Ie ne fay rien sans Gayete (Montaigne, Des livres)

Ex Libris Jose Mindlin

ZWEITE SCHINGÜ-EXPEDnTON 1887-88.

DIE BAKAIRI - SPRACHE.

WÖRTKRVERZEICIINIS, SÄTZE, SAGEN, GRAMMATIK.

MIT BEITRÄGEN ZU EINER LAUTLEHRE DER KARAT BISCHEN GRUNDSPRACHE.

VON

KARL VON DEN STEINEN.

LEIPZIG K. F. KUEHLERS ANTIQUAR1UM. 1S92.

Vorwort.

JJie Aufnahme der Bakairf - Sprache stellt von den Ergebnissen der zweiten Sehingü-Expedition wohl denjenigen Beitrag dar, in dem da« meiste Neue enthalten ist. Indem ich ihn der Oeffentlichkeit übergebe, möchte ich vor allem der angenehmen Pflicht genügen und dem Kuratorium der Humboldt - Stiftung, das mich durch eine ansehnliche Unterstützung gefördert hat, den verbindlichsten Dank aus­ sprechen. Vielen Dank schulde ich für das spätere Studium der Bearbeitung daheim meinem Freunde, dem Autor des Deutschen Sprachatlasses, Herrn Dr. Georg Wenker in Marburg; gründlich vertraut mit allen Tücken menschlicher Sprachlaute, war er in hervorragender Weise befähigt, wert­ vollen Rat zu erteilen, und seinem unermüdlichen Interesse habe ich es allein zuzuschreiben, dass die hier und da zu einer kleinen Geduldsprobe ausartende Untersuchung der Karaibenidiome eine Quelle des Genusses und der Anregung bleiben konnte. Man kann die Bakairf — nach brasilischer Schreibweise „Bacahiris" — in zwei Gruppen einteilen: eine westliche, die das östliche Quellgebiet des Tapajoz, und eine östliche, die das westliche Quellgebiet des Schingü bewohnt. Die Westbakairf sind anlässlich einer Goldsucher- Expedition des Pater Lopez in den zwanziger Jahren unseres Saeculums zu Christen erklärt worden, verstehen von ihrer neuen Religion soviel wie von der Spectralanalyse und gelten als typische ..iudios mausos". als zahme Indianer — das IV Vorwort.

heisst, sie kommen zuweilen von ihren Dörfern, den äusser- sten Vorposten des Bekannten in der Provinz Mato Grosso, nach der Hauptstadt Cuyabä, um sich bei der Regierung einige Geschenke zu erbetteln oder ihr bischen Kautschuk gegen minderwertige Tauschwaaren abzusetzen, verdingen sich auch als Arbeiter auf den kleinen, ihnen zunächst liegenden Gehöften oder Zuckermühlen, führen in diesem Verkehr mit der bescheidensten Klasse der ländlichen Be­ völkerung schöne portugiesische Taufnamen, haben Häupt­ linge mit dem Rang und gelegentlich sogar dem Rock von Kapitän oder Lieutenant und sind in einem raschen Verfall der Sitten und des Gemeindelebens begriffen. Wenn sich in der Litteratur bereits früher Bakairf „an den Quellflüssen des Sehingü" verzeichnet finden, so sind damit die östlichsten Bakairf dieser Westgruppe gemeint, die des Paranatinga — in Wahrheit eines Nebenflusses des Tapajoz, von dem man aber lange Zeit geglaubt hat, dass er dem Sehingü zuströme. Die Ostbaka'irf sind auf den Schingii-Expeditionen von 1884 und 1887 erst aufgefunden worden; 1884 haben wir vier Dörfer an dem Rio Batovy, dem Tamitotoala der Ein­ geborenen, 1887 drei Dörfer an dem östlicher gelegenen Kulisehu besucht. Diese „indios bravos" oder wilden Indianer waren gastliche, gutmütige Menschen, deren Vertrauen leicht zu gewinnen war, da sie niemals einen Weissen gesehen hatten. Sie zeichneten sich aus als Fischer und führten meisterhaft ihre gebrechlichen Rindenkanus durch die Kata­ rakte, sie betrieben fleissig den Anbau der Mandioka und anderer einheimischen Nutzpflanzen, standen aber hinter den ihnen benachbarten Stämmen, von denen sie z. B. Töpfe und Steinbeile erhielten, ein wenig in der Kultur zurück. Doch kann ich hier auf alle diese Verhältnisse, die ich noch ausführlich zu behandeln gedenke, nicht näher ein- Vorwort. v gehen und muss vorderhand anf meinen Bericht über die erste Expedition in dem Buche „Durch Centralbrasilien". Leipzig, F. A. Brockhaus 1886, verweisen. Ich werde auch erst in jenem Zusammenhang genauer mitteilen können, was ich Bestimmtes oder Unbestimmtes über die früheren Ver­ schiebungen der Stämme zwischen Tapajoz und Sehingü, sowie über die Dauer der Trennung von West- und Ost- bakairf erfahren habe. Die durch unsere Expeditionen wieder zusammengeführten Stammesgenossen, die sich gegen­ seitig nahezu vergessen hatten, haben sich so mühelos mit­ einander verständigt und haben dabei nur so geringe mund­ artliche Verschiedenheiten erkennen lassen, dass wir bei dem Studium der Sprache der Zersplitterung nur selten zu ge­ denken brauchen. Mein Hauptgewährsmann für die vorliegende Arbeit ist der wackere Indianer aus dem Paranatinga-Dorf gewesen, den das Titelbild mit civilisirtem Scheitel und unausgerupftem. langgezupftem Schnurrbart nach Dr. Ehren reich s Photo­ graphie getreulich wiedergiebt, und der wie alle solche Leute natürlich Antonio hiess. Er war uns ein unschätzbarer Begleiter und Pfadfinder auf der zweiten wie auf der ersten Reise. Sein gebrochenes Portugiesisch vervollkommnete sich während unseres langen Zusammenseins so weit, dass ich alles Wesentliche, meinerseits im Bakairf fortschreitend, von ihm erfahren konnte. Nicht gering war die Schwierigkeit, ihn zum Ueber- setzen zu bringen. Nicht nur, dass er sich im Anfang gegen die zwecklose Liebhaberei stark sträubte und auch leicht ermüdete — dem Hess sich durch freundliches Zureden, durch den Hinweis darauf, wie erwünscht es den Stämmen jenseits ..Wasser- kein Haus-' d. i. des Meeres sei, endlich einmal genauer über die Bakairf unterrichtet zu werden, vr Vorwort. durch Tabak und kleine Geschenke einigermassen abhelfen, aber er begriff überhaupt den Sinn und das Wesen des Ueber- setzens nur sehr allmählich. Einmal nach der Form: wenn ich ihm z. B. einen Satz gab, du hast das und das gethan, so übertrug er beharrlich: ich habe das und das gethan, und verwandelte umgekehrt meine erste Person nicht minder eigensinnig in die zweite der Anrede. Dann nach dem In­ halt: wenn ich sagte, der Häuptling hat einen Jaguar ge- tödtet, so erklärte er mit Nachdruck und nicht frei von Vorwurf, nein, der Häuptling hat keinen Jaguar getödtet. An der mit A bezeichneten Sammlung von Sätzen ist leicht zu erkennen, wie das Hindernis überwunden wurde. Wir gingen unsere gemeinsamen Reiseerlebnisse durch und verfassten zusammen in Bakairf einen gedrängten Bericht über die Fahrt auf dem Kulisehu. Später unterhielten wir uns über den Lebensgang des Menschen, und ich erfuhr nebenher auch Manches von dem, was ich über Sitten und Gebräuche der Indianer noch mitzuteilen habe. Endlich hatte ich ihn dann so weit, dass er nach grammatikalischen Rücksichten geordnete Sätze richtig übersetzte und eine Anzahl von Zeitwörtern in ihren hauptsächlichsten Formen mit mir durchkonjugirte. Die Sätze dieser Sammlung haben hier und da einen Aufwand von Geduld gekostet, dessen sich der Leser nicht bewusst werden wird, von dem aber manche Randbemerkung meiner ersten Niederschrift Zeugnis ablegt. Der Satz 223: „Wann seid Ihr angekommen? Wir kamen heute Nachmittag; wir sind aber auch später aufgebrochen als ihr" wird Nie­ mandem verraten, dass es geschlagener zwanzig Minuten bedurfte, um den Bakairf - Ausdruck für die Feinheit der Schlusswendung zu finden, dass die Einen später aufgebrochen waren als die Andern. Vorwort. VII

Das'beliebte Paradigma amo, tumts, antat wäre von Antonio nicht zu gewinnen gewesen. Satz 236 lautete in Portugiesisch ,.