Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/226

Deutscher

Stenografischer Bericht

226. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- (CDU/CSU) ...... 28233 B neten Lukrezia Jochimsen ...... 28217 A Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ Zur Geschäftsordnung ...... 28217 C DIE GRÜNEN) ...... 28234 D (Köln) (BÜNDNIS 90/ (CDU/CSU) ...... 28235 C DIE GRÜNEN) ...... 28217 D Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) ...... 28219 A Namentliche Abstimmung ...... 28237 B (SPD) ...... 28219 D Ergebnis ...... 28240 D Jörg van Essen (FDP) ...... 28220 B Dr. (DIE LINKE) ...... 28221 B Tagesordnungspunkt 37: a) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Tagesordnungspunkt 36: Bunge, weiterer Abgeordneter und der Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Fraktion DIE LINKE: Riester-Förderung desregierung eingebrachten Entwurfs eines in die gesetzliche Rente überführen Siebenten Gesetzes zur Änderung des Ur- (Drucksache 17/12436) ...... 28237 C heberrechtsgesetzes b) Beschlussempfehlung und Bericht des (Drucksachen 17/11470, 17/12534) ...... 28222 B Ausschusses für Arbeit und Soziales (FDP) ...... 28222 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, (BÜNDNIS 90/ Dr. , weiterer Abgeord- DIE GRÜNEN) ...... 28223 A neter und der Fraktion DIE LINKE: (SPD) ...... 28224 A Wiederherstellung eines Lebens- standard sichernden und struktu- Dr. Günter Krings (CDU/CSU) ...... 28225 D rell armutsfesten Rentenniveaus Dr. (DIE LINKE) ...... 28227 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. (BÜNDNIS 90/ Matthias W. Birkwald, Diana Golze, DIE GRÜNEN) ...... 28229 A Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Manuel Höferlin (FDP) ...... 28230 A Rente erst ab 67 sofort vollständig (SPD) ...... 28231 B zurücknehmen – zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Höferlin (FDP) ...... 28233 A Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Lars Klingbeil (SPD) ...... 28233 A Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. , Freitag, den 1. März 2013

neter und der Fraktion DIE LINKE: (SPD) ...... 28257 C Risiko der Erwerbsminderung bes- (FDP) ...... 28259 A ser absichern Dr. (DIE LINKE) ...... 28259 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 28261 C Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ...... 28262 D neter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenbeiträge für Langzeiterwerbs- Ingrid Arndt-Brauer (SPD) ...... 28264 A lose wieder einführen (CDU/CSU) ...... 28265 C – zu dem Antrag der Abgeordneten (CDU/CSU) ...... 28267 A Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Namentliche Abstimmungen ...... 28268...... A, 28268 B Kindererziehung in der Rente bes- ser berücksichtigen Ergebnisse ...... 28271...... A, 28273 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- Tagesordnungspunkt 38: neter und der Fraktion DIE LINKE: a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Rente nach Mindestentgeltpunkten Markus Grübel, Ingrid Fischbach, weiterer entfristen Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ – zu dem Antrag der Abgeordneten CSU sowie der Abgeordneten Nicole Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Bracht-Bendt, Miriam Gruß, Rainer Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- Brüderle und der Fraktion der FDP: Ent- neter und der Fraktion DIE LINKE: geltgleichheit für Frauen und Männer Eine solidarische Rentenversiche- verwirklichen – Familienfreundliche rung für alle Erwerbstätigen Unternehmen als Beitrag zur Gleich- stellung der Geschlechter – zu dem Antrag der Abgeordneten (Drucksache 17/12483) ...... 28268 D Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- b) Antrag der Abgeordneten Christel Humme, neter und der Fraktion DIE LINKE: , , weiterer Abge- Altersarmut wirksam bekämpfen – ordneter und der Fraktion der SPD: Solidarische Mindestrente einführen Gleichstellung – Fortschritt – Jetzt – Durch eine konsistente Gleichstellungs- (Drucksachen 17/10990, 17/10991, 17/10992, politik 17/10993, 17/10994, 17/10995, 17/10997, (Drucksache 17/12487) ...... 28269 A 17/10998, 17/12474) ...... 28238 A c) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... 28238 B Ekin Deligöz, , weiterer Dr. , Bundesministerin Abgeordneter und der Fraktion BÜND- BMAS ...... 28243 A NIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebens- Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 28244 C verlauf durchsetzen (Drucksache 17/12497) ...... 28269 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) ...... 28246 B

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMFSFJ ...... 28269 B BMAS ...... 28246 C Caren Marks (SPD) ...... 28275 B (Essen) (SPD) ...... 28246 D Nicole Bracht-Bendt (FDP) ...... 28277 A (DIE LINKE) ...... 28248 C Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ...... 28278 D Diana Golze (DIE LINKE) ...... 28249 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 28250 A DIE GRÜNEN) ...... 28280 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dorothee Bär (CDU/CSU) ...... 28281 B (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 28251 D Elke Ferner (SPD) ...... 28283 A Klaus Ernst (DIE LINKE) ...... 28253 B (FDP) ...... 28284 B Karl Schiewerling (CDU/CSU) ...... 28255 A (DIE LINKE) ...... 28285 B Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ...... 28257 A (BÜNDNIS 90/ Karl Schiewerling (CDU/CSU) ...... 28257 B DIE GRÜNEN) ...... 28286 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 III

Ingrid Fischbach (CDU/CSU) ...... 28287 A Anlage 2 Caren Marks (SPD) ...... 28288 A Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Sieben- Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ ten Gesetzes zur Änderung des Urheber- DIE GRÜNEN) ...... 28289 B rechtsgesetzes Willi Brase (SPD) ...... 28290 C (Tagesordnungspunkt 36) ...... 28316 B

Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 28291 C Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) ...... 28316 B Christel Humme (SPD) ...... 28292 D Dr. (CDU/CSU) ...... 28316 D Rita Pawelski (CDU/CSU) ...... 28294 A Frank Schäffler (FDP) ...... 28317 A Dr. (CDU/CSU) ...... 28295 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Tagesordnungspunkt 39: Dr. (CDU/CSU) Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- – zu den namentlichen Abstimmungen: haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten , Dr. Bärbel Kofler, – Antrag: Keine Privatisierung der Was- , weiterer Abgeordneter und der serversorgung durch die Hintertür Fraktion der SPD: Zukunft des „Energie- – Antrag zu dem Vorschlag der Europäi- und Klimafonds“ und der durch ihn finan- schen Kommission für eine Richtlinie zierten Programme des Europäischen Parlaments und des (Drucksachen 17/10088, 17/10815) ...... 28296 C Rates über die Konzessionsvergabe (CDU/CSU) ...... 28296 D (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) Uwe Beckmeyer (SPD) ...... 28298 A hier: Stellungnahme des Deutschen Dr. (FDP) ...... 28299 A Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Ab- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 28301 B satz 4 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ Deutschem Bundestag in Angelegen- DIE GRÜNEN) ...... 28302 B heiten der Europäischen Union – Was- Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) ...... 28303 C ser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern Dr. Bärbel Kofler (SPD) ...... 28305 B – zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla- Tagesordnungspunkt 40: ments und des Rates über die Konzes- sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Beratung der Antwort der Bundesregierung Ratsdok. 18960/11) auf die Große Anfrage der Abgeordneten hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- Ingrid Hönlinger, Markus Kurth, Volker Beck desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- des Grundgesetzes – Kommunale Versor- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Perso- gungsunternehmen stärken – Formale nenzentrierte und ganzheitliche Reform Ausschreibungspflicht bei Dienstleis- des Betreuungsrechts tungskonzessionen insbesondere für den (Drucksachen 17/2376, 17/5323) ...... 28306 C Bereich Wasser ablehnen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ (225. Sitzung, Tagesordnungspunkte 9 a und DIE GRÜNEN) ...... 28306 D 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) ...... 28317 C (CDU/CSU) ...... 28307 C (SPD) ...... 28309 D Anlage 4 Gabriele Molitor (FDP) ...... 28311 C Erklärung des Abgeordneten (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ...... 28312 C über die Beschlussempfehlung zum Antrag: Kindererziehung in der Rente besser berück-

Nächste Sitzung...... 28313 D sichtigen (Tagesordnungspunkt 37 a) ...... 28318 B

Anlage 1 Anlage 5 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 28315 A Amtliche Mitteilungen ...... 28318 C

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(A) (C)

226. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Beginn: 9.01 Uhr

Präsident Dr. : (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Nehmen Sie bitte Platz! – Guten Morgen, liebe Kolle- NEN]: Das hoffen wir alle!) ginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Sitzung und Die naheliegende Aufgabe, die konstituierende Sitzung gratuliere zu Beginn der Kollegin Lukrezia Jochimsen, als Alterspräsident zu eröffnen, würde allerdings voraus- die heute ihren 77. Geburtstag feiert und der ich die setzen, dass er persönlich anwesend ist. Glückwünsche des ganzen Hauses übermitteln möchte. (Heiterkeit und Beifall) (Beifall) Wir kommen nun zur Tagesordnung und haben zu- Es gibt heute noch ein anderes bedeutendes Jubiläum: nächst einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln. Jakob Mierscheid wird 80 Jahre alt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat beantragt, die (Beifall) zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes – das (B) Ich möchte ihm ebenfalls im Namen des ganzen Hauses ist der Tagesordnungspunkt 36 – von der heutigen Tages- (D) herzlich gratulieren. Dieser geschätzte, gelegentlich ver- ordnung abzusetzen. Wird dazu das Wort gewünscht? – zweifelt gesuchte Kollege hat schon im Jahre 1979 in der Kollege Beck. Nachfolge von Carlo Schmid seine denkwürdige Tätig- keit im Deutschen Bundestag aufgenommen. Er hat sich ( [CDU/CSU]: Da wäre der für die heutige Sitzung aus zwingenden Gründen ent- Mierscheid auch besser! – Heiterkeit bei der schuldigen müssen, CDU/CSU) (Heiterkeit) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): was vermutlich die Spekulationen befördern wird, es Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich soll gäbe ihn gar nicht. Ihnen allen freundliche Grüße vom Abgeordneten Mierscheid überbringen. Seine Auffassung zum Leis- (Heiterkeit) tungsschutzrecht wird im Geleitwort zur nächsten Aus- Das ist allerdings durch zahlreiche Fundstellen in der Li- gabe der Zeitschrift des Taubenzüchterverbands nachzu- teratur eindeutig widerlegt: Im Protokoll des Deutschen lesen sein – sozusagen als persönliche Erklärung. Bundestages taucht er zum ersten Mal am 25. April 1980 (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ha, ha, ha!) auf, interessanterweise angesprochen von einem Vertre- ter der Bundesregierung. Seine bisher denkwürdigste Nun zum Ernst der Sache: Wir beantragen die Abset- Leistung ist die Formulierung des sogenannten zung der Debatte über das Leistungsschutzrecht von der Mierscheid’schen Gesetzes über den Zusammenhang Tagesordnung, und zwar aus drei Gründen: Zunächst von deutscher Rohstahlproduktion und Wahlergebnis- einmal sind verfassungs- und europarechtliche Fragen sen der SPD bei Bundestagswahlen; nicht geklärt. Zweitens ist im Wesentlichen unklar, was durch den Gesetzentwurf der Koalition in der durch den (Heiterkeit) Ausschuss geänderten Fassung nun eigentlich bewirkt davon werden wir in den kommenden Monaten vermut- werden soll; das gestehen die Autoren auch ein. Zum lich noch mehrfach zu hören bekommen. Dritten gab es bei der Beschlussfassung im federführen- den Ausschuss, im Rechtsausschuss, Verfahrensfehler, (Heiterkeit und Beifall) durch die die Minderheitenrechte der Opposition verletzt wurden. Ich hoffe sehr, dass uns der Kollege Mierscheid auch in der nächsten Legislaturperiode erhalten bleibt. ( [FDP]: Welche denn?) 28218 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Volker Beck (Köln) (A) Mich erinnert der ganze Vorgang daran, wie Sie da- [DIE LINKE]: Ja, es geht um die Geschäfts- (C) mals im Umweltausschuss den Wiedereinstieg in die ordnung!) Atomkraft unter Verletzung der Oppositionsrechte – Ja, ich habe drei Gründe genannt: durchgepeitscht haben. Erinnern Sie sich daran? Auf so etwas ruht kein Segen. Ihr Gesetz hatte am Ende des Ta- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nein, Sie ges keinen Bestand. Es ist also kein gutes Omen, so mit reden zur Sache und nicht zur Geschäftsord- der Geschäftsordnung und der Opposition umzugehen. nung!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erstens verfassungsrechtlich nicht klar, zweitens recht- bei der SPD und der LINKEN) lich unbestimmt und drittens – dazu komme ich jetzt – Bruch der Oppositionsrechte. Nun im Einzelnen: (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wir füh- Der Ausschussvorsitzende, Siegfried Kauder, hat ren hier jetzt keine Sachdebatte! Es reicht noch in der letzten Woche über dieses Gesetzesvorhaben jetzt!) gesagt, es sei ein rechtspolitischer Eiertanz. Außerdem bemängelte der Rechtsexperte, so schreibt Spiegel Online, dass die Regierung den Gesetzentwurf nicht in Präsident Dr. Norbert Lammert: Brüssel vorgelegt hat, damit andere EU-Staaten ihn Aber Herr Kollege Beck, erstens dass und zweitens kommentieren, und es sei dringend notwendig, dass Ver- warum Sie das gerne absetzen möchten, hat jetzt ja jeder fassungsrechtler einmal darüberschauten. Das sehen wir verstanden. Es würde der Beschleunigung unseres Ver- auch so. Deshalb haben wir eine Anhörung im Aus- fahrens sehr dienen, wenn Sie jetzt zum Schluss kämen. schuss beantragt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, ich werde mich bemühen, jetzt zur en- Sie haben im Ausschuss beantragt, sogenannte Snip- geren geschäftsordnungsrechtlichen Frage zu kommen. pets jetzt nicht mehr in die Regelung aufzunehmen, al- lerdings mit einer Formulierung, bei der keiner weiß, Grundlage für die Frage, wann ein Oppositionsrecht was sie bedeutet. Dort steht: Einzelne Wörter und Text- auf Anhörung im Ausschuss gegeben ist, ist eine Ent- ausschnitte dürfen auftauchen. – Wie viele einzelne scheidung des Geschäftsordnungsausschusses vom Wörter? „Ab wann ist kurz schon lang?“, fragen sich die 7. November 1985: Wenn nichts Wesentliches geändert Leute, und die Koalitionsabgeordneten stehen ganz offen würde, ist das Anhörungsrecht verwirkt. Wenn ein neuer (B) dazu. Herr Krings sagt: Die Nachricht darf erkennbar Tatbestand hinzutritt, ist das Recht insoweit nicht ver- (D) sein, der Kontext nicht. Wir überlassen es aber den Ver- braucht. Wenn unklar ist, ob das der Fall ist, muss der lagen und den Konzernen, zu entscheiden, wann das der Ausschuss über diese Frage einen gesonderten Beschluss Fall ist. fassen. – Das ist in diesem Fall nicht erfolgt. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist Ich will Ihnen sagen: Der Änderungsantrag, den Sie doch eine inhaltliche Debatte! Zur Geschäfts- im Ausschuss gestellt haben, führt zu einer wesentlichen ordnung!) Änderung des Gesetzes, und damit liegt heute ein Aliud auf dem Tisch. Herr Thomae sagt: So what? Dafür, dass man das vor Gericht ausficht, ist der Rechtsstaat da. – Das heißt doch, (Zuruf von der CDU/CSU: Oberlehrer!) Sie schicken die Unternehmen, sowohl die Presseverlage Herr Grosse-Brömer, Sie schütteln den Kopf. Ich kann als auch die Suchmaschinenbetreiber und Content-An- Ihnen das anhand Ihrer eigenen Dokumente nachweisen. bieter, vor die Gerichte. Das können sich aber nur die Unternehmen leisten, die eine große Rechtsabteilung ha- Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es – – ben und es aushalten, auf diese Rechtsfrage erst in fünf Jahren eine Antwort vom BGH und dann die Rechnung Präsident Dr. Norbert Lammert: darüber zu bekommen, wie viel sie an wen zahlen müs- Nein, Herr Kollege Beck. Dazu haben Sie jetzt ers- sen. Damit führen Sie eine Marktbereinigung zugunsten tens keine Zeit mehr, und zweitens bin ich sehr zuver- von Google durch; denn kein anderes Internetunterneh- sichtlich, dass mehrere Redner in der folgenden Debatte men wird sich diesen Spaß leisten können. aus dem Gesetzentwurf auskömmlich zitieren werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre eigene Netz-Arbeitsgruppe bescheinigt Ihnen, Herr Präsident, wenn ich noch vier Sätze sagen die Regelung zur Verwendung von Snippets biete weiter- dürfte! hin einen zu großen Interpretationsspielraum. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Geht es Nein. hier zur Geschäftsordnung oder zur Sache? – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28219

(A) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DIE GRÜNEN]: Der Gesetzentwurf war an- (C) In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, es ders!) werde das BGH-Urteil „Metall auf Metall“ vom 22. No- Infolgedessen kann ich Ihnen eines sagen: Es ist ausführ- vember 2008 in Anspruch genommen; lich auch zu dem gesamten Gesetzentwurf Stellung ge- (Unruhe bei der CDU/CSU und der FDP) nommen worden. in der Begründung zur Beschlussempfehlung des Aus- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schusses heißt es, genau dieses Urteil solle keine An- NEN]: Nein! Das müssen Sie jetzt sagen! – wendung finden. Wenn das kein Aliud ist, weiß ich es Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜND- nicht. NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Es hat keine gravierenden Änderungen an diesem Ge- bei der SPD und der LINKEN) setzentwurf gegeben. Das ist alles umfangreich disku- tiert worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege behaupten Sie! – Tabea Rößner [BÜND- Grosse-Brömer das Wort. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Entwurf ist kont- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rär zu dem bisherigen!) Es besteht auch in rechtlicher Hinsicht keinerlei An- Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): lass, darüber nachzudenken, dass hier eine Änderung er- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und folgt wäre, die Minderheitsrechte beeinflusst. Ganz im Kollegen! Der Absetzungsantrag der Grünen kann kei- Gegenteil! Ihren Ansprüchen, Ihren Minderheitsrechten nen Erfolg haben, weil er in keinem der drei genannten ist sehr umfänglich Rechnung getragen worden, und es Punkte überzeugend ist. Ich weise darauf hin, dass die wäre schön, wenn Sie einfach dem Weg der demokrati- Frage, inwieweit Urheberrechte auch in Abgrenzung zu schen Auseinandersetzung und nicht permanent dem der Informationsfreiheitsrechten gesetzlich geregelt wer- Geschäftsordnungsdebatte und -auseinandersetzung fol- den, Gegenstand wichtiger sachpolitischer Entscheidun- gen würden. gen ist. Herzlichen Dank. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – sind wesentliche Änderungen!) Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) Was ich sehr bedauere, ist, dass man nach intensiven NEN]: Der Gesetzentwurf ist in dieser Woche (D) Beratungen im Rechtsausschuss, nach Anhörungen, die neu vorgelegt worden! – Brigitte Zypries im Übrigen genau diese Punkte, die Herr Beck schon an- [SPD]: Das war völlig am Thema vorbei!) gesprochen hat, auch umfasst haben, (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Präsident Dr. Norbert Lammert: NEN]: Zur Anhörung lag doch der neue Ent- Thomas Oppermann ist der nächste Redner für die wurf noch gar nicht vor!) SPD-Fraktion. nicht bereit ist, demokratische Diskussionsprozesse und (Beifall bei der SPD) Mehrheiten anzuerkennen, sondern permanent versucht, hier durch Filibustern, durch Geschäftsordnungsanträge Thomas Oppermann (SPD): normale, demokratisch mehrheitlich gefasste Entschei- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß dungen infrage zu stellen. nicht, ob wir gegen die Geschäftsordnung verstoßen, wenn wir heute eine Entscheidung über dieses Gesetz (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) treffen. Aber ich bin absolut davon überzeugt, dass es Ich will kurz darauf hinweisen, dass der Rechtsaus- nicht vernünftig wäre, ein so weitreichendes Gesetz, schuss am 30. Januar eine öffentliche Anhörung durch- (Zuruf von Bündnis 90/Die Grünen: Genau!) geführt hat – das auf der einen Seite den grundsätzlich legitimen und (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- berechtigten Anspruch der Verleger betrifft, eine Vergü- NEN]: Ja, das war vorher! Man kann Anhö- tung für publizistische Leistungen zu bekommen, rungen nur zu vorhandenen Gesetzesvorlagen machen!) (Dr. [CDU/CSU]: Zur Geschäftsordnung bitte!) im Übrigen auch zu europarechtlichen Fragen, zu verfas- sungsrechtlichen Fragen. Ich weise darauf hin, dass eine und das auf der anderen Seite den Informationsanspruch, Anhörung im Unterausschuss „Neue Medien“ des Aus- die Informationsfreiheit, die nach dem Grundgesetz ge- schusses für Kultur und Medien stattgefunden hat. Da schützt wird, betrifft, heute zu verabschieden. wurden noch technische Fragen behandelt. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie (Brigitte Zypries [SPD]: Aber zu einem ande- können doch zur Sache reden! – Gegenruf des ren Gesetz! – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/ Abg. [SPD]: Mein Gott, seid ihr 28220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Thomas Oppermann (A) nervös! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (C) [CDU/CSU]: Das müssen Sie dem Steinbrück Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sagen, nicht uns!) NEN]: Wir haben einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen!) Denn dieses weitreichende Gesetz ist in letzter Minute gravierend geändert worden. Ich kann das, wie ich finde, ganz schnell und auch überzeugend begründen. Es gibt eine Auslegungsent- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ scheidung – sie ist hier vom Kollegen Beck schon zitiert DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Dagmar worden –, die besagt: Das Minderheitenrecht der Oppo- Enkelmann [DIE LINKE]) sition auf Beantragung einer erneuten Anhörung ist dann In einer solchen Situation wäre es besser, noch einmal verwirkt, wenn es keine wesentliche Änderung der ur- eine Anhörung zu machen. sprünglichen Vorlage gibt. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Noch (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es eine?) gibt aber wesentliche Änderungen!) Wir bieten Ihnen an: Wir führen in der nächsten Woche – Die gibt es nicht, eine Anhörung durch und entscheiden in der übernächs- ten Woche über dieses Gesetz. – Ich glaube, das Gesetz (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wird dann besser. NEN]: Doch! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das glauben Sie!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der und zwar deshalb nicht, weil alles das, was geändert LINKEN) worden ist – dass geändert werden kann, ist ganz selbst- verständlich; deswegen macht man ja Anhörungen; man Denn hier sind in letzter Minute Begriffe in das Gesetz will wissen, ob man gegebenenfalls noch was ändern gekommen, die überhaupt niemand definieren kann. muss –, Dieses Gesetz ist ein verunglücktes Gesetz. Es ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte, und (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der das dürfen wir als Bundestag nicht beschließen. CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Gegenstand der vorherigen Anhörungen war. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) NEN]: Nein, das stimmt nicht!) (D) Gehen Sie noch einmal in sich! Jakob Mierscheid kann heute nicht da sein. Aber eines kann ich Ihnen sa- Beispielsweise ist das, was hier angesprochen worden gen: Einem solchen Verfahren hätte Jakob Mierscheid ist – die Schnipsel, die Snippets –, von zwei Sach- niemals zugestimmt, und schon gar nicht an seinem verständigen, die von der Opposition benannt worden 80. Geburtstag. waren, ausdrücklich in die Beratungen eingeführt wor- den. Von daher hat es keine Änderung zu irgendeinem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Gegenstand gegeben, der nicht auch in der Anhörung be- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der sprochen werden konnte. Deshalb gibt es keinen Verstoß LINKEN) gegen die Geschäftsordnung.

Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Der Kollege van Essen hat nun für die FDP-Fraktion der CDU/CSU) das Wort. Sie haben gestern versucht, im Geschäftsordnungs- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ausschuss eine Beschlussfassung herbeizuführen. Wir der CDU/CSU) haben dort festgestellt, dass in dieser Auslegungsent- scheidung klar festgelegt worden ist, dass die Sachent- scheidung der Fachausschuss zu treffen hat, und die hat Jörg van Essen (FDP): er am Mittwoch getroffen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu all meinen Vorrednern war ich bei allen (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Beratungen dabei, nämlich sowohl im Rechtsausschuss NEN]: Nein! – Zuruf des Abg. Volker Beck als auch im Geschäftsordnungsausschuss als auch im [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ältestenrat. – Herr Beck, Sie waren doch gar nicht dabei, als wir im (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Rechtsausschuss darüber diskutiert haben. schützt aber nicht! – Ulrich Kelber [SPD]: Sie waren das also!) (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, klar war ich dabei!) Wenn man diese Beratungen mitgemacht hat, dann kommt man ganz schnell zu einer Feststellung: Es gibt – Herr Montag, Sie waren dabei. Ich habe gesagt: Herr keinen Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Punkt! Beck war nicht dabei. – Sie, Herr Montag, ja. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28221

Jörg van Essen (A) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE (Zustimmung der Abg. Tabea Rößner [BÜND- (C) GRÜNEN]: Aber Herr Montag hat mir alles NIS 90/DIE GRÜNEN]) erzählt!) Viele Sachverständige, die Opposition, viele in der Öf- Im Gegensatz zu dem von mir gerade angesprochenen fentlichkeit sagen: Ja, das sind gravierende Änderungen Kollegen Beck sind Sie ja ein hervorragender Jurist und im Gesetz. auch quer durch alle Fraktionen sehr geschätzt. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Lachen und Beifall bei der FDP und der NEN]: Genau!) CDU/CSU) Sie als Koalition behaupten: Wir sehen keine gravieren- Deshalb, lieber Herr Kollege Montag, hätten Sie mich den Änderungen. schwer enttäuscht, wenn Sie nicht auf die Minderheiten- Genau darum wäre es aber in einer zweiten Anhörung rechte hingewiesen hätten. Das haben Sie natürlich, und gegangen. Dort hätte man die Auswirkungen dieser Ver- Sie haben es auch begründet, wie immer übrigens – das änderungen genau geprüft hinsichtlich ihrer Verfas- darf ich Ihnen durchaus zugestehen – in einer nachvoll- sungsmäßigkeit, möglicherweise aber auch hinsichtlich ziehbaren und auch mich nachdenklich machenden ihrer Praktikabilität. Das wäre Gegenstand einer zweiten Weise. Anhörung gewesen. Dieser ernsthaften Prüfung haben Aber ich sage, dass wir Ihre Argumente klar widerlegt Sie sich verweigert. Das nehmen wir nicht hin. haben. Ich weise noch einmal darauf hin: Sachverstän- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten dige haben beispielsweise die Snippets, um die es beson- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ders ging, in die Anhörung mit eingeführt. Von daher ist der Geschäftsordnung also Genüge getan worden. Der Es entstand sowieso schon vorher der Eindruck, dass Fachausschuss hat entschieden. Der Fachausschuss hat Sie dieses umstrittene Gesetz möglichst schnell von der sich mit der Frage, ob das Minderheitenrecht verwirkt ist Tagesordnung haben wollen. Ursprünglich war geplant, oder nicht, befasst. Von daher sollten wir auch so von der Opposition Fristverzicht zu erbitten. entscheiden, dass wir heute in der Sache abstimmen können. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau!) Vielen Dank. Dem haben wir nicht zugestimmt. Deswegen steht das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) heute auf der Tagesordnung.

(B) Ich denke, Sie sind sich selbst nicht sicher, ob dieses (D) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gesetz für die Zukunft überhaupt Bestand haben wird. Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Enkelmann das Wort. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – (Beifall bei der LINKEN) Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das können wir in der Sache besprechen!) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Nun behaupten Sie also, das alles sei in der Anhörung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr bereits besprochen worden; Weiteres sei nicht notwen- Kollege van Essen, es geht um nicht mehr und nicht we- dig. Eigentlich ist mit dem Änderungsantrag aber genau niger als um die Rechte von Minderheiten in diesem Par- das Gegenteil erreicht worden. Es bleibt Rechtsunsicher- lament. Darüber reden wir hier auch in dieser Debatte. heit. Sollen denn künftig wirklich Gerichte darüber Diese Rechte haben Sie, meine Damen und Herren der entscheiden, wie viele Zeichen – ich zitiere einmal – Koalition, mit Füßen getreten. „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sind, wann also Snippets tatsächlich lizenzfrei sind? Das ist (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- doch absurd. Ich bitte Sie! neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- und der FDP) NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- ten der SPD) Denn Sie haben kraft Ihrer Wassersuppe, quasi kraft Ihrer Mehrheit im Rechtsausschuss, entschieden: Es gibt Im Gesetz bleibt die Blockade von Innovationen. keine zweite Anhörung, basta – howgh, wir haben ge- Neue Informationsdienstleister werden kaum eine sprochen. Chance haben, in Verhandlungen um Lizenzverträge ge- gen große Medienkonzerne zu bestehen. Innovation wird (Manuel Höferlin [FDP]: Es gibt auch keine also künftig so nicht mehr stattfinden, wird von Ihnen dritte Anhörung! – Zuruf von der CDU/CSU: verhindert. Wir haben bestimmte Regeln!) Es bleibt eine klare Benachteiligung von Journalistin- Dabei ist schon klar: Es gab eine Anhörung. Es gab nen und Journalisten. nach dieser Anhörung einen Änderungsantrag. Was strit- tig ist, ist die Frage: Geht es tatsächlich um gravierende (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zur Änderungen im Gesetz? Geschäftsordnung!) 28222 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Dagmar Enkelmann (A) – Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt. Das kann ich mir Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion (C) vorstellen. der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen vor. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie miss- brauchen gerade Ihr Minderheitenrecht! Sie Ich mache darauf aufmerksam, dass wir über diesen reden nicht zur Geschäftsordnung, sondern zur Gesetzentwurf später namentlich abstimmen werden. Sache!) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Das heißt, künftig werden Verlage das Recht am Produkt Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei- haben, das eigentlich den Produzenten, also den Journa- nen Widerspruch. listinnen und Journalisten, zusteht. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort Lieber Kollege Lindner, all das hätten wir in einer dem Kollegen Stephan Thomae für die FDP-Fraktion. zweiten Anhörung mit Sachverständigen klären können. (Beifall bei der FDP) (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Fünf hät- ten nicht für Sie gereicht!) Stephan Thomae (FDP): So gehen Sie mit Sachverständigen um! Das ist typisch. Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen Das betrifft nicht nur dieses Gesetz. und Kollegen! Nach rund dreijähriger Beratungszeit (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten schließt die Koalition heute ein sehr strittiges Gesetzes- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) vorhaben ab, nämlich das Leistungsschutzrecht für Pres- severlage. Das ist ein technisch und rechtlich ausgespro- Lieber Kollege Grosse-Brömer, es geht hier nicht um chen anspruchsvolles Gesetzesvorhaben, das auch viel Filibustern, Widerspruch ausgelöst hat, wie wir gerade in der GO- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Doch!) Debatte festgestellt haben. sondern es geht um eine seriöse Gesetzgebungsarbeit. Dieser Widerspruch basierte und basiert im Wesentli- Dieser seriösen Arbeit haben Sie sich verweigert. chen auf Befürchtungen wie zum Beispiel die, dass die Suche nach Zeitungsartikeln im Internet nicht mehr wie (Beifall bei der LINKEN) gewohnt kostenlos möglich sein werde, dass Suchma- Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Arroganz schinen ihren Dienst einstellen müssten oder dass – um der Macht. Eines verspreche ich Ihnen aber: Das wird es einmal zuzuspitzen – das gesamte Internet nicht mehr Sie sehr schnell wieder einholen. so funktioniere, wie wir es gewohnt sind. (D) (B) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Nun muss man etwas klarstellen. Leistungsschutz- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE rechte sind dem Urheberrecht nicht unbekannt. Es gibt GRÜNEN) sie auch für Fotografen und ausübende Künstler, für Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen, für Daten- Präsident Dr. Norbert Lammert: bankhersteller und für Filmproduzenten, also für die Wir kommen zur Abstimmung über den Geschäfts- Werkvermittler von geistigen Schöpfungen, hinter denen ordnungsantrag. ein Urheber steht und wo ein Werkvermittler bereitsteht, um das Werk zu verbreiten. Es ist also ein Investitions- Wer stimmt für die beantragte Absetzung des Tages- schutzrecht. Für Presseerzeugnisse, also für Vermittler ordnungspunktes 36? – Wer stimmt dagegen? – Wer journalistischer Werke, gibt es so etwas bislang nicht. enthält sich? – Damit ist der Geschäftsordnungsantrag Wir haben beschlossen, dies einzuführen. abgelehnt. Vor zweieinhalb, drei Jahren kursierten erste Ent- Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 36 auf: würfe, die nicht aus den Reihen des Parlaments oder der Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- Regierung stammten, die eine breite Ablehnung, vor al- regierung eingebrachten Entwurfs eines Sieben- lem im Netz, hervorgerufen haben. Wie es manchmal so ten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechts- ist, hat sich diese erste Ablehnung verfestigt, obwohl die gesetzes ersten Entwürfe mit dem heute vorliegenden Gesetzent- wurf kaum mehr etwas zu tun haben; denn es gibt drei – Drucksache 17/11470 – ganz wesentliche Unterschiede zu dem ursprünglichen Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- Entwurf. schusses (6. Ausschuss) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: – Drucksache 17/12534 – Also doch wesentliche Unterschiede!) Berichterstattung: Zum Ersten sieht der heute zu beschließende Gesetz- Abgeordnete entwurf nicht gesetzlich zwingend Verwertungsgesell- Ansgar Heveling schaften vor. Zum Zweiten sieht er nicht vor, dass ge- setzliche Vergütungsansprüche entstehen. Es ist ein Stephan Thomae reiner Unterlassungsanspruch. Zum Dritten – jetzt kommt ein wichtiger neuer Punkt; das ist Ausfluss der Jerzy Montag öffentlichen Anhörungen im Rechtsausschuss und im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28223

Stephan Thomae (A) Unterausschuss „Neue Medien“ – sind es die sogenann- stimmten Tages verschaffen. Wenn ich ein aktuelles Er- (C) ten Snippets. Dem liegt der Gedanke zweier BGH-Ent- eignis oder ein bestimmtes Thema recherchieren will, scheidungen zur Bildersuche zugrunde. Worum geht es? kann ich mir über solche Newsaggregatoren und Harves- Wenn ich in einer Suchmaschine nach Bildern suche, ter-Suchmachinen eine Liste von aktuellen Meldungen dann erscheint als Treffer, als Ergebnis meiner Suchan- anzeigen lassen, die die Lektüre einzelner Artikel über- frage ein verkleinertes Abbild des gesuchten Bildes. flüssig macht, weil ich ein Gesamtbild über die Publika- Dazu sagt der BGH in seinen Entscheidungen: Wie soll tionen erhalte. Das ist in der Qualität schon etwas ande- eine Suchmaschine einen Treffer anders darstellen als res, als wenn ich als Privatperson einen bestimmten durch eine verkleinerte Wiedergabe des Bildes? – Es Artikel wiedergebe, zum Beispiel zu ihm verlinke, was gibt, glaube ich, eine Zwischenfrage. immer zulässig ist, oder ihn zitiere, was auch zulässig ist. So stellt die Trefferliste, die systematische Samm- Präsident Dr. Norbert Lammert: lung, die eine Suchanfrage in einer Suchmaschine, in ei- Der Kollege Montag möchte, soll und darf eine Zwi- nem Newsaggregator und in Harvestern auslöst, in der schenfrage stellen. Bitte schön. Qualität etwas anderes dar als die private Wiedergabe ei- nes Artikels, in dem zum Beispiel Sie oder ich zitiert werden und den wir vielleicht aus persönlichen Gründen Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): bei uns veröffentlichen oder auf den wir verlinken. Dies Danke, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege ist also in der Tat etwas anderes, nämlich etwas, was die Thomae, da Sie jetzt in Ihrer Rede auf die Interpretation journalistische und verlegerische Tätigkeit ganz anders von BGH-Entscheidungen eingehen, möchte ich Sie zu- betrifft als einzelne sozusagen private Veröffentlichun- nächst etwas Grundsätzliches fragen. Sie haben gerade gen etwa im Rahmen einer privaten oder Firmenhome- dargestellt, dass es Leistungsschutzrechte im Urheber- page. recht gibt. Das ist evident richtig. Das neue Leistungs- schutzrecht soll, wenn man den Gesetzeswortlaut und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten die Begründung zusammennimmt, die Leistung der Ver- der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜND- leger schützen. Das kann ich auch nachvollziehen. Die NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht verständlich! – Verlage erbringen eine Leistung. Thomas Oppermann [SPD]: Können Sie das noch mal erklären?) (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Die Urheber!) Lassen Sie mich fortfahren. Ich habe die beiden – Nein, die Verlage erbringen eine Leistung. – Man kann Entscheidungen des BGH zur Bildersuche zitiert und sich sehr wohl überlegen, ob man sie schützen soll oder deutlich gemacht, dass ein verkleinertes Abbild den nicht. (B) Treffer nach einer Bildersuchanfrage wiedergibt, also (D) Der Gesetzentwurf in der Fassung, die Sie jetzt vorge- eine Miniatur des Bildes. Da sagt der BGH: Wer ein Bild legt haben, erklärt, dass jeder Mann und jede Frau – je- ins Internet einstellt, der ist doch offensichtlich damit der! – die Leistung von Verlagen öffentlich zugänglich einverstanden, dass es auch gefunden wird. Warum soll machen kann. Es ist für alle erlaubt. er es sonst ins Netz einstellen? (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!) Nun ist unsere Frage: Wie übertragen wir das auf journalistische Texte, auf Erzeugnisse von Pressever- Nur eine Gruppe nehmen Sie aus, nämlich die Suchma- lagen? Auch da muss es doch im Ergebnis möglich sein, schinenbetreiber. Dazu haben Sie noch gar nichts gesagt. eine verkleinerte Wiedergabe des Presseartikels, also Mich interessiert: Warum gerade nur die Suchmaschi- eine Miniatur, abzubilden, und das sind die sogenannten nenbetreiber? Textausschnitte, Textausrisse, auch Schnipsel oder Snip- Hier wird Ihr Änderungsantrag evident. In der ersten pets genannt. Fassung des Gesetzentwurfes war es klar; Sie wollten (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf die Snippets und das Internet abstellen. Jetzt behaup- NEN]: Das ist wieder eine historische Rede im ten Sie, Sie wollten dies gar nicht. Bundestag! Er redet von „Schnipseln“, und (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- keiner versteht das!) NEN]: Genau!) Ein solcher Snippet kann ganz unterschiedlich lang sein. Warum nehmen Sie dann die Suchmaschinenbetreiber Es kann kurze und lange Schnipsel geben. als Einzige völlig willkürlich aus der Schar von allen, Wir sagen nun: Die Wiedergabe von kleinen Textaus- die veröffentlichen könnten, heraus und machen sie schnitten, die einfach nur notwendig sind, um das Such- lizenzpflichtig? ergebnis zu beschreiben, es in einen Kontext zu stellen, soll erlaubt, soll frei sein. Denn wie will man denn eine Stephan Thomae (FDP): Suchanfrage, ein Suchergebnis, einen Presseartikel an- Lassen Sie mich klarstellen, dass es nicht einfach nur ders darstellen als durch eine kleine Wiedergabe des um Suchmaschinenbetreiber geht. Es geht auch um Textes? Ein Beispiel: Wenn ich „Golf“ eingebe, erhalte Dienste, die dazu übergehen, eine Sammlung von jour- ich Treffer zu einer Meeresströmung, zu einem Fahr- nalistischen Texten anzulegen – Newsaggregatoren, zeugtyp und zu einer Sportart. Damit also der Suchende Harvester –, die zum Beispiel einen Überblick über erkennt: „Habe ich jetzt etwas gefunden, was in diesen das gesamte journalistische Erscheinungsbild eines be- Kontext passt?“, muss man ein bisschen dazuliefern. Das 28224 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Stephan Thomae (A) sind diese kleinsten Textausschnitte oder einzelne Wör- Deutsche Journalistenverband in einer Pressemitteilung (C) ter. Sie sind vom Schutzumfang ausgenommen. klar erklärt, dass sie dieses Gesetz ablehnen. Sie wissen, meine Damen und Herren: Gerade den Schutz der Jour- Wir tragen mit der Änderung des ursprünglichen Ge- nalisten, der Urheber, wollten wir immer. Die Union hat setzes dazu bei, die wesentlichen Lotsenfunktionen der immer behauptet, dass der Schutz durch dieses Gesetz Suchmaschinen im Internet zu erhalten, sodass wir am erzielt würde. Jetzt sagen die Journalisten aber: Von Ende, so meine ich – damit bin ich leider schon am Ende euch, von eurem Gesetzentwurf, fühlen wir uns nicht meiner Redezeit angelangt –, einen Entwurf eines ausge- vertreten. wogenen, ausbalancierten Gesetzes vorlegen, das auf der einen Seite die Erzeugnisse von Presseverlagen schützen (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der und auf der anderen Seite wichtige Funktionen des Inter- Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nets erhalten wird. Deswegen meine ich, dass diesem NEN]) Gesetzentwurf beruhigt zugestimmt werden kann. Im Gegenteil: Sie fürchten eine eindeutige Verschlechte- Vielen Dank. rung. Ich glaube auch, dass durch das Gesetz in der Tat (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten eine Verschlechterung eintreten wird. der CDU/CSU) Das wirklich Schwierige ist, dass Sie dieses Leis- tungsschutzrecht als ein Verbotsrecht ausgestaltet haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Thomae, es ist ja richtig: Die Urheber Das Wort erhält nun die Kollegin Zypries für die können ihre Produkte weiter ins Netz einstellen. Das SPD-Fraktion. Problem ist nur: Suchmaschinen dürfen nicht auf sie ver- linken; Suchmaschinen dürfen die Produkte nicht mehr (Beifall bei der SPD) zugänglich machen, wenn keine Lizenz erteilt wurde. Das heißt konkret: Jeder gewerbliche Anbieter in Brigitte Zypries (SPD): Deutschland, der seine Produkte auffinden lassen und Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wenn es zur Verwertung bringen möchte – das gilt dann auch für nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es viele kleine Anbieter und nicht nur für die großen Tages- notwendig, kein Gesetz zu machen.“ zeitungen –, muss Lizenzverträge abschließen, wenn er (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem denn über Suchmaschinen im World Wide Web gefun- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) den werden will. Wenn ich das richtig sehe, gilt das wegen des EU-Vertrags und wegen einer fehlenden Diesen Satz von Montesquieu kennen Sie alle. Da außer Regelung im Gesetz auch für alle Presseverlage der Eu- (B) der Regierungskoalition und dem BDZV niemand meint, ropäischen Union. (D) dass es eines solchen Gesetzes bedürfte, wäre es am bes- ten gewesen, Sie hätten es gelassen. Aber wenn man Jeder von Ihnen, meine Damen und Herren, der auch schon ein Gesetz macht, dann muss es doch zumindest nur ein bisschen vom Internet versteht, weiß, dass das dem Gebot der Normenklarheit entsprechen. ein völliges Unding ist. Wie will man heutzutage im World Wide Web überhaupt noch irgendetwas ohne (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- Suchmaschinen finden? KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) (Stephan Thomae [FDP]: Eben!) Sie wissen: Normenbestimmtheit und Normenklar- Deswegen ist die Verpflichtung für Presseverleger, eine heit – das sind die Grundsätze, die das Bundesverfas- solche Lizenz abzuschließen, für meine Begriffe ein sungsgericht von den deutschen Gesetzen verlangt; denn komplett unverhältnismäßiger Eingriff in ihre Grund- wir wollen schließlich, dass die Bürgerinnen und Bürger rechte. in der Lage sind, die Gesetze auch zu verstehen. Aber diesen Anforderungen werden Sie mit diesem Gesetz- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie entwurf nicht gerecht. Daran ändert auch nichts, dass Sie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ den Entwurf des Gesetzes vor drei Tagen aufgrund der DIE GRÜNEN]) massiven Proteste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft Sie können das von den Menschen in der Wirtschaft und der Netzgemeinde noch einmal geändert haben. nicht verlangen. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber hinaus sind im Hinblick auf die Normenklar- Und zwar ziemlich stark geändert!) heit zahlreiche andere Punkte zu berücksichtigen: – Dadurch ist er aber nicht besser geworden, Frau Kolle- Es ist völlig unklar, meine Damen und Herren, ab gin Rößner. wann denn jemand Presseverleger ist. Ist man als Betrei- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE ber eines Blogs mit periodisch erscheinenden Einträgen GRÜNEN]: Aber gänzlich anders!) schon Presseverleger? Ist man es ab der dritten Veröf- fentlichung eines Blogeintrags oder ab der fünften Ver- Im Gegenteil, jetzt ist klar: Die Urheber, also die Journa- öffentlichung? listen, die ihre geistigen Produkte an die Verleger zur Veröffentlichung geben, werden nicht geschützt. (Dr. [FDP]: Sie sind jedenfalls Deshalb haben gestern auch die Freischreiber und der Verleger! Die SPD ja!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28225

Brigitte Zypries (A) Und wenn man ab der fünften Veröffentlichung Presse- allem Gerichte werden sich mit dem Leistungsschutz- (C) verleger ist, ist man es dann auch rückwirkend bei den recht befassen, bevor auch nur irgendein Verlag Geld für ersten vier? sein Angebot im Internet bekommt. Was ist denn überhaupt ein Presseerzeugnis? Die Zuvor allerdings, meine Damen und Herren, wird sich Blogs fallen sicherlich darunter. Aber die Frage, ob die die EU-Kommission noch um dieses Gesetz kümmern. Webseiten der Bundestagsabgeordneten mit ihren Infor- In der Süddeutschen Zeitung können wir heute schon le- mationsangeboten darunterfallen, das konnte in keiner sen, dass die Kommission beim BMJ angefragt hat, wie einzigen Sitzung, an der ich teilgenommen habe, beant- es sich hier eigentlich mit der Notifizierungspflicht ver- wortet werden. halte. (Manuel Höferlin [FDP]: Sie waren doch nie Seit drei Jahren, meine Damen und Herren, diskutie- im Rechtsausschuss!) ren wir jetzt das Leistungsschutzrecht. Das, was heute vorliegt, ist allerdings von dem, was ursprünglich einmal – Ja. Ich war aber in anderen Ausschüssen, im Aus- geplant war, weit entfernt. schuss für Kultur und Medien und im Unterausschuss „Neue Medien“, wo diese Frage, Herr Kollege, auch ein Ich glaube nicht, dass das Gesetz dazu dient, die Thema war und das zuständige Ministerium leider keine Verleger im Internetzeitalter zu schützen. Dabei wäre es belastbare Antwort geben konnte. notwendig gewesen, die Diskussion darüber zu führen. (Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Professor In der Tat sind Anstrengungen nötig, um sich damit aus- Lewandowski hat sich sehr eindeutig geäu- einanderzusetzen, wie sich die Zeitungslandschaft in ßert! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Der Deutschland vor allen Dingen durch das Internet verän- Rechtsausschuss ist nicht der Nabel der Welt, dert. Wir von der SPD haben dazu einen Entschließungs- nur der Wurmfortsatz!) antrag vorgelegt. Da können Sie unsere Vorschläge sehen. Wir glauben, dass das alles besser gewesen wäre Durch die Gesetzesänderung, meine Damen und Her- als das, was Sie hier heute präsentieren. ren, sind jetzt „einzelne Wörter und kleinste Textaus- schnitte“ vom Leistungsschutzrecht ausgenommen; da- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rüber sprachen wir eben schon. Zu der Frage, wie es sich der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE mit Bildern verhält, Herr Thomae, habe ich keine Rege- GRÜNEN) lung gefunden. Ich weiß also nicht, ob nach wie vor die BGH-Rechtsprechung gilt oder Sie das mit diesem Ge- Präsident Dr. Norbert Lammert: setz ändern. Vielleicht kann einer der Koalitionsredner Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Günter Krings (B) nachher dazu eine Auskunft geben; Herr Dr. Krings, das für die CDU/CSU-Fraktion. (D) wäre freundlich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte – man kann darüber rätseln, was das ist. Bei heise online kann Dr. Günter Krings (CDU/CSU): man nachlesen, dass die FDP eine Länge von 160 Zei- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und chen festschreiben wollte. Das steht nun aber so nicht im Herren! Wie schwach die Argumente der Opposition in Gesetzentwurf. Jetzt fragt man sich natürlich: Was der Sache waren und sind, haben wir eben schon in der schließen wir daraus? Müssen es weniger als 160 Zei- Geschäftsordnungsdebatte erlebt. Sie wollen der Diskus- chen sein, oder dürfen es eben auch mehr sein? sion ausweichen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) GRÜNEN]: Ich würde sagen: mehr!) Sie haben sich diese Diskussion nicht zugetraut: Sie Wie definiert man den Begriff „kleinster Textaus- wollten den Punkt absetzen, wir wollen in der Sache schnitt“? Steht die erlaubte Länge jetzt im Verhältnis zur debattieren – im Interesse aller, die hier oder an den Länge des gesamten Textes des Beitrags? Hat also ein Fernsehgeräten zuschauen und wissen wollen, wie die Text von zehn Seiten einen anderen kleinsten Text- Sachargumente sind und wie der Bundestag abstimmt. ausschnitt als ein Text von einer Seite? Oder reden wir von einer absoluten Größe? Darf eigentlich „Bayern ge- (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen Dortmund 1 : 0“ – oder „Dortmund gegen Bayern NEN]: Deshalb wäre eine Anhörung noch ein- 1 : 0“ – lizenzfrei bleiben oder nicht? mal wichtig gewesen! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist dreist! – Dr. (Thomas Oppermann [SPD]: Ein Wort zu viel: [DIE LINKE]: Verschiebung um eine Sit- das Ergebnis!) zungswoche!) Was dürfen also Suchmaschinen lizenzfrei anzeigen? Sie wollen sich der Diskussion nicht stellen und wollten Meine Damen und Herren, Sie sehen: Dieser Gesetz- deshalb den Tageordnungspunkt absetzen. entwurf erfüllt die Ansprüche des Bundesverfassungsge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) richts an die Normenklarheit und des Bestimmtheits- grundsatzes in keiner Weise. Die Schutzlücke, die, wie Mit dem heute zu beschließenden Leistungsschutz- es die Union immer behauptet, geschlossen werden soll, recht für Presseverlage geht es nicht um mehr, aber auch wird nicht geschlossen. Denn ich garantiere Ihnen: Vor nicht um weniger als die Schließung einer Lücke im Ur- 28226 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Günter Krings (A) heberrecht. Die Grundprinzipien dieses Urheberrechts Begünstigte des Leistungsschutzrechts für Pressever- (C) sind ganz einfach. Das können durchaus auch einige von lage sind nicht nur Verlage, sondern auch Journalisten. Ihnen verstehen. Es geht darum: Der Urheber hat ein Das haben wir so klar in den Entwurf des Gesetzes ge- Urheberrecht, der Leistungsschutzinhaber – der Werk- schrieben. Aus dem Grunde setze ich – übrigens gemein- mittler –, der zwischen dem Urheber und dem Nutzer sam mit dem Deutschen Journalistenverband – darauf, steht, hat ein Leistungsschutzrecht. Diese Leistungs- dass sich eine Verwertungsgesellschaft dieses Themas schutzrechte gibt es seit Jahrzehnten im Urheberrecht für annehmen wird. Nötigenfalls können wir als Gesetzge- Hersteller von Tonträgern, Rundfunksendeunterneh- ber hier auch noch einmal Druck machen. Wir wollen, men, Filmhersteller, Schauspieler und viele andere. dass die Arbeitsleistung von Journalisten und Verlagen angemessen vergütet wird. Dieses Leistungsschutzrecht ist jedenfalls immer dann notwendig, wenn der Werkmittler nicht mehr die Das Internet ist ein hocheffizientes Medium zur Ver- Herrschaft über den Vertriebsweg hat. Zu der Zeit, als breitung und Aggregation von Informationen. Mit Such- Zeitungen noch rein in Printform erschienen, war das maschinen finden wir Inhalte natürlich besonders nicht notwendig. Da war der Vertriebsweg in der Herr- schnell. Aber die abgespeicherten und gefundenen In- schaft des Verlegers. Heute ist das eben nicht mehr so. halte schreiben sich eben nicht von selbst. Wir wollen, Zeitungen werden – das werden Sie vielleicht wissen – dass sich Leistung lohnt – auch im journalistischen und auch online gelesen. Deswegen ist die Notwendigkeit ei- verlegerischen Bereich. Leistung kann sich aber nur loh- nes Leistungsschutzrechts offensichtlich begründet. nen, wenn sie einen Preis hat. Einen Preis kann sie nur bekommen, wenn man ein Recht hat, auf das man sich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und berufen kann. Dieses Recht wird in diesem Bereich das der FDP) Leistungsschutzrecht sein. Wer es für falsch hält, dass Presseverlage – wie es bis- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und her ist – ihre Inhalte im Netz verschenken müssen, und der FDP) wer es – wie wir – als fair ansieht, dass sie nicht nur am Kiosk, sondern auch im Netz ihre Inhalte verkaufen dür- Selbst eine Bezahlschranke, die manche Verlage auf- fen, der muss diesem Gesetz zustimmen. bauen wollen, ist zurzeit juristisch unwirksam, weil sie ohne ein Leistungsschutzrecht juristisch nicht durchsetz- Manche Attacke aus der Opposition gegen die Idee bar ist. Sie verhindern damit Innovation. Sie verhindern des Leistungsschutzrechts – das war es nämlich: Sie neue Bezahlangebote im Netz, wenn Sie gegen das Leis- haben letztlich maßgeblich immer gegen die Idee des tungsschutzrecht stimmen. Leistungsschutzrechts als solches argumentiert – (B) Ein Geschäftsmodell, bei dem ein immer aufwendiger (D) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- werdender, kostenloser Onlinebereich quersubventio- NEN]: Das ist nicht wahr! – Dr. Petra Sitte niert wird von einem immer kleiner werdenden Printbe- [DIE LINKE]: Das ist eine Unterstellung!) reich, stößt an seine Grenzen. Das ist übrigens auch ein wesentlicher Grund dafür, dass sich das Zeitungssterben hat wirklich viele, auch Kulturschaffende, in Deutsch- in Deutschland fortsetzt: Frankfurter Rundschau, Finan- land zutiefst verunsichert. cial Times Deutschland und manche Regionalzeitung. Sie sollten jetzt endlich einmal diese Debatte heute Das liegt nicht daran, dass die Menschen keine Zeitung zum Anlass nehmen und hier deutlich machen, dass Sie mehr lesen wollen, sondern das liegt daran, dass wir kein sich – jedenfalls grundsätzlich – zur Idee des Leistungs- angemessenes Bezahlsystem aufgebaut haben. Das Leis- schutzrechts bekennen. Sie werden das wahrscheinlich tungsschutzrecht allein wird die Pressevielfalt in nicht tun, und ich sage Ihnen auch, warum nicht. Wer Deutschland nicht sicherstellen. Aber es ist ein wichtiger sich grundsätzlich zur Idee des Leistungsschutzrechts in Beitrag für den Erhalt einer lebendigen Presselandschaft den anderen Bereichen bekennt, hat kein ernsthaftes Ar- in unserem Land. gument mehr, genau dieses Leistungsschutzrecht nicht Wir führen die Diskussion schon seit drei Jahren. anzuerkennen. Frau Zypries, Sie haben darauf hingewiesen, vielen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Dank für den Hinweis. Es ist zu Recht oft betont wor- der FDP) den, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, den Kuchen zwischen Internetwirtschaft und Verlagen aufzuteilen. Oder ist Ihr Problem vielleicht, dass es sich bei die- (Brigitte Zypries [SPD]: So ist es!) sem Leistungsschutzrecht speziell um ein Leistungs- schutzrecht handelt, das sich auf das Internet bezieht? – Aber der Staat hat für faire Wettbewerbsbedingungen zu Dann sagen Sie doch offen, dass unsere Rechtsordnung sorgen, und darum geht es bei diesem Gesetz. und ihre gut begründeten Rechtsprinzipien im Internet aus Ihrer Sicht nicht gelten sollen. Aus guten Gründen gibt es in Deutschland für Presse- und Medienunternehmen ein sehr strenges Medienkon- Die christliche-liberale Koalition steht dafür, dass ge- zentrationsrecht. Es soll verhindern, dass eine demokra- rade ein freies Internet einen fairen und verbindlichen tiegefährdende Marktmacht entsteht. Diese Regelung Rechtsrahmen braucht. Nur so können die Interessen gilt natürlich nicht für Internetsuchmaschinen, obwohl von Kreativen, Verlagen, Nutzern und der Internetwirt- es in diesem Bereich einen Marktführer mit 95 Prozent schaft zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Marktanteil gibt. Es ist festzustellen, dass Google allein Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28227

Dr. Günter Krings (A) in Deutschland Werbeeinnahmen erzielt, deren Höhe das Man könnte nicht nur Runde Tische einberufen, sondern (C) übersteigt, was alle Zeitungsverlage gemeinsam in der man könnte auch – so las ich in der Presse – staatliche Onlinewerbung erzielen können. Subventionen für die Presse einführen. Durch staatliche Subventionen könnte man letztlich – wenn man das zu (Brigitte Zypries [SPD]: Ja!) Ende denkt – eine Staatspresse aufbauen. Aus Ihrer Sicht Von Anfang an ist es uns wichtig gewesen, dass die- wurden damit ja ordentliche Erfahrungen gemacht. ses Gesetz nicht für ein bestimmtes einzelnes Unterneh- (Zurufe von der LINKEN: Oh!) men gemacht wird. Es geht auch darum, dass es News- Aggregatoren gibt – Harvester wurden genannt –, die in Die Grünen fordern zu diesem Thema einen Runden sehr intensiver Weise die Inhalte fremder Webseiten ab- Tisch, auch das ist ein sehr origineller Vorschlag. fischen. Die Inhalte werden dem Nutzer dann als eigenes Angebot mit eigenem Werbepartner unterbreitet, und so Man kann zusammenfassen: Wir wollen mit dem wird Geld auf Kosten anderer verdient. Leistungsschutzrecht ein Instrument schaffen, das die berechtigten Interessen von Verlagen und Journalisten (Brigitte Zypries [SPD]: Das ist heute schon gegenüber Internetunternehmen schützt. Sie wollen verboten!) Runde Tische und Steuergelder für die Presse. Sie pala- Gerade in diesem Bereich ist die Erhebung von Lizenz- vern, wir handeln. Ich bitte um Zustimmung für unseren gebühren gerechtfertigt. Gesetzentwurf. Das Gesetz war nie als eine Lex Google gedacht. Bei (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der Ausnahme, die wir am Mittwoch im Rechtsaus- schuss beschlossen haben, geht es nicht darum, dass Präsident Dr. Norbert Lammert: Suchmaschinen insgesamt herausfallen. Für mich war es Petra Sitte erhält nun das Wort für die Fraktion Die eine wichtige Klarstellung; denn wir wollten von vorn- Linke. herein ein schlankes Leistungsschutzrecht. Aber zur Be- ruhigung: Aufgrund der Änderung vom Mittwoch und (Beifall bei der LINKEN) der eingefügten Klarstellung unterfallen sogenannte Schnipselangebote von Suchmaschinen – man kann es Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): auch auf Deutsch sagen, was sonst als Snippet bezeich- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Medi- net wird – dann dem Leistungsschutzrecht, wenn der enkonzern Springer ruft, und fast das ganze Regierungs- Treffer über die Überschrift und einige Wörter hinaus- lager springt – wie die Lemminge ins schwarze Loch. geht. Zur Vorgeschichte: Bereits seit Jahren rühren die gro- (B) (D) Es ist ein ermutigendes Ergebnis dieses Gesetzge- ßen deutschen Presseverlage die Trommel dafür, dass bungsverfahrens, dass auch Weltkonzerne des Internets dieses Gesetz auf den Weg gebracht wird. Im Herbst die deutschen Gesetze beachten müssen, dass sie nicht 2009 ist es ihnen dann endlich gelungen: Das Leistungs- über dem Gesetz in Deutschland stehen. Das entspricht schutzrecht stand im Koalitionsvertrag von Union und jedenfalls unserer Auffassung, Ihrer offenbar nicht. FDP. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und So viel zum Thema „Machtverschiebung zwischen Me- der FDP) dien und Politik“, so viel zum Thema „Erpressbarkeit von Politik durch die Macht der Medienkonzerne“. Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage ha- ben wir ein sachgerechtes Konzept zur Stützung der (Beifall bei der LINKEN – Burkhardt Müller- Pressevielfalt und des Qualitätsjournalismus in Deutsch- Sönksen [FDP]: Das ist doch Quatsch! Die land vorgelegt. kleinen Lokalzeitungen sind auch dafür!) Gestatten Sie mir einen kurzen Blick darauf, was die Ziel des Leistungsschutzrechts war es, Informations- Opposition vorschlägt. Kurz vor Toresschluss des Ver- dienstleistern im Internet, allen voran Suchmaschinen, fahrens haben alle Oppositionsfraktionen plötzlich noch nur noch gegen Genehmigung, aber insbesondere gegen Entschließungsanträge zum Thema Pressevielfalt vorge- Bezahlung zu erlauben, dass sie Verlagsinhalte, also legt. Kurz vor Ende gab es also noch ein wenig Bewe- Pressetexte, im Internet auffindbar machen. Allerdings gung, das klang auch schon in ein paar Wortmeldungen – das haben wir immer wieder gehört – sind Onlineange- an. bote der Verlage ohne Suchmaschinen und andere Infor- mationsdienstleister im Internet gar nicht systematisch Zusammenfassend kann man sagen: Die SPD bewun- dert das Problem der Presseverlage, macht aber vor- auffindbar. Noch vor einem Monat sprach der Vorstands- sichtshalber keinen wirklichen Vorschlag in der Sache. vorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, in einem Interview von bis zu 80 Prozent der Leser, die al- (Brigitte Zypries [SPD]: Gar nicht wahr!) lein über Google bei den Angeboten seines Verlages lan- den und ihm so sozusagen die Chance geben, Geld zu Sie fordert lieber die Bundesregierung auf, einen neuen verdienen. Es gibt also nüchtern betrachtet überhaupt Gesetzentwurf vorzulegen. Auch die Linke hat eine Idee, keinen stichhaltigen Grund für dieses Gesetz. Das wird was man machen könnte. erst recht deutlich, wenn man bedenkt, dass die Bundes- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir ha- regierung überhaupt keine belastbaren Daten besitzt, um ben immer gute Ideen!) Auskunft darüber geben zu können, wie viel Suchma- 28228 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Petra Sitte (A) schinen oder ähnliche Dienste direkt mit Verlagsinhalten Als wäre das alles nicht schon genug, kamen Sie am (C) verdienen. Diesen Offenbarungseid musste sie abgeben, Dienstag – am Dienstag dieser Woche, wohlgemerkt – als sie auf eine Kleine Anfrage der Linken zu antworten wie Kai aus der Kiste mit einem neuen Änderungsan- hatte. trag. Jetzt soll es den Informationsdienstleistern und den Informationsdienstleisterinnen im Internet wieder ge- Das Leistungsschutzrecht ist aber nicht nur unnötig, nehmigungsfrei möglich sein, einzelne Wörter und ein- es ist auch schädlich: zelne Textausschnitte, die sogenannten Snippets, weiter- Erstens. Im Text ist überhaupt nicht klar definiert, wer zuverwenden. Nun wird die ganze Sache endgültig alles als Verlag anzusehen ist. Die Interpretationsbreite absurd: Erst legte die schwarz-gelbe Bundesregierung ist groß. Das Gesetz wird mehr Verwirrung als Klarheit einen Gesetzentwurf vor und begründet ihn mit genau stiften. Das ist aber nicht die Aufgabe von Gesetzen, diesen Snippets: wenn ich mich recht erinnere. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Nein, mit (Beifall bei der LINKEN) den zu langen Snippets!) Zweitens. Es ist nicht nachvollziehbar, was genau ge- Diese Snippets würden den Verlagen schaden. Dann ka- schützt werden soll und warum. Es geht nun einmal um men die Regierungsfraktionen und änderten den Gesetz- Pressetexte, und diese sind durch das Urheberrecht klar entwurf so ab, dass genau diese Snippets jetzt ausge- vor unerlaubter Nutzung geschützt. Der neue Schutz, so nommen sind. Das heißt, der Hauptgrund der Kritik ist sagen jetzt Verlage, soll nun für verlagstypische Eigen- entfallen. Jetzt frage ich mich: Ist damit nicht auch der leistungen bestehen. Jetzt fragen wir uns natürlich: Wo- Hauptgrund des Gesetzes entfallen? rin sollen die bestehen, wenn es ausschließlich um die (Beifall bei der LINKEN – Tabea Rößner Anzeige von Texten durch Informationsdienstleister im [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine leere Internet geht? Das ist ebenso schleierhaft. Sie schaffen Hülle!) also ein Recht für Verlage an etwas, was eigentlich den Urheberinnen und Urhebern zustünde, falls es denn Um die Verwirrung dann noch weiter aufzuschäumen, überhaupt einen stichhaltigen Grund für das Gesetz gibt. definieren Sie kein Stück klar, was Sie eigentlich unter (Beifall bei der LINKEN) diesen einzelnen Snippets verstehen, wie lang die sein dürfen. Da kann ich aus der Erfahrung der letzten Jahre Nun steht zur Beruhigung in dem Gesetzentwurf, dass nur sagen: Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge, Verlage Urheberinnen und Urheber an den möglichen wie sich Abmahnanwälte die Hände reiben und über ein Einnahmen angemessen beteiligen müssen. Wie die an- neues Geschäftsfeld freuen. (B) gemessene Beteiligung aussehen soll und wie die Betei- (D) ligung ausgehandelt werden soll, steht aber nicht in dem (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Gesetzentwurf. Damit überlassen Sie das dem freien Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Spiel der Kräfte. Aber wir haben in der parallel laufen- NEN]) den Debatte zum Urhebervertragsrecht ja längst erlebt, Meine Damen und Herren, Sie drehen also die ur- was dann passiert: Bisher klappt dabei gar nichts ver- sprüngliche Intention des Gesetzes ins Gegenteil, und nünftig. Sie geben also den Medienkonzernen einen wei- Sie führen weitere Rechtsunsicherheiten ein. Das ist teren Machtvorteil gegenüber Journalistinnen und Jour- nicht logisch, könnte man jetzt sagen – aber für schwarz- nalisten. Ich gratuliere zu dieser Leistung. gelbe Großhirne schon. Okay, machen Sie es! Drittens. Es bleibt ungeregelt, wie sich Suchmaschi- Wenn wir aber einmal wohlwollend annehmen, dass nen und Co. mit der durch das Gesetz nicht klar definier- auch mit der Änderung das Leistungsschutzrecht die ge- ten Gruppe der Verlage über Nutzungsgenehmigungen wohnte Artikelvorschau, wie wir sie jetzt im Internet und Nutzungsgebühren einigen sollen. Das ist völlig of- vorfinden, in Suchmaschinen erlaubt, was bitte kann fen. Unzählige Onlineanbieter müssten mit Tausenden dann das Gesetz noch bewirken? Zunächst einmal – zu Verlagen Verhandlungen führen. Das sind Dinge, die diesem Thema ist schon alles gesagt – Rechtsunsicher- sich nur große Konzerne mit vollen Kriegskassen und heiten zuhauf. Solange diese bestehen, weiß niemand, großen Rechtsabteilungen leisten können. was genau im Internet an Informationsweitergabe durch (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Suchmaschinen und ähnliche Dienstleister überhaupt möglich sein wird. Kleinere und mittelständische Unternehmen, regional tä- tige Verlage oder Internet-Start-ups kommen da schlicht Am Ende werden Suchmaschinen dann wahrschein- und ergreifend gar nicht mit, die können sich das näm- lich gar keine größeren Veränderungen erfahren. Verlage lich nicht leisten. werden von diesen kein neues Geld einnehmen. Aber immerhin werden sie ein Recht haben, das eigentlich den (Beifall bei der LINKEN) Urheberinnen und Urhebern zusteht, und all die neuen Sie schaffen hier also ein Gesetz aus lauter Rechtsun- Apps, Programme und Dienste, die es heute jenseits von sicherheiten. Damit stärken Sie das Recht des Stärkeren Suchmaschinen so spannend und bequem machen, als und schwächen dazu noch die Schwachen. Dazu kann Netznutzerin die unterschiedlichsten Nachrichten, Arti- ich nur sagen: Das ist Wahnsinn mit Methode. kel und Reportagen zu entdecken, werden in Deutsch- land nicht möglich sein – außer sie werden dann wiede- (Beifall bei der LINKEN) rum von Springer oder von Burda angeboten. Meine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28229

Dr. Petra Sitte (A) Damen und Herren, Vielfalt und Innovation stelle ich mittlungsausschuss. Das ist nicht nur politisch unterir- (C) mir anders vor. disch, meine Damen und Herren, es ist auch eine Ver- kennung des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Wir als (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Gesetzgeber müssen die Gesetze hinreichend bestimmt Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- formulieren. Wir können die Probleme nicht einfach an NEN]) die Rechtsprechung outsourcen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konstantin von Notz ist der nächste Redner für die sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. KEN) Sie sagen gern, Herr Kollege Krings, die Opposition Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE versucht, dieses Thema hochzuziehen. Ich sage Ihnen GRÜNEN): einmal, wer dieses Thema noch alles hochzieht: der BDI, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten die Unternehmensverbände von BITKOM und eco, das Damen und Herren! Lieber Kollege Thomae, wenn man Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wett- Ihnen hier so zuhört, gewinnt man den Eindruck, Sie bewerbsrecht, der Deutsche Journalisten-Verband ge- verstünden die ganze Aufregung nicht. Der Kollege nauso wie der Berufsverband freier Journalistinnen und Krings spricht von einem mutigen Verfahren. Journalisten und der Chaos Computer Club. Alle sind gegen Ihren Gesetzentwurf. Das gilt auch für namhafte Das letzte Mal, als Sie hier mit einem ganz ähnlichen Verfassungsrechtler und so gut wie alle Urheberrechts- Vorgehen die Regelungen zum Melderecht in der letzten experten dieses Landes, alle Jugendorganisationen der Kurve geändert haben, haben Sie ein datenschutzrecht- Parteien, den ehemaligen Chef der Monopolkommis- liches Eigentor sondergleichen geschossen, was wir jetzt sion, zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Ihren gerade erst im Vermittlungsausschuss mühsam korrigie- eigenen Reihen, darunter auch die stellvertretende CSU- ren mussten. Heute stellen Sie sich hier hin und schießen Generalsekretärin Dorothee Bär, die hier netzpolitisch sofort das nächste Eigentor. einmal goldrichtig liegt. Schließlich ist auch die gesamte Dabei wissen Sie es besser. Ihr schlechtes Gewissen Zivilgesellschaft dagegen, die aller Voraussicht nach mit in Sachen Leistungsschutzrecht dokumentieren Sie einer neuen Abmahnwelle überzogen werden wird. Das durch bizarre Pressekonferenzen. Da lädt der Vorsit- ist keine hochgezogene Kritik. Dieses Gesetz ist eines, zende des Rechtsausschusses, der Kollege Kauder, ein das keiner will und keinem nutzt. und erklärt sachkundig die mannigfaltigen verfassungs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) rechtlichen Probleme, von Art. 5 GG bis hin zum nicht sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- (D) erfolgten Notifizierungsverfahren. Gestern nun der Ver- KEN) such, auf einer neuen Pressekonferenz die Wogen zu glätten: Sie versuchten den Eindruck zu erwecken, man Das ganze Unternehmen hat nur einen einzigen Sinn: habe das Gesetz völlig entschärft. die Gesichtswahrung Ihrer Kanzlerin, die im letzten Bundestagswahlkampf den großen Verlagen ein solches Tatsächlich haben Sie das ganze Ding in einer Nacht- Gesetz versprochen hat. Wir sind aber als Parlament und-Nebel-Aktion im Büro des Kollegen Heveling er- nicht dazu da, irgendwelche hanebüchenen schwarz- heblich verschlimmbessert. Mit vagen, gänzlich unbe- gelben Koalitionsvereinbarungen zu erfüllen. stimmten Rechtsbegriffen helfen Sie keinem Verlag, Sie helfen keiner Journalistin und keinem Journalisten. Sie Justus Haucap hat völlig recht: Das Gesetz, Ihr ganzes setzen hier auf ein Beschäftigungsprogramm für Juris- Vorgehen ist ein einziges Fiasko. Sie stehen vor einem ten, meine Damen und Herren. Scherbenhaufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf des Abg. Stephan Thomae [FDP]) Sie haben in der Netzpolitik nichts zustande gebracht, Sie sind nicht imstande, den Grundwiderspruch Ihrer und das kleine bisschen Vertrauen, das Sie mit der En- Argumentation, Herr Kollege Heveling, hier aufzulösen. quete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ Auf der einen Seite sagen Sie: Wir brauchen ein Leis- vorne für sich hochgepuzzelt haben, reißen Sie jetzt mit tungsschutzrecht; der Status quo ist untragbar. Eben dem Hintern wieder ein. noch hat das der Kollege Krings gesagt. Auf der anderen Seite beschwichtigen Sie und sagen: Keine Aufregung! Wissen Sie, gerade fährt Ihr Wirtschaftsminister ins Wir ändern ja nichts am Status quo. – Das ist hoch wi- Silicon Valley und staunt. Kaum ist er wieder zu Hause, dersprüchlich, und es ist falsch. Die Wahrheit ist: Sie ha- verabschieden Sie hier ein Gesetz, das es in keinem an- ben keinen blassen Schimmer, was Sie mit diesem Ge- deren Land dieser Welt gibt und das den IT-Standort setz anstellen. Deutschland um Jahre zurückwirft, ein Gesetz, das fatal an ein großes netzpolitisches Vorhaben am Ende der Dreieinhalb Jahre haben Sie im rechtspolitischen Ne- letzten Legislatur erinnert, nämlich das verfassungs- bel herumgestochert, was das Leistungsschutzrecht soll, rechtlich ebenfalls hoch umstrittene Zugangserschwe- was es könnte, ob es überhaupt trägt. Jetzt liefern Sie rungsgesetz, das heute zum Glück Geschichte ist. hier bewusst nur ein Schlagwort aus dem Koalitionsver- trag ab. Den Rest sollen andere klären: die Anwälte, die (Stephan Thomae [FDP]: Und wer hat es Gerichte, der Bundesrat, vielleicht demnächst der Ver- gemacht?) 28230 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wunschzettel entspricht inzwischen längst nicht mehr (C) Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit. dem, über das wir heute diskutieren. Wir haben keine Lesegebühr, wir haben keine zwin- Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE gende Umverteilung von Geldern. Es geht in dem Ge- GRÜNEN): setzentwurf überhaupt nicht um Gelder, sondern es geht Die Größe, sich Ihr eigenes Scheitern einzugestehen, um eine Rechtsposition. Kollege Krings hat sehr gut dar- haben Sie nicht. Das ist sehr bedauerlich. gelegt, dass wir eine Lücke haben. Selbst Herr Ganz herzlichen Dank. Oppermann hat vorhin gesagt: Es gibt einen grundsätz- lich legitimen Anspruch der Verleger. So haben Sie es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorhin gesagt. Von daher ist das wohl mehrheitlich hier sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- im Haus die Überzeugung. KEN) Jetzt komme ich zu den Kritikpunkten. Einer ist der unbestimmte Rechtsbegriff, den wir im Änderungsantrag Präsident Dr. Norbert Lammert: eingebracht haben. Übrigens ist der Änderungsantrag Für die FDP-Fraktion erhält der Kollege Manuel Ausfluss von zwei Anhörungen, einer Anhörung im Höferlin das Wort. Rechtsausschuss und einer im Unterausschuss „Neue (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Medien“. Darüber wurde intensiv diskutiert. der CDU/CSU) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir konnten ihn danach aber nicht Manuel Höferlin (FDP): mehr bewerten!) Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe manchmal den Eindruck, hier Ein unbestimmter Rechtsbegriff wie zum Beispiel wird noch über eine alte Version des Gesetzentwurfs ge- „kleinste Teile“ ist im Urheberrecht völlig gängig. Zum sprochen. Beispiel ist in § 87 b des Urheberrechtsgesetzes bei den Datenbanken – da geht es auch um Leistungsschutz- (Stephan Thomae [FDP]: Hat er auch!) rechte – von wesentlichen Bestandteilen die Rede. Ich habe nicht gehört, dass es bei Datenbanken – die sind in Kollege von Notz, manche Dinge, die Sie gesagt haben, der Netzwelt nun wirklich sehr verbreitet – jetzt eine rie- treffen vielleicht auf die Vorvorvorversion oder auf ei- sige Abmahnwelle gäbe oder eine große Prozesslawine nen Referentenentwurf zu, aber nicht auf das, über das oder dass dies eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für wir heute diskutieren. Anwälte wäre. Von daher ist es durchaus normal und (B) (D) Grundsätzlich finde ich es interessant, dass sich die völlig systemkonform, einen unbestimmten Rechtsbe- SPD und die Linke fast dahin gehend geäußert haben, griff zu verwenden. dass wir zu wenig geregelt haben. Sie hätten gerne noch (Beifall bei der FDP) viel mehr. Die abstrakt generelle Regelung ist auch angemessen, (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ich will es gar weil es darum geht, auf der einen Seite eine Leistung zu nicht haben!) schützen und auf der anderen Seite – das ist Ausfluss der Das habe ich im Vorfeld anders gehört. Bei der SPD Anhörung – das Bedürfnis der Netznutzer zu befriedi- muss man ja bedenken, inwieweit Sie aufgrund Ihrer gen, auf Suchanfragen qualifizierte Ergebnisse zu be- vielen Verlage betroffen sind. Bei einer Sitzung in einem kommen, mit denen man auch etwas anfangen kann. Gemeinderat müssen Betroffene, wenn es zum Beispiel Dies soll weiterhin gewährleistet sein. um Bauprojekte geht, rausgehen. Aber hier im Bundes- Diese Abgrenzung ist durch den Änderungsantrag tag dürfen Sie, obwohl Sie betroffen sind, mitdiskutie- entstanden. Wir reden nicht über ein völlig neues Gesetz, ren. wir reden nicht über einen völlig anderen Regelungs- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der charakter, sondern wir haben aufgrund der Anhörungs- CDU/CSU) ergebnisse erkannt: Es gibt die Befürchtung – und das war genau der Kritikpunkt –, dass Informationsfreiheit Deswegen muss man sich genau anschauen, wie Sie hier möglicherweise gefährdet sei. Genau diesen Punkt ha- dazu stehen. ben wir aufgegriffen, und genau diesen Punkt haben wir Lassen Sie mich kurz auf die Sache eingehen. Wir ha- minimalinvasiv verändert mit der Maßgabe, dieses frei- ben einen langen Weg hinter uns. Über drei Jahre haben zustellen. wir über das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ge- Mehr ist immer noch möglich. Es ist schlichtweg redet. Uns wurde hier vorgeworfen, es gäbe einen falsch, dass Suchmaschinen oder Aggregatoren nicht Wunschzettel. Sie von der Linken haben gesagt, die mehr arbeiten könnten. Springers hätten einen Wunschzettel abgegeben, und wir wären gesprungen. (Beifall bei der FDP) (Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Es ist schlichtweg falsch, Frau Kollegin, dass man keine Apps mehr kriegen kann. Das ist genauso absurd, als würde ich sagen: Google hat bei Ihnen angerufen, und Sie sind gesprungen. – Der (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28231

Manuel Höferlin (A) Nach dieser Rechtsposition ist es nur so, dass man den (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) Eigentümer des Inhalts vorher fragen muss. der LINKEN – Zurufe von der FDP: Oh!) (Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Es war ein unwürdiges Schauspiel, das wir an vielen Stellen erlebt haben. Wenn man ein Gesetz zwei Tage – Ja, aber es ist doch Aufgabe der Marktteilnehmer, sich vor der zweiten und dritten Lesung so maßgeblich verän- zu überlegen – auch wenn es tausend sind –, ob sie sich dert, was ja auch Redner aus dem schwarz-gelben Lager vielleicht zusammentun möchten. Wir schreiben ja nicht zugegeben haben, und wenn man das Ganze dann hier ins Gesetz: Es darf keine Verwertungsgesellschaft ge- im Eilverfahren durchdrückt, dann ist das ein Programm ben. für die Steigerung von Politikverdrossenheit. Es gibt (Beifall bei der FDP) viele Menschen, die wollen erklärt haben, was hier ei- gentlich passiert. Diese Erklärungen wurden in der heu- Wir sehen eine auf freiwilliger Vereinbarung zustande tigen Diskussion nicht geliefert. gekommene Verwertungsgesellschaft vor, und das ist ein wesentlicher Unterschied und vielleicht auch eine wich- (Beifall bei der SPD) tige Feinheit. Mehr als drei Jahre lang wurde diskutiert. Das Gesetz Deswegen ist es klug und richtig, einen Ausgleich wurde in den letzten Wochen aufgesetzt, und es wurde zwischen dem Recht von Verlegern und Verwertern, ihre abgesetzt. Wir haben zwei Tage vor der entscheidenden Inhalte auch weiterhin zu verteilen und die Kontrolle Abstimmung eine gravierende Änderung bekommen, darüber zu haben, und denjenigen zu schaffen, die im und heute soll das Gesetz im Eiltempo durchgeboxt Netz suchen und qualifizierte Suchergebnisse im Netz werden. haben wollen. Wer mehr nutzen möchte als kleinste Die Anhörung im Rechtsausschuss und im Unteraus- Textausschnitte, der muss den Eigentümer vorher fragen. schuss „Neue Medien“ – da war ich dabei – haben (Beifall bei der FDP) teilweise vernichtende Kritik am Leistungsschutzrecht erbracht. Wir haben gesehen, es gibt schon heute techni- Wenn der dann sagt: „Ja, meine Inhalte könnt ihr in un- sche Möglichkeiten, es gibt große rechtliche Bedenken. beschränktem Maße nutzen“, dann ist das auch in Ord- Ich frage mich: Wie sollen wir als Parlamentarier eigent- nung. Das entspricht genau dem, wie wir Urheberrecht lich damit umgehen? verstehen. Das ist der Ausgleich zwischen zwei Rechts- positionen, ohne dass es zur Umverteilung kommt, ohne Siegfried Kauder, der Vorsitzende des Rechtsaus- dass wir ein bürokratisches System aufbauen. schusses, hat erklärt, er habe verfassungs- und europa- rechtliche Bedenken – ich zitiere –: (B) (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber das geht (D) doch auch ohne das Gesetz!) Wir stehen vor dem Dilemma, dass wir einen großen Teil unserer Hausaufgaben nicht gemacht Es geht vielmehr um ein eigenes Recht der Verlage, zu haben. bestimmen, was mit ihrem Eigentum geschieht und was nicht. Da hat Herr Kauder recht, und deswegen wäre es auch richtig gewesen, die Entscheidung heute zu verschieben Herzlichen Dank. und uns Zeit zu nehmen, uns das Leistungsschutzrecht noch einmal genau anzuschauen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn Herr Kauder von verfassungsrechtlichen Be- Präsident Dr. Norbert Lammert: denken geredet hat, dann frage ich mich: Sind die eigent- lich in den letzten beiden Tagen ausgeräumt worden? Lars Klingbeil erhält nun für die SPD-Fraktion das Wort. Oder ich verweise auf den Kollegen Peter Tauber, ei- nen geschätzten Kollegen aus der Enquete-Kommission, (Beifall bei der SPD) der ja erklärt hat, warum er heute gegen das Leistungs- schutzrecht stimmt. Da frage ich mich: Wie kann es ei- Lars Klingbeil (SPD): gentlich sein, dass diejenigen, die von der CDU/CSU in Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und die Enquete-Kommission geschickt werden, diejenigen, Kollegen! Ich gebe zu, ich habe nicht mehr daran ge- denen man sagt: „Ihr seid unsere Netzexperten, und ihr glaubt, dass wir uns hier heute in der zweiten und dritten vertretet uns da“, zum großen Teil das Leistungsschutz- Lesung mit dem Leistungsschutzrecht beschäftigen müs- recht ablehnen, das aber trotzdem ohne Relevanz in der sen. Zu klar waren die vielen Argumente gegen dieses schwarz-gelben Regierung bleibt? Leistungsschutzrecht, das heute auf den Weg gebracht werden soll, und zu deutlich und zu groß war der Wider- Außerhalb des Parlaments gibt es ein großes Bündnis: stand, den es aus allen gesellschaftlich relevanten Grup- Wirtschaftsverbände wie BDI, BITKOM und eco, pen gegen dieses Leistungsschutzrecht gegeben hat. Jugendverbände der Parteien wie Jusos, Grüne Jugend und Junge Union sowie der Chaos Computer Club, sie Wenn man sich den gesamten Weg dieses Leistungs- alle sprechen sich gegen dieses Leistungsschutzrecht schutzrechts anschaut, dann ist klar: Dieses Gesetz steht aus. Ich sage Ihnen: Es gibt nicht viele Momente, in exemplarisch für den politischen Verfall dieser schwarz- denen es ein solch großes Bündnis gibt. Auch alle nam- gelben Koalition. haften Urheberrechtsexperten haben sich gegen das 28232 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Lars Klingbeil (A) Leistungsschutzrecht ausgesprochen. Gestern hat sich wendig. Auch wir sagen: Ja, es gibt Probleme. Es gibt (C) auch der Deutsche Journalisten-Verband klar positioniert Probleme bei den Verlagen, um die wir uns kümmern und uns aufgefordert, diesem Gesetzentwurf heute nicht wollen. Wenn Sie sich den Entschließungsantrag, den zuzustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der wir eingebracht haben, anschauen, dann stellen Sie fest, schwarz-gelben Seite, was muss denn eigentlich noch al- dass wir sagen: Es ist beispielsweise problematisch, les passieren, damit Sie merken: „Dieses Leistungs- wenn heute geschäftsmodellmäßig auf die Archive der schutzrecht brauchen wir nicht“? Süddeutschen Zeitung zurückgegriffen wird, wenn dort herauskopiert wird, wenn etwas daraus unautorisiert ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des wendet wird. Aber das ist eine Problematik im Urheber- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra recht, für die wir kein neues Schutzrecht brauchen. Sitte [DIE LINKE]: Abwahl! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Keine Sachargumente!) (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!) Deswegen noch einmal das Angebot: Ziehen Sie diesen Präsident Dr. Norbert Lammert: Gesetzentwurf zurück, und lassen Sie uns gemeinsam Herr Kollege Klingbeil, darf der Kollege Höferlin auf einen vernünftigen Weg kommen! Dann finden wir eine Zwischenfrage stellen? eine Lösung, die keine Rechtsunsicherheit schafft und Innovationen nicht abwürgt. Lars Klingbeil (SPD): Nein, momentan nicht. Sie haben eine weitere Anhö- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rung abgelehnt; dann lasse ich auch keine Zwischenfra- der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/ gen zu. CSU]: Wie eine Lösung aussehen könnte, wis- sen Sie aber auch nicht so richtig, oder?) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Der Journalismus wandelt sich, liebe Kolleginnen und LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Kollegen. Er ist dezentraler, er ist partizipativer, er ist Warum sind Sie denn so unsicher, Herr schneller geworden. Wir Sozialdemokraten haben uns Kollege?) viele Gedanken gemacht, wie wir Qualitätsjournalismus sichern können. Wir haben im Jahr 2012 einen Antrag Wirtschaftsminister Rösler hat einen Beirat „Junge zur Sicherung der Freiheit, der Vielfalt und der Qualität Digitale Wirtschaft“ gegründet. Reden Sie doch einmal und zur Finanzierung des Journalismus eingebracht, der mit denjenigen, die in diesem Beirat sitzen! Alle dort über 20 Vorschläge enthalten hat, was wir machen kön- lehnen das Leistungsschutzrecht ab. Ich sage Ihnen: Für nen, um Qualitätsjournalismus auch in Zeiten des digita- (B) viele Menschen steht hinter der Frage, warum der len Umbruchs zu gestalten. Dieser Antrag ist abgelehnt (D) Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht so schnell ver- worden, Herr Krings. Wenn Sie sich heute hier hinstellen abschiedet werden soll, ein großes Fragezeichen. Erst und sagen: „Die Sozialdemokraten haben keine Ideen“, handelte es sich um eine Lex Google. Dann wurde ver- ändert. Jetzt heißt es: Einzelne Wörter und kleinste Text- (Beifall des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/ ausschnitte sind ausgenommen. Sie schaffen damit vage CSU]) und unklare Rechtsbegriffe. Sie überlassen die Aus- legung dieses Gesetzes ganz offen Gerichten. dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Schauen Sie sich den Antrag an, den wir eingebracht und den Sie abge- (Stephan Thomae [FDP]: Wir leben in einem lehnt haben! Ihre Antwort auf die Herausforderungen Rechtsstaat, Herr Kollege! Zweifeln Sie etwa des digitalen Wandels ist das Leistungsschutzrecht. Wir an unseren Gerichten?) haben darauf umfassendere Antworten gegeben. Wir helfen Ihnen gerne weiter. Ich habe vorhin schon gesagt: Das ist eine Arbeitsbe- schaffungsmaßnahme für Anwaltskanzleien. Gerichte (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nur Blabla!) müssen nachher klären, wie es mit diesem Leistungs- schutzrecht weitergeht. Sie schaffen Rechtsunsicherheit, Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, und ich sage Ihnen: Sie verhindern auch Innovationen. das Urheberrecht hat unter Ihnen dreieinhalb Jahre keine Google war lange Zeit die Zielscheibe dieses Gesetzes. Veränderung erfahren. Sie haben die Züge aufeinander Aber jetzt werden es kleine Unternehmen, Mittelständler zufahren lassen. Sie stehen mit offenem Mund vor den und innovative Unternehmen sein, die hier am deutschen Herausforderungen, die das Urheberrecht mit sich Markt erfolgreich sein sollten; das wäre unser Wunsch. bringt. Das Einzige, was in dieser Legislaturperiode am Aber Sie würgen diese Innovationen ab. Urheberrecht geändert wird, ist das Leistungsschutz- recht. Das ist eine magere Bilanz. Ich sage Ihnen: Wir (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ werden diesen Gesetzentwurf, der heute verabschiedet DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der wird, im Bundesrat stoppen. Dann können wir mit der LINKEN) Diskussion noch einmal von vorne anfangen. Die SPD hat sich intensiv mit dem Leistungsschutz- Vielen Dank. recht auseinandergesetzt – das wissen Sie –, wir haben eigene Gutachten auf den Weg gebracht, und wir haben (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten diskutiert. Aber wir sind zu dem Entschluss gekommen: der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/ Ein Leistungsschutzrecht in Deutschland ist nicht not- CSU]: Blockadepartei!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28233

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: die Urheber selbst, also im Fall der Presse die Journalis- (C) Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Höferlin ten, die einen Artikel verfassen, verfügen mit dem klas- das Wort. sischen Urheberrecht über einen Schutz ihrer Leistun- gen. Manuel Höferlin (FDP): Presseverlegern, die Zeitungen und Zeitschriften in Herr Kollege Klingbeil, am Ende haben Sie Ihren An- der Print- wie in der Onlineversion herstellen, steht ein trag kurz erwähnt und gesagt, Sie hätten gute Vorschläge solches Recht unmittelbar nicht zur Verfügung. Deswe- gemacht. Wenn ich Ihren Antrag lese, dann stelle ich gen schaffen wir nun ein Leistungsschutzrecht für sie. fest: Im Kern sagen Sie, man sollte eine Beweislastum- kehr einführen. Ist das Ihre Vorstellung von einem eige- Das bedeutet: Wir erfinden heute das Leistungs- nen Recht für Presseverlage, so wie Sie es offensichtlich schutzrecht nicht, und wir erfinden es schon gar nicht – wie es auch geäußert wurde – für richtig halten? neu. Seit vielen Jahrzehnten – also auch schon lange vor dem Zeitalter der Digitalisierung – haben wir einen bun- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das war jetzt ten Strauß ganz unterschiedlicher Leistungsschutzrechte gemein! Der versteht das doch nicht!) im Urheberrechtsgesetz. Insofern fügt sich das Leis- tungsschutzrecht für Presseverlage nahtlos in die soge- Lars Klingbeil (SPD): nannten verwandten Schutzrechte des Urheberrechts ein. Lieber Kollege Höferlin, vielen Dank für die Nach- Und wir gestalten dieses Leistungsschutzrecht aus. frage und auch dafür, dass Sie jetzt in der zweiten und dritten Lesung anfangen, sich mit unseren Vorschlägen, So kennt das Urheberrecht bei Werken etwa das die schon die ganze Zeit im parlamentarischen Verfahren Recht, kleine Teile eines Werkes zu nutzen. Das Zitat- sind, zu beschäftigen. recht etwa vermittelt uns diese Befugnis. Durch die „Metall auf Metall“-Entscheidung hat nun der Bundes- Ich habe es gerade gesagt: Wir sehen ein Problem da- gerichtshof, also die Rechtsprechung, festgestellt, dass rin, wenn zum Beispiel auf das Archiv der Süddeutschen durch Leistungsschutzrechte auch bereits der kleinste Zeitung zugegriffen wird, vollständige Artikel unautori- Teil eines Werkes geschützt ist. siert für Pressespiegel verwendet werden und daraus Ge- schäftsmodelle entstehen. Das hat aber nichts mit dem Als Gesetzgeber treffen wir nun die Entscheidung, Leistungsschutzrecht zu tun. Darüber wären wir mit Ih- dass es beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage eine nen ins Gespräch gekommen, wenn Sie nicht im Hau- untere Grenze geben soll. Einzelne Wörter und kleinste ruckverfahren das Leistungsschutzrecht durchgeprügelt Textausschnitte eines Presseerzeugnisses, wie es im Ge- hätten. setzentwurf heißt, sollen vom Leistungsschutzrecht nicht (B) erfasst sein. (D) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, womit denn? Was wollen Sie machen? Die SPD be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wundert das Problem, hat keine Lösung!) der FDP – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist eine Klarstellung!) Vielen Dank. Mit dieser Festlegung treffen wir mithin eine Rege- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) lung, die gut in die Systematik des Urheberrechts passt. Dass wir die untere Grenze nicht in Zahlen genau fest- Präsident Dr. Norbert Lammert: schreiben, ist dem Urheberrecht im Besonderen und un- Das Wort erhält nun der Kollege Ansgar Heveling für seren Gesetzen im Allgemeinen nicht fremd. Unbe- die CDU/CSU-Fraktion. stimmte Rechtsbegriffe gehören zum Alltag unserer Rechtstradition, und sie tragen auch gerade der dynami- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schen Entwicklung in der digitalen Welt Rechnung.

Ansgar Heveling (CDU/CSU): Der Änderungsantrag beim Leistungsschutzrecht ent- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hält nun einen einzigen unbestimmten Rechtsbegriff: die kommt nicht oft vor, dass ein Thema aus dem Bereich kleinsten Textausschnitte. Zum Beispiel in § 87 b Abs. 1 Urheberrecht einen so prominenten Debattenplatz wie des Urheberrechtsgesetzes – der Kollege Höferlin hat heute bekommt. Es freut mich natürlich, wenn so das eben schon darauf hingewiesen; das ist der Schutz des Themenspektrum Urheberrecht und geistiges Eigentum Datenbankherstellers – wimmelt es nur so von unbe- noch mehr Interesse wecken kann. stimmten Rechtsbegriffen. Darin ist von wesentlichen Teilen einer Datenbank, die unwesentlichen Teilen einer Andererseits wurde in der Diskussion um die Einfüh- Datenbank gleichstehen, die Rede. Das ist alles ausleg- rung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage aus bar. Doch die Datenbankhersteller stehen nicht jeden vielem mehr gemacht, als tatsächlich zur Debatte steht. Tag in den Schlagzeilen, weil es Probleme mit § 87 b des Denn mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, treffen Urheberrechtsgesetzes gibt. wir schlichtweg eine ordnungspolitische Entscheidung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ebenso wie andere Werkmittler erbringen Pressever- der FDP) leger eine wirtschaftliche und organisatorische Leistung. Viele andere Werkmittler wie zum Beispiel Tonträger- Insofern ist es offensichtlich möglich, mit unbestimmten hersteller haben bereits ein Leistungsschutzrecht. Auch Rechtsbegriffen umzugehen. 28234 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Ansgar Heveling (A) Das gilt für die Praxis wie auch für die Rechtspre- dass wir als Gesetzgeber einer unserer wichtigsten Auf- (C) chung. Lieber Kollege Klingbeil, Sie haben gesagt: gaben nachkommen: für einen sorgfältigen Ausgleich CDU/CSU und FDP überlassen die Auslegung den Ge- der verschiedenen Interessen zu sorgen und die Regeln richten. – Ich bin froh, dass wir die Auslegung von Ge- unserer sozialen Marktwirtschaft sicherzustellen. setzen den Gerichten überlassen. Das nennt man nämlich Gewaltenteilung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Und Rechts- staat!) In unserem Nachbarland Frankreich kann man sehen, wie es auf keinen Fall gehen sollte. Aus meiner Sicht ist Alles andere haben wir nach dem Zeitalter des Absolu- das, was in Frankreich auf diesem Gebiet geschehen ist, tismus schon hinter uns gelassen. der Worst Case. Wenn in Frankreich ein Internetunter- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und nehmen, in diesem Fall Google, eine Einigung mit den der FDP – Zuruf von der FDP: Rechtsstaat! – Verlegern – in Form einer einmaligen Abschlagszahlung Thomas Oppermann [SPD]: Das nennt man in Höhe von 60 Millionen Euro an den Staat – im Bei- Pfusch, nicht Gewaltenteilung!) sein des Staatspräsidenten feiert, dann ist das aus meiner Sicht kein gutes Signal, weder an die Verleger noch an Die Praxis wie die Rechtsprechung werden mit dem Ge- die Journalisten noch an die Nutzer noch an diejenigen, setz umgehen können, und das wird für sie auch nichts die mit guten und legalen Geschäftsmodellen im Internet Ungewohntes sein. Geld verdienen möchten. Es ist vielmehr das bedenkli- Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den öffentlichen che Signal, dass die Politik vor der strukturellen und fi- Anhörungen hat sich gezeigt, dass das Leistungsschutz- nanziellen Macht einzelner Konzerne, eines großen recht sowohl verfassungsrechtlich als auch technisch un- Players im digitalen Raum, kapituliert. bedenklich ist. Das Verlinken von Presseartikeln bleibt (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Da regt sich der auch in Zukunft frei. Auch die sozialen Netzwerke wer- Richtige auf! Ist das süß!) den nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst. In der An- hörung im Unterausschuss „Neue Medien“ hat sogar der Genau das tun wir heute nicht. von der Opposition benannte Sachverständige – er ist si- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und cherlich eher unverdächtig, für das Leistungsschutzrecht der FDP) zu sein – ganz klar gesagt, dass die sozialen Netzwerke durch das Gesetz nicht erfasst werden. Wir kommen unserer Aufgabe nach und sorgen für den Deshalb, meine Damen und Herren, ist die Informa- ordnungs- und rechtspolitischen Rahmen, der geboten tionsfreiheit im Internet entgegen mancher Behauptung ist. (B) (D) nicht beeinträchtigt. Von Beginn an war es nie das Ziel, Vielen Dank. durch die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage den Informationsfluss im Internet zu be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und hindern. Daher war auch verfassungsrechtlich von Be- der FDP) ginn an klar: Das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Meinungsäußerung und Information wird Präsident Dr. Norbert Lammert: durch die Regelungen nicht berührt. Ich erteile das Wort der Kollegin Tabea Rößner, Frak- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und tion Bündnis 90/Die Grünen. der FDP) Beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage geht es Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nicht um Informationsfreiheit oder gar um die Freiheit Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende insgesamt – es geht darum, einen fairen Wettbewerb zu schlecht, alles schlecht. Seit drei Jahren murkst die Ko- ermöglichen und dafür Regeln aufzustellen, ganz genau alition an diesem Gesetz herum. Es wurde hoch und run- so, wie wir das in der realen Welt als Gesetzgeber auch ter diskutiert und in den unterschiedlichsten Entwürfen tun. vorgelegt. Alle renommierten Experten waren sich von Anfang an einig: Dieses Gesetz verfehlt nicht nur das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ziel, es ist der größte Schwachsinn aller Zeiten; deshalb der FDP) ist es abzulehnen. Wenn ich morgens am Kiosk eine Zeitung kaufen will, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich ja auch nicht unter Berufung auf die Informa- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- tionsfreiheit sagen: Lieber Kioskbesitzer, gib mir die KEN) Zeitung kostenlos! Drei Jahre Diskussion, und dann legen Sie uns diese (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Woche einen völlig neuen Entwurf vor und behaupten GRÜNEN]: Aber die Überschriften sollte man allen Ernstes, Sie hätten das Problem erst jetzt richtig schon kostenlos zu sehen bekommen!) verstanden? Also, wir lassen uns nicht an der Nase her- Ich muss dafür selbstverständlich bezahlen, und das umführen. Ihnen ist doch angesichts schwindender kann im Internet auch nicht anders sein. Mehrheiten der Hintern auf Glatteis gegangen. Wenn wir den Gesetzentwurf für ein Leistungsschutz- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auf Grund- recht für Presseverlage heute beschließen, zeigen wir, eis!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28235

Tabea Rößner (A) Das heißt aber leider nicht, dass Sie zur Vernunft gekom- Das Gesetz wird heute allein zur Gesichtswahrung (C) men wären; dann hätten Sie das Gesetz nämlich beerdi- verabschiedet. Ich hoffe, das reicht, um sich bis auf die gen müssen. Stattdessen stimmen wir heute über den Knochen zu blamieren. Scherbenhaufen Ihrer Verlags-Bauchpinseln-Politik ab. Denn Ihre Kanzlerin hat es versprochen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niemand weiß, was genau vor wem geschützt werden sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- soll. Sie haben mir noch keinen deutschen Dienst ge- nannt, vor dem das Leistungsschutzrecht schützen soll. KEN) Gerade mit der Änderung der Koalition besteht völlige Rechtsunsicherheit. Das hilft weder Journalisten noch Präsident Dr. Norbert Lammert: Verlagen noch Informationsdiensten. Die einzigen Profi- Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der teure werden Anwälte sein; das Leistungsschutzrecht Kollege Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion. wird Anwalts Liebling. Ist das politische Unfähigkeit oder dreiste Klientelpolitik? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Kollege Krings, Kollege Silberhorn, Sie haben ges- tern in einer Pressekonferenz gesagt, die Journalisten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wollten dieses Gesetz und würden den jetzigen Entwurf wird noch immer bestritten, dass es einen Handlungsbe- begrüßen. Alle drei großen Journalistenverbände, DJV, darf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage gibt. DJU und Freischreiber, haben sich zu Ihrem neuen Ent- (Brigitte Zypries [SPD]: Ja, das stimmt!) wurf geäußert, begrüßt hat ihn aber niemand. Alle leh- nen diesen Unsinn ab. Von welchen Journalisten spre- Ich rate den Kritikern, einmal nach Frankreich zu chen Sie? Von Kai Diekmann? Niemand außer ein paar schauen; denn die Lösung, die man dort gefunden hat, ist großen Verlagschefs will das Leistungsschutzrecht – heute noch gar nicht angesprochen worden. Sie belegt nicht die Journalisten, nicht die Wirtschaft, nicht die aber, dass unbestreitbar ein Handlungsbedarf besteht. Wissenschaft und schon gar nicht das Netz. Anfang Februar hat sich der Chef von Google mit dem französischen Staatspräsidenten geeinigt und ein Kollege Krings, die Herrschaft über den Vertriebsweg Abkommen unterzeichnet, nach dem die Firma Google haben die Verleger an dem Tag abgegeben, an dem sie 60 Millionen Euro für die Nutzung von Verlagsinhalten ihre Inhalte kostenfrei ins Netz gestellt haben. Sie wol- in der Vergangenheit – – (B) len also doch die Zahnpasta zurück in die Tube drücken, (D) die die Verleger vorher herausgedrückt haben. (Unruhe) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist der Präsident Dr. Norbert Lammert: Clown!) Einen Augenblick, Herr Kollege. – Ich darf die Kolle- Wir wollen, dass Journalismus finanzierbar bleibt und ginnen und Kollegen, die zur Abstimmung freundlicher- dass gerade auch freie Journalisten von ihrem Job leben weise in den Plenarsaal kommen, bitten, Platz zu neh- können. Wir sehen, dass einige Presseverlage in men und dem letzten Redner zuzuhören. – Helfen Sie Deutschland in einer schwierigen Lage sind. Wie aber mal da hinten! – Herr Kollege Schockenhoff, es gibt Journalismus zukünftig finanziert werden kann, beant- noch hinreichend Plätze, um das Ende dieser Debatte ge- worten Sie nicht. Das Leistungsschutzrecht ist jedenfalls ordnet zu verfolgen. – Bitte schön, Herr Kollege nicht die Lösung. Silberhorn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Thomas Silberhorn (CDU/CSU): der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Vielen Dank. – Der Chef von Google und der franzö- Wir fordern andere Instrumente, um die Situation von sische Staatspräsident François Hollande haben Anfang Verlagen und Journalisten zu verbessern. Dazu braucht Februar ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Google man aber erst einmal valide Daten zum Pressemarkt. Sie für die Nutzung von Verlagsinhalten in der Vergangen- regulieren hier wild herum, ohne zu wissen, wo es wel- heit 60 Millionen Euro in einen Fonds für Onlinepro- chen Bedarf gibt. Dass ausgerechnet der Axel-Springer- jekte von Verlagen und Redaktionen einzahlt. Dafür ver- Verlag eine Leistungsschutz-Infusion braucht, um seine zichtet Frankreich auf eine gesetzliche Regelung. Journalisten anständig zu bezahlen, kann ich mir bei ei- Google ist kein Wohlfahrtsverband, sondern ein ge- nem Gewinn von 590 Millionen Euro alleine 2011 nur winnorientiertes Wirtschaftsunternehmen, schwer vorstellen. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Meine Damen und Herren der Koalition, Sie wollen NEN]: Das stimmt!) das Leistungsschutzrecht für Presseverlage nur, weil es wie die Verlage übrigens auch. im Koalitionsvertrag steht. Hauptsache, der Name steht drüber, egal was drin steht! Das zeigen die zum Teil sehr (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- konträren Gesetzentwürfe. NEN]: Ja, das ist richtig!) 28236 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Thomas Silberhorn (A) Google hätte doch keinerlei Grund gehabt, einen solchen Journalist, der selber als Verleger auftritt, kann auch In- (C) Deal einzugehen, wenn nicht klar wäre, dass hier verle- haber des Leistungsschutzrechts werden. gerische Leistungen genutzt werden, die einen eigenen Wir haben den Anwendungsbereich des Leistungs- wirtschaftlichen Wert haben. Deswegen ist unbestreitbar, schutzrechts durch einen Änderungsvorschlag noch ein- dass hier Handlungsbedarf besteht. Deshalb schaffen wir mal klargestellt. Danach sind einzelne Wörter oder das Leistungsschutzrecht in Deutschland. kleinste Textausschnitte vom Schutzbereich des Leis- Das Zustandekommen dieser Vereinbarung in Frank- tungsschutzrechts ausgenommen. Auch ohne diese Prä- reich lässt übrigens viele Fragen offen. Es gibt einen zisierung bliebe natürlich das Zitatrecht erhalten und zweiten Teil des Abkommens, der der Öffentlichkeit blieben bloße Verlinkungen nicht betroffen. nicht mitgeteilt worden ist. Zeitungen zufolge soll es ei- nen privilegierten Zugang von Verlagen zu den Plattfor- Inwieweit die Betreiber von Suchmaschinen von die- men der Firma Google geben, also eine geldwerte Leis- sem Leistungsschutzrecht tangiert sind, hängt davon ab, tung. Die Umstände dieses Vertragsschlusses, dass der was genau sie in ihren Trefferlisten anzeigen. Entschei- Geschäftsführer nur eines großen Unternehmens mit dend für den Anwendungsbereich des Leistungsschutz- dem Staatspräsidenten eines Landes verhandelt und dass rechts ist zunächst nicht die konkrete Länge des Textaus- die Vertragsdetails nicht offengelegt werden, führen uns schnitts; maßgeblich ist vielmehr, ob das Suchergebnis vor Augen, dass es sich hier um ein wenig transparentes auf die verlagstypische Leistung der Presseverlage und Verfahren handelt, das eher an einen orientalischen Ba- damit auf den wirtschaftlichen Wert dieser Leistung sar erinnert. zugreift. Dort, wo Inhalte Dritter angezeigt werden – und seien es nur ein oder zwei Zeilen –, wird eine verlags- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und typische Leistung eines anderen Anbieters genutzt, und der FDP) dort greift das Leistungsschutzrecht. Wenn aber nur ein- zelne Wörter, kleinste Textausschnitte angezeigt werden, Nun ist ein orientalischer Basar ein spannendes Mo- die beschreibender Natur sind, die lediglich das Auffin- dell, aber kein Vorbild für unsere Gesetzgebung. den des gewünschten Suchbegriffs ermöglichen sollen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dann handelt es sich um die originäre Leistung der Such- der FDP) maschine. Das liegt nicht im Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts. Deswegen ist es richtig, dass wir Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir schaffen ein uns hier für eine abstrakt generelle Regelung entschie- Leistungsschutzrecht für alle Verlage und beziehen alle den haben, die auf den Einzelfall abstellt und nicht den Beteiligten auch aufseiten der Suchmaschinenbetreiber Fehler macht, durch starre Zeichenbeschränkungen un- und der News-Aggregatoren ein. Wir schaffen damit ei- gerechte Ergebnisse hervorzubringen. (B) nen transparenten Ordnungsrahmen für alle Beteiligten. (D) Wir schützen verlagstypische Leistungen, die im Internet Im Übrigen haben auch die Anhörungen ergeben, zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich ge- dass die Praxis ohne Weiteres in der Lage sein wird, in macht werden. Insofern fügt sich das Leistungsschutz- jedem Einzelfall sicher zu klären, was verlagstypische recht homogen in das bestehende System der Leistungs- Leistung ist. Wir schaffen damit den Spagat zwischen schutzrechte im Urheberrecht ein. dem Schutz der verlegerischen Leistung einerseits, ohne andererseits die Auffindbarkeit von Suchergebnissen Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wenn hier be- und die Informationsfreiheit zu beeinträchtigen. hauptet wird, dass die gesamte Zivilgesellschaft gegen diesen Vorschlag wäre. Vor dem Brandenburger Tor Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben demonstrieren derzeit 10 bis 15 Demonstranten gegen dieses Thema in den vergangenen drei Jahren in aller diesen Gesetzentwurf, insbesondere von der Piraten- Ausführlichkeit diskutiert. Wir hatten drei umfangreiche partei. Anhörungen im Rechtsausschuss, im Ausschuss für Kul- tur und Medien und im Unterausschuss „Neue Medien“ (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE des Deutschen Bundestages. Jetzt liegt es an den Such- GRÜNEN]: Das ist eine Mahnwache, Herr maschinenbetreibern und News-Aggregatoren, aber Kollege!) auch an den Verlagen und Urhebern, sich zusammenzu- Ich will aber doch ernst nehmen, wenn Blogger und setzen und über die Ausgestaltung der Lizenzierung zu Journalisten immer noch die Sorge äußern, dass sie in reden. In diesem Rahmen wird sich dann zeigen, ob etwa Zukunft Gefahr laufen könnten, wegen einer Verletzung Suchmaschinenbetreiber ihr Angebot auf ein Maß be- von Leistungsschutzrechten abgemahnt oder verklagt zu grenzen, das nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst ist. werden. Es mag sicher auch Suchmaschinenbetreiber geben, die ihren Nutzern verlagstypische Inhalte anbieten wollen; Im Gesetzentwurf wird das Leistungsschutzrecht be- aber dafür müssen sie dann auch Lizenzen erwerben. schränkt auf gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen Diese Fragen wird der Markt regeln, und er soll sie auch und gewerbliche Anbieter von Diensten, die fremde regeln. Das gilt ebenso für die Frage, ob zur Lizenzie- Inhalte entsprechend aufbereiten. Das bedeutet für Blog- rung und zur Ausschüttung von Erlösen eine Verwer- ger oder Journalisten: Wer auf seiner Homepage ein tungsgesellschaft herangezogen werden soll oder nicht. Werbebanner setzt, unterliegt damit nicht dem Leis- tungsschutzrecht; denn die gewerbliche Nutzung muss Es wird aber keine Abmahnwelle geben, und es wird sich auf das Aufbereiten fremder Inhalte beziehen. Um- auch keine Prozesswelle geben. Vielmehr sorgen wir mit gekehrt wird ein Schuh daraus. Ein Blogger oder ein diesem Gesetz dafür, dass jetzt verhandelt werden kann Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28237

Thomas Silberhorn (A) – und zwar auf Augenhöhe – zwischen den Suchmaschi- diesem Fall auf Antrag der SPD-Fraktion durchgeführt (C) nenbetreibern und den News-Aggregatoren auf der einen haben und vielleicht besser wiederholen. Seite und den Verlagen einschließlich der Autoren auf der anderen Seite. Das ist ein großer Schritt für das Leis- Wer stimmt für den Entschließungsantrag der SPD- Fraktion? – Na also, es geht doch. Es wird nur nicht tungsschutzrecht in Deutschland. Es sichert die Vielfalt reichen. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Der der Presselandschaft in unserem Land, und es stärkt die Entschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt. gesamte Kreativwirtschaft. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. Nun probieren wir das Gleiche mit dem Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 17/12547. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Präsident Dr. Norbert Lammert: dieser Entschließungsantrag bei Enthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eben- Ich schließe die Aussprache. falls mehrheitlich abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Schließlich stimmen wir über den Entschließungsan- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa- Änderung des Urheberrechtsgesetzes. Der Rechtsaus- che 17/12548 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungs- schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Drucksache 17/12534, den Gesetzentwurf der Bundes- Auch dieser Entschließungsantrag ist mehrheitlich abge- regierung auf Drucksache 17/11470 in der Ausschuss- lehnt. fassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 37 a und b auf: setzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, angenommen. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bevor wir zur dritten Beratung und somit zur nament- lichen Abstimmung kommen, möchte ich daran erin- Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen nern, dass wir bei dem folgenden Tagesordnungspunkt zwei weitere namentliche Abstimmungen durchführen – Drucksache 17/12436 – werden. Überweisungsvorschlag: (B) Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) (D) Dritte Beratung Finanzausschuss und Schlussabstimmung. Auf Verlangen der Fraktion b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Bündnis 90/Die Grünen stimmen wir über den Gesetz- richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales entwurf namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen (11. Ausschuss) und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh- – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. men. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Wiederherstellung eines Lebensstandard si- Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die chernden und strukturell armutsfesten Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- Rentenniveaus lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung geben – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. wir später bekannt.1) Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Ich darf nun um Aufmerksamkeit und Mitwirkung bei LINKE der Abstimmung über die Entschließungsanträge bitten. Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag Rente erst ab 67 sofort vollständig zurückneh- der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/12546. Wer stimmt men für diesen Entschließungsantrag? – Das scheint nur eine – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. kleine Minderheit der Antragsteller zu sein. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE ( [SPD]: Wir stehen für LINKE alle!) Risiko der Erwerbsminderung besser absi- – Nach unserer Geschäftsordnung ist es unerheblich, für chern wie viele Sie stehen. Entscheidend ist vielmehr, wie – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. viele sich an der Abstimmung beteiligen, die wir in Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE 1) Ergebnis Seite 28240 D LINKE 28238 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose wie- nende wir haben, und schaue sich die Zahl der (C) der einführen Normalverdienenden an. Angesichts dessen ist das eine skandalöse Absenkung, die Sie damals beschlossen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. haben. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE (Beifall bei der LINKEN) LINKE Die Anrechnungszeiten für die Kindererziehung und Kindererziehung in der Rente besser berück- die eigene Ausbildung wurden gekürzt. Die Rente wurde sichtigen durch die Einführung einer Rente erst ab 67 Jahren um – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. zwei Jahre gekürzt. Das hat mit den gesellschaftlichen Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, Realitäten übrigens nichts zu tun. Ich staune, dass Sie weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE diese nicht zur Kenntnis nehmen. Ich nenne Ihnen nur LINKE ein Beispiel: Im Juni 2011 hatten von allen 64-Jährigen in Deutschland 9,9 Prozent einen Vollzeitjob. Konkret Rente nach Mindestentgeltpunkten entfristen waren das 14,1 Prozent der Männer und 5,9 Prozent der – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Frauen. Den anderen sagen Sie, sie sollen zwei Jahre Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, länger arbeiten. Ich frage Sie: Wo denn? Bei wem? weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Beifall bei der LINKEN) Eine solidarische Rentenversicherung für alle Die Erwerbsminderungsrenten haben Sie ebenfalls Erwerbstätigen gekürzt. Die Unternehmen wurden teilweise aus der paritätischen Finanzierung entlassen, indem Sie den – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesagt haben, Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, sie sollen private oder betriebliche Vorsorge treffen. Bei weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE der privaten Vorsorge sind Sie dann auf die Idee mit der LINKE Riester-Rente gekommen. Dafür zahlen die Leute selbst, Altersarmut wirksam bekämpfen – Solidari- dann gibt es noch staatliche Zuschüsse, und die Unter- sche Mindestrente einführen nehmen sind von jedem Beitrag befreit. Um nichts ande- res ging es Ihnen ja auch. Das heißt, für Arbeitnehmerin- – Drucksachen 17/10990, 17/10991, 17/10992, nen und Arbeitnehmer kam wieder weniger Netto vom 17/10993, 17/10994, 17/10995, 17/10997, Brutto heraus. Die staatlichen Zuschüsse bekommen ja (B) (D) 17/10998, 17/12474 – nicht die Leute, sondern die Versicherungsunternehmen. Berichterstattung: Von 2002 bis 2011 waren das 16,6 Milliarden Euro. Des- Abgeordneter halb spendet die Allianz jedes Jahr an Union, SPD, FDP und Grüne, nur an die Linke nicht. Man kann sich aus- Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir über die rechnen, woran das liegt. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales später namentlich abstimmen werden. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schön, wer ein einfaches Welt- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die bild hat!) Aussprache 90 Minuten dauern. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann bitte ich diejenigen, die an der De- Ich nenne Ihnen drei Beispiele. – Erstes Beispiel. batte teilnehmen wollen, die dafür vorgesehenen Plätze Zwei Arbeitnehmerinnen haben seit ihrem 35. Lebens- einzunehmen, und diejenigen, die das nicht können oder jahr in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. wollen, ihre sonstigen Staatsgespräche außerhalb des Beide verdienen 1 790 Euro netto im Monat. Das sind Plenarsaals fortzuführen. keine Geringverdienenden. Das ist fast der Durchschnitt; ich will nur daran erinnern. Die eine zahlt bei Riester Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen ein, und die andere sagt: Ich möchte den Beitrag nicht Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort. bezahlen; ich möchte mir lieber mal ein hübsches T-Shirt (Beifall bei der LINKEN) kaufen. Ich verzichte darauf. – Beide werden am selben Tag Rentnerinnen. Was kommt bei ihnen heraus? Die Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): eine Arbeitnehmerin bekommt eine Rente von 500 Euro, die andere eine Rente von 640 Euro. Beide können da- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ren- von nicht leben. Beide erfüllen die Voraussetzungen für tenrasur in Deutschland wurde zunächst durchgeführt eine Grundsicherung und beantragen sie. Dann bekommt von Union und FDP, dann allerdings ab 2001 von SPD die eine, um auf die durchschnittliche Grundsicherung in und Grünen verschärft. Das führte zu einem Paradig- Höhe von 707 Euro zu kommen, einen Zuschuss von menwechsel bei der Alterssicherung, mit dem wir es 207 Euro und die andere von 67 Euro. Sie hat also jahre- heute zunehmend zu tun bekommen. lang Beiträge gezahlt, um dann den gleichen Betrag zur Das Rentenniveau wurde von 53 Prozent auf 43 Pro- Verfügung zu haben wie die andere. Sie ändern nichts zent des durchschnittlichen Nettolohns im Jahr 2030 ge- daran, auch wenn die FDP es will. Gelegentlich sagt das senkt. Man überlege sich einmal, wie viel Geringverdie- auch die Union; aber Sie machen nichts. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28239

Dr. Gregor Gysi (A) (Beifall bei der LINKEN – Petra Hinz [Essen] Zurück zur gesetzlichen Rente. Wer heute in Rente (C) [SPD]: Was bringt es ihnen, wenn sie T-Shirts geht und 40 Jahre ununterbrochen gearbeitet hat, nie im Schrank haben?) arbeitslos war, muss pro Stunde 10,80 Euro verdient haben, um das Grundsicherungsniveau von 707 Euro zu Zweites Beispiel. Frau Schäfer, Rentnerin, ist erreichen. Wenn er nur 35 Beitragsjahre hat, dann 70 Jahre alt. Sie hat drei Kinder aufgezogen. Sie hat müsste er durchschnittlich 13 Euro pro Stunde verdient Jahrzehnte als Verkäuferin und Kassiererin gearbeitet. haben. Schauen Sie sich doch einmal die Realität in un- Sie bekommt heute eine Rente von 599 Euro. Sie könnte serer Gesellschaft an! Wir laufen auf eine dramatische Grundsicherung beantragen; das macht sie aber nicht. Altersarmut zu. Sie will das nicht. Sie sagt, dass es sie demütigt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau so ist es!) Stimmt!) Die Grünen haben den Paradigmenwechsel immer damit begründet, dass sie gesagt haben, sie wollten die Viele, die es könnten, machen es nicht. Bei der Beantra- junge Generation schützen, damit sie nicht so hohe gung der Grundsicherung muss man auch die Vorausset- Beiträge zahlen muss. Die damals Jungen gehen jetzt in zungen im Blick haben: Man darf keine Eigentumswoh- die Altersarmut. nung oder kein Grundstück ab einer bestimmten Größe besitzen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!) (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt alles nicht!) Wechseln Sie doch einmal Ihre Position! Nicht die Demografieentwicklung ist entscheidend, sondern die Der Höhepunkt aber ist: Man darf nur ein Sparguthaben Produktivitätsentwicklung. Darauf müssen wir setzen. in Höhe von 2 600 Euro haben. Das ist weniger, als (Beifall bei der LINKEN) selbst ein Hartz-IV-Beziehender haben darf. – Sie muss erst einmal das Geld ausgeben, bevor sie die Grund- Wir haben 3,3 Millionen Selbstständige, die über- sicherung beantragen kann. Indiskutabel! haupt keine Altersvorsorge haben. Was soll eigentlich aus denen im Alter werden? Auch dazu machen Sie sich (Beifall bei der LINKEN) keine Gedanken. Deshalb muss diese 70-jährige Frau bis an ihr Lebens- Wenn wir die Altersarmut wirksam bekämpfen wol- ende in einem Minijob arbeiten, nicht, weil sie es so len, brauchen wir gute Löhne, gute Arbeit und als Erstes klasse findet, sondern um überhaupt existieren zu einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von (B) können. 10 Euro pro Stunde. (D) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. 436 000 Menschen beziehen Grundsicherung im Bettina Hagedorn [SPD] – Dr. Heinrich L. Alter. 925 000 Personen könnten sie beantragen, tun es Kolb [FDP]: Ich habe schon lange darauf ge- aber nicht. Zwei Drittel der Personen verzichten auf ih- wartet, dass das kommt!) ren Rechtsanspruch, weil er so demütigend organisiert ist. Wir müssen die ganze prekäre Beschäftigung, den Nie- driglohnsektor, die Aufstockerei, die Leiharbeit, den Drittes Beispiel: die irrsinnige Lebenserwartung. Eine Missbrauch der Werkverträge und die befristete Be- Frau, die vor zehn Jahren im Alter von 35 Jahren einen schäftigung endlich überwinden. Anders können wir die Riester-Rentenvertrag abschloss, muss knapp 80 Jahre Altersarmut nicht wirksam bekämpfen. alt werden, bis sie als Rentnerin alle Beiträge wieder he- (Beifall bei der LINKEN) rausbekommen hat. Wenn sie aber davon träumt, eine kleine Rendite von 2,5 Prozent zu erhalten, dann muss Ich muss der SPD einmal sagen – sonst bin ich ja sie 90 Jahre alt werden. Wenn sie die dreiste Vorstellung nicht so kleinlich –: Sie sind nicht die Erfinderin des hat, eine Rendite von 5 Prozent zu bekommen, dann flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. muss sie 128 Jahre alt werden. Das erklären Sie einmal (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war den Leuten. Die Riester-Rente ist ein Hohn. Sie muss wirklich eine harte Nummer!) überwunden werden. Das sind nun wirklich wir. Unseren Antrag vom (Beifall bei der LINKEN) 25. April 2002 haben Sie noch kategorisch abgelehnt. Was hat damals Bundesminister Riester gesagt? Ich (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: zitiere: So ist es!) Wir haben das Ziel, das Versorgungsniveau im Ich finde es gut, dass Sie sich korrigieren; aber Sie könn- Alter insgesamt zu erhöhen. In Zukunft soll die ge- ten es auch einmal erwähnen, wollte ich nur sagen. setzliche Rente als Basis durch eine zusätzliche (Beifall bei der LINKEN) Rente ergänzt werden. Um darüber hinaus Altersarmut zu verhindern und die So ein Mist ist bei alledem herausgekommen, um es ein- Würde der Menschen im Alter zu wahren, damit sie den mal deutlich zu sagen. Die Geringverdienenden „ries- Lebensstandard einigermaßen halten können, brauchen tern“ sowieso nicht. Sie können es sich gar nicht leisten. wir folgende Schritte: 28240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Gregor Gysi (A) Erstens. Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Pro- (Beifall bei der LINKEN) (C) zent des Durchschnittseinkommens erhöht werden; an- ders geht es nicht. Jetzt zu der Frage, wie wir das alles finanzieren können; mich wundert, dass die SPD unseren Weg nicht (Beifall bei der LINKEN – Ingrid Arndt- mitgeht. Brauer [SPD]: Wer zahlt das denn?) (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das werden wir Zweitens. Die Kürzungsfaktoren, also Riesterfaktor, Ihnen erklären!) Nachholfaktor und Nachhaltigkeitsfaktor, müssen gestri- chen werden. Wir müssen der neuen Generation sagen: Erstens. Alle Erwerbstätigen müssen von sämtlichen Erwerbseinkom- (Beifall bei der LINKEN) men einen Beitrag an die gesetzliche Rentenversiche- rung zahlen, auch Abgeordnete, auch Rechtsanwälte, Drittens. Die Rente erst ab 67 Jahren muss zurück- genommen werden. Das können wir heute hier entschei- auch Beamte. den. Ein entsprechender Antrag liegt vor. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Beamte müssen dann allerdings einen Ausgleich erhal- Viertens. 23 Jahre nach der deutschen Einheit muss ten, damit sie nicht schlechtergestellt sind. Zweitens. jetzt endlich einmal eine Rentenangleichung, eine An- Wir müssen die Beitragsbemessungsgrenzen aufgeben. gleichung der Rentenwerte Ost an West, geschehen. Dann müssen die neuen Ackermänner, also die Acker- männer der nächsten Generation, einen bestimmten (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Prozentsatz von ihrem gesamten Einkommen in die ge- Birkwald [DIE LINKE]: Unbedingt! Das ist setzliche Rentenversicherung einzahlen. dringend überfällig!) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Wolfgang Es muss eine gleiche Rente für gleiche Lebensleistungen Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- geben. Ich verstehe nicht, dass Union und FDP dies erst NEN]: Und bekommen dann höhere Renten!) in den Koalitionsvertrag aufnehmen und es dann einfach aufkündigen. Das ist für die ostdeutschen Rentnerinnen Der damit verbundene Rentenanstieg – das sehen auch und Rentner nicht hinnehmbar. wir – muss abgeflacht werden. Dies erlaubt auch das Bundesverfassungsgericht. (Beifall bei der LINKEN) Die Lücken und Benachteiligungen bei der Rentenüber- Dann brauchen wir nicht mehr über Altersarmut zu leitung müssen beseitigt werden. diskutieren, dann ist sie überwunden. Dann gilt endlich (B) der Grundsatz, der auch in der Schweiz gilt: Die Millio- (D) Fünftens. Wir brauchen endlich eine Anrechnung der näre benötigen zwar keine gesetzliche Rente – das ist Kindererziehungszeiten auch für Kinder, die vor 1992 richtig –; aber die gesetzliche Rentenversicherung benö- geboren sind. tigt die Millionäre. Genau das müssen wir durchsetzen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Erklären Sie doch einmal einem Kind, wieso es weniger des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wert ist, nur weil es einen Monat früher geboren ist als Als Letztes: Wir brauchen nicht weitere Kürzungen; ein anderes Kind! Das ist nicht nachvollziehbar, um das wir brauchen einen anderen Weg. Fassen Sie einmal einmal ganz klar zu sagen. Mut! Lassen Sie uns alle gemeinsam (Beifall bei der LINKEN) (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Den So- Auch dazu liegt heute ein Antrag vor. Auch darüber kön- zialismus wagen! Sehr gute Idee! Nicht nur in nen wir namentlich entscheiden. Italien gibt es Clowns!) Weiter müssen die Abschläge auf Erwerbsminde- etwas für die Rentnerinnen und Rentner der Zukunft in rungsrenten gestrichen werden. Es müssen wieder Ren- diesem Lande tun! tenbeiträge für die Hartz-IV-Beziehenden eingeführt werden. Da die Riester-Rente gescheitert ist, muss sie Danke schön. auslaufen. Wir wollen jetzt die Möglichkeit schaffen, (Anhaltender Beifall bei der LINKEN) dass Leute, die einen Riester-Rentenvertrag abgeschlos- sen haben, alle Beiträge und die Zuschläge des Staates in die gesetzliche Rente überführen können, ohne dass ih- Präsident Dr. Norbert Lammert: nen Kosten entstehen. Das wäre immerhin ein Ausweg. Bevor Frau von der Leyen für die Bundesregierung Denken Sie einmal darüber nach! das Wort erhält, möchte ich das von den Schriftführerin- nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament- (Beifall bei der LINKEN) lichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bun- Des Weiteren brauchen wir Lösungen für die Selbst- desregierung zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes ständigen. Dazu haben wir Vorschläge unterbreitet. bekannt geben: abgegebene Stimmen 539. Mit Ja haben Darüber hinaus brauchen wir in Deutschland eine solida- gestimmt 293, mit Nein haben gestimmt 243, enthalten rische Mindestrente von 1 050 Euro. Dann haben wir haben sich 3 Kolleginnen und Kollegen. Damit ist der auch keine Altersarmut. Gesetzentwurf angenommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28241

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Endgültiges Ergebnis Michael Grosse-Brömer Dr. Michael Luther Carola Stauche (C) Abgegebene Stimmen: 539; Markus Grübel Dr. davon Dr. Thomas de Maizière Monika Grütters Hans-Georg von der Marwitz Christian Freiherr von Stetten ja: 293 nein: 243 (Altötting) enthalten: 3 Dr. Dr. Dr. Max Straubinger Ja Dr. Dr. Lena Strothmann CDU/CSU Philipp Mißfelder Michael Stübgen Frank Heinrich Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Gerd Müller Ansgar Heveling Stefan Müller (Erlangen) (Kleinsaara) Günter Baumann Ernst Hinsken Dr. Philipp Murmann Stefanie Vogelsang Ernst-Reinhard Beck Andrea Astrid Voßhoff (Reutlingen) Franz Obermeier Dr. (Börde) Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Dr. Michael Paul (Hamburg) Joachim Hörster Rita Pawelski Peter Weiß (Emmendingen) Anette Hübinger Ulrich Petzold Sabine Weiss (Wesel I) Hubert Hüppe Dr. Dr. Maria Böhmer Dieter Jasper Sibylle Pfeiffer Karl-Georg Wellmann Wolfgang Börnsen Dr. Peter Wichtel (Bönstrup) (Konstanz) Annette Widmann-Mauz Dr. Egon Jüttner Christoph Poland Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Klaus Brähmig Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Becker Michael Brand Dr. Dr. Steffen Kampeter Alois Karl Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zöller Willi Zylajew Dr. Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Dr. FDP (B) Schwenningen) (D) Volker Kauder Dr. Cajus Caesar Dr. Stefan Kaufmann Johannes Röring Christine Aschenberg- Dr. Norbert Röttgen Dugnus Volkmar Klein Dr. Christian Ruck (Münster) Thomas Dörflinger Jürgen Klimke Erwin Rüddel Florian Bernschneider Marie-Luise Dött (Weiden) Claudia Bögel Dr. Anita Schäfer (Saalstadt) Nicole Bracht-Bendt Manfred Kolbe Dr. Wolfgang Schäuble Klaus Breil Ingrid Fischbach Dr. Dr. Rainer Brüderle Hartwig Fischer (Göttingen) Hartmut Koschyk Dr. Dirk Fischer (Hamburg) Thomas Kossendey Karl Schiewerling Axel E. Fischer (Karlsruhe- Norbert Schindler Helga Daub Land) Reiner Deutschmann Dr. Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Bijan Djir-Sarai Klaus-Peter Flosbach Rüdiger Kruse Christian Schmidt (Fürth) Patrick Döring Bettina Kudla Mechthild Dyckmans Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Hermann Kues Nadine Schön (St. Wendel) Hans-Werner Ehrenberg (Hof) Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Rainer Erdel Dr. Karl A. Lamers Dr. Ole Schröder Jörg van Essen Erich G. Fritz (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Ulrike Flach Alexander Funk Andreas G. Lämmel (Weisbaden) Ingo Gädechens Dr. Norbert Lammert Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Dr. Dr. Ulrich Lange (Weil am Hans-Michael Goldmann Norbert Geis Dr. Max Lehmer Rhein) Heinz Golombeck Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Ursula von der Leyen Manuel Höferlin Birgit Homburger Josef Göppel Matthias Lietz Dr. Heiner Kamp Peter Götz Dr. Bernd Siebert Ute Granold Thomas Silberhorn Dr. Lutz Knopek Dr. Jan-Marco Luczak Pascal Kober Hermann Gröhe Dr. Heinrich L. Kolb 28242 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Gudrun Kopp Dr. Wilhelm Priesmeier Klaus Ernst (C) Sebastian Körber Willi Brase Wolfgang Gehrcke Holger Krestel Dr. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (Hildesheim) Mechthild Rawert Diana Golze Heinz Lanfermann Stefan Rebmann Harald Leibrecht Gerold Reichenbach Dr. Gregor Gysi Sabine Leutheusser- Petra Crone Dr. Carola Reimann Heike Hänsel Schnarrenberger Dr. Sönke Rix Dr. Lars Lindemann Martin Dörmann René Röspel Dr. Barbara Höll Dr. Martin Lindner (Berlin) Elvira Drobinski-Weiß Dr. Michael Link (Heilbronn) Karin Roth (Esslingen) Oliver Luksic Ingo Egloff Marlene Rupprecht Dr. Lukrezia Jochimsen Patrick Meinhardt Siegmund Ehrmann (Tuchenbach) Harald Koch Gabriele Molitor Petra Ernstberger Annette Sawade Jan Mücke Elke Ferner Bernd Scheelen Burkhardt Müller-Sönksen Katrin Kunert Dr. (Schwandorf) Hans-Joachim Otto (Aachen) (Frankfurt) (Erfurt) Ulla Lötzer (Spandau) Dr. Gesine Lötzsch Gisela Piltz Iris Gleicke Dr. Christiane Ratjen- Günter Gloser Dorothée Menzner Damerau Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Martin Schwanholz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Gabriele Groneberg Rita Schwarzelühr-Sutter Michael Groß Yvonne Ploetz Dr. Peter Röhlinger Dr. Wolfgang Gunkel Paul Schäfer (Köln) Dr. Stefan Ruppert Sonja Steffen Hans-Joachim Hacker Michael Schlecht Björn Sänger Peer Steinbrück Bettina Hagedorn Dr. Ilja Seifert Klaus Hagemann Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kathrin Senger-Schäfer Dr. Erik Schweickert (Peine) Raju Sharma Werner Simmling Franz Thönnes Dr. Petra Sitte Rolf Hempelmann Sabine Stüber Dr. Rüdiger Veit Alexander Süßmair (B) Joachim Spatz Gabriele Hiller-Ohm Dr. (D) Dr. Petra Hinz (Essen) Dr. Marlies Volkmer Frank Tempel Dr. Rainer Stinner Dr. Eva Högl Dr. Axel Troost Andrea Wicklein Stephan Thomae Christel Humme Dr. Dieter Wiefelspütz Johanna Voß Waltraud Wolff Dr. Florian Toncar Johannes Kahrs Halina Wawzyniak (Wolmirstedt) Serkan Tören Dr. h. c. Susanne Kastner Johannes Vogel Ulrich Kelber (Lüdenscheid) Lars Klingbeil Jörn Wunderlich Manfred Zöllmer Dr. Daniel Volk Dr. Bärbel Kofler Brigitte Zypries Dr. () BÜNDNIS 90/DIE Dr. Claudia Winterstein Fritz Rudolf Körper GRÜNEN FDP Dr. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) () Angelika Krüger-Leißner Sebastian Blumenthal Volker Beck (Köln) Ute Kumpf Dr. h. c. Jürgen Koppelin Nein Frank Schäffler Dr. Agnes Brugger CDU/CSU Steffen-Claudio Lemme Viola von Cramon-Taubadel Burkhard Lischka DIE LINKE Ekin Deligöz Dorothee Bär Kirsten Lühmann Dr. Peter Tauber Jan van Aken Katja Dörner Caren Marks SPD Dr. Hans-Josef Fell Petra Merkel (Berlin) Dr. Thomas Gambke Ingrid Arndt-Brauer Ullrich Meßmer Dr. Matthias W. Birkwald Britta Haßelmann Heinz-Joachim Barchmann Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Priska Hinz (Herborn) Eva Bulling-Schröter Dr. Sören Bartol Manfred Nink Dr. Martina Bunge Bärbel Höhn Bärbel Bas Thomas Oppermann Ingrid Hönlinger Sabine Bätzing-Lichtenthäler Aydan Özoğuz Dr. Thilo Hoppe Dirk Becker Heinz Paula Heidrun Dittrich Uwe Beckmeyer Johannes Pflug Werner Dreibus Susanne Kieckbusch (Heidelberg) Joachim Poß Dr. Dagmar Enkelmann Sven-Christian Kindler Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28243

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Maria Klein-Schmeink Dr. Konstantin von Notz Hans-Christian Ströbele Enthalten (C) Ute Koczy Dr. Harald Terpe Tom Koenigs CDU/CSU Sylvia Kotting-Uhl Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Dagmar G. Wöhrl Renate Künast Tabea Rößner Beate Walter-Rosenheimer Markus Kurth Arfst Wagner (Schleswig) SPD Undine Kurth (Quedlinburg) Wolfgang Wieland Monika Lazar Elisabeth Scharfenberg Josef Philip Winkler Hans-Ulrich Klose Dr. Dr. Nicole Maisch Ulrich Schneider fraktionsloser Jerzy Montag Dorothea Steiner Abgeordneter Kerstin Müller (Köln) Dr. Wolfgang Strengmann- Beate Müller-Gemmeke Kuhn Wolfgang Nešković

Nun hat die Frau Bundesministerin das Wort. Enkelmann [DIE LINKE]: Dann haben Sie den Antrag nicht gelesen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist Ihre Vorstellung von Leistung. Ich weiß, dass Ih- Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für nen Leistung schon immer suspekt gewesen ist; aber das Arbeit und Soziales: ist nicht unsere Vorstellung. Leistung muss sich auch Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gysi, lohnen. kein einziges Ihrer Worte kann ich im Grundsatz unter- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schreiben. Aber in einem Punkt haben Sie recht: bei der von ihnen genannten Höhe der Stundenlöhne, die not- Warum führen wir heute diese Debatte? – Wir führen wendig ist, um in Zukunft – im Jahr 2030, 2035, 2040 – heute diese Debatte, weil wir zurückblickend sagen müs- eine Rente über Grundsicherungsniveau zu erreichen. sen: Man muss den Leuten erklären, was am Schluss bei Bei 35 Beitragsjahren benötigt man hierfür einen Stun- den notwendigen Reformen, die umgesetzt wurden, tat- denlohn von gut 13 Euro. Das ist Fakt; das ist richtig. sächlich herauskommt. Vor mehr als zehn Jahren ist die Rente von Rot-Grün reformiert worden. Sie haben das Die Konsequenzen, die wir daraus ziehen, sind aber Rentenniveau abgesenkt bzw. lassen es langsam sinken. völlig andere. Das Sinken des Rentenniveaus war wegen Dies verbirgt sich hinter Worten wie „Nachhaltigkeits- (B) (D) der demografischen Entwicklung nötig. faktor“ und „Riester-Treppe“. Sie haben die private Vor- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schon sorge als freiwillige Säule der Altersvorsorge eingeführt. mal falsch!) Sie haben der Versicherungswirtschaft das Produkt der Riester-Rente gegeben. Sie haben einige Jahre später die Ihr Vorschlag, das Rentenniveau zu steigern, bedeutet ja: Hartz-Reformen umgesetzt und den Niedriglohnsektor Alle Renten gehen rauf, auch die mittleren und die ausgebaut. Auch das ist richtig; denn es ist besser, man hohen Renten. hat Arbeit, als dass man arbeitslos ist. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wollen auch den Lebensstandard sichern und der FDP) nicht nur Altersarmut vermeiden!) Sie haben aber Folgendes nicht bedacht: Die Kombi- Ein Rentenniveau von 53 Prozent verursacht allein 2030 nation der beiden Dinge, das Sinken des Niveaus der ge- Zusatzlasten in Höhe von 40 Milliarden Euro für die setzlichen Rente und der Ausbau des Niedriglohnsek- junge Generation. Das ist typisch für Sie. Sie sagen: tors, führt, wenn wir nichts machen, dazu, dass Nach mir die Sintflut; Hauptsache, ich habe meine Geringverdiener keine Chance haben, am Ende des Schäfchen im Trockenen. – Das können wir den jungen Tages eine auskömmliche Rente über Grundsicherungs- Leuten nicht zumuten. niveau zu erhalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist haben doch nichts gemacht! Wer regiert doch kompletter Unsinn! – Dr. Dagmar denn?) Enkelmann [DIE LINKE]: So ein Quatsch!) Es bedurfte der schwarz-gelben Bundesregierung, um Ich komme zur zweiten Lösung, die die Linke anbie- diese Gerechtigkeitslücke aufzudecken, und wir werden tet. Ich habe eben gehört und habe es mir aufgeschrie- da etwas ändern, meine Damen und Herren. ben, dass Sie gefordert haben: gleiche Rente für gleiche (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lebensleistung. In Ihren Papieren steht aber: 900 Euro Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Rente für alle, ganz egal, ob man einen einzigen Tag ge- NEN]: Sie haben doch nichts gemacht! – arbeitet hat oder 40 Jahre lang. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Warme Worte! – das steht da nicht drin! – Dr. Dagmar Ulrich Kelber [SPD]: Talking is cheap!) 28244 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (A) Das Interessante ist, dass außer der Linken alle Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) – SPD, Grüne, Union, FDP – Modelle vorgelegt haben, Frau Kollegin von der Leyen, würden Sie eine Zwi- die eine Ähnlichkeit aufweisen. Das zeigt, dass die Dia- schenfrage des Kollegen Birkwald von den Linken ak- gnose, die ich gerade gestellt habe, stimmt. Wenn Sie zeptieren? sich die Lebensleistungsrente anschauen, Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Arbeit und Soziales: NIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Lebensleis- Ja. tungsrente?)

wenn Sie sich die Solidarrente anschauen, wenn Sie sich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: die Garantierente anschauen, dann erkennen Sie, dass Bitte schön. die Konzepte in den Grundzügen übereinstimmen: Sie folgen dem Grundprinzip der Rente nach Mindest- Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): entgeltpunkten. Es geht in den Konzepten um ein Auf- Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau werten der kleinen Renten langjähriger Beitragszahler, Ministerin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich damit sie am Ende des Tages nicht zum Grundsiche- danke Ihnen auch dafür, dass Sie gerade mitgeteilt ha- rungsamt gehen müssen – das Ganze steuerfinanziert ben, dass die Konzepte von SPD und von den Grünen und bis zu einem Niveau von maximal 30 Entgeltpunk- sowie auch das Ihrige sehr ähnlich sind. Es geht bei Ih- ten, was zurzeit knapp 850 Euro entspricht. Das steht in nen allen um 850 Euro. Sie müssten aber dazusagen: den drei Konzepten. brutto. Und das sind dann 764 Euro netto. Bei einer durchschnittlichen Grundsicherung im Alter von 707 Im Detail der Zugangsmöglichkeiten liegt vor allem Euro sind das noch nicht einmal 60 Euro mehr. Und für der Unterschied, und ich glaube, es lohnt sich, darüber das, was Sie ganz zynisch Lebensleistungsrente nennen zu diskutieren: Die Grünen fordern, schon nach 30 Ver- und die anderen Garantierente oder Solidarrente, sollen sicherungsjahren Zugang zur Garantierente zu haben. Ist die Leute dann auch noch 30 Beitragsjahre und später es wirklich Ihr Ernst, dass man nicht einmal 10 Jahre 35, 40 oder 45 Versicherungsjahre vorweisen und oben- Beiträge als Erwerbstätiger zahlen muss, aber daraus be- drein auch noch privat vorsorgen, bevor sie sie bekom- reits eine Garantierente für 10, 15, 20 oder 25 Jahre be- men. – Das sind alles Armutsrenten, egal wie sie heißen. ziehen kann? – Ich glaube, Generationengerechtigkeit Wir brauchen vielmehr eine Nettorente, die oberhalb der sieht anders aus. Armutsrisikogrenze liegt, um Altersarmut zu verhindern. (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Deswegen haben wir vorgeschlagen, mit 900 Euro (D) der FDP) einzusteigen und das auf 1 050 Euro zu steigern. Wie finden Sie diesen Vorschlag, um Armut wirklich bei al- Bei der SPD ist es besser. Da sind 30 Beitragsjahre len zu verhindern und nicht im Alter die Menschen in und 40 Versicherungsjahre gefordert. Aber die SPD ver- würdige und unwürdige Alte aufzuspalten? zichtet darauf, eine Einkommensprüfung durchzuführen. Das heißt: Sie stocken einem Vermögenden, der von sei- (Beifall bei der LINKEN) nen Zinsen im Alter sehr gut leben kann und sich außer- dem eine kleine gesetzliche Rente erarbeitet hat, tatsäch- Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für lich die Rente auf. Gleichzeitig nehmen Sie aber den Arbeit und Soziales: Facharbeitern mehr Steuern ab, denn es soll ja steuer- Sie haben übersehen, dass wir nach wie vor gemein- finanziert sein. Auch das ist eine Mogelpackung, die sam die Vorstellung haben, dass ein generationengerech- man so nicht wirklich umsetzen kann. tes, aber auch demografiefestes Rentensystem zwei Säu- len hat. Das ist einerseits die umlagefinanzierte Rente (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und und andererseits die private Vorsorge, zum Beispiel Be- der FDP) triebs- oder Riester-Renten. Wir wollen die Lebensleistungsrente. Da gilt das glei- Deshalb sagen wir: Es gibt in der Umlage die Lebens- che Prinzip: Aufstockung bei Geringverdienern, die leistungsrente mit 30 Entgeltpunkten. Das sind zurzeit jahrzehntelang – wir legen 40 Beitragsjahre zugrunde – knapp 850 Euro. Dieser Betrag steigt, wenn die Renten eingezahlt haben. Ja, die Lebensleistungsrente wird ei- insgesamt steigen. Zusätzlich kann man das, was man nem nicht geschenkt. Erst nach 40 Jahren Beitragszah- privat vorgesorgt hat – also zum Beispiel die Betriebs- lung findet eine Aufstockung der Rente durch die Le- rente oder die Riester-Rente –, ohne Abschlag behalten, bensleistungsrente statt. Aber vor dem Hintergrund der ohne dass es angerechnet wird. Das hebt die Rente über Generationengerechtigkeit und der Tatsache, dass wir in- den Grenzbetrag der Grundsicherung. Und das bringt zwischen eine sehr viel längere Lebenserwartung haben, den Menschen, die lebenslang gearbeitet und ihren Bei- dass die Babyboomer zahlreich in Rente gehen werden trag geleistet haben, eine auskömmliche Rente. und dass unsere Kinder das alles finanzieren müssen, ist Was ich an Ihrem Konzept nicht schätze, sind die das meines Erachtens ausgewogen. Da ist Solidarität mit 900 Euro für jeden, ganz egal, ob man sein Leben lang Generationengerechtigkeit, die eine verantwortungsvolle Balalaika vor der Friedenskirche gespielt oder aber Reform berücksichtigen sollte, verknüpft. 40 Jahre eingezahlt hat. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28245

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (A) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht terbreiten, das Rückkehrrecht auf Vollzeitbeschäftigung (C) für jeden! Wir wollen keine Grundrente! – im Teilzeitrecht einzuführen. Weitere Zurufe von der LINKEN) (Ulrich Kelber [SPD]: Ist das schon wieder so? Sie schalten alle Leute gleich. Immer Vorschläge! Dann kommt nie etwas aus (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ist ja der Koalition! – Dr. Wolfgang Strengmann- Quatsch! Lesen Sie den Antrag! Beschäftigen Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie sich damit!) sagt die Koalition dazu? Ist das wieder so ein Vorschlag, den niemand mag?) Das ist aber das Prinzip, das Sie immer verfolgen. Das kennen wir von Ihnen. Das lehnen wir aber ab. Arbeitgeber und Beschäftigte sollen, wenn sie Teilzeit verabreden, gleichzeitig planen, wann wieder eine Voll- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zeitbeschäftigung aufgenommen werden kann, wann der der FDP) Weg zurück in die Vollzeitbeschäftigung möglich ist. Wir debattieren heute natürlich auch – das kam schon (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- bei Herrn Gysi vor –, dass die Rente immer ein Spiegel NIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. des Erwerbslebens ist. Das ist richtig. Deshalb ist es Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] gewandt: Was auch gut, dass wir in dieser Legislaturperiode dafür ge- sagen Sie dazu, Herr Kolb? Finden Sie das sorgt haben, dass es inzwischen zwölf branchenspezifi- richtig?) sche Mindestlöhne gibt, dass wir die Zeitarbeit reguliert und damit sozialer gemacht haben. Wir haben also genau Das lohnt sich für beide Seiten. Das sorgt für Planungs- die Arbeitsverhältnisse besser geregelt, bei denen man sicherheit und Verlässlichkeit. Vor allem erhalten die aufpassen muss, dass sie nicht prekär werden. Frauen die Chance, auch in Teilzeitarbeit in die Karriere zu investieren. Ich möchte noch auf zwei Punkte eingehen, die mir wichtig sind. Diejenigen, die in dieser Situation der Ren- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- tenversicherung in Verbindung mit dem Niedriglohnsek- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ankündigungsminis- tor am stärksten in die Gerechtigkeitsfalle geraten, sind terin! – Ulrich Kelber [SPD]: Sie machen Frau vor allem Frauen, die Kinder erzogen haben. Aigner Konkurrenz!) (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Dann tun Sie was Dadurch könnte Teilzeit auch für Männer interessanter dafür! Tun Sie etwas für die Frauen!) werden. Daran wollen wir arbeiten. Deshalb sieht unser Konzept die Variante vor: (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- der FDP) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches Konzept? Es Mein zweiter und letzter Punkt: Mindestlöhne. Die gibt kein Konzept!) entsprechende Debatte dazu findet heute im Bundesrat Wenn Kindererziehungszeiten oder Pflegezeiten vorge- statt. Die Einführung eines Mindestlohns ist meiner Mei- wiesen werden können, dann wird nicht um 50 Prozent, nung nach notwendig, aber er wird das Problem bei der sondern um 150 Prozent aufgewertet. Rente nicht lösen. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Was sagt denn die (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das Familienministerin zu dem Konzept?) ist richtig!) Das betrifft genau die Frauen, deren Kinder in der Ver- Ein Mindestlohn von 8,50 Euro – das ist der Vorschlag gangenheit Teilzeitschulen und Teilzeitkindergärten be- von SPD und Grünen – wird das Problem nicht lösen. sucht haben. Der Rest der Welt hat ja Ganztagsschulen Auch ein Mindestlohn von 10 Euro – der Vorschlag der und Ganztagskindergärten, Linken – wird das Problem nicht lösen. Es ist gut, dass (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- die Arbeitslosenquote so gering ist, es ist gut, dass wir SES 90/DIE GRÜNEN) Rekordbeschäftigung haben. Auch der Mindestlohn hilft, aber er wird das Problem bei der Rente nicht lösen. in Deutschland gab es vor allem Teilzeit. Ich stimme Ih- nen allerdings zu, wenn Sie sagen: Das sind die Frauen, (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Und die Lohn- die durch das Recht auf Teilzeit überhaupt eine Chance untergrenze auch nicht!) erhalten haben, am Erwerbsleben teilzunehmen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir einen Mindest- Mit Blick auf die Zukunft müssen wir dafür sorgen, lohn brauchen. dass es im Erwerbsleben auch das Rückkehrrecht in Nach unserer Auffassung sollten wir eine Kommis- Vollzeitbeschäftigung gibt. sion einsetzen, (Beifall der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- CSU]) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Vorschlag! – Im Bereich Teilzeit ist es oft so: einmal Teilzeit, immer Ulrich Kelber [SPD]: Wer ist „wir“, Frau von Teilzeit, Sackgasse, Abstellgleis, die Frauen kommen da der Leyen? Sie reden hier für die Bundesregie- nicht mehr raus. Deshalb möchte ich den Vorschlag un- rung! Die hat keine Meinung dazu!) 28246 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (A) in der Arbeitgeber und Gewerkschaften einen Mindest- jetzt sogenannten Grundsicherung im Alter liegen, und (C) lohn aushandeln, und zwar ohne Vorgaben. Sie wollen in diejenigen, die noch nicht einmal das bekommen. Wir Tarifautonomie, aber gleichzeitig sagen Sie den Tarif- möchten, dass Art. 1 des Grundgesetzes: „Die Würde partnern: Wir trauen euch nicht zu, dass ihr das schafft, des Menschen ist unantastbar“, in unserem Land auch deshalb führen wir einen Mindestlohn von 8,50 Euro für die Menschen über 65 gilt. oder einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn (Beifall bei der LINKEN) ein. Wenn Sie daran festhalten, sind wir nicht bei Ihnen.

Wir sind der Meinung, Tarifautonomie ist ein kostba- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: res Gut. Wir wollen Arbeitgeber und Gewerkschaften in Wollen Sie antworten? die Lage versetzen, einen Mindestlohn auszuhandeln. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Ge- Arbeit und Soziales: setzentwurf? – Ulrich Kelber [SPD]: Wo ist Gerne. Ganz kurz. denn der Gesetzentwurf? Legen Sie den Ge- setzentwurf endlich einmal vor! Alles eine Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nullnummer!) Bitte schön, Frau von der Leyen. Wir wollen deshalb eine Kommission, die den Mindest- lohn aushandelt. Das ist unser Vorschlag. Damit wollen Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für wir uns durchsetzen. Arbeit und Soziales: Vielen Dank. Herr Birkwald, das, was Sie gerade vorgetragen ha- ben, ist entlarvend. Zuerst haben Sie gesagt: Bei uns gibt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) es Differenzierungen und man erhält nicht ohne Vorleis- tungen 900 Euro. Aber dann wurden Ihre Äußerungen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: total schwammig. Ich habe nichts von Versicherungs- Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem jahren gehört. Ich habe auch nichts von Beitragsjahren Kollegen von der Fraktion Die Linke. gehört. Ich habe nichts von einem Deckel gehört. (Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Al- les!) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich habe nur gehört: Wir wollen, dass im Prinzip alle im (B) Frau Ministerin von der Leyen, Sie haben eben wie- Alter eine Rente erhalten. Genau das ist unser Vorwurf, (D) derholt falsche Informationen über die Position der Lin- nämlich dass Sie eine Rente für alle unabhängig von der ken gegeben. Deswegen möchte ich Ihnen hier klar und Vorleistung versprechen. deutlich sagen: Die Linke ist gegen eine Grundrente, und die Linke ist auch gegen eine Einheitsrente. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann (Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber Ihre müssen Sie lesen und hören!) Vorschläge sind so!) Finanzieren kann man das sowieso nicht. Sie müssten Wir haben nicht gefordert, jedem oder jeder eine Min- dann den Jungen sagen, dass sie das alles zusammentra- destrente in einer bestimmten Höhe zu zahlen. gen sollen. Unser Vorwurf an Sie lautet also, dass Sie das Unser Konzept einer Mindestrente sorgt dafür, dass nebulös in den Raum stellen, aber nicht konkret werden, niemand in Armut fällt. Wir wollen vor allen Dingen die nicht einmal in einer Kurzintervention. Damit kommen Sicherung des Lebensstandards durch die Rente wieder- Sie nicht durch. herstellen. Das heißt, wir wollen gute Arbeit, gute (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Löhne, die dann für eine gute Rente sorgen. Das bedeu- Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das steht alles tet, wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der möglichst drin! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: niemand auf eine solidarische Mindestrente – oder wie Da sollten Sie einmal besser zuhören!) immer man das nennen will – angewiesen ist. Diejeni- gen, die darauf angewiesen sind, sollten nur einen mög- lichst kleinen Zuschlag benötigen; denn wir wollen, dass Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sich alle Menschen mit ihrer eigenen Hände oder Köpfe Jetzt hat die Kollegin Petra Hinz von der SPD-Frak- Arbeit einen Rentenanspruch im Äquivalenzsystem „ge- tion das Wort. setzliche Rentenversicherung“ erarbeiten können. (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich deshalb deutlich sagen: Unser Kon- zept für eine solidarische Mindestrente ist einkommens- Petra Hinz (Essen) (SPD): und vermögensgeprüft. Es geht darum, dass niemand im Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Alter in Armut leben muss. Alle anderen Konzepte, die und Kollegen! Frau von der Leyen, Sie sprachen von auf dem Tisch liegen, lassen die Menschen in der Armut. „aufdecken“, davon, uns einen Spiegel vorzuhalten, und Sie spalten die Gruppe der Alten in diejenigen, die ein- sagten, wir sollten tun. Was meinen Sie damit? Sie sind gezahlt haben und 10 oder 15 Euro über dem Niveau der doch in der Regierung und kein anderer. Sie haben drei- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28247

Petra Hinz (Essen) (A) einhalb Jahre lang nichts getan. – Doch, Sie haben etwas – Entschuldigung, 53 Prozent. – Meine Frage lautet: Wa- (C) getan: Sie haben angekündigt. Erinnern wir uns an den rum nicht 55 Prozent? Warum nicht 60 Prozent? Armuts- und Reichtumsbericht. Was haben wir gelernt? (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Der Armuts- und Reichtumsbericht ist nicht verändert, kann ich Ihnen erklären!) manipuliert worden, nein, er hat eine redaktionelle Er- gänzung aus einem anderen Ressort erfahren. Ich muss Wir zum Beispiel sagen in unserem Rentenkonzept: Ihnen schon sagen: Mehr als anzukündigen und aufzude- Mindestens 50 Prozent, und da soll gedeckelt werden; da cken haben Sie in der Tat nicht getan. Da Sie den Men- wollen wir hin. Warum fordern Sie jetzt 53 Prozent? schen einen Spiegel vorhalten wollten, wollen auch wir (Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE Ihnen einen Spiegel vorhalten: Diese Regierungsleis- LINKE]: Weil 53 Prozent das Niveau waren, tung, das, was Sie hier auf den Tisch gelegt haben, war als Sie angefangen haben, das mit Riester ab- mehr als ungenügend. zusenken!) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ist diese Strategie nicht ein bisschen durchsichtig? Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber deutlich mehr, als Sie wollen!) Ich möchte zur Frage des Mindestlohns Folgendes deutlich sagen: Reden Sie doch einmal über das, was Sie Zum Thema Riestern. Sie fordern, dass diese Förde- rung in die gesetzliche Altersvorsorge zurück überführt möchten. Sie möchten eine Lohnuntergrenze; das ist et- wird. Ich möchte die Rechnung, die Sie hier immer ver- was ganz anderes. Wir wollen einen Mindestlohn von schweigen, weil Sie hier zwar viele Dinge ansprechen, mindestens 8,50 Euro haben. aber nicht konkret werden, einmal aufmachen: Wir hat- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Mindest- ten – das belegen die offiziellen Statistiken – Mitte 2012 Mindestlohn!) rund 20,6 Millionen Rentner (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Darüber wird heute zeitgleich im Bundesrat beraten. stimmt!) Also, liebe Frau von der Leyen: Reden Sie nicht! und 34 Millionen Erwerbstätige, die dementsprechend in Handeln Sie! Sie hatten die Zeit. Sie haben die Chance die Rentenkasse eingezahlt haben. vertan. Sie haben nichts getan, weder für die Frauen noch für die jetzige Rentnergeneration noch für die zu- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur so- künftigen Rentnergenerationen. zialversicherungspflichtig Beschäftigte zahlen (B) ein!) (D) Wie haben Sie sich am Arbeitsmarkt verhalten? Sie haben nichts getan, damit Menschen eine Chance erhal- Rechnen wir das einmal durch – ein Schreiben dazu ten, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Im Gegen- haben wir vom Staatssekretär erhalten –: Bei den Riester-Verträgen sind im Augenblick maximal teil: Sie haben die Gelder für entsprechende Maßnahmen 2 100 Euro anrechenbar, die also jetzt angespart werden. gekürzt, und zwar ganz massiv, um 40 Milliarden Euro. Rechnet man die steuerliche Förderung bzw. die, wie wir Das sind die Dinge, die Sie auf den Weg gebracht haben. sie nennen, Steuermindereinnahmen – rund 600 Millio- Es geht heute aber auch um die Forderung der Linken, nen Euro – auf jeden einzelnen Rentner um, so macht die Risiken der Riester-Rente offenzulegen, bzw. den das für jeden 30 Euro im Jahr aus. Das sind im Monat Antrag der Linken mit dem Titel „Riester-Förderung in 2,50 Euro. Dafür hat Herr Gysi hier gerade so einen lan- die gesetzliche Rente überführen“. Meine lieben Kolle- gen Bericht abgegeben! 2,50 Euro sind sicherlich viel ginnen und Kollegen von den Linken, ich denke, Sie Geld für eine Rentnerin oder einen Rentner, die bzw. der können uns nicht absprechen, dass wir genau wie Sie mit 500 Euro auskommen muss. Aber nennen Sie doch möchten, dass jeder sein Lebensmodell leben kann, dass einmal die tatsächlichen Nettozahlen, was unterm Strich jeder einzelne Punkt, den Sie fordern, für die Rentnerin jeder ein auskömmliches Gehalt bzw. einen auskömmli- oder den Rentner ausmacht! chen Lohn bekommt und dass jeder im Alter von seiner Rente leben kann. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen Sie das doch einmal bei Riester!) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Gegenteil davon haben Sie gemacht!) Aber die Steuervorteile für die jungen Familien, für die, bei denen Kinderzuschläge und all das zu berück- Ich bitte Sie, endlich einmal davon Abstand zu nehmen, sichtigen sind, nennen Sie nicht. Denn das wollen Sie hier etwas aufzubauschen, was nicht stimmt. letzten Endes aufgeben. Sagen Sie den jungen Familien, was Sie ihnen unterm Strich an Leistungen streichen Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: wollen! Alles andere ist de facto unehrlich. Wir fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Was sa- gen Sie jetzt? Mindestens 10 Euro! In Ihrem Antrag (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten steht, dass das Rentenniveau auf 73 Prozent festge- der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE schrieben werden muss. LINKE]: 16 Milliarden Euro aus dem Bundes- haushalt! – Matthias W. Birkwald [DIE (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 53 Pro- LINKE]: 16 Milliarden Euro Bundeszu- zent!) schuss!) 28248 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Petra Hinz (Essen) (A) Ich wiederhole es: Die Förderleistung im Rahmen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) von Steuermindereinnahmen beträgt nach dem Schrei- Bitte schön, Herr Ernst. ben des Finanzministeriums 600 Millionen Euro. Dies macht pro Rentner aufs Jahr umgerechnet 30 Euro bzw. 2,50 Euro im Monat aus. Darüber reden wir. Klaus Ernst (DIE LINKE): Frau Kollegin, danke, dass Sie die Zwischenfrage und (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, die Bemerkung zulassen. wir reden über 16 Milliarden Euro!) Wir können darüber reden – da gebe ich Ihnen recht –, Sind Sie erstens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass dass die Koalition sich bei der Nachbesserung im Rah- die 10 Euro, die wir fordern, im Gegensatz zu den men des Altersvorsorgegesetzes leider ausschließlich auf 8,50 Euro, die Sie fordern, dazu führen würden, dass die die Rürup-Rente, den Wohn-Riester und dergleichen Rente, die ein zu diesem Stundenlohn Beschäftigter bis konzentriert und es versäumt hat, die Riester-Rente stär- an sein Lebensende kriegt, tatsächlich über dem Niveau ker zu fördern. Davon wären nämlich zwischen 15 und der Grundsicherung liegen würde? Bei Ihrem Konzept 16 Millionen Verträge betroffen gewesen. würde sie darunter liegen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ver- Sind Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, träge, nicht Personen!) dass wir schon einmal ein Rentensicherungsniveau von 53 Prozent hatten – Sie haben ja gefragt, woher unsere – Das habe ich gesagt. – Durch eine solche Verstärkung 53 Prozent kommen – und dass diese 53 Prozent insbe- der Förderung hätten wir die dritte Säule, das dritte sondere durch die Maßnahmen der rot-grünen Regierung Standbein der Altersvorsorge stützen können. drastisch abgesenkt wurden, was bis zum Jahr 2030 (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und letztendlich zu einer Kürzung um 10 Prozent führen was ist mit denen, die nicht riestern?) könnte? Sind Sie deshalb auch bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir, wenn wir ein Rentensicherungsniveau Ich gebe Ihnen aber recht: Zu einem schlüssigen Ren- von 53 Prozent in die Welt setzen, damit eigentlich nur tenkonzept gehört wesentlich mehr, und zwar auch die wieder auf das alte Niveau zurückgehen, das unter einer Bekämpfung der Armut von Erwerbstätigen, also im früheren Regierung, unter Blüm, einmal üblich war? Umkehrschluss faire und gerechte Löhne. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Dagmar (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald Enkelmann [DIE LINKE]: Sozusagen eine [DIE LINKE]: Richtig!) Mindestforderung!) (B) Wenn wir uns darum bemühen, sollten Sie aber nicht (D) – was Sie immer wieder tun – populistisch Halbwahrhei- Petra Hinz (Essen) (SPD): ten aussprechen. Wenn wir hier einen großen Konsens Danke, Herr Ernst, für Ihre Frage bzw. Ihren Kom- bekommen können – flächendeckender Mindestlohn von mentar. 8,50 Euro –: Warum stimmen Sie dem nicht zu? Warum wollen Sie dann noch eine Kelle drauflegen und fordern (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: 10 Euro? Danke für Ihre Aufklärung!) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wis- Ich nähme gerne zur Kenntnis, dass ich recht habe. sen doch noch gar nicht, ob wir da zustim- Wenn wir hier gemeinsam einen flächendeckenden Min- men!) destlohn von mindestens – ich sage: mindestens – Angenommen, wir sagen: 10 Euro. Dann sagen Sie 8,50 Euro beschließen würden, dann würden wir ge- schlussendlich: 11 Euro. meinsam etwas auf den Weg bringen. Ihre permanente Verhinderungstaktik, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist genau das Spiel, Frau Kollegin Hinz! So wollen die (Widerspruch bei der LINKEN – Matthias W. das spielen!) Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben doch hier im Bundestag dagegen gestimmt! – Das ist Ihre Strategie. Seien wir doch einmal ehrlich! Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie (Jens Ackermann [FDP]: 15 Euro! – Weiterer bitte? Sie haben doch immer dagegen ge- Zuruf von der FDP: 15,70 Euro!) stimmt! Sie haben abgelehnt!) immer etwas mehr zu fordern, statt einen Konsens für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: die Menschen, für die Rentnerinnen und Rentner und für Frau Kollegin Hinz, erlauben Sie eine Zwischenfrage die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zu finden, des Kollegen Ernst von der Linken? nehme ich zur Kenntnis. Mögen Sie zur Kenntnis neh- (Jens Ackermann [FDP]: 15 Euro und einen men, dass wir Sie einladen, unser Rentenkonzept mit auf Porsche für jeden!) den Weg zu bringen, um etwas für die Menschen drau- ßen zu tun! Petra Hinz (Essen) (SPD): (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Darüber Ja, gerne. können wir verhandeln!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28249

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei Abgeordneten der SPD – (C) Würden Sie auch eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hätten Golze entgegennehmen? wir schon längst haben können, wenn Sie nicht blockiert hätten!) Petra Hinz (Essen) (SPD): Insofern ganz herzlichen Dank für Ihre Zwischenfrage. Ja, gerne. Natürlich. Ich habe es zur Kenntnis genommen. Zur Sicherung des Auskommens im Alter gehört we- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sentlich mehr. Das beginnt bereits bei der Bildung und Bitte schön. geht weiter bei der Ausbildung. Danach muss man auch einen Arbeitsvertrag bekommen, nicht nur permanent (Jens Ackermann [FDP]: Kann man die Zwi- befristete Verträge, nicht nur Praktikastellen, sondern schenfragen vielleicht zusammenfassen?) tatsächlich vernünftige Arbeitsverhältnisse. – Ich sage aber: Das war jetzt auch die letzte Zwischen- Ich fand es bezeichnend, dass Herr Blüm Familienmi- frage, die ich zulasse. nisterin Schröder in einer Talkshow am Sonntag ein „un- genügend“ in ihr Zeugnis, um einmal in dieser Sprache Diana Golze (DIE LINKE): zu bleiben, geschrieben hat. Er hat ganz klar gesagt, dass Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Zwischen- diese Regierung nichts getan hat. Sie hat weder das Pro- frage zulassen, und vielen Dank, Frau Kollegin, dass blem der befristeten Verträge gelöst, noch ist sie das auch Sie dies tun. – Ich möchte Sie einfach nur fragen, Thema der Praktika angegangen noch das Thema Frau- ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass es ge- enförderung, und noch hat sie dafür gesorgt, dass für rade heute im Bundesrat eine Abstimmung über einen gleiche Arbeit gleich viel Geld gezahlt wird. Dies alles flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gibt, dem hat Norbert Blüm in dieser Sendung gesagt. Wer ist in auch das Bundesland Brandenburg – bekanntlich regiert der Verantwortung? Sie sind in der Verantwortung. von SPD und Linken – zustimmen wird, weil wir natür- (Jens Ackermann [FDP]: Sie gucken zu viel lich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn Fernsehen!) gemeinsam durchsetzen wollen. Aber wir wollen eben nicht bei 8,50 Euro aufhören, sondern sagen gleich, in Damit hat er Ihnen ganz klar gesagt, dass Sie eine fehl- welche Richtung es gehen soll. geleitete Politik machen. Natürlich ist die Linke für einen flächendeckenden Wir stehen für eine Solidarrente. gesetzlichen Mindestlohn, und dies nicht erst seit heute, (Zuruf von der FDP: Und für Steuern!) (B) wie mein Kollege Gysi vorhin bereits ausgeführt hat. (D) Wir stehen dafür, dass die Brücke ins Rentenalter ausge- (Beifall bei der LINKEN) baut werden soll. Auch die Frage des Rentenniveaus und die Frage der Beitragsentwicklung sind wir in unserem Petra Hinz (Essen) (SPD): Rentenkonzept angegangen. Seien wir doch einmal ehr- Vielen Dank. Auch ich habe hier gerade bereits deut- lich. Was hat die Bundesregierung zuletzt gemacht? Sie lich gemacht, dass zeitgleich im Bundesrat das Thema hat den Beitrag von 19,6 auf 18,9 Prozent gesenkt. „flächendeckender Mindestlohn“ beraten wird. Insofern (Jens Ackermann [FDP]: Bravo!) habe ich es zur Kenntnis genommen. Ich nehme es gerne noch einmal zur Kenntnis. Ferner nehme ich gerne zur Das ist zwar kurzfristig wunderbar – jeder Arbeitnehmer Kenntnis, dass Sie in der Koalition in Brandenburg unse- freut sich darüber –, aber langfristig ist das für unsere rem Vorschlag im Bundesrat zustimmen werden, dass Rentenkassen eine absolut fehlgeleitete Politik. wir also die Einführung eines gemeinsamen flächende- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ckenden Mindestlohns beschließen werden. Wenn ich es der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE heute Morgen richtig verstanden habe, soll eine Kom- GRÜNEN) mission eingesetzt werden, Ich kann Ihnen nur sagen, Frau von der Leyen: Alles, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das was Sie bisher auf den Weg gebracht haben, waren An- steht auch in unseren Anträgen lange drin!) kündigungen. Ihre eigenen Kabinettskollegen haben alle die den Betrag entsprechend festlegt. Ich habe das alles Maßnahmen wieder eingestampft. Von der Quote ist nur zur Kenntnis genommen. noch eine Flexiquote übrig geblieben. Von den geplanten Maßnahmen zur besseren Teilhabe von Frauen ist gar (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ist ja nichts übrig geblieben, weil Sie, die Kanzlerin und die gut, dass Sie das endlich zur Kenntnis neh- Familienministerin keinen Konsens finden konnten. men!) Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sind froh, wenn der Ich freue mich, dass Sie mir die Gelegenheit geben, hier 22. September kommt. Dann wird diese Regierung abge- noch einmal zu sagen, dass wir heute aufgrund der wählt, und wir können für die Menschen die richtigen Mehrheit der sozialdemokratisch geführten Länder in Alternativen auf den Weg bringen. unterschiedlichen Koalitionen die Chance haben, im Vielen Dank. Bundesrat die Einführung eines Mindestlohns gemein- sam zu beschließen. (Beifall bei der SPD) 28250 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: kommen, in dem die Seite 175 fehlt. Auf der kann man (C) Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege nämlich übersichtlich nachlesen, dass wir im Jahr 2020 Dr. Heinrich Kolb. mit einem durchschnittlichen Gesamtversorgungsniveau von 70,7 Prozent netto rechnen können, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was? Sagen Sie bitte „Sicherungssysteme vor Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Steuer“! Sonst führen Sie die Leute in die Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- Irre!) gen! Frau Kollegin Hinz, was den 22. September anbe- 2030 sogar mit einem Gesamtversorgungsniveau von langt, fällt mir ein altes Sprichwort ein: Hoffen und Har- 72,8 Prozent. ren hält manchen zum Narren. Ganz wichtig für Sie – manche im Haus sind ja nicht (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das bereit, das zur Kenntnis zu nehmen –: Der Nachhaltig- müssen Sie gerade sagen!) keitsfaktor wirkt nur dann und nur in dem Maße negativ Wir sollten einmal abwarten, wie die Ergebnisse nach auf das Rentenniveau, wenn und wie die Zahl der Rent- dem Wahlkampf wirklich aussehen. Ich glaube, es wird ner schneller wächst als die der Beitragszahler. Dem sind für die rechte Seite des Hauses besser sein, als Sie im wir allerdings auch nicht ohne Gegenwehr ausgeliefert. Moment zu erwarten bereit sind. Vielmehr haben wir es doch selbst in der Hand, welche Seite sich am Ende besser entwickelt. Gregor Gysis rentenpolitischer Gemischtwarenladen hat heute Morgen wieder geöffnet, und eine ganze Reihe (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So von Lockvogelangeboten liegen im Schaufenster. Das ist es!) Unternehmen ist übrigens mit ungedeckten Schecks fi- Davon hängt also das zukünftige Rentenniveau ab. Wir nanziert. sind auf diesem Gebiet nachgewiesenermaßen erfolg- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das reich; das möchte ich hier deutlich festhalten. stimmt nicht!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Das muss man dazusagen. Man muss sich überlegen, wie Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das man damit umgeht. Man kann es komplett ignorieren Rentenniveau sinkt von Jahr zu Jahr!) und die Gelegenheit nutzen, zu anderen Themen etwas zu sagen – das habe ich jetzt ein paarmal so gemacht –, Die Beschäftigung hat im vergangenen Jahr mit (B) oder man kann wirklich versuchen, das einmal Punkt für 41,1 Millionen Personen ein Rekordniveau erreicht und (D) Punkt durchzugehen. Das will ich gleich einmal tun. liegt auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereini- gung. Die neu geschaffenen Arbeitsverhältnisse sind fast Eine Vorbemerkung möchte ich machen, weil hier ausschließlich sozialversicherungspflichtige Arbeitsver- heute Morgen immer wieder andere renten- und sozial- hältnisse und sind zum größten Teil im Vollzeitbereich politische Baustellen angesprochen werden. Wir hatten entstanden. gestern schon eine Aktuelle Stunde zum Mindestlohn. Mir fällt bei den Kollegen der Opposition eines auf: Sie (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das versteigen sich hier mehr und mehr zu einem Mindest- stimmt nicht! Die Löhne sind oft viel zu nied- Mindestlohn. Das Ganze soll ja unpolitisch stattfinden. rig!) Eine Kommission soll die richtige Höhe festlegen, aber Auch dies möchte ich hier einmal sagen, um mit der Mär mindestens die oder die Zahl soll dabei herauskommen. aufzuräumen, es gebe in Deutschland nur noch prekäre Dazu kann ich nur sagen: Unpolitische Lohnfestlegung Beschäftigung und alle Arbeitsplätze, die neu entstün- sieht anders aus. Aus gutem Grund ist die Mehrheit in den, seien inakzeptabel. Das Gegenteil ist der Fall. Diese diesem Hause der Meinung, dass Tariffindung eine Auf- Regierung hat diesen Erfolg auf ihrem Konto zu verbu- gabe der Tarifpartner ist und die Politik ihre Finger aus chen. diesem Spiel heraushalten soll. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Petra Hinz [Essen] [SPD]: In keinster Weise! – der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE Bettina Hagedorn [SPD]: Da können Sie wirk- LINKE]: Das sehen die Gewerkschaften ganz lich nichts für!) anders!) Wenn die Regierung so weitermacht wie bisher und In Gregor Gysis Rentenladen lässt vielfach das Schla- künftig auch mehr Arbeitnehmer mehr Beiträge einbe- raffenland grüßen. Sie sind ja Meister darin, immer wie- zahlen, dann ist dies ein Weg, um im Jahr 2030 ein höhe- der die gleichen Forderungen vorzutragen; Sie sind auch res Rentenniveau zu erreichen, als man bisher erwarten durch nichts von falschen Grundannahmen abzubringen. konnte. Trotzdem will ich es heute noch einmal versuchen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber Sie sagen zum Beispiel, das Rentenniveau sinke dra- nicht lebensstandardsichernd!) matisch durch falsche politische Entscheidungen. Da kann ich nur sagen: Offensichtlich hat die Fraktion der Wir sind im Moment auch deutlich besser unterwegs, als Linken eine Version des Alterssicherungsberichtes be- dies frühere Regierungen prognostiziert hatten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28251

Dr. Heinrich L. Kolb (A) Als weiteren Punkt hat Gregor Gysi angesprochen, Menschen in unserem Lande gegeben werden muss, und (C) dass die Riester-Förderung verfehlt sei und an die fal- das ist etwas, wofür wir in dieser Koalition eintreten. schen Menschen gehe. Deswegen kommt er zu dem Er- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – gebnis, dass man die Riester-Förderung einstellen Bettina Hagedorn [SPD]: Machen Sie doch müsse. Das ist der Weg zurück in die rentenpolitische einmal ein Gesetz!) Steinzeit, Herr Kollege Gysi. Ich will zum Schluss noch sagen und damit vielleicht (Zurufe von der LINKEN) doch noch ein bisschen werben: Uns treibt die Frage um, Sie behaupten also, die Riester-Rente sei ein Flop. Aus- wie wir in der Rentenpolitik die Flexibilisierung des weislich der Zahlen des Alterssicherungsberichtes 2012 Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand besser kann man feststellen, dass inzwischen mehr als 70 Pro- gestalten können. Das ist unsere Antwort auf die Rente zent aller Arbeitnehmer einen zusätzlichen Anspruch aus mit 67, die Sie ja auch ablehnen. Ich glaube, es ist ein einer betrieblichen oder einer Riester-Rente besitzen. Es lohnenswertes Ziel, dass Menschen, die sich oberhalb gibt 9,6 Millionen Riester-Verträge, 15,6 Millionen Be- der Grundsicherung befinden, ab einem Alter von triebsanwartschaften. Aber – jetzt kommt es, Herr Gysi – 60 Jahren frei entscheiden und frei wählen können, in 27 Prozent der Zulagenempfänger – das sind 2,5 Millio- welchem Umfang sie noch erwerbstätig sein wollen. nen Menschen in diesem Lande – bekommen die staatli- Dann soll ihnen der Staat auch nicht mehr vorschreiben, ob und was sie zuverdienen können. Das wird eine wich- che Zulage für ein Jahreseinkommen von unter tige Entscheidung der Zukunft sein, die ich ganz am 10 000 Euro. Schluss noch aus dem Potpourri der Themen herausgrei- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen fen will. Sie einmal, wie viele nicht riestern!) Denken Sie einmal darüber nach, wie man es schaffen Weitere 20,3 Prozent bekommen die Zulage für ein Jah- kann, dass Menschen möglichst lange am Erwerbsleben reseinkommen von unter 20 000 Euro, weitere 19,3 Pro- teilhaben, aber auf der Basis ihrer eigenen freien Ent- zent für ein Jahreseinkommen von unter 30 000 Euro. scheidung! Das ist es, was wir erreichen müssen. Denn Da sind wir immer noch nicht in Bereichen, die Sie viel- das Beste, was man den Menschen empfehlen kann, ist, leicht als Höchstverdiener bezeichnen würden. möglichst lange dabeizubleiben und nicht möglichst früh in Rente zu gehen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was kommt hinten heraus bei Riester?) Vielen Dank, meine Damen und Herren. Aber das heißt im Klartext: Mehr als zwei Drittel der (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (B) staatlichen Zulagen in diesem Bereich gehen an Men- (D) schen mit einem Jahreseinkommen von unter Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: 30 000 Euro. Das nenne ich im Unterschied zu Ihnen, Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Herr Kollege Gysi, zielgenau und fair. Genau dies ist Strengmann-Kuhn vom Bündnis 90/Die Grünen. auch der Grund dafür, dass wir an dieser Art der Förde- rung in Zukunft festhalten wollen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE diskutieren heute über neun Anträge der Fraktion Die LINKE]: Sie sagen nicht, was hinten heraus- Linke zur Rente. Ich will gerne konstatieren, dass Ihre kommt bei denen!) Problembeschreibung zu einem großen Teil richtig ist, – Jetzt zur Frage, was hinten herauskommt. die Maßnahmen, die Sie vorschlagen, sind es allerdings nur teilweise. Deswegen werden wir Ihre Anträge zum Das Problem bleibt – dafür haben Sie ja ein Beispiel Teil ablehnen, zum Teil aber auch nicht. gebracht, Herr Gysi –: Erworbene private und betriebli- che Zusatzansprüche werden bei der Grundsicherung Viel spannender ist aber, was die Bundesregierung gnadenlos angerechnet und dann eben auch weggenom- bisher zum Thema Rente vorgelegt hat, nämlich men. Gerade Geringverdiener sind nicht schlecht im (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nichts!) Rechnen. Das unterstelle ich hier ausdrücklich, und dies ist auch richtig so. Sie wissen genau, dass sie im Falle nichts – gar nichts, überhaupt nichts, nada, rien, nothing. der Grundsicherung am Ende keinen Euro mehr bekom- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, men werden. Das ist ein rot-grüner Webfehler gewesen. bei der SPD und der LINKEN) (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das hätten Sie än- Seit drei Jahren stellen Sie die Regierung. Aber zum dern können! Warum haben Sie das nicht im Thema Rente hört man von Ihnen nur Ankündigungen. Gesetz gemacht? – Bettina Hagedorn [SPD]: Das war auch heute wieder der Fall. Sie sagen, Sie wol- Drei Jahre Zeit!) len die Armen, die Alten, die Kinder und wen sonst noch alles retten. Aber nichts ist passiert, weder beim Min- Das ist auch genau der Grund dafür, warum wir als FDP destlohn noch bei der Ost-West-Rentenangleichung, die ein Freibetragsmodell vorschlagen. Danach sollen min- im Koalitionsvertrag steht. destens 100 Euro als Sockel nicht angerechnet werden, darüber hinaus sollen weitere 20 Prozent anrechnungs- (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: So ist es! Skan- frei bleiben. Das ist ein Signal, das gerade an junge dal!) 28252 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) Sie wollten die Selbstständigen besser absichern; davon Es ist klar, dass wir das nicht von heute auf morgen hin- (C) ist nichts mehr zu hören. In dieser Woche haben wir eine bekommen; das wird ein langer Prozess sein. Aber für Diskussion über Ghettorenten geführt. Es gibt keine Vor- uns ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass alle Men- schläge der Bundesregierung, wie die vorhandene Lücke schen in der gleichen Art und Weise für das Alter abgesi- zu schließen ist. chert sind. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- NEN]: Ja, ja! Zuschussrente usw.!) SES 90/DIE GRÜNEN) Außerdem führten wir Debatten über DDR-Flüchtlinge Das gilt übrigens auch für Politikerinnen und Politiker. und über Geschiedene aus der DDR, die benachteiligt sind. Durch diese Bürgerversicherung werden Versiche- rungslücken geschlossen, eigene Ansprüche, die präven- (Zuruf von der FDP: Gucken Sie da mal lieber tiv vor Altersarmut schützen, aufgebaut, und die Rente zu Gregor Gysi!) wird nachhaltig finanziert. Auch hier will die Regierung nichts unternehmen, und (Zuruf von der FDP: Was heißt denn das kon- das trotz eines entsprechenden Bundesratsbeschlusses. kret?) Das Megathema ist die drohende Altersarmut. Dazu Für uns sind stabile Rentenversicherungsbeitragssätze sagt die Bundesarbeitsministerin schon seit Jahren: Ja, ein wichtiges Ziel; das unterscheidet uns fundamental da muss etwas passieren. Die Lebensleistung muss sich von den Linken. Im Übrigen ist es so, dass die Beiträge lohnen, insbesondere für diejenigen, die lange etwas ge- komplett von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- leistet haben. – Was liegt vor? Nichts, überhaupt nichts! mern gezahlt werden müssen. Die Lebensleistungsrente ist doch nur ein Begriff. Es gibt aber überhaupt kein Konzept. Die Koalitionsrunde (Zuruf von der SPD: Und von den Arbeitge- hat zwar beschlossen, dass 40 Beitragsjahre die Voraus- bern!) setzung für den Bezug der Lebensleistungsrente sein sol- Unter anderem deswegen sind wir dagegen, dass es Ren- len. Aber selbst bei der Höhe gibt es unterschiedliche tenversicherungsbeitragssätze von 26, 27 oder 28 Pro- Meinungen. Frau von der Leyen hat gesagt: Die Lebens- zent geben soll. Die Menschen sind genug belastet. Wir leistungsrente ist das Gleiche wie das, was ich vorher als wollen stabile Rentenversicherungsbeitragssätze. Zuschussrente bezeichnet habe. – Da hat dann aber so- fort die FDP interveniert – Herr Kolb nickt – und gesagt: Gleichzeitig ist uns aber auch ein angemessen hohes Nein, sie ist nicht das Gleiche wie die Zuschussrente; sie Rentenniveau wichtig. Wir wollen, dass unser Renten- (B) ist niedriger. – Wahrscheinlich würde er noch hinzufü- system über Generationen hinaus Vertrauen genießt. (D) gen: einfacher und gerechter. Junge Menschen, die lange in die Rentenversicherung eingezahlt haben, müssen im Alter auch eine angemes- (Heiterkeit des Abg. Markus Kurth [BÜND- sene Rente erhalten. Würde das Rentenniveau deutlich NIS 90/DIE GRÜNEN]) sinken, wären viele von Armut bedroht. Das wäre eine Es ist also etwas ganz anderes, aber es gibt kein Kon- Legitimationskrise der Rentenversicherung. Das wollen zept. wir verhindern. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: So ist es!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Regierung hat bisher rein gar nichts vorgelegt. Ich Herr Kolb hat eben den Mechanismus des von uns prognostiziere: Zu diesem Thema wird es auch nichts eingeführten Nachhaltigkeitsfaktors gut beschrieben. mehr geben. Deswegen werde ich meine restliche Rede- zeit nutzen, um unser Konzept darzustellen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wieder einge- führt!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Nein, der demografische Faktor hat anders funktio- Dann werden auch die Unterschiede zu den Konzepten niert. – Dabei geht es nämlich um das Verhältnis von der beiden anderen Oppositionsfraktionen deutlich; bei Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern zu Rentnerin- Schwarz-Gelb gibt es da ja, wie gesagt, nichts. nen und Rentnern. Wenn wir eine Bürgerversicherung haben, dann gibt es mehr Beitragszahlerinnen und Bei- Wir sind der Meinung, dass die gesetzliche Renten- tragszahler. Dadurch können wir zu einem angemesse- versicherung die zentrale und noch zu stärkende Säule nen Rentenniveau bei stabilen Beiträgen kommen. der Alterssicherung ist. Zusätzlich müssen wir natürlich beim Arbeitsmarkt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ansetzen. Wir brauchen eine höhere Erwerbsbeteiligung Deswegen wollen wir die Rente schrittweise zu einer insbesondere von Frauen und Älteren, und wir müssen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung weiterentwickeln, endlich den Bereich der prekären Beschäftigung ein- in die alle Bürger Beiträge auf alle Einkunftsarten unab- grenzen, wodurch auch mehr Beiträge gezahlt werden. hängig vom Erwerbsstatus einzahlen. Auch dadurch würde das Rentenniveau steigen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt wird es in- Das ist unser Ansatz. Steigende Beiträge sind keine teressant!) Lösung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28253

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) Zu einem guten Verhältnis von Beiträgen zum Ren- 20 Jahren vermutlich nicht dramatisch ändern wird, dazu (C) tenniveau trägt übrigens auch die Anhebung der Alters- führt, dass die Rente erst ab 67 für die Menschen tat- grenze bei. Wenn es gelingt, dass die Menschen länger sächlich eine reine Rentenkürzung ist? Denn pro Jahr, arbeiten, erhöhen wir damit die Einnahmen der Renten- das die Menschen vor dem 67. Lebensjahr in Rente ge- versicherung und damit auch die Renten. Das heißt, die hen, müssen sie bis ans Lebensende einen Rentenab- Alternative zur Rente mit 67 sind nicht nur höhere Bei- schlag von 3,6 Prozent jährlich – also 7,2 Prozent für träge, sondern auch ein geringeres Rentenniveau. Des- zwei Jahre – hinnehmen. wegen halten wir die langsame und schrittweise Anhe- bung der Regelaltersgrenze auf 67 bis zum Jahr 2031 für (Beifall bei der LINKEN) richtig. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ Wir wollen aber flexible Übergänge in den Ruhestand DIE GRÜNEN): schaffen. Die Menschen sollen möglichst selbstbestimmt entscheiden können, wann und in welchem Umfang sie Ich stimme Ihnen zum Teil zu. Die Zahl 90 Prozent in Rente gehen. Wer will, soll schon mit 60 in Rente ge- stimmt wahrscheinlich nicht. Wir müssen uns die empi- hen können. Insbesondere wollen wir, dass Menschen ab rischen Zahlen noch einmal genau ansehen. Denn es sind 60 eine Teilrente beziehen können, nicht nur die Erwerbstätigen, die keine Rentenkürzungen erfahren, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann müssen Sie auch sagen, von wem Sie das abgeschrie- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So- ben haben, Herr Kollege!) zialversicherungspflichtige!) um einen gleitenden Übergang in den Ruhestand und sondern auch andere. Ich empfehle dazu das Gutachten längeres Arbeiten zu ermöglichen. des Wissenschaftlichen Beirats zur Rente – es ist vor- letztes Jahr vorgelegt worden –, in dem für die einzelnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gruppen beschrieben ist, wo eine Rentenkürzung drohen und bei der FDP) könnte.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Womit Sie aber grundsätzlich recht haben: Es gibt Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des eine Gruppe, die das nicht erreicht. Für sie ist es tatsäch- Kollegen Ernst von den Linken? lich eine Rentenkürzung. Ich hatte gesagt: Im Durch- schnitt ist es eine Verbesserung und eine Erhöhung des Rentenniveaus. In der Tat führt die Rente mit 67 dazu, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ dass die Schere ein Stück weit auseinandergeht. Für die- (B) DIE GRÜNEN): jenigen, die schwächer sind und nicht so lange arbeiten (D) Ja, immer gerne. können, ist es eine Rentenkürzung. Im Grundsatz ist es aber eine Rentenerhöhung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön, Herr Ernst. Aber gerade bei diesem Verteilungsproblem müssen wir unbedingt und dringend ansetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch diejenigen, die nicht so lange arbeiten Klaus Ernst (DIE LINKE): können, vernünftig abgesichert sind. Die Teilrente ist ein Danke, Herr Kollege. – Ich möchte eigentlich nur Beispiel. Wir müssen bei der Erwerbsminderungsrente eine Frage stellen. Sie bestreiten sicherlich nicht, dass dafür sorgen, dass diejenigen, die aus gesundheitlichen nur 9,9 Prozent der Altersgruppe der 64-Jährigen eine Gründen nicht mehr arbeiten können, keine Abschläge sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Vor- mehr in Kauf nehmen müssen. Das ist ein ganz wichtiger hin wurden die Zahlen genannt. Bei den Frauen ist der Punkt. Wir müssen auch sonst dafür Sorge tragen, dass Anteil noch deutlich geringer. Das ist der Istzustand. wir zu fließenden Übergängen in den Ruhestand kom- Wir haben aber schon jetzt begonnen, die Rente mit men. 67 bzw. erst ab 67 einzuführen. Sind Sie mit mir der Last, not least – dazu komme ich gleich noch ausführ- Auffassung, dass das für 90 Prozent der sozialversiche- licher – müssen wir dafür sorgen, dass die Rente mit 67 rungspflichtig Beschäftigten, die das betrifft, schon eine nicht dazu führt, dass der Lebensstandard der Menschen Rentenkürzung ist? unter ein Mindestniveau sinkt. Deswegen haben wir das (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Konzept der grünen Garantierente, mit dem erreicht wer- Nein!) den soll, dass alle, die 30 Versicherungsjahre haben, we- nigstens ein Minimum bekommen, das über der durch- Haben Sie auch zur Kenntnis genommen, dass die schnittlichen Grundsicherung liegt. Zahl derer, die in dieser Altersgruppe eine sozialversi- cherungspflichtige Beschäftigung hat, eher abnimmt, Das Problem ist von der Tendenz her durchaus richtig beschrieben; aber wir haben noch 20 Jahre Zeit, um die (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Voraussetzungen zu schaffen. Ob die Verlängerung der NEN]: Wir sind doch erst am Anfang der Regelalterszeit um bisher zwei Monate tatsächlich zu Phase! 2031!) Rentenkürzungen geführt hat, müssen wir empirisch un- und dass wir damit rechnen können, dass das, was wir tersuchen. Meine Vermutung ist, dass das nicht in nen- zum jetzigen Zeitpunkt tun und das sich in den nächsten nenswertem Umfang der Fall gewesen sein wird. Wir 28254 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) werden 2014 einen Bericht zur Rente mit 67 vorlegen. ser Basis setzen dann die weiteren Säulen der Alterssi- (C) Die Ergebnisse werden wir uns genau anschauen und un- cherung auf. Private und betriebliche Alterssicherung sere Schlussfolgerungen daraus ziehen. sind wichtig für die Sicherung des Lebensstandards im Alter. Für eine Absicherung gegen Altersarmut ist die Nun zu der Garantierente, die wir Grüne vorschlagen. kapitalgedeckte Säule ungeeignet, weil sie zu risikoreich Ich habe gerade schon gesagt: Im Gegensatz zu vielen ist. Bei der Sicherung des Lebensstandards halten wir anderen Ländern in Europa gibt es in Deutschland kein eine Risikomischung für richtig, weil das die Chance auf Mindestniveau in der Rente. Die Bürgerinnen und Bür- eine höhere Rendite ermöglicht. Damit die Menschen ger müssen sich aber darauf verlassen können, dass sie diese Chance tatsächlich bekommen, muss die Riester- als langjährig Versicherte im Alter in der Regel nicht auf Rente allerdings grundlegend reformiert werden. Man- Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Ein che Riester-Produkte lohnen sich nur wegen der staatli- großer Teil der Bevölkerung hat allerdings kein Ver- chen Förderung. Viel zu viel Geld bleibt bei Banken, trauen mehr in die gesetzliche Rentenversicherung. Versicherungen und Vermittlern hängen. Das heißt, der Viele fragen sich, ob sie in der Rentenversicherung noch Staat fördert schlechte Finanzprodukte. Das halten wir ausreichend Rentenansprüche erwerben können, um im für falsch. Alter über ein ausreichendes Einkommen zu verfügen. Deswegen wollen wir eine steuerfinanzierte Garantie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rente einführen, durch die für Menschen mit 30 Versi- cherungsjahren ein Mindestniveau von 30 Entgeltpunk- Wir wollen, dass die Förderung die Menschen erreicht, ten – das sind zurzeit circa 850 Euro – in der Rente die sie brauchen, und dadurch nicht der Finanzmarkt garantiert wird; das liegt über dem durchschnittlichen subventioniert wird. Grundsicherungsniveau. Das ist notwendig als Schutz vor Armut, aber auch um die Akzeptanz der Rentenver- Eine Idee, die wir weiter verfolgen wollen, ist die ei- sicherung zu erhöhen. nes Standardprodukts, eines Basisprodukts, das öffent- lich organisiert wird. Die Deutsche Rentenversicherung Die grüne Garantierente ist so ausgestaltet – darin un- Baden-Württemberg nennt das Altersvorsorge-Konto. terscheidet sie sich von dem Konzept der SPD, insbeson- Menschen, die keine Finanzexpertinnen und -experten dere aber von dem der CDU/CSU –, dass sie auch und sind, brauchen einen barrierefreien Zugang zu zusätzli- insbesondere für Frauen mit geringem Einkommen und cher Altersvorsorge, bei der das Geld nicht in Provisio- Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Kindererziehung nen und Zusatzkosten versickert. Dieses Basisprodukt erreichbar ist. soll nicht obligatorisch werden, es soll kein Zwangspro- dukt werden. Wer es nicht in Anspruch nehmen will, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die (B) kann gerne anders vorsorgen. Aber ein solches Basispro- (D) Ministerin hört gar nicht zu!) dukt ist eine Möglichkeit, um insbesondere Geringver- Für die Solidarrente der SPD wären 40 Versicherungs- dienern eine bessere Absicherung im Alter zu ermögli- jahre, für die Lebensleistungsrente der CDU/CSU sogar chen. 40 Beitragsjahre erforderlich. Das ist für einen Großteil Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine grundlegende der Menschen in Deutschland, die von Altersarmut be- und umfassende Reform der Alterssicherung ist drin- droht sind, überhaupt nicht erreichbar. Wir brauchen ein gend notwendig. Wir brauchen eine nachhaltig finan- Mindestniveau in der Rente, das tatsächlich vor Armut zierte Rente mit einem festen Fundament, das vor Armut schützt, und kein Placebo. schützt, und darauf aufbauend Säulen für die Lebens- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) standardsicherung. Um die Rente für die Zukunft sicher zu machen, müssen wir jetzt anfangen. Von allen anderen Vorschlägen, auch von der Min- destrente der Linken, unterscheidet sich die grüne Schwarz-Gelb hat bei der Rente völlig versagt. Noch Garantierente dadurch, dass es bei ihr keine Bedürftig- 205 Tage bis zum Wechsel; keitsprüfung gibt. Um die sogenannte solidarische Min- destrente zu erhalten, müssen – der Kollege Birkwald (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist richtig!) hat das eben schon beschrieben – Einkommen und Ver- dann fangen wir an, die Rente zukunftsfest zu machen. mögen komplett offengelegt werden. Die Linke sieht so- gar eine Obergrenze für die Wohnfläche selbstgenutzten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wohnraums vor. Das heißt, da kommt dann jemand von sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingrid der Rentenversicherung und prüft, wie groß die Woh- Arndt-Brauer [SPD]: Wir haben sehr viel zu nung ist. Mit einer Mindestrente hat das nichts zu tun. tun!) Wir brauchen keine zweite Grundsicherung; denn die Rentenversicherung ist kein Sozialamt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Durch die grüne Garantierente und die Weiterent- Das Wort hat der Kollege Karl Schiewerling von der wicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer CDU/CSU-Fraktion. Bürgerversicherung schaffen wir eine stabile Basis für die Absicherung im Alter mit einem Mindestniveau über (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der durchschnittlichen Grundsicherung und einem ge- der FDP – Michaela Noll [CDU/CSU]: Jetzt wissen Maß an Sicherung des Lebensstandards. Auf die- kommt etwas Fundiertes!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28255

(A) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Diese Riester-Rente haben wir begrüßt, weil im Prin- (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe zip Folgendes getan wird: Es wird akzeptiert, dass wir Kolleginnen und Kollegen! Was werfen Sie uns eigent- aufgrund der demografischen Entwicklung, von der die lich vor? kapitalgedeckten Systeme genauso betroffen sind wie die umlagefinanzierten Systeme, auf Dauer Vorsorge be- (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- treiben müssen. Jeder Einzelne muss Vorsorge betreiben, NEN]: Dass Sie nichts tun! – Dr. Wolfgang damit das Einkommensniveau im Alter in etwa gehalten Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- werden kann. NEN]: Dass Sie nichts machen!) Werfen Sie uns vor, dass 41 Millionen Menschen er- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: werbstätig sind, dass es 29 Millionen sozialversiche- Entschuldigung, Herr Schiewerling, lassen Sie eine rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gibt, dass Zwischenfrage des Kollegen Ilja Seifert zu? wir eine geringe Altersarmut von 2,5 Prozent haben, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Plus Karl Schiewerling (CDU/CSU): Dunkelziffer!) Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

dass 30 Milliarden Euro in der Rücklage der Renten- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: versicherung sind, dass wir entgegen allen Prognosen Keine Zwischenfrage. den Rentenversicherungsbeitrag absenken konnten, ohne dass die Rücklagen sofort abgeschmolzen werden? Wer- Karl Schiewerling (CDU/CSU): fen Sie uns das vor? Zum Thema Rente gab es heute sehr viele Zwischen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fragen. Nach uns kommen auch noch Kolleginnen und Kollegen, die ein anderes Thema diskutieren. Wir sind der Stabilitätsanker der Deutschen Rentenversi- cherung und nicht die Traumtänzer der Nation wie die (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) Linksfraktion. Ich bitte jetzt, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wir kollegial Rücksicht auf sie zu nehmen haben. Ich befürchte, dass der Erkenntnishorizont durch eine Verehrter Herr Gysi, wer den Menschen einen bunten Zwischenfrage nicht sonderlich steigen würde. Rentenhimmel malt, Glocken dort oben hinhängt und glaubt, er könnte alles versprechen, was er hinterher (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Otto (B) nicht halten kann, der belügt das Volk wissentlich. Fricke [FDP]: Sehr solidarisch!) (D) Ich will auf die Frage zurückkommen, wie wir das auf (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dauer regeln können. Es gibt noch eine dritte Säule, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- nämlich die betriebliche Altersvorsorge. Alles zusam- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist die Verspre- mengenommen, die umlagefinanzierte Rente, die cherin! Frau von der Leyen verspricht immer betriebliche Altersvorsorge und die private Vorsorge, alles und hält überhaupt nichts!) sichert das Einkommen im Alter. Was erlebe ich? In den Ich sage Ihnen: Die Situation der Rente ist gut. Die Anträgen der Linken schwingt das Pendel genau zur an- Zuhörer und Zuschauer könnten den Eindruck gewin- deren Seite, und alles und jedes soll ausschließlich über nen, als wäre alles und jedes am Ende. Das ist nicht der die umlagefinanzierte Rente finanziert werden. Außer- Fall. Ich will aber gerne zugestehen, dass es immer wie- dem sollen noch alle möglichen Personengruppen auf- der schwierige Phasen gab, zum Beispiel 2001, 2002. genommen werden. Jeder träumt nur davon, wie viel Ich gehörte dem Bundestag damals nicht an. Ich war Geld hereinkommt, aber keiner rechnet vor, wie hoch die schlichter Bürger, der sich das alles politisch interessiert Belastungen sind, die sich aufgrund von Mitgliedschaft angeschaut hat, und war in der Selbstverwaltung der und Beiträgen letztendlich automatisch daraus ergeben. Rentenversicherung tätig. Ich habe natürlich nicht Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: Das, was Sie schlecht gestaunt, als damals viele gesagt haben, die um- hier vorschlagen, ist nicht zielführend. Das dient den lagefinanzierte Rente sei nicht mehr sicher und brauche Menschen nicht und schafft übrigens allenfalls eine ge- man nicht mehr; es müsse alles auf die private Vorsorge fühlte Gleichheit, aber keine Gerechtigkeit. und kapitalgedeckte Systeme umgestellt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das war die FDP! – Meine Damen und Herren, ich will Ihnen aus unserer Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb Sicht sehr deutlich sagen, dass wir natürlich im Blick [FDP]: Die Mehrheit war da drüben!) haben, dass die Altersarmut vermutlich steigen wird, Darauf hat Herr Riester reagiert und gesagt: Wir machen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha!) eine schöne Rente, indem die Leute privat vorsorgen. – Daraus ist die Riester-Rente geworden, weil wir wissen, dass es gebrochene Erwerbsbiografien gibt. Wir wissen aber überhaupt nicht, wie viele es sind, (Pascal Kober [FDP]: SPD-Minister!) (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ihr wisst gar also keine Kolb-Rente, sondern eine Riester-Rente. nichts!) 28256 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Karl Schiewerling (A) weil es an keiner Stelle in Deutschland eine Übersicht Alles andere ist nicht zu finanzieren und können wir da- (C) oder ein Konto gibt, anhand dessen wir sagen können, her den Menschen auch nicht versprechen. dass Herr Sowieso oder Frau Sowieso soundso viel im (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Alter haben wird. Wir kennen das Ergebnis der Renten- versicherung. Aber was machen Sie denn, wenn jemand NIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo bleibt das behauptet, er bekomme 250 Euro Rente? Das ist sicher- Konzept?) lich das blanke Elend, es sei denn, dass er noch andere Wir wollen Erziehungszeiten für Frauen, die vor 1992 Einkommen aus Vermögen, Verpachtung oder Zinserträ- Kinder geboren haben, rentenrechtlich anerkennen. Wir gen hat. Möglicherweise ist der Betreffende sogar Arzt wollen eine entsprechende Anpassung und eine sukzes- gewesen und hat eine ganz andere Versorgung. Wir sive Steigerung. dürfen nicht vergessen, dass es eine Vielzahl anderer Versorgungssysteme gibt. Wie hoch das gesamte Alters- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – einkommen jedes Einzelnen ist, das können wir über- Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- haupt nicht sagen. Wir haben keinen Überblick, weil es NIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch dafür gibt es keine entsprechende Stelle in der Bundesrepublik gibt. keinen Vorschlag!) Es wäre gut, sich Gedanken darüber zu machen, wie man Meine Damen und Herren, wir wollen natürlich über sich einen solchen Überblick verschaffen könnte. diesen Weg auch Altersarmut vorbeugen (Zuruf von der SPD) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Das ist aber schwierig, weil hier beispielsweise daten- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Leere Versprechun- schutzrechtliche Fragen berührt sind. gen!) und den Menschen helfen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Des- wegen brauchen wir eine Einkommens- und Meine Damen und Herren, Rentenpolitik ist kein Vermögensprüfung!) Wünsch-dir-was und hat immer mehrere Grundlagen zu beachten. Erstens ist das Äquivalenzprinzip zu berück- Deswegen brauchen wir, Herr Kollege Birkwald, eben sichtigen, wonach das, was jemand einzahlt, in einem keine allgemeine Rente für jeden, angemessenen Verhältnis zu dem steht, was er bekommt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Zweitens hat Rentenpolitik zur Aufgabe, dass innerhalb doch falsch!) des Rentensystems – deswegen heißt es Solidarsystem – auch den Menschen geholfen wird, die weniger haben. egal ob jemand in seinem Leben gearbeitet hat oder Deswegen gibt es im Rentensystem schon heute Mecha- (B) nicht. Anders als Sie in Ihrer Zwischenbemerkung vor- nismen, die für einen entsprechenden Ausgleich sorgen. (D) hin versucht haben, deutlich zu machen, interessieren Das Rentensystem muss darüber hinaus vor Invalidität Sie sich überhaupt nicht dafür, ob einer erwerbstätig war schützen und den Menschen, die auf Hilfe angewiesen oder nicht erwerbstätig war, ob jemand in seinem Leben sind, Rehabilitation ermöglichen, damit sie länger arbei- getan hat, was er tun konnte, oder ob jemand draußen ten können. Balalaika gespielt hat. Ich hoffe sehr und gehe davon aus, dass wir alles das (Zuruf von der SPD: Also!) in der nächsten Zeit noch regeln werden. Sie sagen: Egal, was jemand gemacht hat, er bekommt (Zuruf von der SPD) eine bestimmte Rente, und dann ist Schluss. – Das haben wir übrigens eingeführt. Das ist die Grundsicherung im Aber, meine Damen und Herren, an der Rente mit 67 Alter. In den Genuss der Grundsicherung im Alter werden wir nicht rütteln lassen. Ich bin Herrn kommt jeder. Tiefer fällt keiner. Strengmann-Kuhn dankbar dafür, dass er dies aus seiner Sicht noch einmal nachhaltig und deutlich unterstrichen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die ist hat. nicht armutsfest!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Das ist die untere Auffanglinie, die wir in der Bundes- der FDP) republik haben. Ich sage Ihnen: Das blanke Elend wird auch dann nicht ausbrechen. Das hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Wir müssen doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wir auf der Welt nicht die Einzigen sind und dass es nach der FDP) uns noch Kinder gibt – und zwar weniger als bisher –, die das gesamte System zu tragen haben. Wie gehen wir Meine Damen und Herren, natürlich führen wir eine eigentlich mit den zukünftigen Generationen um? Disku- heftige Diskussion über die Frage, wie wir denn in tieren wir nur im Hier und Jetzt? Ich sage Ihnen: Es mag Zukunft vor Altersarmut schützen werden. Wie soll die ja sein, dass die Linken so denken können, weil ihre Mit- Grundlinie aussehen, die wir dort ziehen? Die Grund- glieder überaltert sind. Wir können uns das jedenfalls linie ist bei uns klar: Wer 40 Jahre lang gearbeitet hat nicht erlauben. oder Kinder erzogen oder alte Eltern gepflegt hat, soll eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhalten. Danke schön. (Zuruf von der SPD: 10 Euro!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28257

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir haben also im Prinzip eine solche Grundsiche- (C) Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen rung. Bei dem, was wir diskutieren, geht es um die Dr. Ilja Seifert das Wort. Frage: Was machen wir für die zukünftigen Rentner? Es geht darum, hier für gerechte und für vernünftige Strukturen zu sorgen. Wir sind dabei, dies entsprechend Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): zu gestalten. Vielen Dank, Herr Präsident. – Kollege Schiewerling, Sie haben so getan, als wäre bei der Rente alles wunder- bar. Sie haben gesagt, Vorsorge und Gerechtigkeit seien Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: angesagt. Jetzt sagen Sie mir bitte einmal: Wie soll Jetzt hat das Wort die Kollegin Bettina Hagedorn von jemand, der eine DDR-Rente bekommt, noch vorsorgen, der SPD-Fraktion. und wie wollen Sie begründen, dass es unterschiedliche (Beifall bei der SPD) Rentenwerte in Ost und West gibt? Wie soll jemand, der Erwerbsminderungsrente bekommt, vorsorgen? Wo Bettina Hagedorn (SPD): sorgen Sie da für Gerechtigkeit? Wo wird da irgendetwas Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! für diejenigen getan, von denen wir geredet haben? Das Wir diskutieren über neun Anträge von den Linken unter sind nur zwei Punkte aus unseren Anträgen, die ich dem Überbegriff „Rentenrecht“. herausgehoben habe. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir hatten schon Sie tun so, als ob wir hier den Himmel buntmalen bis zu 17! Das ist moderat heute!) würden. Wir wollen nur Gerechtigkeit, und zwar für die- jenigen, die sie selber nicht herstellen können. Warum Es ist durchaus ein bisschen ungewöhnlich, dass dazu verweigern Sie sich dem? Sagen Sie mir das bitte. neun Anträge zeitgleich debattiert werden, zumal wir über einzelne Anträge namentlich abstimmen werden. (Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß Ich werde das Gefühl nicht los: Ein bisschen Show ist [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie wollen dabei. Ungerechtigkeit! – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie (Widerspruch des Abg. Matthias W. Birkwald wollen Ungerechtigkeit! – Gegenruf des Abg. [DIE LINKE]) Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Was „Rente“ ist wirklich ein megawichtiges Thema für ihr wollt an neuer Ungerechtigkeit, ist alle Menschen in unserem Land. Es gehört sich einfach, unglaublich!) dass wir es mit der gebotenen Ernsthaftigkeit diskutie- (B) ren. Darum möchte ich nur den formalen Hinweis geben, (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass mir Ihr Vorgehen sauer aufgestoßen ist. Im Grunde Herr Schiewerling, zur Erwiderung bitte. ist es so – das ist von Kollegen schon gesagt worden –, dass Ihre Problemanalyse in weiten Teilen dieses Hauses sehr wohl geteilt wird. Das hat sogar die Ministerin ge- Karl Schiewerling (CDU/CSU): sagt; das hat der Kollege der Grünen gesagt; das will ich Herr Kollege Seifert, für diejenigen, die heute schon Ihnen ebenfalls bestätigen. Aber die Problemanalyse ist in der Rente sind – dazu gehören auch die Erwerbs- das eine, und die Antworten darauf sind das andere. minderungsrentner –, gilt das, was wir hier diskutieren, nicht. Für sie gilt auch nicht das, was Sie in Ihren Anträ- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des gen fordern. Vielmehr geht es um die Gestaltung der Zu- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) kunft. Wir haben ja ein Rentenrecht. An zwei Punkten werden wir uns nachher enthalten: Für die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die trotz des bei der Verbesserung der Erwerbsminderungsrente und 1992 in Kraft getretenen Rentenüberleitungsgesetzes mit bei der Rente nach Mindestentgeltpunkten. Dort muss ihrer Rente nicht auskommen, haben wir die Grund- zwar richtigerweise etwas getan werden, wir können sicherung im Alter eingeführt. Ich halte das für einen Ihren Vorschlägen aber nicht zustimmen und enthalten wichtigen sozialen Gesichtspunkt. uns deshalb, weil wir bessere Vorschläge haben. Sie sind Bestandteil des Rentenkonzepts der SPD, das wir im (Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben das November einstimmig beschlossen haben. eingeführt!) Es geht an dieser Stelle vor allen Dingen um die Poli- – Das deutsche Parlament hat das eingeführt, Frau tik der Regierung. Der Kollege Schiewerling hat vorhin Kollegin Hagedorn. Vielleicht können wir uns darauf gefragt: Was werfen Sie uns eigentlich vor? Zur Beant- verständigen. wortung dieser Frage will ich meinen Beitrag leisten. Übrigens wird die Grundsicherung im Alter und bei Darum zitiere ich aus Ihrem Koalitionsvertrag: Erwerbsminderung ab 2014 komplett vom Bund getra- Rente ist kein Almosen. Wer sein Leben lang hart gen und nicht mehr von den Kommunen. Das wiederum gearbeitet hat, der hat auch einen Anspruch auf eine haben wir eingeführt, und damit haben wir die Kommu- gute Rente. nen entlastet. Sie sagten: Eine Regierungskommission sollte Lösungen (Bettina Hagedorn [SPD]: Das haben wir mit erarbeiten. – Aber diese Regierungskommission kam nie Ihnen beschlossen!) zustande. Was taten Sie stattdessen gleich im ersten Jahr, 28258 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Bettina Hagedorn (A) in dem Sie gemeinsam regierten? Sie strichen unter an- zen, weil wir diesem Vorschlag sowieso nicht zustim- (C) derem mit Ihrem sogenannten Sparpaket ersatzlos den men würden. Rentenbeitrag für die Langzeitarbeitslosen in diesem Land. Frau Ministerin, Fakt ist, dass Sie den ganzen letzten Sommer hindurch von Talkshow zu Talkshow getingelt (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: An der Front ist sind und überall über das Thema Altersarmut gespro- die SPD aber nicht unschuldig!) chen haben. Sie sind sogar in diesem Parlament – und auch von mir persönlich – dafür gelobt worden, dass Sie Das war eine Kürzung von 1,85 Milliarden Euro pro ein wirklich wichtiges Thema auf die Tagesordnung ge- Jahr. In Wahrheit sparten Sie gar nichts. Das war näm- bracht haben. Das war gut. Frau Ministerin, es ist doch lich „linke Tasche, rechte Tasche“. Die Beiträge für die aber nicht Ihre Aufgabe als Arbeits- und Sozialministe- Langzeitarbeitslosen wurden nicht mehr bezahlt. Da- rin, Probleme zu benennen durch wurde der Haushalt von Herrn Schäuble geschönt. In Wahrheit fehlte das Geld natürlich in der Rentenkasse. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Aufzudecken!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat das oder Analysen anzustellen, sondern Ihre Aufgabe ist es vorgemacht!) doch, Vorschläge zur Lösung der Probleme auf den Tisch zu legen. Darauf warten wir bis heute. Summa summarum bedeutet das, dass Sie von 2011 bis 2016 mit diesem Manöver der Rentenkasse 19,5 Mil- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ liarden Euro entnommen haben. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Otto Fricke [FDP]: Entnommen?) Darüber hinaus haben Sie bei den Haushaltsberatun- Wie ging es weiter? – Frau Ministerin, Sie sind ja gen 2013 ein weiteres Mal in unnachahmlicher Weise in großartig darin, etwas anzukündigen. Das Problem ist die Rentenkasse gegriffen. Zum einen haben Sie den aber, dass dann nichts kommt. – Dann brachten Sie einen Vorwegabzug um 1 Milliarde Euro im Jahr 2013 und um Rentendialog auf den Weg, der ein Jahr lang dauerte. Sie 1,25 Milliarden Euro in den Folgejahren gekürzt. Damit haben mit vielen Experten gesprochen und Hochglanz- hat Herr Schäuble seinen Entwurf schöngerechnet. Das broschüren herausgegeben. Dadurch haben Sie den An- sind 4,75 Milliarden Euro – so steht es in Ihren Unter- schein von Aktivität erweckt. lagen –, die Sie angeblich konsolidiert haben – zulasten In Wahrheit ist dieser Rentendialog aber zu keinem der Rentenkasse. Zum anderen haben Sie durch die Ab- wirklichen Ergebnis gekommen. Das, was Sie nachher senkung des Beitrags von 19,6 Prozent auf 18,9 Prozent beim Bundeshaushalt gekürzt. (B) vorschlugen, war Ihre Zuschussrente. Ihre Zuschussrente (D) ist nicht nur von Ihren eigenen Leuten zerrissen worden, (Otto Fricke [FDP]: War das falsch? – Gegen- sondern von allen, übrigens auch von denjenigen, die an ruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE diesem Rentendialog beteiligt waren. Die Zuschussrente LINKE]: Sicher war das falsch!) kam natürlich nicht. Im Übrigen war sie eine Fehlgeburt, weil Sie eine sozialpolitische Leistung über Beiträge – Es wäre schön, wenn ich ausreden dürfte. finanzieren wollten. Das war schon einmal falsch. Sie haben es aber versäumt – das ist in diesem Land Was kam als Nächstes? Als Nächstes kam die Lebens- breit diskutiert worden –, die Chance zu nutzen, eine leistungsrente. Damit werden wir seit dem Herbst wirklich demografiefeste Reserve aufzubauen. Dazu la- beschäftigt. Das Problem dabei ist zum einen, dass die gen Ihnen Vorschläge aus diesem Haus und auch aus Lebensleistungsrente ein falscher Vorschlag ist, weil dem Bereich der Sozialpartner vor. Ich sage Ihnen ganz damit so getan wird, als würde sie eine Lebensleistung deutlich: Das wäre natürlich der bessere Weg gewesen. belohnen. In Wahrheit tut sie das aber gar nicht, weil sie Wir reden über Generationengerechtigkeit. Wir reden eine lächerliche Erhöhung von 10 bis 15 Euro im Monat darüber, was zusätzlich geschehen muss. Ich weise ge- dafür darstellt, meinsam mit den Kollegen von den Grünen ausdrücklich auf unser Konzept hin. Wenn wir zu Verbesserungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) kommen wollen – und das wollen wir –, dann kostet das natürlich Geld. dass die Menschen 40 Jahre lang in die gesetzliche Ren- tenversicherung eingezahlt und zusätzlich privat vorge- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Also nicht Vor- sorgt haben. sorge aufbauen, sondern mehr ausgeben!) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihre Wir wollen in Zukunft keine unverantwortlichen Solidarrente ist auch nicht höher!) Sprünge, sondern eine nachhaltige Finanzierung der ge- setzlichen Rente. Wir wollen eine Stärkung der Betriebs- Das Problem ist aber zum anderen: Wo ist eigentlich renten, die ein wichtiger ergänzender Beitrag sind. Auch die Vorlage dazu? Das sind alles persönliche Vorschläge Riester ist ein wichtiger Teil; auch da machen wir kein der Ministerin – die zurzeit leider nicht zuhört. In dieser komplettes Rollback. Koalition besteht aber keine Einigkeit in diesem Punkt. Darum kennen wir diesen Vorschlag bisher nur aus Ih- Richtig ist aber auch, dass man nicht alles, was man rem Mund. Er liegt nicht auf dem Tisch der zuständigen mal gemacht hat, immer weiterführen muss. Wenn man Ausschüsse. Unsere Trauer hält sich natürlich in Gren- hinterher erkennt, dass es Fehler gegeben hat, dann muss Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28259

Bettina Hagedorn (A) man auch den Mut haben, diese im Detail zu korrigieren. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Auch wenn Sie es im- (C) Dazu stehen wir. mer wieder wiederholen: Es ist nicht wahr!) Alles drei zusammengebunden ergibt eine gute Wir haben im Moment so viele sozialversicherungs- Zukunftssicherung. Dafür steht die SPD. Wir werden ab pflichtige Beschäftigte, wie es nach der Wiedervereini- Herbst versuchen, das gemeinsam mit Koalitionspart- gung lange nicht der Fall war. nern umzusetzen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die jungen Vielen Dank. Leute sind nur noch befristet beschäftigt!) (Beifall bei der SPD) Wir haben insgesamt so viele Beschäftigte in Deutsch- land wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Pascal (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Kober. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, um die Wurzeln des (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Rentenversicherungssystems zu stabilisieren. Genau deshalb, aus Überzeugung, haben wir, so wie Pascal Kober (FDP): es im Gesetz vorgeschrieben ist, unter anderem die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Rentenversicherungsbeiträge zum 1. Januar 2013 von will niemandem zu nahe treten, aber ich bin heute der 19,6 auf 18,9 Prozent abgesenkt. Warum? Weil das ge- jüngste Redner in dieser Debatte. meinsam für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer eine Entlastung von 6 Milliarden Euro bedeutet. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jünger als der Max Straubinger? – Heiterkeit bei Abgeordne- (Beifall bei der FDP) ten der FDP und der CDU/CSU) Es wird damit eine wirtschaftliche Dynamik entfacht, Ich freue mich über alle älteren Kollegen, die in dieser um weitere Arbeitsplätze zu schaffen und am Ende die Debatte das Thema Generationengerechtigkeit explizit wirtschaftliche Stabilität in unserem Land voranzubrin- angesprochen haben; denn darum geht es letztlich. gen, zu erhalten und weiter auszubauen. Das ist, wie Rentenpolitik bedeutet immer, mit Maß, langfristigem gesagt, die wichtigste Wurzel unseres Alterssicherungs- Denken und vorausschauendem Handeln an die Dinge systems. heranzugehen. Die kleinen Veränderungen im Renten- (B) versicherungssystem, in der Alterssicherung, die wir Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (D) heute beschließen, treffen in vollem Umfang sowohl im Herr Kollege Kober, erlauben Sie eine Zwischenfrage Positiven als auch im Negativen die künftigen Genera- des Kollegen Gysi? tionen, Generationen, die heute noch gar nicht auf der Welt sind. Wir müssen heute so vorausschauend han- deln, dass wir diese Generationen im Blick haben. Pascal Kober (FDP): Sehr gerne. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Haben Sie aber nicht! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Deswe- Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): gen machen Sie nichts?) Lieber Herr Kober, Sie sprechen von der jüngeren In einer rentenpolitischen Debatte ist es angebracht, Generation. Die Festlegungen, die wir heute treffen, dass man auf die Wurzeln des Systems zu sprechen gelten doch auch für diese jüngere Generation, wenn sie kommt. im Rentenalter ist. Was wir also heute mit Blick auf diese Generation versäumen, wird ihr später fehlen. – (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Das ist das eine. Idee!) Das Zweite. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, Das haben einige Redner der Koalition schon überzeu- dass der überwiegende Teil der prekären Beschäftigung gend getan; bei den jungen Leuten stattfindet? Ich nenne Ihnen nur (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eher eine Zahl: Von allen Menschen bis 35 Jahre haben weniger!) 55 Prozent nur noch ein befristetes Arbeitsverhältnis und kein unbefristetes. Dann haben sie mal wieder kein denn die Wurzeln des Rentenversicherungssystems sind Arbeitsverhältnis. Das heißt, die ganze Erwerbsbiografie vor allen Dingen eine gute wirtschaftliche Entwicklung ist durchbrochen. und zahlreiche sozialversicherungspflichtige Arbeits- plätze. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei Ihren Zahlen sind doch die Auszubildenden dabei!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn wir gerade bei der jungen Generation nichts In der Frage der sozialversicherungspflichtigen Ar- ändern, dann wird sie später in Altersarmut enden. Das beitsplätze ist diese Regierungskoalition erfolgreicher, ist das Problem, das wir anschneiden wollten und wor- als es viele Regierungskoalitionen vor ihr gewesen sind. über wir ganz sachlich miteinander diskutieren müssen, 28260 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Gregor Gysi (A) weil wir eine Lösung brauchen, gerade für die junge Bundeshaushalts als Zuschuss in die gesetzliche Renten- (C) Generation. versicherung einbezahlen –, dass Sie in den Ländern, in denen Sie regieren, nicht willens sind, die Verschuldung (Beifall bei der LINKEN) zurückzufahren. Grün-Rot in Baden-Württemberg – das ist irre; das muss man sich einmal vorstellen – hat ak- Pascal Kober (FDP): tuell 3 Milliarden Euro Steuereinnahmen mehr als die Lieber Herr Kollege Gysi, ich widerspreche Ihnen bei letzte schwarz-gelbe Regierungskoalition, gibt über den empirischen Befunden, nicht aber bei der Frage, die 5 Milliarden Euro mehr aus, treibt die Verschuldung Sie grundsätzlich anschneiden; denn das ist der Tenor hoch und verspielt die Zukunft künftiger Generationen. meiner Rede. Wir müssen Folgendes leisten: Wir müssen mehr Menschen in Beschäftigung bringen, mehr (Otto Fricke [FDP]: Ein Skandal ist das! – Menschen in gut bezahlte sozialversicherungspflichtige Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nachhaltigkeit Beschäftigung. geht anders! – Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das tun wir ja hat denn die Verschuldung aufgebaut? Wer hat auch!) denn da regiert?) Man muss an den Ursachen ansetzen, aber nicht, indem Das ist unverantwortlich und muss auch in einer Renten- man jetzt Ausgabenprogramme beschließt, die die künf- debatte benannt werden, weil die Zusammenhänge tigen Generationen nicht mehr bezahlen können, offensichtlich sind. Wer heute die Verschuldung in die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Höhe treibt, wird die Alterssicherung der Zukunft nicht der CDU/CSU) erreichen. und heute zusätzliche Belastungen bzw. Steuererhöhun- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gen beschließt, die am Ende nur Arbeitsplätze gefähr- der CDU/CSU) den. Diese Bundesregierung hingegen nimmt das Thema Ich glaube, Ihre Zielsetzung ist richtig. Nur, die Vor- Haushaltskonsolidierung mehr als ernst. schläge, die Sie machen, werden genau das Gegenteil (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Nein, sie deckt nur von dem erreichen, was Sie wollen. Deshalb lehnen wir auf! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Ihre Politik ab. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten machen Sie immer noch Schulden? Betreu- der CDU/CSU – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: ungsgeld! Hotelsteuer! Das ist doch keine (B) Machen Sie doch mal was! – Matthias W. Konsolidierung!) (D) Birkwald [DIE LINKE]: Sie machen gar Man muss sich das einmal vorstellen: In Zeiten wie nichts!) diesen ist es dieser Regierungskoalition gelungen, die Im Übrigen lehnen wir auch die Politik von Grün und Vorgaben der Schuldenbremse statt 2016 schon 2012 Rot ab, und zwar genau in dem Bereich, den ich gerade einzuhalten. Das ist eine verantwortungsvolle Politik. bei der Beantwortung der Frage von Herrn Gysi ange- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schnitten habe. der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe bei Uns ist es gelungen, die Ausgaben zu begrenzen. Wir Grün und Rot nicht, dass Sie auf der einen Seite zwar gehen nicht so vor wie die Regierungen der Länder, in etwas für die Alterssicherung in der Zukunft machen denen Sie regieren, beispielweise Rot-Grün in Nord- wollen – Sie müssen doch erkennen, dass die Vorausset- rhein-Westfalen. Dort steigern Sie die Ausgaben, ob- zung hierfür die sozialversicherungspflichtige Beschäfti- wohl Sie dazu überhaupt keinen Anlass haben. gung ist –, Sie aber auf der anderen Seite auf Ihren Parteitagen und, noch schlimmer, in Ihren Wahlprogram- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS men Steuererhöhungen beschließen, die den Mittelstand 90/DIE [GRÜNEN]: Die Schulden steigen und und das Handwerk mit Milliarden belasten werden. steigen durch Schwarz-Gelb! Sie bauen kein bisschen Schulden ab!) (Bettina Hagedorn [SPD]: So ein Quatsch! – Petra Ernstberger [SPD]: Haben Sie das Pro- Wir brauchen eine verantwortungsvolle Haushaltskonso- gramm schon? Wir haben es nicht!) lidierungspolitik – auch mit Blick auf die Sicherung der Alterssicherungssysteme. Damit legen Sie die Axt an die Wurzel des Rentenversi- cherungssystems. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Deswegen (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der brauchen wir einen Wechsel!) CDU/CSU) Als wir über die Zukunft der Alterssicherungssysteme Denn Sie nehmen billigend in Kauf, dass Hunderttau- und über die sozialversicherungspflichtige Beschäfti- sende Arbeitsplätze verloren gehen. gung gesprochen haben, haben schon viele zu Recht Ein Zweites, was ich nicht verstehen kann, ist – Sie gesagt – auch Sie, Herr Gysi –, dass man etwas gegen wissen doch, dass wir schon heute über ein Viertel des die unterbrochenen Erwerbsbiografien tun müsse. Da hat Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28261

Pascal Kober (A) diese Regierungskoalition schon Entscheidendes auf den heit und in der gleichen Regierungskonstellation fortset- (C) Weg gebracht. zen. Sie werden weiter auf Ihren Plätzen sitzen und uns dabei zusehen. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Was denn?) Vielen Dank. Ich nenne nur das Beispiel des Ausbaus der Kinder- betreuung als eine wesentliche Maßnahme, um der (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Unterbrechung von Erwerbsbiografien etwas entgegen- zusetzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Bettina Hagedorn [SPD]: Das war Schwarz- Jetzt hat das Wort der Kollege Peter Weiß von der Rot! Da waren Sie nicht dabei!) CDU/CSU-Fraktion. Die 4 Milliarden Euro, die von der vergangenen Regie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und rung beschlossen worden waren, hat diese Regierungs- der FDP) koalition noch einmal um knapp 600 Millionen Euro für zusätzlich 30 000 Kinderbetreuungsplätze erhöht; das Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): haben wir gemacht. Wir werden darüber hinaus ab 2014 Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! noch einmal 845 Millionen Euro jährlich für den Aus- Die deutschen Rentnerinnen und Rentner interessiert bau, den Erhalt und die Verbesserung der Kinderbetreu- und bewegt vor allen Dingen eines: Sie wollen Sicher- ung ausgeben. heit haben, dass die Rente monatlich ausgezahlt wird, (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und das Be- und sie wollen, was Rentenerhöhungen anbelangt, am treuungsgeld einführen!) wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland teilhaben können. Das ist eingeplant. Das ist ein ganz wesentlicher Bau- stein, um der Unterbrechung von Erwerbsbiografien ent- (Mechthild Rawert [SPD]: 10 Euro! 5 Euro!) gegenzuwirken. Die entscheidende, wichtigste Nachricht, die es heute (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der gibt, ist deswegen, dass wir in der Rentenversicherung CDU/CSU) die höchste Rücklage seit 20 Jahren haben, nämlich in Höhe von 29,4 Milliarden Euro. Das zeigt: Was die Nächstes Thema. In unserer Gesellschaft darf in Zu- Sicherung der Rentenfinanzen anbelangt – sie ist das kunft kein Kind mehr im Schulsystem und kein Jugend- Entscheidende –, ist diese Bundesregierung die erfolg- licher im Arbeitsmarkt verloren gehen. Was machen reichste seit Jahrzehnten. Darauf können wir stolz sein. wir? Wir haben ein Programm in Höhe von 400 Millio- (B) (D) nen Euro auf den Weg gebracht, mit dem 4 000 Kinder- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – tagesstätten speziell gefördert werden, um gerade Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Kindern, die es schwer haben, Kindern mit Migrations- Erde ist eine Scheibe! – Zuruf von der SPD: hintergrund, mit Sprachproblemen, den Einstieg in unser Was haben Sie denn eingezahlt?) Bildungssystem zu erleichtern. Das ist eine ganz wesent- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Rentnerinnen liche Aufgabe, der wir uns gestellt und bei der wir eine und Rentner in Deutschland sind nicht vergesslich. Sie überzeugende Lösung auf den Weg gebracht haben. können sich zum Beispiel an das Jahr 2005 erinnern. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) CDU/CSU) Im Jahr 2005 hatten wir keine Rücklage in der Renten- Wir haben – lieber Herr Gysi, auch das gehört zu versicherung. Wahrheit – gegenwärtig über 33 000 unbesetzte Aus- bildungsplätze. Das darf nicht so bleiben, wenn man be- (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!) denkt, dass gleichzeitig Kinder die Schule nicht schaffen Erstmals in der Geschichte der Deutschen Rentenversi- oder Jugendliche die Ausbildung nach kurzer Zeit ab- cherung musste der Bundesfinanzminister brechen müssen. Hier müssen wir früh ansetzen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Einspringen!) (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Wann wollen Sie das denn noch alles machen? Sie haben nicht ein Sonderdarlehen aus der Staatskasse an die Renten- mehr viel Zeit!) versicherung zahlen, damit im Herbst 2005 überhaupt Renten ausgezahlt werden konnten. Welch großer Unter- Das alles ist ein Thema der Rentenpolitik der Zukunft. schied zu heute! Wir müssen heute die Ausbildungs- und Bildungsfähig- keit der Kinder stärken. Das tun wir sehr überzeugend (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das war das Ergeb- (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Wo denn? Passiert nis rot-grüner Politik!) doch nichts bei dieser Regierung!) Die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland kön- in dem Sinne, die Wurzeln der Alterssicherung zu stär- nen sich sogar noch an das Jahr 1998 erinnern. 1998 ha- ken. ben wir in Deutschland einen Rentenwahlkampf erlebt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden dies al- Rot-Grün trat damals an und sagte: Wir wollen die les ab dem 22. September mit der gleichen Entschieden- Bundesregierung von CDU/CSU und FDP ablösen und 28262 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Peter Weiß (Emmendingen) (A) die letzte von Norbert Blüm in Gang gesetzte Rentenre- dazu führen, dass die Rentnerinnen und Rentner nicht (C) form rückgängig machen. – Mit diesem Versprechen hat mehr wie damals unter Rot-Grün damit rechnen müssen, Rot-Grün, wie wir wissen, sogar die Bundestagswahl (Bettina Hagedorn [SPD]: Sagen Sie doch mal was gewonnen. In der Tat hat Rot-Grün dann als Erstes zu der Rentenpolitik von Schwarz-Gelb!) beschlossen, die damalige Rentenreform rückgängig zu machen. dass ihnen eine Rentenerhöhung per Gesetz vorenthalten wird, also per Gesetz eine Nullrunde verordnet wird. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war ein Vielmehr können die Rentnerinnen und Rentner bis 2016 schwerer Fehler!) nach den derzeitigen Schätzungen mit einem Plus von Aber nur ein Jahr später ist der damalige Bundeskanz- 8,5 Prozent im Westen und 11,5 Prozent im Osten rech- ler Gerhard Schröder vor den Deutschen Bundestag und nen. vor die deutsche Öffentlichkeit getreten und hat erklärt: Es stimmt, was der Kollege Kolb gesagt hat: Je mehr Das, was wir getan haben – die Rücknahme der Renten- wir dafür sorgen und die Rahmenbedingungen dafür reform von 1998 –, war ein großer Fehler. schaffen, dass die Beschäftigung in Deutschland weiter (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So war’s!) ansteigt, also mehr Menschen im Berufsleben stehen und Rentenversicherungsbeiträge zahlen, umso eher sinkt Sprich: Der Rentenwahlkampf von 1998 war Lug und das Rentenniveau nicht. Das Sinken des Rentenniveaus Trug. Er war ein großer Fehler, weil die deutsche Bevöl- ist keine gesetzlich verordnete Maßnahme, sondern kerung, die deutschen Rentnerinnen und Rentner hinters hängt entscheidend davon ab, wie sich die Beschäfti- Licht geführt wurden. Wir wollen verhindern, dass das gung in Deutschland entwickelt. Gute Beschäftigungs- ein zweites Mal passiert. politik ist das beste Rezept für eine gute Rentenpolitik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Zuschauer, weshalb erinnere ich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: daran? Es ist wunderschön, in einer Rentendebatte wie Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage heute zu hören, der Kollegin Höll?

(Bettina Hagedorn [SPD]: Reden Sie doch mal Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): über Ihre Regierungszeit!) Bitte schön. welche Verbesserungen man sich für die heutigen und (B) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer hat denn bei den (D) die künftigen Rentnerinnen und Rentner vorstellen kann. Linken noch nicht gefragt?) Das erinnert mich sehr stark an den Herbst 1998; da ist das Gleiche gemacht worden. Das Ergebnis war nicht nur, dass Gerhard Schröder ein Jahr später all das als Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Fehler bezeichnet hat, sondern auch, dass die rot-grüne Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege, Koalition unter dem Zwang der Zahlen tiefer in das deut- Sie haben hier mit voller Stimme verkündet: Rot-Grün sche Rentenrecht eingegriffen hat, als es CDU/CSU und ist weiter gegangen, als Sie jemals gegangen sind. FDP je gewagt hätten. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ja. Deshalb sollte für die deutschen Wählerinnen und Wähler im Herbst 2013 gelten: Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Jetzt frage ich Sie: Warum haben Sie dann nicht eine (Ulrich Kelber [SPD]: Sie scheinen ja echt der Maßnahmen, die Rot-Grün verabschiedet hat, zu- Angst vor dem Wahlkampf zu haben!) rückgeholt – nicht eine einzige –, sondern im Gegenteil Liebe Bürgerinnen und Bürger, machen Sie den großen genau diesen Weg noch verschärft, indem Sie zum Bei- Fehler von 1998 nicht noch einmal! spiel die Rentenbeiträge für die Hartz-IV-Empfängerin- nen und Hartz-IV-Empfänger einfach gestrichen haben? (Ulrich Kelber [SPD]: Wählerbeschimpfung!) Diese Erklärung müssen Sie der Öffentlichkeit geben. Das Ergebnis der großartigen Versprechungen ist, dass Ich hoffe, dass Rot-Grün aus Fehlern gelernt hat und wir es nachher schlimmer kommt, als man es sich je gedacht vielleicht in der Zukunft gemeinsam etwas Ordentliches hat. hinbekommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Vor allen Aber Sie beschweren sich hier, und dann machen Sie Dingen, wenn die CDU/CSU an der Regierung nichts. Es ist nichts gekommen, Sie haben nichts zurück- ist! Dann wird es immer schlimmer!) geholt, Sie sind diesen Weg mitgegangen und haben ihn verschärft. Warum? Meine sehr geehrten Damen und Herren, die erfolg- reiche wirtschaftliche Entwicklung wird ausweislich des (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung auch der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28263

(A) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): (Beifall bei Abgeordneten der FDP) (C) Frau Kollegin Höll, wir haben nichts verschärft. Wir Unser Weg ist, ein ausgeglichenes Verhältnis von Belas- haben zum Beispiel ganz entscheidende Maßnahmen er- tungen und Entlastungen für Jung und Alt herzustellen. griffen, indem wir in der Großen Koalition zusammen Das sorgt für eine sichere Rente. Etwas anderes macht mit der SPD bei der Riester-Rente den Förderbetrag für die Rente kaputt. Kinder auf 300 Euro jährlich heraufgesetzt haben. Das ist eine ganz entscheidende Hilfe, gerade für Familien, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die Kinder haben. neten der FDP) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie ha- Auch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten ben die Beiträge für die Langzeiterwerbslosen haben wir, die Union, komplett gestrichen) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Wir haben im Hinblick auf die Rentenversicherung NIS 90/DIE GRÜNEN]: Unterbreiten Sie uns den Langzeitarbeitslosen einen Betrag gestrichen, der einen Vorschlag!) aus der Steuerkasse in die Rentenkasse geflossen ist und der zu einem so minimalen Rentenanspruch geführt zusammen mit der FDP 1986 erstmals in der Geschichte hätte, dass man ohnehin Grundsicherung hätte beantra- in das Rentenrecht eingeführt und 1992 noch einmal ver- gen müssen; das hätte den Leuten also gar nicht ge- bessert. holfen. Aber neu ist, dass wir die Zeiten der Lang- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- zeitarbeitslosigkeit als Anrechnungszeiten in der NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war damals 1986 Rentenversicherung anerkannt haben. Das ist entschei- ein Verfassungsgerichtsurteil!) dend. Unsere Absicht ist, diese Verbesserung weiterzuführen; (Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU]) denn ein Rentensystem funktioniert in der Tat nur dann, Das bedeutet zum Beispiel, dass jemand, der Er- wenn Männer und Frauen bereit sind, Kinder großzuzie- werbsminderungsrente aus der Langzeitarbeitslosigkeit hen, die dann künftig bereit sind, unsere Renten mitzu- heraus beantragen muss, im Zweifel heute eine höhere finanzieren. Erwerbsminderungsrente bekommt als nach dem alten (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Recht. Insofern sind das doch ganz entscheidende Refor- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Vor- men, die wir durchgeführt haben, die aber vielleicht bei schlag?) der Linkspartei und deren Rentenexperten nicht wahr- genommen worden sind. Dies ist eine entscheidende Reform, die nicht Rot (B) oder Grün und erst recht nicht die Linken erfunden ha- (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ben, sondern die wir, die Union, zusammen mit der FDP Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das erfunden haben: Wir wollen, dass Kindererziehung in stimmt nicht! Es wird genau beobachtet und der Rente stärker berücksichtigt wird. kritisiert!) (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Dann machen Sie Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was auch es doch! – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Dreiein- stimmt, ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem halb Jahre hatten Sie Zeit!) Land – junge wie alte – ein feines Gespür dafür haben, dass dieses Rentensystem nur funktionieren kann, wenn Wir wollen gerade den Frauen die Zusage machen: auch die Solidarität zwischen den Generationen funktio- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ niert. Deshalb will ich daran erinnern, was der Aus- DIE GRÜNEN]: Leeres Versprechen!) gangspunkt für all die Rentenreformen der letzten Jahrzehnte in Deutschland war. Ausgangspunkt war, Eure Erziehungsleistung findet sich konkret auch in der dass im Jahr 1987 – lang ist es her – die Prognos AG, Rentenzahlung wieder. von der Bundesregierung beauftragt, eine Studie durch- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – geführt hat, in der sie festgestellt hat, dass angesichts der Zuruf von der LINKEN: Dann können Sie Tatsache, dass die Zahl der Jungen abnimmt und die dem Antrag der Linken ja zustimmen!) Zahl der Älteren steigt, bei Nichtvornahme von Refor- men der Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr 2030 auf mindestens 36,6 Prozent, maximal sogar auf Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: 41,7 Prozent steigen würde. Allen jungen Leuten ist Herr Kollege Weiß, Ihre Redezeit ist abgelaufen. klar: 40 Prozent Rentenversicherungsbeitrag, dazu noch Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungs- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): beitrag und Steuern zahlen – da macht das Arbeiten Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, keinen Spaß mehr. unser Konzept ist klar: Wir wollen die Rente für Men- schen, die lange gearbeitet haben, aber leider zu wenig Deswegen war und ist es notwendig – übrigens wird verdient haben, aufstocken. keine politische Mehrheit im Deutschen Bundestag dem ausweichen können –: Unser Rentenversicherungs- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- system funktioniert nur, wenn es getragen wird von der NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Konzept? Solidarität der Alten und der Jungen. Es gibt kein Konzept! – Zurufe von der SPD) 28264 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Wir wollen, dass Erwerbsgeminderte, die wegen Krank- Sollen das die Beitragszahler, also unsere Kinder, bezah- (C) heit vorzeitig aus dem Erwerbsleben aussteigen, eine len? Oder wollen wir neue Schulden machen? Aber auch bessere Rente erhalten. Wir wollen, dass Mütter und dann zahlen unsere Kinder. Nur das Stichwort „Produk- Väter, die Kinder erzogen haben, eine bessere Rente er- tivitätsfortschritt“ hereinzurufen, das reicht nicht ganz halten. aus. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Konzept? [DIE LINKE]: Ich erkläre Ihnen das noch ein- Leere Versprechungen! Kein Konzept!) mal in einer ruhigen Stunde!) Das ist unser klares Rentenkonzept für die Zukunft. Man kann die demografische Entwicklung nicht igno- rieren; ich würde das auch gerne tun, aber das geht leider Vielen Dank. nicht. Das heißt, es muss irgendein Zusatzfaktor in das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Rentensystem eingeführt werden. Wir als SPD haben das gemacht. Wir als SPD stehen auch zukünftig für die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dreipoligkeit im Bereich Rente. Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der fort- Wir haben 29 Millionen Menschen, die in die gesetz- geschrittenen Zeit möchte ich Sie bitten, so weit wie liche Rente einzahlen. Das sind so viele wie nie zuvor möglich auf Zwischenfragen und Kurzinterventionen zu – da stimme ich allen Vorrednern zu –, aber wir wissen verzichten. nicht, wie lange es bei dieser Zahl bleibt. Wir wissen nicht, wie sich die Konjunktur entwickelt. Wir wissen Die nächste Rednerin ist die Kollegin Ingrid Arndt- aber, dass wir in Zukunft weniger Kinder haben werden. Brauer von der SPD-Fraktion. Wir werden also aufgrund des demografischen Wandels (Beifall bei der SPD) weniger Einzahler haben, sofern wir die Lücke nicht durch Zuwanderung ausgleichen. Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Wir haben neben der gesetzlichen Rente die betriebli- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! che Altersvorsorge, leider nicht für jeden. Nicht alle Ar- Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute steht beitsplätze beinhalten eine betriebliche Altersvorsorge. ein ernsthaftes Thema auf der Tagesordnung. Es geht um Gerade Frauen sind in dieser Gruppe schwach vertreten. die Rente. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir hier eine reine Wahlkampfschlacht erleben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Osten ist noch schwächer!) (B) (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D) der FDP) Derzeit haben 17 Millionen Arbeitnehmer eine betriebliche Altersvorsorge. Dauerhaft reicht das mit Das finde ich sehr schade. Sicherheit nicht aus. Hier muss mehr getan werden. Für Wir haben in Deutschland derzeit 20,5 Millionen diesen Bereich hat die Regierung in den letzten Jahren Rentenbezieher. In 20 Jahren werden es wahrscheinlich überhaupt nichts getan. 30 Millionen sein. Da liegt es natürlich nahe, mit so Weil wir von der SPD wissen, dass die beiden einer Gruppe Menschen Wahlkampf zu machen. Trotz- genannten Säulen schwach sind, haben wir die private dem finde ich, dass bei diesem Thema Ernsthaftigkeit Altersvorsorge eingeführt: Riester und Rürup sind hier angesagt ist. als Stichwörter zu nennen. Es geht dabei um Geld. Für die SPD sprechen aus- Es gibt viele Anträge zum Thema Riester-Förderung; schließlich Finanz- und Haushaltspolitiker, lassen Sie mich daher den Schwerpunkt meiner Ausfüh- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ach!) rungen darauf legen. Ich möchte in diesem Zusammen- hang nur kurz darauf hinweisen, dass auch das Problem um zu zeigen: Wir wollen die Rente, die wir den Men- der Selbstständigen während der Regierungszeit der jet- schen für die Zukunft versprechen, auch finanzieren zigen Regierungskoalition nicht angegangen worden ist. können. Wir haben es gehört: Es gibt knapp 16 Millionen (Beifall bei der SPD) Riester-Verträge. Bei der Anrechnung auf die Grund- sicherung gibt es Probleme. Das ist von allen erkannt In einigen vorliegenden Anträgen ist das Gegenteil der worden, Fall. Gerade in den Anträgen der Linken bleibt die Frage gelöst wurde es aber nicht. Da nützt es nichts, wenn man sich als CDU-Politiker hier hinstellt und sagt: der Finanzierung eher vage, sie wird hintangestellt. Das wollen wir alles klären. – Ich frage mich, wann. Sie Es ist nicht zu verantworten, auf Dauer irgendein haben noch fünf Monate Zeit. Danach ist die FDP Rentenniveau zu versprechen, wenn man genau weiß, vielleicht gar nicht mehr dabei, was sich hier viele wün- dass die Ausgaben in keinem zukünftigen Haushalt schen würden. Wir wissen nicht, ob Sie in der Ihnen gedeckt sind. Ein Rentenniveau von 53 Prozent – wir verbleibenden Zeit noch etwas auf den Weg bringen wissen nicht, wer das bezahlen soll. können. Die letzten dreieinhalb Jahre jedenfalls haben Sie so gut wie nichts getan. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das geht! Alle Erwerbstätigen zahlen ein!) (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28265

Ingrid Arndt-Brauer (A) Da ich Ernsthaftigkeit eingefordert habe, will ich kon- Alles in allem sagen wir: Sie haben ein paar Schritte (C) kret auf die vorliegenden Anträge eingehen. Zum Antrag in die richtige Richtung unternommen, aber der Weg ist der Linken „Riester-Förderung in die gesetzliche Rente zu korrigieren. Wir werden ihn korrigieren, wenn wir überführen“. Das ist illusorisch. Es ist nicht möglich, in wieder regieren. Fünf Monate noch – dann werden wir die Vertragsfreiheit einzugreifen. viel tun müssen. Die Rente ist ein wichtiger Bereich, den wir anpacken werden. Das verspreche ich hier. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Freiwil- lig!) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Eine 3-prozentige Erhöhung des Sicherungsniveaus kos- (Beifall bei der SPD) tet 30 Milliarden Euro. Das ist unverantwortlich. Deswe- gen lehnen wir diesen Antrag ab. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – Das Wort hat der Kollege Max Straubinger für die Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Freiwil- CDU/CSU-Fraktion. lig!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zum nächsten Antrag mit dem Titel „Wiederherstel- lung eines Lebensstandard sichernden und strukturell ar- Max Straubinger (CDU/CSU): mutsfesten Rentenniveaus“. Natürlich ist es auch unser Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ziel, das Rentenniveau zu halten. Ihre Vorschläge sind Wir haben es heute mit vielen Anträgen der Fraktion Die zwar nicht besonders zielführend. Da aber auch wir an Linke zur Rentenpolitik zu tun, die letztendlich alle illu- diesem Ziel festhalten, werden wir uns enthalten. sorisch sind. Sie stehen auf keinem guten, vor allen Din- gen nicht auf einem finanzierbaren Fundament. Den dritten Antrag – „Rente erst ab 67 sofort voll- ständig zurücknehmen“ – lehnen wir ab. Wir halten aus (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So ist es! – demografischen Gründen grundsätzlich an der Rente mit Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es wird 67 fest; das habe ich schon ausgeführt. Alles andere kön- nicht besser, wenn man es öfter sagt!) nen Sie unserem Wahlprogramm entnehmen. So ist es immer: Die Linke überzieht uns mit Anträgen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias die einer realistischen Prüfung nicht standhalten. Sie W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön, dass Sie es versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist so gesagt haben!) ihr gutes Recht; aber das werden die Bürgerinnen und Bürger in keiner Weise goutieren. Bei dem vierten Antrag – „Risiko der Erwerbsminde- (B) rung besser absichern“ – enthalten wir uns. Unsere Vor- Es ist schon bemerkenswert, dass der Kollege Gysi (D) schläge zu diesem Thema sind wesentlich besser. Sie hier ausgeführt hat, dass wir keine Beitragsbemessungs- sind in systematischer Hinsicht richtiger und zielgrup- grenze mehr brauchen – jeder zahlt ein –, er darüber hi- penorientierter; aber wir sind nicht grundsätzlich gegen naus aber in keiner Weise gesagt hat, ob auch jeder eine die Idee. Leistung daraus erhalten soll. Das hat er übersehen. Den fünften Antrag – „Rentenbeiträge für Langzeitar- (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das hat er beitslose wieder einführen“ – werden wir ablehnen. Wir gesagt!) halten ein neues Konzept in diesem Bereich für möglich. Das zeigt sehr deutlich: Sie haben kein richtiges renten- Ansonsten würde es nur eine Miniaufstockung geben. politisches Konzept. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unser (Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE Konzept ist das vom DGB!) LINKE]) Bei dem sechsten Antrag – „Kindererziehung in der Der Kollege Gysi hängt noch sehr in seiner DDR-Ver- Rente besser berücksichtigen“ – werden wir uns enthal- gangenheit. ten. Wir wollen das auch, aber nicht nach Ihrem System. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Dem siebten Antrag – „Rente nach Mindestentgelt- der FDP – Widerspruch bei der LINKEN) punkten entfristen“ – werden wir zustimmen. Das sehen wir wie Sie. Dort haben auch alle in ein System eingezahlt. Manche haben sich daraus stärker bedient, insbesondere Rechts- Bei dem achten Antrag – „Eine solidarische Renten- anwälte und andere Gruppierungen in diesem System. versicherung für alle Erwerbstätigen“ – werden wir uns Daran hängt der Kollege Gysi. Das will er uns als mo- enthalten. derne Rentenpolitik verkaufen. Den neunten Antrag – „Altersarmut wirksam be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und kämpfen – Solidarische Mindestrente einführen“ – leh- der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE nen wir ab. Wir lehnen eine Mindestrente innerhalb der LINKE]: Das ist klar, in Bayern gibt es keine gesetzlichen Rentenversicherung ab, weil Fürsorge- und Spezi-Wirtschaft! Da ist alles sehr gut!) Versicherungsprinzip nicht miteinander vermischt wer- den können. Es geht darum, einen guten und richtigen Weg für die Bürgerinnen und Bürger zu finden. Ich bin dankbar für (Beifall bei Abgeordneten der FDP) die Ausführungen des Kollegen Schiewerling und des 28266 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Max Straubinger (A) Kollegen Weiß. Erst seit es eine Regierung unter Bun- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja! (C) deskanzlerin Merkel an der Spitze gibt, können sich die Aber Sie sagen nie, was bei den Geringverdie- Rentnerinnen und Rentner wieder auf das gesetzliche nern hinten herauskommt!) Rentenversicherungssystem in Deutschland verlassen. Zusätzlich wirkt dieses System stabilisierend in die Zu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und kunft hinein. Denn die Mittel für die Riester-Renten der FDP – Petra Hinz [Essen] [SPD]: So ein müssen nicht über das Umlagesystem von – zukünftig Quatsch! Das sieht Blüm anders!) weniger – Beitragszahlern requiriert werden. Das ist der Sinn der Kapitaldeckung, die wir umgesetzt haben. Dies Unter Rot-Grün wurden alle Rücklagen der Rentenversi- ist zielführend und wird auch von dieser Koalition ver- cherung aufgebraucht. Es musste sogar ein für das Jahr treten. 2006 vorgesehener Zuschuss vorgezogen werden, damit im Dezember 2005 die Renten überhaupt zeitgerecht Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon über- ausgezahlt werden konnten. Das war die Bilanz von rot- rascht über die Konzepte, die heute vorgestellt worden grüner Rentenpolitik. sind: Der Kollege Strengmann-Kuhn hat sich hervorra- gend bemüht; das möchte ich anerkennen. Aber er hat (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die Finanzierungsfrage offen gelassen. Er hat die Höhe offen gelassen. Er hat offen gelassen, unter welchen Vo- Es gilt zu verhindern, dass sich dies wiederholt. Dazu raussetzungen und Kautelen eine Rente von 850 oder haben wir in der Großen Koalition wegweisende Be- 900 Euro zustande zu bringen ist. Er hat letztendlich al- schlüsse gefasst, die auch der demografischen Entwick- les offen gelassen. Es ist bei einem Wunschkonzert ge- lung Rechnung tragen. Hier möchte ich insbesondere blieben, wie bei den Linken üblich. Franz Müntefering unbedingt Respekt zollen, der dies mit umgesetzt hat. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte nur zehn (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Minuten!) Letztendlich gibt es nur ein Einmaleins, das für alle Auch das von der SPD vorgelegte Konzept – der neue Fraktionen Gültigkeit hat. Wir wissen, dass wir in Chefdiplomat und Kanzlerkandidat der SPD steht voll Deutschland immer älter werden. Gott sei Dank! Das ist und ganz dahinter – ist keine Alternative. Vorgesehen ist erfreulich. Das ist ein großer Fortschritt. Aber darauf die Rückabwicklung der Rente mit 67. Denn sonst hätte muss auch unser Rentenversicherungssystem eingestellt die SPD keine Einigkeit mit den Gewerkschaften zu- werden. Da haben wir nur vier Möglichkeiten: stande gebracht. (B) Wir können die Renten kürzen. – Das schließe ich für (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Quatsch! Ich (D) diese Koalition aus. habe das Gegenteil gesagt! – Bettina Hagedorn Wir können exorbitante Beitragssteigerungen in Kauf [SPD]: Das stimmt ja gar nicht!) nehmen. – Das schließe ich für diese Koalition aus. Das bedeutet eine Beitragssatzerhöhung auf 22 Prozent. Das ist das SPD-Konzept. Dann haben wir noch die Möglichkeit der Arbeitszeit- verlängerung. – Das ist ein probates Mittel. (Thomas Oppermann [SPD]: Das sieht Ihr Konzept doch auch vor!) Die letzte Möglichkeit ist die Verlängerung der Le- bensarbeitszeit. Zusätzlich werben Sie dafür, sich schon ab dem 60. Lebensjahr frei entscheiden zu können, in Rente zu In diesem Kontext liegen letztendlich unsere Ent- gehen. Ich frage mich, ob das gerecht sein kann und zur scheidungsmöglichkeiten. Da haben wir uns richtig ent- solidarischen Rentenversicherung passt. Denn so werden schieden, bis zum Jahr 2029 die Lebensarbeitszeit bis unserem Rentenversicherungssystem Beiträge älterer zum 67. Lebensjahr zu verlängern. Das ist letztendlich Arbeitnehmer entzogen. So früh in Rente zu gehen, kön- ein Kompromiss zwischen den Interessen der Generation nen sich nur Begüterte leisten, der Älteren, die nun natürlich auf die Rente bauen kön- nen, und denen der jungen Generation, die nicht mit un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gerechtfertigten, überdimensionierten Beitragsbelastun- neten der FDP) gen konfrontiert wird. nicht aber die Geringverdiener; die müssen weiterhin in (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die Rentenversicherung einzahlen. Ob das gerecht ist, muss die SPD selbst beantworten. Ich glaube, da hat sie Das ist ein Beitrag zur Stabilitätssicherung unseres Sys- sich vertan. tems. In diesem Sinne gibt es keine Alternative zu den Kon- Eine Ergänzung ist die Kapitaldeckung. Verehrte Kol- zepten von CDU/CSU und FDP. legen von der Linken, Sie haben das System völlig ver- (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Es gibt kein Kon- kannt. Wir wollen mit der zusätzlichen Förderung der zept! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kapitaldeckung Geringverdiener besser fördern. Die Wo ist es denn?) Riester-Förderung macht bei ihnen zum Teil 80 Prozent des gesamten Beitragsaufkommens für einen Altersvor- Bei uns können sich die Bürgerinnen und Bürger darauf sorgevertrag aus. verlassen, dass unsere gesetzliche Rente, die betriebliche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28267

Max Straubinger (A) Altersversorgung und die private Zusatzversorgung wei- Rentenpolitik kann man nicht völlig isoliert betrach- (C) terhin auf einem guten Fundament ruhen. ten. Rentenpolitik wird durch viele andere Politikfelder flankiert. Rentenpolitik ist von einer guten Finanz- und Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Wirtschaftspolitik abhängig, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da ist der FDP) gar nichts!) die wirtschaftliches Wachstum fördert, die unternehme- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: rische Initiative sich entfalten lässt, die die Beitragszah- ler nicht über Gebühr belastet und somit Ausgewogen- Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt heit gewährleistet. hat nun das Wort die Kollegin Bettina Kudla. Die Sozialversicherungssysteme zukunftsfest zu machen, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- das ist die große Herausforderung der kommenden Jahre. neten der FDP) Diese Zukunftsfestigkeit bedeutet: Es muss Ausgewo- genheit herrschen zwischen dem, was die Sozialversi- Bettina Kudla (CDU/CSU): cherungssysteme leisten können, dem, was die Beitrags- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen zahler leisten können, und dem, was der Bundeshaushalt und Herren! Lassen Sie mich als letzter Redner der De- leisten kann. batte (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Redne- der FDP) rin!) Das heißt, die Höhe der Zuschüsse aus dem Bundeshaus- einige wichtige Punkte zusammenfassen. Die Vorschläge halt in die Sozialversicherungssysteme darf nicht weiter der Fraktion Die Linke zum Rentensystem sind abzuleh- ansteigen. Wenn sie ansteigen muss, sind die Sozialver- nen, weil sie kontraproduktiv sind. Sie machen die Rente sicherungssysteme nicht solide finanziert. nicht sicherer, sondern unsicherer. Sie machen den Men- schen etwas vor, und die Vorschläge sind finanziell nicht Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Preisstabilität. unterlegt. Wer sich für eine hohe Rente der Bürger einsetzt, muss auch dafür sorgen, dass die Kaufkraft der Rente erhalten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bleibt. der FDP – Zurufe von der LINKEN) (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D) Besonders verwerflich und kritikwürdig finde ich, der FDP) dass Sie an die bewährte Struktur des Rentensystems he- rangehen wollen. Wo bitte schön gibt es ein Haus mit Die Preise müssen stabil bleiben. Dies können sie nur nur einer tragenden Wand? durch einen stabilen Euro und durch stabile Finanz- märkte. Wir haben bisher über 22 Maßnahmen zur Si- (Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD]) cherung der Stabilität der Finanzmärkte im Finanzaus- schuss auf den Weg gebracht. Sie stellen das bewährte Dreisäulensystem aus gesetzli- cher Rentenversicherung, betrieblicher Altersvorsorge Meine Herren von der SPD, und privater Vorsorge infrage. Das aber macht das Ren- tensystem sicher. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die SPD hat auch Damen!) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Dreisäulensystem ist gescheitert!) ich wundere mich darüber, wie leichtfertig Sie darüber sprechen können, dass es geradezu verwerflich sei, wenn Sie sägen weiterhin an der gesetzlichen Rentenversi- man die Beitragszahler entlaste. Mich wundert auch, cherung, indem Sie strukturelle Änderungen vorschlagen, meine Damen und Herren der Linken, wie leichtfertig die völlig unsinnig sind. Die gesetzliche Rentenversiche- Sie Riester kritisieren. Der Staat gibt enorm viel Geld rung basiert auf der Umlagefinanzierung. Umlagefinan- gerade den Geringverdienern dazu, damit diejenigen, die zierung heißt: Nur derjenige zahlt Beiträge, der arbeitet. ein geringes Einkommen haben, im Alter die sich daraus Das heißt: keine Rentenversicherungsbeiträge für Ar- ergebende Lücke schließen können, sich also ihre nied- beitslose. Ihr Vorschlag, die Rente mit 67 wieder auf die rige Rente etwas erhöht. Rente mit 65 zurückzufahren, ist abzulehnen. Es ist fi- nanziell nicht unterlegt. Stellen Sie sich das einmal vor: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jemand hört mit 65 auf, zu arbeiten, und es ist überhaupt Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist nicht absehbar, wie die Rente über die folgenden zwei mit ihrer Politik auf dem richtigen Weg! Jahre finanziert werden soll. Darüber hinaus fehlen die Beiträge für diese zwei Jahre. Ihre Politik ist realitätsfern Vielen Dank. und weltfremd. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Petra Hinz [Essen] [SPD]: Gescheitert und am der FDP) Ende!) 28268 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Drucksache 17/10990 mit dem Titel „Wiederherstellung (C) Ich schließe die Aussprache. eines Lebensstandard sichernden und strukturell armuts- festen Rentenniveaus“. Wer stimmt für diese Beschluss- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Drucksache 17/12436 an die in der Tagesordnung aufge- Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan- Stimmen der Koalitionsfraktionen und den Stimmen der den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be- Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und schlossen. bei Enthaltung der SPD. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ab- empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf lehnung des Antrags auf Drucksache 17/10992 mit dem Drucksache 17/12474. Zunächst stimmen wir ab über die Buchstaben b und e der Beschlussempfehlung, zu de- Titel „Risiko der Erwerbsminderung besser absichern“. nen die Fraktion Die Linke namentliche Abstimmung Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer verlangt hat. stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss- empfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Ko- Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung. alitionsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und bei Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Enthaltung von SPD und Grünen. Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ableh- nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksa- Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d che 17/10991 mit dem Titel „Rente erst ab 67 sofort seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags vollständig zurücknehmen“. auf Drucksache 17/10993 mit dem Titel „Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose wieder einführen“. Wer stimmt Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Plätze einzunehmen. – Sind die Urnen besetzt? – Das ist Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom- offenkundig der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung men mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der zu Buchstabe b der Beschlussempfehlung und bitte, die SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Linken und Ent- Stimmkarten einzuwerfen. haltung der Grünen. Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimm- Unter Buchstabe f seiner Beschlussempfehlung emp- karte eingeworfen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags auf schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszäh- lung zu beginnen. Drucksache 17/10995 mit dem Titel „Rente nach Mindest- entgeltpunkten entfristen“. Wer stimmt für diese Be- (B) (D) Nun kommen wir zur zweiten namentlichen Abstim- schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – mung. Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Grünen bei Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt un- Gegenstimmen der Linken und Enthaltung der SPD- ter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung wiederum Fraktion. die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/10994 mit dem Titel „Kindererziehung Des Weiteren empfiehlt der Ausschuss unter Buch- in der Rente besser berücksichtigen“. – Die Urnen sind stabe g seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des noch besetzt. Dann eröffne ich die Abstimmung und Antrags auf Drucksache 17/10997 mit dem Titel „Eine bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. solidarische Rentenversicherung für alle Erwerbstäti- Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimm- gen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – karte zur zweiten namentlichen Abstimmung eingewor- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- fen? – Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit fehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koali- der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der Ab- tionsfraktionen bei Gegenstimmen der Linken und Ent- stimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.1) haltung von SPD und Grünen. Ich möchte Sie bitten, sich auf Ihre Plätze zu begeben, Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe h da wir noch mehrere einfache Abstimmungen durchzu- seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags führen haben. Diejenigen, die nicht mehr teilnehmen auf Drucksache 17/10998 mit dem Titel „Altersarmut wollen, bitte ich, den Saal zu verlassen, damit ich einen wirksam bekämpfen – Solidarische Mindestrente einfüh- Überblick bekomme. ren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge- genstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh- Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp- lung ist angenommen mit den Stimmen aller Fraktionen fehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke. Drucksache 17/12474 zu sechs weiteren Anträgen der Fraktion Die Linke fort. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 c auf: Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags auf Dorothee Bär, Markus Grübel, Ingrid Fischbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der 1) Ergebnisse Seite 28271 A und 28273 C CDU/CSU sowie der Abgeordneten Nicole Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28269

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Bracht-Bendt, Miriam Gruß, Rainer Brüderle und mit hochgezogenen Augenbrauen daher, und sie lautet: (C) der Fraktion der FDP Wie machen Sie das eigentlich mit Ihrem Kind? Entgeltgleichheit für Frauen und Männer ver- Jede berufstätige Mutter, die ich kenne, hat diese wirklichen – Familienfreundliche Unterneh- Frage in ihrem Leben schon einmal gehört und sich da- men als Beitrag zur Gleichstellung der Ge- rüber geärgert, zum einen, weil diese Frage Vätern fast schlechter nie gestellt wird, – Drucksache 17/12483 – (Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!) Überweisungsvorschlag: zum anderen aber auch, weil der Subtext dieser Frage

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) lautet: Sie sind doch jetzt mit diesem Handicap nicht Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie mehr leistungsfähig. Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Die banale Frage „Wie machen Sie das eigentlich mit Technikfolgenabschätzung Ihrem Kind?“ sagt deshalb viel über die Gründe von un- Haushaltsausschuss gleich verteilten Chancen von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft aus. Wir haben eine Arbeitswelt, in b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christel der Leistungsfähigkeit mit uneingeschränkter Verfügbar- Humme, Caren Marks, Willi Brase, weiterer Ab- keit gleichgesetzt wird. Das ist einer der wesentlichen geordneter und der Fraktion der SPD Gründe dafür, warum Frauen in den Top-Führungsposi- Gleichstellung – Fortschritt – Jetzt – Durch tionen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind und eine konsistente Gleichstellungspolitik warum Frauen im Durchschnitt 22 Prozent weniger ver- dienen als Männer. – Drucksache 17/12487 – Überweisungsvorschlag: Wir reden also über ein kulturelles Problem. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) (Christel Humme [SPD]: Welche Rechtsausschuss Finanzausschuss Überraschung!)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Faire Chancen haben viel zu tun mit der Art, wie Leis- Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und tung im Unternehmen definiert wird und wie Arbeit ko- Technikfolgenabschätzung ordiniert wird. Sie haben mit der Frage zu tun, ob Prä- Haushaltsausschuss senz belohnt wird oder ob Effizienz belohnt wird, ob c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Meetings in der Regel vor 17 Uhr stattfinden oder nach (B) Künast, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, weiterer 19 Uhr und ob auch in Führungspositionen Teilzeitarbeit (D) Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ möglich ist. DIE GRÜNEN Faire Chancen haben also viel zu tun mit einer Ar- beitskultur des Respekts vor familiärer Verantwortung. Gleichstellung von Frauen und Männern im Das muss unsere Botschaft zum 102. Internationalen Lebensverlauf durchsetzen Frauentag sein, meine Damen und Herren. – Drucksache 17/12497 – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Wie hoch der Preis ist, den Frauen zurzeit für famili- Rechtsausschuss äre Fürsorge zahlen, kann man ganz einfach an den Ge- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie haltsstatistiken des Statistischen Bundesamtes ablesen. Ausschuss für Arbeit und Soziales Berufseinsteigerinnen verdienen etwa genauso viel wie Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind dafür Berufseinsteiger. Die Lücke beträgt 2 Prozent. Bei den eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch da- 25- bis 29-Jährigen beträgt die Lücke dann schon 8 Pro- gegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlos- zent, und bei den 35- bis 39-Jährigen liegt sie dann bei sen. über 20 Prozent. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- (Christel Humme [SPD]: Welche nerin das Wort der Bundesministerin Dr. Kristina Überraschung!) Schröder. Diese Zahlen sagen nicht, dass Frauen in den gleichen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Berufen und Positionen prinzipiell schlechter bezahlt der FDP) werden als Männer. Es handelt sich um Durchschnitts- werte für alle berufstätigen Frauen und Männer unab- Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami- hängig von der Qualifikation, der Berufserfahrung, der lie, Senioren, Frauen und Jugend: Position und der Ausbildung. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es Ein erheblicher Teil der Lohnlücke von 22 Prozent er- gibt eine Frage, mit der viele Frauen sich früher oder klärt sich dadurch, dass Frauen und Männer unterschied- später konfrontiert sehen, sei es im Vorstellungsge- liche Studienfächer und unterschiedliche Ausbildungs- spräch, beim Wiedereinstieg oder als gestandene Füh- berufe wählen: Über 70 Prozent der Studienanfänger in rungskraft. Diese Frage kommt gerne in Kombination den Kultur- und Sprachwissenschaften sind weiblich, 28270 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Bundesministerin Dr. Kristina Schröder (A) während der Frauenanteil in den Ingenieurwissenschaf- Die Unternehmen müssen sich daran messen lassen, an (C) ten bei 20 Prozent liegt. Das wirkt sich natürlich auch ihren eigenen Zielen, aber auch an den Zielen anderer auf die Durchschnittsgehälter aus: Ein Ingenieur wird in Unternehmen derselben Branche. Sie müssen diese Ziele der Regel besser bezahlt als eine Germanistin – eine In- rechtfertigen: vor der eigenen Belegschaft, vor dem ei- genieurin aber auch. genen Betriebsrat, vor einer kritischen Öffentlichkeit. Mir sagen viele Personaler, dass genau dieses öffentliche Was man an den Durchschnittszahlen aber ablesen Rechtfertigen-Müssen, dieser Druck, kann, ist eine der wesentlichen Ursachen für schlechtere Einkommensperspektiven von Frauen: Dass Frauen im (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Durchschnitt schlechter bezahlt werden, hat vor allen NEN]: Den gab es ja schon vor Ihnen!) Dingen damit zu tun, dass sie Mütter sind oder Mütter diese Transparenz die Veränderungen in Gang setzen, werden könnten. Ein Entgeltgleichheitsgesetz, wie SPD die dringend notwendig sind. und Grüne es fordern, geht deswegen nach meiner Über- zeugung völlig an den Problemen vorbei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Elke Ferner [SPD]: Sie gehen an den Proble- men vorbei!) Neben der Politik und den einzelnen Unternehmen stehen aber auch die Tarifpartner in der Verantwortung, Das Problem vieler Frauen ist doch, dass sie, wenn sie meine Damen und Herren, für faire Chancen und gleiche einmal im Job pausiert haben oder wenn sie Teilzeit ar- Einkommen zu sorgen. beiten wollen, gar keine gleichwertigen Aufgaben mehr bekommen. Zeit für Familie wird bestraft mit schlechte- (Mechthild Rawert [SPD]: Wo stehen Sie denn ren Chancen; das ist die Ungerechtigkeit, und da müssen in der Verantwortung?) wir an die Ursachen ran. Wichtig ist zum einen, sich bei Tarifverhandlungen nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und einseitig am typisch männlichen Lebensmodell mit der der FDP – Christel Humme [SPD]: Was ist mit Vollzeiterwerbsbiografie zu orientieren. Zum anderen den Frauen, die benachteiligt werden und brauchen wir aber auch dringend eine Neubewertung ty- keine Kinder haben? Dummes Zeug!) pischer Frauenberufe. Männertypische Berufe werden vielfach deshalb besser bezahlt als frauentypische Be- Zum einen müssen wir sicherstellen, dass alle Mütter rufe, weil besondere Belastungen anders gewichtet wer- und Väter, die arbeiten wollen, gute Betreuung für ihr den. Bei Müllmännern zum Beispiel ist das Heben Kind bekommen; denn eines ist völlig klar: Familie und schwerer Lasten ein Kriterium für die Arbeitsplatzbe- (B) Beruf gehen nur dort zusammen, wo es ausreichend wertung – das ist auch richtig so –; bei Pflegeberufen, (D) Kitaplätze gibt. Letzte Woche hat der Landkreistag ganz die vor allen Dingen von Frauen ausgeübt werden, ist aktuelle Zahlen vorgelegt, die zeigen, dass die meisten das jedoch nicht der Fall, obwohl zur körperlichen Be- Landkreise rechtzeitig zum Inkrafttreten des Rechtsan- lastung oft auch noch die psychische Belastung hinzu- spruchs den Bedarf an Kitaplätzen decken werden. Pro- kommt. Wir brauchen Verfahren für geschlechterge- bleme haben diejenigen Großstädte, die das Thema zu rechte Lohnfindung. Frauen verdienen mehr; das gilt für lange vor sich hergeschoben haben. Aber auch hier wird viele frauentypische Berufe. der Bund alles tun, um diesen Städten beim Aufholen zu helfen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Zum anderen brauchen wir aber auch Veränderungen in der Arbeitswelt, die Frauen den Weg nach oben eb- Gleichberechtigung und faire Chancen für Frauen zu nen. Die DAX-30-Unternehmen haben daher, auf meine fördern, bleibt eine wichtige Aufgabe, meine Damen und Initiative hin, Herren. Bei allen Meinungsverschiedenheiten über die Wahl der Mittel sollten wir gerade im Hinblick auf den (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Internationalen Frauentag nicht vergessen, dass uns auch NEN]: Oh!) etwas eint: Wir alle streiten für eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer dieselben Chancen haben. individuelle Ziele für den Frauenanteil in Führungsposi- tionen beschlossen, (Caren Marks [SPD]: Sie nicht! Sie sagen das nur!) (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wie revolutionär! – Zuruf von der Dieser Streit ist kein erstarrtes Frauentagsritual, sondern SPD: Das ist der Knaller!) ein produktives Ringen um den besten Weg. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass unsere Töchter, aber auch unsere und zwar für alle Führungspositionen. Wenn diese Ziele Söhne davon profitieren werden. umgesetzt werden, dann wird das allein in den DAX-30- (Christel Humme [SPD]: So lange kann ich Unternehmen 5 400 Frauen den Weg in Führungspositio- jetzt nicht mehr warten!) nen ebnen. Herzlichen Dank. (Mechthild Rawert [SPD]: Wenn das Wört- chen „wenn“ nicht wär!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28271

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Rente (C) Ich gebe Ihnen jetzt die von den Schriftführerinnen erst ab 67 sofort vollständig zurücknehmen“ auf der und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden Drucksache 17/10991. Abgegeben wurden 524 Stim- namentlichen Abstimmungen bekannt: men. Mit Ja haben gestimmt 457, mit Nein haben gestimmt 58. 9 Kolleginnen und Kollegen haben sich Erstens. Namentliche Abstimmung über die Be- enthalten. Damit ist die Beschlussempfehlung angenom- schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und So- men. ziales auf der Drucksache 17/12474, Buchstabe b, zu

Endgültiges Ergebnis Michael Frieser Axel Knoerig Dr. Peter Ramsauer Abgegebene Stimmen: 522; Erich G. Fritz Jens Koeppen Lothar Riebsamen davon Hans-Joachim Fuchtel Dr. Rolf Koschorrek Josef Rief Alexander Funk Hartmut Koschyk Klaus Riegert ja: 456 Ingo Gädechens Thomas Kossendey Dr. Heinz Riesenhuber nein: 57 Dr. Peter Gauweiler Michael Kretschmer Johannes Röring enthalten: 9 Dr. Thomas Gebhart Gunther Krichbaum Dr. Norbert Röttgen Norbert Geis Dr. Günter Krings Dr. Christian Ruck Ja Alois Gerig Rüdiger Kruse Erwin Rüddel Eberhard Gienger Bettina Kudla Albert Rupprecht (Weiden) CDU/CSU Josef Göppel Dr. Hermann Kues Anita Schäfer (Saalstadt) Peter Götz Günter Lach Dr. Wolfgang Schäuble Ilse Aigner Ute Granold Dr. Karl A. Lamers Dr. Annette Schavan Reinhard Grindel (Heidelberg) Dr. Andreas Scheuer Peter Aumer Hermann Gröhe Andreas G. Lämmel Karl Schiewerling Dorothee Bär Michael Grosse-Brömer Dr. Norbert Lammert Norbert Schindler Norbert Barthle Markus Grübel Katharina Landgraf Tankred Schipanski Günter Baumann Manfred Grund Dr. Max Lehmer Georg Schirmbeck Ernst-Reinhard Beck Monika Grütters Paul Lehrieder Christian Schmidt (Fürth) (Reutlingen) Olav Gutting Dr. Ursula von der Leyen Patrick Schnieder Manfred Behrens (Börde) Florian Hahn Ingbert Liebing Dr. Andreas Schockenhoff Veronika Bellmann Dr. Stephan Harbarth Matthias Lietz Nadine Schön (St. Wendel) (B) Peter Beyer Gerda Hasselfeldt Dr. Carsten Linnemann Dr. Kristina Schröder (D) Steffen Bilger Dr. Matthias Heider Patricia Lips (Wiesbaden) Clemens Binninger Helmut Heiderich Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Ole Schröder Peter Bleser Mechthild Heil Daniela Ludwig Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Maria Böhmer Frank Heinrich Dr. Michael Luther Uwe Schummer Wolfgang Börnsen Rudolf Henke Karin Maag Armin Schuster (Weil am (Bönstrup) Michael Hennrich Dr. Thomas de Maizière Rhein) Wolfgang Bosbach Ansgar Heveling Hans-Georg von der Marwitz Detlef Seif Norbert Brackmann Ernst Hinsken Andreas Mattfeldt Johannes Selle Klaus Brähmig Peter Hintze Stephan Mayer (Altötting) Reinhold Sendker Michael Brand Christian Hirte Dr. Michael Meister Dr. Patrick Sensburg Dr. Reinhard Brandl Robert Hochbaum Dr. Angela Merkel Bernd Siebert Helmut Brandt Karl Holmeier Maria Michalk Thomas Silberhorn Dr. Ralf Brauksiepe Franz-Josef Holzenkamp Dr. Mathias Middelberg Johannes Singhammer Dr. Helge Braun Joachim Hörster Philipp Mißfelder Jens Spahn Heike Brehmer Anette Hübinger Dietrich Monstadt Carola Stauche Ralph Brinkhaus Hubert Hüppe Dr. Gerd Müller Dr. Frank Steffel Cajus Caesar Thomas Jarzombek Stefan Müller (Erlangen) Erika Steinbach Gitta Connemann Dieter Jasper Dr. Philipp Murmann Christian Freiherr von Stetten Alexander Dobrindt Dr. Franz Josef Jung Michaela Noll Dieter Stier Thomas Dörflinger Andreas Jung (Konstanz) Franz Obermeier Gero Storjohann Marie-Luise Dött Dr. Egon Jüttner Eduard Oswald Stephan Stracke Dr. Thomas Feist Bartholomäus Kalb Henning Otte Max Straubinger Enak Ferlemann Hans-Werner Kammer Dr. Michael Paul Karin Strenz Ingrid Fischbach Steffen Kampeter Rita Pawelski Lena Strothmann Hartwig Fischer (Göttingen) Alois Karl Ulrich Petzold Michael Stübgen Dirk Fischer (Hamburg) Bernhard Kaster Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Peter Tauber Axel E. Fischer (Karlsruhe- Siegfried Kauder (Villingen- Sibylle Pfeiffer Antje Tillmann Land) Schwenningen) Beatrix Philipp Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Maria Flachsbarth Volker Kauder Ronald Pofalla Arnold Vaatz Klaus-Peter Flosbach Dr. Stefan Kaufmann Christoph Poland Volkmar Vogel (Kleinsaara) Herbert Frankenhauser Roderich Kiesewetter Ruprecht Polenz Stefanie Vogelsang Dr. Hans-Peter Friedrich Volkmar Klein Eckhard Pols Andrea Astrid Voßhoff (Hof) Jürgen Klimke Thomas Rachel Dr. Johann Wadephul 28272 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Marco Wanderwitz Hans-Ulrich Klose Christine Aschenberg- Judith Skudelny (C) Kai Wegner Dr. Bärbel Kofler Dugnus Dr. Hermann Otto Solms Marcus Weinberg (Hamburg) Daniela Kolbe (Leipzig) Daniel Bahr (Münster) Joachim Spatz Peter Weiß (Emmendingen) Anette Kramme Florian Bernschneider Dr. Max Stadler Sabine Weiss (Wesel I) Angelika Krüger-Leißner Sebastian Blumenthal Dr. Rainer Stinner Ingo Wellenreuther Christine Lambrecht Claudia Bögel Stephan Thomae Karl-Georg Wellmann Dr. Karl Lauterbach Nicole Bracht-Bendt Manfred Todtenhausen Peter Wichtel Burkhard Lischka Klaus Breil Dr. Florian Toncar Annette Widmann-Mauz Kirsten Lühmann Ernst Burgbacher Serkan Tören Klaus-Peter Willsch Caren Marks Marco Buschmann Johannes Vogel Elisabeth Winkelmeier- Petra Merkel (Berlin) Helga Daub (Lüdenscheid) Becker Ullrich Meßmer Reiner Deutschmann Dr. Guido Westerwelle Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Miersch Bijan Djir-Sarai Dr. Claudia Winterstein Dr. Matthias Zimmer Franz Müntefering Patrick Döring Dr. Volker Wissing Wolfgang Zöller Dr. Rolf Mützenich Mechthild Dyckmans Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Willi Zylajew Dietmar Nietan Hans-Werner Ehrenberg Manfred Nink Rainer Erdel BÜNDNIS 90/ SPD Thomas Oppermann Jörg van Essen DIE GRÜNEN Aydan Özoğuz Ingrid Arndt-Brauer Ulrike Flach Marieluise Beck (Bremen) Heinz Paula Rainer Arnold Otto Fricke Volker Beck (Köln) Johannes Pflug Heinz-Joachim Barchmann Dr. Edmund Peter Geisen Cornelia Behm Joachim Poß Doris Barnett Dr. Wolfgang Gerhardt Birgitt Bender Dr. Wilhelm Priesmeier Sören Bartol Hans-Michael Goldmann Agnes Brugger Florian Pronold Bärbel Bas Heinz Golombeck Ekin Deligöz Dr. Sascha Raabe Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dr. Christel Happach-Kasan Katja Dörner Mechthild Rawert Dirk Becker Manuel Höferlin Harald Ebner Stefan Rebmann Uwe Beckmeyer Birgit Homburger Hans-Josef Fell Gerd Bollmann Gerold Reichenbach Heiner Kamp Dr. Thomas Gambke Dr. Carola Reimann Willi Brase Michael Kauch Kai Gehring Sönke Rix Edelgard Bulmahn Dr. Lutz Knopek Katrin Göring-Eckardt René Röspel Martin Burkert Pascal Kober Britta Haßelmann Dr. Ernst Dieter Rossmann Petra Crone Dr. Heinrich L. Kolb Bettina Herlitzius Karin Roth (Esslingen) Dr. Peter Danckert Gudrun Kopp Dr. Anton Hofreiter Marlene Rupprecht Martin Dörmann Dr. h. c. Jürgen Koppelin Bärbel Höhn (Tuchenbach) (B) Elvira Drobinski-Weiß Holger Krestel Ingrid Hönlinger (D) Annette Sawade Sebastian Edathy Patrick Kurth (Kyffhäuser) Susanne Kieckbusch Axel Schäfer (Bochum) Ingo Egloff Heinz Lanfermann Sven-Christian Kindler Marianne Schieder Siegmund Ehrmann Sibylle Laurischk Ute Koczy (Schwandorf) Petra Ernstberger Harald Leibrecht Tom Koenigs Ulla Schmidt (Aachen) Elke Ferner Sabine Leutheusser- Sylvia Kotting-Uhl Carsten Schneider (Erfurt) Gabriele Fograscher Schnarrenberger Oliver Krischer Swen Schulz (Spandau) Dr. Edgar Franke Lars Lindemann Renate Künast Frank Schwabe Michael Gerdes Dr. Martin Lindner (Berlin) Markus Kurth Dr. Martin Schwanholz Martin Gerster Michael Link (Heilbronn) Undine Kurth (Quedlinburg) Rolf Schwanitz Iris Gleicke Oliver Luksic Dr. Tobias Lindner Stefan Schwartze Günter Gloser Patrick Meinhardt Nicole Maisch Rita Schwarzelühr-Sutter Angelika Graf (Rosenheim) Gabriele Molitor Jerzy Montag Dr. Carsten Sieling Kerstin Griese Jan Mücke Kerstin Müller (Köln) Sonja Steffen Gabriele Groneberg Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Konstantin von Notz Peer Steinbrück Michael Groß Dirk Niebel Omid Nouripour Dr. Frank-Walter Steinmeier Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Otto Friedrich Ostendorff Christoph Strässer Hans-Joachim Hacker (Frankfurt) Brigitte Pothmer Kerstin Tack Bettina Hagedorn Cornelia Pieper Tabea Rößner Dr. h. c. Klaus Hagemann Gisela Piltz Krista Sager Franz Thönnes Hubertus Heil (Peine) Dr. Christiane Ratjen- Elisabeth Scharfenberg Wolfgang Tiefensee Wolfgang Hellmich Damerau Dr. Gerhard Schick Rüdiger Veit Rolf Hempelmann Jörg von Polheim Ulrich Schneider Dr. Marlies Volkmer Dr. Barbara Hendricks Dr. Birgit Reinemund Dorothea Steiner Andrea Wicklein Gustav Herzog Hagen Reinhold Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Dieter Wiefelspütz Petra Hinz (Essen) Dr. Peter Röhlinger Kuhn Uta Zapf Dr. Eva Högl Dr. Stefan Ruppert Hans-Christian Ströbele Dagmar Ziegler Christel Humme Björn Sänger Dr. Harald Terpe Manfred Zöllmer Oliver Kaczmarek Frank Schäffler Markus Tressel Brigitte Zypries Johannes Kahrs Jimmy Schulz Daniela Wagner Dr. h. c. Susanne Kastner Marina Schuster Beate Walter-Rosenheimer FDP Ulrich Kelber Dr. Erik Schweickert Wolfgang Wieland Lars Klingbeil Jens Ackermann Werner Simmling Josef Philip Winkler Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28273

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Nein Annette Groth Yvonne Ploetz fraktionsloser (C) Dr. Gregor Gysi Michael Schlecht Abgeordneter DIE LINKE Heike Hänsel Dr. Ilja Seifert Wolfgang Nešković Dr. Rosemarie Hein Jan van Aken Kathrin Senger-Schäfer Dr. Barbara Höll Agnes Alpers Andrej Hunko Raju Sharma Enthalten Dr. Dietmar Bartsch Ulla Jelpke Dr. Petra Sitte Herbert Behrens Harald Koch Sabine Stüber SPD Karin Binder Jan Korte Alexander Süßmair Matthias W. Birkwald Gabriele Hiller-Ohm Jutta Krellmann Dr. Kirsten Tackmann Steffen-Claudio Lemme Steffen Bockhahn Katrin Kunert Eva Bulling-Schröter Frank Tempel Caren Lay Dr. Martina Bunge Dr. Axel Troost BÜNDNIS 90/ Sabine Leidig DIE GRÜNEN Roland Claus Ralph Lenkert Kathrin Vogler Dr. Diether Dehm Ulla Lötzer Johanna Voß Thilo Hoppe Heidrun Dittrich Dr. Gesine Lötzsch Uwe Kekeritz Werner Dreibus Thomas Lutze Maria Klein-Schmeink Halina Wawzyniak Dr. Dagmar Enkelmann Dorothée Menzner Monika Lazar Klaus Ernst Niema Movassat Harald Weinberg Beate Müller-Gemmeke Nicole Gohlke Thomas Nord Katrin Werner Dr. Hermann Ott Diana Golze Petra Pau Jörn Wunderlich Arfst Wagner (Schleswig)

Zweitens. Namentliche Abstimmung über die Be- der Drucksache 17/10994. Abgegeben wurden 520 Stim- schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und So- men. Mit Ja haben gestimmt 296 Kolleginnen und Kolle- ziales auf der Drucksache 17/12474, Buchstabe e, zu gen, mit Nein 60. Es gab 164 Enthaltungen. Damit ist dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kin- die Beschlussempfehlung angenommen. dererziehung in der Rente besser berücksichtigen“ auf

Endgültiges Ergebnis Dr. Ralf Brauksiepe Hermann Gröhe Siegfried Kauder (Villingen- (B) Abgegebene Stimmen: 520; Dr. Helge Braun Michael Grosse-Brömer Schwenningen) (D) davon Heike Brehmer Markus Grübel Volker Kauder Ralph Brinkhaus Manfred Grund Dr. Stefan Kaufmann ja: 296 Cajus Caesar Monika Grütters Roderich Kiesewetter nein: 60 Gitta Connemann Olav Gutting Vo l k m a r K l e i n enthalten: 164 Alexander Dobrindt Florian Hahn Jürgen Klimke Thomas Dörflinger Dr. Stephan Harbarth Axel Knoerig Ja Marie-Luise Dött Gerda Hasselfeldt Jens Koeppen Dr. Thomas Feist Dr. Matthias Heider Dr. Rolf Koschorrek CDU/CSU Enak Ferlemann Helmut Heiderich Hartmut Koschyk Ingrid Fischbach Mechthild Heil Thomas Kossendey Ilse Aigner Hartwig Fischer (Göttingen) Frank Heinrich Michael Kretschmer Peter Altmaier Dirk Fischer (Hamburg) Rudolf Henke Gunther Krichbaum Peter Aumer Axel E. Fischer (Karlsruhe- Michael Hennrich Dr. Günter Krings Dorothee Bär Land) Rüdiger Kruse Ansgar Heveling Norbert Barthle Dr. Maria Flachsbarth Bettina Kudla Ernst Hinsken Günter Baumann Klaus-Peter Flosbach Dr. Hermann Kues Peter Hintze Ernst-Reinhard Beck Herbert Frankenhauser Günter Lach Christian Hirte (Reutlingen) Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Karl A. Lamers Manfred Behrens (Börde) (Hof) Robert Hochbaum (Heidelberg) Veronika Bellmann Michael Frieser Karl Holmeier Andreas G. Lämmel Peter Beyer Erich G. Fritz Franz-Josef Holzenkamp Dr. Norbert Lammert Steffen Bilger Hans-Joachim Fuchtel Joachim Hörster Katharina Landgraf Clemens Binninger Alexander Funk Anette Hübinger Dr. Max Lehmer Peter Bleser Ingo Gädechens Hubert Hüppe Paul Lehrieder Dr. Maria Böhmer Dr. Peter Gauweiler Thomas Jarzombek Dr. Ursula von der Leyen Wolfgang Börnsen Dr. Thomas Gebhart Dieter Jasper Ingbert Liebing (Bönstrup) Norbert Geis Dr. Franz Josef Jung Matthias Lietz Wolfgang Bosbach Alois Gerig Andreas Jung (Konstanz) Dr. Carsten Linnemann Norbert Brackmann Eberhard Gienger Dr. Egon Jüttner Patricia Lips Klaus Brähmig Josef Göppel Bartholomäus Kalb Dr. Jan-Marco Luczak Michael Brand Peter Götz Hans-Werner Kammer Daniela Ludwig Dr. Reinhard Brandl Ute Granold Steffen Kampeter Dr. Michael Luther Helmut Brandt Reinhard Grindel Bernhard Kaster Karin Maag 28274 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Dr. Thomas de Maizière Christian Freiherr von Stetten Pascal Kober Eva Bulling-Schröter (C) Hans-Georg von der Marwitz Dieter Stier Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Martina Bunge Andreas Mattfeldt Gero Storjohann Gudrun Kopp Roland Claus Stephan Mayer (Altötting) Stephan Stracke Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. Diether Dehm Dr. Michael Meister Max Straubinger Holger Krestel Heidrun Dittrich Dr. Angela Merkel Karin Strenz Patrick Kurth (Kyffhäuser) Werner Dreibus Maria Michalk Lena Strothmann Heinz Lanfermann Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Mathias Middelberg Michael Stübgen Sibylle Laurischk Klaus Ernst Philipp Mißfelder Dr. Peter Tauber Harald Leibrecht Wolfgang Gehrcke Dietrich Monstadt Antje Tillmann Sabine Leutheusser- Nicole Gohlke Dr. Gerd Müller Dr. Hans-Peter Uhl Schnarrenberger Diana Golze Stefan Müller (Erlangen) Arnold Vaatz Lars Lindemann Annette Groth Dr. Philipp Murmann Volkmar Vogel (Kleinsaara) Dr. Martin Lindner (Berlin) Dr. Gregor Gysi Michaela Noll Stefanie Vogelsang Michael Link (Heilbronn) Heike Hänsel Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff Oliver Luksic Dr. Rosemarie Hein Eduard Oswald Dr. Johann Wadephul Patrick Meinhardt Dr. Barbara Höll Henning Otte Marco Wanderwitz Gabriele Molitor Andrej Hunko Dr. Michael Paul Kai Wegner Jan Mücke Ulla Jelpke Rita Pawelski Marcus Weinberg (Hamburg) Burkhardt Müller-Sönksen Harald Koch Ulrich Petzold Peter Weiß (Emmendingen) Dirk Niebel Jan Korte Dr. Joachim Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Hans-Joachim Otto Jutta Krellmann Sibylle Pfeiffer Ingo Wellenreuther (Frankfurt) Katrin Kunert Beatrix Philipp Karl-Georg Wellmann Cornelia Pieper Caren Lay Ronald Pofalla Peter Wichtel Gisela Piltz Sabine Leidig Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Dr. Christiane Ratjen- Ralph Lenkert Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Damerau Ulla Lötzer Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Jörg von Polheim Dr. Gesine Lötzsch Thomas Rachel Becker Dr. Birgit Reinemund Thomas Lutze Dr. Peter Ramsauer Dagmar G. Wöhrl Hagen Reinhold Dorothée Menzner Lothar Riebsamen Dr. Matthias Zimmer Dr. Peter Röhlinger Niema Movassat Josef Rief Wolfgang Zöller Dr. Stefan Ruppert Thomas Nord Klaus Riegert Willi Zylajew Björn Sänger Petra Pau Dr. Heinz Riesenhuber Frank Schäffler Yvonne Ploetz Johannes Röring SPD Jimmy Schulz Michael Schlecht Dr. Norbert Röttgen Marina Schuster Dr. Ilja Seifert (B) Hans-Ulrich Klose (D) Dr. Christian Ruck Dr. Erik Schweickert Kathrin Senger-Schäfer Erwin Rüddel Werner Simmling Raju Sharma FDP Albert Rupprecht (Weiden) Judith Skudelny Dr. Petra Sitte Anita Schäfer (Saalstadt) Jens Ackermann Dr. Hermann Otto Solms Sabine Stüber Dr. Wolfgang Schäuble Christine Aschenberg- Joachim Spatz Alexander Süßmair Dr. Annette Schavan Dugnus Dr. Max Stadler Dr. Kirsten Tackmann Dr. Andreas Scheuer Daniel Bahr (Münster) Dr. Rainer Stinner Frank Tempel Karl Schiewerling Florian Bernschneider Stephan Thomae Dr. Axel Troost Norbert Schindler Sebastian Blumenthal Manfred Todtenhausen Kathrin Vogler Tankred Schipanski Claudia Bögel Dr. Florian Toncar Johanna Voß Georg Schirmbeck Nicole Bracht-Bendt Serkan Tören Sahra Wagenknecht Christian Schmidt (Fürth) Klaus Breil Johannes Vogel Halina Wawzyniak Patrick Schnieder Ernst Burgbacher (Lüdenscheid) Harald Weinberg Dr. Andreas Schockenhoff Marco Buschmann Dr. Guido Westerwelle Katrin Werner Nadine Schön (St. Wendel) Helga Daub Dr. Claudia Winterstein Jörn Wunderlich Dr. Kristina Schröder Reiner Deutschmann Dr. Volker Wissing (Wiesbaden)Dr. Ole Bijan Djir-Sarai Hartfrid Wolff (Rems-Murr) fraktionsloser Schröder Patrick Döring Abgeordneter Bernhard Schulte-Drüggelte Mechthild Dyckmans Nein Wolfgang Nešković Uwe Schummer Hans-Werner Ehrenberg Armin Schuster (Weil am Rainer Erdel SPD Rhein) Jörg van Essen Enthalten Detlef Seif Ulrike Flach Wolfgang Gunkel Johannes Selle Otto Fricke Rüdiger Veit SPD Reinhold Sendker Dr. Edmund Peter Geisen Ingrid Arndt-Brauer DIE LINKE Dr. Patrick Sensburg Hans-Michael Goldmann Rainer Arnold Bernd Siebert Heinz Golombeck Jan van Aken Heinz-Joachim Barchmann Thomas Silberhorn Dr. Christel Happach-Kasan Agnes Alpers Doris Barnett Johannes Singhammer Manuel Höferlin Dr. Dietmar Bartsch Sören Bartol Jens Spahn Birgit Homburger Herbert Behrens Bärbel Bas Carola Stauche Heiner Kamp Karin Binder Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dr. Frank Steffel Michael Kauch Matthias W. Birkwald Dirk Becker Erika Steinbach Dr. Lutz Knopek Steffen Bockhahn Uwe Beckmeyer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28275

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Gerd Bollmann Anette Kramme Dr. Martin Schwanholz Thilo Hoppe (C) Willi Brase Angelika Krüger-Leißner Rolf Schwanitz Uwe Kekeritz Edelgard Bulmahn Christine Lambrecht Stefan Schwartze Susanne Kieckbusch Martin Burkert Dr. Karl Lauterbach Rita Schwarzelühr-Sutter Sven-Christian Kindler Petra Crone Steffen-Claudio Lemme Dr. Carsten Sieling Maria Klein-Schmeink Dr. Peter Danckert Burkhard Lischka Sonja Steffen Ute Koczy Martin Dörmann Kirsten Lühmann Peer Steinbrück Tom Koenigs Elvira Drobinski-Weiß Caren Marks Dr. Frank-Walter Steinmeier Sylvia Kotting-Uhl Sebastian Edathy Petra Merkel (Berlin) Christoph Strässer Oliver Krischer Ingo Egloff Ullrich Meßmer Kerstin Tack Renate Künast Siegmund Ehrmann Dr. Matthias Miersch Dr. h. c. Wolfgang Thierse Markus Kurth Petra Ernstberger Franz Müntefering Franz Thönnes Undine Kurth (Quedlinburg) Elke Ferner Dr. Rolf Mützenich Wolfgang Tiefensee Monika Lazar Gabriele Fograscher Dietmar Nietan Dr. Marlies Volkmer Dr. Tobias Lindner Dr. Edgar Franke Manfred Nink Andrea Wicklein Nicole Maisch Michael Gerdes Thomas Oppermann Dr. Dieter Wiefelspütz Jerzy Montag Martin Gerster Aydan Özoğuz Uta Zapf Kerstin Müller (Köln) Iris Gleicke Heinz Paula Dagmar Ziegler Beate Müller-Gemmeke Günter Gloser Johannes Pflug Manfred Zöllmer Dr. Konstantin von Notz Angelika Graf (Rosenheim) Joachim Poß Brigitte Zypries Omid Nouripour Kerstin Griese Dr. Wilhelm Priesmeier Friedrich Ostendorff Gabriele Groneberg Florian Pronold BÜNDNIS 90/ Dr. Hermann E. Ott Michael Groß Dr. Sascha Raabe DIE GRÜNEN Brigitte Pothmer Bettina Hagedorn Mechthild Rawert Tabea Rößner Klaus Hagemann Stefan Rebmann Marieluise Beck (Bremen) Krista Sager Hubertus Heil (Peine) Gerold Reichenbach Volker Beck (Köln) Elisabeth Scharfenberg Wolfgang Hellmich Dr. Carola Reimann Cornelia Behm Dr. Gerhard Schick Rolf Hempelmann Sönke Rix Birgitt Bender Ulrich Schneider Dr. Barbara Hendricks René Röspel Agnes Brugger Dorothea Steiner Gustav Herzog Dr. Ernst Dieter Rossmann Ekin Deligöz Dr. Wolfgang Strengmann- Gabriele Hiller-Ohm Karin Roth (Esslingen) Katja Dörner Kuhn Petra Hinz (Essen) Marlene Rupprecht Harald Ebner Hans-Christian Ströbele Dr. Eva Högl (Tuchenbach) Hans-Josef Fell Dr. Harald Terpe Christel Humme Annette Sawade Dr. Thomas Gambke Markus Tressel Oliver Kaczmarek Axel Schäfer (Bochum) Kai Gehring Daniela Wagner (B) Johannes Kahrs Marianne Schieder Katrin Göring-Eckardt Beate Walter-Rosenheimer (D) Dr. h. c. Susanne Kastner (Schwandorf) Britta Haßelmann Arfst Wagner (Schleswig) Ulrich Kelber Ulla Schmidt (Aachen) Bettina Herlitzius Wolfgang Wieland Lars Klingbeil Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Anton Hofreiter Josef Philip Winkler Dr. Bärbel Kofler Swen Schulz (Spandau) Bärbel Höhn Daniela Kolbe (Leipzig) Frank Schwabe Ingrid Hönlinger

Wir fahren in unserer Debatte fort, und ich gebe das Frauen hier in Deutschland ist das nach fast vier Jahren Wort der Kollegin Caren Marks für die SPD-Fraktion. Schwarz-Gelb kein Grund zum Feiern: vier verlorene (Beifall bei der SPD) Jahre für Frauen, vier verlorene Jahre für die Gleichstel- lungspolitik. Kanzlerin Merkel, Frauenministerin Schröder sowie die gesamte schwarz-gelbe Koalition ha- Caren Marks (SPD): ben gleichstellungspolitisch nichts, aber auch wirklich Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen gar nichts zuwege gebracht. und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Schröder, Ihre Rede hat erneut bewiesen: Sie haben (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ihre Aufgabe als Frauenministerin definitiv nicht ver- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – standen. Schade! Markus Grübel [CDU/CSU]: 300 000 Betreu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ungsplätze für unter Dreijährige!) der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE – Herr Grübel, es ist auch nichts mehr zu erwarten, wie GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Und täglich grüßt das Murmeltier! – Gegenruf der der aktuelle Antrag der Koalition zeigt: Unverbindlich- Abg. Christel Humme [SPD]: Bei Ihnen auch, keiten, Prüfaufträge und lauter inhaltslose Sätze. Lauter Frau Bär! – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Totaler vertane Chancen, auch erneut in Ihrem Koalitionsantrag. Unsinn! Das war eine total differenzierte Noch heute, im 21. Jahrhundert, fehlen in Deutsch- Rede!) land Strukturen, die Frauen eine gleichberechtigte Teil- In der nächsten Woche, am 8. März 2013, begehen habe auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Frauen haben wir wieder den Internationalen Frauentag. Für die nach wie vor nicht die gleichen Chancen. Sie verdienen 28276 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Caren Marks (A) für gleiche und gleichwertige Arbeit deutlich weniger als (Mechthild Rawert [SPD]: Nichts als eine Fata (C) Männer. Die Lohnlücke beträgt skandalöse 22 Prozent. Morgana!) Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft in prekärer Frau Schröder, selbst bei der unverbindlichen Flexi- Beschäftigung. Sie stellen die Mehrheit in den Minijobs, Quote, bei der Wir-tun-so-als-ob-Quote, bleibt es nur bei arbeiten zudem oft in Teilzeit und bleiben viel zu häufig Lippenbekenntnissen. So kommen wir nicht voran. in dieser stecken. Frauen sind trotz bester Ausbildung kaum in Führungsfunktionen zu finden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Das sind nur einige Beispiele. Diese Aufzählung ließe GRÜNEN) sich leider verlängern. Obwohl dies alles bekannt ist, ist nichts geschehen, hat Schwarz-Gelb gleichstellungspoli- Wenn es noch eines Beweises bedurft hat, hier ist er: tisch nichts bewegt. Absichtserklärungen statt Handeln, Worte statt Taten. (Beifall bei der SPD) Im Übrigen nur der Vollständigkeit halber: Mehr gibt es zur Gleichstellung in diesem Papier nicht. Auch in Das ist umso unverständlicher vor dem Hintergrund den anderen Politikfeldern sucht man Meilensteine wirk- des wirklich sehr guten Sachverständigengutachtens für lich vergeblich. den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. In diesem Bericht wird nicht nur die Situation dargelegt. Meine Kolleginnen und Kollegen, es muss bei einer Vielmehr werden auch konkrete Vorschläge dafür ge- zielführenden Gleichstellungspolitik darum gehen, die macht, wie eine konsistente Gleichstellungspolitik für veränderten Lebensentwürfe von Frauen und Männern den Lebensverlauf erreicht werden kann – eine Gleich- zu unterstützen. Das hat auch der Gleichstellungsbericht stellungspolitik aus einem Guss, Frau Schröder, eine festgestellt. Dazu zählt, die gewünschte Vereinbarkeit Gleichstellungspolitik ohne Widersprüche, eine Gleich- von Familie und Beruf besser zu ermöglichen und damit stellungspolitik des Handelns. die Partnerschaftlichkeit zu unterstützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir brauchen neue Angebote für Teilzeitarbeit für des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frauen und Männer, eine vollzeitnahe Teilzeit von zum Beispiel 30 Wochenstunden. Teilzeitbeschäftigte brau- Die SPD-Bundestagsfraktion hat hierzu konkrete Lö- chen einen Rechtsanspruch, der ihnen eine Rückkehr zur sungsvorschläge vorgelegt, sowohl einen Gesetzentwurf Vollzeit ermöglicht. zur Quote als auch einen zur Entgeltgleichheit. Viele weitere Lösungsvorschläge, etwa zur Eindämmung der Die Notwendigkeit einer solch befristeten Teilzeit, (B) Minijobs, zur Zeitpolitik und für Maßnahmen zur besse- Frau Ministerin, scheinen Sie erkannt zu haben. So (D) ren Unterstützung von Alleinerziehenden, finden sich in konnten wir es jedenfalls in der WAZ vom 22. Februar unseren Anträgen. Lesen bildet! lesen – Zitat –: Nach wie vor lassen Merkel, Schröder und die Realistisch betrachtet, wird das ein Projekt für die schwarz-gelbe Koalition keinerlei Gestaltungswillen er- Zeit nach der Bundestagswahl. kennen. Dabei bedarf es gerade gesetzlicher Rahmenset- Kurz darauf geht es weiter: zungen. Mit Freiwilligkeit ist Fortschritt in der Gleich- stellungspolitik definitiv nicht zu erreichen. Aber wir können leider nicht über die FDP hinweg- regieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Zuruf von der SPD: Die FDP, guck an!) Schaut man allerdings, meine Kolleginnen und Kolle- Fakt ist also: Verlässlicher Stillstand bei der Gleich- gen, auf die Website des Bundesministeriums für Fami- stellung. Aber nur mit einer eigenständigen Existenz- lie, Senioren, Frauen und Jugend, staunen Frau und sicherung von Frauen gelingt eine wirkliche Gleichstel- Mann nicht schlecht. Dort findet man ein Übersichtspa- lung. Es bedarf gesetzlicher Regelungen, um die pier, das – ich zitiere – „über die weichenstellenden Mei- erforderlichen Strukturen in unserem Land aufzubre- lensteine“ des Ministeriums in dieser Legislaturperiode chen. Auskunft gibt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Christel Humme [SPD]: Wo sind die denn des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) verschwunden, in welchen Schubladen?) Denn, Frau Ministerin, Sie können hier noch so oft ste- Auf der Suche nach den sogenannten Meilensteinen hen und Appelle aussprechen und freiwillige Vereinba- in der Gleichstellungspolitik stößt man auf die Über- rungen loben: Es geht damit nicht voran. Es wird endlich schrift: „Mehr Frauen in Führungspositionen: Die Flexi- Zeit, dass sich etwas ändert. Es wird Zeit, dass Schwarz- Quote“. Darunter heißt es – Zitat –: Gelb nicht mehr regiert. Die Frauen haben es schon lange satt. Es ist und bleibt unser Ziel, die Einführung einer Flexi-Quote für Vorstände und Aufsichtsräte von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten börsennotierten und voll mitbestimmungspflichti- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf gen Unternehmen gesetzlich zu regeln. von der CDU/CSU: Schauen wir mal!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28277

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wie die Verringerung der Lohnlücke in Deutschland zu- (C) Für die FDP-Fraktion redet jetzt die Kollegin Nicole künftig gelingen kann. Nun geht es darum, allen Frauen, Bracht-Bendt. die es möchten, tatsächlich die Möglichkeit zu geben, eine solche kurze Auszeit zu nehmen. Dabei ist das El- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – terngeld – ein Erfolgsmodell – eine wichtige Unterstüt- Christel Humme [SPD]: Was sagt denn die zung. FDP dazu?) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, zur heutigen Gleichstellungsdebatte haben Sie Anträge Nicole Bracht-Bendt (FDP): vorgelegt, in denen Sie eine Fülle gesetzlicher Maßnah- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen men fordern. Ganz egal zu welchem Thema, ob Entgelt- und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unse- gleichheit, ob Frauenquote für die Privatwirtschaft oder rem Antrag zum diesjährigen Frauentag greifen wir das die öffentliche Verwaltung: Sie fordern wie immer ein Thema „Entgeltgleichheit von Frauen und Männern“ Gesetz. ganz bewusst auf, (Christel Humme [SPD]: Wir haben gelernt, (Christel Humme [SPD]: Oh!) Sie nicht!) und zwar gemeinsam mit dem Aspekt der Familien- Sie wollen bürokratische Regelwerke, staatliche Vorga- freundlichkeit von Unternehmen. ben, die die Privatautonomie aushebeln, die Vertragsfrei- (Caren Marks [SPD]: Da müssen Sie selber la- heit und Tarifautonomie beschränken und Arbeitgebern chen, oder?) alle möglichen Verpflichtungen aufbürden. Das wollen wir nicht. Solche Regelungen wird es mit uns nicht ge- – Gefällt Ihnen das, Frau Marks? Anscheinend. – Denn ben. – so heißt es gleich zu Beginn des Antrags –: Die wich- tigste Maßnahme zur Beseitigung der Entgeltungleich- (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- heit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. NEN]: Und was wollen Sie?) Ständig heißt es plakativ: Frauen verdienen in Das Problem ist komplex; seine Ursachen sind viel- schichtig. Deutschland rund 22 Prozent weniger als Männer. Damit gehören wir zu den Schlusslichtern in Europa. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, deshalb macht man nichts!) (Caren Marks [SPD]: Ach?) Dementsprechend muss auch die Lösung sein: Es gibt So weit die nackten Zahlen des Statistischen Bundesam- (B) viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. Da (D) tes. sind zum Beispiel die langen und teilweise unfreiwilli- Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Beim bloßen Ver- gen Erwerbsunterbrechungen. Die Mehrzahl der Mütter gleich der Durchschnittseinkommen von Männern und würde gerne früher in den Beruf zurückkommen oder Frauen bleiben ganz entscheidende Aspekte außen vor, früher wieder Vollzeit arbeiten. Das scheitert aber viel zu oft an mangelnder Kinderbetreuung. Deshalb engagiert (Christel Humme [SPD]: Marginalisieren des sich die schwarz-gelbe Bundesregierung ganz besonders Problems!) für den Ausbau der Kinderbetreuung. nämlich die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder die (Christel Humme [SPD]: Das haben wir die Berufserfahrung, die durch Erwerbsunterbrechungen bei letzten Jahre sehr deutlich gemerkt!) Frauen häufig geringer ist. Dafür haben wir auch ordentlich Geld in die Hand ge- Legt man Zahlen von 2009 zugrunde, so haben knapp nommen, sei es für die Erfüllung des Rechtsanspruches 91 Prozent der Mütter eine Auszeit vom Beruf genom- auf Betreuung der unter Dreijährigen oder für das Pro- men, um sich um ihre Kinder zu kümmern, mehr als die gramm „Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung“. In Hälfte davon für über anderthalb Jahre. Im Gegensatz unserem Antrag bekennen wir uns noch einmal zu die- dazu haben dies nur ca. 5 Prozent der Väter getan – und sem Programm. Wir wollen es evaluieren und nach das nur kurz. Möglichkeit über das Jahr 2015 hinaus verstetigen. Nun ist aber gerade die Zeit der Elternschaft, also die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Phase zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr, auch der CDU/CSU – Christel Humme [SPD]: in beruflicher Hinsicht eine ganz entscheidende. Hier Schon wieder evaluieren? Wir brauchen nichts wird die Grundlage für die spätere Karriere gelegt. Wenn zu evaluieren!) Frauen gerade dann lange pausieren, hat das nachhaltige Folgen für ihre Aufstiegschancen und damit für ihren Wichtig ist eine gute, verlässliche Infrastruktur, die Verdienst. Es droht der Karriereknick, und das darf nicht junge Eltern unterstützt und sie nicht unfreiwillig in ein sein. bestimmtes Lebensmodell zwingt, nur weil verschiedene staatliche Ebenen Schwarzer Peter spielen. In diesem Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat im Ja- Punkt kann sich keiner herausreden. Da ist die aktuelle nuar neue Zahlen vorgelegt. Demnach schrumpft die Bundesregierung ebenso in der Pflicht, wie es alle Vor- Lohnlücke bei Frauen, die maximal 18 Monate ausset- gängerregierungen – damit sind Sie von Rot-Grün ge- zen, auf weniger als 2 Prozent. Das ist nicht nur erfreu- meint – waren und ganz besonders auch die Bundeslän- lich; das ist wegweisend und ausbaufähig, und es zeigt, der. 28278 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Nicole Bracht-Bendt (A) Untersuchungen zeigen, dass sich viele junge Paare den Menschen über unsere Konzepte diskutieren, die (C) vornehmen, als Eltern alles partnerschaftlich zu regeln: dazu beitragen sollen, diese Lohnlücke weiter zu verrin- Beide kümmern sich um die Kinder; beide gehen in El- gern. ternzeit; beide bleiben mal zu Hause, wenn eines der (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Kinder krank ist. – Dann kommt das erste Kind, und NEN]: Wo sind diese Konzepte?) plötzlich ist alles anders: Sie bleibt daheim, er geht ins Büro. Mütter arbeiten weniger, Väter hingegen mehr als Dafür bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von vor der Geburt von Kindern. Das ist das Gegenteil von Wirtschaft, Verbänden, Arbeitgebern, Tarifpartnern, dem, was sie meist wollen, und trotzdem ist es immer Politik, Gesellschaft und natürlich jedem Einzelnen. noch die Realität. Daher brauchen junge Eltern gut abge- stimmte Rahmenbedingungen, ein Gesamtkonzept an Ich habe noch Zahlen aus der Anhörung im Ohr: Maßnahmen, die ineinandergreifen und sie dabei unter- Männer bewerben sich auf eine Stelle, wenn sie 50 Pro- stützen, frei zu entscheiden, wer wie und wie viel arbei- zent der Kriterien für sich als erfüllt sehen, Frauen erst tet und wie sie ihren Alltag partnerschaftlich aufteilen. bei 80 Prozent. Das sagt viel aus. So wahren auch Frauen ihre Chance auf einen guten Job, Für uns Liberale ist es selbstverständlich, dass Frauen ein angemessenes Gehalt und den beruflichen Aufstieg. und Männer auf Augenhöhe sind. Schauen Sie einmal Ein weiterer Punkt ist die Familienfreundlichkeit all- genau hin! Das ist bei uns so. gemein. Schauen wir nach Norwegen, schauen wir nach Ganz herzlichen Dank. Tschüs! Frankreich, dann wird klar: In Sachen Frauen und Fami- lienpolitik ist in Deutschland noch Luft nach oben. Aber (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – wir sind auf einem guten Weg zu einer familienfreund- Caren Marks [SPD]: „Brüderle und der Sexis- licheren Unternehmenskultur und Arbeitswelt. Mitt- mus“, sage ich nur!) lerweile engagieren sich mehr als 4 500 Betriebe im Programm „Erfolgsfaktor Familie“ mit dem Ziel, Fami- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: lienfreundlichkeit zu einem Markenzeichen der deut- Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort für schen Wirtschaft zu machen. die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN) der CDU/CSU – Christel Humme [SPD]: 4 500 Betriebe von 3 Millionen, das ist ein Er- Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): folg ohnegleichen!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und (B) Eine Untersuchung des DIHK bestätigt, dass die Ver- Kollegen! Sehr geehrte Frau Bracht-Bendt, die Außen- (D) einbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Thema wahrnehmung Ihrer FDP-Fraktion, was die Gleichstel- für fast 80 Prozent aller Firmen ist. Immer mehr bieten lung der Geschlechter angeht, ist wirklich eine andere. schon gute Rahmenbedingungen, flexible Lösungen, Mir ist das so noch nicht aufgefallen. Gleitzeit, Arbeit im Homeoffice und Ähnliches; gute Al- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- ternativen zur herrschenden „Präsenzkultur“. neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Erweiterung des Be- GRÜNEN) rufswahlspektrums. Junge Menschen haben viele Alter- Der 8. März ist der Tag der Vereinten Nationen für die nativen zu den ausgetretenen Pfaden, den geschlechts- Rechte der Frauen und den Weltfrieden. Der 8. März gilt typischen Berufen, die schon ihre Mütter und Väter also nicht nur den Rechten der Frauen, sondern auch gegangen sind. Sie kennen sie aber nicht. dem Weltfrieden. Seit über 100 Jahren kämpfen Frauen Ich selbst bin Tischlerin und war häufig die einzige für die Gleichstellung und das Wahlrecht, das es in Frau. Das war vollkommen okay. Daher freue ich mich Deutschland seit dem Jahr 1918, seit der Weimarer Ver- über all die wertvollen Initiativen, die Jugendliche bei fassung, gibt. Wenn man einmal in die Rechtsgeschichte ihrer Berufswahl unterstützen wie zum Beispiel der schaut, dann stellt man fest, dass Frauen erst seit 1977 Girls‘ and Boys‘ Day, bei dem ich im April wieder zwei das Recht haben, selbst und unabhängig von ihrem Ehe- jungen Menschen die Möglichkeit geben werde, Ein- mann zu entscheiden, ihre Existenz durch ihrer eigenen blick in meine Tätigkeit als Abgeordnete zu nehmen. Hände Arbeit zu sichern. Das ist wirklich noch nicht so lange her. (Caren Marks [SPD]: Es gibt ja so wenige in der FDP! – Christel Humme [SPD]: Besser Andererseits ist das viel zu lange her, als dass wir im- nicht!) mer noch weiter warten können mit Selbstverpflichtun- gen, netten Appellen an die Wirtschaft, an die Politik, an – Frau Marks, da müssen Sie ja selbst lachen. Vereine und an wen auch immer, doch bitte einmal die (Caren Marks [SPD]: Ich habe das nicht ge- Frauen zu fördern. Ich finde, es ist notwendig, dass wir sagt! Das war meine Kollegin!) jetzt endlich gesetzgeberisch aktiv werden. Wir Frauen haben lange genug gewartet. In knapp drei Wochen ist Equal Pay Day. Auch ich werde mit Kolleginnen und Kollegen auf der Straße ste- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- hen und auf die Lohnlücke zwischen Männern und neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Frauen aufmerksam machen. Außerdem werde ich mit GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28279

Dr. Barbara Höll (A) So wie wir heute diskutieren, ist das schon sympto- Deshalb brauchen wir natürlich auch den Mindest- (C) matisch. Es liegen zwei Anträge vor, mit denen versucht lohn für alle in der Bundesrepublik Deutschland. Wir wird, das Problem der Gleichstellung umfassend anzu- werden hoffentlich gemeinsam erst einmal den Mindest- gehen. Die Frau Ministerin beschränkt sich jedoch ganz lohn in Höhe von 8,50 Euro beschließen. Ich sage aber bescheiden auf die Entgeltgleichheit. Frau hätte nun er- ganz klar: 8,50 Euro sind zu wenig. Dies haben wir Ih- warten können, dass in einem Antrag mit solch einer nen in der vorangegangenen Debatte vorgerechnet. Wir Selbstbeschränkung ganz konkrete Maßnahmen aufge- brauchen einen Mindestlohn von 10 Euro, um dann auch listet sind, die die Koalition befürwortet. Die Ministerin Renten zu haben, die die Beibehaltung des Lebensstan- hatte die Möglichkeit, hier zu sagen: Sie haben recht. Ich dards im Alter einigermaßen ermöglichen; es geht da- mache jetzt ganz konkrete Dinge. rum, dass sie wenigstens armutsfest sind. Das ist die Zielstellung. Dem müssen Sie sich stellen. Unter den Forderungen finden wir wirklich nur: Ma- chen Sie doch da eine Evaluierung! (Beifall bei der LINKEN) (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Alles heiße Wenn wir über die Entgeltungleichheit sprechen, Luft!) dann gibt es einen logischen Fehler, der weit verbreitet Schauen Sie, ob das geklappt hat! Sie appellieren an die ist. Als allgemeiner Standard wird das Einkommen der Unternehmen, doch ein bisschen familienfreundlicher zu Männer genommen. Das sind 100 Prozent. Dann wird werden. In Ihrem Forderungskatalog ist aber keine ein- ausgerechnet, wie viel die Frauen weniger verdienen. zige konkrete Maßnahme enthalten. Die Ministerin hat Frauen werden so gering bezahlt, dass sie bei einem hier wieder keinen, aber auch gar keinen konkreten Vor- durchschnittlichen Verdienst, 35 Berufsjahren und glei- schlag dazu gebracht, was sie tatsächlich machen will. cher Berufstätigkeit einen Einkommensverlust gegen- Frau Ministerin, man hat den Eindruck, für Sie ist Gen- über ihren männlichen Kollegen von etwa 100 000 Euro der-Mainstreaming ein Fremdwort, und Sie stehen in ei- haben. Also, die Entgeltungleichheit ist nicht gering. nem Wettbewerb mit Herrn Rösler, wer der unverbind- Sagt man aber, dass das Einkommen der Frauen lichste Minister oder die unverbindlichste Ministerin 100 Prozent beträgt, dann ist, in Prozenten ausgedrückt, dieser Bundesregierung ist. Das ist einfach schrecklich. der Einkommensvorsprung der Männer viel größer. Den- ken wir einmal von den Frauen her! Mehr als die Hälfte (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- der Bevölkerung sind Frauen. Warum ist der Maßstab neten der SPD) das Einkommen der Männer? Nein, die Frauen müssen Ich sage Ihnen: Gleichstellungspolitik bedeutet für der Maßstab sein. uns als Linke die gleiche Teilhabe von Frauen und Män- (B) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (D) nern in allen gesellschaftlichen Bereichen und an allen neten der SPD) gesellschaftlichen Ressourcen. Der Schutz der Frauen vor Diskriminierung und Gewalt sowie ein Leben für Wir brauchen endlich ein Herangehen an die unglei- alle Menschen frei von einschränkenden Geschlechter- che Bezahlung der angeblich frauentypischen Berufe rollen, das ist unsere Zielstellung. gegenüber den angeblich männertypischen Berufen. Das Es gibt zwei Grundvoraussetzungen, nämlich zum ei- fordern wir auch für die Emanzipation der Männer. Das nen die Selbstbestimmung über den Körper, die eine ist ein dringendes Problem. Wir reden nicht einfach ego- Frau braucht. Hierzu haben wir eine Regelung, mit der istisch für Frauen, sondern für alle. Schauen wir uns das das relativ gut sichergestellt wird. Die zweite Grund- einmal an! Nehmen wir ein junges Paar: Der Papa ist voraussetzung ist eine eigenständige Existenzsicherung, Grundschullehrer, die Mama ist Gymnasiallehrerin. Sie sodass eine Frau nicht durch den Ehemann oder durch bekommen ein Baby. Frau Schröder, was denken Sie? den Staat alimentiert wird. Das heißt also, Erwerbstätig- Wahrscheinlich bleibt der Papa zu Hause, weil sein Ein- keit für Frauen zu ermöglichen. kommensverlust in der Elternzeit niedriger ist als der Einkommensverlust, wenn die Mama als Gymnasialleh- Wie sieht aber die Realität aus? Leider sind mit der rerin zu Hause bleibt. Nun ist es so, dass die Grund- Agenda 2010 durch Rot-Grün für Minijobs, Midijobs schullehrer prinzipiell niedriger bezahlt werden als die und den Niedriglohnsektor Tür und Tor geöffnet worden. Gymnasiallehrer, dass es mehr Grundschullehrerinnen, (Elke Ferner [SPD]: Minijobs gab es schon ganz wenige Grundschullehrer und dafür wesentlich vorher!) mehr Gymnasiallehrer als Gymnasiallehrerinnen gibt. Ich sage Ihnen: Wir müssen ganz viel tun, damit sich in Das hätten wir schon längst beseitigen können. 70 Pro- dieser Gesellschaft, in unserem Staat Etliches ändert. zent der in diesen Bereichen tätigen Menschen sind Dazu brauchen wir aber eine grundlegende Verbesserung Frauen. Sie sind berufstätig. Sie können aber nicht von und nicht einfach eine Angleichung an schlechte Ver- ihrer Hände Arbeit leben. Es reicht nicht, daran ein biss- hältnisse, die wir haben. Wir brauchen eine Verbesse- chen herumzudoktern oder zu reformieren. Diese Jobs rung der Verhältnisse für alle. gehören gestrichen und abgeschafft. Es muss einfach Standard sein, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit le- Danke. ben können. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. (Beifall bei der LINKEN) Stefan Schwartze [SPD]) 28280 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ländern in Europa schon Quotenregelungen bei öffentli- (C) Jetzt hat für Bündnis 90/Die Grünen Renate Künast chen Ausschreibungen gibt, hat Druck ausgelöst und das Wort. Unternehmen zum Nachdenken gebracht. Wenn die Te- lekom sieht, dass die Telefónica aus Spanien in ihren Ausschreibungen in Spanien oder in Frankreich Quoten- Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): regelungen für Frauen und Männer vorsieht, dann be- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau wegt sich die Telekom, und nicht weil Frau Schröder Schröder, Sie haben wunderbar angefangen und die Fra- einlädt. gen gestellt, die die Frauen im Alltag erleben. Sie haben damit angefangen, dass Frauen im Erwerbsleben mit der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frage konfrontiert werden: Wie machen Sie es mit Ihrem und bei der SPD) Kind? – Sie haben auf die Gehaltsstatistik verwiesen und Frau Schröder, in Ihrer Rede zum 102. Frauentag ha- auf die Frage, welche Jobs die Frauen bekommen. Dann ben Sie kein Wort zu der Debatte um den Alltagssexis- dachte ich: Nach dieser mehr oder weniger radikalen mus gesagt, obwohl sich so viele Frauen geäußert haben. Analyse folgt jetzt auch ein radikales Handlungspaket. – Es gab kein wirkliches Wort zu einer verbindlichen Das habe ich allerdings in Ihrer Rede nicht wahrgenom- Frauenquote in Aufsichtsräten. Auch haben Sie nichts zu men. Regelungen für die gleiche Bezahlung von Frauen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Männern gesagt; ich habe nichts gehört. Stattdessen und bei der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: setzen Sie getreu Ulrich Beck, also bei weitgehender Stimmt!) Verhaltensstarre, ständig falsche Anreize. Das Betreu- ungsgeld und das Festhalten am herkömmlichen Ehegat- Sie haben das Problem beschrieben und dann gesagt, tensplitting ist solch ein falscher Anreiz. Wenn wir wirk- es sei ein kulturelles Problem. Das erinnert mich an lich sagen, auch aus einem christlichen Menschenbild Ulrich Beck und sein Wort, das genau solche Situationen abgeleitet; „Wir investieren unsere Steuergelder in die beschreibt: „Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeiti- Kinder und stellen die Kinder in den Mittelpunkt“, dann ger Verhaltensstarre“. müssten Sie sagen: Das Ehegattensplitting wird abge- schmolzen, damit wir Geld für die Kinder haben. – Aber (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu gibt es kein Wort von Ihnen. Sie hingegen sind für und bei der SPD) das Betreuungsgeld und die Flexiquote. Ich sage einmal: Das haben Sie hier angeboten, aber dann kam nichts. Flexiquötchen, denn sie kommt ja auf Pfötchen daher. Das reimt sich auch. Die Unternehmen sollen Ich habe vorhin den News entnommen, dass Sie heute selber entscheiden. Das ist selbst Ihren Parteifreundin- (B) schon geäußert haben, da dies doch die Aufgabe der nen und -freunden zu wenig. (D) Wirtschaft sei – dorthin haben Sie die kulturellen Fragen Das Pflegezeitgesetz ist so realitätsfern gestaltet, dass sortiert –, sei es auch deren Aufgabe und Pflicht, regel- von den Frauen in der gesamten Bundesrepublik, die mäßig zu berichten, inwieweit sie die Zahl ihrer Selbst- Pflege übernehmen, seit dem Inkrafttreten erst satte verpflichtungen erfüllt hat. Sie haben alles dorthin ge- 150 Anträge gestellt wurden. 150 Anträge ist Ihr Ver- schoben. Glücklicherweise haben wir ein Grundgesetz. such wert, den Frauen die Situation zu erleichtern, wenn Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Zu sie Pflege übernehmen. Das können sich Frauen gar der Frage, ob dies eine kulturelle Aufgabe ist, kann ich nicht leisten. Denn wer hat denn so viel Geld im Hinter- nur auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verwei- grund, dass er eine Auszeit ohne monatliche Bezahlung sen, der besagt – ich zitiere –: nimmt? Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Ich kann nur sagen: Das, was Sie hätten anpacken Gleichberechtigung von Frauen und Männern und müssen, haben Sie liegen lassen, und wenn Sie gehandelt wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile haben, war es eigentlich immer ein Flop. hin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das ist Ihre Aufgabe, und davon habe ich in Ihrer und bei der SPD) Rede nichts, aber auch gar nichts gehört. Ich muss feststellen, dass Ihre und Frau Merkels Frau- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enpolitik immer wieder die Realität der Frauen in und bei der SPD) Deutschland ignoriert. Sie ignorieren auch die wissen- Ich freue mich darüber, dass sich Frauen in diesem schaftliche Expertise. Ich will Ihnen zwei Beispiele nen- Land wirklich engagieren. Nehmen wir nur einmal den nen: Hashtag-Aufschrei, als es um die Sexismusdebatte ging, Erstens. Der Erste Gleichstellungsbericht hat gezeigt: die noch nicht zu Ende ist, oder die Debatte um die Frauen- Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind diskriminiert. – So quote, die der Deutsche Juristinnenbund, FidAR weit auch Ihre fast radikale Analyse. Dann heißt es im – Frauen in die Aufsichtsräte – und der Verband deut- Gleichstellungsbericht weiter: Wir brauchen einen Min- scher Unternehmerinnen angeschoben haben. Diese, destlohn. Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz. Wir Frau Schröder, und viele andere Frauen aus der Praxis, brauchen eine Quote. – Nichts davon haben Sie im An- aus der Wissenschaft haben den nötigen politischen gebot. Druck ausgeübt. Ihre Einladung zu einem Gespräch hat nicht dazu beigetragen. Auch die Tatsache, dass es in (Caren Marks [SPD]: So ist es!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28281

Renate Künast (A) Die Expertise und Beratung haben Sie überhaupt nicht frauenpolitische Rede halten, frage ich mich, ob es den (C) genutzt, weil Sie irgendwo in einer alten Ideologie ste- Frauen danach besser geht. cken bleiben. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zweitens. In der stattgefundenen Evaluierung der Fa- NEN]: Aber dank Ihrer Politik geht es den milienleistungen steht: Es ist dringend nötig, einen Frauen besser, oder was?) Modernisierungsschub bei den Familienleistungen zu machen, Abschmelzen des Ehegattensplittings, kein Be- Jedes Mal muss ich feststellen: nein. treuungsgeld. – Was machen Sie? Sie halten die ganze Studie unter Verschluss, weil Sie die gesellschaftliche (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Debatte dazu fürchten. Dabei ist gerade jetzt eines wich- der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE tig, nämlich nicht in den Strukturen von vorgestern zu GRÜNEN]: Dank Ihrer schlechten Laune aber agieren, sondern wirklich neue Strukturen für eine Ar- auch nicht!) beitsmarktbeteiligung von Frauen zu schaffen. Das, was Sie hier abliefern, trägt überhaupt nicht dazu Ich habe ein bisschen das Gefühl, Sie sind eine Art bei, gesellschaftspolitisch irgendetwas zu verbessern, Scheinregierung. Sie erinnern mich an den Riesen Tur und sei es auch nur verbal. Ich finde, dass die Ministerin Tur: Je näher man kam, desto kleiner wurde er. So groß am Anfang sehr gut aufgezeigt hat, wo die Probleme in die Worte auch sind, die Sie hier wählen: In Wahrheit unserem Land liegen: Wir haben festgelegte Rollenbil- nehmen Sie eine Simulation von Politik vor, und da hilft der. Frauen sind auch deswegen am Arbeitsmarkt be- es auch nicht, eine Bundeskanzlerin zu haben. nachteiligt, weil in sehr vielen Firmen die Auffassung herrscht, dass Frauen mit geringerer Wahrscheinlichkeit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dauerhaft in ihrem Unternehmen sein werden als Män- sowie bei Abgeordneten der SPD) ner, allein aufgrund ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären. Sie besetzen das Thema, indem Sie sich mit Frau von der Da geht es oft gar nicht darum, ob sie tatsächlich Kinder Leyen über den Begriff „Quote“ streiten, aber passiert ist haben oder nicht. Aber allein die Gebärfähigkeit macht gar nichts – Simulation von Politik. Frauen als potenzielle Arbeitnehmerinnen weniger at- traktiv als Arbeitnehmer. Deswegen gelten sie oft – das (Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Das ist die hört man an der einen oder anderen Stelle – als risiko- Unwahrheit!) trächtige Arbeitnehmerinnen. Deswegen werden sie oft Sie reden über Lohngleichheit und beschreiben die zu einem geringeren Verdienst eingestellt und erhalten Situation. Aber die Kanzlerin hat neulich nur öffentlich weniger Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. (B) gesagt, sie rate den Frauen, einfach besser und schärfer Natürlich gibt es jetzt nicht die eine Lösung, die (D) zu verhandeln, wenn es ums Gehalt gehe. Hier geht es Ideallösung, wie Sie sie mit Ihrer Schwarz-Weiß-Malerei aber nicht allein um ein Problem der einzelnen Frauen. fordern; denn die Ursachen sind viel zu vielfältig. Natür- (Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Sie waren doch lich gibt es eine strukturelle Diskriminierung. Auch des- in der Anhörung!) wegen ist es wichtig, einen Mentalitätswandel zu errei- chen. Einen Mentalitätswandel erreicht man natürlich Wir, die Politik, haben einen Gleichstellungsauftrag: Wir nicht, wenn man immer meint, die eine Lösung zu haben müssen aktiv werden, und wir wollen keine Ankündi- bzw. ein Einheitsmodell, wie Sie, Frau Künast, es gerade gungspolitik. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wieder angesprochen haben, für alle Frauen in Deutsch- richtig, Folgendes zu beraten: ein Entgeltgleichheitsge- land etablieren und einfach allen überstülpen zu müssen. setz, den Mindestlohn und die Frauenquote. Ich glaube übrigens, dass all das auch die Männer wollen, weil sie (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wissen, dass es auch ihnen im Erwerbs- und Privatleben NEN]: Was hatte das mit einem „Einheitsmo- neue Entwicklungsmöglichkeiten gibt. dell“ zu tun? Wo sind denn Ihre Vorschläge? – Christel Humme [SPD]: „Wahlfreiheit“ ist das Es ist Zeit für eine moderne Familienpolitik. Die Stichwort!) Konzepte sind da, und wir sind bereit. Wir haben ein Problem: Sobald Frauen eigene Kinder (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben, verschlimmert sich die strukturelle Diskriminie- und bei der SPD) rung. Wenn man sich die Studien, beispielsweise vom Deutschen Juristinnenbund, anschaut, dann stellt man Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: fest, wie die Führungspositionen in Deutschland eigent- Jetzt hat die Kollegin Dorothee Bär für die Fraktion lich besetzt sind: Die meisten Führungspositionen in un- der CDU/CSU das Wort. serem Land haben Männer mit Kindern inne. An zweiter Stelle kommen dann Männer ohne Kinder. An dritter (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stelle kommen Frauen ohne Kinder. An vierter Stelle kommen Frauen mit Kindern. Daran sieht man ganz Dorothee Bär (CDU/CSU): deutlich, dass Kinder nur beim weiblichen Geschlecht Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ein Problem sind, beim männlichen aber nicht. Bei den Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Männern ist es sogar ein Vorteil; Männer mit Kindern Künast, jedes Mal, wenn Sie hier im Parlament eine nehmen die meisten Führungspositionen ein. 28282 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dorothee Bär (A) Der Kern unserer christlichen Familien- und Frauen- ders furchtbares Wort – von Frauen stagniert, weil viele (C) politik ist deswegen die Wahlfreiheit: Wir fördern, dass nur in Teilzeit arbeiten. Da frage ich mich: Ist es wirk- jede und jeder Einzelne in Staat und Gesellschaft die lich Ihr Ziel, wie in der Wirtschaftswoche vom 9. Fe- Freiheit selbst ausfüllen kann, dass sich jede Mutter und bruar zu lesen war – ich zitiere –, dass „die totale Mobil- jeder Vater frei entscheiden kann, ob sie Vollzeit oder machung aller Arbeitskräfte“ erfolgt? Teilzeit arbeiten oder ganz zu Hause bleiben wollen. Un- serer Auffassung nach hat der Staat nämlich nicht das (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Recht, bestimmte Lebensmodelle aufzuzwingen. Unser NEN]: Was haben Sie denn da gerade mit der Ziel muss es doch sein, Freiräume zu schaffen. „totalen Mobilmachung“?) Ich verstehe bis heute nicht, warum Sie der Meinung Ein weiteres Zitat: sind, dass der Staat in jedem Fall der bessere Erzieher Erst wenn jede Frau an der Aldi-Kasse für ihre So- ist. Wir sind diejenigen, die sagen: Wir setzen die Rah- zialbeiträge schuftet und Steuern dafür bezahlt, dass menbedingungen für Wahlfreiheit. Mich stört wirklich andere Frauen ihre Kinder erziehen – erst dann ist – das war heute in allen Reden der Opposition zu hören –, die endgültige Befreiung der Frau geschafft. dass Sie hier Keile hereintreiben und Frauen gegen Frauen ausspielen. Das ist mit uns nicht zu machen. (Zuruf von der SPD: So wie bei Ihnen zu Hause!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP] – Das ist auf jeden Fall eine Politik, die mit uns nicht zu Christel Humme [SPD]: Was ist das denn für machen ist, weil wir eben für die Wahlfreiheit stehen. ein Quatsch? – Caren Marks [SPD]: Mit Ihnen Wir brauchen keine arbeitsplatzgerechten Familien, die ist gar nichts zu machen!) sich nur unter das unterordnen, was der Arbeitsmarkt will, sondern familiengerechte Arbeitszeiten. Wir im Bund haben die Betreuungssituation von Kin- dern unter drei Jahren mit Mitteln in Höhe von insge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- samt 4,58 Milliarden Euro erheblich verbessert – das ist neten der FDP) mehr als in all den Jahren, in denen Sie an der Regierung waren. Wir unterstützen die Kommunen, und wir unter- Freiwillige Maßnahmen sind wichtig. Sie reichen stützen sie freiwillig und auch künftig mit 845 Millionen meines Erachtens aber nicht aus. Für mich persönlich Euro jährlich bei den Betriebskosten. wäre es wichtig, dass Teilzeitkräfte auch das Recht ha- ben, in Vollzeit zurückzukehren. (Zuruf der Abg. Christel Humme [SPD]) (Elke Ferner [SPD]: Aber nur für Sie persön- (B) (D) Ja, ich sage voller Stolz: Wir haben das Betreuungsgeld lich! – Weitere Zurufe von der SPD und dem für ein- bis dreijährige Kinder eingeführt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Christel Humme [SPD]: Darauf wäre ich aber Deswegen wünsche ich mir auch einen Rechts- nicht stolz!) anspruch auf Vollzeit. Das hätte auch eine Wirkung auf Männer, weil dann eine phasenweise Teilzeit eher in An- weil es uns eben wichtig ist, keine verschiedenen Le- spruch genommen würde, und zwar von beiden Ge- bensmodelle gegeneinander auszuspielen. schlechtern. (Elke Ferner [SPD]: Doch, tun Sie doch!) (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es ist bei den Debatten oft deutlich geworden, dass NEN]: Wir würden Sie da unterstützen, aber Sie persönlich andere Lebensmodelle wählen. Das ist Ih- wo ist das? – Mechthild Rawert [SPD]: Ma- nen auch unbenommen. Da mischt sich auch von außen chen!) keiner ein. Aber ich finde, gerade wir, die wir alle be- Mir ist das sogenannte Teilelterngeld auch sehr wich- rufstätig sind, müssen natürlich auch Lobbyisten für Fa- tig, weil sich die Anspruchsdauer des Elterngeldes bei milien sein, die sich andere Modelle wünschen, weil lo- Teilzeitarbeit der Eltern und Aufteilung der Sorgearbeit gischerweise keine Hausfrau und kein Hausmann die entsprechend verlängern würde. Wichtig wäre selbstver- Möglichkeit hat, hier am Rednerpult im Deutschen Bun- ständlich auch eine Flexibilisierung der Elternzeit. Mo- destag zu stehen. mentan ist es nur möglich, die Elternzeit bis zum 8. Le- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bensjahr des Kindes in Anspruch zu nehmen. Wir NEN]: Wieso reden Sie bei den Frauenveran- wollen, dass in Zukunft die Frist bis zum 14. Lebensjahr staltungen immer ganz anders? Sie sind eine des Kindes ausgeweitet wird, um in Krisenzeiten einer Frau mit zwei Gesichtern!) Familie, bei Schulproblemen, bei Trennung der Eltern oder zur Pflege der Eltern-Kind-Beziehung eine größere Wir wollen Eltern nicht unter Druck setzen. Wir wol- Flexibilität zu gewährleisten. len, dass nicht alle Kinder in eine ganztägige Kinderbe- treuung gegeben werden, weil wir eben gegen diese Wir haben in den letzten knapp vier Jahren eine her- Gleichmacherei sind. vorragende Familien- und Frauenpolitik gemacht. Ich bin mir sicher, dass die Wählerinnen und Wähler erken- Sie beklagen, dass bei einer steigenden Erwerbsquote nen, wer ihnen Wahlfreiheit gibt und wer ihnen ein Ein- das Arbeitsvolumen – ich finde, das ist ein ganz beson- heitsmodell aufdrücken wird. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28283

Dorothee Bär (A) (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frauen auf ihren Beruf verzichtet haben, um Kinder zu (C) Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ganz erziehen, dann wird das durch die schlechtere Bezahlung genau!) – gegenüber der Bezahlung der Männer – sozusagen sanktioniert. Wir wollen gleiche Bezahlung für gleiche Deswegen bin ich sicher, dass es im September mit Arbeit. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. dieser Bundesregierung hervorragend weitergeht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Vielen Dank. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn Sie dann endlich etwas tun – Renate Künast hat das eben schon gesagt –, dann tun Sie das Falsche. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Schauen Sie sich beispielsweise an, welche Wirkung die Elke Ferner hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. Anhebung der Verdienstgrenze von Minijobs auf (Beifall bei der SPD) 450 Euro haben wird. Im Bereich Minijob müssen wir eigentlich die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Elke Ferner (SPD): (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DIE GRÜNEN) Ich frage mich die ganze Zeit, ob hier bei der Koalition Wir müssen endlich Schluss damit machen, dass in die- ein Wettbewerb stattfindet, wer die peinlichste Rede sem Bereich Missbrauch betrieben werden kann. Aber hält. was macht die Koalition? Sie erhöht noch die Anreize, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem einem Minijob nachzugehen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michaela Noll Es gibt bereits über 7 Millionen Minijobs – und das [CDU/CSU]: Dann würden Sie ja gewinnen! – nicht nur in den haushaltsnahen Bereichen, das sind un- Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gefähr 200 000; die kennen wir fast alle persönlich. Sie NEN]: Die Antwort ist: Ja, es gibt einen Wett- haben die Schwarzarbeit nicht abgeschafft. Jetzt verstär- bewerb! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist ken Sie noch den Anreiz, ohne soziale Absicherung er- wie beim FC Bayern: Euer Hass ist unser werbstätig zu sein. In Verbindung mit der Steuerklasse V Stolz! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/ und dem Ehegattensplitting ist das besonders für verhei- CSU]: Schon gewonnen!) ratete Frauen attraktiv. Moderne Gleichstellungspolitik Ich muss wirklich sagen, dass an Peinlichkeit kaum sieht anders aus. zu überbieten ist, was in Ihrem Antrag steht und was die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (B) Ministerin und Sie von den Koalitionsfraktionen hier (D) zum Besten geben. Sie nehmen in Ihrem Antrag – das Sie haben eben gesagt: Wir brauchen andere Arbeits- hat auch die Ministerin zu Beginn gemacht – eine Pro- zeitmodelle. Ja, die brauchen wir. Man muss aber auch blemanalyse vor. Aber nach einer Problemanalyse er- etwas dafür tun, zum Beispiel, indem man den Anspruch wartet der geneigte Leser, dass eine Problemlösung vor- auf andere Arbeitszeitmodelle rechtlich absichert. Man geschlagen wird. Die fehlt aber, und zwar völlig. muss beispielsweise rechtlich absichern, dass die Inan- spruchnahme von Teilzeit befristet ist und dass sofort (Beifall bei der SPD) nach Beendigung der Teilzeitbeschäftigung der alte Ar- Ich frage mich, wofür man eine Ministerin braucht, die beitsvertrag wieder greift, so wie wir das im Rahmen des sich hier hinstellt und sagt: Wir brauchen dies, wir brau- Pflegegesetzes in der letzten Wahlperiode auf den Weg chen jenes usw., usf. – Ich wünsche mir eigentlich eine gebracht haben. Wo sind Ihre Vorschläge? Es gibt keine Regierung und eine Ministerin, die sagen: Wir haben da Vorschläge. Es werden immer nur die Probleme analy- ein Problem, und deshalb machen wir das und das. Das siert. ist die Aufgabe einer Ministerin, Frau Schröder. Sie sprechen sich in Ihrem Antrag dafür aus, dass die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Bundesregierung für diese und jene Maßnahme werben DIE GRÜNEN) soll. Sind wir hier Gesetzgeber, oder sind wir eine Wer- beagentur? Was Sie hier machen, ist wirklich nicht mehr Ich will einmal sagen: Der einzig reale Vorschlag, den nachzuvollziehen. Sie in Ihrem Antrag machen, nämlich das Logib-D-Ver- fahren zu verwenden, um die Entgeltungleichheit zu be- (Beifall bei der SPD und der LINKEN) kämpfen, ist dazu untauglich. Ich prophezeie Ihnen: Diese Form der Politik wird (Beifall bei der SPD) sich im September, Gott sei Dank, erledigt haben. Wir brauchen nämlich in der Gleichstellungspolitik Fort- Die Ministerin hat eben zu Recht beklagt, dass frau- schritte und keinen Stillstand mehr. Deshalb haben wir entypische Berufe schlechter bezahlt würden als die der in unserem Antrag eine Reihe sehr konkreter Maßnah- Männer und dass sich daran etwas ändern müsse. Dafür men vorgeschlagen, durch die wir die Situation verbes- gibt es aber ein Verfahren, und das Verfahren heißt Ent- sern wollen. gelt-Check. Das gibt es. Da frage ich mich natürlich, wa- rum Sie bei diesem Logib-D-Verfahren bleiben, bei dem Auf die Einzelheiten unseres Antrags wird Christel es eigentlich nur darum geht, Lebensläufe und Biogra- Humme noch eingehen. Eines kann ich Ihnen aber jetzt fien miteinander zu vergleichen. Das heißt, wenn die schon sagen: Ihr Problem ist, dass Sie kein partner- 28284 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Elke Ferner (A) schaftliches Modell wollen. Das sieht man am Betreu- beiter finden, um die Pflege sicherzustellen. Mir sagen (C) ungsgeld und daran, dass Sie am Ehegattensplitting fest- Pflegerinnen und Krankenschwestern – das sind typische halten. Das sieht man in vielen anderen Bereichen auch. Frauenberufe –: Der Beruf ist nicht attraktiv und hat ein schlechtes Ansehen. – Ich möchte an dieser Stelle aus- Frau Pawelski, Sie sind vielleicht eine Ausnahme in drücklich dafür werben, dass das Ansehen dieser Berufe, Ihrer Fraktion. Es tut mir leid, dass Sie keine Mehrheiten die nicht naturwissenschaftlich ausgerichtet sind, son- haben. Es ist schlimm, wenn man etwas will und man dern soziale, menschliche Fähigkeiten voraussetzen, ver- darf oder kann es nicht umsetzen. Aber noch schlimmer bessert wird. Ich möchte dafür werben, dass diese Berufe ist es, wenn man keinen Fortschritt will. Dafür stehen stärker wertgeschätzt und durch bessere Bezahlung at- Sie, Frau Schröder. traktiver werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der der CDU/CSU) Abg. Yvonne Ploetz [DIE LINKE]) Das habe ich mir vor meiner Rede nicht aufgeschrieben. Ich bin froh, einer Partei anzugehören, die in diesem In der Debatte ist mir aber deutlich geworden, dass man Jahr ihr 150-jähriges Gründungsjubiläum feiert. Eine auch dazu an dieser Stelle einmal etwas sagen muss. ganze Reihe von Frauen, auch hier in diesem Haus, ha- ben vor vielen Jahren dafür gesorgt, dass die Gleichstel- Die Erwerbstätigkeit der Frauen in Deutschland hat lungspolitik vorangekommen ist. Clara Zetkin, Marie laut einer Studie aus dem Jahre 2011 eine Quote von Juchacz, Lily Braun und Hedwig Dohm, aber auch 72 Prozent erreicht. August Bebel mit seinem Werk Die Frau und der Sozia- lismus haben ein großes Stück dazu beigetragen. Ich (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- würde mir wirklich wünschen, liebe Kolleginnen von NEN]: Das ist hauptsächlich Teilzeit!) Union und FDP: Seien Sie ein bisschen mutiger und ein Damit liegen wir kurz hinter den skandinavischen Län- bisschen konsequenter. Geben Sie nicht nur Problem- dern. Dennoch sind wir hinsichtlich der beruflichen analysen zum Besten, tragen Sie endlich auch Problem- Gleichstellung von Frauen noch nicht ausreichend vor- lösungen vor. angekommen. Schönen Dank. Wir analysieren die Probleme – davor scheuen wir (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ uns nicht –: Ein wesentlicher Grund, warum die Gleich- DIE GRÜNEN) stellung von Frauen im Beruf noch nicht gewährleistet ist, sind unzureichende Möglichkeiten zur Vereinbarung (B) von Familie und Beruf. Daran arbeiten wir. Wir geben (D) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: enorme Summen aus, um die Kinderbetreuung in den Für die FDP-Fraktion gebe ich jetzt Sibylle Laurischk verschiedensten Bereichen zu gewährleisten. Ich denke, das Wort. dass es dabei nicht nur um Kinder unter drei Jahren geht, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sondern zunehmend auch um Kinder, die in der Schule sind. Insofern wird die Ganztagsbetreuung ein wichtiges Thema werden. Das Defizit in diesem Bereich haben Sibylle Laurischk (FDP): auch rot-grüne Bundesregierungen mit zu verantworten. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Debatte wieder etwas versach- (Beifall bei der FDP) lichen. Das ist ein Problem mit einer langen Geschichte. Dieses (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Problem war in den letzten vier Jahren, in denen wir an der CDU/CSU) der Regierung beteiligt waren, nicht zu lösen. Ich wende mich an die vorrangig jungen Zuhörer, die Dass wir dieses Thema ernst nehmen, zeigt die hef- hier auf der Tribüne in großer Zahl – ein paar gehen jetzt tige Diskussion, die wir darüber immer wieder führen. leider – anwesend sind. Zunächst möchte ich dafür wer- Die linke Seite dieses Hauses konzediert das nicht gerne. ben, Aber gerade deswegen sage ich hier sehr deutlich: Wir haben uns an der Stelle nicht zu verstecken. Die Betreu- (Christel Humme [SPD]: Genau! Sie werben!) ung von Kindern ist in Deutschland ein ernsthaftes dass sich gerade die jungen Frauen unter Ihnen für Be- Thema geworden. Wir lassen nicht locker. Wie gesagt: rufe entscheiden, die eine Perspektive bieten, dass Sie Es ist viel Geld dafür ausgegeben worden. sich auch für Berufe mit technischer und naturwissen- Dennoch haben wir, gerade was das Thema Teilzeit schaftlicher Ausrichtung interessieren, bei denen zuneh- anbetrifft, ein deutliches Defizit, das wir angehen müs- mender Fachkräftemangel zu verzeichnen ist. sen. Ich glaube, Frau Ministerin, dass sich die FDP an Aber wir haben auch in ausgesprochenen Frauenberu- dieser Stelle überhaupt nicht versteckt. Ich weiß nicht, fen einen Fachkräftemangel und einen zunehmenden ob in einer Zeitung steht, dass Sie das so gesagt haben. Personalmangel. Ich habe feststellen müssen, dass im (Christel Humme [SPD]: Hat sie! Ich habe es Pflegebereich mittlerweile sehr viele ausländische Ar- in meiner Heimatzeitung gelesen!) beitskräfte angeworben werden, weil wir auf dem bisher üblichen Rekrutierungsfeld nicht mehr genügend Mitar- Ich glaube, wir sind durchaus erreichbar. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28285

Sibylle Laurischk (A) Es ist tatsächlich so, dass sehr viele Frauen in Teil- Nur ein Beispiel: In Pflegeberufen – da arbeiten zu (C) zeitarbeit stehen und die Rückkehr in den Beruf im 80 Prozent Frauen – ist die Anzahl der Leiharbeitneh- Sinne einer Ganztagsbeschäftigung für sie sehr schwie- merinnen in den letzten sechs Jahren um 400 Prozent an- rig ist. Vor allen Dingen, wenn sie sich sehr lange der gestiegen. Diese Frauen leisten wirklich Schwerstarbeit, Kinderbetreuung gewidmet haben, merken sie, dass sie verdienen aber wenig und haben kaum arbeitsrechtlichen den Anschluss verlieren und keine Ganztagsbeschäfti- Schutz. Sie nennen das die Flexibilisierung des Arbeits- gung mehr finden. Das ist ein struktureller Mangel, der marktes. Wir nennen es Ausbeutung. meiner Ansicht nach durch entsprechende Anreize im (Beifall bei der LINKEN) Unternehmen, aber – das ist denkbar – auch durch ge- setzliche Maßnahmen zu ändern ist. Das Mindeste, was ich von Ihnen als Regierenden ver- lange, ist, dass Sie die Leiharbeit in so sensiblen Berei- Gleichzeitig müssen sich aber auch Männer stärker chen wie der Kindererziehung und der Pflege endlich für Teilzeit interessieren. stoppen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Übrigens ist die Branche mit den meisten Frauen im Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Niedriglohnsektor der Einzelhandel. Sie haben sicher- NIS 90/DIE GRÜNEN]) lich mitbekommen, dass die Arbeitgeber im Einzelhan- Wenn es in einer Familie erforderlich ist, dass einer Teil- del die Tarifverträge aufgekündigt haben. Jetzt kämpfen zeit arbeitet, dann sind es meist die Frauen, die sagen: rund 3 Millionen Frauen um freie Wochenenden, um Ur- Okay, ich gehe aus dem Beruf ein Stück weit heraus. Die laubsgeld, um einen guten Lohn. Der Handelsverband nenn Männer machen weiter, sicherlich, weil der besser be- t diese Aufkündigung der Tarifverträge Modernisie- rung. Wir wissen ganz genau, dass es hier nur um Lohn- zahlte Beruf eine Rolle spielt, aber auch, weil es nicht en drückerei geht, und nennen es eine Kampfansage an die vogue ist, weil das im Unternehmen nicht selbstver- Beschäftigten. Wir Linke stehen fest an der Seite der ständlich ist. Es muss uns klar sein, dass lediglich Frauen und fordern von Ihnen, dass Sie einen Mindest- 10,6 Prozent der Männer im Westen und 7,5 Prozent der lohn von 10 Euro einführen, damit die Frauen in diesem Männer im Osten Teilzeit arbeiten. Das sind viel weni- Arbeitskampf abgesichert sind. ger als bei den Frauen. Es ist einfach kein Thema. (Beifall bei der LINKEN) Ich glaube, dass wir die Lebensarbeitszeit von Frauen und Männern gleichstellen müssen, dass wir dafür sor- Wir wissen auch: Wo Tarifverträge gelten, fällt die gen müssen, dass Frauen wie Männer flexible Zeitange- Entgeltlücke kleiner aus. Trotzdem verdienen Frauen bote wahrnehmen können – die Teilzeitarbeit gehört noch im Jahr 2013 rund ein Viertel weniger als ihre (B) dazu, aber selbstverständlich auch die Rückkehr in die männlichen Kollegen. Eine Großhandelskauffrau zum (D) Vollzeitberufstätigkeit –, weil dann auch die Altersarmut Beispiel hat im Monat rund 564 Euro weniger als ihr von Frauen ein Ende hat; denn dann können die Frauen männlicher Kollege. Da kommen im Laufe eines Ar- ebenso wie die Männer eine Altersversorgung aufbauen. beitslebens locker 220 000 Euro zusammen. Sie reden in Das geschieht nur, wenn auch Männer in diesen struktu- diesem Zusammenhang von Eigenverantwortung, da- rellen Wandel einsteigen. Das tun sie bisher per se noch von, dass Frauen die falschen Berufe wählen, davon, viel zu wenig. Es geht um einen Bewusstseinswandel, dass man bei Lohnverhandlungen mutiger sein könnte. den wir als Liberale nicht per Gesetz erzwingen. Wir nennen das Diskriminierung am Arbeitsplatz und fordern nicht weniger, als dass Sie per Gleichstellungs- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gesetz, Verbandsklagerecht und Lohntransparenz end- lich für gleiche Löhne bei gleicher Arbeit sorgen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Beifall bei der LINKEN) Yvonne Ploetz hat jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort. Sicherlich erzähle ich Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass geringe Löhne zu geringen Renten führen. (Beifall bei der LINKEN) Im Alter müssen Frauen wirklich fast jeden Cent umdre- hen. Mittlerweile haben zwei von drei Frauen eine Al- Yvonne Ploetz (DIE LINKE): tersrente unterhalb der Grundsicherung im Alter, also Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den unterhalb von Hartz IV im Alter. 83,5 Prozent der Frauen – eigentlich fast alle – haben eine Rente von un- ersten Blick sieht es für Frauen gar nicht so schlecht aus. ter 850 Euro, ein Viertel davon sogar unter 250 Euro. Statistiken erzählen uns seit langem von einer wunderba- ren Vermehrung der Jobs für Frauen. Es ist tatsächlich Ich komme aus dem Saarland und will nun ganz kurz so: Seit Jahren steigt die Anzahl von Frauen in Lohn und auf die Situation bei uns eingehen. Ein Mann bekommt Brot. bei uns durchschnittlich eine Rente von 1 139 Euro. Eine Frau bekommt durchschnittlich 415 Euro. Sie nennen Doch sieht man etwas genauer hin, bekommt man das eine „besonders unzureichende soziale Absicherung schnell große Augen. Es ist nämlich nicht so, dass die von Frauen … im Alter“. Wir nennen das menschenun- Anzahl der Frauen in Normalarbeitsverhältnissen ange- würdige Armutsrenten und bleiben bei unserer Forde- stiegen ist. Vielmehr ist die Anzahl der Frauen im Nie- rung nach einer Mindestrente, die wirklich jeden und driglohnsektor, in befristeten Beschäftigungsverhältnis- jede vor Armut im Alter schützt. sen und in Teilzeitarbeit explodiert. Sie hat sich seit 1991 annähernd verdoppelt. (Beifall bei der LINKEN) 28286 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Yvonne Ploetz (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Internationale Wenn wir uns aber die Frauenpolitik der Koalition der (C) Frauentag rückt näher. Wir reden hier über Entgelt, über letzten Jahre anschauen, klafft da nur ein großes Quote. Wir reden über ausgebeutete Frauen in Pflege- schwarz-gelbes Loch. Wir haben eine uninspirierte und Erziehungsberufen. Wir reden über Kitas, die feh- Ministerin, die selbst die positiven Denkansätze der len, und über Frauen mit Existenzangst im Alter. Aber Frauen in ihrer eigenen Fraktion, zum Beispiel zur Frau- eigentlich reden wir doch darüber, dass der Kapitalismus enquote, ausgesessen hat. Jetzt ist zu lesen, dass Sie auf genau diese Frauen angewiesen ist. Er ist angewie- nicht einmal mehr die Zahlen Ihrer unzureichenden Fle- sen auf eine ungeheure Anzahl von Frauen, die privat ar- xiquote gemeinsam mit den Unternehmen präsentieren beiten, die zu Hause arbeiten und die in sogenannten ty- wollen. Das sollen jetzt die Unternehmen alleine ma- pischen Frauenberufen arbeiten. Das sind Berufe, die chen. Für mich ist das wirklich die endgültige Kapitula- weniger mit Erdölgewinnung zu tun haben, weniger mit tion. Luftfahrt, weniger mit Fahrzeugbau, sondern sich mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Menschen beschäftigen. Diese Berufe lassen sich nun sowie bei Abgeordneten der SPD) einmal nicht beliebig beschleunigen, um noch mehr Ge- winne herauszupressen. Diese Woche erreichte uns Ihr Vorschlag bzw. Antrag zur Entgeltgleichheit. Da dachte ich: interessant. Nach Lassen Sie mich mit einem, wie ich finde, sehr beein- dem Lesen war ich überrascht, dass die Koalition wahr- druckenden Zitat von Robert Biel enden: scheinlich endlich einsieht, dass es tatsächlich ge- Es ist eindeutig, dass der Kapitalismus zu Überaus- schlechtsspezifische Verdienstunterschiede gibt. Das ist beutung der Frauen geführt hat. Das wäre wenig schon mal ein großer Fortschritt. Denn vor einer Woche tröstlich, wenn es nur vermehrtes Elend und ver- – wer bei der Anhörung zu den Vorschlägen der SPD und von uns Grünen zur Entgeltgleichheit anwesend mehrte Unterdrückung bedeutet hätte, doch glückli- war, weiß das – klang das noch völlig anders. Da wurde cherweise hat es auch zu Widerstand geführt, um das Problem von den Abgeordneten und Sachverständi- vielleicht so sogar zum Keim einer neuen Gesell- gen der Koalition völlig verdrängt. Das Argument war schaftsordnung zu werden. immer nur: Die Frauen sind doch selber schuld. Danke schön. (Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: (Beifall bei der LINKEN) Was?) Im Antrag steht jetzt, dass sogar Erfahrungen aus dem Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: europäischen Ausland mit gesetzlichen Regelungen zur Jetzt hat Monika Lazar das Wort für Bündnis 90/Die Beseitigung der Ungleichheit ausgewertet werden sol- (B) Grünen. len. Okay, aber wie sieht es mit der Umsetzung aus? (D) Nein, nur Regelungen zur Transparenz sind geplant. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Klar, alles andere wäre ja zu revolutionär. Nur nicht zu forsch werden! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zum Internationalen Frauentag ermöglicht Wir Grünen haben ein Entgeltgleichheitsgesetz gefor- es uns, jährlich Bilanz über die Frauenpolitik der Bun- dert, in dem verbindliche Regelungen von den Unterneh- desregierung zu ziehen. Als Erstes fällt mir da mein men eingefordert werden. Bei diesen vorliegenden Vor- Lieblingssatz aus dem Bundesgleichstellungsbericht ein: schlägen hätten Sie sich in den letzten Jahren einfach Die Kosten des gegenwärtigen Nichtstuns übersteigen Anregungen holen können. Aber der Antrag der Koali- die einer zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik bei tion ist wieder einmal nur mutlos. weitem. (Caren Marks [SPD]: Peinlich ist das!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auch in den anderen Bereichen der Gleichstellungspoli- sowie bei Abgeordneten der SPD – Caren tik haben wir in den letzten Jahren umfassende Konzepte Marks [SPD]: Sehr gut, Frau Kollegin! Der vorgelegt. In unserem aktuellen Antrag, der heute mit Satz!) eingebracht wird, können Sie es nachlesen. An das Nichtstun der Ministerin haben wir uns schon Um mit einem Beispiel aus der Seefahrt zu enden: gewöhnt. Aber ich verzweifle immer noch daran, dass Dort markiert die Farbkombination schwarz-gelb die die guten Vorlagen wie der Bundesgleichstellungsbericht Untiefen und rot-grün das Fahrwasser. oder der Bericht zur Situation der Frauenhäuser, Fachbe- ratungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder nicht genutzt sowie bei Abgeordneten der SPD) werden und stattdessen in den Regalen verstauben. Hier In diesem Sinne arbeiten wir Grüne weiter an einem Re- liegen Lösungsvorschläge, die die Ministerin ignoriert, gierungswechsel; denn von der Koalition ist auch in Sa- ja, sie sind ihr noch nicht einmal der Rede wert. Das chen Frauen- und Gleichstellungspolitik in den verblei- Grundgesetz gibt dem Staat einen deutlichen Auftrag, benden Wochen bis zur Wahl nichts mehr zu erwarten. und der heißt nicht, nichts zu tun, sondern engagierte Konzepte zur Chefinnensache zu machen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28287

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Erstens hat sie mehr Geld zur Verfügung gestellt, was (C) Die Kollegin Ingrid Fischbach hat jetzt das Wort für wir gar nicht sollten, Frau Humme, und zweitens hat sie die Fraktion der CDU/CSU. Sie in Ihrer Landesverantwortung mal wieder daran erin- nert, dass Sie ein Versprechen abgegeben haben. Sie ha- (Beifall bei der CDU/CSU) ben vonseiten der Länder – und Sie haben in den Län- dern ja die Mehrheit – gesagt: Wir wollen mitmachen, Ingrid Fischbach (CDU/CSU): wir wollen den U-3-Ausbau nach vorne bringen. – Wenn Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Sie aber in der Verantwortung sind und das umgesetzt Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sa- werden muss, dann sagen Sie, liebe Frau Humme, auch gen: Politik beginnt immer mit dem Betrachten der in Nordrhein-Westfalen: Dafür haben wir kein Geld. Wir Wirklichkeit. kürzen lieber noch ein bisschen. – Soll ich mal eben (Beifall der Abg. Nadine Schön [St. Wendel] nachschauen, wo Sie, die Sie in Nordrhein-Westfalen ge- [CDU/CSU]) sagt haben, kein Kind dürfe verlorengehen, überall ge- kürzt haben? Ich erinnere auch daran, dass Frau Ferner Manchmal denke ich mir: Die Kolleginnen und Kollegen und Frau Marks immer gerufen haben: Machen, machen, der Opposition, die ich persönlich sehr schätze, nehmen machen! – Ich sage Ihnen einmal, was Sie in Nordrhein- nicht nur anders wahr, sie wollen auch anders wahrneh- Westfalen anders als die Ministerin gemacht haben, die men. Deshalb – das muss ich sagen – leiden Sie teilweise gesagt hat: Ich sorge dafür, dass noch Mittel zur Verfü- unter Wahrnehmungsstörungen. gung gestellt werden. Ich sorge dafür, dass Betriebskos- ten übernommen werden. (Beifall der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU] – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ (Christel Humme [SPD]: Weil wir Sie ge- DIE GRÜNEN]) zwungen haben über den Bundesrat, Frau Liebe Frau Künast, ich fange mit Ihnen an. Fischbach!) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das hat es in der Kinderbetreuung noch nie gegeben. NEN]: Das ist unter meinem Niveau, Ihnen so (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – was zu unterstellen!) Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie geben mir immer so gute Vorlagen, die ich nicht lie- NEN]: Wir haben Sie über den Bundesrat ge- genlassen kann; die muss ich auffangen und wieder an zwungen!) Sie zurückspielen. Sie haben in NRW im Jahre 2011 für die unter Drei- (B) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- jährigen eine Betreuungsquote in Höhe von 16 Prozent (D) NEN]: Ihre Wahrnehmung ist manchmal ko- gehabt. Das war der schlechteste Stand in Deutschland, misch!) Frau Humme. So sieht es bei Rot-Grün in dem größten Bundesland Nordrhein-Westfalen aus. – Ja, aber lassen Sie uns jetzt einmal über die Punkte re- den, die Sie im Sinne von „die Ministerin macht nichts, (Christel Humme [SPD]: Wir haben ein Rie- wer macht was?“ angesprochen haben. In diesem Zu- senprogramm in Nordrhein-Westfalen!) sammenhang haben Sie das Stichwort „Kita“ genannt. Sie sparen in dem Haushalt 8,7 Millionen Euro an Zu- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- weisungen für die Gemeinden ein, die für die Umset- NEN]: Ich habe nicht gesagt, dass sie da nichts zung des Rechtsanspruchs auf den Kindergartenplatz macht!) und den Kitaplatz vorgesehen waren. 8,7 Millionen Euro sparen Sie ein! Und dann stellen Sie sich hier hin und Nun kann man sagen, der Ausbau der U-3-Betreuung fragen: Wer tut denn was? – Ja, wer denn? Sie nicht! Das in der Kita sei in der Großen Koalition verabredet wor- haben Sie bewiesen. Das Handeln liegt bei uns, und das den. Das ist schön. Da stand es auf dem Papier, und Pa- werden wir auch in Zukunft so halten. pier ist geduldig. Die Arbeit aber ist erst in dieser Legis- laturperiode gemacht worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!) Denn da, wo Sie Verantwortung haben, tun Sie nichts. Wenn es um die Umsetzung geht – da komme ich gleich Im Gegenteil, Sie stecken den Kopf in den Sand. Das ist auf Rot-Grün in meinem Heimatland Nordrhein-Westfa- nicht das, was wir wollen. len zu sprechen, weil mir das am Herzen liegt und ich Nächster Punkt: Gleichstellungsbericht. Wer hat denn dazu etwas sagen kann –, frage ich: Frau Künast, wer hat den ersten Gleichstellungsbericht auf den Weg gebracht? es denn in die Hand genommen, den Kita-Ausbau nun auch so umzusetzen, dass die Länder nicht mehr aus der (Christel Humme [SPD]: Sie haben ihn in der Verpflichtung kommen? Das waren nicht Sie, das war Schublade versteckt!) nicht Rot-Grün, das ist nicht in den von Ihnen regierten Etwa Sie von Rot-Grün in sieben Jahren? In dieser Zeit Ländern geschehen, sondern unsere Familienministerin gab es hier nur Reden, Reden, Reden. Der erste Gleich- hat das gemacht. stellungsbericht, Frau Künast, auf den Sie sich netter- (Christel Humme [SPD]: Was hat die denn ge- weise auch beziehen, ist unter dieser Frauenministerin macht?) auf den Weg gebracht worden. 28288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Ingrid Fischbach (A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sollten 4 Milliarden Euro von den Ländern kommen –, (C) NEN]: Dann soll sie daraus doch was ma- eingehalten haben? chen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jetzt geht es darum, daraus auch etwas zu machen. Das ist eine Dreistigkeit hoch drei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nur deshalb, Frau Marks – ich bin mit meiner Ant- Ich lasse mir aber nicht nachsagen, wir hätten nichts ge- wort noch nicht fertig –, hat die Ministerin an der einen macht. oder anderen Stelle gesagt: Der Bund hat seine Zusage, 4 Milliarden Euro bereitzustellen, als Einziger eingehal- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ten. Frau Fischbach, Frau Marks würde Ihnen gerne eine (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Genau!) Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu? Die Länder sind ihren Verpflichtungen nicht nachge- Ingrid Fischbach (CDU/CSU): kommen und die Kommunen auch nicht – aus welchen Das finde ich gut; denn sonst wäre ich mit meiner Gründen auch immer; wir kennen sie. Rede auch schon fast zu Ende. (Christel Humme [SPD]: Ja, wie sollen die das denn machen?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Wenn die Mittel noch nicht abgerufen waren – jetzt kann ich wieder auf NRW kommen, diesmal dazu, wie die Mittel abgerufen wurden – Caren Marks (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass ich die Zwi- (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Die schenfrage stellen darf. haben ja Ewigkeiten gebraucht!) Liebe Frau Fischbach, Sie haben eben einiges über und die Ministerin sagt: „Wir haben unsere Hausaufga- den Kita- und den Krippenausbau gesagt. Würden Sie ben gemacht, und bevor wir mehr Geld zur Verfügung bestätigen, dass die Frauen- und Familienministerin Frau stellen, sollen erst einmal die anderen ihre Aufgaben er- Schröder während der letzten Monate, eigentlich wäh- ledigen“, dann, denke ich, ist das richtig. rend der letzten gut drei Jahre, in diesem Plenarsaal vor Noch einmal zu Ihrer Erinnerung: Der Bund hat mit der Öffentlichkeit und auch in öffentlichen Reden immer der U-3-Betreuung nichts, aber auch gar nichts zu tun. (B) wieder gesagt hat, der Bund hat mit den 4 Milliarden (D) Euro, die die Große Koalition auf den Weg gebracht hat, (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Wir genug getan, mehr gibt es von Bundesseite definitiv haben nichts damit zu tun!) nicht? Das ist in den Protokollen mehrfach nachzulesen. Was wir hier gemacht haben, haben wir gemacht, Würden Sie vielleicht auch bestätigen, dass es die Mi- nisterpräsidenten der SPD, nämlich aus (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Freiwillig!) Hamburg und der damalige Ministerpräsident Kurt Beck weil wir als christlich-liberale Regierung aus Rheinland-Pfalz, zusammen mit anderen SPD-ge- führten Bundesländern im Bundesrat waren, die im Rah- (Caren Marks [SPD]: Nein! In der Großen men der Verhandlungen des Bundesrates über den Fis- Koalition war das!) kalpakt zusätzliche 580 Millionen Euro hineinverhandelt und dies als Bedingung dafür genannt haben, dass über- und auch damals in der Großen Koalition gesagt haben: haupt etwas auf den Weg gebracht wird, und dass die Wir sehen die Notwendigkeiten der jungen Familie. Kin- Ministerin diese 580 Millionen Euro, die sie zunächst derbetreuung ist das A und O. kontinuierlich verweigert hatte, erst jetzt im Zuge der (Abg. Caren Marks [SPD] nimmt wieder Verhandlungen über den Fiskalpakt bereitgestellt hat? Platz) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Nein, ich bin noch nicht fertig. Frau Präsidentin, ich bin noch bei meiner Antwort. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Ja, liebe Frau Marks, das ist so mit der Wahrneh- (Zurufe von der CDU/CSU: Wieder aufstehen! mung. – Die Antwort geht noch weiter! – Caren Marks [SPD]: Ich finde, meine Frage ist beant- (Caren Marks [SPD]: Nein, mit der Wahrheit!) wortet!) – Ich streite das gar nicht ab, was Sie sagen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Iris Gleicke [SPD]: Aha!) Ich entscheide darüber, wie das mit der Zeit ist, und Aber mit welcher Dreistigkeit sitzen da Menschen im Sie antworten weiter auf die Frage. Bei dieser Gelegen- Bundesrat und fordern mehr Geld, wenn sie noch nicht heit können Sie gleich sagen, ob Sie auch noch eine einmal die Zusagen, die sie selbst gegeben haben – es Frage von Frau Dörner zulassen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28289

(A) Ingrid Fischbach (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (C) Ja, ich rede gerne weiter. Meine Damen und Herren, das, was Nordrhein-West- falen macht, ist nicht gut. Das hat nichts mit Gleichstel- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: lungspolitik zu tun. Das hat auch nichts mit Entgelt- Das machen wir dann so. gleichheit zu tun. Es gibt eine erste Studie – übrigens, Frau Künast, wurde auch sie von dieser Familienminis- Ingrid Fischbach (CDU/CSU): terin in Auftrag gegeben. Das zeigt: Rot-Grün hat sich Ich wiederhole – darf ich wenigstens das abschlie- nicht auf den Weg gemacht, die familienpolitischen ßend sagen? –: Es war schon eine Farce, was sich Ihre Leistungen zu evaluieren; das war für Sie gar kein Leute im Bundesrat erdreistet und erlaubt haben: statt Thema. Das ist bei uns passiert. erst einmal die eigenen Versprechungen einzulösen, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gleich neues Geld zu fordern. So macht man keine Poli- NEN]: Die ist doch geheim, die Studie! – Ge- tik. genruf des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: (Caren Marks [SPD]: Ja, ja!) Nein! Wenn Sie Internet haben, können Sie sich das ansehen!) Deswegen ist mir vor dem September dieses Jahres über- haupt nicht bange. – Frau Dörner. – Nein, sie ist nicht geheim. Sie können das nachlesen; das steht auf der Internetseite des Ministeriums. Die Ak- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris zeptanzanalyse hat gezeigt, dass für die Eltern die Kin- Gleicke [SPD]: Dieses Schwarzer-Peter-Spiel derbetreuung das A und O ist. Deswegen: Wenn Nord- ist peinlich für die Frauen- und Familienpolitik rhein-Westfalen jetzt sagt: „Wir kürzen die Mittel um dieser Bundesregierung! – Caren Marks einen zweistelligen Millionenbetrag“ und: „Ob bei der [SPD]: Schön darum herumgeschlumpft! – U-3-Betreuung zehn oder 15 Kinder betreut werden, ist Gegenruf des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/ auch egal; da packen wir ein paar mehr dazu“, CSU]: Na, na, na! Etwas mehr Respekt vor der Kollegin!) (René Röspel [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sage ich Ihnen: Das geht nicht. Das ist ein Schlag ins Ge- Frau Dörner, bitte, Ihre Zwischenfrage. sicht der Eltern. Vor allen Dingen spielt das Kindeswohl hier überhaupt keine Rolle. So kann man mit Kindern (B) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nicht umgehen. Kinder sind keine Versuchskaninchen. (D) Liebe Frau Fischbach, meine Frage ist sehr schnell zu Das ist mit uns nicht zu machen. beantworten. Würden Sie mir bestätigen, dass auf der ersten Seite des Gesetzentwurfs, den wir ja hier alle ge- (Beifall bei der CDU/CSU) meinsam – weitgehend gemeinsam – beschlossen haben, Meine Damen und Herren, jetzt noch einmal kurz um dafür zu sorgen, dass die zusätzlichen 580 Millionen zum Stichwort Entgeltgleichheit. Wir haben gesagt: Wir Euro an die Länder bzw. an die Einrichtungen in den müssen dafür sorgen, dass sich Väter und Mütter auf die Kommunen weitergeleitet werden können – also in dem Kinderbetreuung verlassen können. Das ist ein wichtiger Text, der uns von der Bundesregierung vorgelegt worden Punkt, um zu gewährleisten, dass es nur wenige Auszei- ist –, dargelegt ist, dass die Investitionsmittel aus diesem ten gibt. Für uns als christlich-liberale Regierung ist 4-Milliarden-Euro-Programm den Ländern zu 99 Pro- wichtig, dass wir uns nicht nur zu der Zeit der Geburt ei- zent bewilligt und insofern auch beantragt worden sind? nes Kindes kümmern, sondern auch eine Lebenslauf- (Caren Marks [SPD]: Ja!) perspektive haben und uns fragen: Wo gibt es in einem Lebenslauf Brüche, die dazu führen, dass der Lohn bzw. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): das Entgelt sinkt? Hier müssen wir ansetzen. Ich gebe Ihnen recht, Frau Dörner. Wir glauben auch, dass es Sinn macht, sich noch ein- (Caren Marks [SPD]: Ja! Das ist ein weiterer mal speziell mit der Pflegezeit zu befassen. Fehler!) Die Ministerin hat bereits gesagt, dass die Verdienst- Hätten Sie doch nur auch erwähnt, dass ordentlich Druck unterschiede zu Beginn der Ausbildung mit 2 Prozent von der Bundesebene kommen musste nicht groß sind, aber dann schon in der Kindererzie- hungsauszeit weiter zunehmen und später im Alter noch (Lachen der Abg. Caren Marks [SPD]) größer werden, wenn die Auszeit länger war bzw. weil und dass die Ministerin die Länder mehrfach angeschrie- vorrangig Frauen die zweite Auszeit nehmen müssen. ben hat. Sie haben ja selber vor Ort nachgefragt – auch Deswegen ist es wichtig, dass wir den Blick auf die Sie kommen ja aus Nordrhein-Westfalen – und wissen, Übergänge im Leben einer Frau oder eines Mannes rich- dass wir selber Druck gemacht und gefragt haben: Wa- ten. Der Wiedereinstieg ist ein sehr wichtiger Punkt, den rum werden die Mittel nicht abgerufen? Das ist ein Ver- wir in den Blick nehmen müssen. dienst unserer Familienministerin, und den lasse ich auch nicht kleinreden, Frau Dörner. (Christel Humme [SPD]: Reparaturbetrieb!) 28290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Ingrid Fischbach (A) Die Ministerin hat das Programm „Perspektive Wieder- Willi Brase (SPD): (C) einstieg“ auf den Weg gebracht. Damit zeigen wir: Wir Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol- wollen die Möglichkeiten unterstützen, dass Frauen wie- legen! Gustav Heinemann, der ehemalige Bundespräsi- der leichter zurück in den Beruf kommen. dent, hat zur heutigen Thematik seinerzeit ausgeführt – ich zitiere –: Ganz wichtig ist für uns, dass wir eine Bewertung der typischen Frauenberufe vornehmen. Dabei sind auch die Gleichberechtigung zielt darauf ab, dass Männer Tarifparteien und die Tarifpartner gefragt. Hier geht und Frauen unsere Gesellschaft in voller Gleich- mein Appell an die Tarifpartner. Meine Fraktion und wertigkeit dessen, was sie an körperlichen, geisti- auch ich können nicht nachvollziehen, dass Muskelkraft gen und seelischen Verschiedenheiten einbringen, nur bei Maurern höher bewertet wird. Muskelkraft ist miteinander gestalten. auch bei einer Pflegekraft wichtig und muss genauso ho- Ich finde, damit hatte Gustav Heinemann sehr recht. noriert werden wie im Fall des Maurers. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Christel Humme [SPD]: Appelle! Appelle! Sonst nichts!) Schauen wir uns die Realität an, dann müssen wir, wie schon viele Vorredner dargestellt haben, einiges sehr Wir wollen nicht, dass Verantwortung für Strukturen kritisch zur Kenntnis nehmen. Wenn wir Zahlen aus der und Maschinen höher bewertet wird. Wir wollen nicht Arbeitswelt betrachten, dann sehe ich wenig, was die – auch darin unterscheiden wir uns von Ihnen –, dass Regierung bzw. diese Koalition auf den Weg gebracht jetzt alle Frauen in die typischen Männerberufe gehen, hat. sondern dass auch die Berufe, in denen die Übernahme von Verantwortung für Menschen eine große Rolle (Beifall bei Abgeordneten der SPD) spielt, zu einer Höher- und Besserbewertung kommen. Die Lohnungleichheit ist sehr unterschiedlich. Bei un- Das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit und des zu- gelernten Arbeiterinnen liegen die Frauen gegenüber den künftigen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Männern um 8,3 Prozent im Minus, bei angelernten Ar- Ein letzter Punkt, Frau Präsidentin. beiterinnen um 14,3 Prozent, bei Fachkräften um 11,3 Prozent, bei höher qualifizierten Fachkräften um 14,3 Prozent und bei Frauen in leitender Stelle um Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: 21,3 Prozent. Allein diese Zahlen zeigen, dass in den Ein Punkt ist zu viel. letzten dreieinhalb Jahren von dieser Koalition nichts bis gar nichts gemacht wurde, um dies zu verändern. (B) Ingrid Fischbach (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) Ein letzter Satz. – Meine Damen und Herren, wir wol- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) len kein Entgeltgesetz, das zu mehr Bürokratiekosten, Verwaltungsaufwand und zur Einschränkung der Tarif- Wie kommt es eigentlich dazu, dass wir nach wie vor autonomie führt. diese Lohnunterschiede haben? Hat das vielleicht auch etwas mit der Struktur der dualen Berufsausbildung zu Wir wollen im September antreten, und wir werden tun? Ist es nicht heute so, dass nur 40 Prozent der neu im September gewinnen. Denn wir wollen Fortschritte in abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit jungen der Gleichstellungspolitik. Frauen abgeschlossen werden? 75,4 Prozent aller Aus- bildungsanfängerinnen sind in nur 25 Berufen zu finden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Verkäufe- Frau Kollegin. rinnen, Arzthelferinnen, Lebensmittelverkäuferinnen usw. usf. Das sind alles Berufe, teilweise mit zweijähri- Ingrid Fischbach (CDU/CSU): ger Ausbildung. In diesen Berufen sind nachher die Ver- dienstmöglichkeiten entsprechend schlechter und die Sie haben es schon mit Kanzler Schröder nicht ge- Lohnunterschiede werden deutlich. schafft, der von „Familie und Gedöns“ sprach. Ich finde, hier muss sich etwas ändern. Geschlechter- (Christel Humme [SPD]: Jetzt greifen Sie aber sensibilität bei Lehrerinnen und Lehrern, aber auch bei in die Mottenkiste!) den Eltern, was die Berufswahl angeht, ist wichtig. Des- Wollen Sie jetzt mit Peer Steinbrück antreten, einem halb begrüßen wir es, dass zumindest neun Bundeslän- Kandidaten, der – das ist mein letzter Satz – sagt: „Frau der sich auf den Weg machen und versuchen, mit dem Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat“? Mit neuen Übergangssystem hier eine wesentlich stärkere dem können Sie antreten. Wir haben keine Angst. Spreizung zu erreichen und den jungen Mädchen auch mehr Chancen auf den Weg zu geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir können ein Stück weiter gehen und fragen – das Willi Brase hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. wurde teilweise schon angesprochen –: Wo bleiben denn Frauen? Ist es nicht so, dass unsere Gesellschaft ein (Beifall bei der SPD) Stück weit davon lebt, dass die Frauen Arbeitsplätze ein- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28291

Willi Brase (A) nehmen und Tätigkeiten ausführen, die schlechter be- Wenn wir es daran messen, haben wir noch verdammt (C) wertet werden, dass sie ehrenamtlich tätig sind? Wenn viel zu tun. Ich bin sicher, nach dem 22. September, in ich nur den Bereich der Erziehung ansehe, muss ich fest- anderer Konstellation, wird uns das gelingen. stellen: Es gibt heute noch Frauen, die haben ihre Kinder großgezogen und dafür wenig oder nichts bekommen, Herzlichen Dank. und kaum sind die Kinder aus dem Haus, können die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frauen ihre Eltern, ihre Schwiegereltern pflegen – ein des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rita Leben lang mit wenig Unterstützung, mit wenig Geld. Pawelski [CDU/CSU]: So spricht man sich Mut zu! Laut Umfrage bekommen Sie 25 Pro- In dem Gutachten „Neue Wege – gleiche Chancen. zent! – Gegenruf der Abg. Renate Künast chstellung von Frauen und Männern im Lebensver- Glei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, lauf“ wird zu den schlechteren Chancen von Frauen im die Ambitionen reichen!) Verhältnis zu Männern ausgeführt – ich zitiere –:

Die vollzeitschulische Ausbildung in den personen- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: bezogenen Dienstleistungen zementiert mit unein- Nadine Schön hat jetzt das Wort für die CDU/CSU- heitlichen Qualifikationsprofilen und fehlenden Fraktion. bundesweiten Standardisierungen den geringeren Professionalisierungsgrad vieler typischer Frauen- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) berufe. Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Das haben wir zu ändern versucht. Bei der Pflegeausbil- dung hat damals das Bundesland Bayern das Bundes- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und verfassungsgericht angerufen: Zweijährige, teilweise Kollegen! Unsere Debatte findet auch statt mit Blick auf einjährige Maßnahmen waren das Ziel. Die Professiona- den Weltfrauentag, der am Freitag kommender Woche, lisierung und Aufwertung dieser Berufe wie auch deren am 8. März, stattfinden wird. Ich finde, wir sollten an bessere Bezahlung ist überfällig. diesem Tag wenigstens eine Sekunde auch an die Frauen in der Welt denken, denen es nicht so gut geht wie uns, (Beifall bei der SPD) die ganz andere Probleme haben als die, über die wir heute zu Recht diskutieren. Wir sollten am Weltfrauen- Frauen arbeiten mehr in personen- und dienstleis- tag auch an die Frauen in der Welt denken, die im Krieg tungsbezogenen Berufen. Diese Tätigkeiten werden we- leben, die Gewalt erfahren, die vergewaltigt werden, die (B) sentlich schlechter bezahlt als Berufe, in denen Fachar- unter Hunger und Unterdrückung leiden. Der Weltfrau- (D) beiter mit Material, mit Maschinen arbeiten. – Ich sehe entag ist nämlich nicht nur ein Tag für uns Frauen in bei der Koalition Nicken. Das ist schön. Aber was ist in Deutschland, sondern für alle Frauen auf der Welt. den letzten dreieinhalb Jahren in diesem Verhältnis pas- siert? Es hat kaum bis gar keine Änderungen gegeben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Dort müssen wir einiges mehr auf den Weg bringen, sehr der LINKEN) geehrte Damen und Herren. Wir sind heute sehr auf uns selbst zentriert. Deshalb (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rita möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auch noch all den Frauen in Deutschland zu danken, die in den unter- Pawelski [CDU/CSU]: Das müssen die Tarif- schiedlichsten Verbänden und Berufen für die Gesell- partner machen! Das können wir nicht ma- schaft arbeiten und sich vor allem auch für Frauen ein- chen! – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das ist setzen. Auch die vielen Frauen, die sich ehrenamtlich für nicht erst seit gestern bekannt! Auch nicht erst Frauen einsetzen, sollten am Weltfrauentag nicht zu kurz seit dreieinhalb Jahren!) kommen. Deshalb von dieser Stelle aus ein herzliches Wir wollen, dass an dieser Stelle stärker über die duale Dankeschön an diese Frauen! Ausbildung diskutiert und Entsprechendes auf den Weg (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gebracht wird. der FDP) Kollegin Ferner hat eben darauf hingewiesen, dass die Es ist in den Reden, denke ich, sehr deutlich gewor- SPD dieses Jahr ihr 150-jähriges Bestehen feiert. Wie den: Es gibt noch viele Probleme in unserem Land, es ich vorhin bewusst Gustav Heinemann zitiert habe, so gibt noch viel zu tun. Wir haben noch Probleme in Be- will ich zum Abschluss meiner Rede noch August Bebel zug auf die Lohnunterschiede zwischen Frauen und zitieren, der vor über 100 Jahren Folgendes in seinem Männern und die Erwerbsbeteiligung von Frauen, in Be- wegweisenden und bahnbrechenden Buch Die Frau und zug auf Frauen in Führungspositionen, und uns eint die der Sozialismus ausgeführt hat – ich zitiere –: Überzeugung, dass wir noch viel tun müssen. Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und öko- Wenn ich Ihre Anträge lese, die sehr ausführlich sind, nomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem dann sehe ich, dass wir hinsichtlich des Weges in vielen Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unter- Punkten übereinstimmen. Sie schlagen vieles vor, was worfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche ge- auch schon Teil unserer Regierungspolitik ist und was genüber und ist Herrin ihrer Geschicke. Sie auch im Koalitionsvertrag finden. 28292 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Nadine Schön (St. Wendel) (A) Es ist schön, dass wir in einigen Punkten Überein- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (C) stimmung haben, aber wir müssen auch festhalten: Mit der FDP) vielem, was Sie vorschlagen, springen Sie zu kurz, und bei vielen Dingen ignorieren Sie einfach die Realitäten. Kollege Brase, Sie haben die Probleme sehr gut ge- schildert und auch die Ursachen benannt, auf den Ge- Fangen wir einmal beim Thema Entgeltungleichheit setzentwurf sind Sie aber gar nicht eingegangen. Des- an: Abgesehen davon, dass Frau Bärbel Höhn von Bünd- halb würde mich einmal interessieren, ob alle in der nis 90/Die Grünen es scheinbar völlig okay findet, dass SPD-Fraktion hinter dem Gesetzentwurf stehen. sie ihren Mitarbeitern 4 Euro pro Stunde bezahlt, wie (Christel Humme [SPD]: Ja, alle!) man kürzlich in der Zeitung nachlesen konnte Was zum Beispiel wirklich hilft, ist das Forschungs- (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: 4 Euro! Das projekt „Tarifverhandlungen und Equal Pay“. Vielleicht hat sie nicht einmal dementiert! Das kann man kennen Sie das nicht. Sie sagen, das Problem liege in jeden Tag lesen!) den Ungleichgewichten zwischen den Frauen- und den – genau, das kann man in ihrer Stellenausschreibung Männerberufen. Deshalb muss man doch gerade bei den noch einmal nachlesen –, Tarifparteien ansetzen, die diese Bewertung vornehmen. Deswegen ist das der richtige Ansatzpunkt. Hierauf (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- müssen wir den Fokus legen. Das sind die Verantwortli- NEN]: Das war gar nicht ihre Stellenausschrei- chen, und die müssen wir auch in die Verantwortung bung! Wenn, dann muss man auch korrekt le- nehmen. sen!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und muss ich Sie zu dem Entwurf für ein Entgeltgleichheits- der FDP – Christel Humme [SPD]: Steht im gesetz, den Sie hier heute propagiert haben, fragen: Mei- Gesetzentwurf! Das haben Sie nicht gelesen!) nen Sie wirklich, dass man damit die Entgeltungleichheit Wir müssen Strukturen ändern. Ich denke, das haben in unserem Land beseitigt? meine Vorrednerinnen schon sehr gut erwähnt. Mit Pla- (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Nein!) cebos und Bürokratie kommen wir hier keinen Schritt weiter. Wir brauchen Programme für eine bessere Ver- Für die, die das nicht wissen, will ich das noch einmal einbarkeit von Familie und Beruf. Frau Kollegin wiederholen: Bündnis 90/Die Grünen und SPD schlagen Fischbach ist sehr gut darauf eingegangen, was wir im vor, dass in Deutschland zukünftig jedes Unternehmen Bereich der Kinderbetreuung getan haben. ab 15 Mitarbeitern eine Untersuchung durchführen, ei- (B) nen Bericht erstellen und seine Gehaltsstrukturen offen- Wir brauchen Maßnahmen zur eigenen Altersvor- (D) legen soll. sorge von Frauen. Hier muss ich sagen: (Christel Humme [SPD]: Ist doch kein Pro- (Caren Marks [SPD]: Betreuungsgeld!) blem! Das haben die Unternehmen doch alles Ab Juli gibt es die Möglichkeit – Sie haben das Betreu- im Computer! Kein Thema!) ungsgeld angesprochen –, das Betreuungsgeld in eine Das heißt, über 300 000 Unternehmen in Deutschland Rente zu investieren. Sie sagen zu der Frau, die auch müssten Berichte anfertigen, die dann von der Antidis- dann noch für ihr Kind da sein möchte, wenn es 12 oder kriminierungsstelle bewertet werden können. 14 Monate alt ist und gerade laufen und sprechen lernt: Du hast in Bezug auf deine Rente halt Pech gehabt. Wir Meinen Sie wirklich, dass uns 300 000 Berichte wei- sagen: Du bekommst Geld, das du für deine Rente anle- terbringen? Meinen Sie wirklich, dass die Antidiskrimi- gen kannst. Das hilft konkret gegen den Gender Pension nierungsstelle die richtige Stelle ist, um über diese Gap. 300 000 Unternehmen zu urteilen und abschließend zu Das ist konkrete Politik und mehr als Lippenbekennt- entscheiden, ob hier Lohnungleichheit vorherrscht oder nisse. Darauf sollten wir auch einen Fokus legen. nicht? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Christel Humme [SPD]: Ach Gott!) In der Anhörung, die Sie ja eben angesprochen haben, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: haben selbst Ihre Sachverständigen gesagt: Die Antidis- Christel Humme hat jetzt das Wort für die SPD-Frak- kriminierungsstelle darf hier nicht das letzte Wort haben. tion. Das müssen in Deutschland immer noch die Gerichte entscheiden. Viele Sachverständige haben auch gesagt: (Beifall bei der SPD) Die Bürokratie, diese Unwucht an Berichten und Über- prüfungen, steht wirklich in keinem Verhältnis zum An- Christel Humme (SPD): spruch und dem an sich lobenswerten Ziel, das Sie ver- Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin- folgen. Das ist wirklich der falsche Weg. nen! Liebe Frau Schröder, wenn es eines Beweises be- durft hätte, dass Gleichstellungspolitik in der Regierung Ich darf hier eine Überschrift des Spiegels vom gescheitert ist, dann war es Ihre Rede. 21. Januar 2013 bemühen. Dort stand: „Placebo-Politik“. Das ist wirklich Placebo-Politik! (Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Unmöglich!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28293

Christel Humme (A) Denn ich habe gehört, dass Sie erwarten, dass dann, lich 58 Prozent weniger verdient als die Männer, und sie (C) wenn Ihre Kinder so weit sind, eine Verbesserung einge- erhalten heute 48 Prozent dessen, was die Männer durch- treten sein wird: Das heißt: wenn Ihre Kinder und meine schnittlich an Rente beziehen. – Wenn Sie diese Lebens- Enkelkinder so weit sind. – Ich sage Ihnen: Ich habe laufperspektive aus dem Gleichstellungsbericht ange- keine Lust mehr, so lange zu warten. Ich möchte jetzt nommen hätten, dann hätten Sie sich sicherlich gefragt, Entscheidungen, was ich bei Ihnen absolut vermisse. was Sie tun und nicht nur fordern müssen, und dann hät- ten Sie einen Antrag gestellt, mit dem diese bestehenden (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Ungerechtigkeiten endlich beseitigt werden. Aber Sie le- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen die Hände in den Schoß und glauben, es bewege sich Frau Pawelski, wie oft haben wir hier diskutiert, und freiwillig etwas. wie oft haben Sie gesagt, die Zeit der Freiwilligkeit sei Es wundert nicht, dass in Ihrem Antrag ein konkretes vorbei? Da stimmen wir völlig überein. Wir haben die Leitbild zur Gleichstellung fehlt. Uns ist doch klar: Erfahrung gemacht: Zwölf Jahre freiwillige Vereinba- Echte Gleichstellung gibt es nur dann, wenn Männer und rungen haben nicht einen einzigen Schritt nach vorn ge- Frauen die gleichen Chancen haben, eine Arbeit aufzu- bracht. Das ist Fakt; das können wir ablesen. Aber ge- nehmen und für ihre Existenz zu sorgen. Niemand darf rade weil auch Sie das Ende der Freiwilligkeit immer in eine bestimmte Rolle gedrängt werden. Hätten Sie eingefordert haben, wundere ich mich, dass Sie einen dieses Leitbild des Berichts angenommen, dann hätten Antrag vorlegen, der wieder auf Freiwilligkeit fußt. Ich Sie den Nerv der 80 Prozent Frauen getroffen, die Beruf denke, da haben Sie überhaupt nichts dazugelernt. und Familie in Einklang bringen wollen und dann hätten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie auch den Nerv der Männer, die sich mehr um Familie des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) kümmern wollen, getroffen. Aber das haben Sie nicht getan. Wir wissen doch ganz genau: Wir müssen etwas tun, wir müssen die Strukturen verändern. Das schaffen wir (Beifall bei der SPD) doch aber nicht mit Freiwilligkeit. Wir wissen doch, wa- rum Frauen benachteiligt sind: wegen der bestehenden Wir haben ja schon öfter über Ihre Analyse gespro- Rahmenbedingungen, wegen der bestehenden Gesetze chen. Sogar Sie stellen fest, die größte Ungerechtigkeit und natürlich auch wegen der bestehenden generellen sei, dass sich Frauen in der Teilzeitfalle befinden und Strukturen. Frau Laurischk, da nutzt es überhaupt nichts, schlechter bezahlt werden als Männer. Aber es gibt keine zu sagen: Die Männer müssen sich ändern; sie müssen Lösung. sich auch der Teilzeitbeschäftigung widmen. – Das wer- Heute hat der Bundesrat den flächendeckenden ge- (B) den Sie auf freiwilliger Basis nicht hinbekommen. Wa- setzlichen Mindestlohn beschlossen, (D) rum sollte ein Mann freiwillig seine Macht abgeben? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Widerspruch bei der FDP) DIE GRÜNEN) Das wird er nicht tun, weil er wie die Frau Angst hat, ei- und zwar auf Antrag von SPD und Grünen. nen Karriereknick zu erleben, wenn wir die Strukturen nicht ändern. (Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU]) (Beifall bei der SPD) Der schlimmste Fehler, den Sie, Frau Schröder, ge- – Das Saarland hat zugestimmt. – Wenn Sie das wirklich macht haben, ist, dass Sie den Gleichstellungsbericht wollen, Frau Fischbach, wenn Sie es ernst meinen mit noch nicht einmal entgegengenommen haben. Dafür ha- der Gleichstellung, dann können Sie dem flächende- ben Sie Herrn Kues geschickt. ckenden gesetzlichen Mindestlohn nur zustimmen, weil der dafür sorgt, dass die Lohnlücke für Frauen geringer (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wird, und darum geht es uns. Das wäre ein erster Schritt. NEN]: Ganz traurig!) (Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ Sie haben ihn auch nicht gelesen CSU]) (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- – Es nutzt gar nichts, dass Sie mich jetzt anschreien. NEN]: Lesen bildet!) Stimmen Sie im Bundestag der Einführung des flä- und ihn in der untersten Schublade versenkt. Wenn Sie chendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu! Das wäre die Empfehlungen gelesen hätten, wären Sie sicherlich ein Beitrag zur Gleichstellung. Schauen Sie, dass Sie in zu einem ganz anderen Antrag gekommen als zu dem, der Gleichstellung etwas umsetzen, wie wir es in unse- den Sie jetzt vorlegen. rem Antrag dargestellt haben. Aber ich glaube, für die Der Bericht zeigt uns doch ganz klar auf, wo es Be- Umsetzung von Gleichstellung ist Schwarz-Gelb einfach nachteiligungen gibt. Dort heißt es: Frauen tragen im Le- zu schwach. bensverlauf größere Risiken als die Männer. Bei Tren- Danke schön. nung, Scheidung oder bei Tod des Partners ist ihr Risiko, arm zu werden, am größten. Die Frauen, die heute im (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Rentenalter sind, haben im Lebensverlauf durchschnitt- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 28294 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: angekündigt. Wir haben es unter der Merkel-Regierung (C) Jetzt hat für die Fraktion der CDU/CSU Rita Pawelski umgesetzt. Wir haben doch erst die frauenpolitischen das Wort. Maßnahmen durchgeführt, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Christel Humme [SPD]: Weil Sie die SPD im neten der FDP) Rücken hatten!) die Sie angedacht und angekündigt haben. Rita Pawelski (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Aber nicht Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! umgesetzt haben!) … es ist bestürzend, dass Deutschland EU-weit zu Aber Sie hatten keinen Mumm, sie umzusetzen. Das sind den Ländern mit den größten Vergütungsunter- doch die Fakten. schieden zwischen Männern und Frauen zählt. An- (Beifall bei der CDU/CSU) gesichts des internationalen Wettbewerbs um Fach- kräfte können wir es uns als Standort Deutschland Unter Schröder gab es hier in Deutschland doch ein nicht erlauben, die Hälfte der Leistungsträger unse- familien- und frauenpolitisches Loch. Da war doch gar rer Gesellschaft aufgrund ihres Geschlechts abzu- nichts. Der Macho vor dem Herrn hat Sie doch als Ge- werten. Frauen und Männer müssen die gleichen döns beiseitegestellt. Da fand nichts statt. Darum finde Chancen auf Anerkennung ihrer Leistungen erhal- ich es ein bisschen vermessen, dass Sie, die Sie jetzt hier ten und auch gleiche Perspektiven. auf den Bänken der Opposition sitzen, dicke Backen ma- chen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dieses Zitat stammt nicht etwa von einer Frauenrechtle- Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rin oder den üblichen Verdächtigen in Sachen Gleichstel- NEN]: Nein! Wir haben dazugelernt! Das ist lung, Frauenquote oder gleiche Bezahlung. Nein, dieses der Unterschied!) Problembewusstsein hat bewiesen. Er war bis vor einigen Monaten immerhin Manager ei- Sie werfen uns und der Ministerin vor, es sei nichts nes DAX-Unternehmens, nämlich der Deutschen Tele- passiert. Alles, was im Bereich Betreuung umgesetzt kom. wurde, wurde jetzt umgesetzt. Dieses Zitat zeigt: Gleiche Bezahlung für gleichwer- (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: So ist das!) tige Arbeit ist kein gleichstellungspolitisches Gedöns. Es (B) Alles, was wir in Sachen „Frauen in Führungspositio- (D) geht dabei vielmehr um knallharte Wirtschaftsinteressen. nen“ erreicht haben, ist in den letzten Jahren passiert. Es geht darum, dass Unternehmen in Zeiten von demo- Zwischen 2001 und 2010 gab es eine Frau in den Vor- grafischem Wandel und Fachkräftemangel attraktiv für ständen der DAX-Unternehmen fähige und motivierte Mitarbeiter sind. Es geht um un- sere Wettbewerbsfähigkeit. Es geht um die Zukunft un- (Abg. Christel Humme [SPD] meldet sich zu seres Landes. Das sollte mittlerweile in den Chefetagen einer Zwischenfrage) angekommen sein. Deshalb – das sage ich hier ganz ehr- – ich beantworte keine Zwischenfragen; ich habe zu we- lich – kann ich es nicht verstehen, dass wir uns heute im- nig Zeit –; mer noch über Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen unterhalten, trotz Equal Pay Day, trotz Lohntest- (Caren Marks [SPD]: Sehr unsouverän!) verfahren Logib-D, trotz der Vereinbarung der Spitzen- verbände der Wirtschaft von 2001 auf Chancengleich- jetzt gibt es dort 15 Frauen. Das haben wir erreicht – ich heit in der Privatwirtschaft. muss sagen: gemeinsam –, indem wir Druck gemacht haben. Ich gebe ehrlich zu: Das reicht mir nicht. Aber: Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, jetzt Statt einer Frau 15 Frauen, das ist ein Erfolg. komme ich zu Ihnen. Damals, 2001, haben Sie regiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Christel Humme [SPD]: Von wie vielen? Von Aber wir sind jetzt zwölf Jahre weiter!) 900 Personen! Was ist das für ein Erfolg?) Die einzige große frauenpolitische Tat in der Schröder- Wie es auch sei: Dass in Deutschland Frauen weniger Zeit zwischen 1998 und 2005 war, dass Sie versucht ha- als Männer verdienen, ist ein Skandal. Das sage ich ganz ben, der Schröder-Regierung einen frauenpolitischen deutlich. Egal ob 25 Prozent, 22 Prozent, 11 Prozent Stempel aufzudrücken, indem Sie beantragt haben, dass oder 2 Prozent – jede Lücke ist eine Ohrfeige für die Frauen in Führungspositionen stärker berücksichtigt Frauen, jede Lücke ist eine Ohrfeige für die Gleichbe- werden sollen. rechtigung. Dieser Missstand hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass Mädchen immer noch die falschen (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Berufe ergreifen. Meine lieben Kolleginnen und Kolle- NEN]: Durch Wiederholungen wird es nicht gen, ich mache seit über 20 Jahren Frauenpolitik. Inso- besser!) fern kenne ich die beliebtesten Berufe der Mädchen. Sie haben sich aber von Schröder in den Senkel stellen Diese haben sich in den vergangenen 20 Jahren leider lassen und wurden so klein. Das Elterngeld haben Sie nicht geändert. Das ist immer noch die Verkäuferin, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28295

Rita Pawelski (A) MTA, die Friseurin usw. Das sind die Berufe, die Mäd- (Christel Humme [SPD]: Sie sind doch be- (C) chen bzw. Frauen gerne ergreifen, obwohl man weiß, stimmt die Speerspitze der männlichen Gleich- dass diese Berufe schlecht bezahlt werden. – Liebe Mäd- stellungspolitik!) chen, sucht euch bitte auch einmal andere Jobs! Wählt Männerberufe! – Immerhin lässt meine Fraktion mich reden, Frau Kol- legin. Das ist schon einmal ein großer Vertrauensbeweis. (Mechthild Rawert [SPD]: Das ist verantwor- Dem versuche ich nun auch gerecht zu werden. tungslos, was Sie da machen!) Die Wahrheit ist aber auch, dass viele, die sich in den Es bringt euch nicht weiter, wenn ihr nur reine Frauenbe- vergangenen Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten rufe wählt. sehr engagiert darum gekümmert haben, nicht immer die Aufmerksamkeit für ihr Thema gefunden haben, die sie Natürlich müssen wir auch zusehen, dass diese Berufe sich selbst gewünscht haben. Auch das muss man fest- besser bezahlt werden. Ich sage aber ganz deutlich, dass stellen. das nicht Sache der Politik ist. Das ist Sache der Tarif- partner. Diese haben in erster Linie dafür Sorge zu tra- (Mechthild Rawert [SPD]: Und? Was heißt gen, dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Tarifver- das?) träge wie die in Sachsen mit einem Stundenlohn einer Wenn ich mir die Gleichstellungspolitikerinnen und Friseurin von 3,60 Euro haben nicht wir, die Politik, ab- Gleichstellungspolitiker von Rot-Grün anschaue, habe geschlossen; das waren die Tarifpartner. Wir appellieren ich ehrlich gesagt den Eindruck, dass diese erst seit drei an sie, hier endlich mehr zu tun. Jahren so richtig aufblühen bei der Frage, was man alles machen könnte, was alles notwendig wäre – vielleicht Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: auch deshalb, weil das zuvor nicht so umgesetzt werden Frau Kollegin! konnte – lassen Sie es mich ein bisschen zurückhaltend formulieren –, wie sie es sich vorgestellt haben. An die- Rita Pawelski (CDU/CSU): ser Stelle ist es vielleicht angebracht, an Max Weber zu erinnern. Max Weber hat den wunderschönen Satz ge- Darf ich noch einen Satz sagen? – Wir haben schon prägt von den dicken Brettern, die man in der Politik oft über Frauen in Führungspositionen geredet. Es wun- bohren muss. Wir stellen auch bei diesem Thema fest, dert mich sehr, dass es gerade in diesem Bereich die dass es dicke Bretter sind, die es zu bohren gilt. größten Gehaltsunterschiede gibt. Frauen in Führungs- positionen bekommen 30 Prozent weniger Gehalt als Ich sage aber – das ist ein freundschaftlich gemeinter ihre männlichen Kollegen. Rat, den ich Ihnen als letzter Redner in dieser Debatte (B) gern mitgeben möchte –: Seien Sie vorsichtig mit voll- (D) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: mundigen Ankündigungen! Frau Kollegin! (Mechthild Rawert [SPD]: Wir haben Gesetzentwürfe!) Rita Pawelski (CDU/CSU): Die Kollegin Pawelski hat es Ihnen bereits zugerufen. Aufgrund dieser Tatsache müsste es doch eigentlich Sie haben einmal einen Kanzler gestellt, der dieses Poli- viel mehr Frauen auf dieser Ebene geben, weil das doch tikfeld als „Gedöns“ abqualifiziert hat. ein großer Vorteil für die Unternehmen ist. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wie hieß Vielen Dank. der denn?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Die Wahrscheinlichkeit, dass es im September für Mechthild Rawert [SPD]: Frauen bezahlen Rot-Grün reicht – da sind wir alle entspannt –, ist ja sich selbst!) nicht sehr groß. (Willi Brase [SPD]: Das haben Sie vor Nieder- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sachsen auch gesagt! Da haben Sie einen auf Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege den Deckel gekriegt!) Dr. Peter Tauber das Wort. Die sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen (Beifall bei der CDU/CSU) haben aber einen Kanzlerkandidaten nominiert, der sehr klar formuliert hat, was er von Entgeltgleichheit mit Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Blick auf die Kanzlerin hält. Er hat nämlich gesagt, ei- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! gentlich verdiene die Kanzlerin im Vergleich zu ihm, Meine Herren! Liebe Kollegen und vor allem liebe Kol- wenn er einmal Kanzler sei, viel zu wenig. Das ist ein leginnen! Man muss in der Tat festhalten: Hier sitzen Verständnis von Entgeltgleichheit, das sehr spannend ist. viele – vor allem Kolleginnen –, die sich schon seit vie- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – len Jahren engagiert um das Thema Gleichstellung küm- Mechthild Rawert [SPD]: Falsch zitiert!) mern. Diesen Kolleginnen und vielleicht auch dem einen oder anderen Kollegen, der sich des Themas angenom- Insofern seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie jetzt voll- men hat, gilt ein ordentliches Dankeschön. mundig ankündigen! Sie müssen das erst einmal umset- 28296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Peter Tauber (A) zen. Den Beweis, dass Sie das umsetzen, sind Sie in der Unsere Gesellschaft ist so nicht. Sie ist vielschichtiger (C) Vergangenheit schuldig geblieben. und vielfältiger. Kommen wir einmal zu zwei, drei Aspekten, die in Es ist gut, wenn die Kolleginnen, die sich schon lange der Tat wichtig sind. mit diesem Thema beschäftigen, nicht nur am Rand von Debattenstunden am Donnerstag spätabends streiten, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE sondern auch einmal am Freitag, wenn die Sonne GRÜNEN]: Zum Inhalt! Super!) scheint. Es ist gut, wenn wir uns alle vornehmen, dass Wir haben über die gestiegene Erwerbstätigenquote der das Thema auf der Agenda bleibt. Aber zu glauben, dass Frauen gesprochen und sind schon auf das Problem ein- die Welt von heute auf morgen durch das Umlegen eines gegangen, dass Frauen dennoch nicht Jobs haben, die Hebels bunt und gut wird, ist erschreckend naiv. dazu führen, dass sich die Gehaltslücke schließt. Die Ge- haltsunterschiede betragen 22 Prozent in absoluten Zah- (Christel Humme [SPD]: Das hat keiner ge- len und 8 Prozent bei vergleichbarer Qualifikation und sagt! Wenn Sie zugehört hätten!) Tätigkeit. Ganz ehrlich: Mit Ihrer Leistungsbilanz aus Ihren Regie- In Ihrem Antrag steht auch wieder der Mindestlohn; rungsjahren ist das auch nicht belegbar. er ist ja Ihr Allheilmittel gegen alles. Die Wahrheit ist Herzlichen Dank. aber, dass die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden hat, dass bei den vollzeitbeschäftigten hochqualifizierten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) jungen Frauen die Gehaltslücke zu den Herren der Schöpfung am größten ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. (Christel Humme [SPD]: Natürlich! Das ist auch ein Problem!) Interfraktionell ist verabredet, die Vorlagen auf den Drucksachen 17/12483, 17/12487 und 17/12497 an die Der Mindestlohn ist doch keine Antwort auf diese Fest- Ausschüsse zu überweisen, die Sie in der Tagesordnung stellung. finden. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so (Christel Humme [SPD]: Das habe ich auch beschlossen. nicht gesagt!) Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 39 auf: Da ist es wieder, das reflexartige Festbeißen am Min- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- destlohn. richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe (D) Mechthild Rawert [SPD]: Wir fordern auch Beckmeyer, Dr. Bärbel Kofler, Dirk Becker, wei- nicht den Mindestlohn für Sie!) terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Auch durch Ihre Zwischenrufe wird es nicht richtiger. Zukunft des „Energie- und Klimafonds“ und Ich versuche einfach, darüber hinwegzureden. Das ist der durch ihn finanzierten Programme aber nicht ganz leicht angesichts Ihrer Lautstärke. – Der – Drucksachen 17/10088, 17/10815 – Mindestlohn ist hier keine Antwort. Berichterstattung: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Abgeordnete Norbert Barthle Es ist zunächst einmal gut, wenn die Erwerbstätigen- Carsten Schneider (Erfurt) quote der Frauen steigt. Was wäre denn die Alternative? Otto Fricke Dass sie nicht erwerbstätig sind? Dr. Gesine Lötzsch Sven-Christian Kindler Wir müssen uns auch fragen, was wir vorschreiben, und berücksichtigen, dass die Prozesse lange dauern. Verabredet ist es, eine Dreiviertelstunde zu debattie- Das Elterngeld, das hier genannt wurde, ist ein gutes ren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist auch Beispiel dafür. Es war von Anfang an klar, dass es nicht das so beschlossen. von heute auf morgen dazu führt, Ich eröffne die Aussprache. Volkmar Klein hat jetzt (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. Aber Sie haben vier Jahre Zeit gehabt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dass alle jungen Väter völlig begeistert sagen: Hurra, auch ich nehme Elternzeit. – Es war völlig klar, dass die Volkmar Klein (CDU/CSU): erste Vätergeneration, die das Elterngeld nutzt, sich un- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten gerechtfertigterweise den einen oder anderen dummen Damen und Herren! Ich habe schon ein bisschen Zwei- Spruch hat anhören müssen. Inzwischen ist das Alltag fel, ob es uns wirklich weiterbringt, heute über den An- und Selbstverständlichkeit. Deswegen kann man Im- trag der SPD zur Zukunft des Energie- und Klimafonds pulse setzen. Aber man sollte aufhören, den Leuten zu zu reden. Es ist zwar immer schön, wenn sich die Oppo- suggerieren: Wir beschließen etwas, und die Welt ändert sition über den Erfolg der Regierung Gedanken macht sich von einem auf den anderen Tag. und wenn uns die Opposition kritisch begleitet – das (Beifall) macht ihr gut, das ist auch die Aufgabe der Opposition; Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28297

Volkmar Klein (A) ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Aufgabe auch Der Verdacht, dass es eher um Show als um Fakten (C) wieder so zugeteilt wird –; aber wir als Koalition haben geht, weitgesteckte Ziele: energetische Gebäudesanierung, (Uwe Beckmeyer [SPD]: Bei Ihnen!) Forschung, weitere Markteinführung erneuerbarer Ener- gien, Schub bei den Speichertechnologien durch Unter- wird an einer anderen Stelle noch ein bisschen unter- stützung der E-Mobilität, internationale Verantwortung. mauert: In 18 teilweise sehr detaillierten Einzelpunkten Dafür ist der Energie- und Klimafonds die richtige und dieses Antrags intelligente Institution. Das hat auch die jüngste Anhö- (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ja! Wir kennen uns rung zum EKF im Juni vor anderthalb Jahren bestätigt. auch aus!) (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der werden die internationale Verantwortung sowie die SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Klima- und Umweltpolitik gerade noch zweimal er- SES 90/DIE GRÜNEN) wähnt, aber nur einmal überhaupt vernünftig aufgegrif- Die Einnahmen aus dem Emissionshandel komplett fen. Da fragt man sich doch, ob das nicht eine sehr große für Klima und Umwelt einzusetzen, ist einzigartig in Eu- Unausgewogenheit ist und ob niemand aus dem Bereich ropa. Das ist eigentlich schon ein Stück Wegweisung. der Entwicklungszusammenarbeit in den Reihen der Dieses Sondervermögen bietet Transparenz und ver- SPD-Fraktion einmal drübergucken durfte. Dort wird pflichtet auch zur ressortübergreifenden Kooperation; ständig – ich denke, viel zu häufig – von der ODA- das ist nicht selbstverständlich. Es besteht die Möglich- Quote geredet, wobei wir insgesamt mehr über Wirkung keit, bei schwankenden Einnahmen Aufgaben kontinu- und weniger über Geldausgeben reden sollten. Beim EKF wäre dieses Thema nun einmal wirklich angebracht ierlich zu finanzieren. Das macht die Möglichkeit, über gewesen. Aber von diesem Thema steht keine einzige Rücklagen Ausgleiche zu schaffen, gerade interessant. Silbe in diesem umfangreichen, detaillierten Antrag. Vor Klar: In der aktuellen Situation sind Sorgen sehr be- diesem Hintergrund halte ich es schon für berechtigt, zu rechtigt. Die Preise für Zertifikate sind deutlich niedri- sagen: Der Antrag ist völlig unausgewogen. Sie sind nur ger, weil die Nachfrage nach ihnen deutlich niedriger ist an Show interessiert und nicht daran, etwas zu bewegen. als ursprünglich erwartet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Uwe Beckmeyer [SPD]: Jetzt machen Sie Da wir schon beim Thema ODA sind: Es wäre für uns sich Sorgen!) sehr verlockend, zu sagen: Lasst uns doch den Fonds Man kann natürlich auch sagen: Das ist ein Stück weit auflösen und das Geld auf die Einzelpläne verteilen. – Der Einzelplan 23, der Haushalt des Entwicklungshilfe- ein Erfolg unserer Umweltpolitik. (B) ministeriums, wächst ruckzuck auf. Alle belobigen uns. (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aber am Ende wird nichts für die Länder erreicht, um die es uns geht. Eine solche Show wollen wir nicht. Wir Wenn weniger Verschmutzungszertifikate gebraucht sind an der Sache interessiert und eben nicht an einer werden, dann liegen die Gründe in Deutschland, wo die Show. Wirtschaft gut läuft, offensichtlich im Erfolg der Um- weltpolitik. Leider gibt es einen zweiten Grund für die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zurückgehende Nachfrage nach Zertifikaten, nämlich die Heute ist es an sich viel zu früh, über den EKF ab- Wirtschaftskrise in den anderen europäischen Ländern. schließend zu urteilen und seine Finanzierungsmöglich- Das ist ein ernstes Problem. Wir beobachten das mit gro- keiten dauerhaft zu bewerten. Wir setzen darauf, dass die ßer Sorge. Euro-Politik der Bundeskanzlerin greift und dass die Wirtschaft in den anderen Ländern wieder in Gang Wenn sich aber die Opposition wirklich Sorgen um kommt. Das wird dann zu einer erhöhten Nachfrage die Finanzierung des Energie- und Klimafonds machen nach Zertifikaten und auch zu steigenden Preisen führen. würde, dann hätte sie Ende 2012 nicht die steuerliche In der jetzigen Situation ein abschließendes Urteil abzu- Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen geben, ist von der Sache her nicht korrekt. verhindern dürfen. Wir sind weiterhin daran interessiert, Wirkung zu er- (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) zielen, anstatt eine Show abzuziehen. Wir wollen in der Denn da es nicht zu einer steuerlichen Förderung ge- Umweltpolitik und in der Klimapolitik Wirkung erzie- kommen ist, müssen wir jetzt zusätzlich 300 Millionen len, in Deutschland, aber, meine Damen und Herren, Euro aus diesem Fonds mobilisieren, der zugegebener- auch über Deutschland hinaus. Dafür wird der EKF wei- terhin eine vernünftige Grundlage bieten. maßen knapp finanziert ist. Das passt doch nicht zusam- men: Das eine wird verhindert, und dann wird beklagt, Herzlichen Dank. dass zu wenig Geld im EKF sei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Argumentation von Ihnen passt aber auch Der Kollege Uwe Beckmeyer hat das Wort für die nicht zusammen! – Sven-Christian Kindler Fraktion der SPD. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine abenteuerliche Argumentation!) (Beifall bei der SPD) 28298 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) Uwe Beckmeyer (SPD): mehr in Angriff genommen worden; sie sind unter den (C) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Tisch gefallen. Man hat nichts mehr getan. Herren! Herr Klein, es ist schön, dass Sie unseren Antrag Wenn man auf den Internetseiten des BMF nach In- gelesen haben, anscheinend aber nur sehr flüchtig. Die formationen zu diesem Thema sucht, dann stellt man Behauptung, wir hätten die internationalen Verpflichtun- fest: Nur eine schmale Seite ist noch vorhanden; alle an- gen nicht aufgegriffen, trifft nicht zu. In unserem Antrag deren wurden getilgt. Man findet sie auch über die Suche steht das deutlich drin, und zwar auf Seite 3; ich will Ih- nicht mehr; sie sind weg. Warum eigentlich? Schämen nen das nicht vorlesen. Insofern haben Sie da ein biss- Sie sich Ihrer Politik, weil sie nicht finanziert ist? Sie ha- chen Schaum geschlagen. ben den Fehler gemacht, und dieser Bundesfinanzminis- Worum geht es hier? Mit unserem Antrag vom ter – inklusive seiner Kollegen – hat ein Projekt mit dem 26. Juni 2012 haben wir Sie, die Bundesregierung und Versprechen gegenüber Deutschland und der deutschen die sie tragenden Koalitionsfraktionen, darauf aufmerk- Industrie aufgelegt, dass eine zuverlässige Finanzierung sam gemacht, dass die Zukunft des Energie- und Klima- gegeben ist. Diese zuverlässige Finanzierung ist jedoch fonds unseres Erachtens arg gefährdet ist. Mitte 2012 nicht gegeben. waren Sie wahrscheinlich noch auf dem Dampfer, zu sa- Wir haben hier die Bildung eines Attrappenfonds, der gen: Wir müssen erst einmal warten; wir brauchen Zeit. in diesem Jahr – 2013 – auf 2 Milliarden Euro angelegt Weshalb ist der Energie- und Klimafonds eigentlich ist. Inzwischen gibt es Erkenntnisse, sogar schriftlich be- eingerichtet worden? Haben Sie einmal geschaut, was stätigt von der Bundesregierung, dass man vielleicht mit im Gesetz steht? Seine Funktion ist es, zusätzliche Aus- 1 Milliarde Euro rechnen kann. Ich frage die Damen und gaben zuverlässig und bedarfsgerecht zu finanzieren. Herren der Bundesregierung, die hier anwesend sind Das ist Kern des Gesetzes, das Sie beschlossen haben. Es – Minister sind nicht mehr da, weil das kein wichtiges soll zur Verfügung in den Jahren 2011, 2012, 2013 und Thema ist –, wie denn überhaupt diese Milliarde ver- folgende eine zuverlässige Finanzierung ermöglichen. plant ist. Ist sie schon durch Vorbelastungen aus den Jah- Was haben Sie erreicht? – Dieses Gesetz floppt auf gan- ren 2011 und 2012 vergeben? Wenn das der Fall ist zer Linie. – und es deutet einiges darauf hin –, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE DIE GRÜNEN) GRÜNEN]: 1 Milliarde!) Dieses Gesetz ist bei der Finanzierung eines Herzstücks – 1 Milliarde –, heißt das doch, dass Sie 2013 gar keine Ihrer Klimapolitik in Deutschland unzuverlässig. neuen Projekte mehr anfangen können. (B) Nehmen wir einmal das Thema Elektromobilität. Da (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: So ist es!) (D) machte die Frau Bundeskanzlerin – Sie sprachen gerade Was heißt das eigentlich für die Elektromobilität und die von „Show“ – eine Riesenveranstaltung im Herzen die- anderen Schaufensterprojekte Deutschlands, die Sie ser Stadt, mit Unterstützung der großen deutschen Auto- stark reduziert haben? Keines dieser Schaufensterpro- mobilunternehmen, und es wurde die Aussage getroffen, jekte ist durch die Bundesregierung seriös finanziert – dass in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde Euro zusätz- wegen Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! lich bereitgestellt werden solle, um die Elektromobilität voranzubringen. „Wir haben das Ziel, Leitmarkt für (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Elektromobilität zu werden“, so die Kanzlerin. Bis 2020, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) so die Ankündigung, sollen 1 Million Elektromobile auf Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Sie haben unseren Straßen fahren. Wir sind Lichtjahre davon ent- hier einen Popanz Potemkin’scher Art aufgebaut in einer fernt. Größenordnung von 2 Milliarden Euro. Alle Politiker (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sieben!) aus den Fachausschüssen wurden beruhigt und auf den Energie- und Klimafonds beim Finanzminister verwie- Denn inzwischen ist klar, dass in dieser Legislatur- sen. Deshalb solle man in den Fachausschüssen nicht da- periode weder das Ziel, 1 Milliarde Euro zusätzlich be- rüber reden. Aber am Ende des Tages ist dieser Finanz- reitzustellen, noch das Ziel, 1 Million Elektromobile auf minister nicht in der Lage, die Dotation einigermaßen die Straße zu bringen, erreicht wird. Von diesen Zielen sicherzustellen. Das ist ein Skandal sondergleichen, hat sich die Bundesregierung inklusive der Kanzlerin im (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Oktober letzten Jahres auch recht leise entfernt. weil uns dieser Finanzminister an der Nase herumführt. Viele andere Projekte, die im Zusammenhang mit Dieses Finanzministerium – und damit auch diese Bun- dem Energie- und Klimafonds vorgesehen waren, sind desregierung und diese Bundeskanzlerin – erklärt der notleidend. Sie haben 2012 einen Bewirtschaftungser- deutschen Öffentlichkeit etwas anderes, als es tatsäch- lass des Bundesfinanzministeriums erhalten; ich denke, lich tut. Insofern meine ich, dass klar und deutlich gesagt er liegt Ihnen vor. Auf den Erlass für 2013 warten wir werden muss, dass wir bei der Energie- und Klimapolitik noch, weil es in der Bundesregierung Streit darüber gibt, mitten im Tal der Tränen angekommen sind. wie er ausgestaltet werden sollte. Im Erlass für 2012 wurde klargemacht: Es wird nur das ausgegeben, was Sie sind verantwortlich für das Desaster, in dem wir eingenommen wird. Diverse wichtige Projekte im Rah- momentan mit all diesen Projekten stecken. Das ist men des Energie- und Klimafonds sind überhaupt nicht nichts, was man bis zum Wahltag in irgendeiner Form Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28299

Uwe Beckmeyer (A) verstecken kann. Das scheint ja Ihre Methode zu sein: man raus aus einer Technologie wie der Kernkraft?“, (C) Wollen wir einmal abwarten. – Ich glaube, Sie müssen sondern auch: „Wo kommen die Alternativen her, und das jetzt wirklich öffentlich kundtun, damit das einmal wie kommen die Alternativen dorthin, wo Menschen bilanziert werden kann. Ich habe Hinweise – wir werden wohnen, wo sich industrielle Zentren befinden?“, unter weiter danach fragen –, dass alles, was Sie momentan Rot-Grün nicht wirklich gelöst worden sind, ausweisen können, beileibe nicht ausreicht, um wesentli- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!) che Projekte dieses Energie- und Klimafonds in irgend- einer Form zu beginnen und auskömmlich zu finanzie- auch nicht unter Schwarz-Rot angegangen wurden. Viel- ren. mehr wurde das Problem, wo der Strom herkommen soll, wenn wir Kernkraft nicht wollen, erstmals und sys- Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre Ener- tematisch in dieser Legislaturperiode angegangen. gie- und Klimapolitik ist auch in diesem Bereich total gescheitert und hat eigentlich eine Sechs verdient. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler Herzlichen Dank. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Quatsch! – Weitere Zurufe von der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – La- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) chen des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]) Da war bei Ihnen totale Fehlanzeige. Ich glaube, dass das auch einmal gesagt werden muss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie meckern an Vorhaben rum, die wir erstmals syste- Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Florian matisch angegangen sind. Das ist der unglaubwürdige Toncar das Wort. Teil Ihrer Rede.

Dr. Florian Toncar (FDP): (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sind unglaubwürdig! – und Kollegen! Es gibt gute Gründe, den von der SPD- Uwe Beckmeyer [SPD]: Das glaubt doch kein Fraktion vorgelegten Antrag heute abzulehnen. Mensch! – Sven-Christian Kindler [BÜND- Es gibt formelle Gründe. Der Antrag, den Sie vorle- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt Ihnen gen, ist teilweise veraltet, Kollege Beckmeyer. Wenn Sie doch kein Mensch!) den vor Ihrer Rede noch einmal durchgelesen hätten, Auch wenn man anderswo beobachtet, wie sich die Op- hätten Sie das auch gesehen. Er nimmt Bezug auf den (B) position beim Thema Energiewende verhält, dann muss (D) Haushalt 2012. 2012 ist vorbei. Wenn die Regierung hier man doch die Schlussfolgerung ziehen: Letzten Endes noch etwas machen soll, verlangen Sie von der Regie- sind Sie das Problem. rung etwas, was schlichtweg unmöglich ist. (Lachen des Abg. Sven-Christian Kindler (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Das liegt doch an Ihrer Geschäftsführungsmehrheit, Ich nenne als Beispiel die energetische Gebäudesanie- dass der jetzt erst aufgerufen wird!) rung, die Sie auch in Ihrem Antrag erwähnen. Sie spielt bei Ihren drei Forderungen in Bezug auf den Energie- Auch das, was mit Blick auf 2013 da gefordert wird, ist und Klimafonds, über den wir heute sprechen, eine nicht mehr aktuell. Letzten Endes hätte man das nicht Rolle. Das größte Förderprogramm für energetische Ge- heute, sondern noch im letzten Jahr beraten müssen. bäudesanierung hätte die Umsetzung des Vorschlags un- Der Antrag ist aber auch inhaltlich wenig glaubwür- serer Regierung, Bürgern, die sich überlegen, ihr Eigen- dig, genauso wie ich das, was Sie, Kollege Beckmeyer, heim zu renovieren, die sich fragen, ob es sich lohnt, hier an Rhetorik gewählt haben, etwas schrill fand. Zu energetisch zu sanieren, eine steuerliche Förderung zu Beginn des Antrags steht der Satz: „Die Bundesregie- gewähren, mit sich gebracht. rung gefährdet die Energiewende in Deutschland“. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Das hätte dem Handwerk geholfen, das hätte der Um- GRÜNEN]: So ist es doch!) welt geholfen, das hätte eine Menge gebracht. 1,5 Mil- Dann kommt eine Kaskade von Katastrophenrhetorik; liarden Euro im Jahr waren vorgesehen, also fast so viel, wie im ganzen Fonds drin ist, weit mehr, als der Fonds ich persönlich glaube, dass die Bürger diese Art von für die energetische Gebäudesanierung tun kann. Aber politischer Kommunikation, diese totale Übertreibung, was ist passiert? Das muss man der deutschen Öffent- mittlerweile leid sind. Das bezieht sich auch auf das, was lichkeit einmal sagen: Es waren Frau Kraft und Herr Sie hier und heute geboten haben. Kretschmann, es waren Sozialdemokraten und Grüne, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten die dieses sinnvolle Programm kaputtgemacht haben. der CDU/CSU – Uwe Beckmeyer [SPD]: Se- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!) riös ist etwas anderes!) Dafür tragen Sie die Verantwortung. Man muss ganz klar sagen, dass die Fragen, die das Projekt Energiewende betreffen, also nicht nur: „Will (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Buh!) 28300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Florian Toncar (A) Von daher: Legen Sie nicht solche Anträge vor, sondern Der Fonds wird überwiegend aus Einnahmen aus den (C) sehen Sie zu, dass Sie sich dort, wo Sie Verantwortung Zertifikaterlösen gespeist, also durch das Geld, das die tragen, vernünftig abstimmen. Industrie für Zertifikate zahlen muss. In vielen Ländern Europas – das wissen Sie sicherlich – fließen diese Ein- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wi- nahmen nicht in einen Fonds zur Umsetzung der Ener- derspruch des Abg. Sven-Christian Kindler giewende oder zur Förderung des Klimaschutzes, son- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Uwe dern sie gehen direkt in den Haushalt oder an den Beckmeyer [SPD]: Sie sagen doch die Un- Finanzminister. Deutschland hat hier vorbildlich gehan- wahrheit!) delt, Ich will Ihnen ein zweites Beispiel dafür nennen, wa- (Gabriele Molitor [FDP]: Gute Politik!) rum Rot-Grün ein Problem für die Umsetzung der Ener- indem wir gesagt haben: Die Gelder, die eingenommen giewende darstellt. werden, werden wieder zweckgebunden ausgegeben, um (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE ein sinnvolles Ziel voranzubringen. Das machen viele andere europäische Länder nicht. Auch das muss man GRÜNEN]: Reden Sie mal zur Sache!) hier einmal klarstellen. Es gibt eine unglaublich hohe Subventionierung von (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Teilbereichen der erneuerbaren Energien, mit tollen Ren- der CDU/CSU – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Tar- diten für Investoren, finanziert von den Verbraucherin- nen und täuschen! Das ist alles, was Sie ma- nen und Verbrauchern, den privaten Haushalten genauso chen!) wie von Handwerk und Gewerbe. Dieses Argument der Zweckbindung spricht für den (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Fonds, auch wenn der Fonds derzeit ein Einnahmeprob- GRÜNEN]: Wer hat denn die ganzen Ausnah- lem. men geschaffen? Das war doch schlimm! Die (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist sehr blumig ganzen Subventionen hat doch Schwarz-Gelb ausgeführt! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ verteidigt!) DIE GRÜNEN]: Tun Sie mehr für den Klima- Wer ist es denn, der seit über zwei Jahren sagt: „Wir schutz! Dann haben wir mehr Einnahmen!) wollen die Verbraucher nicht entlasten“? Das sind wie- Aber das hat – das wissen Sie – mit den Zertifikateprei- der Frau Kraft und Herr Kretschmann, das sind Sozial- sen zu tun. demokraten und Grüne im Bundesrat. Ich finde, auch Nun kann man darüber diskutieren, wie das Problem (B) hier muss sich etwas tun; denn die Rechnung dafür wer- (D) den am Ende die Verbraucher zahlen. Auch das werden mit den Einnahmen zu lösen ist. Natürlich kann man sa- wir Ihnen nicht durchgehen lassen. gen: Die Einnahmen sind niedriger, also verknappen wir die Zertifikate. Was wir zurzeit erleben, ist aber doch (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten eher ein Beispiel dafür, dass der Emissionshandel funk- der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ tioniert. Wenn Sie nun Zertifikate vom Markt nehmen, DIE GRÜNEN]: Ich habe heute Morgen dafür dann bestrafen Sie die Unternehmen, die in Energieein- gestimmt in den Konferenzen! Das ist doch sparung investiert haben, doppelt. Sie profitieren nicht nicht wahr! – Gegenruf des Abg. Hans- davon; ihre Investition rentiert sich nicht mehr. Wenn Michael Goldmann [FDP]: Da seid ihr getrof- Sie das einmal machen, kann das funktionieren. Aber fen! Euer Kretschmann!) spätestens wenn man das einmal gemacht hat, wird kaum noch ein Unternehmen bereit sein, in weitere Wir haben – das ist richtig – im Zuge der Energie- Energieeinsparmaßnahmen, die ja Geld kosten, zu inves- wende ein neues Instrument eingeführt, nämlich den tieren, weil der daraus entstandene wirtschaftliche Vor- Energie- und Klimafonds. Durch diesen Fonds alleine teil ja auf diese Weise wieder abgeschöpft wird. werden wir die Energiewende nicht bewerkstelligen (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE können. Er soll aber ergänzend Projekte finanzieren, die GRÜNEN]: Dann setzen Sie doch Anreize!) den Übergang erleichtern. Dieser Fonds ist neu, es hat ihn früher nicht gegeben, auch zu Ihrer Regierungszeit Deshalb bestreite ich auch, dass eine Verknappung von nicht. Zertifikaten am Ende die ökologischen Wirkungen ha- ben wird, die Sie sich davon versprechen. Das kostet (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Gott sei Dank!) Geld, es zerstört Vertrauen; aber die Umwelt bringt es am Ende nicht weiter. Zum Teil wurden Programme übernommen, die es vor- her schon gab, zum Teil wurden aber auch zusätzliche (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Bärbel Maßnahmen finanziert. Das ist die Wahrheit. Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch diese Zertifikate aus China! Was re- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE den Sie denn da für einen Unsinn!) GRÜNEN]: Sie haben einen Schattenhaushalt Deswegen müssen wir prüfen, wie der Fonds kurzfris- gemacht! – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Finan- tig finanziert werden kann. Dafür kommen einige Mittel ziert ist noch gar nichts! – Uwe Beckmeyer in Betracht, [SPD]: Wenn es wenigstens ein Fonds wäre, der gefüllt wäre!) (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Welche?) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28301

Dr. Florian Toncar (A) zum Beispiel noch vorhandene Rücklagen. Zu fragen ist jetzt nicht einmal mehr die Hälfte. Ich sage Ihnen: Die (C) auch, ob die KfW einzelne Dinge übernehmen kann Konstrukteure dieses Fonds waren ideologisch verblen- det. (Widerspruch der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD] und Uwe Beckmeyer [SPD]) (Lachen des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU]) oder der Bundeshaushalt helfen kann. Das sind Instru- mente, die man prüfen kann. Das wird die Regierung Sie haben sich leichtgläubig auf den Markt verlassen. auch tun. Der Markt hat aber nicht funktioniert, sondern versagt. Jetzt reiben sich die marktgläubigen Politiker verwun- (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Wann?) dert die Augen und sagen: „Lasst uns doch noch ein Ich jedenfalls gehe fest davon aus, dass der Fonds auch bisschen warten.“ Ich glaube, jede Stunde des Wartens weiterhin funktionieren wird. ist eine zu viel. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. GRÜNEN]: Er hat noch nie funktioniert! Das Dr. Bärbel Kofler [SPD]) ist unser Problem!) Es war ein schwerer Fehler, dass sich die Bundesregie- Was uns unterscheidet, Kollege Beckmeyer, ist Fol- rung beim Klimaschutz von den stark schwankenden gendes – ich sage das, weil Sie schmunzeln –: Wenn Zertifikatepreisen abhängig gemacht hat. Wer sich näm- man Ihren Antrag liest, sieht man, dass Sie da und da lich nur auf den Markt verlässt und keine anderen Ideen und da mehr Geld fordern, dass Sie der Meinung sind, hat, der ist verlassen. dass noch mehr Geld ausgegeben werden muss. (Beifall bei der LINKEN) (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Sie tun gar Der zweite Konstruktionsfehler ist schon im Namen nichts! Das ist das Problem – Sven-Christian des Fonds erkennbar. Wir brauchen nämlich einen Ener- Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie gie-, Klima- und Sozialfonds. Wenn wir unser Leben auf kürzen nur!) eine völlig neue Energiebasis stellen wollen, dann pla- Wie Sie die Lücke schließen wollen, wird in Ihrem An- nen wir nämlich nicht nur eine Wende, sondern eine trag mit keinem Wort erwähnt. Wortreich formulieren wirkliche energetische Revolution. Wir als Linke wollen Sie Vorschläge, die Geld kosten, aber Sie sind wortkarg, verhindern, dass dabei Menschen unter die Räder kom- wenn es um die Frage geht, wer das bezahlen soll, wer men, die schon heute nicht genügend Geld zum Leben haben. Nehmen Sie nur die Rentner: Im Osten haben die die Lasten tragen soll, wer das finanzieren soll. Rentner in den letzten zwölf Jahren 22 Prozent an Kauf- (B) Wir jedenfalls werden nicht einfach nur kopflos an kraft verloren. Im Westen haben die Rentner 17 Prozent (D) der Schuldenschraube drehen – auch das ist viel – an Kaufkraft verloren. Wenn Sie dann noch die Kosten der Energierevolution auf die (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Schultern der einfachen Steuerzahler abladen wollen, GRÜNEN]: Subventionsabbau!) dann produzieren Sie sozialen Sprengstoff. Das ist un- und die Haushalte wieder in Schieflage bringen, sondern verantwortlich. wir werden das mit unserem Kurs der soliden Finanzen (Beifall bei der LINKEN) vereinbaren. Das unterscheidet euch von uns. Die beiden zuständigen Minister, Herr Altmaier und (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Fundamentaler Herr Rösler, sind ja nun nicht dafür bekannt, dass sie Unterschied! Genau! Typisch Opposition!) diese energetische Revolution sozial gestalten wollen. Das unterscheidet Regierung von Opposition. Das ist ein Sozial gerechte Politik ist für die Koalition ein Fremd- ganz klassischer Oppositionsantrag, in dem sich um die wort. Sie schwanken höchstens zwischen unterschiedli- unbequemen Fragen im Zusammenhang mit der Ener- chen Lobbyinteressen. Doch wer Umweltpolitik ohne giewende gekonnt herumgedrückt wird. Daher ist dieser Sozialpolitik denkt, der wird scheitern. Antrag nicht zustimmungsfähig. Sie müssen einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sich die Strompreise in den letzten zwölf Jahren verdop- pelt haben. Wenn man genau hinschaut, stellt man fest: Das hat ganz wenig mit der Energieumlage zu tun. Die Vizepräsidentin Petra Pau: Wahrheit ist: Die Gewinne der Stromkonzerne sind ex- Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die plodiert. Das muss endlich ein Ende haben. Wir brau- Fraktion Die Linke. chen wieder eine staatliche Strompreisaufsicht. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Wir wollen, dass ein Energie-, Klima- und Sozial- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): fonds von den chaotischen Marktschwankungen entkop- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten pelt wird. Dieser Schattenhaushalt muss aufgelöst und in Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Der den Bundeshaushalt überführt werden. Energie- und Klimafonds ist eine absolute Fehlkonstruk- tion. Er trocknet aus. Eigentlich sollten 2 Milliarden Euro (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Der ist doch im aus dem Zertifikatehandel fließen. Experten erwarten 16er!) 28302 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Gesine Lötzsch (A) Daher unterstützen wir diese Position im Antrag der kann es auch im ordentlichen Haushalt organisieren; das (C) Kollegen von der SPD. war keine neue Erfindung von Ihnen. Meine Damen und Herren, wir wollen Transparenz Wir haben damals schon gesagt: Das ist eine riesige und finanzielle Solidität. Dafür ist die Koalition, die hier Mogelpackung. Das funktioniert nicht. Sie haben nicht regiert, aber nicht bekannt. Sie lieben offensichtlich die Deckung im Gesamthaushalt, und Sie haben mit viel Schattenhaushalte und fürchten Transparenz wie der zu hohen Preisen gerechnet. Sie haben erst mit 17 Euro Teufel das Weihwasser. Wir als Linke wollen die energe- gerechnet. Für 2013 haben Sie dann mit 10 Euro gerech- tische Revolution sozial gestalten. Wir wollen einen net, obwohl der Preis 2012 nie bei 10 Euro lag. Im Strompreisstopp. Wir wollen die Selbstbedienungsmen- Durchschnitt lag er bei 7,50 Euro. Jetzt liegt er bei 4 bis talität der Stromkonzerne beenden. Wir brauchen end- 5 Euro. Das heißt, Ihnen fehlt, wenn das so bleibt, 1 Mil- lich wieder staatlich genehmigte Strompreise. liarde Euro – 1 Milliarde von 2 Milliarden Euro. Diese 1 Milliarde Euro ist schon aus Vorjahren rechtlich ge- (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Jawohl! bunden. Das heißt: Wenn sich nichts ändert, gibt es Ein Gespenst geht um in Europa!) de facto einen Förderstopp für neue Programme. Das Aus diesem Energie-, Klima- und Sozialfonds wollen zeigt ganz deutlich: Sie fahren die Finanzierung der wir eine Abwrackprämie für Stromfresser in privaten Energiewende voll gegen die Wand, und das bewusst. Haushalten finanzieren. Wir glauben, dass es eine gute (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Idee ist, 200 Euro Zuschuss für den Ersatz von zehn und bei der SPD) Jahre alten Geräten zu geben. Das würde nämlich den privaten Stromverbrauch spürbar senken. Das hat mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit nichts zu tun. Das ist keine seriöse Haushaltspolitik. Das Meine Damen und Herren, wir brauchen auch mehr ist aber auch schlechte Umweltpolitik und schlechte Geld für soziale, finanzierbare Gebäudesanierungen. Energiepolitik. Am Energie- und Klimafonds wird nicht (Beifall bei der LINKEN) nur deutlich, welche handwerklichen Fehler Sie machen, indem Sie grottenschlecht agieren und zeigen, dass Sie Da reichen 1,5 Milliarden Euro nicht aus; 5 Milliarden es technisch einfach nicht können, sondern auch, dass Euro sind realistisch. Als Haushälterin habe ich natürlich Sie – und das ist das Hauptproblem – es nicht wollen. belastbare Deckungsvorschläge. Diese Bundesregierung Sie haben nicht den Willen zur Energiewende. Sie haben subventioniert stromfressende Industrien mit 16 Milliar- die Energiewende nicht verstanden. Ein Teil Ihrer Koali- den Euro. Ich bin davon überzeugt, dass man diese Sub- tion hat der Energiewende im Zuge des Atomausstiegs ventionen, ohne einen einzigen Arbeitsplatz zu gefähr- nur mit der Faust in der Tasche zugestimmt und versucht den, schrittweise abbauen kann. (B) jetzt, die Zeit wieder zurückzudrehen. (D) Zum Schluss, meine Damen und Herren: Am besten Was sagen Sie und was machen Sie eigentlich? ist es, wenn die Bürgerinnen und Bürger die Energiefrage in die eigene Hand nehmen. Hier, in meiner Heimatstadt Sie als Bundesregierung sagen: Wir legen zusätzliche Berlin, läuft im Augenblick ein Volksbegehren zur Schaf- Programme im Rahmen des Energie- und Klimafonds fung eines kommunalen Energieunternehmens für erneu- auf. Was machen Sie? Sie kürzen Programme im Haus- erbare Energien. Ich glaube, dass das eine hervorragende halt, und Sie kürzen Programme im Energie- und Klima- Idee ist. Ich schlage allen Berlinerinnen und Berlinern fonds. vor, sich diesem Volksbegehren anzuschließen. Wer noch nicht unterschrieben hat, sollte es tun. Man findet es im Sie sagen: Wir wollen eine Strompreisbremse. Was Internet unter www.berliner-energietisch.net. machen Sie konkret? Sie vergeben Milliardensubventio- nen an die Großindustrie und kürzen rückwirkend bei er- Vielen Dank. neuerbaren Energien. (Beifall bei der LINKEN) Sie sagen: Wir wollen eine Energiewende. Und was machen Sie? Sie machen Lobbypolitik für die großen Vizepräsidentin Petra Pau: Stromkonzerne. Ihre Reden sind nichts als Wahlkampf- Das Wort hat der Kollege Sven Kindler für die Frak- taktik, weil Sie nämlich in Wahrheit Energiepolitik für tion Bündnis 90/Die Grünen. die großen Konzerne machen. Sie machen schwarz- gelbe Klientelpolitik. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NEN): und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Lötzsch [DIE LINKE] – Norbert Barthle Kollegen! Wir sehen am Energie- und Klimafonds, was [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!) passiert, wenn man einen Schattenhaushalt gründet. Das Jetzt zum Emissionshandel. Da könnten Sie einmal hat die Koalition 2010 gemacht. handeln. Der Emissionshandel liegt am Boden, obwohl Sie hat die Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten in der Ausstoß von Klimagasen in Deutschland 2012 ge- diesen Fonds gespeist und seinen Umfang an diese ge- stiegen ist, und zwar – das Umweltbundesamt hat diese koppelt. Das war übrigens nichts Neues. Das war vorher Zahl gerade veröffentlicht – um 1,6 Prozent. Der Präsi- im ordentlichen Bundeshaushalt und stand im Einzel- dent des Umweltbundesamtes hat sich wie der Umwelt- plan 16, dem Einzelplan für Umwelt. Das heißt, man ausschuss des Europäischen Parlaments zu Recht dafür Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28303

Sven-Christian Kindler (A) ausgesprochen, Backloading zu praktizieren, das heißt, Lötzsch [DIE LINKE] – Norbert Barthle (C) Emissionszertifikate ans Ende der Periode zu verschie- [CDU/CSU]: Bis dann ist die gelaufen, bis ihr ben. Das wäre laut Aussage des Präsidenten der erste anfangt, zu streiten!) Schritt. Der zweite wäre, die Zertifikate völlig aus dem Markt zu nehmen, weil nämlich der Markt nicht funktio- Vizepräsidentin Petra Pau: niert. Man hat viel zu viele Ausnahmen geschaffen, viel Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Willsch für die zu viele Schlupflöcher, zum Beispiel für sogenannte Unionsfraktion. CDMs in Schwellen- und Entwicklungsländern. Deshalb gibt es keinen Anreiz für Unternehmen, energieeffizient zu handeln, und der CO2-Zertifikatehandel liegt am Bo- Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): den. Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich bin ja ein unverbesserlicher Was macht jetzt diese Bundesregierung? Sie streitet Optimist. Ich glaube auch an die erkenntnisfortschritts- sich nur. Diese Woche gab es ein Ministertreffen aus vier treibende Wirkung parlamentarischer Debatten, aber die- Ministerien: BMWi, BMU, Verkehrsministerium und Fi- ser Glaube hat heute einen schweren Rückschlag erlit- nanzministerium. Das Entwicklungsministerium war üb- ten. rigens überhaupt nicht dabei; es wird völlig außen vor gelassen. Sie bekommen es nicht hin. Sie streiten sich (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE weiterhin. Aber man darf nicht vergessen: Die Kanzlerin GRÜNEN]: Bei der Rede von Volkmar Klein, duckt sich wieder weg. Die Kanzlerin macht wieder oder wann?) nichts. Diese Kanzlerin ist eine Antiklimakanzlerin, weil sie nichts macht. Wir haben in Norddeutschland ein Der Kollege Volkmar Klein und der Kollege Florian schönes Sprichwort dafür: Der Fisch stinkt vom Kopf. Toncar haben so überzeugend und schlüssig dargelegt, So ist es auch bei dieser Bundesregierung. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU wie das Konzept dieser Regierung und dieser Mehrheit und der FDP: Oh!) im Parlament aussieht, – So ist es doch. – Merkel haut die Energiewende gegen (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: die Wand. Sie sind schon selbst am Grinsen!) Wir als Grüne bieten eine Alternative. Wir wollen es dass wir uns alle eigentlich den Gefallen hätten tun kön- wieder ordentlich im Haushalt finanzieren. Wir wollen (B) nen, die Debatte an diesem Punkt abzubrechen und nach (D) Rechtssicherheit, Planungssicherheit und Investitionssi- Hause zu fahren. Denn damit war alles gesagt, was zu cherheit für die Klimaschutzprogramme, und wir wollen diesem Thema gesagt werden musste. dies durch den Abbau ökologisch schädlicher Subventio- nen solide gegenfinanzieren. Es gibt 48 Milliarden Euro (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ökologisch schädliche Subventionen, davon wollen wir neten der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Es kommt kurzfristig 8 Milliarden Euro abbauen. Am Beispiel des noch ein Tagesordnungspunkt, Herr Willsch! – Dienstwagenprivilegs kann man ganz gut sehen, dass Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sie müssen nicht Sozialpolitik und Umweltpolitik gut zusammengehen. neun Minuten reden, Herr Kollege!) Mit 9 Milliarden Euro wird nämlich die Anschaffung Aber den Grünen und Frau Lötzsch gefällt es, alles Mög- schwerer Dienstwagen – das sind häufig CO2-Schleu- dern und Spritschlucker – gefördert. liche zusammenzumischen, um für den Bürger mög- lichst undurchschaubar eine bunte Mixtur von Themen (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das sind die hier auf den Tisch zu legen, von denen das eine mit dem Polos von den Krankenschwestern!) anderen nichts zu tun hat und wodurch die Geister nur Wir wollen jedoch nicht, dass die Kassiererinnen und die verwirrt werden. Krankenschwestern die Managerdienstwagen finanzie- Ich will einmal versuchen, deutlich zu machen, wo- ren. Das ist sozial ungerecht und auch umweltpolitisch rum es hier eigentlich geht. Nachdem wir übereinge- falsch. kommen sind, dass der CO2-Aufwuchs gebremst werden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) muss, haben wir uns in Kioto auf die Einhaltung gewis- ser Klimaziele verständigt. Dann haben wir uns gefragt, Es lässt sich konstatieren: Sie wollen die Energie- wie wir das am besten in einer marktgerechten Weise wende nicht. Sie blockieren sie, wo Sie können. Das machen, und uns darauf verständigt, einen Anfangsbe- zeigt sich auch am Energie- und Klimafonds. Für eine stand an CO2-Ausstoßrechten festzulegen und diesen funktionierende Energiewende, für eine sozial gerechte handelbar zu machen. Die Reduzierung von CO2-Aus- und ökologische Energiewende ist ein Regierungswech- stoß infolge technischer Fortschritte wird nun in der sel notwendig. Dafür streiten wir im Herbst 2013. Form vergütet, dass freie Zertifikate an andere Firmen, Vielen Dank. die noch nicht so weit sind, verkauft werden können. Das ist ein ausgesprochen ordentlicher und marktwirt- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schaftlicher Ansatz. Und Marktwirtschaft ist eben das, und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine was uns erfolgreich macht. 28304 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Klaus-Peter Willsch (A) Nun ist bisher von all den Kassandrarufen, die hier im Plenum diskutieren werden. Ich hoffe, Sie kommen (C) ständig im Plenum von Ihnen zu vernehmen sind, nichts auch hinzu und nehmen sich die Zeit dafür; denn auch Wirklichkeit geworden. Im vergangenen Jahr, in 2012, das könnte ein Lernfortschritt für Sie bedeuten. ist es im EKF, im Energie- und Klimafonds, so gut ge- laufen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Uwe Beckmeyer [SPD]: Was?) Wenn ein solcher Fonds geringere Einnahmen auf- weist, dann muss man bei den Ausgaben eben auch ein dass 200 Millionen Euro Überschuss übrig geblieben bisschen bremsen. Wir haben doch die Kioto-Ziele, die sind und Rücklagen für dieses Jahr gebildet werden zu erreichen wir international zugesagt haben, erreicht. konnten. Deshalb müssen eben weitere Maßnahmen auf die fol- (Lachen des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD] – genden Jahre verschoben werden. Wenn die Konjunktur Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist das! Die international wieder anzieht und dadurch die Rechte, Zahlen lügen nicht, Herr Beckmeyer!) CO2 auszustoßen, teurer werden, sind auch wieder mehr Möglichkeiten zur Förderung gegeben. Diese Zahlen sind Ihnen genauso zugänglich wie mir. Vielleicht fehlt es Ihnen ein wenig an Deutungshoheit. Bisher ist nichts abgewiesen worden. Alle Maßnah- men, die angemeldet worden sind, sind auch durchfinan- (Lachen des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD]) ziert worden. Insofern ist Ihr ganzes Geschrei in diesem Das hat Ihr Beitrag, Herr Kollege Beckmeyer, jedenfalls Zusammenhang völlig unangebracht. Es war unange- deutlich gemacht. Deshalb will ich es Ihnen hier noch bracht zu dem Zeitpunkt, als Sie den Antrag in den einmal erklären. Es besteht ja immer eine Chance, dass Geschäftsgang gebracht haben, und es ist heute noch man beim zweiten Mal besser zuhört als beim ersten genauso unangebracht. Mal. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das glauben Sie Es gehört zum Wesen des Marktes, dass Preise – je doch selber nicht, was Sie da sagen!) nach Angebot und Nachfrage – steigen und sinken. Nun Nur lassen Sie uns doch zunächst einmal die weitere sind wir in der Situation, dass es außer in Deutschland in Entwicklung der Zahlen abwarten. nicht furchtbar vielen Ländern in Europa zurzeit gut läuft. Eigentlich läuft es nur in Deutschland gut; die an- Sie haben dann angesprochen, dass viele Ressorts be- deren sind in der Rezession. Man muss ökonomisch teiligt sind. Dazu muss ich Ihnen sagen: Die Multi- nicht besonders vorgebildet sein, um vorauszusagen, ressortvorgehensweise, die dem Klimafonds zugrunde dass die Nachfrage nach solchen Ausstoßzertifikaten liegt, ist genau die richtige. Wir wollen nämlich nicht (B) nicht gerade steigt, wenn die industrielle Produktion durch die einzelnen Fachpolitiken einzelne Interessen- (D) sinkt. gruppen bedienen lassen, sondern wir wollen das Thema als Querschnittsaufgabe angehen. Wir wollen, dass die (Uwe Beckmeyer [SPD]: Warum rechnet die verschiedenen Fachbereiche interdisziplinär zusammen- Bundesregierung denn dann mit 10 Euro?) arbeiten, um die besten Lösungen nach vorne zu bringen Das liegt eigentlich auf der Hand. und zu fördern. Wir wollen kein Töpfchendenken und kein Ressortdenken. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Aber das ver- stehen die nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Ohne Geld!) Jetzt haben wir aber eine Welt, die komplex ist, und in der wir nicht nur über ein Thema reden, sondern über – Auch Ihre Zwischenrufe bringen leider nicht zutage, viele Themen. Schwarz-Gelb, die christlich-liberale dass Sie den Kollegen Volkmar Klein und Florian Mehrheit in diesem Hause, hat es sich vorgenommen, Toncar zugehört und etwas von der Sache verstanden die Schuldenbremse ernst zu nehmen, einen strukturell hätten, sondern Sie belegen einmal mehr, dass es Ihnen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und endlich damit hier nur darum geht, ein bisschen Geschrei aufzuführen. Schluss zu machen, dass die gegenwärtige Generation Wenn es denn wirklich so wäre – dies will ich noch mehr verbraucht, als sie selbst erwirtschaftet, und damit einmal unterstreichen –, dass Sie Luft für alle möglichen auf Kosten der nachfolgenden Generation lebt. neuen Projekte schaffen wollten, dann hätten Sie doch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Luft schaffen können; und das können Sie immer noch Beckmeyer [SPD]: Deshalb falsche Zahlen!) im Bundesrat. Was ist denn mit den 1,5 Milliarden Euro für energetische Gebäudesanierung? Die Fondskonstruktion ist dafür genau richtig, weil sie nämlich atmet. Wir können unabhängig von dem, was (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE wir mit dem EKF für Energie und Klimaschutz tun, GRÜNEN]: Es geht hier um den Bundeshaus- halt, nicht den Bundesrat!) (Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Warum blockieren Sie das? Warum geben Sie das Geld nicht frei? Damit hätten wir dann wirklich Luft für an- unser Ziel des strukturellen Ausgleichs des Haushalts dere Maßnahmen geschaffen, weiterverfolgen. Und wir tun das mit großem Erfolg. Das werden wir sehen, wenn wir im September den (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Haushalt, den diese Bundesregierung vorlegen wird, hier GRÜNEN]: Welche denn?) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28305

Klaus-Peter Willsch (A) wenn denn welche da sind. Sie können doch nicht eine stellten Projekte? Woher nehmen, wenn nicht stehlen? (C) beliebige Menge Geld in den Raum stellen und sagen: Darauf gibt diese Regierung seit einem Jahr keine Ant- Jetzt erfinden wir die Welt neu. – Das muss ingenieur- wort. mäßig und wissenschaftlich abgearbeitet werden. Inso- weit sind wir da auf einem sehr guten Weg. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Florian Ich möchte Ihnen auch zu all Ihren Überlegungen, Toncar [FDP]: Darauf gibt dieser Antrag keine hier weiter zu verteuern und auf eine Übererfüllung von Antwort!) eingegangenen Zielen zuzusteuern, zu denken geben, ob das zusammenpasst mit Ihrem Verhalten auf sonstigen Ich kann Ihnen vorlesen, wie sich die Regierung dazu Politikfeldern. Sie sind ja sehr engagiert bei dem Thema, äußert; vor einem Dreivierteljahr habe ich diese Frage dass wir eine Null-Zins-Politik brauchen und dass wir nämlich gestellt. Kollege Beckmeyer hat ja schon ge- den Ländern, die überschuldet sind, die Zinsen nach un- sagt, wie sich die Zertifikatspreise entwickelt haben. Im ten subventionieren sollen. Das wollen Sie dann wieder letzten Jahr lagen die Preise bei durchschnittlich konterkarieren, indem Sie denen die Energie verteuern. 7,50 Euro. Im Juli des letzten Jahres fragte ich die Re- Ich weiß nicht, ob es das richtige Rezept ist, in der Re- gierung, welche Erkenntnisse sie dazu hat, was getan zession Produktionsfaktoren willkürlich zu verteuern. werden muss, um im Durchschnitt des Jahres 2013 auf einen Preis von 10 Euro zu kommen. Vom Bundesum- (Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler weltministerium bekam ich die Antwort: Es liegen uns [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) keine konkreten Berechnungsgrundlagen vor. Aber wir Wir sollten den Ländern, die aus dem Tal herauskommen beobachten den Markt. – Ist das, was Sie gerade machen, und aufholen müssen, die Gelegenheit lassen, dies bei Marktbeobachtung? Anfang dieses Jahres lag der Zertifi- günstigen Zertifikatspreisen zu tun, statt ihnen ein Zu- katepreis bei 2,80 Euro, und derzeit liegt er zwischen satzpäckchen auf die Schulter zu legen, was es ihnen nur 4 und 5 Euro. Einen Preis von 10 Euro werden wir in schwerer machen würde, aus der Krise herauszukom- diesem Jahr aber leider nie im Leben erreichen. Vor die- men. sem Hintergrund müssen Sie die Frage beantworten: Woher kommt das Geld für die Projekte? Oder seien Sie Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Die so ehrlich und sagen Sie, wo Sie kürzen wollen. Das ist Politik, die die christlich-liberale Koalition mit dem die zweite Antwort, die Sie an dieser Stelle leider schul- Energie- und Klimafonds auf den Weg gebracht hat, ist dig bleiben. gut. Sie ist die richtige, weil sie dieses Thema entkoppelt von der Generationenaufgabe, endlich ausgeglichene (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (B) Haushalte zu erzielen, und sie wirkt. Alles, was wir bis- (D) her sagen können, ist: Wir haben die Klimaverpflichtun- GRÜNEN) gen eingehalten. Es gibt keine Anträge, die wir nicht be- Jetzt komme ich auf einige Projekte zu sprechen; alle dient haben. Wir haben sogar Überschüsse gebildet. aufzulisten, wäre ein bisschen viel. Fangen wir mit dem Lassen Sie uns jetzt frohgemut ins Jahr 2013 gehen, das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Ener- im Übrigen auch dem Bürger die Chance gibt, über diese gien und mit der Nationalen Klimaschutzinitiative an. Politik abzustimmen. Ich freue mich auf diese Abstim- Herr Klein, in unserem Antrag sind drei sehr ausführli- mung. Ich glaube nämlich, dass sich unsere Politik sehen che Punkte zur Internationalen Klimaschutzinitiative lassen kann. enthalten. Als Entwicklungspolitikerin kann ich Ihnen Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. versichern: Darauf haben wir geachtet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Weil man ja voneinander und miteinander lernen kann, beginne ich mit der Situation bei uns in Deutsch- land. Es wird groß getönt: Aus dem letzten Jahr sind Vizepräsidentin Petra Pau: noch 200 Millionen Euro übrig, und alles ist ganz toll. – Das Wort hat die Kollegin Dr. Bärbel Kofler für die Schauen wir uns an, was beim Marktanreizprogramm SPD-Fraktion. passiert ist. Die im Umwelthaushalt für dieses Projekt (Beifall bei der SPD) vorgesehenen Mittel wurden gesenkt. Ganz nebenbei: Bei diesem Programm geht es darum, wie gerade die kleinen Leute in unserem Land mehr zur Energieeffi- Dr. Bärbel Kofler (SPD): zienz beitragen können, indem sie zum Beispiel Wärme- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und pumpen oder Heizkessel austauschen und dadurch ihre Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Heizkosten reduzieren. Hier geht es also um eine ganze Willsch, ich würde gerne frohgemut ins Jahr 2013 ge- Menge sozial, ökologisch und ökonomisch wichtiger hen. Aber, mit Verlaub: Wir befinden uns schon seit zwei Projekte. Der Wärmebereich ist für die Menschen in die- Monaten im Jahr 2013, und genau das ist das Problem, sem Land nämlich ein großer Block. Aber was tun Sie? wenn es um den Energie- und Klimafonds geht. Sie stel- Die entsprechenden Mittel im Einzelplan 16 werden ge- len sich hierhin und tun so, als sei alles kein Problem senkt. In allen Haushaltsdebatten heißt es dann: Das und als sei alles finanziert. Die einzige Frage, die die fließt ja alles in den EKF; das ist alles kein Problem. Koalitionsfraktionen, die Regierung und Sie als Haus- hälter beantworten müssen, lautet doch: Woher kommt Herr Willsch, in den Haushalt des EKF sind im letz- das Geld für die von Ihnen in den Wirtschaftsplan einge- ten Jahr 100 Millionen Euro eingestellt worden; das ist 28306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Dr. Bärbel Kofler (A) das Soll 2012. Beim zugewiesenen Betrag 2012 ist ein Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- (C) Strich zu finden. Auch beim Ist des Jahres 2012 ist beim empfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag Marktanreizprogramm ein Strich zu finden. Im Rahmen der Fraktion der SPD mit dem Titel „Zukunft des ‚Ener- dieses wichtigen Programms wurde im letzten Jahr also gie- und Klimafonds‘ und der durch ihn finanzierten nichts finanziert. Wenn das so ist, dann können Sie sich Programme“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be- doch nicht hier hinstellen und sagen: Die Mittel sind schlussempfehlung auf Drucksache 17/10815, den An- ausreichend; denn im letzten Jahr ist ja noch etwas Geld trag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/10088 ab- übrig geblieben. – So doch wohl nicht! zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions- der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE fraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der GRÜNEN]) Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Ähnliches gilt für die Nationale Klimaschutzinitia- Fraktion Die Linke angenommen. tive. Auch hier geht es um spannende Projekte, auch um Ich rufe den Tagesordnungspunkt 40 auf: das Thema, das Ihr eigener Bundesumweltminister als wichtiges Programm in seinen Zehn-Punkte-Plan aufge- Beratung der Antwort der Bundesregierung auf nommen hat: den Stromspar-Check. Mit dieser Aktion die Große Anfrage der Abgeordneten Ingrid kann man gerade einkommensschwache Haushalte dazu Hönlinger, Markus Kurth, Volker Beck (Köln), bewegen, einen Beitrag zu mehr Energieeffizienz zu weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- leisten und sich energiesparende Geräte zuzulegen; man NIS 90/DIE GRÜNEN kann also den Menschen helfen und etwas für die Um- Personenzentrierte und ganzheitliche Reform welt tun. Ihr eigener Minister sagt, das sei ein ganz tolles des Betreuungsrechts Erfolgsprojekt; ich jedenfalls habe das immer so ver- nommen, Herr Staatssekretär. Das sind die Mittel, die im – Drucksachen 17/2376, 17/5323 – EKF eingestellt worden sind. Sie sind im letzten Jahr nur Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion zu einem Drittel abgerufen worden. Bündnis 90/Die Grünen vor. Dasselbe gilt für das Thema Kommunen. Sie wollen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die soziale und kulturelle Einrichtungen beim Energiesparen Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre voranbringen, um von den Hallenbädern über die Schu- keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. len bis hin zur Straßenbeleuchtung zu mehr Energieeffi- zienz zu kommen und mehr einzusparen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege (B) Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (D) Vom Ministerium ist permanent zu hören, dass das ganz tolle Projekte sind. Darin gebe ich Ihnen zwar recht. Aber warum werden diese Vorhaben nicht ordent- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): lich finanziert und unterfüttert? Sie haben diese Punkte Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen doch selbst in den Wirtschaftsplan eingestellt. und Kollegen! Wir reden über einen Rechtsbereich, der potenziell Millionen von Menschen betrifft: das Betreu- ungsrecht, das Recht auf rechtliche Assistenz und Unter- Vizepräsidentin Petra Pau: stützung. In diesem Rechtsgebiet haben sich in der ver- Kollegin Kofler, achten Sie bitte auf das Signal, und gangenen Zeit zwei große Trends oder Veränderungen kommen Sie zum Schluss. gezeigt. Zum Ersten besteht seit dem Inkrafttreten der Men- Dr. Bärbel Kofler (SPD): schenrechtskonvention der Vereinten Nationen über die Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wer sind Rechte der Menschen mit Behinderungen ein Menschen- die Gelackmeierten an dieser Stelle? Selbstverständlich recht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht gemäß auch wieder die Kommunen. Art. 12, ein Menschenrecht auf Zugang zur Justiz gemäß Von einer Regierung kann man erwarten, dass sie die Art. 13 und ein Menschenrecht auf Freiheit und Sicher- Pläne, die sie selbst aufstellt, erfüllt oder, wenn sie sie heit der Person gemäß Art. 14. nicht erfüllen kann, sagt, wie sie es anders machen Zum Zweiten wird es ganz unabhängig davon auf- möchte. grund der demografischen und gesellschaftlichen Ent- Auf all das haben wir von Ihnen keine Antwort ge- wicklung in Zukunft eine wachsende Zahl von Men- kriegt. Darum ist es gut, wenn Sie ab September nicht schen geben, die auf Betreuung oder – so würde ich es mehr regieren. nach dem Diktum der UN-Konvention bezeichnen – rechtliche Assistenz angewiesen sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das bringt zum Dritten wahrscheinlich eine Debatte der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE über die finanziellen Belastungen für die Justizverwal- GRÜNEN) tungen der Länder nach dem Betreuungsrecht mit sich. Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass dies Vizepräsidentin Petra Pau: stets nur ein Aspekt sein kann und dass es im Wesentli- Ich schließe die Aussprache. chen auf die individuellen Bedürfnisse der auf rechtliche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28307

Markus Kurth (A) Betreuung Angewiesenen und auf die Qualität der Be- auf Spezialisierung setzen. Wir brauchen eine vernünf- (C) treuungsleistung ankommt. tige Qualitätsdebatte, eine Querschnittsdebatte und eine Debatte über die Zusammenarbeit in Arbeitsgemein- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schaften von sozialer Seite und Justiz. Ich glaube, das Es mangelt der Bundesregierung nicht unbedingt an sind wir den Menschen mit Unterstützungs- bzw. Assis- Erkenntnissen. Im Gegenteil: Es gibt einen beachtlichen tenzbedarf schuldig, aber auch den im Betreuungswesen Vorlauf an Arbeit, der nun eigentlich in ein Gesetzge- Tätigen. bungsverfahren münden könnte. Es gibt die Beschlüsse der Justizministerkonferenz aus den Jahren 2005 und Vielen Dank. 2009, eine Evaluation des Zweiten Betreuungsrechts- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN änderungsgesetzes, und es gibt den sehr interessanten und bei der SPD) Abschlussbericht der interdisziplinären Arbeitsgruppe im Justizministerium. Was ist davon geblieben? Ein zar- Vizepräsidentin Petra Pau: ter Versuch, auf die Debatte einzugehen: durch einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Betreuungsbehörden, Das Wort hat die Kollegin Ute Granold für die der aber nach massiver Kritik wieder in der Schublade Unionsfraktion. verschwunden ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was schlagen wir, Bündnis 90/Die Grünen, vor? Wir wollen zum einen den Aspekt der Erforderlichkeit – das Ute Granold (CDU/CSU): heißt auch: der Betreuungsvermeidung – betonen. Ich Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! meine, als Sozialpolitiker müssten wir den Blick sehr Wir beraten heute über eine Große Anfrage von Bünd- viel stärker auf die Zusammenarbeit zwischen sozial- nis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2010, die 2011 von der politischen Akteuren und Sozialleistungsträgern auf der Bundesregierung beantwortet wurde, und über einen einen Seite und der Justiz auf der anderen Seite richten. Entschließungsantrag zum Betreuungsrecht. Ich möchte Aus der Praxis wird mir vielfach zugetragen, dass auf- an dieser Stelle erwähnen, dass wir genau vor acht Jah- grund mangelnder Beratungspflichten seitens der Sozial- ren über das Zweite Gesetz zur Änderung des Betreu- leistungsträger Anspruchsberechtigte, gerade auch Men- ungsrechts debattiert haben und es nach jahrelangen Be- schen mit Behinderungen, an der Situation verzweifeln ratungen einstimmig beschlossen haben. Das war ein und sich sogar selber einen Betreuer suchen, um mit den guter Tag. Wir hoffen sehr, dass wir die Weiterentwick- Behörden vernünftig kommunizieren und ihre Ansprü- lung des Betreuungsrechts – das ist ein Anliegen von uns che durchsetzen zu können. Ich denke, dass der Aspekt allen – genauso einvernehmlich und gut auf den Weg (B) der interdisziplinären Zusammenarbeit viel zu wenig be- bringen werden. Deshalb hoffe ich auf eine gute Debatte. (D) rücksichtigt wird. Wir haben – das ist, denke ich, unbestritten – ein sehr Wir machen den Vorschlag, diese Zusammenarbeit in modernes Betreuungsrecht, mit das modernste in Eu- einem übergreifenden Fallmanagement – in Arbeitsgrup- ropa. Dieses gilt es fortzuentwickeln. Dabei ist darauf zu pen, in Betreuungsvereinen, in Betreuungsbehörden, achten, dass das Selbstbestimmungsrecht der Menschen aber auch bei den Sozialleistungsträgern – zu institutio- in unserem Land geachtet wird und die Möglichkeiten nalisieren, um den Bedürfnissen der Personen gerecht zu einer rechtlichen Assistenz und einer Betreuung genau werden und um im Vorfeld Betreuung in solchen Fällen abgewogen werden. Wir schauen, dass die Regelungen, zu vermeiden. die wir treffen, am besten für die Menschen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Gebot der Erforderlichkeit wurde gerade ange- und bei der SPD) sprochen. Wir wollen zu einem maßgeschneiderten Kon- Trotz der Knappheit der Zeit möchte ich noch auf die zept kommen, bei dem die Bedürfnisse jedes einzelnen Arbeit der über 800 Betreuungsvereine hinweisen. Sie Menschen – die Assistenz, die er braucht – mit entspre- sind es vielerorts, die wissen, wo es welche sozialen Hil- chenden Bausteinen erfüllt werden, bis hin – wenn es fen gibt. Sie klären über Vorsorgevollmachten und Be- nicht anders geht und die Erforderlichkeit da ist – zu ei- treuungsverfügungen auf und gewinnen und beraten Eh- ner kompletten rechtlichen Betreuung. Das selbstbe- renamtliche und bilden sie fort. Es ist besorgniserregend, stimmte Leben eines Menschen ist uns sehr wichtig. Die dass die Betreuungsvereine zunehmend in finanzielle Aufgabe liegt bei uns, dieses Spannungsverhältnis zwi- Schwierigkeiten geraten, weil ihnen die Mittel zur schen Selbstbestimmung auf der einen Seite und Für- Finanzierung von Querschnittsaufgaben wie der ehren- sorge durch den Staat auf der anderen Seite auszubalan- amtlichen Betreuung gestrichen werden. cieren. Die Berufsverbände stellen in ihrer verbandlichen Wenn wir uns die Zahl der Betreuungen anschauen Praxis fest, dass Zahl und Ausmaß der grundrechtsrele- – Sie haben es angesprochen, Herr Kollege Kurth –, se- vanten Eingriffe bei qualifizierten Betreuerinnen und hen wir: Seit der letzten Gesetzesänderung im Jahr 2005 Betreuern wesentlich niedriger sind als bei weniger qua- bis zum letzten Jahr ist die Zahl der Menschen, die auf lifizierten Betreuerinnen und Betreuern. Aus diesem Betreuung angewiesen sind, von 1,2 auf 1,3 Millionen Grunde sollten wir darüber nachdenken, gesetzliche Menschen gestiegen; diese Zahl steigt nicht zuletzt auf- Mindestqualifikationen für Berufsbetreuer einzuführen, grund der demografischen Entwicklung stetig. Deshalb insbesondere für anspruchsvolle Betreuung, und auch müssen wir schauen, dass wir Regelungen für Qualität 28308 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Ute Granold (A) und Umfang der Betreuung finden, die auf die Menschen setzliche Maßnahmen geht. Diese betreffen natürlich die (C) zugeschnitten sind. Betreuungsgerichte und die Betreuungsbehörden, aber auch die Betreuungsvereine. Auch das muss in einem Für uns ist es wichtig, festzustellen, dass den Men- Gesamtkonzept umgesetzt werden. schen, sofern sie volljährig sind und einer Betreuung oder Begleitung bedürfen, Unterstützungsangebote an Die Vorschläge des Bundesgesetzgebers allein rei- die Hand gegeben werden, die unterhalb der Schwelle chen hier natürlich nicht aus – hier gebe ich Ihnen recht einer rechtlichen Betreuung liegen und, falls nötig, stetig –, sondern die gesamten Ergebnisse der Arbeitsgruppe gesteigert werden können. Ich denke, da liegen wir ganz müssen berücksichtigt werden. Dies muss immer vor nahe beieinander. Wir sind auch der Auffassung, dass dem Hintergrund geschehen, dass die Eingriffe in das diese Hilfestellung interdisziplinär erfolgen muss. Es Selbstbestimmungsrecht der Menschen so gering wie kann nicht sein, dass sie nur im Rechtsbereich erfolgt, möglich ausfallen. Hierin sind wir uns ja einig. Wenn es sondern es muss sie auch im Sozialbereich geben. Viele erforderlich ist, müssen aber alle notwendigen Maßnah- Akteure müssen mitwirken, um den zu Betreuenden und men getroffen werden – bis hin zu einer kompletten den Menschen, die einen Assistenzbedarf haben, eine rechtlichen Betreuung mit allen Möglichkeiten und Er- wirklich gute Hilfestellung zu geben. fordernissen, die sich aus einer solchen Betreuung erge- ben. Ob es um die Gesundheitsfürsorge, die Vermögens- Sie haben die Genese kurz aufgezeigt. Ich möchte fürsorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht geht, all auch noch einmal darauf eingehen: Im Jahr 2005 erfolgte das muss hier umfasst sein. die zweite Änderung des Betreuungsgesetzes. Danach hat die zugesagte Evaluierung im Auftrag des Bundes- (Zuruf von der SPD: Wieso „oder“?) justizministeriums stattgefunden. Es wurde ein Ab- – Ich sage deshalb „oder“, weil es unser Anliegen ist, schlussbericht vom Institut für Sozialforschung und Ge- dass die Menschen die Bausteine als Hilfe für die Be- sellschaftspraxis vorgelegt. Das war eine sehr breite und gleitung in ihrem Leben erhalten, die sie benötigen. Hier längere Zeit andauernde Evaluierung bezüglich der gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn jemand zwar Frage, ob das Gesetz fortentwickelt werden muss und, eine Gesundheitsbetreuung benötigt, sein Aufenthaltsbe- wenn ja, in welcher Weise. Die Ergebnisse mündeten stimmungsrecht aber noch selbst wahrnehmen kann, dann in eine interdisziplinäre Bund-Länder-Arbeits- dann steht Letzteres auch nicht zur Diskussion. Wir soll- gruppe zum Betreuungsrecht – auch wieder unter Feder- ten doch bei der Sache bleiben. Ich glaube, Polemik ist führung des BMJ –, die auch einen Bericht vorlegte. An bei diesem Thema ohnehin nicht angesagt. dieser Arbeitsgruppe – das sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen – haben Vertreter der Landesjustizver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Molitor [FDP]) (B) waltungen und Landessozialministerien verschiedener (D) Bundesländer, der Betreuungsbehörden, der Betreuungs- Die vorgelagerten Systeme in diesem Bereich be- vereine und des Deutschen Landkreistages sowie Richter inhalten Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmachten und Rechtspfleger teilgenommen. Das war also wirklich und Begleitung durch Vertreter anderer Disziplinen. Es eine breit aufgestellte Gruppe. Die Aufgaben waren ganz ist für uns ganz wichtig, dass wir diese Bereiche stärken, klar gestellt: Analyse der Ergebnisse der Evaluation und um möglichst von einer Berufsbetreuung wegzukom- der Ergebnisse der Landesjustizministerkonferenzen in men. Die Zahl der Berufsbetreuer steigt bislang stetig. den Jahren 2005 und 2009 sowie Verbesserungen im Es war damals unser Petitum, die ehrenamtliche Betreu- Hinblick auf die UN-Behindertenrechtskonvention. ung durch die Betreuungsvereine zu stärken. Wenn es Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe wurden im Ok- hier einen Finanzierungsbedarf gibt – auf das Thema Fi- tober 2011 in einem Abschlussbericht veröffentlicht. Da- nanzierung komme ich gleich zurück –, dann müssen wir rin wurde die Empfehlung ausgesprochen, dass das der- darauf unser Augenmerk richten. Ich bitte deshalb, bei zeitige System der rechtlichen Betreuung in Ordnung ist allen gemeinsamen Bestrebungen den Blick nicht nur und beibehalten werden soll. Hier bestand Konsens. Au- auf den unbedingten Sparwillen der Länder zu reduzie- ßerdem bestand Konsens, dass der Bund aufgefordert ren. Dieser ist unbestritten gegeben, aber hier stehen der wird, Neuregelungen zu treffen, sofern der Bundesge- Schutz der Menschen und die Fürsorge des Staates und setzgeber die Gesetzgebungskompetenz hat, zum Bei- nicht das Geld der Länder an erster Stelle. Das möchte spiel im Bereich des Behördenbetreuungsgesetzes und ich also bitte nicht darauf reduziert wissen. des Familienverfahrensgesetzes. Die Herbstkonferenz (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- der Justizminister hat dann dem Ministerium konkrete neten der FDP und des Abg. Markus Kurth Arbeitsempfehlungen erteilt, und ein Referentenentwurf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Sie haben es erwähnt – wurde zur Abstimmung an die Länder gegeben. Mittlerweile liegt ein abgestimmter Ge- Das Gesetz, das jetzt auf den Weg gebracht werden setzentwurf im Kabinett, der dort in der nächsten Woche soll, dient der Stärkung der Betreuungsbehörden. Dazu behandelt wird. Ich denke deshalb, dass wir uns in Kürze gehört, dass wir die Aufgaben der Betreuungsbehörden ohnehin wieder mit diesem Gesetzentwurf befassen wer- gesetzlich festlegen und dass beispielsweise die Betreu- den. ungsbehörden – das steht dann im FamFG – vor einem betreuungsgerichtlichen Verfahren angehört werden Es sind aber weitere Vorschläge aus der Arbeits- müssen. Man ist schon im Vorfeld bemüht, kein Ge- gruppe an uns herangetragen worden, die nicht das Bun- richtsverfahren durchzuführen, sondern unterschwellige desgesetz betreffen, sondern bei denen es um unterge- Maßnahmen zu ergreifen. Auch der Rahmen für die Be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28309

Ute Granold (A) richte, die die Betreuungsbehörden den Gerichten geben, Wir haben also insgesamt noch einiges vor uns. Ich (C) wird im Gesetz verankert. Es wird klar festgelegt, wie hoffe, dass wir in dieser Legislaturperiode noch dazu strukturiert ein solcher Bericht sein muss, um eine Ent- kommen, das Betreuungsrecht in den Punkten, die von scheidungsgrundlage für das Betreuungs- bzw. Famili- der interdisziplinären Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf- engericht, aber auch für Sachverständige zu sein, wenn gezeigt wurden, sowohl auf bundesgesetzlicher Ebene Gutachten eingeholt werden. als auch auf untergesetzlicher Ebene zu ändern. Damit könnten wir für die Menschen einen maßgeschneiderten Dann ist es natürlich selbstverständlich, dass es eine Rahmen schaffen, von der Sozialassistenz bis hin zu ei- Kooperation zwischen dem Gericht und den anderen ner kompletten rechtlichen Betreuung. Das Selbstbe- Disziplinen gibt. Diese Kooperationspflicht soll auch stimmungsrecht des Menschen ist für uns unabdingbar. verankert werden. Wir wollen als Gesetzgeber die notwendige Begleitung Da sich die Betreuungsbehörden immer mehr mit geben und ein ähnlich gutes Ergebnis wie bei der letzten Vorsorgevollmachten befassen müssen – es war damals Änderung erreichen. Kollege Stünker und Kollege Jerzy unser Wunsch, als wir die Regelung getroffen haben, Montag waren diejenigen, die damals als Berichterstatter dass für Vorsorgevollmachten geworben wird; das haben das in langen Verhandlungen auf einen guten Weg ge- wir alle auch getan; die Vorsorgevollmachten greifen –, bracht und eine einstimmige Entscheidung zugunsten besteht natürlich Beratungsbedarf. Die Betreuungsbe- der Menschen ermöglicht haben. hörden erbringen Leistungen, indem sie die Bevollmäch- Nochmals: Das Betreuungsrecht in Deutschland ist tigten beraten, wie mit Vorsorgevollmachten zum Bei- eines der modernsten in Europa. Es wird als gut empfun- spiel im medizinischen Bereich umzugehen ist. Hier den. In diesem Sinne sollten wir weitermachen. bedarf es einer exakten Beschreibung der Aufgaben der Betreuungsbehörden, aber auch mehr finanzieller Res- Herzlichen Dank. sourcen und Fachkräfte, die in der Lage sind, die Men- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schen, die aufgrund einer Vorsorgevollmacht vorstellig werden, zu begleiten. Sonst würde das ganze System der Vorsorgevollmacht, das wir alle wollten, überhaupt kei- Vizepräsidentin Petra Pau: nen Sinn machen. All das ist Inhalt des Gesetzes, das Das Wort hat die Kollegin Sonja Steffen für die SPD- nun auf den Weg gebracht werden soll. Das, was Sie zu Fraktion. Recht einfordern, ist also bereits aufgenommen. (Beifall bei der SPD) Wir sollten aber auch daran denken, dass wir bereits das eine oder andere auf den Weg gebracht haben, was (B) Sonja Steffen (SPD): (D) zum Teil mehr oder weniger erfolgreich war. Im Januar Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und haben wir eine Regelung nach der Vorgabe des BGH Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Band- verabschiedet unter der Maßgabe, dass diese Regelung breite der gesetzlichen Betreuungsfälle ist vielfältig. auch verfassungskonform ist. Wenn eine ärztliche Be- Herr Müller erkrankte mit 18 Jahren an einer Schizo- handlung stattfinden soll, der zu Behandelnde aber nicht phrenie. Frau Meier ist 21 und lebt seit zehn Jahren in ei- einsichtig ist, dann hat der Betreuer die Aufgabe, zu ent- nem Heim für mehrfach behinderte Menschen, und Herr scheiden. Die dafür notwendige gesetzliche Regelung Fischer findet sich aufgrund einer fortgeschrittenen Al- wurde auf den Weg gebracht. Das hat der Bundestag ent- tersdemenz im Leben nicht mehr zurecht. – Drei Men- schieden. Damit haben wir hier einen Teil dessen, was schen, drei Schicksale, individuell und nicht zu verglei- von der Arbeitsgruppe gefordert wurde, umgesetzt. chen, und doch haben sie wahrscheinlich eines gemein: Leider hat es nicht funktioniert – das hätten wir gern Sie brauchen Unterstützung, um mit den Anforderungen sehr schnell gemacht –, das Anliegen der Berufsbetreuer des Alltags fertigzuwerden. Das Amtsgericht muss für aufzugreifen, die Vergütungssätze anzuheben. Schon bei sie einen Betreuer bestellen, der für sie Entscheidungen der ersten Beratung im Jahr 2005 hatten die Berufsbe- in ihrem Sinne trifft. Das können Geldgeschäfte sein. treuer die finanzielle Ausstattung moniert. Wir hatten Das kann die Bestimmung des Aufenthaltsortes sein, eine Evaluierung zugesagt und wollten erreichen, dass und das sind viele weitere Behördengänge. die Umsatzsteuerpflicht für Berufsbetreuer entfällt. Aber Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in einer leider Gottes ist dieses Anliegen, das wir alle unterstützt Großen Anfrage 50 Fragen zur Reform des Betreuungs- haben und das im Jahressteuergesetz hätte geregelt wer- rechtes gestellt. Ich bin ihr sehr dankbar dafür. Die Ant- den müssen, im Vermittlungsausschuss gekippt worden. worten der Bundesregierung liegen vor und bieten uns Das heißt, wir haben keine Verbesserung für die Berufs- Anlass, darüber nachzudenken, ob und in welche Rich- betreuer durchsetzen können. Wir wollen nun auf ande- tung das Betreuungsrecht reformbedürftig ist. ren Wegen die finanzielle Ausstattung verbessern. Denn wenn die Berufsbetreuer bzw. die Betreuungsbehörden Ich möchte hier einige Punkte dieser Großen Anfrage mehr Aufgaben erhalten, muss auch die finanzielle Aus- aufgreifen. Dazu gehört für mich als Erstes das Wahl- stattung stimmen. Da müssen wir noch einmal nachjus- recht von Menschen mit Behinderungen. Gegenwärtig tieren und sehen, welchen Weg die Koalition und viel- ist es so: Ist für einen Menschen eine gesetzliche Betreu- leicht auch dieses Haus gehen kann, um hier relativ ung ausdrücklich für alle Angelegenheiten angeordnet, zügig dem Anliegen Rechnung zu tragen und für eine entfällt nach unserem derzeitigen Bundeswahlgesetz das Verbesserung zu sorgen. Wahlrecht. Wir schließen damit eine sehr große Gruppe 28310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Sonja Steffen (A) von Menschen von vornherein von der politischen Betei- Andererseits kommt die Studie zu folgendem Ergebnis (C) ligung aus. – ich zitiere jetzt die CDU-Justizministerin in Mecklen- burg-Vorpommern, Uta-Maria Kuder –: (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist schlecht!) Wir brauchen gut funktionierende Betreuungsbe- hörden. Dazu müssen auch die bundesgesetzlichen Die Bundesregierung hat auf die Frage nach der Verein- Rahmenbedingungen … verbessert werden. barkeit dieses Zustandes, die die Grünen gestellt hatten, mit dem Verweis auf die UN-Behindertenrechtskonven- Wir haben es schon gehört: Es liegt ein Referenten- tion nur ausweichend geantwortet. entwurf zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbe- hörde aus dem BMJ vor; auch Frau Granold hat vorhin (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!) darauf hingewiesen. Allerdings muss ich Ihnen sagen: Weitreichende Verbesserungen erhoffe ich mir hiervon Aber Art. 29 der UN-Behindertenrechtskonvention sieht nicht; denn die Studie aus Mecklenburg-Vorpommern vor, dass Menschen mit Behinderungen ihre politischen hat weiterhin ergeben, dass der Abbau sozialer Dienste Rechte, insbesondere das Wahlrecht, gleichberechtigt völlig kontraproduktiv ist. mit anderen wahrnehmen können. Darüber hinaus ver- pflichtet die Konvention die Vertragsstaaten, Menschen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ mit Behinderungen im Bedarfsfall und auf Wunsch zu DIE GRÜNEN) erlauben, dass sie sich durch eine Person ihrer Wahl bei Wir wissen es alle: In nahezu allen Sozialleistungsbe- der Stimmabgabe unterstützen lassen. Deshalb fordert reichen bestehen gegenwärtig ein hoher Kostendruck meine Fraktion in einem Antrag, dass hier eine Ände- und ein Problem hinsichtlich der Zuständigkeiten. Zwi- rung erfolgt. schen den Trägern findet aufgrund bestehender Überlas- (Beifall bei der SPD und der LINKEN) tung und aufgrund mangelnder Durchsicht durch die Zersplitterung der Leistungsbereiche zu wenig Koopera- Es ist nicht tragbar und mit der UN-Behindertenrechts- tion statt. Die SPD-Fraktion fordert daher neben dem konvention nicht vereinbar, dass Menschen mit be- Ausbau statt dem Abbau sozialer Dienste eine Revision stimmten Behinderungen automatisch vom Wahlrecht des SGB IX. Die Eingliederungshilfe, die bislang im ausgeschlossen sind. Wir fordern, dass eine Betreuung SGB XII untergebracht ist, gehört ins SGB IX. Damit er- kein Ausschlussgrund für die Wahl sein darf und dass reichen wir eine einfachere Zuordnung und eine einfa- die Unterstützung bei der Stimmabgabe für alle Men- chere Anwendung der verschiedenen Möglichkeiten der schen mit Behinderungen ermöglicht wird. sozialen Hilfen. (B) (D) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall des Abg. Markus Kurth [BÜND- DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert NIS 90/DIE GRÜNEN]) [DIE LINKE]) Dies hilft nicht nur den Betroffenen bei der Suche nach Ein weiterer Punkt, den ich hier ansprechen möchte Hilfe. Eine erleichterte Kooperation und eine auf Bera- – er ist schon vorhin von meinen Vorrednern angespro- tung, Prävention und soziale Teilhabe zielende Politik chen worden –, betrifft andere Hilfen, vor allem zur Ver- kann darüber hinaus Kosten in deutlicher Höhe sparen. meidung einer gesetzlichen Betreuung. Wir haben es Die Behindertenbeauftragte der SPD-Fraktion, meine schon gehört: Es ist leider so, dass die Betreuungszahlen Kollegin Silvia Schmidt, hat an anderer Stelle schon ein- in Deutschland ständig steigen. Eine verbesserte soziale mal auf erfolgreiche Projekte hingewiesen. Ich verweise Arbeit und gut vernetzte Strukturen können erheblich auf das Bielefelder Modell und auf die Wohnberatung dazu beitragen, in vielen Fällen eine Betreuung zu ver- des Kreises Unna. Durch eine gute Präventionsarbeit meiden. Denn die gerichtliche Anordnung einer rechtli- konnten innerhalb von zwei Jahren 58 Heimeinweisun- chen Betreuung führt aufgrund der Vertretungsbefug- gen verhindert und damit Kosten von über 2 Millionen nisse des rechtlichen Betreuers immer zu einem Euro eingespart werden. schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie eines er- wachsenen Menschen. Die rechtliche Betreuung ist da- Meine Damen und Herren, ursprünglich hatte ich be- her stets nachrangig gegenüber anderen, insbesondere absichtigt, an dieser Stelle weitere Ausführungen zum sozialen Hilfen. Persönlichen Budget zu machen, weil mir das ein beson- deres Anliegen ist. Ich versuche, in der Kürze der Zeit Hier hat mein Bundesland, Mecklenburg-Vorpom- darzustellen, was damit gemeint ist. Ich bin überzeugt mern, 2008 ein Projekt gestartet, von dem Sie wahr- davon, dass die meisten Zuhörer auf der Tribüne gar scheinlich schon gehört haben. Es trägt den Namen „Be- nicht wissen, was das ist. Das ist traurig, aber wahr. treuungsoptimierung durch soziale Leistungen“. Die Ergebnisse dieser Studie liegen vor. Sie zeigen zum ei- Das war eine gut gemeinte Idee, die wir mit auf den nen zwar, dass man in der kurzen Zeit nachhaltige Er- Weg gebracht haben. Das Persönliche Budget folgt dem folge nicht erzielen konnte. Dies war allerdings aufgrund Prinzip: Geld statt Sachleistung. Es sollte aus Hilfeemp- der kurzen Dauer des Projektes, 2008 bis heute, auch fängern eine Art Arbeitgeber machen. Was steckt dahin- nicht zu erwarten. ter? Es war so gemeint, dass der Betreute das Persönli- che Budget beispielsweise für Hilfen im Haushalt, (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Fünf Jahre!) Behördengänge, Arztbesuche, Fahrdienste oder Kino- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28311

Sonja Steffen (A) und Theaterbesuche verwenden kann. Leider ist aus die- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C) sem Projekt bislang noch viel zu wenig geworden. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Gabriele Molitor für die Auf Ihre diesbezügliche Frage, meine Kollegen von FDP-Fraktion. den Grünen, hat die Regierung nur geantwortet, dass es in diesem Zusammenhang Gespräche zwischen dem BMAS und dem BMJ gebe. Das ist uns viel zu dünn. Gabriele Molitor (FDP): (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DIE GRÜNEN) Frau Kollegin Steffen, Ihre Aussage, dass Menschen mit Behinderung kein Wahlrecht haben, trifft nicht zu. Das letzte Thema, das ich hier noch kurz ansprechen möchte, betrifft die Stellung der ehrenamtlichen Be- (Sonja Steffen [SPD]: Das habe ich auch nicht treuer und der Berufsbetreuer. Frau Granold hat schon gesagt! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE darauf hingewiesen: Im System ist vorgesehen, dass die GRÜNEN]: Hat sie auch nicht gesagt!) ehrenamtlichen Betreuer Vorrang vor den Berufsbetreu- Im Betreuungsrecht gibt es zwar eine Regelung, die ern haben. Man soll also erst versuchen, ehrenamtliche vorsieht, dass Menschen, die in allen drei festgelegten Betreuer zu finden, bevor man auf die Berufsbetreuer Belangen unter Betreuung stehen, vom Wahlrecht ausge- zurückgreift. schlossen werden. Grundsätzlich haben Menschen mit In der Praxis ist es so, dass rund 70 Prozent aller Be- Behinderung in unserem Land aber das Wahlrecht. treuungen ehrenamtlich durchgeführt werden. Ich denke, das ist auch gut so. Die meisten Betreuten wünschen sich Bevor ich in die Thematik einsteige, möchte ich Ihnen eine persönliche Betreuung von jemandem, der sie einen Blog-Eintrag vorlesen: kennt. Deshalb unterstützen wir dieses System nach wie Es ist einfach gut zu wissen, dass es jemanden gibt, vor. den man bei Problemen, z. B. mit Anträgen, anru- Andererseits darf es nicht so sein, dass man kategori- fen kann oder der einen bei Behördengängen be- siert nach dem Prinzip, dass ehrenamtliche Betreuer gut gleitet. Ich finde es auch super, dass mir durch die und billig und Berufsbetreuer böse und teuer sind, han- Betreuung nicht alles einfach nur abgenommen delt. Das ist keineswegs damit gemeint. Sicher ist es so, wird, was mich wiederum in eine Art Abhängigkeit dass sich die meisten Menschen eine Betreuung durch treiben würde … (B) einen Angehörigen wünschen. Es gibt aber auch Fälle (D) – das sind meistens die komplizierten Fälle –, bei denen Diese Aussage stammt aus einem Internetforum zur eine Berufsbetreuung erforderlich ist. gesetzlichen Betreuung. Es wird deutlich, dass unser Betreuungsrecht Menschen hilft, die aufgrund einer Be- Ein Gegeneinander beider Gruppen wird schon hinderung oder einer psychischen Erkrankung auf die deshalb keine Zukunft haben können, weil die massive Unterstützung bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten Zunahme an Hilfsbedürftigkeit der Schwächsten der angewiesen sind. Gesellschaft nach einer konzertierten Aktion verlangt. Menschen mit schwerer Demenz, Menschen im Wir müssen überlegen, ob das gegenwärtige Vergü- Wachkoma, Menschen mit geistiger Behinderung oder tungssystem für die Berufsbetreuer noch gerecht ist. Es Menschen mit psychischen Erkrankungen brauchen Un- darf nämlich nicht sein, dass der tatsächliche Zeitauf- terstützung – und das in unterschiedlichem Umfang. wand, den Berufsbetreuer für die Betreuung benötigen, 1,3 Millionen Menschen stehen in Deutschland unter in keinem Verhältnis zu dem pauschalierten Zeitbudget Betreuung. Maßgeblich für eine Entscheidung, eine Be- steht. Insofern ist aus unserer Sicht eine weitere For- treuung zu verhängen, ist, ob eine Person aufgrund der schung dringend erforderlich mit dem Ziel, Kriterien für Behinderung oder Erkrankung die Angelegenheiten eine mehr einzelfallbezogene Typologie der Bezahlung selbst erledigen kann, ohne Gesundheit, Vermögen oder zu erarbeiten. andere Rechtsgüter zu gefährden. Eine bewusste Selbst- In einem sind wir uns wahrscheinlich alle einig: Wer schädigung eines Menschen hingegen wäre kein Grund ehrenamtlich eine Betreuung wahrnimmt, verdient un- für eine Betreuung. Die Betreuung muss per Gerichts- sere höchste Anerkennung. Darüber hinaus müssen die beschluss verhängt werden. Es muss auch darüber Berufsbetreuer die Möglichkeit haben, jedem Betreuten entschieden werden, in welchen Aufgabenkreisen die ohne Zeitdruck die notwendige Zuwendung zukommen Betreuung erfolgen soll: Gesundheitssorge, Aufenthalts- zu lassen. bestimmung, Vermögenssorge oder Wohnungsangele- genheiten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Drei Aspekte machen das Wesen des Betreuungsrech- tes aus: erstens Schutz, zweitens Fürsorge und drittens Ganz zum Schluss möchte ich sagen, dass der Ent- schließungsantrag der Grünen unsere Zustimmung fin- Selbstbestimmung. Dabei steht das persönliche Wohl- den wird. ergehen der Menschen im Vordergrund. Angeordnet werden soll die Betreuung nur dann, wenn sie wirklich Vielen Dank. erforderlich ist. 28312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

Gabriele Molitor (A) Es ist bereits gesagt worden: Das deutsche Betreu- der Funktion der Betreuungsbehörden genau diese (C) ungsrecht ist im internationalen Vergleich sehr angese- Punkte mit umfasst. Es geht darum, die Betreuung stän- hen. Es gilt als modern, weil das Selbstbestimmungs- dig zu verbessern und fortzuentwickeln und zu einer recht an oberster Stelle steht, und es entspricht der UN- wirklichen Verbesserung für die Menschen mit Behinde- Behindertenrechtskonvention. rungen in unserem Land zu kommen. Eine Beobachtung, die heute schon mehrfach geäu- Vielen Dank. ßert worden ist, sollte uns nachdenklich machen: Das ist die Erhöhung der Fallzahlen. Hier müssen wir schauen, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ob nicht durch den Einsatz von Beratung und Assistenz etwas geleistet werden kann, was im Grunde den Vizepräsidentin Petra Pau: gleichen Zweck erfüllt, nämlich die Menschen zu unter- Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert für die Frak- stützen. tion Die Linke. An dieser Stelle hat die interdisziplinäre Arbeits- (Beifall bei der LINKEN) gruppe zum Betreuungsrecht gute Arbeit geleistet. Hieran war das Bundesjustizministerium maßgeblich beteiligt. Es ging darum, wie das Betreuungsrecht wei- Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): terentwickelt werden kann und wo es verbessert werden Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- kann. legen! Meine Damen und Herren! Beim Betreuungsrecht geht es darum, wer ganz am Ende das Sagen hat: der Im Abschlussbericht, der im Oktober 2011 vorgelegt Helfer oder derjenige, dem geholfen werden soll? wurde, wird eine Verbesserung des Betreuungsrechtes an Momentan ist es so, dass der Helfer das Sagen hat, also der Schnittstelle zu anderen Hilfen für notwendig erach- vormundschaftlich. Auf Treu und Glauben oder gemein- tet. Unser Sozialrecht ist derart kompliziert, dass es sam auf Augenhöhe? Das ist die Frage im Betreuungs- mitunter nicht so einfach ist, sein Recht zu bekommen. recht. Also, die Handhabbarkeit ist sehr wichtig. Es muss darum gehen, Unterstützung und Hilfsangebote für Men- (Beifall bei der LINKEN) schen mit Behinderungen zu bekommen. Es geht, so gesehen, um Sein oder Nichtsein der UN- Wir wollen letzten Endes dafür sorgen, dass Men- Behindertenrechtskonvention; die Art. 12 bis 14 sind schen mit Behinderungen nicht im Dschungel der Behör- vom Kollegen Kurth schon genannt worden. den verloren gehen, sondern dass sie auch zu ihrem Es geht um 1,3 Millionen betroffene Menschen in (B) Recht kommen können. Gleichzeitig warne ich aber Deutschland, um eine Steigerungsrate an Betreuungs- (D) davor, die rechtliche Betreuung grundsätzlich infrage zu fällen von 110 Prozent innerhalb von 15 Jahren, um stellen. Es geht nicht darum, Menschen mit hohem Un- rasant wachsende Betreuungszahlen unter Jugendlichen terstützungsbedarf zu diskriminieren, ihr Recht auf und um zunehmende Beschwerden über die Betreuerin- Selbstbestimmung zu beschneiden oder ihnen ihre Frei- nen und Betreuer. Deshalb begrüßen wir euren Ent- heit zu rauben. Manche Menschen sind aufgrund von schließungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von Behinderung oder schwerer Erkrankung nicht oder kaum den Grünen. Er stellt die regierungsamtliche Selbstge- in der Lage, Verantwortung für sich selbst zu überneh- fälligkeit öffentlich auf den Prüfstand. Zitat: men. Diese Menschen dürfen wir nicht allein lassen. Diese Menschen sehen in einer Betreuung keine Bevor- Das deutsche Betreuungsrecht gilt als eines der mo- mundung, sondern eine echte Hilfe. dernsten Rechtsinstrumente dieser Art in Europa. Inklusion würde falsch verstanden, wenn notwendige Das ist heute schon mehrfach gesagt worden. Das Hilfen und Unterstützungen abgelehnt werden. Inklusion stimmt, das mag ja sein. Aber es ist noch längst nicht auf heißt, Menschen auch im Alltag und bei ihren persönli- dem Stand der UN-Behindertenrechtskonvention. chen Angelegenheiten zu helfen. Deswegen habe ich hin und wieder Probleme mit den Argumenten der Grünen. Mit der Abschaffung der Vormundschaft, so heißt es Ich denke, dass das Betreuungsrecht sehr wohl in Ein- in der Antwort der Bundesregierung auf die vorliegende klang mit der UN-Behindertenrechtskonvention steht. Große Anfrage, sei die Regierung schon lange einen Wir wollen erwirken, dass die Menschen Rechts- und Weg gegangen, auf dem jetzt die internationale Staaten- Handlungsfähigkeit haben. Der gesetzliche Betreuer gemeinschaft folgen wolle. Bedauerlicherweise ist das leistet hier eine wichtige Arbeit. Vormundschaftsrecht nicht abgeschafft, sondern nur ab- gemildert worden. Ich schließe mich den Zielen und Vorschlägen der Bundesjustizministerin an. Es ist wichtig, qualifizierte Liest man die Antworten genauer, so zeigt sich, dass Kriterien für den Bericht der Betreuungsbehörde gesetz- die Worte „Vertretung“ und „Unterstützung“ synonym lich festzulegen und die Aufgaben in einem Betreuungs- verwendet werden, als läge in dieser Unterscheidung behördengesetz zu konkretisieren. Es geht auch darum, nicht gerade ein Großteil des Problems. andere Hilfen als die gesetzliche Betreuung aufzuzeigen (Beifall bei der LINKEN) und zu prüfen, inwiefern sie zur Umsetzung des Ziels der Selbstbestimmung beitragen können. Ich bin mir si- Wer vertreten wird, ist Objekt. Als Subjekt wird der cher, dass das bald vorzulegende Gesetz zur Stärkung Mensch unterstützt, nicht aber vertreten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28313

Dr. Ilja Seifert (A) Fragen Sie doch einmal die Angehörigen sterbender ten zu können. Dazu gehören auch Lohnausgleich und (C) Eltern, die, mit ihrer Betreuungsvollmacht in der Hand, Supervision, wann immer das erforderlich ist. entscheiden sollen, ob ihre Väter oder Mütter am Bett fi- Die Linke forderte schon bei der Ratifizierung der xiert werden dürfen oder nicht. Sie wissen nicht, ob sie UN-Behindertenrechtskonvention, das Betreuungsrecht für ihre Eltern entscheiden. Sie wissen aber, dass sie erheblich zu ändern und von der Vormundschaft zu be- über ihre Eltern entscheiden, und quälen damit sich freien. Betreut oder begleitet, vertreten oder unterstützt – selbst und die Eltern. das ist ein grundlegender Unterschied in der Verfasstheit Oder ein nicht weniger krasses Beispiel: Ein Mensch eines Lebens. mit Behinderung, der dem Betreuungsrecht unterworfen (Beifall bei der LINKEN) ist, darf nicht einmal selbst entscheiden, ob sie oder er Mitglied eines Behindertenverbandes werden oder blei- Hier steht nicht nur unser Menschenbild, sondern auch ben darf. Wenn dem Betreuer die 4 Euro Mitgliedsbei- unser Freiheitsverständnis auf dem Prüfstand. Es geht trag zu viel sind, bestimmt er vormundschaftlich, also um Partizipation und Emanzipation. Es geht darum, uns endgültig, dass die Mitgliedschaft in der eigenen Interes- selbst ernst zu nehmen, jede und jeden, jeden Tag. sen- oder Selbsthilfeorganisation unnötig sei. Das ist Vielen Dank. Vormundschaftlichkeit und kein modernes assistierendes Betreuungsrecht. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mir scheint allerdings, der Entschließungsantrag bleibt in einer grundlegenden Frage der Regierungslogik Vizepräsidentin Petra Pau: verhaftet, wenn er die Betreuung und Assistenz weiter- Ich schließe die Aussprache. hin gleichwertig nebeneinanderstehen lässt. Reicht es wirklich, nach Modellen rechtlicher Assistenz zu fra- Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- gen? Wir, die Linke, wollen ein Recht, das assistierende ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Begleitung in den Mittelpunkt stellt und regelt und die Drucksache 17/12539. Wer stimmt für diesen Entschlie- vormundschaftlichen Betreuungsmaßnahmen wirklich ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält ausschließt. Weniger Sanktionen, mehr rechtliche und sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen soziale Bildung. Darüber sind wir alle uns offensichtlich der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi- einig. Diese Forderung des Entschließungsantrags unter- tionsfraktionen abgelehnt. stützen wir ausdrücklich. Wir meinen damit nicht nur die Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Assistentinnen und Assistenten; auch Staatsanwälte, Schluss unserer heutigen Tagesordnung. (B) Richter, Behörden und Sozialarbeiter gehören dazu. (D) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Wir meinen aber auch, dass es dazu gehört, eine men- destages auf Mittwoch, den 13. März 2013, 13 Uhr, ein. schenrechtliche Grundlage zu bilden, das Recht zu ver- Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles einfachen sowie Beratungsstrukturen flächendeckend Gute. und kostenfrei bereitzustellen. Angehörige und nahe Freunde brauchen mehr Ressourcen, um flexibler beglei- (Schluss: 16.16 Uhr)

Anlagen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28315

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 01.03.2013 Klamt, Ewa CDU/CSU 01.03.2013

Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 01.03.2013 Korte, Jan DIE LINKE 01.03.2013

Brunkhorst, Angelika FDP 01.03.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 DIE GRÜNEN Buchholz, Christine DIE LINKE 01.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 Burchardt, Ulla SPD 01.03.2013 DIE GRÜNEN

Canel, Sylvia FDP 01.03.2013 Lange (Backnang), SPD 01.03.2013 Christian Dağdelen, Sevim DIE LINKE 01.03.2013 Liebich, Stefan DIE LINKE 01.03.2013 Evers-Meyer, Karin SPD 01.03.2013 Dr. Lotter, Erwin FDP 01.03.2013 Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 01.03.2013 Mast, Katja SPD 01.03.2013 Gabriel, Sigmar SPD 01.03.2013 Meierhofer, Horst FDP 01.03.2013 Gottschalck, Ulrike SPD 01.03.2013 (B) Dr. h. c. Michelbach, CDU/CSU 01.03.2013 (D) Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 01.03.2013 Hans

Gruß, Miriam FDP 01.03.2013 Möhring, Cornelia DIE LINKE 01.03.2013

Hardt, Jürgen CDU/CSU 01.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 01.03.2013

Hartmann SPD 01.03.2013 Müller (Aachen), Petra FDP 01.03.2013 (Wackernheim), Michael Nahles, Andrea SPD 01.03.2013

Haustein, Heinz-Peter FDP 01.03.2013 Neumann (Bremen), CDU/CSU 01.03.2013 Bernd Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 01.03.2013 Dr. Neumann (Lausitz), FDP 01.03.2013 Hoff, Elke FDP 01.03.2013 Martin

Hofmann (Volkach), SPD 01.03.2013 Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 01.03.2013 Frank Ortel, Holger SPD 01.03.2013 Höger, Inge DIE LINKE 01.03.2013 Petermann, Jens DIE LINKE 01.03.2013 Juratovic, Josip SPD 01.03.2013 Pitterle, Richard DIE LINKE 01.03.2013 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 DIE GRÜNEN Rehberg, Eckardt CDU/CSU 01.03.2013

Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 Reiche (Potsdam), CDU/CSU 01.03.2013 DIE GRÜNEN Katherina

Kipping, Katja DIE LINKE 01.03.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 01.03.2013 28316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) nimmt das Gesetz einzelne Wörter und kleinste Textaus- (C) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich schnitte vom Leistungsschutzrecht der Presseverlage aus. Damit ist Art. 5 GG Genüge getan. Allerdings ist der Be- griff „kleinste Textausschnitte“ auslegungsbedürftig. Er Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 kann nur als „kleinstmögliche Textteile“ verstanden wer- Claudia DIE GRÜNEN den. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Roth (Heringen), SPD 01.03.2013 Suchmaschinen und Aggregatoren müssen die Mög- Michael lichkeit haben, zu bezeichnen, auf welches Suchergebnis sie verlinken. Das muss allerdings mit dem kleinstmögli- Schaaf, Anton SPD 01.03.2013 chen Textumfang geschehen. Die Beschreibung darf nicht so umfangreich sein, dass sich der Aufruf des ver- Schieder (Weiden), SPD 01.03.2013 linkten Inhalts erübrigt. Werner Das europarechtlich gebotene Notifizierungsverfah- Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 ren ist nicht eingeleitet worden. Dies hindert den Gesetz- DIE GRÜNEN geber aber nicht, das Gesetz zu verabschieden. Das Noti- fizierungsverfahren kann nachgeholt werden – Dauer Schmidt (Eisleben), SPD 01.03.2013 drei Monate. Bis zum Abschluss des Notifizierungsver- Silvia fahrens entfaltet das verabschiedete Gesetz keine Wir- kung. Schnurr, Christoph FDP 01.03.2013 Soweit Bedenken bestehen, dass Presseverlage ge- Schreiner, Ottmar SPD 01.03.2013 genüber anderen Informationsanbietern privilegiert sind, kann die Berücksichtigung des Gleichheitssatzes aus Staffeldt, Torsten FDP 01.03.2013 Art. 3 GG gebieten, auch anderen Informationsanbietern gesetzlich ein Leistungsschutzrecht einzuräumen. Steinke, Kersten DIE LINKE 01.03.2013 Da ein Teil meiner Bedenken durch den Änderungs- Ulrich, Alexander DIE LINKE 01.03.2013 antrag erledigt, verfassungsrechtliche Defizite nachbes- serbar und europarechtliche Vorgaben nachholbar sind, Dr. Volk, Daniel FDP 01.03.2013 stimme ich dem Gesetzentwurf zu. (B) (D) Wieczorek-Zeul, SPD 01.03.2013 Heidemarie Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Eine freie und unabhängige Presse, Medienvielfalt und Qualitätsjour- Dr. Wilms, Valerie BÜNDNIS 90/ 01.03.2013 nalismus sind ein entscheidender Eckpfeiler unserer De- DIE GRÜNEN mokratie. Der Schutz des geistigen Eigentums ist Vo- raussetzung für die Innovationsfähigkeit eines Landes. Zimmermann, Sabine DIE LINKE 01.03.2013 Aus diesem Grund begrüße ich den Kompromiss bei der Anpassung des Urheberrechtes. Presseverlage erhal- Anlage 2 ten damit Leistungsschutzrechte, die schon lange in an- deren Bereichen üblich sind und weder Innovationen be- Erklärungen nach § 31 GO einträchtigen noch die Pressefreiheit einschränken oder den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung Vor allem begrüße ich, dass auch in Zukunft einzelne des Urheberrechtsgesetzes (Tagesordnungs- Wörter und kleinste Textausschnitte – sogenannte Snip- punkt 36) pets – nicht unter das Leistungsschutzrecht fallen. Dies ist im Sinne der Informationsfreiheit entscheidend. Siegfried Kauder (CDU/CSU): Das siebente Ge- Eine wichtige Aufgabe bleibt es aber, das Leistungs- setz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes – Leis- schutzrecht sinnvoll umzusetzen und weiterzuentwi- tungsschutzrecht für Presseverlage – berührt zwei ckeln. Der Aufbau zusätzlicher Verwertungsgesellschaf- grundrechtlich geschützte Bereiche, nämlich das Recht ten nach dem Muster der GEMA ohne wettbewerbliche der Informationsfreiheit – Art. 5 GG – und den Gleich- Elemente ist kritisch zu beurteilen. Die weitere Entwick- heitsgrundsatz – Art. 3 GG. Der Bürger muss Zugang lung der Internetnutzung wird in den kommenden Jahren zu Informationen im Internet haben. weitere Anpassungen erfordern. Ziel muss es bleiben, ei- nen nachhaltigen Interessenausgleich zu schaffen: zwi- Dies wäre ohne den in der Rechtsausschusssitzung von schen dem Schutz des geistigen Eigentums, der eine Mittwoch, dem 27. Februar 2013, beschlossenen Ände- hohe Qualität und Vielfalt journalistischer Angebote er- rungsantrag der Regierungskoalition nicht gewährleistet laubt, einerseits und dem sich verändernden Informa- gewesen. In der zur Abstimmung anstehenden Fassung tionsverhalten der Gesellschaft andererseits. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28317

(A) Frank Schäffler (FDP): Der Einführung eines Leis- Anlage 3 (C) tungsschutzrechts durch Änderung des Urheberrechts Erklärung nach § 31 GO kann ich nicht zustimmen. des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer (CDU/ Schutzgegenstand der beabsichtigten Änderung ist CSU) nicht das Presseerzeugnis, sondern die „zur Festlegung des Presserzeugnisses erforderliche wirtschaftliche, or- – zu den namentlichen Abstimmungen: ganisatorische und technische Leistung des Presseverle- gers“. Ich habe kein Verständnis für den Schutz eines – Antrag: Keine Privatisierung der Wasser- Geschäftsmodells durch den Gesetzgeber. Jeder Unter- versorgung durch die Hintertür nehmer plant sein Geschäft innerhalb des gesetzlichen – Antrag zu dem Vorschlag der Europäi- Rahmens. Es ist die Hauptaufgabe des Wettbewerbs, zu schen Kommission für eine Richtlinie des zeigen, welche dieser Pläne falsch sind. Wenn sich das Europäischen Parlaments und des Rates Geschäftsmodell der Presseverleger unter dem Druck über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) der neuen Medienwelt als zunehmend untragfähig he- 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) rausstellt, dann ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers, hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- rettend einzugreifen. destages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Ge- Es war richtig, weder Opel noch Schlecker vor den setzes über die Zusammenarbeit von Bun- Folgen eines gescheiterten Geschäftsmodells zu retten. desregierung und Deutschem Bundestag in Es wäre richtig, überschuldete Banken und Gläubiger Angelegenheiten der Europäischen Union – nicht vor den nachteiligen Folgen ihres unternehmeri- Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung schen Handelns zu schützen. Es ist richtig, sich der Ret- verhindern tung der Presseverleger durch einen gesetzgeberischen Eingriff entsprechend ihrem „neu entstandenen Schutz- – zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für bedürfnis“ zu verweigern. Die Eröffnung neuer Märkte eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe und die organisatorische Weiterentwicklung jedes Unter- (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) nehmens revolutionieren unaufhörlich die Wirtschafts- hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- struktur von innen heraus. Alte Strukturen werden regierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des zerstört und neue geschaffen. Dieser Prozess der „schöp- Grundgesetzes – Kommunale Versorgungs- ferischen Zerstörung“ ist das für die Marktwirtschaft we- unternehmen stärken – Formale Ausschrei- (B) sentliche Faktum. Darin besteht die Marktwirtschaft, bungspflicht bei Dienstleistungskonzessio- (D) und darin muss auch jedes marktwirtschaftliche Gebilde nen insbesondere für den Bereich Wasser leben. ablehnen Der Einführung eines Leistungsschutzrechts kann ich (225. Sitzung, Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, auch deswegen nicht zustimmen, weil bereits heute die Zusatztagesordnungspunkt 7) technische Möglichkeit besteht, den Zugriff auf das ei- gene Onlineangebot durch Suchmaschinen zu blockie- Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der ren. Die wesentlichen Suchmaschinen haben sich bereits Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und im Jahr 2008 darauf geeinigt, das Robots-Exclusion- SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustim- Standard-Protokoll zu beachten. Aufgrund dieser Kon- men. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: vention der Suchmaschinenbetreiber hat jeder Anbieter Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und durch eigene technische Mittel die Möglichkeit, Suchro- ich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jegliche boter auszuschließen und dadurch sein Angebot vor un- Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öf- gewollter Fremdnutzung zu schützen. Hier hat sich ein fentliche Wasserversorgung aus. Gewohnheitshandeln entwickelt, das ohne gesetzgeberi- schen Eingriff die Chance hat, sich zu einem Gewohn- Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistun- gen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe heitsrecht weiterzuentwickeln. Dass die durch das Leis- von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier tungsschutzrecht geschützten Geschäftsmodelle dieses Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Protokoll nicht für ihre Zwecke einsetzen, zeigt den Nut- Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze zengewinn der Anbieter von der Fremdverwertung. Die der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Fremdverwertung liegt im Interesse der Anbieter. Das Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Euro- Handeln der Anbieter offenbart diese Präferenz ein- päische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 drucksvoll. klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommis- sion für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene euro- Wenn die Anbieter auf diesen technischen Schutz paweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur freiwillig und im eigenen Geschäftsinteresse verzichten, zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspiel- ist ein gesetzgeberischer Eingriff mit dem Ziel, einen ge- räume der kommunalen Selbstverwaltung führen, son- setzlichen Schutz einzurichten, überflüssig und unge- dern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere rechtfertigt. Er würde zu einer doppelten Privilegierung der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hinter- der Presseverleger führen. tür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zer- 28318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013

(A) stört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Anlage 5 (C) Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinien- Amtliche Mitteilungen vorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 meiner Sicht evident. Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat zu den nachstehenden Vorlagen absieht: sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wieder- holt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU- Auswärtiger Ausschuss Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer sol- Europarates chen Regelung ausgenommen bleibt. Tagung der parlamentarischen Versammlung des Euro- parates vom 24. bis 28. Januar 2011 in Straßburg Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Was- – Drucksachen 17/10574, 17/12238 Nr.1.1 – serversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen mentarischen Versammlung der OSZE Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen 21. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. der OSZE vom 5. bis 9. Juli 2012 in Monaco In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäi- schen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der – Drucksachen 17/11700, 17/12238 Nr. 1.2 – Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadt- Innenausschuss werk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten – zum Beispiel der Stromversorgung – Unterrichtung durch die Beauftragte der Bundesregierung oder der Abfallentsorgung – betrachtet werden kann. Die für Migration, Flüchtlinge und Integration Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fäl- Neunter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und len ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Ausländer in Deutschland Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasser- – Drucksachen 17/10221, 17/10707 Nr. 1.2 – (B) dienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. (D) Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU- Landesgruppe. Nach wie vor gilt aber, dass eine europa- – Unterrichtung durch die Bundesregierung weite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versor- Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes gungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen Energie 2011 – Wettbewerbsentwicklung mit Licht und und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf Schatten nicht gefährdet werden. – Drucksachen 17/7181, 17/8641 Nr. 1.1 –

Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein – Unterrichtung durch die Bundesregierung Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland be- Energie 2011 – Wettbewerbsentwicklung mit Licht und rücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in Schatten den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer hier: Stellungnahme der Bundesregierung Verantwortung. – Drucksachen 17/11434, 17/11614 Nr. 1.4 –

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Anlage 4 Elfter Bericht der Bundesregierung über die Aktivitä- ten des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der ein- Erklärung zelnen Rohstoffabkommen des Abgeordneten Alois Karl (CDU/CSU) zur – Drucksachen 17/11784, 17/12114 Nr. 1.1 – namentlichen Abstimmung über die Beschluss- – Unterrichtung durch die Bundesregierung empfehlung zum Antrag: Kindererziehung in der Rente besser berücksichtigen (Tagesord- Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ nungspunkt 37 a) – Drucksachen 17/11958, 17/12114 Nr. 1.11 –

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Mein Name ist in der Ergebnisliste nicht aufgeführt. Luftfahrtstrategie der Bundesregierung Mein Votum lautet Ja. – Drucksachen 17/12150, 17/12238 Nr.1.8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28319

(A) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsausschuss (C) Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik Drucksache 17/12126 Nr. A.19 für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2011 (Rüs- Ratsdokument 15645/12 tungsexportbericht 2011) Drucksache 17/12126 Nr. A.20

– Drucksache 17/11785 – Ratsdokument 15646/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.21 Ratsdokument 16850/12 Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 17/12126 Nr. A.22 Sondergutachten 2012 des Sachverständigenrates zur Ratsdokument 16349/12 Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Drucksache 17/12126 Nr. A.23 Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter Ratsdokument 17281/12 und stationärer Gesundheitsversorgung Drucksache 17/12126 Nr. A.24

– Drucksachen 17/10323, 17/10707 Nr. 1.6 – Ratsdokument 17285/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.25 Ratsdokument 17450/12 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 17/12126 Nr. A.26 Ratsdokument 17520/12 mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Drucksache 17/12126 Nr. A.27 Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- Ratsdokument 17555/12 ner Beratung abgesehen hat. Drucksache 17/12244 Nr. A.21 EP P7_TA-PROV(2012)0468 Drucksache 17/12244 Nr. A.22 Innenausschuss Ratsdokument 17963/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.7 Ratsdokument 14123/12 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/11108 Nr. A.8 Ratsdokument 14139/12 Drucksache 17/10710 Nr. A.49 Drucksache 17/11108 Nr. A.9 EP P7_TA-PROV(2012)0225 Ratsdokument 14181/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.30 Drucksache 17/11242 Nr. A.4 EP P7_TA-PROV(2012)0419 Ratsdokument 14414/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.32 Drucksache 17/11439 Nr. A.5 Ratsdokument 17575/12 EP P7_TA-PROV(2012)0310 Drucksache 17/11919 Nr. A.3 (B) Ratsdokument 16016/12 Ausschuss für Gesundheit (D) Drucksache 17/11919 Nr. A.4 Drucksache 17/12126 Nr. A.37 Ratsdokument 16018/12 Ratsdokument 17568/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.6 Ratsdokument 16423/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.12 Ratsdokument 17679/12 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/12244 Nr. A.10 Drucksache 17/12126 Nr. A.38 Ratsdokument 5119/13 Ratsdokument 16633/12

Finanzausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 17/12244 Nr. A.18 Drucksache 17/9647 Nr. A.19 Ratsdokument 5127/13 EP P7_TA-PROV(2012)0092 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-7980