Deutschland M. WEISS / OSTKREUZ Sozialdemokrat Danckert*: „Wirklich gern in den

Nun aber machen prominente Ostge- SPD nossen gegen den West-Berliner Seiten- einsteiger mobil, der zuletzt im Sommer den Bonner SPD-Parteivorstand zum The- „Die spinnen doch“ ma Großer Lauschangriff beriet („Da kön- nen wir uns nicht verweigern“). Alexander Schalck-Golodkowskis Anwalt bewirbt sich Der letzte DDR-Außenminister Markus Meckel hält Danckerts Kandidatur für um ein Bundestagsmandat in – „hoch problematisch“. Stephan Hilsberg, gegen heftigen Widerstand ostdeutscher Sozialdemokraten. Mitbegründer der Sozialdemokraten in der DDR (SDP), sieht hier „ein verhängnis- enn auf der Bühne der Republik Einer von zwei Unterbezirken im bran- volles Signal, von dem die ganze SPD be- ein Schurken- oder Heldenstück denburgischen Wahlkreis 278 südlich von troffen ist“. Und Richard Schröder, einst Wgegeben wird, läuft der Berliner hat ihn in der vorvergangenen Wo- SDP-Fraktionsvorsitzender in der Volks- Rechtsanwalt oft wie Al- che einstimmig als Kandidaten nominiert. kammer, wittert in Danckerts Bewerbung fred Hitchcock in seinen Filmen durchs Bild Im November fällt dann die endgültige Ent- gar „einen Skandal für die Demokratie“. – nur ganz kurz, aber nicht zu übersehen. scheidung. 1994 holten die Sozialdemokra- Weil Danckert im Dezember 1989 das Sein Bekannten- und Mandantenkreis ten hier über 50 Prozent der Erststimmen. Mandat vom ehemaligen DDR-Devisen- erstreckt sich von der High-Society bis zur Politik. Steffi Graf hat er ebenso verteidigt wie Ignatz Bubis, und mit dem möglichen SPD-Kanzlerkandidaten und Anwaltskol- legen Gerhard Schröder hat Danckert ge- meinsam Prozesse geführt. Den Gerichtssaal verläßt er meistens als Sieger, und nicht nur die bunte nennt ihn einen „brillanten Juristen“. Beruflich hat der 57jährige alles erreicht. Doch das soll noch nicht alles gewesen sein. Der Advokat, den Johannes Rau vor über 20 Jahren davon überzeugte, in die SPD einzutreten, will den Job ruhenlassen und statt dessen „wirklich gern in den Bun- destag“.

* Oben: bei der Bundestagskandidatentour auf einer Parteiversammlung in Eichwalde; unten: 1991, vor einer polizeilichen Vernehmung in Miesbach. Anwalt Danckert (r.), Mandant Schalck-Golodkowski*: „Verhängnisvolles Signal“?

40 der spiegel 39/1997 Deutschland beschaffer Alexander Schalck-Golodkow- halb angreifen, weil er seinen Job gut ski bekam und somit einem der meist- macht.“ gehaßten Funktionäre des SED-Regimes Tatsächlich diskutieren die Genossen bei juristisch zur Seite stand, sieht Hilsberg Danckerts Kandidatentour durch die ver- bereits „die alten Seilschaften der No- qualmten Vereinszimmer der brandenbur- menklatura“ auf dem Weg in die SPD-Bun- gischen SPD eher die wachsende Krimina- destagsfraktion. lität und die steigende Arbeitslosigkeit als Den Ex-Bürgerrechtler ärgert vor allem, das Verhältnis des Anwalts zu seinem Kli- daß Danckert in den Neunzigern als enten Schalck-Golodkowski. Aufsichtsratsvorsitzender des bayerischen Die Politik in den Gliederungen und Unternehmens Moksel wirkte – jenes Niederungen der Ost-SPD wird längst von Fleischkonzerns, der einst enge Geschäfts- Leuten wie Christoph Schulze gemacht, beziehungen zu Schalcks Imperium „Kom- einem 32jährigen Landtagsabgeordneten merzielle Koordinierung“ unterhielt. „Da aus Zossen bei Berlin. Der energische Un- werden wir doch mit der anderen Seite as- terbezirksvorsitzende des Teltow-Fläming- soziiert“, fürchtet der Bun- Kreises betreibt Danckerts destagsabgeordnete Hils- Kandidatur, weil „unser berg. Wahlkreis im nächsten Auch ein Brief von Rau, Bundestag nicht auf der den er im Sommer erhielt Hinterbank, sondern in der und in dem Danckert als ersten Reihe“ mitspielen verläßlich und integer ge- soll. priesen wurde, änderte an Auch Parteivize Thierse seiner schroffen Ablehnung kann an Danckerts Bewer- nichts: „Der Mann darf uns bung nichts Verwerfliches nicht vertreten.“ finden. „Wer einen Mörder Richard Schröder will verteidigt, ist doch nicht Danckert vor allem deswe- selber einer“, wehrt An- gen nicht, weil der West- waltssohn Thierse die Vor-

Berliner ist. Schließlich / GEGENDRUCK GIRIBÁS J. würfe ab. Es gehe darum, kandidiere ja auch „kein Danckert-Gegner Schröder „ostdeutsche Interessen gut Ossi in Niedersachsen“. zu vertreten“, erklärt er – Hinter dem Konflikt notfalls auch durch einen steht der seit Jahren gären- Wessi. de Streit zwischen den Ost- Natürlich, so schränkt sozialdemokraten der er- Thierse ein, müsse man se- sten Stunde und denen, hen, ob für den Job auch die in der SPD der neuen ein original Ostdeutscher in Länder inzwischen das Frage komme. Die Auswahl Ruder übernommen ha- ist groß: Gegen Danckert ben. Danckerts Kandidatur, wollen bei der entschei- hämt Ex-Bürger- denden Wahlkreisnominie- meister Walter Momper, rung inzwischen sieben „verstößt offenbar gegen brandenburgische Sozial- das ostsozialdemokratische demokraten antreten.

Reinheitsgebot von 1989“. DPA Eine Mitbewerberin , die Schröder, Hilsberg und Danckert-Gegner Meckel Biologin Susanne Melior, Meckel haben sich jahre- hat besonders gute Chan- lang gegen eine Kooperation mit der PDS cen, dem Charlottenburger Anwalt die Po- und die Aufnahme ehemaliger SED-Kader litkarriere noch streitig zu machen. Die in die Ost-SPD gestemmt. Diese Gefechts- Sozialdemokratin, die im Oktober 1989 in lage im Visier, sortierten sie den Schalck- die SDP der DDR eintrat, weiß den wich- Anwalt Danckert flugs zu ihren Gegnern. tigsten Mann der SPD auf Doch die haben sich zuletzt fast immer ihrer Seite: Manfred Stolpe. durchgesetzt. Ob es um die Tolerierung In einem persönlichen Gespräch hat der der rot-grünen Minderheitsregierung Ministerpräsident die 39jährige dazu auf- durch die PDS in Sachsen-Anhalt ging gefordert, gegen Danckert ins Rennen zu oder darum, die ehemalige SED-Frau Ro- gehen – eine überraschende Wendung: Im- semarie Will zur Verfassungsrichterin in merhin hatte der Anwalt die brandenbur- Brandenburg zu machen: Manfred Stolpe, gische SPD-Landtagsfraktion während des und Brandenburgs SPD- Stolpe-Untersuchungsausschusses beraten, Chef Steffen Reiche waren dafür. Hilsberg, in dem es um die Stasi-Verstrickungen des Schröder und Meckel votierten erfolglos Landesvaters ging. dagegen. Doch genau damit ließe sich auch die „Viele Sozialdemokraten im Osten sit- Ablehnung durch den Regierungschef er- zen mental immer noch am Runden Tisch“, klären. „Stolpe will keinen Mann im Bun- empört sich der ostdeutsche SPD-Bundes- destag“, mutmaßt ein Mitglied des SPD- tagsabgeordnete Thomas Krüger, „die Landesvorstands, „der seine Stasi-Akten doch. Man kann einen Anwalt nicht des- so genau kennt.“ ™

der spiegel 39/1997 43