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ZEMENT BETO Murbrecher Litz, / 22 Kombination eines Murbrechers mit einem Brückenbauwerk zum Schutz der Gemeinde

DI Johann Kessler Ing. Alexander Battisti Wildbach- und Lawinenverbauung Vorarlberg Gebietsbauleitung Bludenz

Abb. 1: L 95 Silbertaler Straße talauswärts Unterspülung

Fotos: © Wildbach und Lawinenverbauung

Am 22./23. August 2005 wurde die ge- Tagesniederschläge über 200 mm wurden Rutschung Galierm samte Landesfläche Vorarlbergs von einem im Alpenraum bei halbtägigen Gewitter- Das , ein Seitental des Monta- Katastrophenhochwasser heimgesucht. zellen bereits mehrfach beobachtet. Durch fons, wies besonders umfangreiche Schä- die warmen Temperaturen wurde nur ein Nach mehreren Niederschlagstagen war den auf. Bei Hm 21,5 des Litzbaches, unbedeutender Teil des Niederschlags das Rückhaltevermögen des Bodens der- welcher das Silbertal entwässert, wurde als Schnee gebunden, fast die gesamte art eingeschränkt, dass sich eine erhöhte in einem Außenbogen des Baches der Wassermenge floss ab. Abflussbereitschaft ergab. Eine Wetter- Hangfuß erodiert. Dies löste eine um- lage mit Steigungsregen an mehreren Insgesamt hat das Hochwasserereignis fangreiche Rutschungstätigkeit im Gra- Bergketten und mit Ost-West-Orientierung 178,2 Mio. Euro an bezifferbaren Schä- beneinhang aus. Das Gesamtvolumen bewirkte Tagesniederschläge bis zu den verursacht. In Fließgewässern traten der ausgelösten Rutschung wurde mit 250 mm. Die stärksten Niederschläge 3 beim Schutzwasserbau Schäden in der ca. 300.000 m angeschätzt. wurden am 22. August gegen Mitternacht Höhe von 24,2 Mio. Euro auf. Davon ent- registriert und schwächten sich erst ab Die rechte Flanke des Silbertales besteht fallen 14,2 Mio. Euro in den Zuständig- 05.00 Uhr früh am 23. August ab. überwiegend aus Gesteinen der Phyllit- keitsbereich der Bundeswasserbauver- gneiszone. Im Anriss der Rutschung sind waltung, 10,0 Mio. Euro in den der Wild- dies überwiegende Phyllitgneise und Abb. 2: L 95 Silbertaler Straße talauswärts, Unterspülung bach- und Lawinenverbauung. Glimmerschiefer. Die Grenze der auflie- genden Moräne zum Fels bildet häufig Die Schäden im Bereich der WLV sind in einen Quellhorizont. Das austretende vielen Fällen auf die Überlagerung meh- Wasser ist ein zusätzlicher Ansatzpunkt rerer Prozesse zurückzuführen. Einerseits für Muschelbrüche aus der auflagernden führten Niederschläge in Verbindung mit Moräne, die zunehmend zurückerodiert der starken Vorsättigung des Bodens zu und den Herd des Murbruches bildet. Rutschungen und Hangexplosionen, andererseits zu Verklausungen und Durch kurzfristig eingeleitete Maßnahmen Murenabgängen. Uferanbrüche in Zusam- wurde versucht, den Hangfuß der Rut- menhang mit hohen Strömungsgeschwin- schung zu sichern. Die Wasserbauver- digkeiten und lang andauernden Hoch- waltung sicherte die Bachsohle und die wasserwellen setzten große Mengen an Böschung mit in Beton C25/30 verleg- Geschiebe und Wildholz frei. ten Wasserbausteinen. 6550_07_Kern_6_07_K1_ek.qxd 09.01.2008 12:08 Uhr Seite 23

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Zusätzlich führte die Wildbach- und Lawinen- verbauung Drainagemaßnahmen im Rutsch- körper durch und leitete anfallende Hangwäs- ser mittels zugfesten Kunststoffleitungen aus. Diese Sicherung kann vom weiterhin gleiten- den Hang jedoch wieder zerstört werden. Bei dem sehr wahrscheinlichen Zusammentreffen eines Hochwassers mit gleichzeitiger Zerstö- rung der Ufersicherung würde eine Hangschutt- menge von bis zu 100.000 m3 in den Litzbach gleiten und einen Aufstau verursachen. Bei Durchbrechen dieses Sees wird erwartet, dass eine Flutwelle mit hohem Geschiebean- teil (bis zu 50.000 m3) durch die Litzschlucht nach Schruns geführt wird. Der Unterlauf des Baches ist als sohloffenes Trapezgerinne mit regelmäßigen Sohlschwellen ausgeführt. Auf- grund mehrerer Brücken und des ungünstigen Gefälles bei der Einmündung in die sind da- her beidseitig Ausbrüche bei einem Murgang Abb. 4: zu erwarten. Es wird befürchtet, dass der Situationslageplan gesamte Ortskern von Schruns stark in Mit- Grafiken: © Wildbach- und leidenschaft gezogen wird. Lawinenverbauung

Verbauungskonzept Abb. 5: Ca. 300 m unterhalb der Rutschung befindet Verbauungskonzept sich eine Geländeaufweitung bzw. eine Wie- in 3-D-Darstellung – Auffangbecken leer senfläche. Am Ende der Verbreiterung wird ein Murbrecher situiert, welcher die auftretende Welle dämpfen und einen Großteil des Mur- Abb. 6: materials zurückhalten soll. Der vorhandene Verbauungskonzept Verlandungsraum kann eine Gesamtmenge in 3-D-Darstellung – Auffangbecken 3 von mindestens 30.000 m aufnehmen. verfüllt

Abb. 3: Rutschung Galierm 6550_07_Kern_6_07_K1_ek.qxd 09.01.2008 12:08 Uhr Seite 24

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Zusätzlich muss das Bauwerk als Zufahrt für Abb. 8: Querschnitt Grafik: © Wildbach und Lawinenverbauung die Entleerung des Auffangraumes und als Er- satz für die abgetragene Brücke des angren- zenden Grundeigentümers dienen. Weiters besteht die Möglichkeit, bei auftretenden Ver- klausungen rasch reagieren zu können, da die Befahrbarkeit mit schweren Räumgeräten ge- sichert ist. Eine wichtige Grundbedingung für das Bauwerk war, dass normale Hochwasser- abflüsse des Litzbaches durch das Bauwerk nicht behindert werden dürfen. Dies soll die Häufigkeit von Räumungen verringern.

Beschreibung des Bauwerks Die Ausführung des Murbrechers erfolgte als 16 m langes Brückentragwerk aus Stahlbeton C25/30 mit verringertem Abflussquerschnitt (mit C25/30/GK16/SCC-Beton verfülltes Quer- rohr auf halber Höhe) und einem schrägen Mit- telpfeiler. Der abgeschrägte Mittelpfeiler wurde für das Aufschwimmen von Treibholz erstellt.

Der Durchflussquerschnitt beträgt 50 m2, somit kann eine Reinwassermenge von ca. 150 m3/s abgeführt werden. Bei einem Eintreten des angenommenen Katastrophenereignisses wird der Verlandungsraum bis zur Brückenober- kante gefüllt und die Litz wird über die Brücke geführt. Die Abflusssektion weist wiederum eine Querschnittsfläche von ca. 50 m2 auf. Dadurch wird ein geregelter Abfluss gewähr- leistet. Mittels der beidseitigen Panzerung der Brücke mit Stahlprofilen soll Betonabrieb durch das auftretende Geschiebe verhindert werden.

Abb. 7: Fundamentplatte Abb. 9: Brückenbewehrung mit Panzerung Abb. 10: Brückenschalung 6550_07_Kern_6_07_K1_ek.qxd 09.01.2008 12:08 Uhr Seite 25

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Um die äußere Standsicherheit zu ge- Abb. 11: Aufriss Grafik: © Wildbach- und Lawinenverbauung Vorarlberg währleisten (Bemessung auf 2-fachen Wasserdruck), ist es notwendig, große Mengen an Beton einzubringen. Auch bei diesem Bauwerk wurde zur Verbes- serung der Standsicherheit eine Boden- platte von 1,55 m Stärke mit einem Sporn zum Schutz gegen Auskolkung mit zusätzlich 1,5 m Tiefe erstellt. Somit beträgt die gesamte Fundierungstiefe über 3 m. Die geringste verwendete Betonstärke beträgt 1 m. Aufgrund der Rahmenkonstruktion wurde auf Dehn- fugen bei der Brückenauslegung ver- zichtet. Da das Bauwerk in einem stark geschiebeführenden Gerinne situiert ist, wurden zusätzlich zur Betondeckung (10 cm) alle exponierten Stellen mit Stahl Abb. 12: Brückenüberfahrt ohne Geländer Fotos: © Wildbach- und Lawinenverbauung (S235–12 mm) gepanzert. Die Abfluss- sektionen wurden mit Wasserbausteinen in Beton verlegt ausgeführt. Alle Stahl- teile wurden unbehandelt eingebracht. Es wurde kein Schutzanstrich oder eine Verzinkung angebracht. Um die Ganz- heitlichkeit des Objektes zu gewährleisten, wurde auch das Geländer aus unbehan- delten Stahlprofilen erstellt. Die Brückenüberfahrt ist als Wanne mit 20 cm Tiefe ausgebildet und mit einem Schotterbelag von 10 cm Dicke verse- hen. Dieser Belag soll ein Abrutschen von Kettenfahrzeugen bei Räumarbeiten verhindern. Der verbleibende seitliche Höhenunterschied von 10 cm wird als Schrammbord verwendet. Der Mittel- streifen wurde mit Filterkies 16/32 aus- gebildet, um eine gesicherte Wasserab- leitung in die Ableitungsrohre zu ermög- lichen. Um die Aufstiegsmöglichkeit für Fische und Kleinstlebewesen auch bei Niedrig- wasser zu gewährleisten, wurde eine Niederwassermulde in der linken Abfluss- Bei einem Einsatzfall kann das Tragwerk Die gesamte Uferlinie des bergseitigen sektion erstellt. Talseits der Sperre wur- bis zu 2 m hoch überschüttet sein. Um Auffangbeckens wurde bis zur Verlan- den zwei zusätzliche, im Bachgefälle zusätzlich das Befahren mit schweren dungshöhe mit einer Grobsteinschlich- verlaufende Grobstein-Sohlschwellen im Maschinen zu ermöglichen, wurde das tung versehen. Die talseitigen Ufer wurden Abstand von 15 m eingebaut, um die Tragwerk für eine stark erhöhte Belas- ebenfalls gesichert, um bei einem Vollauf- Vorfeldsicherung im Katastrophenfall zu tung von 50 KN/m2 und zusätzlich einem stau die anliegende Landesstraße zu verbessern. schweren Kettenfahrzeug bemessen. schützen. 6550_07_Kern_6_07_K1_ek.qxd 09.01.2008 12:08 Uhr Seite 26

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Abmessungen des Bauwerks Gesamtbreite: 35,5 m Gesamthöhe: 13,0 m Gesamttiefe: 11,3 m Brückenstützweite: 2 x 7,5 m Fahrbahnbreite: 3,5 m Fahrbahnstärke: 0,8 m Beton C25/30 + 10 cm wassergebundene Deckschicht Gründung: Platte mit Sporn, Kolkschutz mit Wasserbausteinen Bemessung Tragwerk: 50 KN/m2 & schweres Kettenfahrzeug Bemessung Standsicherheit: 2-facher Wasserdruck auf Bauwerkshöhe Abb. 13: Ansicht von unten Maximaler Durchfluss: 150 m3/s Rückhaltevermögen: 30.000 m3 Beton C25/30: 1.100 m3 Beton C25/30 GK16/SCC: 15 m3 Stahl S235: 30 t Resümee Baustahl BST 550: 25 t Die durchgeführten Maßnahmen stellen Wasserbausteine: 4.600 t eine sehr gute Verbindung zwischen einem Brückenbauwerk und einem Mur- brecher dar. Es wurde versucht, eine land- schaftsangepasste und zweckmäßige Abb. 14: Gesamtansicht von oben © Fotos: Wildbach- und Lawinenverbauung Bauweise zu finden. Besonders die Kom- bination von gebogenen Stahlelementen und Beton stellt eine Neuerung im Sper- renbau der Wildbach- und Lawinenver- bauung in Vorarlberg dar. Abschließend sei allen am Bau Beteilig- ten – dem Bauherrn Gemeinde Schruns, dem ausführenden Bautrupp der Wild- bach- und Lawinenverbauung und dem betroffenen Grundeigentümer – für die gute Zusammenarbeit gedankt.