als burgundischer Landvogt auf dem Schloßhügel schi• Altkirch kanös seines Amtes waltete. Der Besuch Kaiser Maximi• In einem fruchtbaren, von hügeligen Waldbestän• lians I. Anno 1492 und das Wirken Johann Ulrich Sur• den durchzogenen und von der und der Larg bewässer• gants, der 1488 zum Rektor der Basler Universität auf• ten Gebiet liegt die Stadt Altkirch. Erstmals im Jahre stieg, erscheinen dagegen als unauslöschbare Lichtblicke 1102 urkundlich erwähnt, wird schon 12 71 von einem in der bewegten Stadtgeschichte. gesprochen. Der Burg• Ein wirtschaftlich bedeutsames Instrument hatte die hügel, aufdem sich das Schloß der Herrscher, der Grafen Stadt schon vor dem Jahr 1398 durch die Verleihung des von Pfirt, erhob, erfuhr ebenfalls im 13. Jahrhundert sei• Marktrechts erhalten. Seit 1490 durften nicht nur wäh• ne früheste Besiedlung durch Untertanen. 1324 gelangte rend des Jakobimarktsam 25. Juli, sondern jeweils auch durch Heirat Erzherzog Albrecht Il. von Habsburg in am Donnerstag nach der Alten Fasnacht die Marktstän• den Besitz der Grafschaft. Und unter den Österreichern de aufgeschlagen werden. Es folgten 1511 der Micheli• entwickelte sich Altkirch zum bedeutendsten Handelsort markt am 30. September und 15 79 der Exaudimarkt am des Sundgaus. 1375 setzte eine Belagerung durch die Montag nach diesem Sonntag. Der heute bekannteste der Horden Enguerrand de Coucys der Stadt hart zu, brannte 13 Altkireher Jahrmärkte ist der seit 1567 bekannte Ka• sie doch teilweise bis aufdie Grundmauern nieder. Ausje• tharinenmarkt am 23. November. Neben einem größern ner Zeit stammt die Legende, daß im Augenblick, als die Kaufhaus, das im ausgehenden 14. Jahrhundert erbaut Feinde bereits die Mauern der Stadt erstiegen hätten, worden war, wurde in Altkirch schon früh auch die Zie• eine strahlende Erscheinung der Gottesmutter die Bela• gelfabrikation ()betrieben. Zu trag• gerer in die Flucht geschlagen habe. Tatsache ist, daß die fähigen Industriezweigen entwickelten sich im 19.Jahr• Bürger Altkirchs bis 1793 alljährlich am Mittwoch nach hundert die Herstellung von Fayencen und die Baum• Mariä Lichtmeß eine Votivfeier Maria zu Ehren begin• wollweberei. Bis ins 14. Jahrhundert lassen sich in Alt• gen. Die Begründung dieses Festes ist im großen Platz• kirch auch Nachrichten über eine Schule verfolgen. Zu• brunnen der Stadt eingemeißelt. nächst amtete ein Kaplan als Schulmeister, später ein Auch später wurde Altkirch immer wieder in Kriegshän• Provisor, der zugleich Organist war und eine zweiklassi• del verwickelt. So im Armagnakenkrieg 1444. Zwei Jah• ge Schule führte. Beim Einzug der Jesuiten drängte 1623 re später richteten die Basler große Verwüstungen an. die Geistlichkeit auf die Errichtung eines Kollegiums, 1633 fiel die Stadt in die Hand der Schweden, die mit bei• doch erhielt die Stadt die Erlaubnis zur Betriebseröff• spielloser Grausamkeit die Bürger traktierten und nung erst Anno 1803. Im Jahre 1886 unterrichteten am schließlich auch das Schloß zerstörten (der Rest des be• Gymnasium 10 akademische Lehrer 94 katholische, 22 rühmten Schloßturms, des höchsten im Obere/saß, ist protestantische und 21 israelitische Schüler. 1845 abgebrochen worden). Mit Mißbehagen erfüllt ist auch die Erinnerung an Peter von Hagenbach, den be• rüchtigten Vogt Karls des Kühnen, der von 1469 bis 1474 254 Gesamtansicht der Stadt Altkirch, 1675 Zur Umwandlung eines offenen Ortes in eine Stadt bedurfte es der Kaiserlichen Genehmigung. Spä• 254 ter wurde auch den Landesfürsten das schwer umstrit• tene Recht, Stadtanlagen zu gründen, eingeräumt. Eine Schenkungsurkunde des Grafen Friedrich II. von Pfirt aus dem Jahre 1215 berichtet von der Gründung der Stadt, als er den Mönchen von Lützel einen Platz zur Errichtung eines Hauses erlaubte, (in municipio nostro nomine Haltkiliche quod tempore meo aedificavi). Unter , welches zur Zeit Ottos des Großen von je• dem befestigten Ort fast gleichbedeutend mit gebraucht wird, ist aber hier nicht allein ein durch Mauern und Wälle geschützter Platz zu verstehen, sondern es vertritt auch die neue Ordnung für das städ• tische Gemeinwesen. Nach der Vereinigung mit Frank-

E. A. Meier, Rund um den Baselstab 222 © Springer Basel AG 1978 reich Anno 1648 bildete Altkirch ein Amt der Subdele• gährte es auch im ganz bedrohlich, und tiefe gation Belfort und bestand aus den Meiertümern auf Unruhe erfaßte alle Teile der Bevölkerung. Die Auf• der Larg, im Hundsbachertal, Bettendorf, , ständischen zogen randalierend durchs Land, so daß und 1686 wurde die Stadt zugunsten die Nationalgarde eingesetzt werden mußte. War es der Familie Mazarin zur Baronie erhoben. Während den mit Knüppeln, Stöcken und Säcken ausgerüsteten der Französischen Revolution rückte Altkirch zum Bauern nicht möglich, sich Zugang in die Stadt Alt• Hauptort des Arrondissements gleichen Namens auf kirch zu verschaffen und die Häuser der reichen Israeli• und blieb es bis zum Jahre 1857. Durch Verfügungvom ten zu plündern, so gelang ihnen dieses Vorhaben in 17. November wurde Mülhausen zum Hauptort erko• Dürmenach, einem vornehmlich von Juden bewohnten ren. Heute ist Altkirch wieder Sitz einer Sous-Prefectu• Dorf in der Umgebung. Dort wurden mehrere Häuser re mi~6300 Einwohnern.- Kupferstich von L'Hermine. ausgeraubt und verwüstet und die jüdischen Einwoh• ner um ihr Hab und Gut gebracht. Auch wurde die Syn• 255 Die Judenrevolte von Dünnenach, 1848 agoge geschändet und deren Ausstattung zertrümmert. Als im Februar 1848 in Paris die Revolution aus• Der ruchlose Überfall auf störte brach und die Zweite Republik ausgerufen wurde, während Jahren das konfessionelle Gleichgewicht im Sundgau.- Lithographie von Boehrer. 255

256 Am Hirschmontag, um 1870 Der fidele Hirschmontag, der sogenannte Tschap• perlemäntig, galt immer als Tag der Frau: Die Frau durfte das Geschehen bestimmen und dabei den sonst unterdrückten Gefühlen freien Lauflassen ... So zogen die Frauen in Gruppen durch die Stadt und besuchten Cafes und Restaurants. Dies bot denn auch Gelegen• heit, übermütig den Männern die Hüte und Mützen von den Köpfen zu zerren und diese erst wieder nach einer Einladung zu einem Glas Wein zurückzuerstat• ten!- Zeichnung von F. T. Lix.

E tapferer Karle Jm Stationsort Altkirch hat's e paar junge Bürsmanner, wu allewil, wenn se hinander sin, vu ihre Kräfte verzähle un sich mit groß wan mache. Wie me sage tüet, sin die Riese famos stark im Üsrisse. So hat züem Bispiel am Neujohr ein vu dane Koloß mit 'm e Schwizer• knacht ebbis gha, im e günstige Momant haüt er dam Schwizer eine uf dAüge un isch ab. Dr Schwizer isch iwer das Benahme so eton• niert gsi, aß er gar nitt dra dankt hat, fir dam Großmül noz'geh; er hat nur gsait, aß er dr Streich bi dr erste Glageheit ummegit. Unser Bür labt siter in Angst, as er mit'm Schwizer könnt z'amme• traffe un loßt sich im Ort so wenig wie möglig sah. An dr Fasenacht isch er mit sim Wiwele in 're Wirtschaft gsi; e paar junge Burseht han sich dr Gspaß erlaübt, sin uf das Paarle züe un sage-n-ihm, aß dr Schwizer verkleide-n-isch un si Adversaire süecht, fir'm e Schutz z'ga. Im Arbogast isch's uf das hi windeweh worde un sie Wiwele isch fast in Ohmachte gfalle. So schnall aß se han könne, sin beide heim gschliche unhansich dert igschblosse. Dran der Tag isch drno im Arbogast sie Wiwele iwerall geh klage un hile, fir aß me doch bim Schwizer wieder güet Watter mache tüet. Drbi hat da Schwizer schu lang nimme an die Atfare dankt gha. 's macht nit, Kurage ha isch doch gwiß e natte Sach, awer gwöhnlig findet me die nitt bim e Prabli, wie dar Fall wieder ufs Neüe bewist. (1904)

223 257 Das Kloster St-Morand, 1857 Frühzeit eine St.-Christophorus-Kirche stand. Die spä• Die Anfange Altkirchs sind im Tal von St-Morand ter als Bürgerspital und Waisenhaus dienenden Ge• zu suchen, wo, wie aus einer Aufzeichnung über das bäulichkeiten sind 1752 von den Jesuiten errichtet wor• Leben des Sundgauheiligen Morand (t um 1115) aus den. Die alte, feuchte Kirche wurde 1885 ersetzt. - dem Jahre 1106 zu erfahren ist, schon in christlicher Ölgemälde von J. R. Lyner.

257

Neujahrswunsch aus St-Ulrich bei Altkirch Mer kemme dohare am Owe spot. Ihr solle das Johr mit Freide erlebe. Mer wünsche eich alle e neu's guets Johr. Zu Bethlehem in der kleine Stadt, E neu's guets Johr, e fröhlichi Zeit, Wo Maria 's Chrischtkindele gebore hat. Die uns Gott V atter vom Himmel verleiht. Sie hat's gebore, und das isch wohr, Vom Himmel verleiht un's ewige Lebe, Jetz schick uns Gott Vater e neu's guets Johr!

224 258 Altkirch oder Altkilch, 1751 König in Franckreich Herr Obrist Betz besitzen. Jst ein <

225 geplündert worden, und hat seither noch viel außge• standen. Wie es dann Anno 1641. im Junio von den Burgundischen Bauren erstiegen und geplündert wor• den ist. Nicht weit von diesem Städtlein ist ein altes Kloster S. Morand genand, vor diesem dem Benedicti• ner Orden, anjetzo aber den Jesuitern gehörig.>> (1663) 259 Die Kirche auf dem Berg, um 1840 259 Zuverlässige Angaben über die sind erst von der zweiten Kirche, die sich bis 1844 auf dem heutigen Place de Ja Republique erhob, überliefert. Eine Inschrift berichtete: « Als vermutlicher Bau• meister ist ein Thomas Hilmaier zu nennen. Charles Goutzwiller, der diese Ansicht der Kirche lithogra• phierte und den Abbruch des Gotteshauses Anno 1844 miterlebte, vertrat die Ansicht, der Turm stamme wohl aus dem siebten Jahrhundert und habe einen Teil der Berchtoldskirche gebildet. Berchtold war der Sohn des Grafen Friedrich II. von Pfirt, des Gründers der Stadt.

260 Die Weberei Xavier Jourdain, um 1870 Im Jahre 1826 gründete Xavier Jourdain in Alt• kirch eine mechanische Weberei, deren erste Webstüh• le von großen Wasserrädern angetrieben wurden. Der Anschluß an die Eisenbahnlinie Mülhausen- Belfort Anno 1858 wirkte sich für das Unternehmen äußerst günstig aus, beschäftigte es doch um die Jahrhundert• wende gegen 500 Arbeiter, die an 800 Webstühlen ar• beiteten.- Lithographie von Ch. Goutzwiller.

261 Die 1345 ummauerte Stadt, 1839 260 <

226 W eibenasnacht Einer der wunderlichsten und lustigsten Karnevalsbräuche ist die , die im südlichen Elsaß alljährlich Jung und Alt im frohen Faschingstaumel mit sich fortriß. Im Sundau führte der Fastnachtsmontag den Namen Hirztag, von am Fastnachtsmontag üblich gewesen zu sein, wie aus einer Stelle aus Moscheraschs hervorzu• gehen scheint, die lautet:<> Bald erstinstanzliehe nach Neujahr wurden in jeder Gemeinde einige Frauen ge• Tribunal. Schon die hier durchfüh• wählt, welche von dem Ortsschulzen die Erlaubnis erbaten, zur rende große Straße von Basel nach Belfort und Paris Fastnacht die abhalten zu dürfen. Diese Erlaubnis belebt Altkirch sehr; es wird aber jedoch recht lebhaft, wurde erteilt. Und so kamen die Frauen schon früh morgens an wenn hier Jahrmarkt gehalten wird, was viermal im Fastnacht auf dem Rathause zusammen und hielten - und das war Jahr geschieht, wo dann aus allen Gegenden des Sund• das Erfreuliche an der Sache - Gericht über sich selbst und ihre Tä• tigkeit gaues im verflossenen Jahre wobei dann alle vorgekommenen Ord• und der Nachbarlande die Leute hieher strömen, nungswidrigkeiten in Küche und Haus zur Verhandlung gebracht um ihre Erzeugnisse, Pferde, Hornvieh, Hanf, Lein• und die schuldig befundenen Frauen entsprechend verurteilt wur• wand etc. zu verkaufen oder gegen andere Waaren und den. Die Urteile waren manchmal recht hart. Wer z. B. der Unsau• Bedürfnisse umzusetzen.>> ( 1828) berkeit bezichtigt wurde, mußte Kinder- oder Küchengeschirr vor den Richterinnen im Rathaus reinigen. Widersetzlichkeilen gab es nicht, da sie die Übeltäte ein aus der Ortsgemeinschaft würden aus• St. Morauds Ruhe geschlossen haben. Nach der ernsten Sitzung aber begann der Fest• Der h. Morand, Apostel und Patron des Sundgau's und der Stadt schmaus. Bürgermeister und Schultheiß fungierten als Kellner. Die Altkirch, welcher in der Mitte des XI. Jahrhunderts lebte und viele übrigen beilegte, so scheint das Verbot nicht ge• lesen und andere gottesdienstliche Handlungen zu verrichten. Bei nau befolgt worden zu sein. Einige Chronisten behaupten sogar seiner Rückkehr überraschte ihn aber ein heftiges Gewitter und nö• ganz bestimmt, daß man sich nach der Gerichtsverhandlung fleißig tigte ihn. sich unter einen über den Weg hinragenden Felsen zu einschenken ließ. und daß manche Frauen gar weidlich gezecht flüchten. um wenigstens sein entblößtes Haupt vor dem Sturme zu hätten. Unter dem Rathause fanden sich Musikanten ein. die musi• schützen. Und siehe, <. (1892) ben. Vor Anbruch der Nacht nach Hause zu gehen, war streng ver• boten (1910).

227