgl. Abb. 9) beim Glaserhaus unterhalb (Oelhafen, a. a. O., S. 21).

19 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Der ursprüngliche Weinanbau scheint bis 540 m Höhe Pappenheim, den Neubruch ... und 3 (Jauchert) ein betrieben worden zu sein (oberes Ende des Braunjura- Weinberg ...“ 81. Im Salbuch des Deutschen Ordens von gebiets bis zum heutigen Waldrand). Das war aber 1536 finden sich weitere Belege für „des Hauses Wein- schon grenzwertig, wie weiter unten am Beispiel des garten“ 82, also den Weinbau des Deutschen Ordens bei Weinbrods gezeigt wird. Um 1850 wurden die vorma- Ellingen. Genannt sind Abgaben von Deutschordens- ligen Rebflächen ausschließlich ackerbaulich genutzt untertanen in Dannhausen („1½ Jauchert Acker unter und waren im Westen und Süden von ehemaliger All- weingerten“) und Dorsbrunn („2 Morgen Acker vor mendfläche begrenzt, in der sich aufgelassene Stein- weinpergen“).83 Für das frühe 20. Jahrhundert nennt brüche befanden, von denen nur der im Vogelwäldchen die Flurnamensammlung für Ellingen: Der Weinberg, noch gut zu erkennen ist. am Weinberg und Weinbergacker. 84 Auch am vorderen Rohrberg gehörten, wie bereits erwähnt, zumindest einige Terrassen zum Kloster Die Bedeutung von Naturfaktoren Wülzburg. Ein ideales Weinanbaugebiet war die Region Weißen- Darüber hinaus lag nur etwa 1 km weiter östlich burg schon aufgrund ihrer Höhenlage über 400 m über ebenfalls ein ehemaliger Wülzburgischer Weinberg an NN nicht.85 Auch muss beachtet werden, dass dieser der Südseite des oberen Rohrbergs zwischen Gäns- Zweig der Landwirtschaft in sehr hohem Maße von Na- wirtshaus und Niederhofen. Der Steilhang hat breitere turfaktoren wie Wetter und Böden abhängig ist. Terrassen und unterrassierte Hangteile.77 Der Hang war Tatsächlich sind die Albhöhen wesentlich trockener, 1545 offenbar noch ein Weinberg, denn er ist urkund- als dies einschlägige Tabellen erkennen lassen. An den lich fassbar: „Im Rohrberg heist am weingarten ge- 77 Der westliche Teil wird heute als Wiese genutzt. Der östliche Teil ist Natur- want, In Weingarten negst bey Niederhofen Im Rohr, schutzgebiet und als „Ruhezone – Wildschutzgebiet“ ausgewiesen. Das Ge- bei dem alten Weingarten“.78 lände unterhalb des Weges ist eine Streuobstwiese mit Holzgarten. In Ellingen ist der ehemalige Weinberg ein steiler 78 Saal-Buch Stifft-Amts Wültzburg de Anno 1545, zitiert nach Abschrift Josef Thurner im Stadtarchiv (Depot Thurner 46), Bl. 94, 96 und 112. Südhang im Nordosten des alten Stadtkerns. Nur die 79 Er ist heute mit Einfamilienhäusern bebaut (Franz-Joseph-Roth-Straße, Weinbergstraße erinnert noch an den früheren Wein- Franz-Keller-Straße, Matthias-Binder-Straße, Weinbergstraße). In einigen bau, der vermutlich bis zum Holzplatz in der Streu- Gärten sind noch spärliche Reste der früheren Weinbauterrassen erkennbar. 80 Kraft, a. a. O., S. 133. Weinzierl bedeutet Winzer, Weingärtner. obstwiese westlich der oberen Karlshofer Straße 81 Bayer. Hauptstaatsarchiv, Deutscher Ritterorden Urkunde 1289 (vgl. Regesta reichte.79 Boica, A. 4, Urkunde vom 21.03.1272). Historisch ist der Rebenanbau für Ellingen jedoch 82 Vgl. Siglinde Buchner, Flurnamen in der heutigen Ellinger Gemarkung, in: 1100 Jahre Ellingen. Ellingen in Geschichte und Gegenwart, Weißenburg gut belegt. i. Bay. 1999, S. 105 (ohne Quellenangabe bzw. Seite im Salbuch von 1536). Das Pappenheimer Urbar von 1214 nennt als Eigen- 83 Salbuch des Deutschen Ordens Ellingen 1536, zitiert nach Abschrift Josef leute auch „Von Ellingin Rudeger vnd Cunrat die Win- Thurner im Stadtarchiv (Depot Thurner 40), Bl. 232 und 259. 84 Flurnamensammlung Ellingen (StadtA Wßbg., Depot Thurner 7). 80 zurle“. Im Jahr 1272 verkauft Konrad von Ellingen 85 Die klassischen Weinbaugebiete im Maindreieck, in der Pfalz, Rheinhessen „an die Brüder des Deutschen Hauses zu Ellingen mit usw. liegen unter 250 m und sind regenärmer, weshalb Pilzkrankheiten sel- Erlaubnis seiner Herren, Heinrich und Hiltprand von tener sind.

20 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Abb. 10: Die Flur „Im Weinberg“ in Dannhausen ist heute größtenteils bewaldet. Der Hang links der Wiese, die 1850 noch ein Acker war, war vermutlich ein Weinberg ebenso wie der Hang rechts, der heute Mischwald ist (Foto: Ulf Beier).

Steilhängen in Solnhofen können aufgrund ihrer Hang- Die Fränkische Alb ist das trockenste Gebirge Süd- lage „im Sommer Spitzentemperaturen von 40 bis 50 deutschlands. Das erklärt, warum Weinbau auch in Ge- °C auftreten“. 86 Die Verdunstung ist wegen heftigerer genden betrieben wurde, die man heute für ungeeignet Winde und intensiverer Sonneneinstrahlung stärker als erklären würde.87 im Flachland. So konnte man auch die tiefer stehende Der ehemalige Weinberg nordöstlich von Dannhau- Sonne im Herbst noch intensiv nutzen, weil dann die sen ist ein steiler Südhang der Flur Im Weinberg und Strahlen noch ziemlich senkrecht auf die Rebstöcke steigt von 555 bis 580 m an (vgl. Abb. 10). Es handelt schienen und den Trauben zusätzlich etwas Süße brach- sich hier um die höchste ehemalige Weinbaulage im ten. Außerdem hat der Herbst die wenigsten Regen- tage, was dem Weinanbau ebenfalls zugutekam. 86 Franz X. Bogner, Das Tal der Uraltmühl, Nürnberg 2003, S. 110. Schäden durch Gewitter und Hagel sind nicht häufiger 87 Wilhelm Ulrich, Landwirtschaftsgeographie der Fränkischen Alb zwischen als in anderen vergleichbaren Gebieten. Insgesamt gilt: Altmühl und Schwarzer Laber, München 1941, S. 201.

21 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Landkreis und sie ist gleichzeitig ein Beispiel für den Sommer weniger sonnig als heute. 89 ehemaligen Weinbau in einem kleinen Dorf.88 Sie dien- Andererseits sind auf einer Landkarte von etwa 1800 te vermutlich im Mittelalter und bis in die frühe Neu- beim 5 km nördlich gelegenen Großweingarten Reb- zeit hinein dem Weinbau. stöcke eingezeichnet.90 Daraus darf man schließen, dass Es müssen triftige Gründe für den Weinbau in dieser in der hiesigen Gegend vereinzelt doch sehr lange Wein Höhe vorgelegen haben, z. B. weil der Ort abgelegen angebaut wurde. von Handelsstraßen war (und ist). Andererseits hat der Am Wülzburghang wurde auch Wein angebaut, wie eisenerzhaltige Boden mehr Mineralstoffe als die Weiß- oben bei den Klöstern bereits ausgeführt (vgl. Abb. 9). jurakalkböden im Süden und Osten von Dannhausen. Am östlich daran anschließenden Südhang belegen die Mit Sicherheit war dieser Wein nicht nur sauer, sondern historischen Quellen ebenfalls Weinbau. 91 es dürfte der Ertrag eher gering gewesen sein, sodass Die Häufung schlechter Weinjahre ab den 1530er- der Weinbau hier – wie in vergleichbaren Gebieten – Jahren kommt auch im Wülzburger Salbuch von 1545 vermutlich früh aufgegeben wurde. Andererseits hatte zum Ausdruck. Dort heißt es zu dem 7 oder 8 Morgen man Rebsorten verwendet, die verhältnismäßig spät großen Weinberg des Wülzburger Kastners Hans Har- austreiben und so späte Nachtfröste im Frühjahr die tung: „Dieser Weinberg ist ... der helften nit gebaut ge- Ernte nicht gefährdeten. Die sorgfältige Bearbeitung wesen, welcher weinberg inn wenig jaren von ihm des Bodens, dessen Düngung und eine sachgemäße Be- selbst ...abgerayert [= gerodet], den übrigen rait [= Ge- handlung des Mostes konnten ebenfalls zur Qualitäts- lände] hat man von jaren zu jahren mit großen unkosten verbesserung beitragen. verbauen [= anbauen, pflegen] müssen, aber nit den Auch in anderen Gegenden der Fränkischen Alb virten teil ertragen, ursachen das er fast allemal er- wurde in dieser Höhe Wein angebaut, z. B. in Langen- frorn... dereowegen aus geheis der herrschaft gar ab- altheim (Weinzogel) oder Übermatzhofen (Weinfessel).

88 Er ist heute Mischwald, dazwischen liegt eine Wiesenterrasse, die an ihren Gründe für das Verschwinden des Weinbaus oberen Geländestufen mit Schlehen und anderem Gestrüpp durchsetzt ist. in unserer Region Die heutige Wiesenterrasse wurde um 1850 als Ackerland genutzt, die Steil- 1. Die Klimaverschlechterung hänge darüber und darunter als Gemeinweide und private Weidefläche. 89 Das deutet sich bereits im Wettertagebuch (geführt von 1513 bis 1531) des zu Beginn der Neueren Zeit im 16. Jahrhundert Rebdorfer Priors Kilian Leib an. Gute Weinjahre waren demnach 1513, Der Weinbau an den Süd- und Südwesthängen war im 1514, 1516, 1519, 1521, 1528, 1531, schlechte Jahre 1517, 1520, 1526 und Mittelalter in Deutschland viel weiter verbreitet als 1529. Aus anderen Quellen kommen die schlechten Jahre 1530, 1533-36 und 1538 hinzu (nach Tyrakowski, a. a. O., S. 99). heute, da das Klima milder war (am wärmsten um 90 Staatsarchiv Nürnberg; PlS 11 568: Versteinter Jagdbezirk des Oberen Meis- 1100), danach wurden trotz z. T. nicht unerheblicher terthums in seinen Zugehoerungen bey Ellingen, Stopfenheim und Absberg Klimaschwankungen die Winter kälter. In der soge- (farbige Feder-/Pinselzeichnung von J. Kaschenreuter, um 1800). 91 1456 weingarten (StadtA Wßbg, Urk. 1456 VII 23); 1538 Wein und Brod nannten „Kleinen Eiszeit“ ab der frühen Mitte des 16. (Korte, a. a. O., S. 50); 1756 Wein und Brot (StadtA Wßbg., B. 226/1, S. 219; bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts waren mit Un- Beier, a. a. O., S. 440); 1831 Weinbrod (Extraditionsplan von Weißenburg terbrechungen sowohl die Winter strenger als auch die 1831).

22 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

gangen, doch dahin gebracht, das ungefehrlich der dritteil mit getraid feldiglichen gebaut.“ 92 Das heißt, der unrentable Weinberg wurde aufgegeben und die Fläche mit Brotgetreide bebaut. Daher erklärt sich der Flurname Im Weinbrod.93 Die unterschiedlich breiten Acker- und Wiesenterras- sen der Flur Weinbrod auf der Südseite des Wülzburger Hanges mit Feldgehölzen an den Rainen oberhalb der Eichstätter Landstraße reichen bis zur Einöde Schleifer am Berg als östlichem Endpunkt. Die Uraufnahme von 1820 verrät jedenfalls, dass die vormaligen Rebflächen im Weinbrod zu dieser Zeit aus- schließlich ackerbaulich genutzt wurden. Oberhalb der Weißenburger Flur Weinbrod gibt es in der Gemarkung Oberhochstatt den gleichlautenden Flurnamen. Allerdings sind dort keine typischen Kenn- zeichen des Weinbaus mehr erkennbar.

2. Der aufkommende Bierkonsum In der hiesigen Gegend gedeihen Hopfen und Brau- gerste auf den Kalkböden der Fränkischen Alb 94 gut (vgl. Abb. 11). So machten sie dem Weinanbau ernste Konkurrenz und ganz allmählich gewann der Bierge- nuss an Bedeutung. Noch aber war Brotgetreide eben wichtiger als Braugerste.95 Andererseits werden in einer Güterbeschreibung des Klosters Wülzburg für das Jahr 1371 „... 2 Metzen Hophen Weißenburger Maßes“ ge-

92 Oelhafen, a. a. O., S. 21. 93 Er wurde 1986 im neu erschlossenen Baugebiet „Wülzburger Hang“ als einer der Straßennamen gewählt. 94 Auf guten Böden baut(e) man Winterweizen an, auf eher basischen Böden Abb. 11: Übersichtskarte des Bayer. Statistischen Landesamts zum mit einem höheren pH-Wert bevorzugt (Brau-)Gerste (Auskunft v. Amt für Wein- und Hopfenanbau in Bayern, Stand 1947. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Weißenburg, H. Ernst). Das Spalter Anbaugebiet nördlich von Weißenburg ist zwar nicht 95 Noch im Jahr 1317 erließ Kaiser Ludwig der Baier ein Bierbrauverbot für namentlich beschriftet, aber mit einer markanten Signaturgröße ein ganzes Jahr. Eine Missernte war vorausgegangen mit einer „ungewöhn- ausgewiesen. lichen Getreideteuerung“ (Häußler, a. a. O., S. 17).

23 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020 nannt, was eine der ältesten Nennungen für Hopfen in 96 Rieder, a. a. O., S. 733 f. 96 Bayern bedeutet. Es dauerte noch bis in die Zeit nach 97 Kaiser Maximilian erlaubte Weißenburg 1505 eine Erhöhung des Ungelds dem Dreißigjährigen Krieg 97, bis der Weinkonsum vom auf Wein, von Bier ist nicht die Rede; vgl. Georg Adam Voltz, Chronik der Bierverbrauch überholt wurde.98 Dabei war das Bier Stadt Weissenburg im Nordgau und des Klosters Wülzburg, Weißenburg i. Bay. 1835 (Faksimiledruck 1985), S. 42. 99 damals schon wesentlich billiger als der Wein. Urkun- 98 So gab es z. B. für Kaldorf für das Steuerjahr April 1617 bis April 1618 den im Weißenburger Stadtarchiv von 1583, um 1600 nur ein Weinungeld als Abgabe des Wirts. Erst 1622 taucht zum ersten Male und aus der Zeit lange nach dem Dreißigjährigen Krieg neben dem bisherigen Weinwirt auch ein besonderer Bierwirt (Brau) auf (Rieder, a. a. O., S. 684). zeugen davon, dass hier noch beträchtliche Mengen 99 Voltz, a. a. O., S. 78, nennt für 1622 den Preis „für ein Maas Wein 2 fl., für Weins getrunken wurden.100 ein Maas Bier 14 kr.“. 1 Gulden (fl) hatte 60 Kreuzer (kr), d. h. Wein war Dazu passt auch eine Rechnung des Wirts auf der 8½-mal so teuer wie Bier. 100 StadtA Wßbg., B 18a und B 68/A3 und /A4 (im Jahr 1685). Leider fehlen Fürstenherberge in Gunzenhausen von 1632, der 24 Vergleichsdaten zum Bierkonsum. Personen einer „Compagnie Croaten“ beherbergen 101 Staatsarchiv Nürnberg, Ansbacher Kriegsakten, Nr. 42. und bewirten musste. Sie beläuft sich auf 19 Gulden, 102 Der Hopfenanbau in Spalt – in der Keupersandgegend – soll durch einen Geistlichen aus Saaz im Egerland (Westböhmen) begründet worden sein. u. a. für 84 Maß Wein, 20 Maß Bier, außerdem Brannt- So lautet die Sage (Johann Georg Hierl, Der ehemalige Weinbau im Gebiet wein, Brot, Lebensmittel und Hafer.101 D. h. damals der Fränkischen Alb, in: Die Fränkische Alb, Zeitschr. des Fränk. Albver- wurde mehr als viermal so viel Wein als Bier getrunken eins, VI. Jg., Nürnberg 1920, Nr. 1, S. 3.). 103 Z. B. Hofmühl Eichstätt 1492. 1469 hatten drei Bürger in Gunzenhausen – zumindest von den Kroaten. das besondere Recht, Bier zu brauen und auszuschenken (der Stadtvogt, Es sind verhältnismäßig frühe Hinweise auf Bier in der Bürgermeister und ein angesehener Bürger), 1490 waren es sogar fünf unserer Gegend bekannt, wie etwa zum Hopfenanbau brauende Wirte (Alt-Gunzenhausen. Beiträge zur Geschichte der Stadt und 102 103 des Bezirks, Heft 4, Gunzenhausen 1927, S. 46). Sie mussten 6, 9 bzw. in Spalt oder frühe Brauereigründungen. 5 fl Ungeld für 10 Monate bezahlen. Das weist auch auf größere Mengen Kennzeichnend für die Änderung der Trinkgewohn- Weins hin, die getrunken wurden. Das sagt aber nichts über die Herkunft heiten ist auch, dass z. B. sowohl in Fiegenstall als auch des Weines aus. Im 15. Jahrhundert gab es das Braugasthaus „Zur blauen Ente“ in Weißen- in Mischelbach der ehemalige Weinberg als Hopfen- burg (Marktplatz Nr. 11), ein städtisches Sudhaus in Weißenburg (nur ein garten genutzt wurde – zumindest im beginnenden 19. einziges bis 1520), den Brauhausbau der Gaststätte „Schwarzer Bär“, erst- Jahrhundert, wie die Uraufnahmen zeigen.104 mals 1516 genannt, sowie mehrere Weißenburger Brauhausbauten nach dem Dreißigjährigen Krieg (Reiner Kammerl, Weißenburger Biere. Braue- reien, Sommerkeller und Gaststätten im geschichtlichen Überblick (Wei- 3. Die deutliche Verbesserung der Verkehrsverhält- ßenburger Heimatbücher Band 16), Weißenburg i. Bay. 2016, S. 12, 56 und nisse im Laufe des 19. Jahrhunderts 142). Auch vor 1800 war es möglich, in kürzerer Zeit preis- Die Schlossbrauerei Ellingen besteht mindestens seit 1690. 104 Extraditionspläne von 1833 mit Umgravierung von 1868 (vgl. Anm. 2). werten Wein aus anderen Gegenden hierher zu bringen. Gleiches gilt übrigens auch für Teile der ehemaligen Weinberge in All- Man bevorzugte damals schon den süßeren Wein aus mannsdorf und Ottmarsfeld. Mainfranken bzw. aus anderen Gegenden (Tauber, 105 Der steile, teils terrassierte Südhang südöstlich des alten Dorfkerns hat oben Wiesen und Äcker, ist sonst aber größtenteils bewaldet mit einzelnen ein- Mosel, Rhein u. a.). gestreuten Wiesenhängen und im Westen mit Einfamilienhäusern bebaut. Ein Beispiel dafür ist der Weinberg in Ramsberg Die dortigen Straßen Am Weinberg und Weinbergstraße führen zum ehem. (vgl. Abb. 12).105 Der Weinbau hier ist sehr alt. Direkte Weinberg, der bis 475 m ansteigt.

24 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020 schriftliche Beweise fehlen, aber um 1030 erzählt ein Mönch vom Kloster St. Emmeran zu Regensburg „von ... köstlichem Essen ... mit Spalter Wein“. Spalt liegt nur etwa 6,5 km Luftlinie von Ramsberg entfernt. Diese Quelle lässt den Schluss zu, dass auch schon im 11. Jahrhundert in Ramsberg Wein angebaut wurde, auch wenn er erst 1300 nachzuweisen ist.106 Man hat zunächst den steilen Südhang für den Wein- bau kultiviert und ihn aufgegeben, als sich bessere Möglichkeiten ergaben, um an Wein zu kommen.107 Das mag der Grund gewesen sein, dass 1572 von einer Rodung – oder zumindest Teilrodung – die Rede ist108, weil der Weintransport von Rothenburg o. d. T. Rich- tung Weißenburg – Eichstätt an Ramsberg vorbeiführte Abb. 12: Straßenschilder mit Bezügen zum Weinbau und der Kauf von besserem Wein möglich war.109 in Ramsberg (Foto: Ulf Beier).

106 Scherzer, a. a. O., S. 444: Aber es läßt sich urkundlich erhärten, daß ...zu 4. Politische Gründe, die zum Untergang Ramsberg (1300) ... Wein angebaut wurde [leider ohne Quellenangabe]. des hiesigen Weinbaus führten 107 So ist für Gunzenhausen schon 1458 vom Weinhandel aus der Gegend von Grundlegend ist, dass die Bauern, die einen Weinberg Würzburg die Rede (Gunzenhauser Heimatbote Nr. 18/1930, Band III, S. 73) und 1468-1471 von Fuhrleuten für Wein aus dem Taubertal nach Gun- zu Lehen hatten, im Mittelalter nicht frei waren, son- zenhausen (Alt-Gunzenhausen, Beiträge zur Geschichte der Stadt und des dern einer Herrschaft unterstanden, die einen mehr oder Bezirks, Heft 4/1927, S. 47). weniger großen Anteil am Ertrag einforderte. So konnte 108 Gemeinde Ramsberg, Ramsberg, Gunzenhausen 1978, S. 54: Das 1572 an- gelegte Zinsbuch des eichstättischen Kastenamtes Pleinfeld-Sandsee berichtet es durchaus sein, dass sich der arbeitsintensive Wein- von Neubrüchen (= Neurodungen) in den ehem. Weinbergen zu Ramsberg. bau 110 für den kleinen Bauern nicht mehr lohnte, vor 109 Martin Winter, Alte Straßen im Ramsberger Raum, in: Ramsberg, a. a. O., allem wenn es mehrere Jahre hintereinander schlechte S. 22: „Frankenstraße und Weinstraße”. Bei der ehem. Langweidmühle gab es den Flurnamen „An der Weinstraße" als Hinweis auf eine alte Ost-West- Erträge gab und die Herrschaft trotzdem hohe Abgaben Verbindung, auf der Wein aus dem Tauber- und Maintal transportiert wurde. forderte. 110 Wird ein Weinberg nicht gepflegt, kann er völlig verwildern, wie das bei den Kneuer Gärten unterhalb von Kleinweingarten zu sehen ist. Lediglich Auch der Dreißigjährige Krieg mit zahllosen Zerstö- auf einer Geländereliefkarte sind die ehem. Weinbergterrassen noch zu er- rungen, Plünderungen, dem Bevölkerungsschwund und kennen, denn die Natur hat sich durch ein dichtes Gestrüpp und Baumbe- Flurverwüstungen schadete dem hiesigen Weinbau wuchs das Gelände zurückgeholt. 111 So lebten z. B. 1632 in Pappenheim 70 Bürgersfamilien, 1633 aber nur nachhaltig. Viele Höfe lagen 50 Jahre nach dem Krieg noch 15, in Übermatzhofen von 15 Familien nur noch zwei, in Langenalt- immer noch öde da.111 Niemand trug die abge- heim von 63 Familien noch zwei, in Dettenheim von 42 noch zwei, in schwemmte Erde mehr hinauf. Die Hänge verwilderten Schambach von 35 ebenfalls nur zwei, usw. (vgl. Daniel Burger, Langen- altheim vom Mittelalter bis zum Ende des Alten Reiches, in: Chronik der oder gingen ein. Gemeinde Langenaltheim mit den Ortsteilen Büttelbronn und Rehlingen, Langenaltheim 2019, S. 94).

25 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Auch die Säkularisierung ab 1803 im Zeitalter Napo- für den Weinbau besser geeignet waren. Wenn hier auf leons, mit dem Ziel, den kirchlichen Einfluss zu schwä- jenem Hang mit lehmigen Sanden Weinbau betrieben chen, hatte zur Folge, dass kirchliche und klösterliche wurde, zeigt das, wie wichtig den Menschen damals Liegenschaften, die ursprünglich auch dem Weinbau der Wein war. gewidmet waren, eingezogen wurden. Das betraf hier Es trifft nicht ganz zu, zu behaupten, heute gäbe es das alte Hochstift Eichstätt, das Kloster St. Walburg in bei uns keinen Weinbau mehr. In Bubenheim hat in der Eichstätt, das Kloster Kaisheim sowie den Deutschen Flur Am Berg oberhalb der Kirche ein Bubenheimer Orden mit Sitz in Ellingen. 198 Weinstöcke auf zwei nebeneinanderliegenden Flä- chen von insgesamt etwa 400 m² mit Müller-Thurgau- Weinbau im 19. und 20. Jahrhundert Reben von 1983 bis 2017 gepflegt. Diese Traubensorte Obwohl viele Personen befragt wurden, so wusste doch hat eine kurze Reifezeit, weil sie erst im Mai austreibt. kein Einziger etwas über Weinbau im Mittelalter in der Damit können ihr späte Fröste nichts anhaben. Sie hiesigen Gegend, wohl aber, dass er offensichtlich in brachte oft gute Ernten, einmal sogar mit Spitzen- einigen Ecken bis ins 19. Jahrhundert betrieben wurde, qualität „Spätlese“ und mit maximal 350 kg Reben im so zum Beispiel in Graben bei Treuchtlingen.112 Jahr 116. Ab 2002 hat der Besitzer nicht mehr gespritzt. Es handelt sich hier bei der Weinsiedel 113 um einen Das führte zu einem Befall der Weinstöcke und etwa terrassierten Südhang 114 mit Äckern und einer Wiese 50prozentigem Ernteausfall, sodass sich der Weinbau im Nordwesten von Graben an der Gemarkungsgrenze nicht mehr lohnte, oder man hätte den Weinberg neu nach Bubenheim. bestocken müssen. Persönliche Gründe kamen hinzu, Spätestens seit 1214 wurde in dem gräflich-pappen- dass der Hobby-Winzer den Hang gerodet hat. heimischen Dorf Graben Weinbau betrieben.115 Um 1970/75 hat der damalige Besitzer mit seinem 112 Leider wusste keine der befragten Gewährspersonen Konkretes über den früheren Weinbau und damit auch über die Gründe der Auflassung des neuen Pflug Wurzelstöcke von Weinstöcken aus der Weinbergs. dritten Terrasse von oben herausgeackert. 113 Der Flurname Die Weinsiedel ist wohl im Sinne von Sitz, Stelle, an der Ein früherer Besitzer, Michael Dilling, geb. 1897, Wein gedeiht, zu deuten. 114 Die auf den Geländestufen (Ranken) stockenden Feldgehölze sind charak- konnte sich erinnern, dass man ihm erzählt habe, dass teristisch für die ehemaligen Weinbauterrassen. Sie trennen die einzelnen hier Wein angebaut wurde. Dies wäre der Beweis, dass Terrassen, die nicht sehr ausgeprägt sind, voneinander ab. Die Neigung des im 19. Jahrhundert hier noch ein Weinberg war (zumin- Hanges ist mäßig, die Ranken sind verhältnismäßig breit. dest auf der dritten Terrasse), und ist gleichzeitig eine Um 1850 wurden die Terrassen ackerbaulich genutzt, was der Blick in his- torische Flurkarten dieser Zeit verrät (Amt für Digitalisierung, Breitband Aussage über die bisher längste Nutzung einer Flur als und Vermessung Schwabach, Außenstelle Weißenburg: Flurkarte „Nro 7, Weinberg im Großraum Weißenburg. Steuergemeinde Graben, Herrschaftsgerichts Ellingen im Rezat-Kreise, Von kulturhistorischer Bedeutung ist ferner, dass dies 3. Extraditionsplan 31.12.1832“). 115 Das Pappenheimer Urbar nennt unter dem Abschnitt Weinsteuer: „Ze Gra- ein Beispiel für den ehemaligen Weinbau an der Alt- bin 6 gütlein, yedlichs 10 dn.“ (Kraft, a. a. O., S. 118). mühl vor ihrem Durchbruchstal ab Dietfurt ist, wo dann 116 Zum Vergleich: 2019 lag der Durchschnittsertrag der Weinernte in Deutsch- steile Hänge mit Weißjurakalk zu finden sind, die land bei 57 hl/ha.

26 Ulf Beier – Spuren mittelalterlichen Weinbaus in der Region Weißenburg i. Bay. 2/2020

Ob der einsetzende Klimawandel in absehbarer Zeit Viel Interessantes musste aus Platzgründen wegbleiben, so z. B. wieder den Weinbau interessant macht, wird die Zu- die Geschichte des Pappenheimer Weinberges. Wer dessen Ge- kunft zeigen. Auf sehr kleinen Flächen, z. B. an den schichte erfahren will oder auch Näheres wie die genaue Lage und Größe einzelner Weinberge im Untersuchungsgebiet, kann Südseiten von Haus- und Gartenmauern oder in das vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Land- Treuchtlingen am Weinberg, gedeiht bereits wieder wirtschaft und Forsten und dem Europäischen Fonds für Ent- Wein zum privaten Verbrauch in guter Qualität, ebenso wicklung des ländlichen Raumes geförderte Projekt im Internet in Stirn unterhalb der Lindenstraße (vgl. Abb. 13), aber aufrufen unter https://erfassung.historische-kulturlandschaft.net. in unbedeutenden Mengen. Dort hat der Verfasser über 30 Objekte dokumentiert.

Abb. 13: Bescheidener Wiederanfang mit Weinbau in Stirn, unterhalb der Lindenstraße (Foto: Ulf Beier).

27 - Anzeige -