'ετι μαλλον εζ την τιμωριαν επηρτο -Procopii de bello Vandalico 1-10-24-

Hiroshi WADA*

Uber die sogenannte "Renovatio Imperii"-Politik Justinians I, wurde bisher und wird heute nosh von vielen Fachgelehrten fast enstimmig geaussert, dass der Justinianische Vandalenkrieg durch seine "Renovatio"-Idee bestimmt sei. Namlich, ". habe schon vor dem Vandalenkrieg die Idee "Renovatio Imperii" gehabt und die Absetzung von Hilderich sei fur ihn der

geeignete Anlass zur Verwirklichung seines Gedankens gewesen. So habe er in der inneren Angelegenheit des Vandalenreichs interveniert."(1) Aber wenn wir die Aussagen im "De bello Vandalico" von Prokop mit den Deklarationen im Codex Justinianus und in den Novellen vergleichen and sie gegeneinander abwagen, so mussen wir unvermeidlich zu einem anderen Ergebnis gelangen als zum bisherigen.(2) Ziel dieser Arbeit ist es daher, eine neue Hypothese uber den kausalen Zusammenhang zwischen dem sogenannten "Renovatio"- Gedanken und dem Motiv des Vandalenkriegs aufzustellen und zu beweisen, dass "die Wiederherstellung des romischen Universalreiches" vom Kaiser Justinian I, anders als bisher beurteilt werden muss.(3)

Zunachst soll die Ursache des Vandalenkriegs untersucht werden, damit wir den eigentlichen Beweggrund Justinians I. herausfinden konnen, warum er gegen Gelimer, "den Tyrannen" (BV. 1-9-11), Krieg fuhren wollte. Der chronologische Verlauf der Vorgeschichte(4) ist zwar nicht ganz geklart, aber wir konnen ihn etwa wie folgt rekonstruieren: 1. Die gewaltsame Entthro- nung des Vandalenkonigs Hilderich am 15. Juni 530.-2. Der mehrmalige Austausch der Botschaften zwischen Justinian I. und dem Usurpator Gelimer (die Daten dieses diplomatischen Verkehrs sind leider nicht zu ermitteln.)- 3. Die Kabinettsitzung bzw. der Kriegsrat im Kaiserhof zu Konstantinopel. (Die Sitzung fand wohl nach der Ratifizierung des sogenannten "Ewiger Frieden" Anfang 533, aber nicht lange vor dem Beginn der Kriegsvorbereitung

* Prof. an der Toyo Eiwa Jogakuin Hochschule, Tokyo.

Vol. XXV 1989 81 533 statt, ohne dass wir ihn naher datieren konnen.)-4. Der Ausbruch der kaiserlichen Flotte unter der Leitung von Belisar nach Karthago um die Som- mersonnenwende des Jahres 533.-5. Die Landung der kaiserlichen Truppe auf Caput Vada in Nordafrika Ende August bzw. Anfang September 533. Von diesen funf Etappen verdienen vor allem die ersten zwei unsere be- sondere Aufmerksamkeit. Denn darin liegen die eigentlichen Streitpunkte zwischen den beiden Herrschern. Zu (1). Es ist verstandlich, dass die massgeblichen Vandalen in Karthago mit ihrem alten und unkriegerischen Konig Hilderich (7. Juni 523-15. Juni 530) nicht ganz einverstanden waren, weil er sich von der traditionellen gotenfreundlichen Politik der Vandalen ganz abgewandt hatte(5). Namlich, wohl auch von seiner Mutter Eudokia(6) beeinflusst, schlug Hilderich mit seiner Thronbesteigung eine byzanzfreundliche Linie em: Er bekundete seine enge Beziehung zum byzantinischen Hof dadurch, dass er auf Munzen mit dem Kaiser Justin I. sein Bild pragen liess, und dass er enge Freundschaft mit Justinian I. angeknupf hatte, bevor er Kaiser wurde. Er tauschte mit ihm gegenseitig Geschenke aus. Auch religios ging Hilderich so weit, den bisher verfolgten orthodoxen Glauben nicht nur zu tolerieren, sondern zu fordern, obwohl es ihm sein arianischer Vorganger Thrasamund(7) (3. Okt. 496-6. Mai 523) unter Eid verboten hatte. Er liess die von Thrasamund verbannten Bischofe zuruckrufen und ein orthodoxes Konzil in Karthago eroffnen, an dem etwa 60 Bischofe teilnahmen;(8) sicherlich zum Arger der arianischen Glaubigen im Vandalenreich. Auch seine antigotische Politik ausserte sich darin, dass er Amalafrida,(9) die Witwe von Thrasamund und die Schwester des Gotenkonigs Theoderich in Ravenna, in den Kerker werfen und ihre gotischen Gefolgsleute hinrichten liess, unter der Vorwand, sie plane eine Konspiration. Da Amalafrida spater im Kerker den Tod fand (vermutlich 525), wurde nicht nur das Verhaltnis zu dem Ostgotenreich verschlimmert, sondern auch seine Beziehung zu seinen arianischen, gotenfreundlichen Untertanen verschlech- tert. Nur der Tod Theoderichs (30. Aug. 526) verhinderte den Krieg mit dem Ostgotenreich. Diese politischen und religiosen Kursanderungen durften eine latente, aber starke Unzufriedenheit unter den massgeblichen Vandalen in Karthago vorbereitet haben, als deren Reprasentant Gelimer,(10) der Nachst- alteste in der Nachkommenschaft von Geiserich und der spatere Konig (15. Juni 530- Apr. 534), auftrat. Den unmittelbaren Anlass zum jahen Sturz von Hilderich mag die Niederlage der koniglichen Truppe unter Oamer, dem

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Vetter von Hilderich, gegen die Mauren unter Antalas in der Provinz Byzacaena gegeben haben (wohl Fruhling 530). Nach dieser Niederlage wurden Hilderich, Oamer und dessen Bruder Euagos von Gelimer und seinen Anhangern gefangen und in den Kerker geworfen, wahrend Gelimer zum Konig der Vandalen ausgerufen wurde. Zu (2). Als Justinian I. von der gewaltsamen Entthronung und Gefan- gennahme von Hilderich, seinem Freund und Gast fruherer Jarhe, in Karthago erfuhr, schickte er Gesandte mit dem foldenden Mahnbrief: Er solle den bejahrten Hilderich dem Namen nach wieder als Konig einsetzen, wahrend er selbst de facto die konigliche Macht ausuben konne, damit er die Regelung von Geiserich nicht verletze und er selbst kein Tyrann werde (Justinians erster Brief im BV. 1-9-10/13).(11) Diesen ersten Gesandten Justinians I. gab Gelimer gar keine Antwort und liess sie unverrichteter Dinge nach Konstantinopel zuruckkehren. Er liess sogar danach den kriegstuchtigen Oamer blenden und Hilderich noch scharfer bewachen als bisher, weil sie angeblich nach Konstantinopel fliehen wollten. Als Justinian I. erneut davon Kunde erhielt, sandte er wieder eine zweite Gesandte an Gelimer mit dem scharferen Mahnbrief. Er schrieb: Wenn er (=Gelimer) seine durch die Usurpation gewonnene Macht nicht los- lassen wolle, solle er sie dann in Gottes Namen beibehalten, aber wenigstens Hilderich, Oamer und Euagos zu ihm (=Justinian I.) nach Konstantinopel herschicken. Wenn er (=Gelimer) diesen Vorschlag nicht annehmen wolle, wolle er dies nicht ruhig hinnehmen. Er werde dorthin kommen, aber nicht um den Nachfolger von Hilderich zu bekriegen, sondern um ihn moglichst zu unterstutzen. (Justinians zweiter Brief im BV. 1-9-15/19.)(12) Erst auf diesen zweiten Brief Justinians I. erwiderte Gelimer im stolzen Ton, dass er rechtmassig zum Konig der Vandalen erkoren sei, und verwies Justinian I. scharf darauf, dass "sich jeder Herrscher um sein eigenes Reich, aber nicht um ein fremdes Reich kummern solle. Daher bist du als Kaiser nicht berechtigt, dish unnotigerweise einzumischen." Und am Schluss schleuderte er seine Entgegnung gegen Justinian I. zuruck, indem er schrieb: "Solltest du die Vertrage von Zenon brechen und uns angreifen, so werden wir dir mit aller Macht engegentreten. (Gelimers Antwort im BV. 1-9-20/23).(13) Dieser Briefwechsel wird von den Fachgelehrten verschiedentlich beurteilt, weil er nur einzig bei Prokop, BV. 1-9-10/23, uberliefert ist. Es gibt keine Parallelstelle bei anderen Autoren. Die meisten von ihnen ubersahen oder

Vol. XXV 1989 83 ignorierten ihn einfach, weil sie die entscheidende Bedeutung dieses auf schlussreichen Briefwechsels nicht erkannten.(14) Einige Fachgelehrten haben kurz und oberflachlich den Inhalt angezeigt und die zwei Mahnbriefe Justinians I. als Mittel und Wege dargelegt, um Zeit zur Verwirklichung seines spateren Eroberungsplans zu gewinnen: Justinian I. sei damals durch den Perserkrieg schwer belastet gewesen und habe daher weder Zeit noch Kraft gehabt, sich noch einen neuen Krieg im Westen zu erlauben. Deswegen habe er diese Briefe geschrieben.(15) Diese Interpretation ist deswegen falsch, weil sie die spatere Eroberungspolitik Justinians I. als bereits vorhanden unterstellt, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht existierte. Selbst in deco aus- fuhrlichsten Bericht uber den Vandalenkrieg von Prokop gibt es keine Stelle, die andeuten konnte, dass Justinian I. schon damals "die Wiederherstellung des romischen Universalreiches" beabsichtigt hatte. Und weil sie dabei die "Renovatio" -Idee Justinians I, voraussetzt, begeht sie einen weiteren Fehler, diese drei Briefe nicht als einen zusammenhangenden Komplex anzusehen, sondern nur die zwei Briefe Justinians I. hervorzuheben. Wir mussen vielmehr diese drei Briefe in ihren inneren Zusammenhangen begreifen. Der Zweck des ersten Briefs, den Justinian I. sowohl als Kaiser des byzan- tinischen Staates als auch als personlicher Freund von Hilderich geschrieben hatte, lag ausschliesslich in der Rehabilitierung des gesturzten Konigs. Zu diesem Zeitpunkt wollte der Kaiser nichts mehr als dies von Gelimer verlangen. Gelimer andererseits reagierte darauf empfindlich, weil er darin ein gefahrliches Zeichen der unwillkommenen Intervention zu finden glaubte. Daher liess er Hilderich noch scharfer bewachen, damit keine weitere Verbindung zwischen ihm und Justinian I. ermoglicht wird, und liess Oamer, "den Achilleus" der Vandalen (BV. 1-9-2), blenden, um ihn kampfunfahig zu machen. Im zweiten Brief machte dann Justinian I. gegenuber Gelimer Konzessionen, indem er das fait accompli zur Kenntnis nahm. Dafur verlangte er von Gelimer ganz energisch die Auslieferung von Hilderich und Oamer. Und am Schluss eine rhetorisch formulierte Drohung, um die Ubergabe zu erzwingen. Zwar wissen wir das genaue Abfassungsdatum dieses zweiten Mahnbriefs nicht, aber dennoch durfte es ausserst fraglich sein, ob Justinian I. dabei im Ernst vorhatte, Gelimer zu bekriegen. Eher sollten wir darin nichts mehr als eine rhetorische Floskel ablesen, aber auf keinen Fall eine offizielle Kriegserklarung. Die masslose Uberheblichkeit im Antwortschreiben Gelimers musste aber den selbstbewussten Justinian I, als Kaiser, den einzigen Stellvertreter Gottes

84 ORIENT 'ετι μαλλον εζ την τιμωριαν επηρτο auf Erden, zutiefst beleidigt haben. Allein die ungewohnliche Anrede

"Βασιλευζ Γελιμερ 'Ιουστινιανω βασιλει" (BV. 1-9-20) musste fur ihn anstossig gewesen sein, weil sich Gelimer als Konig eines germanischen Volkes damit offensichtlich mit dem Kaiser des einzig von Gott geschutzten Staates gleichsetzen wollte. Auch die strikte Ablehnung seiner zweimaligen Vorschlage sowie die scharfe Ruge uber die "unnotige" Intervention seitens Justinians I. mussten den Kaiser ausserst erzurnt haben. Daher konnte Prokop im Anschluss an das Antwortschreiben Gelimers schreiben: "τ αυτα λαβ ων'Iουστινιανοζ βασιλευζ

τα γραμματα, εχων και προτερον δι οργηζ Γ ελιμερα, ετι μαλλον εζ την τιμωριαν

επηρτο." (BV. 1-10-24). An dieser Aussage ist die Gemutsbewegung Justinians I. abzulesen, die sich vom "Zorn" zur "Rache" gesteigert hatte. Also zum uns unbekannten Zeitpunkt, als er das hochmutige Antwortschreiben Gelimers erhalten hatte, musste er im Inneren den Entschluss gefasst haben, sick zu gegebener Zeit Gelimer zu rachen. Und zwar Rache im doppelten Sinne: einmal fur seinen Freund Hilderich, dann wegen der unentschuldbaren Majestatsbeleidigung. Somit durfte es geklart sein, dass die Ursache des Justinianischen Vandalenkriegs gar nicht durch seine "Renovatio"-Idee, sondern ausschliesslich durch seinen personlichen Rachedrust bestimmt wurde. Zu (3). Obwohl sich Justinian I, zur Rache an Gelimer fest entschloss, ohne dabei einen konkreten Plan aufzustellen, konnte er aus zwei Grunden nicht ans Werk gehen: erstens wegen des noch andauernden Perserkriegs, zweitens wegen des sogenannten Nika-Aufstandes. Wahrend der Krieg mit dem Perserreich noch fortgefuhrt wurde, wurde gleich nach der Thronbesteigung Chusros (Sept. 531) die Friedensverhandlung eingeleitet. Und im Fruhling 532 wurde dann der sogenannte "Ewiger Frieden" abgeschlossen und Anfang nachsten Jahres ratifiziert.(16) Damit bekam Justinian I. nach aussen freie Hand. Im Inneren des Reiches brach aber am 10. Jan. 532 der sogenannte Nika- Aufstand aus, dessen Verlauf relativ gut bekannt ist.(17) Er ging von den ungewohnlichen Unruhen aus, die die Grunen und die Blauen gemeinsam anstifteten. Als die Unruhe sich ausweitete und die Hauptstadt halb ruiniert wurde, schlossen sich ihr etwa 20 Senatoren an, die Justinian I. sturzen wollten. Die Aufstandischen riefen Hypatius, den Neffen vom verstorbenen Kaiser Anastasius, zum Gegenkaiser aus. Als Justinian I. im Palast davon erfuhr, soll er schon an die Flucht nach Thrakien gedacht haben. Aber noch im letzten Moment konnte er sich auf die Ermunterung seiner Frau Theo-

Vol. XXV 1989 85 dora zusammennehmen, und es gelang ihm, die Truppen von Belisar und Mundus in die Hauptstadt herbeizurufen und gegen die im Hippodrom versam- melten Aufstandischen anzusturmen. So konnte er nicht nur die aufstandischen Zirkusparteien und ihre Anhanger, sondern auch Hypatius mit seinen senatori- schen Oppositionen durch Hinrichtung und Vermogenskonfiskation beseitigen. So konnte sich Justinian I. nach der Unterdruckung des Aufstandes im Innern des Reichs in seiner kaiserlichen Position stark genug fuhlen, um das Thema "Gelimer" in der Kabinettssitzung vorzubringen, und er wollte einen konkreten Feldzugsplan aufstellen. Prokop berichtet uns, dass vor allem Johannes der Kappadokier in dieser Sitzung kraftig gegen den Feldzugsplan Justinians I. gesprochen habe, und zwar aus folgenden Grunden: die Ermudung des Heeres, das gerade von der persischen Front zuruckkam, die geographische Entfernung des Kampfziels und die allgemeine Angst vor der langen Seefahrt und dem eventuellen Seekrieg, und schliesslich der unsichere Sieg in Anbetracht der fruheren Niederlage vom Kaiser Leon im Jahre 468. Die Schlussbemerkung von Johannes lautet:" Wenn doch die obenerwahnten Dinge im Schosse Gottes liegen und wir den Ausgang des Kriegs furchten mussen, wie wir die Beispiele der Vorfahren anfuhren konnen, ist es dann warum nicht besser, den Frieden den Gefahren des Kriegs vorzuziehen?"(18) Als Justinian I. seine Rede anhorte, stimmte er ihm zu und gab seinen Wunsch nach dem Krieg auf.(19) Aber gleich darauf trat emnBischof aus Osten, dessen Namen und Bischofssitz uns Prokop nicht nennt, auf und sprach dem Kaiser den Mut und die Gottes Hilfe zu: "Gott habe ihm im Traum befohlen, er solle den Kaiser tadeln, weil er ohne jeden Grund bange wurde, obwohl er versprochen habe, die Chri- sten in Lybien vom Tyrannen zu befreien. Gott habe ihm dann angekundigt, er selbst werde doch Justinian I. im Kampf helfen und ihn zum Herrn von Lybien machen."(20) Als Justinian I. diese ermunternde Rede vernahm, anderte er wiederum seine Meinung, da er seinen ursprunglichen Wunsch nicht mehr unterdrucken konnte. Somit gab die Rede eines Bischofs aus Osten dem schwankenden Kaiser den letzten Anstoss zu seinem endgultigen Entschluss, nach Karthago ins Feld zu ziehen. Insofern ist das religiose Motiv als das sekundare Motiv Justinians I. zu bezeichnen.(21) Auf jeden Fall zeigt diese Wankelmu- tigkeit Justinians I. deutlich, dass er vor dem Beginn des Vandalenkriegs noch keinen festen Leitgedanken, d. h. keine "Renovatio"-Idee, gehabt hatte. In einem Atemzug berichtet uns Prokop dann, dass Justinian I, nach der Unterredung daran ging, Heer und Flotte zusammenzubringen, Waffen

86 ORIENT 'ετι μαλλον εζ την τιμωριαν επηρτο sowie Verpflegung bereitzuschaffen. Er befahl Belisar, sich bereitzuhalten, weil er gleich auf der Stelle den Kampf in Lybien leiten werde. Nach diesem Wortlaut scheinen die Kabinettssitzung sowie die Audienz mit jenem Bischof nicht lange vor dem Beginn der Kriegsvorbereitung stattgefunden zu ha- ben.(22) Zu (4). Wir wissen zwar nicht genugend, wie weit man damals in Konstan- tinopel uber die feindliche Lage informiert war. Aber eins scheint sicher zu sein, dass man mehrere Informationsquellen hatte als der einzige, uns uber- lieferte Nachrichtendienst von Prokop selbst.(23) Namlich, als die kaiserliche Flotte in Kaukana vor Anker ging, wurde Prokop selbst im Auftrag von Belisar nach Syrakus entsandt, um dort auf die Kundschaft zu gehen. Zufalligerweise, wie er uns mitteilt, traf er dort seinen alten Bekannten, der als Handler tatig war. Dieser stellte ihm einen Sklaven vor, der bis vor drei Tagen in Karthago war. Und von diesem Sklaven erhielt Prokop folgende Nachrichten: erstens, niemand in Karthago ahne, dass jetzt ein feindliches Heer gegen Gelimer anrucke. Zweitens, die ganze kriegstuchtige Mannschaft Gelimers sei gegen in Sar- dinien ausgefahren, der sich gegen Gelimer emporte. Drittens, der Konig Gelimer halte sich momentan zu Hermione in der Provinz Byzacaena auf, ohne einen feindlichen Angriff zu ahnen. Viertens, man konne daher vollig gefahrlos in See gehen und uberall landen, wohin der Wind sie treibe.(24) Dieser Sklave soll dann dem Feldherrn Belisar als Wegweiser gedient haben. Es ist naturlich kaum denkbar, dass Gelimer von der Kriegsentscheidung Justinians I. nichts erfahren hatte. Aber dass er sich trotzdem offensichtlich nicht fur den kommenden Kampf vorbereitet hatte, durfte auf seine Fehlkalkula- tionen zuruckgehen. Die Vermutung durfte nahe liegen, dass er deswegen unvorsichtig war: erstens, weil er seine eigene Seemacht ubersschatzte, zweitens, weil er den Kampf nicht im Sommer, sondern in einer noch spateren Jahreszeit erwartete, drittens, weil er sich darauf verliess, er wurde Nachricht erhalten, wenn die feindliche Flotte in Sizilien einfahren wurde, und selbst dann wurde er Zeit genug haben, um Verteidigungsmassnahmen zu treffen.(25) Da er sich so vorstellte, musste er gar keine Bedenken gehabt haben, als er seine beste Mannschaft von 5000 Mann auf den 120 Schnellseglern nach Sardinien entsandte, um den Aufstand von Godas, dem Statthalter von Sardinien und seinem ehemaligen Untertan, zu unterdrucken.(26) Aber er anhnte dabei gar nicht, dass dieses Unternehmen fur ihn und sein Reich verhangnisvoll wurde. Denn wie spater die reibungslose Landung auf Caput Vada sowie der byzantini-

Vol. XXV 1989 87 sche Sieg bei Decimum zeigte, das Fehlen dieser vandalischen Kerntruppe in der Stadt Karthago und deren Umgebung war fur den Ausgang des Kampfes entscheidend. Daher durfte es keine Ubertreibung sein, wenn wir behaupten, dass der Sieg von Belisar tatsachlich diesem unwiderruflichen Fehlurteil von Gelimer zu verdanken ist. Zu (5). Bevor Belisar auf Caput Vada landete, hatte es zweierlei Fuhlung- nahmen gegeben: einmal zwischen Justinian I. und Pudentius, zum ande- ren zwischen Justinian I. und Godas. Prokop, BV. 1-10-22/24, erzahlt uns, ohne ein genaues Datum und den Hintergrund zu nennen, dass ein Lybier namens Pudentius eigenmachtig Tripolis besetzt und den Kaiser gebeten habe, eine Hilfstruppe zu senden, um das ganze Land zu beherrschen. Der Kaiser sandte daraufhin eine kleine Abteilung dorthin, und Pudentius konnte tatsachlich das ganze Land besetzen und es dem Kaiser untertan machen.(27) Prokop, BV. 1-10-25/34, erzahlt uns im Anschluss an die Geschichte von Pudentius, dass Gelimer verhindert war, Tripolis zuruckzunehmen, weil sich Godas auf der vandalischen Insel Sardinien emporte. Godas machte sich selbstandig, um seine Stellung als Statthalter der Insel fur sich auszunu- tzen. Nachdem er eigenmachtig die Insel ganz unter seine Herrschaft gebracht hatte, ausserte er dem Kaiser brieflich seinen Wunsch, dass er zur Verteidigung der Insel seine Soldaten senden moge. Dieser Wunsch von Godas wurde von Justinian I. erfullt. Allerdings wurde der Befehlshaber nach Konstan- tinopel zuruckgeschickt, weil Godas nur die Soldaten notig hatte.(28) Wegen des totalen Mangels an den weiteren Quellen mussen wir leider die fur unsere Fragestellung interessanten Fragen offenlassen, ob sich Pudentius erst nach der Absprache mit Justinian I, emport hatte, ob Pudentius vorher mit Godas irgendeine Vereinbarung getroffen hatte und in was fur einem Verhaltnis Godas nach der Aufnahme der kaiserlichen Hilfstruppe gestanden hatte. Die kampflose Landung auf Caput Vada, einem der besten Landungsorte in der Umgebung von Karthago, deutet offenbar auf eine gute Vorbereitung des Kaisers hin. Aber daruber wissen wir nichts Naheres.(29)

Nachdem wir festgestellt haben, dass das Motiv des Justinianischen Vanda- lenkriegs mit seiner "Renovatio"-Idee in keinerlei Zusammenhang stand, wollen wir nun untersuchen, wann und wie seine "Renovatio"-Idee entstanden ist. Und zwar an Hand der juristischen Quellen. Denn sowohl in ihren Proomien

88 ORIENT 'ετι μαλλον εζ την τιμωριαν επηρτο als auch in ihren Texten kommt sein imperialistischer Gedanke mit der Zeit immer deutlicher zum Vorschein. Etwa zwei Monate nach der Einnahme von Karthago durch die kaiserliche Truppe (15. Sept. 533) wurden die "Institutiones" veroffentlicht. In ihrem Proomium nannte sich Justinian I. "Imperator Caesar Flavius Justinianus Alamannicus Gothicus Francicus Germanicus Anticus Alanicus Vandalicus Africanus Pius Felix Inclitus Victor ac Triumphator Semper Augustus."(30) Und darin deklarierte er: "... et tam Africa quam aliae innumerosae provinciae post tanta temporum spatia nostris victoriis a caelesti numine praestitis iterum dicioni Romanae nostroque additae imperio protestantur."(31) Somit wollte Justinian I. die Einahme von Karthago juristisch als die Wiederherstellung des fruheren romischen Zustandes definieren. Der gleiche "Iterum"-Gedanke kommt auch im Proomium von den "Digesten" (16, Dez, 533) vor: "... postque Vandalicam gentem ereptam et Carthaginem, immo magis omnem Libyam Romano imperio iterum sociatam ..."32) Nach der Niederlage von Tricamarum (Mitte Dez. 533) floh Gelimer ins numidische Gebirge, und der endgultige Sieg von Belisar wurde nach Kon- stantinopel gemeldet. Gelimar wurde Ende Marz bzw. Anfang April des nachsten Jahres von Belisar gefangen und Juni desselben Jahres nach Kon- stantinopel begleitet. Am 13. April. 534 gab Justinian I, dem Feldherrn eine Verwaltungsanweisung, De officio praefecti praetorio Africae et de omni eiusdem dioeceseos statu (Cod. Just. 1-27-1). Darin heisst es: "prae omnibus tamen hoc, quod nunc deus omnipotens per nos pro sua laude et pro suo nomine demonstrare dignatus est, excedit omnia mirablia opera, quae in saeculo con- tigerunt, ut Africa per nos tam brevi tempore reciperet libertatem, ante centum et quinque annos a Vvandalis captivata, qui animarum fuerant simul hostes et corporum.(33) Vor lauter Freude uber den grossen Sieg stellte Justinian I. diese Leistung einem Wunder gleich, dass er durch Gottes Gnade in so einer kurzen Zeitspanne Afrika befreien konnte. Der unerwartete, vollkommene Sieg uber Gelimer und sein Reich gab ohne Zweifel dem vorher geschwankten Kaiser grosses Selbstvertrauen. Und dieses Selbstvertrauen erweckte in ihm logischerweise die imperialistische Neigung, die zum Triebfeder seines weiteren Eroberungsplans wurde. Weiter im Cod. Just. 1-27-2: 4 heisst es: "... et omnes...festinent, die nocturque dei invocando auxilium et diligenter laborando, usque ad illos fines provincias Africanas extendere, ubi ante invasio- nem Vvandalorum et Maurorum res publica Romana fines habuerat ..."(34)

Vol. XXV 1989 89 Hier ist seine Absicht deutlich zu erkennen, dass er sich nicht nur mit der Befreiung des Vandalenreichs zufrieden geben, sondern vielmehr die ganzen altromischen Provinzen Afrikas wiedergewinnen wollte. Nachdem Justinian I. das Vandalenreich vernichtet hatte, schickte er den Feldherrn rastlos zum nachsten Kampfort Sizilien. Im Dezember 535 eroberte Belisar Sizilien und Anfang nachsten Jahres ging er daran, Italien vom Suden her anzugreifen. In diesem einmaligen Siegeszug des Feldherrn glauben wir tatsachlich die Absicht Justinians I, "die Wiederherstellung des romischen Universalreichs", finden zu konnen. Die endgultige Form seiner imperialistischen Wiederherstellungspolitik kommt in der Novelle 30-11-2 (18. Marz 536) zum Ausdruck: "Et pure nostris subiectis (hoc quod saepe diximus) utetur, causam festinatam nobis et pecunias neglegere procurantem magnas, utique in tantis expensis et in bellis maximis, per quae dedit nobis deus et apud Persas agere pacem Vvandalosque et Alanos et Maurusios religare et Africam universam insuper et Siciliam possidere, et spes habere bonas quia etiam reliquorum nobis detentionem annuet deus, quam prisci Romani usque ad utriusque oceani fines tenentes sequentibus neglegentiis amiserunt: quas nos divino solacio confidentes in melius convertere festinamus."(35) Hier ist seine offizielle Kundgebung, dass er nach der Eroberung von Afrika und Sizilien nun mehr die Hoffnung hege, auch das ubrige Gebiet, das die alten Romer einst bis zu den Grenzen beider Ozeane beherrscht hatten, aber durch spatere Nachlassigkeit eingebussten, unter seine Herrschaft zu bringen. Dies wolle er im Vertrauen auf die Hilfe Gottes schleunigst zum Besseren wenden. Hiermit ist die Verwertung der juristischen Quellen abgeschlossen. Sie haben uns zur Genuge gezeigt, wie etappenmassig sich die "Renovatio"- Idee vom Kaiser Justinian I. herausgebildet wurde. Erst nach dem ersten Sieg bei Decimum und nach der Einnahme von Karthago griff der Kaiser nach der Urform der "Renovatio"-Idee auf, die aber bald nach dem endgultigen Sieg bei Tricamarum zu einer festen Idee wurde. Im ersten Stadium war das Vandalenreich unter Gelimer ihr Gegenstand, im zweiten aber die ganzen altromischen Provinzen Afrikas, dann aber im dritten Sizilien und schliesslich Italien. Je mehr sein Feldherr Belisar den Sieg gewann, desto weiter dehnte sich das zu erreichende Ziel Justinians I. aus. Das ist ein unhaltbarer Auto- matismus einer imperialistischen Eroberungspolitik.

Hiermit kommen wir nun zur Schlussfolgerung unserer Untersuchung:

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Erstens, die Ursache des Justinianischen Vandalenkriegs stand in keinerlei Zusammenhang mit der "Renovatio"-Idee, sondern sie lag in seiner personlicher Gier nach Vergeltung. Zweitens, die "Renovatio"-Idee entstand vielmehr erst nach dem Sieg uber den Vandalenkonig, und sie entwickelte sich mit den weiteren Siegen Belisars immer starker. "Die Wiederherstellung des romischen Universalreichs" wurde somit zum festen Schlagwort der langfahrigen Regie- rungszeit Justinians I.

Anmerkungen:

(1) Die Ansicht, der Vandalenkrieg Justinians I. sei von seiner "Renovatio"-Idee inspiriert worden, liest man nicht nur in der klassischen, sondern auch in der modernen Fachliteratur uber Justinian I. immer wieder: Ch. Diehl, L'Afrique byzantine. La reprise de l'Afrique par l'Empire Byzantine (533-539). tom. 1, Paris 1896 (=Diehl, L'Afrique), A. Holmes, The Age of Justinian, 2. vol., London 1912 (=Holmes, The Age), L. Schmidt, Geschichte derWandalen, Munchen 1942 (=Schmidt, Geschichte), E. Stein, Histoire du Bas-Empire, tom. II., Amsterdam 1968 (=Paris /Bruges 1949) (=Stein, Histoire), W. Schubart, Justinian und Theodora, Munchen 1984 (= Munchen 1943) (=Schubart, Justinian), B. Rubin, Theoderich und Justinian. Zwei Prinzipien der Mittelmeerpolitik,Munchen 1953 (=Rubin, Theoderich), B. Rubin, Prokopiosvon Kaisareia, Stuttgart 1954 (=Pauly-Wissowa, RE. 23/1, col. 273-599) (=Rubin, Prokopios), B. Rubin, Das Zeitalter Justinians, Bd. 1., Berlin 1960 (=Rubin, Justinian), Chr. Courtois, Les Vandales et l'Afrique, Aalen 1964 (=Paris 1955) (=Courtois, Les Vandales), J. B. Barker, Justinian and the Later Roman Empire, London 1966 (=Barker, Justinian), R. Browning, Justinian and Theodora, London 19872 (=Browning, Justinian). A. Cameron, and the Sixth Century, Berkely/Los Angeles 1985 (=Cameron, Procopius), beruhrt im 10. Kap. "Procopius and Africa" leider nicht unser Thema. (2) Die Hauptquelle fur die Geschichte des Justinianischen Vandalenkriegs ist "die Vandalenkriege" ("De bellis III. et IV. bzw. De bello Vandalico I. et II.") von Prokopios von Kaisareia (=BV.). Zitiert wird es hier nach der Ausgabe von J. Haury/G. Wirth, Procopii Caesariensis Opera omnia. vol. 1. De bellis I-IV. Leipzig 1963 (=Leipzig 1905). Ausserdem werden folgende zwei Ausgaben mitbenutzt: 1. Prokop Vandalenkriege. Griechisch-deutsch. ed. O. Veh, Munchen 1971 (=Veh, Prokop). 2. Procopius with an English translation by H. B. Dewing, History of the Wars. Books III. and IV. Cambridge, Massachusetts/London 1979, (=The Loeb Classical Library, No. 81) (=Dewing, Procopius). Seine imperialistische Absicht kommt vor allem in den Proomien im Codex Justinianus sowie in den Novellen zum Ausdruck, die hier nach der Ausgabe "Corpus Juris Civilis" Bd. 2. Codex Justinianus, ed. P. Kruger, Zurich 1967 (=1877) und Bd. 3. Novellae, ed. Scholl/Kroll, Zurich 1959 (=1895) zitiert wird. (3) vgl. G. Ostrogorsky, Geschichtedes byzantinischen Staates, Munchen 1963, p. 59. Die Mehrheit der einschlagigen Literatur uber die byzantinische Geschichte hat gleiche Vorstellung wie die der Fachliteratur. Eine einzige Ausnahme scheint mir J. B. Bury, History of the Later Roman Empire from the death of Theodosius I. to the death of Justinian, New York 1958 (=London 1923), 2. Bd. (=Bury, History) zu sein, indem er uns zur Vorsicht mahnt: "The idea of restoring the Empire to its ancient limits seems to have floated before the mind of Justinian, but it is difficult to say whether he conceived it from the first as a definite aim of policy." (p. 124). (4) Die funf Etappen der Vorgeschichte des Vandalenkriegs lasst sich aus der Darstellung der Fachliteratur zusammenstellen. vgl. Diehl, L'Afrique, pp. 3-8, Holmes, The Age, pp. 489-501, Schmidt, Geschichte,pp. 121-135, Stein, Histoire, pp. 311-312, Schubart, Justinian, pp. 97-102, Rubin, Theoderich, pp. 34-35, Rubin, Prokopios, p. 135, Courtois, Les Vandales, pp. 267- 270, Barker, Justinian, pp. 139-142, Browning, Justinian, pp. 77-79.

Vol. XXV 1989 91 (5) Dass Hilderich ein milder, altersschwacher (damals uber 60 Jahre alt), romanophiler und dazu unkriegerischer Konig halb romischen Blutes war, durfte nach Aussagen der Quellen wohl stimmen. vgl. Prokop, BV. 1-9-1 ff., Flavius Cresconius Corippus, Johannis III-198, ed. M. Petschenig, Berlin 1886 (=Corippus, Johannis), Vita Fulgentii XXV., ed. G.-G. Lapeyre, Laterculus regum Vandalorum et Alanorum 12 (=Laterculus, reg. Vand.), in: Mon Germ. Hist. Auct. Ant. Tom. XIII., pars III. Chronica minora, ed. Th. Mommsen, Berlin 1896, Victoris Tonnen- nensis Episcopi Chronica, a. 523, 2 (=Vict. Tonn., Chron.), in: Mon. Germ. Hist. Auct. Ant. tom. IX. Chronica minora II., ed. Th. Mommsen, Berlin 1894 (=Vict. Tonn., Chron.), Isidori Historia Vandalorum 82, in: Mon. Germ. Hist. Auct. Ant. tom. IX. Chronica minora II., ed. Th. Mom- msen, Berlin 1894 (=Isid. Hist. Vand.), Johannes Malalas, Chronographialib. lib. XVIII, p. 459 CSHB. (=Mal., Chron.), The Syriac Chronicleknown as that of Zachriae of Mytylene. Translated into English by F. J. Hamilton/E. W. Brooks, IX, 17. London 1979 (=1899) (=Zach., Syriac Chron.) Nicht nur seine antigotische und antiarianische Politik, sondern auch seine menschliche Mangelhaftigkeit trugen bestimmt zur Vermehrung der Unwillen des vandalischen Adels bei. vgl. Schmidt, Geschichte, p. 126, Courtois, Les Vandales, p. 268, insbesondere Anm. 4 und 5., Rubin, Prokopios, p. 135, Pauly-Wissowa, RE. VIII, 2 "Hildericus", col. 1605-06, The Prosopo- graphy of the Later Roman Empire, 2. vol. Ad. 395-527, Cambridge 1980 (=Prosopography), "Hildericus", pp. 564-565. Dass Hilderich Munzen pragen liess, auf dem er mit dem byzantinischen Kaiser Justin I. gemeinsam abgebildet war, dokumentierte naturlich nicht nur seine ausgepragte Neigung zum byzantinischen Staat, sondern auch gewissermassen seine Anerkennung des byzantischen Hoheits- rechts. vgl. Schmidt, Geschichte,p. 122, Anm. 5., Dahn-Friedlander, Munzen der Vandalen (nach RE. VIII, 2. col. 1605 sowie Schmidt, Geschichtep. 122) p. 29 ff., ist mir leider unzuganglich. Dass Justinian I. Hilderich als seinen engsten Freund und Gast angesehen hatte, wie uns Prokop berichtet (BV. 1-9-5), braucht nicht als bestimmter Vorsatz zur Verwirklichung seiner spateren Eroberungspolitik verstanden zu werden, wie Diehl, L'Afrique p. 4 und Browning, Justinian, p. 78 u. a. behaupten. Allerdings durfte es meiner Ansicht nach diesem gegenseitigen Geschenkaustausch mehr Bedeutung als diplomatische Gepflogenheit beigemessen werden. vgl. Courtois, Les Vandales, p. 268, Anm. 15, R. Helm, Untersuchungen uber den auswartigen diplomatischen Verkehr des romischen Reiches im Zeitalter der Spatantike, in: Archivfur Urkundenforschung 12, 1932, 375-436, (=Helm, Untersuchungen). Eine damit zusammenhan- gende Frage, ob Hilderich sich bei Justinian I. in Konstantinopel als Gast aufgehalten hatte, muss dahingestellt werden. Denn weder Paulus Diaconus, Historia Romana XVI, 7 (ed. A. Cribel- luci, Roma 1914) noch Prokop, BV. 1-9-5, geben keine direkte Aussage ab, obwohl Courtois, Les Vandales, p. 268, Anm. 2. dies fur sehr moglich halt. (6) Da Eudokia Tochter des westromischen Kaisers Valentinian III. war, war Hilderich sozusagen halbromischen Blutes, so dass sein romerfreundlicher Kurs naturlich und auch ver- standlich war. vgl. Pauly-Wissowa, RE. VI, 1 "Eudokia 2.", col. 912, Prosopography, "Eudokia 1", pp. 407-408, Schmidt, Geschichtep. 121, Anm. 4, Courtois, Les Vandales, p. 268, Barker, Justinian, p. 140. (7) vgl. Pauly-Wissowa, RE. VI, A. "Thrasamund", col. 553-559, Prosopography, "Thra- samundus", pp. 1116-1117, Schmidt, Geschichtep. 115 ff., Rubin, Prokopios, col. 134, Courtois, Les Vandales, p. 267. (8) Uber die Entwicklung des Christentums in Nordafrika im behandelten Zeitabschnitt vgl. Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. v. H. Jedin, Bd. II/2: Die lateinische Kirche im Ubergang zum Fruhmittelater. 17. Kap. Das nordafrikanische Christentum vom Beginn der Vandalenherrschaft bis zur islamischen Invasion, pp. 180-191, Freiburg 1982, ferner Schmidt, Geschichte,pp. 121-122, Courtois, Les Vandales, p. 268, Barker, Justinian, pp. 140-141. (9) vgl. Pauly-Wissowa, RE. I, 2. "Amalafrida", col. 1714-1715, Prosopography, "Ama- lafrida", pp. 63-64, W. Ensslin, Theoderich der Grosse, p. 326 ff. (=Theoderichs Ende und

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Nachleben), Munchen 1947, Schmidt, Geschichte, p. 122, Anm. 7. (10) vgl. Pauly-Wissowa, RE. VII, 1, "Gelimer", col. 987-990, Prosoposgraphy enthalt keinen Artikel uber ihn. Schmidt, Geschichte, pp. 124-125, insbesondere Anm. 3 auf S. 124 und Anm. 3 auf S. 125., Rubin, Prokopios, col. 135, Courtois, Les Vandales, pp. 268-269, insbeson- dere Anm. 2 auf S. 269. Ferner BV. 1-9, Malal., Chron. XVII, p. 459, Vict. Tonn. Chron. a. 531, Corippus, Johannis, III, 262. (11) Diese drei Briefe durfen ihrem Inhalt nach im grossen und ganzen glaubwurdig und historisch sein. Da sie aber bisher im Zusammenhang mit der Ursache des Vandalenkriegs nicht genugend behandelt wurden, sollen ihre wichtigsten Stellen zitiert werden. Nur E. Gibbon, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, ed. J. B. Bury, London 1923, chap. XLI. Conquest of Justinian in the West, p. 211 und Holmes, The Age, p. 501 beruhren kurz den Inhalt der drei Briefe, und erkennen richtig, dass die Ursache des Justinianischen Vandalenkriegs im Antwortschreiben Gelimers zu suchen ist, ohne dabei weiter zu kommentieren. vgl. Stein, Histoire, p. 311, Schmidt, Geschichtep. 127, Anm. 3, Bury, History, pp. 125-126, Barker, Justinian, p. 141, Rubin, Prokopios, p. 135, Diehl, L'Afrique, p. 6. Und speziell uber die Bedeutung der Reden und Briefe im Werke von Prokop vgl. F. Dahn, Prokopius von Casarea. Ein Beitrag zur Historiographie der Volkerwanderung und des sinkenden Romerthums, Berlin 1865, p. 86 ff. (=7. Kap. Darstellung Prokops. Die Excurse, Reden und Briefe.) BV. 1-9-10/13:" "μ ητε του βασιλεωζ ονοματοζ ανταλλ αξη την του τυραννου προσγοριαν,

…, εα φερεσθαι τ ω λογω την τηζ βασιλειαζ εικονα, συ δε απαντα π ραττε οσα βασιλεα πραττειν εικοζ." (12) BV. 1-9-16/19: "ε πει δε αρεσκει σοι την βασιλειαν ουτω κεκτησθαι ω ζ νυν εχειζ λαβ ων, απολαβε οτι αν εξ αυτηζ ο δαιμων διδω. συ δε 'Ιλδεριχον τε και 'Οαμερα τον πηρον

και τουτου τον αδελφον ωζ ημαζ πεμπε, ...τ ω γαρ εκδεξαμενω την εκεινου βασιλειαν ερχομεθα ου πολεμησοντεζ, αλλα τα δυνατα τιμωρησοντεζ." Wie wir das letzte Wort τιμωρησοντεζ zu verstehen haben, wird nicht leicht sein. Das

Wort bedeutet einerseits "rachen", aber andererseits auch "unterstutzen" (⊿ΗΜΗΤΡΑΚΟΥ ΜΕΓΑ ΛΕΞΙΚΟΝ ΟΛΗΣ ΤΗΣ ΕΛΛΗΝΙΚΗΣ ΓΑΩΣΣΗΣ, Bd. 9, p. 7213, Athen 1964). Veh, Prokop, p. 73 will dieses Wort als "helfen" ubersetzen, wahrend Dewing, History, p. 89 es als "to avenge" ubersetzen will, was im allgemeinen akzeptiert wird. Aber die Ubersetzung "rachen" wurde mit "bekriegen" gleichbedeutend sein, so dass die grammatische Gegenuber- stellung von "ου-, αλλα-" ihren Sinn verlieren. Deswegen ware es sinnvoller, diese Stelle als "unterstutzen" zu ubersetzen, auch wenn es etwas gekunstelt ausgedruckt ist. vgl. Schmidt, Geschichte, p. 127. (13) BV. 1-9-20/24: "Β ασιλευζ Γ ελιμερ 'Ιουστινιανω βασιλει. ...εμ ε δε ο χρονοζ εζ την

βασιλειαν εκαλεσε, κατα γε τον νομον το πρεσβεια διδουζ την δε δπαρχουσαν ηγεμονιαν αυτον τινα διοικεισυαι καλον και μη αλλοτριαζ οικειουσυαι φροντιδαζ. ωστε και σοι βασιλειαν εχοντι το περιεργ ω ειναι ου δικαιον λυοντι δε σοι ταζ σπονδαζ και εφ ημαζ ιοντι απαντησομεν οση δυναμιζ, κτλ." vgl. Schmidt, Geschichte, p. 127, Anm. 2 und 3, Rubin, Prokopios, p. 135, Courtois, Les, Vandales, p. 269, Anm. 10. (14) Es ist eigentlich erstaunlich festzustellen, wie stark und fest der Name Justinian I. mit der Vorstellung "Wiederherstellung des romischen Universalreichs" verbunden ist, so dass die wichtigen Quellen wie diese drei Briefe nicht in ihren richtigen Zusammenhang gebracht werden konnte. vgl. Diehl, L'Afrique, p. 6, Schubart, Justinian, p. 98, Barker, Justinian, pp. 140-141, Browning, Justinian, pp. 78-79, Ch. Saumage, Points de vue sur la reconquete byzantine de l'Af- rique au VIe siecle, in: Les Cachiers de Tunisie 7, 1959, 281-297, J. v. Pflugk-Harttung, Belisar's Vandalenkrieg, in: Historische Zeitschrift 61 (=NF. 25), 1889, 69-96 (=Pflugk-Harttung, Vandalenkrieg), G. Shea, Justinians North African Strategy in the Johannis of Corippus, in: Byzantine Studies 10/1, 1983, 29-38. Die Arbeit von P. Romanelli, La riconquista africana di Giustiniano (Africa Romana 1935) war mir leider unzuganglich. (15) Am ausfuhrlichsten behandelt Schmidt, Geschichte,pp. 126-127, diese drei Briefe. Bury,

Vol. XXV 1989 93 History, p. 126, Stein, Historie, p. 311, Rubin, Prokopios, p. 135 und Courtois, Les Vandales, p. 269, Gibbon, History, p. 211 und Holmes, The Age, p. 501 behandeln sie kurz, aber sie alle interpretieren diese drei Briefe bzw. ihren Inhalt im Sinne von Schmidt ausser Gibbon und Holmes. vgl. Anm. 11. (16) Uber den langen Verlauf der Verhandlung und den Abschluss vgl. H. F. Clinton, Fasti Romani, 2. vol, p. 756, Oxford 1850, Rubin, Justinian, p. 291 ff, Helm, Untersuchungen,pp. 433- 434. (17) Uber den sogenannten Nika-Aufstand vgl. J. B. Bury, The Nika Riot, in: The Journal of Hellenistic Studies 17, 1897, 92-119, F. Tinnefeld, Die fruhbyzantinische Gesellschaft, p. 83 ff, Munchen 1977. (18) BV. 1-10-13/14: "ε ι δε ταυτα μεν εν τοιζ του υ εου γουνασι κειται,π αραδειγμασι δε τ ων προγεγενημενων χρωμενουζ αναγκη δεδιεναι το του πολεμου περαζ, πω ζ ουχι τ ων εν τοιζ αγω σι κινδυνων το την ησυχιαν αγαπαν αμεινον;" Diehl, L'Afrique, p. 7, Anm. 3., Schubart, Justinian, p. 99, Stein, Histoire, p. 312, Schmidt, Geschichte, p. 128, Rubin, Prokopios, pp. 135-136 Rubin, Theoderich, p. 35. (19) BV. 1-10-18: "'Ι ω αννηζ μεν τοσαυτα ειπεν. αποδεξαμενοζ δε βασιλευζ την εζ τδν

π ολεμον προυυμιαν κατεπαυσε."

(20) BV. 1-10-19/21: "ε λεγεν … και αυτον αιτιασασυαι οτι δη Χ ριστιανουζ τουζ εν Λ ιβυη ρυεσυαι εκ τυραννων υποδεξαμενοζ ειτα λογ ω ουδενι κατωρρωδησε. "κ αιτοι αυτοζ"

εφη "ο ι πολεμουντι ξυλληφομαι Λ ιβυηζ τε κυριον υησομαι." (21) Diehl, L'Afrique, p. 7 will dieses religiose Element als ausschlaggebend ansehen. Sch- midt, Geschichte, p. 128 will die Einflusse seitens der emigrierten Geistlichen und Kaufleute aus Karthago unterstreichen, ohne dabei die Bedeutung jener drei Briefe mit in Betracht zu ziehen. Zugegeben, dass es richtig ist, Justinian I. wollte immer die Orthodoxie unterstutzen, dagegen aber die Heterodoxie vertilgen. Aber in unserem Fall scheint, wie wir nach den Aussagen von Prokop zu beurteilen, das religiose Element nicht so stark bei Justinian I. gewesen zu sein, so dass es als sekundares Motiv zu bezeichnen ist. Z. B., es ware unvorstellbar, dass er allein wegen der Befreiung der orthodoxen Glaubigen sein Heer nach Karthago entsandt hatte. vgl. Rubin, Prokopios, p. 136, Stein, Histoire, p. 312, Anm. 3, Bury, History, p. 127, Anm. 1, Barker, Justinian, p. 141. (22) In diesem Zusammenhang sei auf eine Stelle im BV. hingewiesen. Namlich, BV, 1-9-25 lautet:" Belisar, der Oberbefehlshaber im Ostfront, wurde vom Kaiser herbeigeholt. Aber der Kaiser verriet im voraus weder ihm noch sonst jemand, dass dieser den Kampf in Lybien leiten werde. Sondern es hiess nur, dass Belisar von seinem Amt abgelost wurde." Dieser Satz erweckt den Anschein, als ob Justinian I. Belisar aus dem Ostfront zuruckrief, um ihm einen neuen Befehl zu erteilen. Rubin, Theoderich, p. 34, weist mit Recht darauf, dass Belisar in Wirklichkeit wegen der Niederlage von Kallinikon (Fruhling 531) abberufen wurde. Prokop will hier sicher seinen Patron und Vorgesetzten bemanteln. Da also die Ruckkehr des Feldherrn (bis vor dem Ausbruch des sog. Nika-Aufstandes am 10. Jan. 532) mit der Kriegsvorbereitung des Kaisers nicht zu tun hat, beweist es, dass Justinian I. zu diesem Zeitpunkt gar nicht an die konkrete Ausfuhrung seiner "Rache" gedacht hat. vgl. ferner Zach., Syriac Chron. pp. 261- 263 (=Book IX. chap. XVII.) (23) Im BV. 1-20-4/6 spricht Prokop von vielen Kaufleuten aus Osten, "die in Karthago Handel trieben. Und sie sollten Justinian I. zum Krieg angestachelt hatten. Diese Leute, aber auch die emigrierten Geistlichen unter der Verfolgung in der Vorzeit hatten ihm naturlich einige Informationen geben konnen, ohne dass wir daruber nichts Naheres wissen. vgl. Schmidt, Geschichte, pp. 132-134, Pflugk-Harttung, Vandalenkrieg, pp. 81-82. Browinng, Justinian, p. 79 betont die rege Spionagetatigkeit Justinians I. in der Stadt Karthago und deren Umgebung. Rubin, Prokopios, p. 137. (24) BV. 1-14-9/11: "π ροζ ουδενοζ γαρ εκεινουζ ανυρωπω ν πεπυσυαι στρατευμα επ' αυτουζ εν τουτω τω χρονω ιεναι, αλλα και στρατευσασυαι ολιγω εμπροσυεν επι Γω δαν ει

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τι εν Β ανδιλοιζ δραστηριον ην. και δια ταυτα Γ ελιμερα πολεμιον ο υδεν εννοουντα, …, εν 'Ε ρμιονη διατριβην εχειν, η εστιν εν Β υζακιω … ω στε παρεστιν α υτοιζ πλειν τε ο υδεν

δειμαινουσι δυσκολον και προσορμιζεσυαι ενθα αν αυτουζ το πνευμα καλοιη." vgl. Diehl, L'Afrique, p. 14, Rubin, Prokopios, p. 137, Schmidt, Geschichte, p. 132. (25) vgl. Schmidt, Geschichte,pp. 131-132, Pflugk-Harttung, Vandalenkrieg,pp. 81-82, Courtois, Les Vandales, p. 269 ff. (26) siehe Anm. (28). (27) Uber den Aufstand von Pudentius vgl. Diehl, L'Afrique, p. 14, Pflugk-Harttung, Van- dalenkrieg, p. 79, Rubin, Prokopios, p. 136, Courtois, Les Vandales, p. 181. (28) Uber den Aufstand von Godas vgl. Pflugk-Harttung, Vandalenkrieg,p. 79, Schmidt, Geschichte,pp. 129-132, insbesondere Anm. 3 auf S. 132, Rubin, Prokopios, p. 136, Courtois, Les Vandales, p. 190, Browning, Justinian, p. 79. (29) vgl. Rubin Theoderich, p. 35 ff, Browning, Justinian, p. 79. (30) Justiniani Institutiones, Proomium, ed. Kruger, Hildesheim 1988 (=Berlin 1872), L. Wenger, Die Quellen des romischen Rechts, Wien 1953 (=Wenger, Quellen), p. 600 ff., Rubin, Justinian, p. 151. (31) vgl. Anm. 30. (32) Codex Justinianus, 1-17-2, ed. Kruger, Hildesheim 1967 (=Berlin 1877), p. 71., Uber die Doppelkonstitution Tanta/⊿ εδωκεν vgl. Wenger, Quellen, p. 579 ff., Rubin, Justinian, p. 156. (33) Codex Justinianus, 1-27-1, ed. Kruger, a. a. O. p. 77, Wenger, Quellen, p. 638 ff., Rubin, Justinian, p. 161 ff. (34) Codex Justinianus, 1-27-2; 4, ed. Kruger, a. a. O. p. 79, Wenger, Quellen, p. 638 ff., Rubin, Justinian, p. 162. (35) Novellae, 30-11-2, ed. R. Scholl/G. Kroll, Hildesheim 1988 (=Berlin 1895), pp. 234- 235. Wenger, Quellen, p. 652 ff., Rubin, Justinian, p. 164 ff.

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