„Antreten zur Arbeit!“ Haftarbeit in Rüdersdorf Vorwort Vorwort

Seit 20 Jahren richten Sie berichten vom Staub, von der Kälte in den Ba- Die Beauftragte des Dieses Lager ist verbunden mit Schicksalen junger sich zahlreiche For- racken, der schlechten Ernährung und dem Kübel Landes Branden­burg Menschen, denen in aller Regel lediglich eines zur schungsinitiativen auf in den Zellen. Vor allem aber werden die Schikanen zur Aufarbeitung der Last gelegt werden konnte – nämlich ihr Anders- die Erschließung der beschrieben, der alltägliche Drill und die Demüti- Folgen der kommu- sein. Sie wollten sich nicht der Uniformität des Sys- seitdem zugänglichen gungen. Es ist kaum anzunehmen, dass ihnen unter nistischen Diktatur tems unterordnen, sondern schlicht als Individuum Quellen, um die Ge- diesen Bedingungen eine Begeisterung für die sozia­ lädt in diesem Jahr leben. Auf willkürlicher Basis und meist ohne ge- schichte von SBZ und listische Arbeit vermittelt wurde. Sollten sie durch gemein­sam mit der richtliches Verfahren wurden sie nach Rüdersdorf DDR zu erkunden. diesen Schock diszipliniert werden? Brauchte man Konferenz der Lan- gebracht, um sie hier mit militärischem Drill und Aber immer noch sie, weil für diese schweren Arbeiten kaum andere desbeauftragten für harter Arbeit zu brechen und damit die Autorität gibt es Bereiche, die Arbeitskräfte zu finden und ökonomische Engpässe die Stasiunterlagen der Staatsmacht unter Beweis zu stellen. bisher weitgehend im Dunkeln geblieben sind. Erst zu beseitigen waren? und der Stiftung Aufarbeitung zum jährlichen in jüngster Zeit wurde zum Beispiel damit begon- Bundeskongress für die Opferverbände und Aufar- Das Arbeits- und Erziehungslager für Jugend- nen, die Einrichtungen der Jugendhilfe in der DDR, Die Interviewausschnitte können nur eine beitungsinitiativen. Der Kongress findet in Erkner liche stellt damit für immer ein sehr trauriges aber insbesondere Spezialheime, Durchgangsheime und Ahnung von dem vermitteln, was fernab jeglicher und Rüdersdorf statt und steht unter dem speziellen wichtiges Kapitel unserer Ortsgeschichte dar. Die Jugendwerkhöfe näher in den Blick zu nehmen. Öffentlichkeit in diesem maroden Zementwerk zu Thema „Disziplinierung durch Arbeit“. Geschichte dieses Lagers ist noch ebenso wenig Wenig wissen wir bisher auch über Haftarbeit und DDR-Zeiten geschah. Die Betreffenden durften und erforscht, wie die des Jugendwerkhofes im Ortsteil Arbeitserziehungslager. wagten vor 1990 meist nicht, darüber zu sprechen. Leider ist dieses Kapitel der DDR-Unrechtsge- Hennickendorf sowie die des Zwangsarbeiterlagers Dennoch war vielen in der DDR „Ab nach Rüders- schichte immer auch mit dem Namen Rüdersdorf während des Zweiten Weltkrieges. Umso wichtiger Die vorliegende Broschüre ist anlässlich des dorf!“ als furchtbare Drohung gegenwärtig. Es wird bei verbunden. Seit fast acht Jahrhunderten ist die Aufarbeitung dieser Themen und die damit 16. Bundeskongresses der Verfolgtenverbände und noch weiterer Forschungen bedürfen, um aufzu­ wird in unserer Gemeinde nunmehr Kalkstein ab- ebenfalls einhergehende Rehabilitation der Opfer. Aufarbeitungsinitiativen herausgegeben worden. decken, was hier Menschen angetan wurde. gebaut und daraus der Baustoff produziert, der die Führt uns doch die Beschäftigung mit der Unrechts- Der Bundeskongress wird veranstaltet von den Metropole Berlin in seiner heutigen Bedeutung erst geschichte die Bedeutung von Freiheit und Rechts- Landesbeauftragten für die Stasiunter­lagen und Unser Dank richtet sich an die Zeitzeugen, mit ermöglicht hat. Diese stolze Tradition geht ein- staatlichkeit immer wieder neu vor Augen. Was für zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen die von ihren bitteren Erfahrungen zu berichten her mit schwerster körperlicher Arbeit und harten uns heute manchmal selbstverständlich scheint, ist Diktatur und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung bereit waren. Wir danken Anette Detering, die Strapazen für die Kumpel im Bergbau. es in Wirklichkeit nicht. Es ist ein Privileg, anders der SED-Diktatur. Auf diesem Kongress, mit dem mit ihnen die Gespräche führte und Uta Rüchel für sein zu dürfen und ein Wert, der nicht in Frage ge- Titel „Disziplinierung durch Arbeit“, geht es um ihre Ausführungen zum Thema Arbeit als Herr- Bereits während der NS-Diktatur mussten stellt werden darf. Deshalb ist das Erinnern wichtig, das Thema Arbeit als Herrschaftsinstrument in der schaftsinstrument im Sozialismus und zur Ge- Zwangsarbeiter diese schwere Arbeit mitverrichten. weil es Zukunft ermöglicht. SED-Diktatur. Die vorliegende Broschüre zeigt am schichte des Rüdersdorfer Zementwerks. Und wir Auch von 1945-1992 gab es in Rüdersdorf verschie- Beispiel Rüdersdorf, mit welchen Methoden versucht danken allen Rüdersdorfern, die uns mit Rat und dene (Vollzugs-) Einrichtungen, deren Gefangene wurde, eine Disziplinierung zu bewirken. Tat bei der Vorbereitung des Kongresses und dieser ebenfalls im Tagebau bzw. dem Zementwerk arbei­ Broschüre unterstützt haben. ten mussten. Besonders hervorzuheben ist, dass Die schwere und gesundheitsschädliche Arbeit im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem im Steinbruch und im Zementwerk wurde von re- Magistrat von Groß-Berlin (Abteilung Inneres und gulären Arbeitskräften, von Strafgefangenen und Volksbildung), dem Generalstaatsanwalt von Groß- sogenannten Zöglingen des Arbeitserziehungsla- Berlin sowie dem Präsidenten der Volkspolizei im gers geleistet. Die Broschüre dokumentiert Erin- November 1966 ein Arbeits- und Erziehungslager für André Schaller nerungen von Zeitzeugen, die zu dieser Arbeit ge- Ulrike Poppe Jugendliche hier in Rüdersdorf geschaffen wurde. Bürgermeister zwungen wurden. Sie berichten, wie sie mit einem Beauftragte des Landes Brandenburg Rüdersdorf bei Berlin im Mai 2012 20-Pfund-Hammer Steine klopfen mussten und in zur Aufarbeitung der Folgen Asbest-Anzügen an extrem heißen Öfen standen. der kommunistischen Diktatur

2 3 Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...... 2 „Die Klärung dieses Sachverhaltes Ulrike Poppe hat zwei Jahre gedauert.“ ...... 66 Manfred Wiese Vorwort ...... 3 André Schaller „Alles nur Haftzeit.“...... 74 Michael Frenzel Auf Sand gebaut − nicht nur in Rüdersdorf...... 6 Uta Rüchel „Die schönste Erfahrung für mich war: Man kann Nein sagen.“...... 78 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist.“...... 38 Wolfgang Beyer Otto Schmidt Anhang ...... 84 „Es ging um die Schockwirkung.“...... 40 Rainer Buchwald Literatur und Internetlinks...... 113 „Alle die in diesem Lager gewesen sind, Impressum...... 116 waren für den Sozialismus verloren.“...... 48 Clemens Lindenau

„Ab dann habe ich mich ruhig verhalten.“...... 56 Reinhard Herbermann

„Wenn du uns wegen des Unfalls verklagst, streiten wir alles ab.“...... 62 Wilfried Krohn

4 5 Auf Sand gebaut – nicht nur in Rüdersdorf Erziehung durch Arbeit blieb graue Theorie

Uta Rüchel

Rüdersdorfer Kalksandstein – aus dem programmatischen Titel: „750 Es sind nur diese beiden Sätze, die auf zu fragen? Dient nicht jeder Verweis ihm entstanden das Brandenbur- Jahre Kalksteinbergbau in Rüders- die Existenz eines Haftarbeitslagers auf weniger dramatische Erfahrungen ger Tor und das Berliner Schloss, die dorf. Kalksteingewinnung und -verar- in Rüdersdorf hinweisen. Zwei Sätze der eigenen Beruhigung? Kein Schick- Stadtmauer und das Olympiastadion. beitung prägen eine Region“. Und ihre allerdings, die die aktuellen Diskus- sal lässt sich mit dem Verweis auf ein Schon im 13. Jahrhundert hatten die Menschen – möchte man hinzufügen. sionen um die Disziplinierung durch anderes relativieren. Darum kann und Zisterzienser in Rüdersdorf mit dem Es ist hier viel nachzulesen über den Arbeit, manche sprechen auch von soll es nicht gehen. Und doch muss Bergbau begonnen. Mit einfachen Muschelkalk von Rüdersdorf, den Zwangsarbeit, im DDR-Strafvollzug man zur Kenntnis nehmen, dass es Werkzeugen brachen Arbeitsmönche Tagebau und die Veränderungen vor berühren. ehemalige politische Häftlinge gibt, und von ihnen befehligte Bruchar- Ort. Und wer danach sucht oder ganz die kaum glauben können, was sie aus beiter das Gestein schichtweise aus genau hinsieht, erfährt recht schnell, Zweifellos lag vielen Verurteilun- den Medien über Gefängnisse, Jugend- dem Berg. Steinschläger formten die dass es schon immer schwer war, gen in der DDR eine Rechtsprechung, werkhöfe oder Arbeitserziehungslager gelösten Brocken in transportfähige Brucharbeiter zu finden, die sich den die diesen Namen nicht verdient, ideo- in der DDR erfahren, weil sie selbst Quader und verluden sie auf Fuhrwer- harten Arbeitsbedingungen aussetzen. logische Engstirnigkeit und Willkür diese Seite des Strafvollzugssystems ke. Auf dem Wasserweg gelangten sie Es wurden Fremdarbeiter angeworben zugrunde. Unzählige politische Häft- nie kennengelernt haben. nach Berlin. Hier wurden im Laufe der und Zwangsarbeiter eingesetzt. Eini- linge, die als solche nicht bezeichnet Jahrhunderte zahlreiche repräsentati- ge Seiten weiter findet sich auch ein wurden, verbrachten zu Unrecht eini- Aber nicht nur die Erfahrungen, ve Bauten aus Rüdersdorfer Kalkstein konkreter Hinweis auf den Einsatz ge Jahre ihres Lebens hinter Gittern. auch die Bewältigungsstrategien sind errichtet. von Strafgefangenen in der DDR: „In- Das betraf – je nach Zeitraum – im- vielfältig. Was die einen vergessen folge der schwierigen Arbeitsbedin- merhin 10 bis 50 Prozent aller in der und verdrängen – mit allen Spätfolgen Wer fragt bei so viel Repräsentanz gungen in den älteren Zementwerken DDR Inhaftierten. Viele von ihnen die das hat –, müssen andere immer und Pracht schon nach der Herkunft gab es einen permanenten Mangel waren noch sehr jung. Sie lehnten sich aufs Neue erzählen. Koste es, was es der Baumaterialien oder gar den Be- an Arbeitskräften in der Produktion. auf gegen eine Ordnung, deren Wer- wolle. Je nachdem wie jeder mit seiner dingungen ihrer Gewinnung. Dieser Schrittweise wurden ab Ende der sech- te sie nicht teilten und die ihnen die Geschichte lebt, ist auch die Rehabili- Teil der Geschichte bleibt im wahrsten ziger Jahre die Zementwerke II und III Freiheit nahm, ein selbstbestimmtes tierung für die Betroffenen von unter- Sinne des Wortes in Stein gehauen, un- in Strafgefangenenobjekte mit Mauer, Leben zu führen. Liest oder hört man schiedlicher Bedeutung: für manche sichtbar und stumm. Bis Menschen zu Stacheldrahtzaun und Hundelaufzone von ihren Erfahrungen in Bautzen eine willkommene späte Genugtuung fragen beginnen. Oder Betroffene an- umgewandelt. Die Arbeitsbedingun- oder Hoheneck, treibt es einem die und für andere ein nahezu lebens- fangen, ihre Geschichten zu erzählen. gen waren schlecht – aber für alle Be- Zornesröte ins Gesicht. Erschrecken, wichtiger Bescheid. Einen Anstoß dazu gibt die Festschrift schäftigten gleichermaßen.“ Wut, Unglauben wechseln einander der Rüdersdorfer Zement GmbH mit ab. Was bleibt da noch zu sagen und

6 7 Viele ehemalige politische Häftlinge fand sich in Pompeji: „Wenn jemand erst durch seine Arbeit herausbilde Engels stellten die Produktionsverhält- sind inzwischen nicht nur strafrecht- für nichts etwas will, ist er ein Narr. Er und also wer nicht arbeite auch kein nisse in Frage, nicht aber die Arbeit als lich rehabilitiert worden, sondern ha- soll dafür bezahlen.“ Allerdings galt in Mensch sein könne, passte gut zu der Grundbedingung allen menschlichen ben auch eine gewisse Haftentschädi- der Antike − für diejenigen, die es im sich verbreitenden, zunehmend öko- Lebens. Auch die Sozialdemokratie gung erhalten. Ob sie darüber hinaus wahrsten Sinne des Wortes nicht nötig nomisch inspirierten Geisteshaltung. benannte in ihrem Gothaer Programm für die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft hatten − Arbeit als unwürdig für freie Statt der alten Knechtschaftsverhält- von 1875 die Arbeit als Quelle allen ge- entschädigt werden müssten, wird Menschen. In der Neuzeit waren es nisse gab es nun „freie“ und „ehrba- sellschaftlichen Reichtums und setzte derzeit kontrovers diskutiert. die Reformatoren Luther und Calvin, re“ Arbeit für alle, die im Zuge der eine allgemeine Arbeitspflicht voraus. die, ohne es zu ahnen, einen epocha- fortschreitenden Industrialisierung Es mag nun kaum noch überraschen, Es wird der Debatte nicht schaden, len Umbruch einleiteten, indem sie die im 19. Jahrhundert endgültig zu einer dass der anfänglich aus der Bibel zi- auf schnelle Antworten zu verzichten Arbeit zur gottgewollten Sinngebung „sittlichen“ Pflicht wurde. Zunehmend tierte Satz auch in der Verfassung der und zunächst einmal danach zu fragen, menschlichen Lebens verklärten. Was garantierte allein außerhäusliche Ar- UdSSR von 1936 wieder auftaucht. In woher der in der DDR vorherrschende als Kampf gegen den katholischen beit individuelle und gesellschaftliche Artikel 12 heißt es dort: „Die Arbeit ist Arbeitsethos, den Bürger und Staat − Klerus, den Müßiggang pflegenden Anerkennung, sozialen Status und in der UdSSR Pflicht und eine Sache wenn auch verschieden begründet − Adel und seine Geringschätzung der politische Teilhabe. Wer nicht arbei- der Ehre eines jeden arbeitsfähigen weitestgehend teilten, eigentlich kam. körperlichen Arbeit begann, wandte tete, fiel dem Gemeinwesen zur Last Bürgers nach dem Grundsatz: ‚Wer Wer kennt ihn nicht, den Spruch: Wer sich angesichts der merkantilistischen und sollte entsprechend diszipliniert nicht arbeitet, soll auch nicht essen.’“ nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Wirtschaftsweise alsbald gegen dieje- werden. Statt nach Mühsal und Pein Zur selben Zeit verpflichteten die Na- Auf der Suche nach seinem Ursprung nigen, die am Rande der Gesellschaft klang Arbeit in weiten Kreisen wie tionalsozialisten die Menschen, ihre stößt man auf den 2. Brief des Paulus lebten: Armut und Nicht-Arbeit galten ein Zauberwort, das Zivilisation und Arbeit ausschließlich als Dienst an der an die Thessalonicher, in dem es im nun als selbstverschuldet. Bettler, Die- Fortschritt versprach. Ihre positiven nationalen Gemeinschaft zu begreifen 3. Kapitel heißt: „Und da wir bei euch be, Landstreicher und Dirnen wurden Wirkungen auf Geist und Körper und zu verrichten. waren, geboten wir euch solches, dass, in Spinn- oder andere Arbeitshäuser waren mannigfach erwiesen, so dass so jemand nicht will arbeiten, der soll eingewiesen, wo sie ihr Brot selbst Arbeit nicht länger nur zum Broter- Letztlich lassen sich die – wenn auch nicht essen“. Paulus verweist hier verdienen und das Arbeiten lernen werb diente, sondern nebenher auch auch sehr knapp − skizzierten Ent- darauf, dass auch er das Brot nicht ein- sollten. Was für manche eine Rettung zu einem allseitigen Erziehungsmittel wicklungen als Spuren mit mehr oder fach genommen, sondern es sich mit aus einer ungewollten Zwangslage avancierte. Das bekamen sowohl die weniger großer Tiefe weiterverfolgen Arbeit und Mühe verdient habe. Ein war, bedeutete für andere ein Ende ih- einheimischen Bettler, Müßiggänger bis in die DDR. Die hier herrschenden ähnlicher Verweis auf die geforderte rer selbst gewählten Lebensführung. und Prostituierten zu spüren als auch Ideologien vertraten kommunistische Balance zwischen Geben und Nehmen Hegel‘s Theorie, dass das Subjekt sich die kolonialisierten Völker. Marx und und sozialdemokratische Traditionen,

8 9 ohne deren Wurzeln zu thematisieren beitskraft von Nutzen zu sein. Neben gig darum, die Inhaftierten an Arbeit anstalten angesiedelt sein, den indivi- bzw. in Frage zu stellen. Da das Sein dieser frühen Form einer Erziehung zu gewöhnen, um sie zu brauchbaren duellen Fähigkeiten der Inhaftierten das Bewusstsein bestimme, glaubten zur Arbeit ging es gleichwohl darum, Mitgliedern der Gesellschaft werden entsprechen und Qualifizierungen sie, durch die Arbeit den Menschen die sozialen Auswirkungen eines wirt- zu lassen. Über Sinn und Zweck der ermöglichen. Der Verleih von Gefan- verändern zu können. Jetzt, da die schaftlichen Umbruchs abzufangen, Gefängnisarbeit wurde nicht nur in genen an private Unternehmer sei zu Arbeit im Sozialismus von der Aus- der immer mehr Menschen ihre bishe- den einzelnen Nationalstaaten, son- vermeiden, damit die Inhaftierten beutung des Menschen durch den rige Lebensgrundlage entzog. Ob die dern seit Mitte des 19. Jahrhunderts sich nicht ausgebeutet fühlen, aber Menschen und damit auch von der sozial Schwachen die Arbeitshäuser auch auf internationalen Gefängnis- auch um einer Konkurrenz auf dem Entfremdung befreit sei, könne sie ih- als Alternative zu einem Leben auf der kongressen diskutiert. Wenn man sich freien Markt vorzubeugen. Nichts- ren erzieherischen Charakter voll und Straße oder am Rande der Gesellschaft vergegenwärtigt, dass es damals in destotrotz hatte der Gefangene kein ganz entfalten. überhaupt als solche empfanden und Brandenburg-Preußen oder England Recht auf einen marktüblichen Lohn, wünschten, wurden sie nicht gefragt. durchaus schon üblich war, Zucht- sondern bekam stattdessen nur einen Demnach sollte auch die Arbeit Spätestens seit dem 18. Jahrhundert häuser an Unternehmer zu verpachten geringen Teil direkt ausgezahlt, wäh- im Strafvollzug der DDR vor allem galt der allgemeine Arbeitszwang für und die staatliche Verantwortung auf rend der Rest für Kostendeckung und erzieherischen Charakter haben und Zucht- und Arbeitshäusler gleicher- die formale Aufsicht zu beschränken, Rücklagen einbehalten wurde. Für ei- sicherstellen, dass kein arbeitsfähiger maßen, wobei die Anstalten im Lau- ahnt man, wie wenig Gewicht solche nen langfristigen und wirkungsvollen Bürger auf Kosten der Arbeit Ande- fe der Zeiten verschiedene Interessen Diskussionen auf dem Boden der Tat- Umbau des Strafvollzugs reichten die rer lebt. Davon kann allerdings keine verfolgten. Unabhängig davon, wel- sachen mancher Orts hatten. Reformbemühungen der Weimarer Rede sein. Doch bevor hier Anspruch ches Ziel gerade im Zentrum der Auf- Republik nicht, zumal bis zu 80 Pro- und Wirklichkeit voneinander unter- merksamkeit stand, ging es im Straf- In der Weimarer Republik finden zent der Beamten sie ablehnten und schieden werden, sei auf eine Reihe vollzug immer um dreierlei: soziale sich die ersten Ansätze, einen mo- die Nationalsozialisten nach ihrer von Traditionslinien verwiesen, die Disziplinierung, ökonomischen Nut- dernen Strafvollzug zu begründen. Machtübernahme somit ein leichtes im Strafvollzug der DDR fortwirkten, zen und Erziehung. Noch zu Beginn Der Anspruch, die Inhaftierten zu Spiel hatten, sie wieder rückgängig zu auch wenn sie als überwunden de- des 19. Jahrhunderts sollten die Inhaf- erziehen und wieder einzugliedern, machen. An die Stelle von Erziehung klariert wurden. Bereits im 16. Jahr- tierten hart arbeiten, um ihre Schuld ergab sich hier erstmals aus einer ge- und Resozialisierung traten nun wie- hundert entstanden in England und zu sühnen und andere abzuschrecken. sellschaftlichen Mitverantwortung für der Vergeltung, Sühne und Abschre- Holland die ersten Arbeitshäuser, in Wenige Jahrzehnte später wollte man das soziale Umfeld von Straftätern. ckung. Damit einher gingen eine Re- denen die Menschen Tugenden wie eine neue innere Haltung entwickeln, Das wirkte sich auch auf die Einstel- Militarisierung des Haftalltags und Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin ler- von Liebe zur Arbeit geprägt. Und lung zur Gefangenenarbeit aus. Sie ein primär ökonomisch motivierter nen sollten, die es braucht, um als Ar- alsbald ging es doch wieder vorran- sollte am besten außerhalb der Haft- Arbeitseinsatz Strafgefangener, der

10 11 letztlich auch vor einer Vernichtung Zwangsarbeiter an Firmen, Farmer Unterordnung, Disziplin, Entindi- so genannte Erziehungsziel bestand durch Arbeit nicht zurückschreckte. oder das Militär verteilte. Diese Pra- vidualisierung und Militarisierung in einer vollständigen Unterwerfung Dass es trotz aller Beteuerungen 1945 xis fand auch im Ersten und Zweiten nahe gebracht wurden. Als Vorläufer unter die NS-Ideologie durch schwers- keine Stunde Null gab, zeigt sich auch Weltkrieg Anwendung. Kriegsgefan- der Arbeitslager in der DDR sind hier te körperliche Arbeit, Abschreckung hier. Das Strafvollzugswesen der DDR gene und ausländische Zwangsarbeiter jedoch vor allem die nationalsozialis- durch beispielhafte harte Strafen, ei- wie der frühen Bundesrepublik orien- wurden in Barackenlagern inhaftiert tischen Konzentrations- und Arbeits- ner Aussonderung der „Unerziehba- tierte sich in vielerlei Hinsicht an Kai- und in nahe gelegenen Betrieben zur erziehungslager von Bedeutung. In ih- ren“ und deren Verlegung in ein KZ. serreich und Nationalsozialismus − Arbeit verpflichtet. Im Unterschied zu nen wurde die im 19. Jahrhundert im Letztlich waren die Arbeits- und Le- mit einer wesentlichen Ausnahme: der späteren Arbeitslagern, die als Teil des Strafvollzug entstandene Theorie von bensbedingungen in den Arbeitser- Vernichtung durch Arbeit. Daneben Strafvollzugs geführt wurden, lag der der Erziehung durch Arbeit auf die ziehungslagern mit denen im Konzen- prägten die sozialistische Theorie, die Einweisung in diese Lager keine straf- Spitze getrieben und in ihr Gegenteil trationslager durchaus vergleichbar. das Recht auf Arbeit mit der Pflicht zu rechtliche Verurteilung zugrunde. Die verkehrt. Die Konzentrationslager be- Damit widersprach die Praxis auf das arbeiten verband, und die Praxis der ersten Arbeitslager im Rahmen des nutzten nur in den Anfangsjahren die Extremste den vertretenen Erziehungs- sowjetischen Arbeitslager den Straf- Gefängnisses wurden in den 1920er oftmals sinnlose Beschäftigung von ansprüchen. Im Laufe des Krieges ge- vollzug der DDR. Jahren im Emsland errichtet, wo die Gefangenen als Bestrafung, Diszipli- wann die wirtschaftliche Funktion der Häftlinge an der Trockenlegung der nierung und Entwürdigung. Später- Arbeitserziehungslager eine immer Eine besondere Form des Straf- Moore mitarbeiten mussten. Unter hin ging es erklärtermaßen nur noch stärkere Bedeutung für die Mobilisie- vollzugs waren denn auch die bereits den Nationalsozialisten machten ins- um die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft rung der Arbeitsbevölkerung und der in der SBZ in der Nähe von größeren besondere diese Emslandlager von bis hin zu ihrer Vernichtung durch ausländischen Zwangsarbeiter. Betrieben errichteten Haftarbeitslager, sich reden, in denen – wie in Konzen- systematische Überbelastung. In den die meist als Außenkommandos von trationslagern – Schwerstarbeit und ab 1940 unter dem Kommando der Auch in Rüdersdorf bei Berlin gab Strafvollzugsanstalten fungierten. Ihre willkürliche Gewalt an der Tagesord- Geheimen Staatspolizei errichteten es ein Arbeitslager, in dem mehr als ersten Vorläufer finden sich in koloni- nung waren. Arbeitslager entlasteten Arbeitslagern war der Tod der Inhaf- 2 000 Zwangsarbeiter und Kriegsge- alen Lagern in Deutsch-Südwestafri- im Nationalsozialismus nicht nur die tierten nicht eingeplant, wurde jedoch fangene aus 16 Nationen interniert ka. Dort internierten die Deutschen überfüllten Haftanstalten, sondern auch hier billigend in Kauf genommen. waren, die in Steinbrüchen sowie im Anfang des 20. Jahrhunderts aufstän- funktionierten als Ort kollektiver Ohne Gerichtsbeschluss wurden hier Beton- und Zementwerk der PreussAG dische Hereros sowie deren Familien Disziplinierung, wie all die anderen deutsche und ausländische Arbeiter arbeiten mussten. Die sowjetischen in Lagern, um sie unter Kontrolle hal- Lagerformen des Dritten Reiches, in für mindestens 56 Tage eingewiesen, Kriegsgefangenen lebten in einem ten und gleichzeitig ihre Arbeitskraft denen vor allem der Jugend die nati- denen man „Arbeitsbummelei“ oder separaten Lager unter KZ-ähnlichen nutzen zu können, indem man sie als onalsozialistischen Erziehungsideale: missliebige Äußerungen vorwarf. Das Bedingungen und wurden gemein-

12 13 Strafgefangene bei der Arbeit in einem Stollen Apell der Inhaftierten vor ihrem Wohnlager in Häftlinge im Steinbruch Rüdersdorf bei der Arbeit. Aufnahme: 3. September 1949, ADN-ZB/Donath, des Kalkwerks Rüdersdorf. Rüdersdorf. Aufnahme: 3. September 1949, Quelle: Bundesarchiv Aufnahme: 3. September 1949, ADN-ZB/Donath, ADN-ZB/Donath, Quelle: Bundesarchiv Quelle: Bundesarchiv

sam mit französischen und italieni- Kriegsgefangenenlager der Roten Ar- Stalin kam es im Zuge der Zwangskol- lebensstrategie durchaus notwendig schen Internierten für kriegswichtige mee starben 750 Menschen. Wie viele lektivierung und -industrialisierung war. Die physische Vernichtung der Produktionen eingesetzt. Nach den Zwangsarbeiter und unter den Natio- aufgrund einer Reihe von neu erschaf- Gefangenen durch Überlastung war in derzeitigen Erkenntnissen errichtete nalsozialisten inhaftierte Kriegsgefan- fenen Straftatbeständen zu Massenver- den sowjetischen Arbeitslagern nicht die Rote Armee im Mai 1945 im Ze- gene die Lagerhaft nicht überlebten, ist haftungen, so dass die Lager sich füll- eingeplant. Gleichwohl wurde die mentwerk ein Gefangenenlager, das bislang nicht erforscht. ten und alsbald zu einem bedeutenden hohe Todesrate angesichts der schwe- mit Zaun und Wachtürmen gesichert Wirtschaftsfaktor wurden. Später ren Arbeit unter zumeist extremen wurde. Innerhalb dieses Lagers gab An dieser Stelle sei darauf verwie- sorgten die bekannten Säuberungs- Witterungsbedingungen billigend es einen gesonderten Bereich, in dem sen, dass die Haftarbeitslager der DDR wellen für neue Massenverhaftungen in Kauf genommen. Nach dem Tod höhere NSDAP-Kader und ehemalige ihre Vorläufer nicht nur in deutschen, und Deportationen. Die Bezeichnung Stalins verkleinerte sich das Gulag- KZ-Mitarbeiter inhaftiert waren. Ehe- sondern auch in sowjetischen Arbeits- GULag: „Hauptverwaltung der Bes- System und wurde Ende der 60er Jah- malige Soldaten, die unter 17 Jahren lagern hatten. Das erste dieser Art serungsarbeitslager und -kolonien“ re formell aufgelöst. In den weiterhin waren, wurden Mitte Juni 1945 in se- entstand in den 1920er Jahren auf den verweist auch hier auf einen erziehe- bestehenden Arbeitslagern wurden paraten Jugendkompanien gesammelt. Solowezki-Inseln und wurde später rischen Anspruch, der unter Stalin Anreize eingeführt, die die Häftlin- Die insgesamt etwa 30.000 Gefangenen prägend für das berüchtigte Gulag- jedoch schnell ad absurdum geführt ge zu mehr Arbeit motivieren sollten, mussten bis zum Mai 1946 das Ze- System. Die Bolschewiki stützten sich wurde. Die angestrebte Umerziehung wie die Möglichkeit, die Haftzeit bei mentwerk I und II der PreussAG, das dabei nicht zuletzt auf Erfahrungen fand ihren Ausdruck einzig und allein Normerfüllung und -übererfüllung Thyssenwerk und die noch brauch- aus der Zarenzeit, wo politische Geg- in einem zumindest äußerlich weitest- entsprechend zu reduzieren. Dieses baren Maschinen der Adler-Fabriken ner und Strafgefangene in katorga- gehend herrschaftskonformen Ver- „Einarbeiten“ von Hafttagen beispiels- als Teil der Reparationsleistungen an Lagern in Ostrussland inhaftiert und halten der Inhaftierten, das als Über- weise kopierte die DDR in den fünf- die Sowjetunion demontieren. In dem zur Arbeit gezwungen wurden. Unter

14 15 auch die sowjetische Militäradminis- beit dort eigentlich hatte: eine öko- tration im Sommer 1949 die Deutsche nomische, eine erzieherische, eine Justizverwaltung, das Arbeitspotential disziplinierende, eine strafende? Auf der Gefangenen in die Planungen ein- dem Papier diente eine Freiheitsstra- Der Lagerleiter (Mitte) diskutiert mit den Inhaftierten. Aufnahme: 3. September 1949, ADN-ZB/Donath, zubeziehen. Sie sollten nicht mehr an fe in erster Linie der Erziehung, nicht Quelle: Bundesarchiv private Betriebe „verliehen“ werden, der Vergeltung oder gar Rache. Durch sondern für das Gemeinwohl arbeiten. die Arbeit sollten die Gefangenen im Doch das Material war überall knapp Sinne einer Unterordnung unter die ziger Jahren, so wie sie sich auch in Haft- und Arbeitsalltag schaffen, der und der Einsatz von Häftlingen für Gemeinschaft diszipliniert werden manch anderer Hinsicht an den sowje- Selbstachtung und Würde ermög- die Betriebe schlecht planbar. Bedarf und gleichzeitig spüren, dass die Ge- tischen Arbeitslagern orientierte. An- licht. Gefangenenselbstverwaltung, fand sich vor allem da, wo es schwe- sellschaft sie braucht. Allerdings galt sonsten ist jedoch davon auszugehen, freiere Bewegung, weniger Drill, Ar- re körperliche Arbeit zu verteilen gab. dies nicht für politische Gegner des dass die Arbeitslager in der DDR – im beit im Sinne einer Beteiligung am Politische Häftlinge waren in den ers- Systems, die man als Staatsverbrecher Unterschied zu den nationalsozialisti- Wiederaufbau statt als Strafe sind nur ten Jahren von der Arbeit ausgeschlos- bezeichnete und jeder erzieherischen schen Konzentrationslagern und dem einige Stichworte dazu. Viele ähnlich sen, was darauf verweist, dass Arbeit Einflussnahme entzogen glaubte. sowjetischen Gulag-System – Orte ambitionierte Justizbeamte unter- durchaus als Vergünstigung galt, die Auch jene, die zu besserer Einsicht eines mehr oder weniger geregelten stützten den Umbau, die sowjetische man den Politischen nicht zukommen intellektuell nicht fähig seien, waren Haftvollzuges waren, ohne systema- Besatzungsmacht konnte überzeugt lassen wollte. Sehnten sich doch viele nicht gemeint. Alle anderen wollte tische Erschießungen, systematische werden und auch die Direktive Nr. 19 Inhaftierten trotz aller Plackerei, die man durch produktive Arbeit – unter Quälereien und absichtliche systema- des Alliierten Kontrollrates erklär- das bedeutete, nach Arbeit, um auf der wie selbstverständlich immer kör- tische Erniedrigungen. te die Resozialisierung der Gefange- diesem Wege dem Stumpfsinn und perliche Arbeit verstanden wurde – bei nen mittels Arbeit und Bildung zur der Isolation zu entkommen. Später- gleichzeitiger Förderung des Gemein- Nach 1945 versuchten Reformer obersten Prämisse. Im Alltag sprach hin gab es offiziell keine politischen schaftssinns zu Kollektivmenschen der Weimarer Republik, die in der jedoch einiges gegen die hehren Zie- Gefangenen in der DDR, so dass hier umerziehen. Konkret bedeutete das: Justiz- bzw. Strafvollzugsverwaltung le der Reformer. Viele Haftanstalten keine offensichtlichen Unterschiede sich altruistisch der Gemeinschaft un- der SBZ und späteren DDR arbeite- waren schwer zerstört und die Nach- mehr gemacht werden konnten. terzuordnen und seine individuellen ten, an die liberalen Ideen des frü- frage nach Haftarbeitern groß, denn Interessen und Neigungen hinter den hen 20. Jahrhunderts anzuknüpfen. die Reparationsleistungen mussten Blickt man auf den Strafvollzug Bedürfnissen der Gesellschaft – die Sie wollten die Gefangenen erziehen erbracht, der erste Zweijahresplan er- im Allgemeinen, stellt sich die Frage, von der herrschenden Ideologie und und resozialisieren, indem sie einen füllt werden. Darüber hinaus mahnte welche vorrangige Funktion die Ar- ihren Vertretern vorab definiert wor-

16 17 zum persönlichen Bedürfnis gewor- Herrschenden vorgegeben waren. So den sei. Gleiches galt für die Arbeit: sollten sich die Mitglieder einer Ge- Aus dem Zwang zur Arbeit würde meinschaft zum Nutzen aller – der sich die selbstverständlich gewordene erklärtermaßen nur im gemeinsamen Pflicht zur Arbeit und – bei richtiger Aufbau des Staatssozialismus nach pädagogischer Steuerung – die Freude sowjetischem Vorbild liegen konnte an der Arbeit entwickeln. Schließlich – gegenseitig unterstützen, erziehen arbeite im Sozialismus niemand mehr und gegebenenfalls disziplinieren. Der für die Kapitalinteressen Einzelner, Einsatz von Psychologen und Sozial- sondern alle fürs Gemeinwohl, so dass arbeitern im Strafvollzug schien aus Arbeit schon daher keinen Zwangs-, dieser Sicht mehr oder weniger über- sondern höchstens Pflichtcharakter flüssig. haben könne. Arbeit und Erziehung zum Kollektivmenschen waren im Weniger um die gegenseitige Erzie- Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Funktionsgebäude, in dem die Heizungsanlage und die Verkaufsstelle Staatssozialismus untrennbar mitein- hung im Kollektiv als vielmehr um die untergebracht waren, aufgenommen 1996. ander verknüpft. Disziplinierung durch die Staatsmacht Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft ging es allerdings bei der beispiellosen Die Menschen sollten bei der ge- Einrichtung eines Arbeitserziehungs- meinsamen Arbeit erkennen, dass lagers für Jugendliche im November den waren – zurückzustellen. Dieser Schritt ist bis zur Schaffung des „neuen sie der Hilfe anderer wie diese ihrer 1966 in Rüdersdorf bei Berlin. Es be- Kollektivgeist war eine der wesent- Menschen“ gegen jeden Widerstand. Hilfe bedürfen. Eigentlich ein simpler fand sich auf dem Betriebsgelände des lichsten Grundbedingungen für den Ohne Zwang ist das nicht vorstellbar. Gedanke, der sich in jedem menschli- VEB Kalk- und Zementwerk Rüders- angestrebten Erfolg der sozialistischen Das wussten auch die sozialistischen chen Zusammenleben immer wieder dorf in der Ernst-Thälmann-Straße, Gesellschaftsordnung. Wer in der Erziehungstheoretiker und planten von selbst bestätigen dürfte und bis auf einem Areal von etwa 50 mal 70 DDR aufgewachsen ist, hat zumindest ihn mit ein. Sie argumentierten, die zu einem gewissen Grad auch durch Metern, umgeben von einem hohen in den Bildungsinstitutionen und ver- Unterordnung des eigenen Willens die Erfahrung vieler ehemaliger Ar- Bretterzaun und einem Laufgang für mutlich auch sonst am eigenen Leib werde über kurz oder lang nicht mehr beitskollektive gestützt wird. Doch Hunde. Untergebracht waren die In- erfahren, wovon hier die Rede ist. Und als Zwang, sondern als Freude und letztlich ging es nicht um Individuen, sassen in einem einstöckigen Flachbau auch alle anderen verstehen schnell, Glück empfunden, nämlich dann, die einander beistehen, sondern um in mehreren Räumen mit jeweils fünf dass es dann nur noch ein kleiner wenn das Gemeinwohl dem Einzelnen ein Kollektiv, dessen Ziele von den bis acht Doppelstockbetten. Hier soll-

18 19 te Jugendlichen zwischen 14 und 18 sen einer Zeitung oder eines Buches Jahren, die durch „Arbeitsbummelei“ verstanden, sollten den Lageralltag oder „Rowdytum“ aufgefallen waren, bestimmen. 16 Volkspolizisten – vor die Autorität der Staatsmacht mittels allem Mitarbeiter des Strafvollzugs einer kurzfristigen Erziehungsmaß- Rummelsburg – und vier Erzieher be- nahme wieder bewusst gemacht wer- wachten die Jugendlichen. Offensicht- den. Waren sie erst einmal auffällig lich führten vor allem die Polizisten geworden, reichte teilweise schon eine das Lager wie eine Haftanstalt und Missachtung des Verbots, den Weih- hielten anderweitige Erziehungsab- nachtsmarkt in Berlin-Friedrichshain sichten für unnütz. Wie die Berich- zu betreten, um nach Rüdersdorf ein- te von Zeitzeugen veranschaulichen, gewiesen zu werden. Als rechtliche ging die Rechnung, die Jugendlichen Grundlage diente die neue Jugendhil- mittels einer Schocktherapie dazu zu feverordnung vom 3. März 1966, die bewegen, sich angepasst zu verhalten, Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Außenmauer der Haftanstalt, von innen gesehen, aufgenommen 1996. es gestattete, Jugendliche ohne Ver- nicht in jedem Falle auf. Wenn man Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft fahren, zum Teil auf mündliche An- den staatlichen Selbsteinschätzungen weisung von Staatsanwälten, Polizei glaubt, was angesichts der geschilder- oder Jugendhilfe bis zu maximal acht ten Zustände nicht schwer fällt, bleibt fest, dass einige von ihnen weiterhin bemängelt, die Auswahl der Jugend- Wochen einzusperren, wenn im Inte- jedoch festzuhalten, dass von 190 Ju- unregelmäßig oder gar nicht arbeite- lichen sei nicht zielgerichtet genug, resse eines Minderjährigen sofortiges gendlichen, die zwischen Januar und ten und auch der eigene Anspruch, sie die vorhandenen 45 Plätze des Lagers Handeln erforderlich sei. Ein Teil der Oktober 1967 in Rüdersdorf inhaf- in Kollektive zu vermitteln, wo sie un- nie voll ausgelastet und die Maßstäbe eingewiesenen Jugendlichen musste tiert waren, nur 19 erneut straffällig ter ständigem erzieherischen Einfluss der Einweisung allzu uneinheitlich. im Steinbruch des VEB Kalk- und Ze- wurden, obwohl bzw. gerade weil sie stehen, gescheitert war. Manchmal träfe es Jugendliche, bei mentwerk Rüdersdorf arbeiten, wo es nach ihrer Entlassung unter besonders denen es genügt hätte, mit den Eltern auch ein Haftarbeitslager gab. Die jün- strenger Beobachtung standen. So ver- Doch nicht nur diesbezüglich zu reden und manchmal solche, die in geren unter ihnen wurden innerhalb hinderten die Polizei und die Staatssi- gab es hinsichtlich des Arbeitserzie- eine Jugendstrafanstalt gehörten. Au- des Lagers beschäftigt. Eine strenge cherheit ein Treffen ehemaliger „Zög- hungslagers Rüdersdorf bald kritische ßerdem sei bei vielen von ihnen das Ordnung und Disziplin, Arbeit und linge“ auf dem Alexanderplatz, indem Stimmen in den Einschätzungen der soziale Verhalten auf gestörte Famili- geistig-kulturelle Bildung, worunter sie insgesamt 16 von ihnen zuführten Staatssicherheit wie auch aus dem Ver- enverhältnisse und einen relativ nied- die Verantwortlichen schon das Le- und befragten. Außerdem stellten sie waltungsapparat. Zum einen wurde rigen Bildungsstand zurückzuführen,

20 21 worauf man unter den gegebenen Be- habe, die jugendlichen Straftäter nicht Gruppierungen für westliche Propa- sozialismus oder während der stali- dingungen keinerlei erzieherischen mehr getrennt von den anderen Straf- ganda anfällige, potentielle Staats- nistischen Säuberungswellen in der Einfluss nehmen könne. Offensicht- fälligen im Haftarbeitslager Rüders- feinde. Dass sich junge Menschen aus Sowjetunion und späterhin auch in lich trafen auch hier die theoreti- dorf untergebracht seien und keiner den verschiedensten Gründen nicht der frühen DDR – aufgewachsen mit schen Ansprüche und Vorstellungen geregelten Arbeit nachgingen. Damit als Teil der Gemeinschaft fühlen, für Feindbildern und geprägt von tiefem auf eine Realität, die geprägt war von war das endgültige Ende dieses Erzie- die sie arbeiten sollen, weil sie ihre Re- Misstrauen, Gehorsam, Anpassungs- schlecht oder gar nicht ausgebildetem hungsexperiments besiegelt. geln nicht akzeptieren, sich nicht an- bereitschaft und Angst. Sie hatten je- Personal, einer mangelhaften Ausstat- passen wollen oder in ihr keinen Platz der seine eigene Schocktherapie hinter tung und den verschiedenen Interes- Einer der Anlässe dafür, das Lager finden, wie sie schon in ihrer Familie sich. Bei vielen hatte sie tiefe Spuren sen von Volkspolizei, Volksbildung, überhaupt zu errichten, war ein Befehl möglicherweise keinen Platz gefunden hinterlassen, Schuldgefühle und die Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe. Erich Mielkes von 1966. Es war die haben, kam in Mielkes Weltbild nicht Erfahrung, als Einzelner einem Sys- Zwar wurden von niemanden die Er- Zeit der Beat-Musik und der langen vor. Dass ein Einzelner seine eigenen tem gegenüber machtlos und verführ- ziehungsabsichten und angewandten Haare, die in Ost wie West für großen Bedürfnisse in den Vordergrund stellt, bar zu sein. Das, was sie verfluchten Methoden in Frage gestellt, doch gab Unmut unter den Altvorderen und re- sollte und durfte nicht sein. Schließ- und bekämpften, steckte ihnen zum es zumindest auf der Verwaltungsebe- pressive staatliche Maßnahmen sorg- lich ging es für eine Reihe von Funk- Teil selbst allzu tief in den Knochen. ne wie vermutlich auch im Lager selbst ten. Allein das öffentliche Hören des tionären in jeder Minute und bei jeder Ein freies Land war so nicht aufzu- Diskussionen. Sie führten im Falle des West-Berliner Senders RIAS oder der Entscheidung um das große Ganze, bauen. Die alte Bundesrepublik hatte Arbeitserziehungslagers Rüdersdorf Versuch, sich gegen das zwangsweise die Entscheidung für oder gegen das es der Revolte der 68er zu verdanken, dazu, dass es im Oktober 1967, also Abschneiden der Haare zu wehren, System, für oder gegen den Frieden. dass die mittels manischem Wieder- nicht ganz elf Monate nach seiner Ein- reichten in der DDR aus, um krimi- aufbau und Wirtschaftsaufschwung richtung, wieder geschlossen wurde. nalisiert zu werden. Kamen weitere An dieser Stelle hatte sich ein Tun- verdrängte Vergangenheit, zu der auch Zunächst hatte man sich noch dar- Zusammenstöße mit den Gesetzes- nelblick verfestigt, der für die Erzie- hier eine autoritäre Erziehung gehörte, auf einigen können, das Arbeits- und hütern oder Erziehungsberechtigten hung als Staatsdoktrin in wechseln- nicht länger beschwiegen wurde. Die Erziehungslager Rüdersdorf in ein hinzu, waren Einweisungen in Spezi- der Intensität prägend war und blieb. gesellschaftliche Erschütterung, die „Jugendhaus, in dem Haftstrafen voll- alheime oder Jugendwerkhöfe die Fol- Gerade jene, die sich mit Händen und sie auslöste, eröffnete neue Freiräume, streckt werden“, umzuwandeln und ge. Mielke meinte, die Gründe für ju- Füßen gegen eine Wiederholung des nicht zuletzt auch im Strafvollzug. die Jugendlichen mittels eines Eilver- gendliches Aufbegehren in einer „vom Nationalsozialismus wehrten, ver- Dass der Herrschaftsapparat der DDR fahrens dorthin einzuweisen. Alsbald Gegner organisierten Feindtätigkeit“ kannten bis zum Schluss wie sehr ihre eben diese kleinen und großen Revol- wurden jedoch Klagen laut, dass der erkannt zu haben und sah in allen nur eigene Geschichte ihnen im Nacken ten und damit die Infragestellung sei- erzieherische Einfluss nachgelassen erdenklichen Personenkreisen und saß. Sie alle waren – ob im National- ner absoluten Macht jedes Mal bereits

22 23 im Keim erstickte, führte unter ande- worden war: Gewalt als Mittel der rem dazu, dass seine autoritären und Erziehung, der Disziplinierung. Zahl- allmächtigen Erziehungsvorstellungen reiche Berichte aus Haftanstalten wie unangetastet blieben. Wer intensiven Jugendwerkhöfen verweisen darauf, Umgang mit Kindern hat, weiß, wie dass es vielfältige Formen von Schika- stark jeglicher Erziehungsversuch ei- ne und Gewalt – seitens des Personals nen Menschen mit den eigenen Erfah- wie auch unter den Insassen – gab, die rungen konfrontiert. Plötzlich kann wiederum starke Traumatisierungen man allem Wissen, allem guten Willen zur Folge hatten. und allen Vorsätzen zum Trotz nicht anders handeln. Man steht sich selbst Fragt man nach dem allgemeinen beinahe fremd gegenüber, erstaunt Umgang einer Gesellschaft mit denen, und erschrocken über das, was sich da die sich verweigern, revoltieren, deren Bahn bricht, aus dem Innersten zuta- kriminelle Energie groß ist, stößt man ge tritt, wenn es eng wird, wenn man schnell auf die jeweilige Definition von sich provoziert fühlt durch eigensin- Straftätern und die daraus erwach- niges Verhalten, das nicht mehr und senden Konsequenzen. Auch wenn nicht weniger bedeutet als die Infra- die bislang vorliegenden Statistiken Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, vermutlich ehemalige Verkaufsstelle, aufgenommen 1996. gestellung der eigenen Machtposition voneinander abweichen und ohnehin Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft oder zumindest dessen, was für einen nur die quantitative Seite beschrei- selbstverständlich erscheint. Dann ben, lassen sich anhand von Zahlen kann von Glück reden, wer selbst kei- doch bestimmte Dimensionen verge- 16. Straftat derartige Folgen hatte. Der den. An dieser Stelle waren höchstens ne Gewalt erfahren hat und dadurch genwärtigen. Etwa 250.000 politische Verurteilung lag nicht in jedem Falle die Gedanken noch frei, sie auszuspre- mehr als andere davor gefeit ist, selbst Häftlinge gab es in der DDR, zeitweise eine begangene Tat zugrunde, auch chen schon ein unkalkulierbares Risi- gewalttätig zu werden. Dieses Prinzip ein Viertel bis die Hälfte aller Inhaf- potentielle Täter wurden zu mehrjäh- ko. Im Zentrum des Rechtsverständ- der unbewussten Weitergabe eigener tierten. Darüber hinaus hatte die DDR rigen Haftstrafen verurteilt. Unzählige nisses der DDR stand nicht der Schutz Traumatisierungen machte sich ge- ein vergleichsweise rigides Justizsys- hatten ihre Flucht aus der DDR nur des Einzelnen vor dem Staat, sondern rade in den Nachkriegsgesellschaften tem. Immerhin führte hier jede dritte geplant oder gar nur laut in Erwägung seine Mitwirkung an der Gesellschaft bemerkbar, auch wenn in der DDR die Straftat zu einer Haftstrafe, während gezogen. Das reichte schon, um für ein im Sinne des Staates. Die hatten die so Prügelstrafe bereits 1949 abgeschafft in der alten Bundesrepublik nur jede paar Jahre hinter Gittern zu verschwin- genannten Republikflüchtlinge in aller

24 25 schäftigung von Strafgefangenen“ von für einen nicht näher bestimmten 1952 bestand beispielsweise die be- Zeitraum in ein Arbeitserziehungs- reits erwähnte Möglichkeit, für zwei kommando, die mit einigen wenigen Arbeitstage drei Hafttage als verbüßt Vergünstigungen ähnlich wie die anrechnen zu lassen. Die volkswirt- Haftarbeitslager funktionierten, ein- schaftliche Bedeutung der Gefange- gewiesen werden. Zur Regelarbeitszeit nenarbeit führte in den 1950er Jahren von wöchentlich 60 Stunden kam für dazu, dass sie Teil der Planerstellung die Arbeitspflichtigen allerdings nicht wurde und die Zahl der an bestimmte selten noch unentgeltliche Arbeit nach Betriebe gebundenen Haftarbeitslager „Feierabend“ hinzu. Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Zellenspion, aufgenommen 1996. wuchs. Spätestens ab 1956 arbeitete ei- Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft gentlich jeder Häftling, also auch der Ob diese Maßnahmen der Ar- politische, unabhängig davon, ob er beitserziehung, die als gesonderte seine Strafe in einem Arbeitslager, was Strafart erst 1977 wieder gestrichen Deutlichkeit aufgekündigt. Gleiches der Strafvollzug „auf dem Gedanken gemeinhin als Vergünstigung galt, wurde, eher der Absicherung des wurde auch den politisch aktiven Op- der Erziehung der Besserungsfähigen oder einer anderen Hafteinrichtung Mauerbaus oder der restlosen Mo- positionellen unterstellt, obwohl häu- durch gemeinsame produktive Arbeit“ verbüßte. Das in der Verfassung for- bilisierung und Disziplinierung der fig gerade sie es waren, die die Gesell- beruhen solle. Wie bereits erwähnt, mulierte Ziel einer Erziehung durch im Land verbliebenen arbeitsfähigen schaft, in der sie lebten, um jeden Preis gehörten die politischen Gefange- Arbeit geriet den Verantwortlichen Bevölkerung dienen sollten, ist strit- mitgestalten wollten. nen zu den Staatsverbrechern, denen völlig aus dem Blick. Vielmehr drehte tig. Bemerkenswert ist in diesem Zu- man jeden Willen zur „Besserung“ sich alles um die ökonomischen Not- sammenhang auf jeden Fall, dass ein Viele von ihnen saßen oder bes- absprach und somit in den ersten Jah- wendigkeiten, die Arbeitsleistung der ähnlicher Paragraph zur gleichen Zeit ser gesagt arbeiteten ihre Haftzeit ren auch die Arbeit verweigerte. Hier Häftlinge und die Durchsetzung von in der Sow­jetunion in Kraft trat und in einem Haftarbeitslager ab. Einen griff also eher das Prinzip der Nicht- Disziplin und Ordnung. Walter Ulbricht im Vorfeld des Mau- rechtlichen Rückhalt hatten die Ar- Arbeit als Strafe wie es auch aus der erbaus zu Nikita Chruschtschow sag- beitslager in der DDR nicht zuletzt in alten Bundesrepublik als Berufsver- Ab 1961 konnten aufgrund der te: „Allerdings haben wir kein Sibiri- Artikel 137 der Verfassung von 1949, bot für Kommunisten bekannt ist. Im „Verordnung über Aufenthaltsbe- en. Da müssen solche Leute eben ins in dem das Prinzip der Erziehung Laufe der Jahre wurde der Artikel 137 schränkung“, die am 24. August, also Arbeitslager geschickt werden.“ Statt durch Arbeit ausdrücklich festge- durch weitere Verordnungen ergänzt. genau elf Tage nach dem Mauerbau in der Erziehung durch Arbeit ging es schrieben und bestimmt wurde, dass Nach der „Verordnung über die Be- Kraft trat, so genannte Arbeitsscheue bei bestimmten Personengruppen nun

26 27 vor allem um eine Erziehung zur Ar- tungen gegeben war, nicht unbedingt beit, womit sich gleichwohl dieselben nötig schien. Außerdem mussten sie Disziplinierungsabsichten verbanden. vom Vertragsarzt als „haftarbeits- Die Staatssicherheit jedenfalls nutzte lagerfähig“ eingestuft worden sein. die Verordnung explizit auch zur Ver- Wegen „staatsfeindlicher“ Delikte folgung politisch missliebiger Personen. verurteilte Häftlinge wurden zumeist nicht in Arbeitslager eingewiesen, um Anfang der 60er Jahre stand die sie von der Öffentlichkeit möglichst einseitige Ausrichtung der Haftarbeit fernzuhalten. Doch auch hier sorgten an ökonomischen Notwendigkeiten die ökonomischen Interessen und der zur kritischen Disposition. Daraufhin besonders nach einer Amnestie im- benannte das Ministerium des Innern mer wieder zu bewältigende Arbeits- die Haftarbeitslager 1963 in Strafvoll- kräftemangel für unvorhergesehene zugskommandos um und reduzier- Ausweitungen der Regelungen. Spä- Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Häftlingszeichnung im Gang, aufgenommen 1996. te ihre Anzahl. Für die betroffenen testens ab den 1970er Jahren wurden Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft Häftlinge bedeutete das allerdings nur 80 Prozent aller Gefangenen als Haft- einen Wechsel ihres Einsatzortes, der arbeiter in verschiedensten Industrie- hernach zumeist sogar in einem öko- zweigen zentral eingeplant. Die übri- Warteliste standen und bei Bedarf in- vollen Lohn an die Verwaltung Straf- nomisch bedeutsameren Betrieb lag. gen 20 Prozent setzte man dort ein, wo haftiert werden konnten. Ob es nicht vollzug. Dieser wurde allerdings nur Ohnehin stellt sich die Frage, worin der gerade Not am Mann war. Auf meine dennoch zu bestimmten Zeiten auch zu einem geringen Teil, deklariert als eigentliche Unterschied zwischen ei- Frage, wie denn beispielsweise nach zu einer „Produktion“ von Straftätern „Arbeitsbelohnung“, an die Häftlinge nem Haftarbeitslager und einer ande- einer Amnestie die Häftlingszahlen so und potentiellen Haftarbeitern kam, ausgezahlt. Etwa 75 Prozent davon ren Strafvollzugseinrichtung bestand? schnell wieder den Stand des Vorjah- ist schwierig zu beantworten. wurden verwendet, um damit die Kos- In den Arbeitslagern waren vornehm- res erreichen und die brachliegende ten des Strafvollzugs abzudecken. Die lich Häftlinge zu finden, die zu einer Arbeit in den Betrieben abgesichert Grundsätzlich arbeiteten die Haft- übrigen maximal 25 Prozent standen Strafe von maximal fünf Jahren verur- werden konnte, verwies ein ehemali- arbeiter unter den gleichen Bedin- dem Strafgefangenen zu, wovon mehr teilt worden waren bzw. nur noch eine ger Mitarbeiter des Strafvollzugs da- gungen und zum gleichen Lohn wie als die Hälfte für Unterhaltszahlungen Reststrafe absitzen mussten und bei rauf, dass es aufgrund der ständigen die übrigen Betriebsangehörigen, das bzw. als Unterstützung für die Familie denen eine sichere Verwahrung, wie Überbelegung der Haftanstalten viele heißt, die Betriebe zahlten für die bei aufgewendet und somit nur eine ge- sie in den festen Strafvollzugseinrich- Verurteilte gab, die sozusagen auf der ihnen eingesetzten Haftarbeiter den ringe Summe direkt ausgezahlt wurde.

28 29 Die prozentuale Aufteilung schwankte Neubauten für die Angestellten der tung. Im Laufe der Jahre gab es einige bei eventuellen Vorfällen in Kollek- im Laufe der Jahre, was jedoch nichts Strafvollzugseinrichtung an der Brü- Arbeitsunfälle, die tödlich endeten, tivhaftung genommen wurden. Auch daran ändert, dass den Strafgefange- ckenstraße in Rüdersdorf zu errichten. wenn es beispielsweise aufgrund der sie mussten sich am sozialistischen nen nur ein sehr geringer Betrag zur Im Zementwerk arbeiteten die Häft- hohen Feuchtigkeit zu Stromschlägen Wettbewerb beteiligen. Verweigerten direkten persönlichen Verwendung linge acht Stunden täglich im Drei- kam. Standen besonders gefährliche einzelne Häftlinge die Arbeit, wurden bzw. nach der Entlassung als Rücklage schichtsystem, bewacht von ein oder oder schwere Arbeiten an, wurden sie vom Betrieb in das Haftlager zu- zur Verfügung stand. zwei Polizisten. In der Nachtschicht die Häftlinge mit Vergünstigungen rückgeschickt und mussten dort Flure gab es gelegentliche Kontrollgänge. gelockt. Geld, Pakete außerhalb der reinigen oder ähnliche Arbeiten erle- Auch wenn die Geschichte der Die Arbeitsbedingungen der Häftlin- Reihe oder auch die Möglichkeit, beim digen. Ein ehemaliger Häftling ver- Haftarbeitslager in Rüdersdorf bis- ge unterschieden sich kaum von denen Skat-Turnier mitzumachen, dien- wies darauf, dass gelegentlich Soldaten her nur rudimentär erforscht ist, soll der zivilen Angestellten. Die Betriebe ten als Anreize zu besonderem Ar- des nahe gelegenen Waldlagers der So- sie hier nicht gänzlich übergangen waren in erster Linie an der Planerfül- beitseinsatz im Betrieb – aber auch, wjetarmee, die dort unter menschen- werden. Nachdem die Kriegsgefange- lung interessiert und freuten sich über wenn es galt, ungeliebte Aufgaben im unwürdigen Bedingungen lebten, ein- nen und politischen Häftlinge in der den auffällig geringen Krankenstand Haftlager zu übernehmen. Dieselben gesetzt wurden, wenn im Zementwerk Nachkriegszeit das Zementwerk II der unter den Häftlingen. Offensichtlich Mittel konnten genauso zur Diszip- mal wieder eine Fließrinne geplatzt PreussAG auf Geheiß der sowjetischen war das Verbleiben im Haftarbeits- linierung und Bestrafung verwandt war und dadurch Dreckarbeiten wie Militäradministration so gut wie voll- lager keine verlockende Alternative werden. Ein ehemaliger Häftling er- das Wegschippen von Kalksteinmehl ständig demontiert hatten, errichtete zur Arbeit und die Befürchtung, in zählte von einer Wandzeitung über anstanden. Viel Kontakt zwischen den die DDR dort ein Haftarbeitslager. eine andere Strafvollzugseinrich- Kirchen aus aller Welt, die er gestal- zivilen und den Haftarbeitern gab es Es lag in direkter Nachbarschaft zum tung zurückverlegt zu werden, groß. tet hatte – offensichtlich zum Ärger- nicht und sollte es nicht geben. Die „VEB Kalk-, Zement- und Betonwerke Der Betrieb forderte die Haftarbeiter nis der Strafvollzugsbeamten. Fortan Gefangenen arbeiteten als Brigade Rüdersdorf“, der nach der Enteignung beim Ministerium des Innern an und war er kein Brigadier mehr und durfte unter Anleitung eines Meisters und der PreussAG neu gegründet worden bezahlte für sie die entsprechend ih- nicht mehr fernsehen, was für einen hatten ansonsten nur selten Gelegen- war und sich zum größten baustoff- res Einsatzes gültigen Tariflöhne ein- eingefleischten Fußballfan wie ihn heit zum Austausch mit den Zivilbe- produzierenden Betrieb der DDR ent- schließlich Zuschläge für Nacht- oder eine echte Strafe war. Über solche Art schäftigten. Ein ehemaliger Mitarbei- wickelte. Hier arbeiteten täglich etwa Sonntagsarbeit. Im Zementwerk wur- Schikanen hinaus setzte man auf die ter der Personalabteilung berichtete, 400 der Strafgefangenen, die anderen den zum Teil ganze Produktionsstre- gegenseitige Erziehung bzw. Diszipli- dass er gelegentlich zu Arbeitsschutz- wurden in der Umgebung oder in Ber- cken durch Strafgefangene am Laufen nierung der Häftlinge untereinander, belehrungen in die Abteilungen gehen lin eingesetzt. So waren beispielswei- gehalten. Die Arbeit hier war hart, vor die zu diesem Zweck in Arbeitskom- musste, in denen die Gefangenen ar- se auch Häftlinge daran beteiligt, die allem wegen der hohen Staubbelas- mandos bzw. Brigaden eingeteilt und beiteten und dafür auf seinem Dienst-

30 31 fangene im Arbeitslager Rüdersdorf inhaftiert waren, wollte die Werkslei- tung die Haftanstalt schließen. Nicht weil sie die Produktion nicht länger mit Haftarbeitern aufrechterhalten wollte, sondern weil die gesamte Haft- Modell der arbeitenden Häftlinge im Abbaubereich Alvenslebenbruch, gefertigt von Ronald Rothe Detail des Modells.Die Arbeiter sind im Original anstalt auf Sand gebaut war, auf Kalk- als Häftlinge mit einem grünen Streifen auf der stein nämlich, der nun abgebaggert Kleidung gekennzeichnet. werden sollte. Das Ministerium des Innern der DDR hatte sich zwar sei- nerzeit alle Mühe gegeben, den Grund ausweis einen Stempel hatte, der ihn zu ihm in die Mischerei kam, um sich los eine untypische Biografie für einen und Boden offiziell zu erwerben, aber berechtigte, die Absperrungen zu pas- neue Proben zu holen. Als das Liebes- ehemaligen Häftling. Dennoch sollte der damalige Betriebsleiter − ein alter sieren. Als er 1989 aus der SED austrat, verhältnis der beiden bekannt wurde, die Diskussion über Disziplinierung Bergmann − hatte dies immer wieder wurde der Stempel umgehend für un- setzte die Staatssicherheit den Mann durch Arbeit und deren Zwangscha- zu verhindern gewusst. So musste das gültig erklärt. Eine weitere Anekdote unter Druck und forderte ihn zu Spit- rakter im Strafvollzug der DDR solche Justizministerium schließlich klein sei hier wiedergegeben, die darauf ver- zeldiensten auf, die er deutlich ablehn- Berichte nicht außer Acht lassen, um beigeben und die Haftanstalt räumen. weist, dass der Einsatz als Haftarbeiter te. Daraufhin verlegte man ihn für die keine vorschnell verallgemeinernden 1995 wurden alle Gebäude abgerissen in einem zivilen Betrieb in den meis- verbleibenden Monate seiner Haft- Schlüsse zu ziehen, denen selbst ein so wie auch weite Teile des ehemaligen ten Fällen größere Freiheiten mit sich zeit nach Fürstenwalde. Nach seiner Teil der Betroffenen nicht folgen kann. Zementwerkes der Abrissbirne zum brachte als die Haft in festen Strafvoll- Hochzeit suchte er Arbeit im Tagebau Opfer fielen. Heute betreibt die Cemex zugseinrichtungen. Ein junger Mann, Rüdersdorf, doch der dortige Betriebs- Auch der Schließung der Strafvoll- GmbH eines der modernsten Zement- der in den 1960er Jahren für zweiein- leiter wollte keinen ehemaligen Häft- zugseinrichtung Rüdersdorf, wie das werke der Welt in Rüdersdorf. An das halb Jahre inhaftiert wurde, weil er ling einstellen. So wurde er Maschi- ehemalige Haftarbeitslager ab 1975 ehemalige Haftarbeitslager erinnert eine Flucht in den Westen statt der nist im Kalk- und Zementwerk, ging offiziell hieß, liegt eine erzählenswerte nichts mehr, außer das steinerne Mo- begonnenen Offizierslaufbahn in Er- gemeinsam mit seiner Frau, die nach kleine Geschichte zugrunde. Nachdem dell des ehemaligen Häftlings Ronald wägung gezogen hatte, lernte während wie vor dort arbeitete, zum Fernstudi- das Zementwerk von der Treuhand Rothe, das im Museumspark ausge- der Nachtschicht seine spätere Ehefrau um als Chemieingenieur und arbeitete 1990 an die Readymix AG verkauft stellt ist. Dieses kleine Kunstwerk kennen, die als Werkstoffprüferin im schließlich in der Betriebsgewerk- worden war und aufgrund einer um- entstand nach 1990 als persönliche Zementwerk arbeitete und stündlich schaftsleitung des Betriebes. Zweifel- fassenden Amnestie nur noch 40 Ge- Auseinandersetzung mit seiner Haft

32 33 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

und Arbeit im Kalkbergwerk Rüders- ander, die Anerkennung – und sei sie in Ruhe gelassen werden wollte oder eine Erbschaft, die schwer zu überwin- dorf in den 1950er Jahren. Aus der Be- materieller Art – schmerzlich zu ver- schon aufgewachsen war mit dem Ge- den ist. Möglicherweise haben weniger schriftung des Modells: „Rüdersdorf. missen, wenn einem der Arbeitsplatz fühl, immer nach anderer Leute Pfeife die schwere Arbeit als vielmehr erlitte- Alvenslebenbruch II. Sommer 1952“ genommen bzw. die Arbeit verweigert tanzen zu müssen. ne Willkür, Schikanen und Drangsa- geht leider weder etwas über den Hin- wird. Die Vermutung, dass auch die lierungen zu den Traumatisierungen tergrund seiner Entstehung noch über politischen Häftlinge nicht gerne un- Der erzieherische Anspruch geführt, unter denen viele heute noch den Künstler und die dargestellten tätig geblieben wären, liegt nahe. Die scheint vor allem in der Theorie be- leiden. Haftarbeiter hervor. Frage, ob sie als Teil der Bestrafung standen zu haben, aber selten in der zu besonders gesundheitsgefährden- Praxis. Dort wurde er gewöhnlich Doch der Kalksteinabbau hat in der und harter Arbeit herangezogen von den ökonomischen Notwendig- Rüdersdorf seine unübersehbaren wurden, muss dennoch gestellt, disku- keiten beiseite geschoben, wenn nicht Spuren hinterlassen. Mit der Auswei- tiert und in aller Öffentlichkeit beant- gar in sein Gegenteil verkehrt. Sollte tung des Zementwerks wie des Ta- wortet werden. Doch wird man nicht und kann man überhaupt von Erzie- gebaus verlor der Ort in den 1970er umhin kommen, nach Zeit und Ort hung sprechen, wo es eigentlich um Jahren sein Zentrum. Ein hoher Preis, zu differenzieren. In der Rüdersdorfer Disziplinierung geht? In der Begrün- den die Rüdersdorfer für die ungehin- Festschrift ist von gleichen Arbeitsbe- dung der Rehabilitierung ehemaliger derte Produktion weiterer Baustoffe dingungen für die zivilen Beschäftig- Insassen des Arbeitserziehungslagers und die Arbeit, von der viele lebten, zu ten und die Strafgefangenen die Rede. Rüdersdorf heißt es: „Für undiszipli- zahlen hatten. Nach 1990 verloren die Verschiedene ehemalige Häftlinge niertes Verhalten wurden die Jugend- meisten von ihnen ihren Job. Nur gut, haben darauf hingewiesen, dass die lichen in ein Zimmer gebracht, wel- dass nun trotzdem essen durfte, auch Haftarbeitslager, in denen sie gesessen ches einschließlich der Fensterläden wer nicht mehr arbeitete. haben, gemessen an anderen Straf- verschlossen wurde. Dann wurde zur vollzugseinrichtungen vergleichswei- Verrichtung der Notdurft ein Kübel in An denjenigen, die unfreiwillig se human waren. Andere fühlen sich das Zimmer gestellt, da die Insassen ohne Arbeit sind, zeigt sich der Dop- schamlos ausgebeutet. Und es wäre nicht auf die Toilette durften. Insoweit pelcharakter von Erwerbsarbeit, um auch nicht verwunderlich, wenn je- diente der Raum nicht der Erziehung, die es hier ja ausschließlich geht, am mand für eben jenen Staat, der ihm sondern der Erniedrigung.“ Nicht nur deutlichsten. Man muss kein begeis- die Freiheit genommen hatte, keinen im Arbeitserziehungslager Rüdersdorf terter Arbeiter gewesen sein, um die Finger rühren wollte – vielleicht auch galten Erziehung und Erniedrigung Struktur im Tag, das soziale Mitein- für niemanden sonst, weil er einfach als zwei Seiten derselben Medaille −

34 35 „750 Jahre Kalksteinbergbau in Rüdersdorf“ 2004, Hrsg. Rüdersdorfer Zement GmbH

36 37 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist.“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

Mein Vater wurde am 16. September dann kommst du nicht so glimpflich 1889 in Berlin geboren und war im davon!“ I. Weltkrieg Soldat von 1914 bis 1918. Otto Schmidt, 1950 Strafgefangene in Rüdersdorf auf Otto Schmidt mit Frau und Die Eltern meines Vaters hatten in Ein Polizist – ein ehemaliger dem Weg zum Arbeitseinsatz Tocher Ilse, vor 1945 Berlin in der Königsstraße ein großes Deutschnationaler – hat dann meinem Südfrüchtegeschäft.1 Vater den Rat gegeben: „Schmidt, mach, dass du aus Buch raus kommst! festgenommen. Er hat noch gesagt, er Stullen mehr gekriegt und die mit Das Geschäft war Hoflieferant Zieh nach Berlin, Berlin ist groß, da sei kein Faschist, kein Nazi, sondern meinem Vater geteilt. beim Kaiser. Damit waren die Eltern kennt dich keiner.“ Kommunist, worauf die Russen nur meines Vaters in seinen Augen Kapita- sagten: „Kommunist, Kommunist. Vielleicht hat mein Vater nur des- listen und das hat er abgelehnt und ist 1945 wurde mein Vater zum Heute sind sie alle Kommunisten.“ halb überlebt. Er hat erzählt, dass die 1919 in die KPD eingetreten. Volkssturm eingezogen. Seine Einheit Dann haben sie ihn mitgenommen, Männer einfach umfielen, verhungert war am Berliner Schloss, um dort zu mit vielen, vielen anderen Männern und krank, weil sie im Freien gelebt Meine Mutter hat meinen Vater kämpfen. Einmal noch kam er in den und sind nach Rüdersdorf marschiert. haben. in Berlin kennengelernt. Sie kam aus Weinbergsweg zu meiner Mutter. Er Halbtot kamen sie dort an, In Rüders- Polen, eine Deutsche aus Bromberg. hat sich von uns verabschiedet. dorf hat er schließlich über ein Jahr Mein Vater kam als totkranker Auch sie war eine überzeugte Kom- zugebracht. Mann zurück. Er blieb trotzdem sei- munistin. Dann haben wir nichts mehr von ner Gesinnung treu und ist in die SED ihm gehört, bis er am Ende des Som- Im Lager in Rüdersdorf traf er sei- eingetreten. Am 23. Februar 1951 ist er 1933 haben junge SA-Leute bei mers 1946 bei meiner Mutter vor der nen alten Freund Otto Zelcke wieder. gestorben. Nacht und Nebel meinen Vater aus Tür stand. Er war bei den Russen in Zelcke war Frisör und hatte in der El- unserer Wohnung in Buch geholt und Gefangenschaft geraten und ins Lager sässer Straße sein Geschäft.2 Die Diagnose war Lungen-, Leber- ihn auf dem Hof an die Wand gestellt. nach Rüdersdorf gekommen. Am 2. und Gehirnkrebs. Er war nur noch Meine Mutter hat wahnsinnig ge­schrien. oder 3. Mai 1945 ging er die Fried- Otto Zelcke war auch einfach von eine Handvoll Mensch, mehr war In der Nähe arbeitende Bahnarbeiter richstraße entlang von der Straße der Straße weggeholt worden. Da er nicht mehr übrig von ihm. haben ihre Schreie gehört und gebrüllt, Unter den Linden. Er wollte weiter in Frisör war, hatte er in Rüdersdorf sie sollen ihn in Ruhe lassen. Die SA- die Elsässer Straße zum Rosenthaler Arbeit: Er musste Gefangenen eine Leute haben daraufhin von meinem Platz und zum Weinbergsweg zu mei- Glatze schneiden, wegen der Läuse- Vater abgelassen und nur noch gesagt: ner Mutter, aber an der U-Bahn Ora- gefahr. Und er bekam deshalb eine „Schmidt, wir kommen wieder und nienburger Tor haben die Russen ihn bessere Versorgung. Er hat ein paar

38 1 nachweislich siehe Berliner Adressbuch von 1910, S. 119, Spalte 3, 2 nachweislich siehe Berliner Adressbuch von 1943, II. Teil, S. 216, Spalte 2, s. Anm.1 39 Adolf Schmidt http://adressbuch.zlb.de „Es ging um Rainer Buchwald, Jg. 1950, 1967 für acht Wochen als „Zögling“ im „Objekt Rüdersdorf“/ die Schockwirkung.“ Jugendarbeits- und -erziehungslager

Ich bin 1950 in Berlin-Friedrichs hain worden. In dem Waschraum musste Die meisten von uns waren in Rüders- Wir mussten im Tiefb au Gleise verle- geboren und bei meinen Großeltern mich ausziehen und dann wurden die dorf, weil wir auf dem Weihnachts- gen, also rausreißen, Schwellen weg- aufgewachsen. Haare geschnitten, eine Glatze. In der markt gewesen waren oder weil wir packen, Schotter schütten. In der Mit- Eff ektenkammer musste ich meine Sa- mit unseren Koff erradios Westmusik tagspause wurde dann in einem Kübel Von 1962 bis 1965 war ich im Kin- chen abgeben und habe eine Uniform gehört hatten. Essen gebracht. Zum Feierabend ka- derheim Sigrön, weil mein Opa zu bekommen. Das war eine alte Armee- men wir wieder ins Lager und so war laut den Rundfunk RIAS gehört hatte. kleidung. Einige waren auch da, weil sie sich der Rhythmus jeden Tag. 1967 war ich Lehrling und wurde von geprügelt hatten. Das wurde gleich als meinem Lehrmeister geworben, als Ich wurde in einen Raum gesperrt Körperverletzung hingestellt. Keiner von uns wusste, wie lange IM zu spitzeln. Von dieser Werbung und musste die Hausordnung und die er in Rüdersdorf bleiben musste, das und meiner Weigerung erzählte ich in Dienstgrade lernen, damit man jeden Wir haben keinen Fernseher ge- wurde uns nicht gesagt. Dienstags war meiner Klasse. Das war der Grund für richtig ansprechen konnte. Wenn wir habt und keine Schachspiele. Das Toi- immer Entlassung und jeder hofft e, meine Inhaft ierung. raustreten wollten, mussten wir zum lettenpapier bestand aus Zeitungen, am nächsten Dienstag dabei zu sein. Hauptwachtmeister sagen: „Zögling die wir zerschneiden mussten. Mein Aufenthalt dauerte acht Wo- Ich wurde um halb sechs Uhr früh Buchwald bittet, raustreten zu dürfen chen. morgens aus dem Bett geholt und in oder anmelden und abmelden, vorbei- In der Nacht stand ein Kübel in der Handschellen und Knebelkette zur treten zu dürfen.“ Ecke für die Notdurft von 12 Leuten. Meine Mutter wusste in den acht Polizeiwache gebracht. Von da kam Wochen nicht, wo ich bin. Sie hat es ich ins Durchgangsheim nach Alt- Das „Objekt Rüdersdorf“ war eine Abends um acht wurden die Fens- erst erfahren, nachdem ich entlassen Stralau. Von Alt-Stralau wurde ich große Baracke mit vier Zellen hinter- terläden zugeschlossen und es hieß worden war. dann mit einem LKW nach Rüders- einander. Jede Zelle war mit 12 Leuten Nachtruhe. Frühmorgens mussten wir dorf gebracht. belegt. Diejenigen, bei denen die Ge- um halb sechs wieder aufstehen. Dann Bei der Entlassung mussten wir fahr bestand, dass sie abhauen wür- Frühsport, unter der Bewachung mit eine Erklärung unterschreiben, in der Ich wurde vom LKW geschubst den, durft en nicht außerhalb des La- Maschinenpistolen. Dann ging es zum wir uns verpfl ichteten, über in und bekam eine Maschinenpistole in gers arbeiten. Sie mussten auf dem Hof Frühstücken, Zimmer in Ordnung Rüdersdorf zu schweigen. den Rücken gedrückt, die entsichert Steine zu Schotter zerschlagen unter bringen, Betten ganz genau auf Kante wurde. Das Geräusch habe ich gehört der Bewachung mit Hunden und Ma- machen, Stube saubermachen und Mit dem Aufenthalt in Rüdersdorf und wusste in dem Moment: „Jetzt schinenpistolen. raustreten zur Arbeit. war man gezeichnet. Wenn man sich bleibst du ganz still stehen.“ Ich bin die Gesetze der DDR durchgelesen dann in die Baracke hereingeführt hat und die entsprechenden Durch-

40 41 führungsbestimmungen, dann konnte Rüdersdorf gab es schon immer Ze- man das fi nden: Wer einmal im Ar- ment und Arbeitslager gehörten dazu. beitslager war, kann jederzeit wieder Diese Lager gab es bereits bei den Na- ins Arbeitslager gesperrt werden. tionalsozialisten. Nicht nur die Betrie- be haben davon profi tiert, sondern die Eigentlich sollte dieses Lager nur ganzen Gemeinden. als Schockwirkung dienen, aber die Staatssicherheit und die Jugendhilfe haben zusätzlich noch etwas anderes daraus gemacht. ehemaliges Zementwerk Rüdersdorf, Foto: Peter Grimm 2006

Wir wurden seit unserem Aufent- halt bei der Abteilung IX der Staats- sicherheit1 vermerkt und wir sind im- mer wieder observiert worden.

Als wir “Rüdersdorfer“ uns im April 1967 auf dem Alex treff en woll- ten, wurden wir alle schon vorher ab- gefangen und zum Polizeipräsidium gebracht.2 Dort wurden wir nachein- ander in Zeitabständen von etwa einer halben Stunde entlassen.

Ich habe Angst davor, dass man die Arbeitserziehungslager verschweigt. Wir können nur aus Fehlern lernen und wenn man etwas verschweigt, dann besteht die Gefahr, dass wir wie- der in dieselben Fehler verfallen. In Märkische Oderzeitung, 12. Oktober 2000

42 1 die Abt. IX war das Untersuchungsorgan des MfS 43 2 BStU, MfS, BV Berlin, AKG 419, Bl. 212,213 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

Einzelinformation über „Zöglinge“ des Lagers Rüdersdorf, BStU, MfS, BV Berlin, AKG 419, S. 212/213

44 45 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

Rehabilitierungsbeschluss von Rainer Buchwald vom 11. November 2008, Quelle: Privatarchiv Rainer Buchwald

46 47 „Alle die in diesem Lager Clemens Lindenau, Jg. 1949, im März 1967 als „Zögling“ im „Objekt Rüdersdorf“/ gewesen sind, waren für Jugendarbeits- und -erziehungslager den Sozialismus verloren.“

Ich bin am 3. April 1949 in Sömmerda Dann kam das Jahr 1966 mit Verbots- „Zögling Lindenau meldet sich zur in Empfang zu nehmen. Ich bin schon in Th üringen geboren und im dritten aufl agen und Ausweisentziehung. Das Stelle“. Nach dieser Meldung wurde von alleine trocken geworden vor Lebensjahr nach Berlin gekommen. hieß Verbot, auf den Weihnachtsmarkt ich in den Eingangsbereich hineinge- Wut. Dann wurde ich in eine Zelle für zu gehen; Verbot, die Karl-Marx-Allee scheucht. Zuerst ging es in eine leere 16 Personen geführt. Meine Mutter ist in die Partei ein- zu betreten und das Berliner Zentrum Zelle mit Hocker und Haarschnei- getreten, damit sie nach Berlin ziehen verbunden mit strengen Arbeitsaufl a- demaschine. Mein Idol – die langen Morgens um fünf Uhr wurden wir durft e.1 gen. Haare – wurden radikal und rabiat bis geweckt. Dann kam das Zähneputzen auf die Kopfh aut geschoren. Daneben mit Zahnstein und Frühstück aus tro- Obwohl sie in der Partei war, hat Im März 1967 hörte ich ein schwe- stand ein Allesbrennerofen, der voll ckenem Brot mit Marmelade und Tee. sie uns nach der Schule in einen Hort res Poltern an der Wohnungstür. Ich in Flamme war. Mir wurde befohlen, geschickt, der evangelisch war. hatte mit meinem Freund zusammen mit einem Handfeger und einer Müll- Nach der Zählung in der Zelle über das Jugendamt eine Wohnung schaufel meine Haare zusammenzufe- mussten wir raustreten zum Früh- Vorher hatte sie in bei der bekommen. Er war schon 18 und ich gen und in den Ofen zu schmeißen. sport, dann wieder eintreten, Ar- Kasernierten Volkspolizei gearbeitet. war fast 18 Jahre alt. beitsklamotten anziehen, Revier auf Über die KVP ist sie wahrscheinlich Danach wurde ich in einer sport- Vordermann bringen, raus auf den zum FDGB gekommen und hat dort Zwei Polizisten und zwei Zivile lichen Ordnungsübung gezwungen, Zählplatz, nochmal eine Zählung vor bis zur Rente gearbeitet, bis zum Mau- durchsuchten unsere Wohnung. Ich bis zur Kleiderkammer zu robben, die der Baracke und schließlich wurden erfall. wurde aus dem Bett gezogen, musste am Ende des Flurs war. Dort musste die einzelnen Zellen aufgeteilt, in wel- mich anziehen und sollte mitkommen. ich alle meine Sachen ausziehen und chem Zementwerk sie arbeiten sollten. Ich bin aus der Schule und aus der „Wohin?“ fragte ich. Ich bekam keine nackt wieder zurück robben bis zur Unsere Truppe wurde im Steinbruch Lehre rausgefl ogen – ich war politisch Antwort. Die Tour ging quer durch Mitte der Baracke, zum sogenannten eingesetzt, das heißt, wir mussten den untragbar. Berlin zum Teil im geschlossenen Waschraum. ganzen Tag unten in der Grube mit Fahrzeug. Am Nachmittag bin ich in einem 20-Pfund-Hammer Kalksteine Ich war weder bei den Jungpionie- einem Objekt gelandet, wo ich immer Im Waschraum wurde ich mit dem klopfen. ren noch bei den Th älmannpionieren noch nicht wusste, wo ich bin und was Kaltwasserschlauch abgeduscht, zum und auch nicht in der FDJ und dem das ist. An einem großen Holzlattentor sogenannten Frischmachen. In dem FDGB. wurde dann zweimal geklingelt. Das frierenden Zustand – es war März Tor öff nete sich und mir wurde befoh- und draußen noch Frost – ging es len, im Laufschritt zu der off enen Tür robbend ohne abzutrocknen zurück der Baracke zu rennen. zur Kleiderkammer, um die Sachen

48 1 Um nach Berlin ziehen zu dürfen, brauchte man eine Zuzugsgenehmigung. 49 61. MfS-Bericht über „Negative jugendliche Gruppierungen“, April 1967, BStU, Archiv der Zentralstelle, MfS, HA XX, Nr. 6166, S. 260/261

50 51 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

Clemens Lindenau als Jugendlicher Auszug aus einer BStU-Akte, Privatarchiv Lindenau Freizeit gab es nicht. Freizeit wurde Nach ungefähr zwei, drei Wochen für militärischen Drill genutzt, für im Steinbruch ist ein Unfall passiert. Ordnungsübungen, für politische Unter unklaren Umständen ist ein Ju- Druckmaßnahmen, damit wir sozia- gendlicher aus einer anderen Gruppe listische Jugendliche werden und wir von oben in den Steinbruch gestürzt. uns daran gewöhnen, dass, wenn wir Von dem Tag an sind wir nicht mehr nicht spuren, wir wieder da landen, wo unten im Steinbruch gewesen. Wir wa- wir jetzt sind. ren oben im Zementwerk und mussten die Drehöfen bei Temperaturen von Wir wurden von Polizei mit Ma- 60-70 Grad von innen entschlacken. schinenpistolen, Reiterhosen, Reiter- stiefeln bewacht. So war die Bewa- Die Rückführung ins Lager nach chung auch im Steinbruch und dazu unserer Flucht2 war sehr schmerz- gab es noch Hunde. Die Bewacher haft. In der ganzen Zeit, die wir auf haben uns von oben herab behandelt der Flucht waren, mussten alle ande- und haben uns erniedrigt. Wir durften ren Insassen des Lagers auf dem Hof ohne Erlaubnis nicht sprechen. Da gab auf dem Zählplatz stehen. Für die, die es keine humanen Begegnungen. da stehen mussten, war es ein Glück, dass wir so früh geschnappt wurden. Der Anblick derer, die dort standen war schrecklich. Einige haben auf dem Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Waschraum, aufgenommen 1996, Zählplatz gekniet, andere sind umge- Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft kippt und lagen auf dem Fußboden.

2 Clemens Lindenau und acht weitere Jugendliche fliehen am Abend des 2. April 1967 – in der 52 Nacht zum 18. Geburtstag Clemens Lindenaus – aus dem Lager und werden am nächsten Mor- 53 gen aufgespürt, verprügelt und zurückgebracht. Eine ausführliche Darstellung des Ausbruchs findet sich unter: www.marixverlag.de/eshop/Leseproben/00269.pdf, S. 274 ff. „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

Diesen Anblick vergesse ich nie wie- der. Zwei andere und ich und wurden von den anderen Häftlingen abgeson- dert und nach einigen Tagen wurde ich in die Zentrale Untersuchungshaftan- stalt der Staatssicherheit nach Berlin- Hohenschönhausen gebracht.

Wären wir anders behandelt wor- den, ohne uns so zu schikanieren, hätte das wahrscheinlich mehr Erfolg gehabt, uns zu einer sozialistischen Persönlich- keit zu erziehen. Aber alle, die in die- sem Lager gewesen sind, waren für den Sozialismus verloren, die hätten sie nie wieder gewinnen können.

Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Zellengang, aufgenommen 1996, Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

54 55 „Ab dann habe ich mich ruhig Reinhard Herbermann, Jg. 1950, Am 5. Juli 1967 für sieben Wochen ins „Objekt Rüdersdorf“/Jugendarbeits- verhalten.“ und -erziehungslager gebracht. Er war der erste, dem es gelungen ist, für diese Zeit rehabilitiert zu werden.

Ich hatte gerade meine zehnte Klasse hatte nichts verbrochen. Die Begrün- meinen -Akten habe ich einen Nach 14 Tagen als Kalfaktor habe ich abgeschlossen und die großen Ferien dung für meine Inhaft ierung war, dass Bericht gefunden, dass die mich schon dann in Rüdersdorf im Gleisbau ar- hatten gerade begonnen, als ich von ich zu meiner Mutter frech gewesen und als Schüler ausspioniert hatten. Das beiten müssen. Wenn wir zur Arbeit der Polizei frühmorgens um sechs Uhr oft spät nach Hause gekommen sei. alles im Zusammenspiel hat wahr- ausgerückt sind, wurde mit Fähnchen aus der Wohnung geholt wurde. Meine scheinlich bewirkt, dass ich nach Rü- ein Areal abgesteckt. Die Polizei war Mutter war nicht zu Hause. Aber das berechtigt doch noch kei- dersdorf gekommen bin. mit Wachhunden dabei. Wir durft en ne Institution, einen Jugendlichen ein- diese Fähnchen nicht übertreten und Ich wurde in Handschellen zur fach einzusperren, ohne Haft befehl. Als ich im Sommer 67 abgeholt wur- die Zivilarbeiter durft en auch nicht zu Polizeiwache und von dort aus weiter Das ist ein Unding und das war auch de, kam ich ins Polizeirevier March- uns ran. nach Rüdersdorf gebracht. zu DDR-Zeiten Unrecht. lewskistraße. Von dort wurde ich mit dem Polizeiauto nach Rüdersdorf ge- Der Tagesablauf war: Wecken – um Ich wusste nicht, wie mir geschah, Meine Mutter war alleinerziehend fahren. Ich habe einen richtigen Schock fünf oder sechs Uhr, innerhalb kür- und warum sie gerade mich holen. Ich und 56 Jahre alt, als ich 16 war. Das ist gekriegt als ich die anderen „Zöglinge“ zester Zeit aus den Betten springen, hatte vorher schon viel über Rüders- ein himmelweiter Alters-Unterschied gesehen habe: Alle mit Glatze und Ge- eine halbe Stunde Frühsport, dann dorf von anderen Jugendlichen gehört. und wir haben uns nicht mehr so fängniskleidung. Ich wurde in einen frühstücken und Revier in Ordnung Und wir hatten gesehen, dass die Ju- richtig verstanden. Deshalb hat meine Raum geführt und musste auf einem bringen und dann zur Arbeit fahren, gendlichen, wenn sie aus dem Lager Mutter die Jugendhilfe in Anspruch ge- Hocker Platz nehmen. Sie haben mir Gleise zum Steinbruch verlegen bis 16 kamen, eine Glatze hatten. Das war nommen. Sie hatte keine Ahnung, was auch eine Glatze geschoren und ich oder 17 Uhr. 1967 ziemlich auff ällig, wo es doch sich in dem Lager Rüdersdorf abspielt, musste die Dienstgrade der Volkspo- modern war, lange Haare zu tragen. sonst hätte sie das nie gemacht. Aber lizei auswendig lernen und die Regel, Bei uns war es an der Tagesord- das mit meiner Mutter war eigentlich dass ich mich mit „Zögling“ zu melden nung, dass man mal schnell eine Auf Nachfragen haben manche alles nur vorgeschoben. Der eigentli- habe. Also: „Zögling Herbermann, darf Backpfeife bekommen hat oder einen dann auch etwas über Rüdersdorf er- che Grund war mein ganzes Verhalten er vorbeitreten?“ usw … Fußtritt von den Polizisten. Ich kann zählt, nicht genau, aber man konnte zum damaligen Zeitpunkt und mein mich an einen Fall erinnern, wo ein einiges ahnen. Ich auch. Aussehen. Ich hatte lange Haare und Am nächsten Tag wurden wir zur Jugendlicher während der Arbeitszeit war nicht in der FDJ und bin zu kei- Arbeit eingeteilt, in den Steinbruch draußen Zigarettenstummel gesam- Dass ich selber einmal nach Rü- ner Demonstration gegangen. Ich trug oder zu Gleisbauarbeiten. Da ich aber melt hat. Als wir in das Lager wieder dersdorf kommen würde, habe ich nie zum Beispiel eine Kanüle am Kragen, einer der wenigen war, der die zehnte hereingekommen sind, wurden wir für möglich gehalten, zumal ich mir um zu demonstrieren: „Wir lassen uns Klasse hatte, wurde ich nach dem drit- gefi lzt. Und bei ihm hat man die Zi- auch keiner Schuld bewusst war. Ich den Sozialismus nicht einimpfen“. In ten Tag als Kalfaktor eingeteilt. garettenstummel gefunden. Darauf-

56 57 60. MfS-Bericht über „Negative jugendliche Gruppierungen“, April 1967, BStU, Archiv der Zentralstelle, MfS, HA XX, Nr. 6166, Auszug S. 253

hin wurde er von dem Polizisten mit dass wir 20 „Zöglinge“ waren, weil in der Hand geschlagen. Er musste Strafe der Schachtel 20 Zigaretten waren. laufen und Liegestütze machen und zum Schluss hat er noch einen Fußtritt In der Nacht bekam man einen Kü- gekriegt. bel auf das Zimmer, um seine Notdurft zu verrichten. Das war für mich total Zu meiner Zeit waren immer zwei entwürdigend und ungewohnt, vor al- Erzieher im „Objekt“ und ein Chef der len Leuten meine Notdurft zu verrich- Polizei und zwei Polizisten als Wach- ten auf so einem Kübel. Die Toiletten in posten. Rauchen war nicht erlaubt, der Baracke durft e man nur am Tag be- aber zur Belohnung, wenn man gut nutzen. Die Toiletten im Toilettenraum gearbeitet hatte, wurde vom Erzieher waren ohne Türen, man konnte immer eine Schachtel Zigaretten herumge- reingucken. Um 20 Uhr wurden wir reicht. Deswegen weiß ich auch genau, eingesperrt und dann kam so ein Kübel MfS-Informationsbericht über Reinhard Herbermann, Quelle: Privatarchiv Reinhard Hebermann

58 59 auf das Zimmer. Früh waren dann im- Mit dem Th ema Rüdersdorf habe ich mer zwei Jugendliche dran, den Kübel mich erst weit nach 1990 wieder be- in die Jauchegrube zu entleeren. schäft igt. Ich hatte einen Fernsehbe- richt über den Geschlossenen Jugend- Meine Mutter hat mir nach Rü- werkhof Torgau gesehen und dass das dersdorf geschrieben und versucht, die einzige geschlossene Disziplinie- mich zu besuchen, aber sie wurde rungseinrichtung für Jugendliche ge- nicht vorgelassen. wesen sei. Ich habe dann an die Ge- denkstätte Torgau geschrieben, dass es Zur Entlassung mussten wir uns neben Torgau noch andere geschlos- beim Ministerium des Inneren melden. senen Einrichtungen gegeben hat. Ich Da wurde zu mir gesagt: „Na jetzt ha- war ja selber in einer Disziplinierungs- ben Sie ja ’ne richtige Lehre bekommen einrichtung, die geschlossen war. und jetzt reißen Sie sich zusammen.“

Ich habe nie jemandem von Rü- dersdorf erzählt. Das hatte immer so einen Makel und man war abgestem- pelt, wenn man in Rüdersdorf gewesen war. Viele haben wirklich gedacht, na das sind Asoziale und die haben was auf dem Kerbholz.

Nach den sieben Wochen habe ich meine Lehre gemacht und bin meinen berufl ichen Weg gegangen. Auf jeden Fall habe ich mich ab dann ruhig ver- halten. Das war schon ein ganz schö- ner Schock. Das war ja auch das An- Verfügung der Jugendhilfe über die Unterbringung von R. Herbermann in Rüdersdorf, 4. Juli 1967, liegen, Schock zu verbreiten. Quelle: Privatarchiv Reinhard Herbermann

60 61 „Wenn du uns wegen des Wilfried Krohn, Jg. 1952, sieben Monate vom 26. September 1967 bis 25. April 1968 Unfalls verklagst, als Strafgefangener in Rüdersdorf streiten wir alles ab.“

Ich war 15 Jahre alt, als ich nach einem einem anderen Raum, in der zu der ben wie verrückt gefroren, da auch die Den Ofen in unserer Baracke muss- Prozess mit der Anklage „versuchte Zeit auch die sogenannten „Zöglinge“ Sachen, die wir anhatten, viel zu dünn ten wir selber beheizen. Die Kohlen Republikfl ucht“ zu sieben Monaten inhaft iert waren. Die „Zöglinge“ wa- und viel zu groß waren. haben wir auf Zuteilung bekommen Haft verurteilt wurde. ren rechts und wir – die Strafgefange- und wenn die alle waren, dann haben nen – waren links in der Baracke. Wir Die Arbeit war sehr schwer und wir gefroren. Ich war in Bützow/ waren auf jeder Seite der Baracke etwa die Ernährung sehr schlecht. Wir ha- zu Hause und wollte von dort nach dreißig, vierzig Personen. Die „Zög- ben am Tag nichts Warmes zu essen Es gab Doppelstockbetten und Schwerin und dann weiter in Richtung linge“ waren ohne jeden Prozess von bekommen. Außerdem gab es keine eine Gemeinschaft stoilette, da gingen Grenze bei Boizenburg. Wir waren zu der Straße weggefangen worden und Milch und kein Obst. Wir hatten auch die „Zöglinge“ rauf und wir auch. zweit und wurden schon unterwegs haben meistens im Zementwerk II ge- keine Socken, sondern Feudel als Fuß- geschnappt. arbeitet. Die haben sechs bis acht Wo- lappen. Die politischen Häft linge waren chen in Rüdersdorf bleiben müssen. aus meiner Sicht Zwangsarbeiter, weil Nach meiner Verurteilung war ich Erst später – 1968 – sind wir von den die politischen Häft linge für ihre Ar- dann die gesamten sieben Monate der „Zöglingen“ getrennt worden und in beit keinen Lohn bekommen haben. Haft in Rüdersdorf und habe im Ze- die Strafvollzugsanstalt in Rüdersdorf mentwerk IV gearbeitet. Das waren gekommen. sehr harte Bedingungen. Wenn die Bänder zu den großen Öfen, wo der Das Zementwerk II war eingezäunt Zement gebrannt wurde, verstopft wa- mit Wachtürmen. Bei uns ins Zement- ren, ist alles, was auf den Bändern lag, werk IV kam ein Wachmann mit der in die Gänge heruntergefallen. Dann MP mit. Mit den anderen Arbeitern mussten wir alles wieder auf die Bän- dort durft en wir uns nicht unterhal- der raufschaufeln. Das war ein hölli- ten. Es gab auch keine zivilen Vorar- scher Staub. Man konnte die Hand vor beiter: Uns wurde gesagt, was wir zu Augen nicht mehr sehen. tun haben und dann waren die Zivilen wieder weg. Wir mussten auch nach Ich war unter den Strafgefangenen, Berlin zum Gleise machen, wenn die die alle Jugendliche waren, der einzige Weichen zugefroren waren. Die Wei- Politische. Wir Strafgefangenen haben chen mussten wir den ganzen Tag sau- Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Krankenbau für die nördlichen DDR-Gefängnisse, aufgenommen 1996. in derselben Baracke gelebt – nur in bermachen und eisfrei halten. Wir ha- Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

62 63 Die anderen haben alle Lohn bekom- Ich habe die Prüfung also nicht ge- men, aber wir nicht. Da ich nichts ein- macht und wollte an der Volkshoch- kaufen konnte, hat mir meine Mutter schule die neunte und zehnte Klasse Tabak geschickt, weil ich Raucher war. nachholen. Ich bin auch angenommen Einmal im Monat war – glaube ich – worden an der Volkshoch schule in ein Päckchen erlaubt. Als ich entlas- Bützow. Nach dem ersten Abend sen wurde, musste meine Mutter mir kamen mir ein Mann und eine Frau damals Geld schicken, damit ich nach mit Lederjacke entgegen und fragten Hause fahren konnte. mich: „Sie sind Herr Krohn? An die- ser Schule sind sie des Weiteren nicht Einmal hatte ich einen Arbeitsun- mehr erwünscht. Für Leute wie Sie fall. Da wurde mir im Krankenrevier haben wir kein Geld.“ klipp und klar gesagt: „Nicht, dass du auf die Idee kommst, uns zu verkla- Damit war die Vorstellung, die gen. – Wir streiten alles ab.“ neunte und zehnte Klasse an der Volkshochschule nachzuholen, erle- Nach 1990, als ich für das Versor- digt. Auch später bin ich nie wieder gungsamt nachweisen wollte, dass ich zu einer Schulung zugelassen worden. im Strafvollzug krank geworden bin Ich durft e einen Mähdrescherlehrgang mit den Nieren und mit meinem Ma- machen, aber keine einzige Weiterbil- gen, war keine Krankenakte mehr zu dung. fi nden. Anfang der 1990er Jahre bin ich Als ich aus der Haft kam, wurde rehabilitiert worden, berufl ich und mir gesagt, dass ich meine Lehrzeit politisch. Heute bin ich fünfzig Pro- nicht verlängern kann, sondern gleich zent schwerbeschädigt und habe den die Prüfung zu absolvieren hätte. Aber Antrag gestellt auf Erwerbsminde- mir fehlten doch sieben Monate von rungsrente. der Lehrzeit. Auszug aus dem Urteil der Jugendstrafkammer des Kreises Bützow vom 31. August 1967. Wilfried Krohn wurde am 4. November 1992 vom Landgericht Schwerin rehabilitiert. Quelle: Privatarchiv Wilfried Krohn

64 65 „Die Klärung dieses Sachver- Manfred Wiese, Jg. 1950, 1970 zu 24 Monaten verurteilt, damals und heute wohnhaft haltes hat zwei Jahre gedauert.“ in der „Straße der Jungen Pioniere“ in Leegebruch

Von meinem Elternhaus her – mein Va- Als die rund 200 FDJler zurückkamen Nach unserer Verurteilung und einer werden. Dafür mussten wir dann ei- ter hat im Stahlwerk gearbeitet – bin ich aus Berlin haben sie fünf von meinen Fahrt durch die ganze DDR mit dem nen Asbest-Anzug anziehen und ein antikommunistisch erzogen worden. Freunden am Vorplatz Oranienburg „Grotewohl-Express“1 kam ich in Rü- Luft -Gitter vor dem Mund tragen. Mein Vater hatte Probleme mit dem gewaltsam die Haare abgeschnitten. dersdorf an. Der Ofen war noch rot und heiß und ganzen System in der DDR und diese trotzdem mussten die Häft linge dort Abneigung hat sich auf mich übertragen. Eine Woche später gab es dann Wir waren 60 Mann in einer Bri- reingehen und die lockere Ummau- Ich hatte Verwandte im Westen und bin Reibereien mit den FDJ-Funktionären. gade und einer Schicht. Das waren die erung abschlagen, damit das dann auch westlich orientiert gewesen. Es war keine Schlägerei eher Reiberei- Inhaft ierten von drei Baracken. In je- neu ausgemauert werden konnte. Die en. Einer von uns hat ein FDJ-Emblem der Baracke waren 20 Mann in einem Häft linge, die diese Arbeit verrichten Ich trug Jeans und sah Westfernse- abgerissen. großen Raum untergebracht. In der mussten, wurden danach in eine Was- hen. Deshalb hatte ich Probleme in der Mitte war der Ofen. sertonne gesteckt, damit sie sich ab- Schule. Drei Tage später wurde ich gefragt: kühlen, denn in den Öfen war es un- „Sind Sie Herr Wiese?“ „Ja“. „Dann Wir sind immer mit Bussen zur wahrscheinlich heiß. Für diese Arbeit Neben Leegebruch, in Bärenklau, kommen Sie mit zur Klärung eines Arbeit nach Rüdersdorf ins Zement- gab es eine Packung Zigaretten und war im Krieg eine Fliegerschule. Nach Sachverhalts!“ werk gefahren. Dort mussten wir in ein Essen als Extraration. dem Krieg wurde die Fliegerschule drei Schichten arbeiten. Es war eine eine Schule zur Ausbildung von FDJ- Das hat dann zwei Jahre gedauert sehr schwere und menschenverach- Neben dem umzäunten Zement- Funktionären. Mit dieser Schule hat- diese „Klärung“. 15 bis 20 Mann von tende Arbeit. Der Zement wurde in werk II gab es über die Straße noch ten wir jahrelang immer Reibereien. uns kamen zum Verhör nach Orani- riesigen Drehöfen gebrannt. Wenn der eine große Halle, in der Betonfer- enburg. Von diesen Personen wurden Drehofen innen rot wurde, das heißt, tigteile hergestellt wurden, auch nur Im Oktober 1969 eskalierte die die vermeintlichen Rädelsführer her- wenn ein Stück von der Ummauerung durch Strafgefangene. Zivilisten gab es Situation. Wir hatten gehört, dass ausgegriff en. innen raus gebrochen ist, dann wurde in beiden Zementwerken immer nur die Rolling Stones auf dem Springer- der Drehofen angehalten. Im Zement- zwei: einen Schichtmeister und einen Hochhaus in Westberlin spielen soll- Es wurde für sieben Personen ein werk IV wurde so ein Drehofen dann Schichtbrigadier. ten. Das Konzert wollten wir gerne Schauprozess initiiert, an dem auch ein paar Tage stehen gelassen, damit er hören und nach Berlin fahren. Wir Schulklassen teilnehmen mussten. abkühlt. Die Produktion, die wir im Zement- waren etwa 15 Jugendliche mit Parka, Dies sollte wohl als Abschreckung die- werk II aufrechterhalten haben, war nur Levis, langen Haaren und wir durft en nen, weil es schon seit den 50er Jahren Aber im Zementwerk II gab es so dazu da, um die Produktion von Ze- nicht nach Berlin fahren. Dafür aber immer wieder Ärger mit der FDJ- etwas nicht. Schon nach zwei Stunden mentwerk IV zu unterstützen. Es wur- die FDJler von der Funktionärsschule. Schule gegeben hatte. musste der Ofen wieder angefahren de ja in der DDR nicht gesagt, dass im

1 66 Der Gefangenensammeltransportwagen der Deutschen Reichsbahn der DDR war ein spezieller 67 Waggon zur Verlegung von bis zu 90 Gefangenen zwischen den Haft anstalten. Neben regulären Häft lingen transportierten sie häufi g auch politische Gefangene. Zementwerk II nur Strafgefangene ar- Und dann wurden die Streikenden Ich hatte Verbrennungen ersten und Ich war die gesamten zwei Jahre bis beiteten. Insofern wurde auch nicht geholt und an jeder Hausecke bis zum zweiten Grades. In dieser Zeit woll- zum Schluss in Rüdersdorf. Mein darüber gesprochen, was mit unserer Medizinischen Punkt standen zwei ten mich meine Eltern besuchen, ich Rechtsanwalt hat einen Antrag beim Produktion passierte. Mann mit Gummiknüppeln. Die Ge- hatte einen „Sprecher“. Aber ich habe Staatsanwalt gestellt, mit der Bitte, fangenen wurden so sehr verprügelt, meinen Eltern abgesagt, weil sie mich mich ein halbes Jahr früher zu ent- Einen sogenannten „Sprecher“ hat- dass sie verletzt auf dem Weg lagen. nicht erkannt hätten. lassen. Dieser Antrag wurde nicht ge- te ich alle sechs Monate. Den Termin Wir haben das durch die Fenster ge- nehmigt. Ich hätte – so steht in meiner für den Sprecher an meinem einzigen sehen, aber wir konnten ihnen nicht Ich sah wegen der Verbände aus Stasi-Akte – Wandzeitungen machen freien Tag im Monat konnte ich brief- helfen, die Fenster waren ja vergittert. wie eine Mumie. Aber ich hatte einen müssen, um dadurch zu zeigen, dass lich absprechen. Außerdem durft e ich Die Ärztin im Medpunkt hat sich ge- guten „Stationsleiter“. Der hat dafür ich dem Staat positiv gegenüber ein- einen Brief im Monat erhalten. weigert, die Verletzten zu behandeln. gesorgt, dass ich Päckchen empfangen gestellt bin und das habe ich nicht ge- Deshalb mussten Zivilärzte kommen. konnte. Dadurch bekam ich auch Vita- macht. Im Sommer 1970 war es sehr warm. Diese haben den Vorfall dann öff ent- mine, die ich dringend nach dem Un- In der Halle, in der die Betonfertigtei- lich gemacht und der Anstaltsleiter fall brauchte. Meine Eltern haben mir le hergestellt wurden, war es noch hei- musste gehen. Äpfel geschickt. ßer. Außerdem fuhren durch die Halle Dieselameisen, wodurch die Luft noch Ich war ein junger Mann, ich war Wir sind bezahlt worden vom schlechter wurde. 19 Jahre alt und körperlich fi t. Deshalb Zementwerk in Rüdersdorf. Ich hatte hat mir diese schwere Arbeit nicht so einen Lohn von etwa 900 Ost-Mark Die Häft linge, die in der Halle viel ausgemacht, aber andere hatten und dieser Lohn ist einbehalten wor- arbeiten mussten, haben deshalb ge- sehr große gesundheitliche Probleme. den vom Strafvollzug. Von diesem streikt. Sie haben gesagt, dass sie un- Lohn habe ich 4,50 Mark Rückla- ter diesen Bedingungen nicht weiter In meiner Haft zeit hatte ich einen ge gekriegt, auf mein „Konto“ und arbeiten würden. Daraufh in hat das schweren Unfall. 30 Mark Einkauf im Monat. Das war Wachpersonal uns, die wir nicht ge- mein Lohn. Als ich nach zwei Jahren streikt haben, in die Baracken einge- Ein Ofen zündete nicht und ist entlassen wurde, habe ich 120 Mark sperrt. explodiert, während ich daneben erhalten. stand.

68 69 Unfallanzeige vom 19. August 1970 , Quelle: Privatarchiv Manfred Wiese Anlage zu Unfallanzeige vom 19. August 1970, Quelle: Privatarchiv Manfred Wiese

70 71 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

spätere Aufzeichnung über den Unfall von Manfred Wiese, 28. Juli 1972, Auszug aus dem Rehabilitierungsbeschluss des Bezirksgericht Potsdam für Manfred Wiese u.a. Quelle: Privatarchiv Manfred Wiese vom 18. Januar 1993, Quelle: Privatarchiv Manfred Wiese

72 73 „Er hat noch„Alles gerufen: nur Haftzeit.“Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946Michael in einem Frenzel, Gefangenenlager Jg. 1956, in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, überzwischen ihren Vater 1982 Otto bis 1984 Schmidt als Wehrdiensttotalverweigerer 19 Monate im Strafvollzug in Rüdersdorf.

Ich war – wie viele junge Menschen Auf dem Wehrkreiskommando wurde in der DDR – irgend wann zu der Er- ich festgenommen – wegen Fluchtge- kenntnis gekommen, dass ich nicht fahr. zur Armee gehen und keinen Waff en- dienst machen werde. Ich habe lange Das war schon sehr seltsam, weil Zeit darüber nachgedacht, ob ich zu ich mich ja freiwillig gestellt habe. den Bausoldaten gehe. Es gab immer so eine Ambivalenz Aber ich bin zu der Entscheidung im Verhalten der Polizisten mir gegen- gekommen, dass das ein Kompromiss über. Auf dem Weg in den Gerichtssaal beschädigtes Arbeiterdenkmal des Arbeitsortes Zementwerk Rüdersdorf, wäre, den ich nicht eingehen kann. in der Littenstraße, wo der Prozess vermutlich von Häftlingen hergestellt, Foto: Peter Grimm Diese Entscheidung war für mich und gegen mich stattfand, sagten die Poli- auch für meine Frau völlig klar. Als ich zeibeamten – was sie bestimmt nicht Als ich auf das Gelände in Rüdersdorf Die Polizei hat immer versucht – so 26 Jahre alt war, verheiratet und zwei durft en – „Jetzt machen wir Ihnen die kam, war das sehr beeindruckend. Es hatten wir zumindest den Eindruck, Kinder hatte, kam zum letzten mög- Handschellen ab – Sie laufen ja nicht war das klassische Novemberwetter uns damit zu ärgern, uns warten zu lichen Termin die Einberufung zur weg.“. Ich bin also ohne Handschel- und dann standen da diese riesigen lassen. Armee. len in den Gerichtssaal gegangen. Das Baracken. waren solche Gesten, die sich auch im- Wir waren in den Baracken un- Ich habe dem Wehrkreiskom- mer im Strafvollzug wiederholt haben. Ich hatte mich vorher nie gefragt, tergebracht, die mit jeweils vier Kom- mando mitgeteilt, dass ich keinen Ich habe gemerkt, wenn die Bewacher wie ein Strafgefangener aussieht. Und mandos von ungefähr 50 Häft lingen Wehrdienst leisten werde und mein wussten, warum ich inhaft iert war, dann sah ich die Gefangenen in dem belegt waren. Rechts und links von kirchlicher Arbeitgeber hat sich da- dass sie mich anständiger behandelt regnerischen Novemberwetter. Das den Baracken war ein Stahltor und für eingesetzt, dass es zu einer Rück- haben als andere. Vielleicht wurde ich war ein Bild, wie ich das sonst so nur hinter dem Stahltor war eine Straße. nahme der Einberufung kommt. Das auch anders behandelt, weil ich mich aus Kriegsfi lmen kannte. Diese Anordnung von Baracken gab war aber nicht der Fall. So bin ich am anders verhalten habe. Wir haben uns es mehrfach. Und wenn wir zur Arbeit 2. November 1982 am Tag der Einbe- z. B. immer bedankt, wenn die Türen Ich hab sehr schnell begriff en, dass mussten, dann mussten wir durch die rufung zum Wehrkreiskommando ge- auf- und zugeschlossen wurden. Das der Satz „Alles nur Haft zeit“ richtig Stahltore. Wenn wir in die Kaff eestube gangen. Mich hat ein Freund begleitet, hat die Schließer sehr verunsichert. ist. Dieser Satz war der richtigste Satz gehen wollten, mussten wir durch die- damit es auch einen Zeugen gibt. überhaupt und er hat mir innerhalb se Stahltüren kommen. Wenn man auf des Strafvollzugs sehr geholfen. der Straße war, musste man, um an

74 75 den nächsten Ort zu kommen, wieder Ich habe Krankenpfl eger gelernt und durch eine Stahltür gehen. Um diese kam deshalb in das Revier, so nannte Türen zu öff nen und zu schließen, wa- man das Krankenhaus auf dem Ge- ren immer Polizeibeamte nötig. Also lände. Das war auch eine Baracke. standen wir oft einfach da und warte- Diese Baracke teilte sich in Aufent- ten, aber die Polizei ließ sich Zeit. Und haltsräume der Strafgefangenen, die bei diesem Warten kam oft schlechte da arbeiteten und in einen Bereich für Stimmung auf. Irgendwann haben wir die Arztzimmer, den Warteraum und es begriff en. „Ist doch egal, wo wir ste- auch in Krankenstationen. Ich habe hen und warten. Alles nur Haft zeit.“ sozusagen als Sprechstundenhilfe für die Ärzte gearbeitet. Im Zementwerk war es sehr dre- ckig und staubig.

Die Bereitschaft mancher Mitge- fangenen, sich zu pfl egen, war nicht sehr ausgeprägt und die hygienischen Bedingungen waren ebenfalls nicht gut. So entstand ein Kreislauf und dann bildeten sich – wir haben dazu immer Mucht gesagt – richtig große Eiterfl ächen auf den Unterarmen.

Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Schleuse mit Verwaltungsgebäude (Sprecherraum, Waff enlager, Lagerfunk), aufgenommen 1996. Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

76 77 „Die schönste Erfahrung für mich Wolfgang Beyer, Jg. 1956, war: Man kann Nein sagen.“ 1983 im Strafvollzug Rüdersdorf wegen Verweigerung des Reservistenwehrdienstes

Ich war 1983 von April bis Ende August derstandskämpfern und solche ideolo- Mauern geworfen haben. So hatten sie gezählt. Das machten die Wachmann- in Rüdersdorf. gische Literatur. Ich hatte mich vorher Bibeln bis zur nächsten großen Razzia. schaft en. Im Zementwerk selbst hatten erkundigt – ich wurde von Rechts- wir relativ große Freiheiten, dort liefen Dies war eine solch kurze Zeit, die anwalt Wolfgang Schnur verteidigt – Ein Hof, der von vier Baracken nicht ständig Bewacher herum. Das für viele eigentlich schon die Entlas- welche Rechte ich als Strafgefangener begrenzt wurde, ergab eine Schicht. Objekt als solches war begrenzt und sungszeit war, in der sie Erleichterun- habe und welche ich auch einfordern Wir haben im Zementwerk III gear- bewacht. Im Werk waren eher Meister gen hatten. Ich kam nach Rüdersdorf kann. Schnur hatte mir gesagt, dass beitet. Das ist das älteste Zementwerk und Arbeiter, die uns angeleitet ha- und man konnte mich nicht mehr zu man zum Beispiel die Bibel lesen darf. gewesen, wo die normalen Arbeiter ben, aber nicht Strafvollzugsbeamte. den schlimmsten Arbeiten einteilen. nicht mehr arbeiten durft en, da muss- Das ganze Werk war mit einer Mauer Aber einfach so die Bibel lesen, war ten die Strafgefangenen arbeiten. Das umgeben und hatte Wachtürme. Vom Das war ja sonst so üblich, dass die nicht erlaubt. Sondern mir wurde ge- Werk war wirklich richtig alt. Von Strafvollzug bis zu diesem Werk sind Neuen Toiletten saubermachen müs- stattet, eine Stunde in der Woche zum den zwei oder drei Brenneröfen lief wir mit dem Bus bestimmt eine Vier- sen und die Duschräume putzen. Bibellesen zu gehen. Dafür gab es ein meistens nur einer. Wer in diesem al- telstunde gefahren. extra Zimmer, in das dann die Bibel ten Zementwerk längere Zeit gearbei- Das habe ich wirklich nur ganz reingereicht wurde. Das zeigt, welche tet hat, hat mit Sicherheit was an der Ich war Kohleschieber und habe kurz gemacht, weil dann andere ka- subversive Wirkung oder Sprengkraft Lunge gekriegt. Das war so ein Staub, um die 100 Mark im Monat verdient. men und ich eigentlich schon zu de- man der Heiligen Schrift zutraute, ich kann mich erinnern, dass wir dort Die Brenner haben etwas mehr be- nen gehörte, die bald wieder entlassen dass sie in einem extra Zimmer gele- saubermachen und kehren mussten, kommen. Dafür hatten wir Kost und werden. Wir waren 24 Leute auf einem sen werden musste. da waren nur Wolken und wir hatten Logis frei. Zimmer, acht dreistöckige Betten. Die- keinen Atemschutz. jenigen, die neu kamen, mussten oben Die zwei Zeugen Jehovas, die we- Ich weiß noch, dass ich während liegen. Von den 24 Leuten in meinem gen Wehrdiensttotalverweigerung in- Wir hatten alle eine Nummer und dieser Zeit die Trostpostkarten gesam- Raum waren 23 Raucher und alle ha- haft iert waren, haben mir eine gewisse beim Losfahren nach Rüdersdorf zur melt habe, die ich von den Verwandten ben in dem Zimmer geraucht. Ich war Achtung beigebracht. Alle männlichen Arbeit mussten wir uns anstellen und und Freunden geschickt bekommen der einzige, der nicht geraucht hat. Zeugen Jehovas haben den Wehrdienst dann wurden die Nummern aufge- hatte. Ich fand das früher immer kit- verweigert, das ist schon phänomenal. rufen oder man musste selber seine schig, diese christlichen Trostpostkar- Bücher konnte man ausleihen. Es Die haben natürlich auch immer die Nummer sagen. Während der Schicht ten: „Nähme ich Flügel der Morgen- gab einen Wagen mit einer Kiste vol- Bibel lesen wollen und haben das im- wurde einmal am Tag kontrolliert, ob röte und bliebe am äußersten Meer, ler Bücher. Das waren überwiegend mer so organisiert, dass die Frauen an alle noch da sind und am Schluss beim so würde auch dort deine Hand mich Bücher mit den Geschichten von Wi- bestimmten Tagen die Bibeln über die Abtransport wurde auch noch einmal halten“ und „Der Herr ist mein Hirte“

78 79 „Er hat noch gerufen: Ich bin Kommunist“

Otto Schmidt (1889 – 1951) von 1945 bis Herbst 1946 in einem Gefangenenlager in Rüdersdorf Ilse Lungwitz, Jg. 1924, über ihren Vater Otto Schmidt

und diese Sprüche. Aber ich habe die immer mehr als Pazifi st zu leben. Als gesprochen hat, dann war das nicht Postkarten aufgehoben. Am letzten im Herbst 1982 dieser Einberufungs- ideologischer Natur, sondern höchs- Tag in Rüdersdorf habe ich diese Kar- befehl zum Reservedienst kam, war tens, um über irgendwelche Mithäft - ten zusammengesammelt. Das haben mir klar, dass ich einen Dienst mit der linge was rauszukriegen. zwei andere Häft linge gesehen und Waff e vor meinem Gewissen und vor mich gefragt, ob sie die Postkarten Gott nicht mehr verantworten kann. Für mich ist diese Zeit eine ganz abschreiben dürft en. Dann haben sie wichtige, von der ich immer wieder diese biblischen Sätze abgeschrieben. Meine Eltern haben sich in der Zeit gesprochen habe. Das waren Ausnah- Und ich habe begriff en, dass diese Sät- ganz toll verhalten. Ich hatte immer mesituationen, in denen ich sehr viel ze eine große Symbolkraft haben und damit gehadert, dass sie mich nicht so über mich selbst erfahren habe. Das dass das menschliche Gemüt dieses aufrecht erzogen haben. Aber in dem Wesentlichste aber für mich war, dass spürt. Diese Sätze wurden auch noch Moment, als ich die Entscheidung für man Nein sagen kann. Das war für untereinander abgeschrieben. Das hat mich gefällt hatte, hat mein Vater ge- mich die wichtigste Erkenntnis. Das mich sehr beeindruckt. sagt: „Wir unterstützen dich in allem.“ hat Konsequenzen, aber man kann Und sie haben auch alles gemacht, was Nein sagen. Meine Eltern waren beide in der für sie möglich war und haben selbst CDU und Lehrer und so bin ich er- in ihrem kleinen Städtchen ungeheu- zogen worden, mit Jugendweihe und er viel Unterstützung, Sympathie und dann Konfi rmation. In der Schule − Solidarität erfahren. haben meine Eltern gesagt − redest du das, was die hören wollen und zu „Umerziehung“ habe ich eigentlich Hause hören wir Deutschlandfunk. nicht erlebt. Die wollten alle ihre Ruhe Unter dieser Gespaltenheit habe ich haben, haben keinen ideologischen als Jugendlicher immer gelitten. Druck gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, dass da irgendwelche Fah- Nach meinen anderthalb Jahren nen gehangen haben oder ideologische Armee bin ich dann 1980/81 nach Poster innerhalb unseres Hofes. Viel- Berlin gekommen und auf den Frie- leicht habe ich das so ignoriert, dass denskreis Pankow gestoßen. Ich habe ich mich daran nicht erinnern kann. mich da sehr engagiert und versuchte, Wenn der Erziehungsoffi zier mit mir

80 81 Bibelleseerlaubnis, Quelle: Privatarchiv Wolfgang Beyer

Strafvollzugsanstalt Rüdersdorf, Eff ektenkammer, aufgenommen 1996. Foto: Wolfgang Rüddenklau, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

82 83 Anhang Dokument 1:

Dokument 1: Dokument 5: Befehl Nr. 11/66 zur politisch-operativen Be- Auszug aus dem 62. Bericht zur Aufklärung kämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Beseitigung operativer Schwerpunkte und und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen zur Verhinderung von Zusammenrottungen, Personenkreisen der DDR vom 15. Mai 1966. Provokationen und Ausschreitungen negativer BStU, MfS BV Abt. XI Nr. 382, Bl. 58-62 Jugendlicher in der Hauptstadt der DDR vom 5. April 1967. Dokument 2: BStU, MfS HA XX, Nr. 6166, Bl. 282. Auszug aus dem Bericht zur Aktion „Vorwärts“ (Vorbereitung und Durchführung des VII. Par- Dokument 6: teitages der SED) von ca. 1967. Kammergerichtsbeschluss in der Rehabilitie- BStU, MfS HA XX/9 1718, Bl. 324-329. rungssache betreffend Reinhard Herbermann vom 6. August 2010. Dokument 3: Privatarchiv Herbermann. Dienstanweisung Nr. 4/66 zur politisch-opera- tiven Bekämpfung der politisch-ideologischen Dokument 7: Diversion und Untergrundtätigkeit unter Anforderungsbild zur Erneuerung der IM-Basis jugendlichen Personenkreisen der DDR vom in der StVE Rüdersdorf vom 18. Januar 1988. 15. Mai 1966. BStU, BV (Oder), Reg.-Nr. V 781/88, BStU, MfS BV Rostock Abt. XI Nr. 382, Bl. 66. Bl. 5-7.

Dokument 4: Dokument 8: 33. Bericht zur Aufklärung und Beseitigung Auszüge aus der GMS-Akte „Horst“. operativer Schwerpunkte und zur Verhinderung BStU, BV Frankfurt (Oder), Reg.-Nr. 734/86. von Zusammenrottungen, Provokationen und Ausschreitungen negativer Jugendlicher in der Hauptstadt der DDR vom 19. Dezember 1966. BStU, Mfs HA XX, Nr. 6166, Bl. 154.

84 85 86 87 Lorem

88 89 Dokument 2:

90 91 92 93 94 95 Dokument 3:

96 97 Dokument 4: Dokument 5:

98 99 Dokument 6:

100 101 Dokument 7:

102 103 104 105 Dokument 8:

106 107 108 109 110 111 Literatur und Internetlinks

Albach, Peter: „Jenseits der Nischen – Er- Grimm, Peter (ein Film von): „aufsässig innerungen an den real existierenden So- oder arbeitsscheu? verurteilt als ,asozi- zialismus in der DDR“, http://peter-albach. al‘ in der DDR.“ Der Film ist zugäng- com/download/nischen.pdf. Mit „Arbeits- lich unter: http://www.youtube.com/ lager-Notizen“ von Rainer Buchwald und watch?v=lnk5VedHME0. Einer der Pro- Clemens Lindenau u. a. über ihre Zeit in tagonisten des Dokumentarfilms – Bern- Rüdersdorf. hard Freutel – war auf Grundlage des Pa- ragraphen 249 in Rüdersdorf inhaftiert. Bannier, Rudolf Moritz: „Nackt – unge- wöhnliche Notizen eines Außenseiters“, Hüge, Bernd-Dieter: „Mein Knastbuch. Holzinger-Verlag, 1992, Kapitel „Rüders- Ein Bericht“, Aufbau-Verlag, Berlin 1991, dorf“, S. 8-20. R. M. Bannier ist 2007 im S. 69–111 über B.-D. Hüges (1944-2000), Alter von 57 Jahren verstorben. Haftzeit in Rüdersdorf (Herbst 1967- August 1969). Bastian, Uwe / Neubert, Hildigund: „Schamlos ausgebeutet – Das System der Müller, K.-D. / Stephan, A. (Hg.): „Die Haftzwangsarbeit politischer Gefangener Vergangenheit läßt uns nicht los – Haftbe- des SED-Staates“, Bürgerbüro e.V., Berlin dingungen politischer Gefangener in der 2003. SBZ/DDR und deren gesundheitliche Fol- gen“, Arno Spitz Verlag, Berlin 1998. Buchwald, Rainer (Buchi) u. a.: http:// heimkinder-forum.de, Forum, Suchbe- Pietrowiak, Fritz: „Nur der Wille zählt.“ griff: Rüdersdorf. edition fischer, 2009.

Frenzel, Michael: „Der richtige Weg.“ In: Poppe, Grit: „Ausbruch aus Rüdersdorf.“ Heinz Janning, Klaus Pokatzky, Hans In: „Black Box DDR – Unerzählte Leben Jürgen Röder, Peter Tobiassen (Hg.): unterm SED-Regime.“ Herausgegeben „Kriegs-/Ersatzdienstverweigerung in Ost von Ines Geipel und Andreas Petersen, und West“, Essen 1990. Es handelt sich um marixverlag, Wiesbaden 2011, S. 274-283. einen Text über M. Frenzel’s Haftzeit aus Siehe auch: www.marixverlag.de/eshop/ dem Jahre 1984. Leseproben/00269.pdf.

112 113 Rüddenklau, Wolfgang: „Nur krank darfst Zimmermann, Verena: „Den neuen Men- Du nicht werden!“ Versuch einer Lokali- schen schaffen“ – Die Umerziehung von sierung von Erinnerungen an alte Ostber- schwererziehbaren und straffälligen Ju- liner Knäste (1995), http://www.belfalas. gendlichen in der DDR (1945-1990), de/knast.htm. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 2004. Darin: Arbeits- und Erziehungslager für Rüdersdorfer Zement GmbH: „750 Jahre Jugendliche in Rüdersdorf, S. 214-221. Kalksteinbergbau in Rüdersdorf. 1254- 2004.“ Rüdersdorf 2004.

Sachse, Christian: „Das illegale Arbeitser- ziehungslager in Rüdersdorf 196/1967.“ In: Horch & Guck, Heft 72 (2/2011), S. 30-34.

Schnell, Gabriele: „Der 17. Juni 1953 in Rü- dersdorf“, http://www.17juni53.de/karte/ frankfurt/ruedersdorf.html.

Sonntag, Marcus: „Die Arbeitslager in der DDR.“, Klartext, 2011.

Spiegel, Anja: „Die Stasi kam im Morgen­ grauen. Jugendlicher Widerstand in Werder (Havel) 1950 bis 1953.“ Eigenverlag, Werder 2002. Darin u. a. über Ronald Rothe, 2 Jahre Haft im Kalkbergwerk Rüdersdorf.

114 115 Impressum

Konferenz der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur und Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED –Diktatur (Hrsg.)

Die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Hegelallee 3, 14467 Potsdam Tel.: 0331/237292-0 Fax: 0331/237292-29 E-Mail: [email protected] www.aufarbeitung.brandenburg.de

Text: Uta Rüchel, Geb. 1967 in , Dipl.-Soziologin, Berlin, freiberuflich tätig als Autorin und Filmemacherin mit den Schwerpunkten Zeitgeschichte, Bildung, Biografiearbeit Interviews: Anette Detering, Geb. 1966, Dipl.-Mathematikerin, Fachberatung im Themenkreuz Aufarbeitung, Geschichtspolitik und christlicher Glaube, Erfahrungen in Zeitzeugeninterviews

Konzeption und Redaktion: Dr. Marianne Subklew Gestaltung: Gänserich – Kommunikation und Gestaltung Fotos: Bundesarchiv, Robert-Havemann-Archiv, Peter Grimm Druck: Auflage: 1000 Stück Mai 2012

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