Deutschland

SPIEGEL-GESPRÄCH „Kein Tabu links von der Mitte“ Berlins Regierender Bürgermeister , 53, über das Verhältnis der SPD zur Partei Die Linke, das Dilemma der Großen Koalition und das fehlende Profil der Sozialdemokraten

SPIEGEL: Herr Wowereit, wir haben uns gefragt, ob wir mit Ihnen überhaupt reden dürfen, weil Sie von allen Regierungschefs in den Bundesländern offenbar der ehr- loseste sind. Wowereit: Ich bewundere Ihren Mut! SPIEGEL: Sie regieren mit einer Partei, in der sich Leute befinden, die den Frei- heitswillen der Menschen mit Schieß- befehl und Stacheldraht beantwortet ha- ben. So jedenfalls redet Ihr Parteichef Kurt Beck über Ihren Koalitionspartner, Die Linke. Wowereit: Diese Debatte ist in Berlin im Jahre 2001 ausgiebig geführt worden. Es war eine schwierige Diskussion, die im ehemaligen Westteil wie im ehemaligen Ostteil der Stadt verständliche Emotionen freigesetzt hat. Die Debatte ist zu einem Ende geführt worden: Mein Koalitions- partner hat eindeutige Erklärungen zur Vergangenheit – etwa zum Mauerbau – ab- gegeben. Rot-Rot ist mittlerweile in Berlin akzeptiert. Wir haben 2006 erneut eine Mehrheit erhalten.

SPIEGEL: Ihr Parteivorsitzender hat diese MARCO-URBAN.DE Diskussion offenbar nicht mitbekommen. SPD-Politiker Wowereit: „Rot-Rot ist in Berlin akzeptiert“ Wowereit: Kurt Beck gehört zu denjenigen, die es akzeptieren, dass Landesverbände SPIEGEL: Was sagt denn Ihr Koalitionspart- nachdenkt, sollte die SPD kein Tabu links entsprechend ihrer Situation eigene Ent- ner zur Systemfrage? von der Mitte aufbauen. scheidungen über Koalitionen treffen. Wowereit: An dem Koalitionspartner, mit SPIEGEL: Die meisten Ihrer Genossen haben SPIEGEL: Hat er mit seinem Verdikt recht? dem ich hier regiere, habe ich keinen Zwei- im Umgang mit der Linken auf Attacke Wowereit: Meinen Koalitionspartner kann fel. Er bewegt sich im System und stellt umgeschaltet. er nicht gemeint haben. Wir Berliner auch die freiheitlich-demokratische Grund- Wowereit: Ich halte wenig davon, die neue Sozialdemokraten haben keinen Zweifel ordnung nicht in Frage. Im Übrigen warne Partei dadurch zusammenzuschweißen, daran, dass die PDS, heute Die Linke, ich davor, wichtiger zu dass man ständig auf sie verbal einprügelt. mit der DDR-Diktatur gebrochen hat. Die nehmen, als er sich selbst nimmt. Entscheidend ist für uns als SPD ohnehin Linke hier ist eine demokratische Partei – SPIEGEL: Nach Becks Meinung sind rot-rote nicht die Frage, ob Bündnisse mit der und seit sechs Jahren ein zuverlässiger Koalitionen im Osten möglich, im Westen Linkspartei möglich oder nicht möglich Partner. nicht. Was ist das für eine Logik? sind. Entscheidend ist, dass wir eine klare SPIEGEL: Wie erklären Sie sich Becks Hal- Wowereit: Wir haben bei der Linken im und scharfe Profilbildung haben und deut- tung? Osten eine ganz andere Mitgliederstruk- lich machen, dass es gar keine Notwendig- Wowereit: Kurt Beck gibt das wieder, was tur als in den alten Ländern. Hier haben keit gibt, Mitglied der Linken zu werden vor allem im Westen noch Meinung ist. wir viele Pragmatiker, dort ausgetretene oder sie zu wählen. Anstatt nun gegen die SPIEGEL: Vielleicht ist Beck auch alarmiert, SPD-Mitglieder, alte DKPisten. Dement- Linke zu polemisieren, sollten wir unser weil Oskar Lafontaine davon spricht, seine sprechend ist die SPD auch gut beraten, die eigenes Profil selbstbewusst betonen. Partei wolle die Systemfrage stellen? einzelnen Landesverbände dieser Partei SPIEGEL: Es muss aber etwas schiefgegan- Wowereit: Es gibt viele Parteien, die in ei- differenziert zu beurteilen. gen sein, wenn in Umfragen die Linke über nigen inhaltlichen Themen immer wieder SPIEGEL: Welchen Rat geben Sie den SPD- 10, die SPD bei nur 30 Prozent liegt. Systemfragen stellen. Landeschefs im Westen im Umgang mit Wowereit: In der Großen Koalition ist es für SPIEGEL: Lafontaine stellt das Wirtschafts- der linken Konkurrenz? die SPD schwer, als Partei erkennbar zu system in Frage. Wowereit: Man muss über mögliche Bünd- bleiben. Und dann ist natürlich auch nicht Wowereit: Ich bin nicht dazu da, andere zu nisse – ob im Osten oder im Westen – Ent- alles gelungen, etwa bei der Umsetzung interpretieren. scheidungen anhand der Programmatik von Hartz IV. Davon hat die Linke profi- und der Personen treffen. Wenn die CDU tiert. Dennoch bleibt die Zusammenlegung Das Gespräch führten die Redakteure Stefan Berg, Jan heute eines ihrer eigenen Tabus bricht und von Sozial- und Arbeitslosenhilfe inhalt- Fleischhauer und Horand Knaup. laut über Koalitionen mit den Grünen lich richtig.

28 27/2007 SPIEGEL: Warum hat die SPD nicht aus den die Linkspartei nicht einfach verschwin- Erfahrungen mit den Grünen gelernt? den wird. Wowereit: Inwieweit? SPIEGEL: Das glaubt aber Beck. Er meint, SPIEGEL: Die Kanzlerschaft von Helmut die Linken mit linker Politik überflüssig Schmidt endete zeitgleich mit dem Erstar- machen zu können. ken der Grünen. Auch damals setzte die Wowereit: Solange wir die Große Koalition SPD jahrelang auf Ausgrenzung. haben, wird es genügend Kräfte im linken Wowereit: Deshalb werbe ich für Differen- Spektrum geben, die eine linke Politik zierung. Es war ja auch sehr überraschend, nicht mehr vertreten sehen. dass sich die CDU auf lokaler Ebene von SPIEGEL: Was bedeutet das für die Strategie PDS-Mandatsträgern zu kommunalen Äm- der SPD? WOLFGANG KUMM / DPA WOLFGANG Linksparteichef Lafontaine (r.)*: „Partner und zugleich Konkurrenten“ tern verhelfen ließ. Wir kennen das aus Wowereit: Ich kämpfe einerseits um die Brandenburg, wir kennen das aus Sach- Stimmen der Grünen, genauso wie ich um sen-Anhalt, in Berlin hat sich bereits ein die Stimmen der Linkspartei kämpfe. An- CDU-Landesvorsitzender mit PDS-Stim- derseits muss ich darauf hoffen, dass die men zum Bezirksbürgermeister wählen las- linke Mehrheit irgendwann bündnisfähig sen. Also rate ich zur Gelassenheit. wird. Gut möglich, dass sich inhaltlich die SPIEGEL: Gehen Sie davon aus, dass sich Linke auch bundesweit einmal so wie in die Linkspartei ähnlich wie die grüne Par- Berlin entwickelt. tei dauerhaft behaupten wird? SPIEGEL: Bis zur Bundestagswahl 2009? Wowereit: Es gibt drei Parteien, die jetzt Wowereit: Ich glaube nicht, dass die Linke links von der Mitte um die Wählerstim- sich bis 2009 wesentlich verändern wird, men werben: die SPD, die Grünen und die weder personell noch inhaltlich. Deshalb Linken. Das ist ein härter werdender Kon- wird es wohl einmal noch beim bisherigen kurrenzkampf. Ich gehe davon aus, dass Spektrum von Koalitionsbildungsmöglich- keiten bleiben. 2013 kann das schon ganz anders aussehen. Es hat aber überhaupt keinen Sinn, bei der Entwicklung des Par- teiensystems Tabus aufzubauen. Die helfen nur dem politischen Gegner. Bei jeder Ko- alitionsbildung sollte für uns nur eine Fra- ge ausschlaggebend sein: In welcher Kon- stellation können wir so viel sozialdemo- kratische Politik wie möglich durchsetzen? SPIEGEL: Lafontaine hat gerade die Bedin- gungen für eine Koalition im Bund ge- nannt: Bei Hartz IV wird korrigiert, die SASCHA SCHUERMANN / DDP SCHUERMANN SASCHA

SPD-Vorsitzender Beck * Mit Co-Parteichef Lothar Bisky auf dem Vereinigungs- „Komplizierte Situation“ parteitag am 16. Juni in Berlin.

der spiegel 27/2007 29 Deutschland

Bundeswehr aus abgezogen, SPIEGEL: Merkwürdig: Gewöhnlich verwei- die Rente mit 67 nicht eingeführt – alles sen Sie stolz darauf, wie Sie die Linke per Forderungen, die auch aus Ihrer Partei Regierungsbeteiligung auf Realokurs ge- kommen. zwungen haben. Wowereit: Oskar Lafontaine weiß ganz Wowereit: Lafontaine hat viele politische genau, dass das nicht realistisch ist. Er hat Entscheidungen dieses Senats offen ange- ja noch bis vor kurzem selbst jede Zusam- griffen. Zum Glück hat sich mein Koali- menarbeit mit der SPD abgelehnt. tionspartner davon so wenig beirren lassen SPIEGEL: Lafontaine bewegt sich, warum wie wir uns von den anfänglichen War- nicht die SPD? nungen vor der PDS. Ursprünglich hatten Wowereit: Oskar Lafontaine bewegt sich einige prognostiziert, dass die PDS die SPD überhaupt nicht. Seine Vorschläge rei- mit den Jahren überflügeln werde. Wir ha- chen für eine Koalition nicht aus. Schau- ben gesehen, dass wir sie bei den Wahlen en Sie sich doch nur die außenpoliti- wieder in die richtige Relation bringen schen Positionen an, vollkommen unrea- können. listisch. SPIEGEL: Die Linke stürzte von 23 auf 13 SPIEGEL: Das war bei den Grünen lange Prozent … Kurt Beck steht doch nicht für ein linkes ähnlich. Viele haben selbst 1998 noch ge- Wowereit: … richtig. Wir sind Partner und Profil, sondern für eine Politik der Mitte. sagt: nicht regierungsfähig. zugleich Konkurrenten. Die PDS, heute Wowereit: Kurt Beck steht aus Sicht vieler Wowereit: Es gab vorher ganz andere Ent- Linke, muss ihren Weg gehen – wir unse- Wählerinnen und Wähler für Verlässlich- wicklungen bei den Grünen, innere Aus- ren. Vor allem müssen wir unser Profil als keit und Glaubwürdigkeit der sozialdemo- einandersetzungen. Die Grünen haben 28 linke Volkspartei deutlich machen. kratischen Partei. Jahre Erfahrungen gesammelt. Die Linken SPIEGEL: Aber das ist so gut wie ausge- SPIEGEL: Sind Sie zufrieden mit dem Kom- noch nicht. schlossen in der Großen Koalition. Und promiss beim Mindestlohn?

linken Idols „schon eine Vorbereitung auf eine eventuelle Zusammenarbeit mit der neuen Linkspartei“ sei. Lockern fürs Berliner Modell Die Avancen der SPD beruhen auf einer nüchternen Kalkulation. Die CDU- Die SPD in NRW probt einen neuen Umgang mit der Linkspartei. FDP-Regierung hat in NRW die Ein- führung der Zweitstimme bei der nächs- er einst erste Mann der nord- Auch in Düsseldorf wolle sich die SPD ten Landtagswahl beschlossen. Dies rhein-westfälischen Sozialdemo- die Option für eine „Berliner Lösung“ könnte kleinen Parteien nutzen – und die Dkratie erlebt den Schwund im ei- offenhalten – eine rot-rote oder rot-rot- Linken, die in Umfragen bei vier Prozent genen Bekanntenkreis. „Mehrere Dut- grüne Koalition. dümpeln, ins Parlament katapultieren. zend“ Gewerkschafter und Genossen Prompt sieht die NRW-CDU eine Damit, so Kraft, würde „rein rechnerisch kenne er, die zu der neuen Truppe über- „Volksfront“ heranziehen. Sogar ein Pos- eine linke Mehrheit wahrscheinlicher“. gelaufen seien, sagt der frühere Arbeits- ter des kubanischen Revolutionärs Ché Die SPD-Strategen wollen sich dann zwei minister. Keine „Quälgeister“ oder „ver- Guevara, das seit Jahren im Flur der Rückkehrwege an die Macht freihalten: schrobenen Typen“ seien das. Nein, so- SPD-Landtagsfraktion hängt, erregte nun Große Koalition oder linkes Bündnis. gar „beste Freunde“. das Misstrauen eines CDU-Abgeordne- Auch der politische Mikrokosmos im Beste Freunde des ehemaligen SPD- ten. In einem Brief an Kraft fragte der Lande verleitet die Genossen zu Locke- Parteichefs Harald Schartau, 54, haben Mann, ob die „Zur-Schau-Stellung“ des rungsübungen. „In NRW ist die Mitte be- rübergemacht – zur Linkspartei. Die ehe- sonders hart umkämpft“, hat Kraft ana- dem so verlässlichen Koordinaten der lysiert. Weil das Wählerpotential der SPD Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr – nach 39 Jahren an der Macht nach wie links ist, wo das Herz schlägt und die SPD vor als groß gilt, versuchen alle Parteien satte Mehrheiten einfährt – sind längst dort zu fischen – auch CDU-Regierungs- durcheinandergeraten. In ihrem früheren chef Jürgen Rüttgers gibt gern den Ar- Stammland verlor die Partei allein in den beiterführer. In Hessen, wo vergangenen vier Jahren fast ein Viertel (CDU) mehr Platz in der Mitte lasse, kön- ihrer Mitglieder. Aus der Not heraus ne die SPD es sich leisten, zur Linkspar- sucht sie nun einen neuen Kurs. „Mitte tei dichtzumachen, sagt ein Düsseldorfer holen, links halten“ lautet die Parole, die SPD-Vordenker – „bei uns nicht“. Partei- und Fraktionschefin Hannelore Der Duisburger Parteienforscher Karl- Kraft, 46, jüngst ausgegeben hat – de fac- Rudolf Korte hält den neuen Umgang mit to bedeutet sie eine strategische Öffnung der Linken für „strategisch richtig“. Eine zur Linkspartei. Linkspartei, die stigmatisiert werde, kön- Die Sozialdemokratin formuliert vor- ne der NRW-SPD leicht auch die letzten sichtig. Gespräche mit den Linken würde Verbündeten in den Gewerkschaften ab- sie „nicht rundheraus ablehnen“, sagt spenstig machen. Wie groß die Gefahr ist, . Offiziell bekennt sie hat Guntram Schneider, Vorsitzender des

nur, „ohne Koalitionsaussage“ 2010 in die PRESS / ACTION BAUER CHRISTIAN Deutschen Gewerkschaftbunds in NRW, nächste Landtagswahl zu ziehen. Intern NRW-SPD-Chefin Kraft der Parteichefin jüngst nach einem Auf- werden führende Genossen deutlicher: „Mitte holen, links halten“ tritt als Gastredner bei den Linken be-

30 der spiegel 27/2007 Gesprächspartner Gysi, Wowereit* „Ich rate zur Gelassenheit“

Bremen und Berlin werden gemeinsam eine Bundesratsinitiative für einen flächende- ckenden Mindestlohn von 7,50 Euro starten. SPIEGEL: Herr Wowereit, die SPD hat jahre- lang in der Bundesregierung Reformpolitik gemacht, mit harten Einschnitten. Jetzt sa- gen Sie: Wir müssen ein klares linkes Profil bilden. Was soll der Wähler davon halten? Wowereit: Das ist kein Widerspruch. Wenn der Mindestlohn in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich verankert wird,

SERGEJ GLANZE dann wäre das eine der härtesten und größten Reformen, die jemals durchgeführt Wowereit: Nein, überhaupt nicht. worden sind. Wir führen außerdem eine SPIEGEL: Da sind Sie sich ja mit Lafontaine Diskussion über Vermögensbildung in Ar- einig – er würde uns nichts anderes sagen beitnehmerhand. Wir haben die Ausein- als Sie. andersetzung über die Erbschaftsteuer. Wir Wowereit: Das kann so sein. Ich habe auch plädieren für längeres, gemeinsames Ler- schon von einem Kardinal gehört, dass ein nen. Das sind alles linke Projekte. Mindestlohn vernünftig ist. Wir werden bei SPIEGEL: Ihre Hilfe beim Profilschärfen ist dem Thema noch mehr Druck machen. doch gar nicht gefragt. Sie wollten SPD- Vize werden, Beck wollte Sie nicht. Wowereit: Ich bin als Ministerpräsident ein Teil des Führungspersonals der SPD. Dass richtet: „Hannelore, 80 Prozent der Leu- die Zahl der stellvertretenden Parteivor- te kannte ich“, warnte er. sitzenden reduziert worden ist, ist richtig. Es ist eine Gratwanderung, die die Das heißt ja nicht, dass die anderen sozial- NRW-Genossen nun probieren. Denn bei demokratischen Würdenträger deswegen allen Öffnungsversuchen, rät Forscher ihre Arbeit einstellen. Ich werde selbstver- Korte, müssten die Genossen auf „Mitte- ständlich weiterhin landauf, landab für die Kurs“ bleiben. Keineswegs dürften sie in sozialdemokratische Sache werben. die „altsoziale Ecke mit Weltverbesse- SPIEGEL: Wie erklären Sie sich die Schwie- rungs-Romantik“ zurückdriften. rigkeiten des Parteivorsitzenden? Wie ein Links-Bündnis überhaupt funk- Wowereit: Die SPD ist als Junior-Partner tionieren sollte, ist daher reichlich unklar. einer Großen Koalition in einer kompli- Zwar nennen Sozialdemokraten als ge- zierten Situation. Wenn man nicht den meinsame Ziele zum Beispiel die Ab- Kanzler stellt, wird man öffentlich kaum schaffung der Studiengebühren oder die wahrgenommen. Einführung der Gemeinschaftsschule. Für SPIEGEL: Es ist doch nur das eingetroffen, die NRW-Linke, die sich erst im Oktober was Sie immer prognostiziert haben. Sie zur Linkspartei zusammenschließen will, haben gewarnt: Die Große Koalition ist für wies Landessprecher Wolfgang Zimmer- die SPD der GAU. mann eine rot-rote Koalition vergangene Wowereit: Die mit dieser Prognose gemein- Woche aber prompt als „zurzeit völlig un- te Lage ist ja da. Attackiert man in der realistisch“ zurück. Großen Koalition, ist man der Wadenbei- Die Linke arbeitet lieber daran, der ßer. Machst du nichts, bist du das Weichei. SPD Mitglieder abzuwerben – bei Auf- SPIEGEL: Und was ist die SPD von Beck, tritten wie am vorvergangenen Freitag in Wadenbeißer oder Weichei? Castrop-Rauxel. Auf der früheren Zeche Wowereit: Ich glaube, wir sind dabei, uns Ickern I/II genoss Oskar Lafontaine als wieder auf die inhaltlichen Stärken zu kon- frischgekürter Bundesvorsitzender seinen zentrieren. Beim Thema Mindestlohn hat ersten Auftritt bei der Basis im Westen. man gesehen, dass es gelingen kann. Wie ein römischer Senator umgarnte er SPIEGEL: In Berlin haben Sie vor Jahren das Volk zu seinen Füßen, und seine Bot- eine Große Koalition verlassen, ein Bünd- schaft lautete: Die SPD hat versagt, „alle nis mit der damaligen PDS geschlossen. Grundsätze aus Brandts Zeiten verraten“. Hat sich Beck von Ihnen erklären lassen, Lafontaine sprach vor alten Bekann- wie es Ihnen damals gelungen ist, sich von ten: Betriebsräte, Kleingartenbesitzer und der CDU zu trennen? zweifelnde SPD-Wähler stellten die Mehr- Wowereit: Kurt Beck braucht sich nichts er- heit unter den 600 Zuhörern. Als Schluss- klären zu lassen. Die SPD strebt nicht die pointe hielt er das SPD-Grundsatzpro- Fortsetzung der Großen Koalition nach gramm hoch – und spottete, frech wie 2009 an. Das ist doch eine gute Aussicht. Oskar: „Alles, was ich euch erzählt habe, SPIEGEL: Herr Wowereit, wir danken Ihnen steht hier bereits. Andrea Brandt, für dieses Gespräch. Markus Deggerich * Im Deutschen Theater im Dezember 2005 in Berlin.

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