Unterwegs IM LECHTAL

Die stillen Seitentäler des bieten eine Fülle loh- nender Möglichkeiten für Wanderer und Radfahrer, wie bei (oben) und im Madautal (unten). Zwischen Ellenbogen und Weißenbach locken die Fluten des Lech alljährlich zahlreiche Freunde des „weißen Wassers“ zu einer begeisternden Fahrt. Wo Berg und Fluss ein Ganzes sind LechtalerLechtaler NaturschätzeNaturschätze

Von WERNER GAMERITH

Bergfreunde suchen oft recht unterschiedliche Dinge. Ein Erfolg für so viel sei einleitend bereits angemerkt,dass Dreitausender. Welches Tal den schöneren die Ökologiebewegung die großartigen Wildflussstrecken des Lech Zugang öffnet, ist unmöglich zu entschei- Im Tiroler Lechtal kommen jedoch alle auf ihre Kosten: Wenn wir auf dem Weg ins Lechtal von selbstverständlich vom Einzugsgebiet ge- den. Denn jedes erschließt urtümliche und Kletterer finden im Riffkalk der Heiterwand oder des Freispitz- Füssen kommend das Becken von prägt und abhängig sind. Von jedem Berg unverwechselbare Landschaften, ist gleich- bei Weißenbach verlassen, erhaschen wir entspringen außer Quellen auch Gerölle,die sam von einem eigenen Charakter, den es turms ideale Bedingungen; Gipfelsammler können ein Leben von der Johannesbrücke aus einen Blick auf bei hohen Wasserständen talwärts zum kennenzulernen lohnt. lang herkommen, um immer noch neue Spitzen zu ersteigen; ein ungewohnt breites Flussbett. Helle Lech transportiert werden und seinen be- Vom Lechtal aus wirken die Seitentäler Schotterinseln spalten den Lech in ein Netz sonderen, sich dynamisch verändernden sehr abweisend. Unzugängliche Klammen zügige Wanderer erreichen zum Beispiel auf dem Lechtaler von ausschwingenden Rinnen.Landwärts ist Lebensraum ermöglichen. Deswegen freut zwingen Wege und Straßen zu steilen An- Höhenweg im Schnitt gerade eine Hütte zu Mittag und eine zur eine weite Flussterrasse von schütterem sich der Freund natürlicher Fließgewässer stiegen auf die Hangschulter. Erst etliche Buschwerk, dahinter von Kiefernwald be- doppelt an den durchwegs ungestauten Kilometer taleinwärts bieten etwas sanftere Nächtigung; und Wildwasserfahrer finden im Lech und seinen wachsen. Diesen Wildfluss sollten wir uns Bächen im inneren Tiroler Lechtal. Hänge Plätze für Wiesen,Weiden und kleine Nebenflüssen alle Schwierigkeitsgrade.Aber eigentlich ist genauer ansehen,zumindest an einem Rast- Siedlungen.Die Dörfer Gramais und oder Regentag.Viele Pflanzen- und Wasser- Die Lechtaler Alpen sind die kleinsten Gemeinden Österreichs, das Lechtal mehr als nur ein schöner Ort für Leistungssport freunde kommen ausschließlich wegen der Acht langgestreckte Seitentäler, vom Nam- aber auch die Dörfer und Weiler im Bschla- und Erholung, denn seine besonderen Qualitäten erschließen alpinen Flussauen ins Lechtal.Dass diese er- lostal bis zum Bockbachtal an der Grenze zu ber Tal beeindrucken durch ihre einsame, halten geblieben und jetzt sogar als Natio- greifen tief ins Gebirge, dessen ausgesetzte Lage zwischen steil aufragenden sich vor allem dem Achtsamen, dem Langsamen, dem, der nalpark im Gespräch sind, zählt zu den Hauptkamm dem Inn weit näher liegt als Bergen und abgründigen Schluchten.Heute unverfälschte Natur und nicht bloß seine eigene Tüchtigkeit großen Erfolgen der Ökologiebewegung in dem Lech.Vom Flexenpass bis zum Fernpass sind diese Täler über aufwändige Straßen Österreich. erstrecken sich die Lechtaler Alpen und sind vom Lechtal aus gut erreichbar.In früheren erleben möchte.Schöne Berge finden wir auch anderswo, Uns locken natürlich die gezackten Ge- mit rund sechzig Kilometern Länge die längs- Zeiten waren sie leichter über hoch gelege- ein derart großes naturbelassenes Fluss- und Talsystem gibt es stalten der Lechtaler Alpen, die gegenüber te Gebirgskette der Nördlichen Kalkalpen. ne Jöcher vom Inntal aus zugänglich,von wo den Allgäuer Alpen den breiten Trog des Übrigens auch die höchste,denn ihr Haupt- sie zunächst als Almen im Sommer genutzt Fotos: Andreas Riedmiller (3)Fotos: Rudi Lindner Foto: in den gesamten Nordalpen nur mehr hier. Lechtales zu seiner Rechten umrahmen.Nur Andreas Riedmiller Foto: gipfel, die Parseier Spitze, ist deren einziger und schließlich besiedelt wurden.

22 DAV Panorama Nr. 4/2001 Nr. 4/2001 Unterwegs IM LECHTAL

Das Lechtal ist für botanisch interessierte Naturfreunde und Bergwanderer eine wahre Die Siedlung Kaisers in einem Seitental hinter Steeg ist eine der kleinsten Gemeinden Fundgrube, von den saftigen Mähwiesen im Talgrund wie hier bei Steeg (links) bis zu den Österreichs und bietet Bergwanderern herrliche Ausflüge zu den Almenmatten des steilen Grashängen der alpinen Region, wo das Edelweiß durch strengen Schutz wieder Almajur- und Kaisertals. Das Steinwild, vor 100 Jahren fast ausgerottet, hat in den abgele- üppig vorkommt. Der Alpen-Apollo zählt zu den Raritäten der alpinen Insektenwelt. genen Zonen der Lechtaler Alpen wieder eine Heimat gefunden.

Blumenparadies Dem hohen Ultraviolettanteil des Lichts ver- leicht, weil sie sinnfällig vor Augen führen, Die Tierwelt hat gleichfalls erstaunliche

Zu den extremen Geländeverhältnissen und danken wir die intensiven Farben vieler dass Lust und Leid, Erblühen und Vergehen Anpassungen an die alpinen Lebensbedin- Gamerith (2) Werner Fotos: dem rauhen Gebirgsklima steht der ver- Blüten, während Behaarung, Zwerg- und gleichermaßen zum Leben gehören. Aus gungen entwickelt.Während Zugvögel der schwenderische Blumenreichtum in einem Polsterwuchs vor austrocknenden Winden größerer Entfernung beobachten wir den langen Winterperiode mit ihrer Kälte und berührenden Gegensatz.Bevor die Mähwie- ebenso wie vor Kälte schützen.Wie überall, dauernden Kampf zwischen Bewachsen Nahrungsarmut überhaupt ausweichen, Fotos: Werner Gamerith (3) Werner Fotos: sen im Juni oder Juli geerntet werden, sind so gibt es auch im Gebirge unterschiedliche Andreas Riedmiller Foto: und Abtragen des Berges. Sein dünnes blü- übersiedeln beispielsweise Alpendohlen ins sie ein leuchtender Blumengarten, in dem Standorte, an die die Pflanzen angepasst hendes Kleid wird immer wieder von Mu- Tal,und der Mauerläufer ist sogar im Vorland Die Ortschaften des Lechtals haben einmal weiße Margeriten, woanders blauer sind.So wachsen die ziemlich frostempfind- ren oder Rutschungen zerrissen und lang- anzutreffen, wo er im Rüttelflug nicht nur ihre althergebrachte Struktur weitgehend Salbei,Storchschnabel und Glockenblumen, lichen Alpenrosen nur in Muldenlagen und sam wieder aufgebaut. Pflanzendecke und Felsen, sondern auch alte Mauern nach beibehalten, obwohl sie sich im Laufe Rote Lichtnelken oder gelbe Hahnenfuß-, nutzen die isolierende Schneedecke, die Boden werden ebenso wie die Formen der Gliederfüßlern absucht. Alle wechselwar- der Jahre zu Zentren des Sommertouris- Trollblumen- oder Klappetopfblüten den dort nicht weggeweht werden kann. Dafür Erosion von der Beschaffenheit des Unter- men Tiere müssen notgedrungen in Kälte- mus entwickelt haben, wie Ton angeben. Dazwischen finden Blumen- müssen sie eine lange Schneebedeckung im grundes geprägt. starre in geeigneten Schlupfwinkeln den (unten). freunde verschiedenste Orchideen und an- Frühling in Kauf nehmen. Dagegen ist die Winter überdauern, um den kurzen Berg- dere Kostbarkeiten unserer Pflanzenwelt. Gemsheide, ein kriechender Zwergstrauch, Sprödes Gestein sommer umso intensiver zur Fortpflanzung Wiesen waren in der Urlandschaft auf den ausschließlich an ausgesetzten, abgeblase- Das verbreitetste Gestein in den Lechtaler und Jugendentwicklung zu nutzen. Ein lan- schütteren Baumbestand der Kampfzone nen Graten zu finden und durch Frost- Alpen ist der Dolomit.Seine Sprödigkeit und ger, energiesparender Winterschlaf ist auch oberhalb der Baumgrenze und auf die daran schutzmittel im Zellsaft sowie durch kleine enge Klüftung bedingen die Herauswitte- die Strategie des Murmeltieres, während anschließende alpine Höhenstufe beschränkt. und ledrige Blätter gegen das Erfrieren ge- rung schroffer,markanter Berggestalten,die Schneehase und Schneehuhn sogar unter

Erst durch Rodung und Beweidung entstan- schützt.Auch die Gesellschaft des Blaugras- oft an ruinenhaftes Gemäuer erinnern. dem Schnee Nahrung suchen, durch ein Herbert Blank Foto: den die tiefer gelegenen Wiesen. Die unter- rasens mit Edelweiß und Alpenaster ist ex- Schon von weitem fallen auch die großen weißes Kleid getarnt sind und zu „Schnee- schiedlichen Vegetationszonen machen das trem unempfindlich gegen tiefe Tempera- Schuttfächer auf, die wegen ihrer Aktivität schuhen“ verbreiterte Sohlen besitzen. Die allgegenwärtigen Murmeltiere und der Wandern im Gebirge besonders reizvoll. turen, möchte aber im Frühjahr bald aus- kaum bewachsen sind.Die hohe Schuttpro- Den Mangel an warmen Plätzen zur Alpensalamander sind häufig zu beobach- Denn wenn wir im Sommer höher steigen, apern und gedeiht deswegen nur an steilen duktion dieses zum Gebirge aufgetürmten Eientwicklung überlisten Bergeidechse, tende Tiere der Region. gehen wir gleichsam auf eine Zeitreise zu- Felshängen. Manche Pflanzen wie Aurikeln Meeressediments ist wieder die Ursache für Kreuzotter und sogar manche Schnecken, rück in den Frühling,bis uns am Rande eines oder Schneerosen brauchen Kalk im Bo- den starken Gerölltrieb des Lech und seiner indem sie lebende Junge gebären. Einer der In jedem Herbst bietet die Hirschbrunft ein schmelzenden Schneefeldes in Aurikeln und den. Arnika, Bärtige Glockenblume oder Zubringer, für das steile Gefälle und die be- erstaunlichsten Lurche ist der Alpensala- eindrucksvolles Schauspiel der Natur. Alpenglöckchen die ersten Frühlingsboten Schwefelkuhschelle mögen es dagegen sondere Wildheit dieser Flüsse. mander,denn er umgeht das wasserbewoh- begegnen. Nach den Gesetzen der Gasphy- sauer. Auch sie finden geeignete Plätze im nende Larvenstadium, allerdings um den sik bewirkt der abnehmende Luftdruck,dass Kalkgebirge, wo eine dicke Humusauflage Angepasste Tierwelt Preis einer geringen Vermehrungsrate: Nur pro hundert Höhenmeter die Temperatur um gegen den mineralischen Untergrund ab- Ganz anders sehen die weich geformten alle zwei bis vier Jahre bringt ein Weibchen etwa einen halben Grad Celsius und die Ve- schirmt. Selbst die unruhigen Schutthalden Grasberge der mergeligen Allgäuschichten zwei kleine schwarze Salamander zur Welt. getationsperiode um eine Woche abnimmt. werden von spezialisierten Pflanzen als aus.Viel leichter als auf Dolomit bildet sich Während die Gämse ihren Kernlebens- Sinkt letztere unter hundert Tage,dann kön- Lebensraum genutzt. Täschelkraut, Lang- auf diesem tonreichen Gestein fruchtbarer raum im Krummholz hat und sich im Winter nen keine Bäume mehr gedeihen. Hier be- spornveilchen und Gemswurz zum Beispiel Boden,der die blumenreichen und nahrhaf- in den tiefer gelegenen Waldgürtel zurück- ginnt der alpine Klima- und Lebensraum. können mit langen Ausläufern verborgenes ten Wiesen trägt,für die das Lechtal und sei- zieht, ist der Steinbock vielleicht das ausge- Feinmaterial erschließen und Felsen über- ne Berge zu Recht berühmt sind. In allen prägteste Alpentier überhaupt.Denn er ver- Vegetationsstufen kriechen. Höhenstufen bilden diese saftiggrünen lässt die Hochregionen auch im Winter Nicht nur mit der Kälte müssen Alpenpflan- In der unwirtlichen Welt der Bergeshö- Berge einen lieblichen Gegensatz zu den ab- nicht, findet an abgeblasenen Stellen be- zen zurechtkommen. Auch Wind und Son- hen rührt die Pracht und Schönheit der weisenden Wänden und Gipfelaufbauten scheidene Äsung und im Fels windge- Foto: Friedrich Stettmayer Friedrich Foto: nenstrahlung nehmen mit der Höhe zu. Blumen besonders an unser Herz – viel- aus Dolomit oder Kalkgestein. schützte Ruheplätze. Als kühner Kletterer Georg Hofmann Foto:

24 DAV Panorama Nr. 4/2001 Nr. 4/2001 DAV Panorama 25 Foto: Werner Gamerith (oben) vor 100Jahrenstehengeblieben. erscheint dieLandschaft, alsseidieZeit AnblickBeim derOrtschaft Bschlabs Bevölkerung. der Lebensgrundlageneinheimischen Nach wievoristdieMilchwirtschaft eine Unterwegs 26 DAV Panorama MLECHTAL IM

Foto: Werner Gamerith Fotos: Andreas Riedmiller (3) besonderen Artenreichtum ökologisch sehr die halboffene Kulturlandschaft durch ihren ImGanzenistaber neue Bahnenöffneten. denverheerenden LawinenKahlschläge,die vor Jahrhunderten erfolgte unüberlegte kieren aufwändige Lawinenverbauungen Zwar mar- sich konnten. ausihmernähren Menschen den Alpenraum besiedelnund dass grundlegende Voraussetzungendafür, Milch von inForm ButterundKäsewaren Wiederkäuer sowie dieKonservierung von von Gras inmenschliche durch Nahrung Die VerwandlungWeideland zugewinnen. len Stellendurch Rodungen tiefer gelegt,um Die ursprüngliche Waldgrenze wurde anvie- Wertvolle Kulturlandschaft nahrungsreiche Jahreszeit. verlegung derkräftezehrenden Liebeindie mehrmonatige Keimruhe erlaubtdiese Vor- Eine sche fälltindenbeginnendenHerbst. derRothir- DieBrunftzeit Winter gefüttert. Wildtier von derJägerschaft durch den wird diesesgrößte heimische vorzugt, Standwild gegenüber dem Wechselwild be- bunden sindunddergängige Jagdbetrieb durch Siedlungen und Verkehrswege unter- Nachdem diese Wanderungen heute gen. die Flussauenundsogarins Vorland gezo- während derschneereichen Jahreszeit in Nur istdieseskönigliche Wild ursprünglich liegen diesozialen Verhältnisseist, ähnlich. trennten Rudeln. samt ihren Kitzeninnach Geschlechtern ge- leben dieSteinböcke unddieSteingeißen übrigerechnet Jahr indenHochwinter.Das diePaarungszeit ausge- gesetzt werden,fällt DamitdieKitzeimFrühling tig überlegen. Tier selbstdengewandten Gämseneindeu- ist diesesinderRuhesomassigwirkende und aufderAlpe Fallerschein imNamloserTal (oben)zeigen. Lechtals undhatdieRegionseitJahrhundertengeprägt,wieBilderbeiBschlabs (links) Die Vieh- undMilchwirtschaft isteinerdertraditionsreichsten Wirtschaftszweige des emRtish derim Wald zuHause Beim Rothirsch, gewässer.Der Regen istder Vater derFlüsse, Hohe Niederschläge erzeugen starke Fließ- Fluten. klaren Bäche zubraunen,reißenden Schatten. ser alsderstrenge Kontrast von Sonneund che ihre Licht Gestalten oftbes- modelliert kommen intensivere Farben unddaswei- Nahe am SteineundPflanzenbe- Wegrand. lenktdenBlick Ferne schleierte aufdas Diever- imRucksackSchirm zuhaben). denRegen zulieben(undeinen lernt, ImLechtal ich habe ge- nasse Landscheint. die Sonnewiederhervorkommt undaufdas scher leuchten Berge und wenn Vegetation, Umsofri- indenhöheren Lagen. Heuernte dieZeitder nat istausgerechnet derJuli, Derregenreichste Mo- Abregnen zwingen. gene feuchte Meeresluft stauen undzum weil siedievom Nordwestwind herangetra- einmal eineniederschlagsreiche Region, dem Landschaftsbild. Heumandlnimmermehraus malerischen nung undSilage verdrängen allerdings die Künstliche Heutrock- Schönwettertagen. und trocknet danninnerhalbvon wenigen zufaulen die häufigen Regenperioden,ohne Insolch luftiger Lage es überdauert hängt. die„Hoanz’n“ge- aufgestellte Holzkreuze, Gras von vielenfleißigen Händenaufzuvor Meist wird das noch mühsameHeuernte. denBesucherdruckt desLechtals dieimmer Stellestehen. lung anerster legungen überdiewirtschaftliche Entwick- bäuerlichen beiallenÜber- Landwirtschaft derklein- solltedieSicherung ten bleibt, nur durch pflegende Bewirtschaftung erhal- Dasie freundlich undanheimelnd. schön, Wir empfindensieaußerdem als wertvoll. Rasch werden beistarkem Regen die Nordalpen sindnun Apropos Regen:Die Neben dem Vieh aufden Almen beein- r /01Nr. 4/2001 Nr. 4/2001

Foto: Andreas Riedmiller (oben) auch imoberen Bereich eleganteSkulptu- DievierzigMetertiefe Klammzeigt halten. Modellierarbeit desströmenden Wassers er- standfester Felsspiel hatbesonders diese HölltalbeiBschlabs zumBei- ten wurden.Im die muldenförmige Gletscherbahn geschnit- dievom Bach nach derEiszeitin zeichnet, schnitt durch Schluchtstrecken gekenn- nannte Hängetäler inihrem untersten Ab- AlleSeitentälersindalssoge- fenerosion. erhöhte Gefällezurrückschreitenden Tie- An Trogtales. Talstufen hingegen zwang das bekamen dadurch denebenen Bodeneines aufgefülltder EiszeitmitFlussschottern und mäßig gestuftem Längsprofil. ungleich- aber belförmigem Querschnitt, weitete Täler zurück mitimIdealfall para- Nach ihrem Abschmelzen blieben aufge- andere Weise alsdasschmiegsame Wasser. hobelneineLandschaft aufeinevöllig terial gen Gewicht undmitgeführten Gesteinsma- Eisströmemitihrem gewalti- und formten. Meter mächtige Gletscher die Täler füllten alsbiszutausend den Eiszeitengeschaffen, Verkehrs- und Wirtschaftsräume. Talböden im Alpenraum alsidealeSiedlungs-, Aufschüttungen verdanken wirdieflachen Solchen geringerem Gefällewiederab. esbei undlagern talwärts Lockermaterial im Laufe derZeitgewaltige Mengen von siespülen Fließgewässern wesentlich,denn Landschaft istdas Transportvermögen von FürdieFormung der und Wasserfällen. Bächen drucksvoll inunzähligen Quellen, im niederschlagsreichen Lechtal sehrein- angetriebene Wasserkreislauf begegnet uns von derSonnenstrahlung verdunsten.Dieser gefallen undwird auch irgendeinmal wieder denn jeder Tropfen isteinmalvom Himmel und dieStendelwurz,sowiezahlreiche Vogel- undInsektenartengedeihenhiernoch ungestört,soauch dieDeutsche Tamariske (un lichen Kalkalpen undmitseinenAuwäldern einesderartenreichsten Biosphärenreservate.SelteneOrchideen wiederFrauenschuh ( Das ausgedehnteFlussbettdesLechs zwischen Weißenbach undStanzach istdieletzteursprünglich erhalteneFlusslandschaft ind Die übertieften Haupttälerwurden nachDie übertieften Eine ganzandere Landschaft wurde von Schotter naturbelassenerFlussstrecken wer- ckenen Lebensräume aufdemgroben richtige Bestände. bildenmanchmal ropäischen Orchideen, dieseprächtigsten eu- sowie Frauenschuh, Braunrote und Sumpfstendelwurz Vielfalt. se wachsen hierinseltenerFülle und beispielswei- undPrimeln deckt ist.Enziane Magerrasen voller Blumenbe- herrlichster dessenBodenmiteinem ren Kiefernwald, überflutete Terrassen tragen einenschütte- Weniger häufig tendsten Restvorkommen. Deutsche Tamariske daihre haben bedeu- scheinbare Knorpellattich unddieprächtige un- Der gewordene Wildflussspezialisten. auch aber selten nen undBachsteinbrech, blaugrü- und Alpendost, wie Alpenleinkraut Schuttbewohner derBerge findenwirhier wird rasch von Pioniergewächsen besiedelt. DasNeuland InselnundUfer. neue Rinnen, Jedesmal bildensich auf. als Schotterinseln beifallendem werden,tauchen Wasserstand bei Hochwasser verlagert amFlussgrund welche DieGeröllmassen, sind. noch übrig die bedeutendsten Verzweigungsstrecken, gen esamLech gezwungen die wurden,gibt Flüsse insKorsett von schweren Verbauun- überall inMitteleuropa heitswert.Nachdem heutzutage höchsten Selten- onsbereiche, nämlich Akkumulati- ligen Erscheinungen, diegegentei- haben Sehenswürdigkeiten,so Gelten naturbelasseneEngtälerschon als Naturschätze imSchutt Feststoffe sinddasSchleifmittel dafür. Die vor allembeiHochwasser mitgeführten formt derBach inder Tiefe anseinemBett. Heute wieseitJahrtausenden schleift und Streimbach obengeflossen noch dort ist. alsder ren von Kolken auseinerZeit, Die hellen,warmen undmeistrecht tro- Die hellen,warmen Monument derNaturgeformt. in Jahrmillionenzueinemimposanten wurde vomWildwasserdesGstreinbachs Die HölltalklammimBschlaber Tal DAV Panorama 27 ten). en nörd- oben)

Fotos: Werner Gamerith (3) Unterwegs IM LECHTAL

Tourenparadies Lechtaler Alpen

Radtouren am Lech musverband Ferienregion lohnende Aussichtsgipfel höchsten Gipfel der Lech- Kilometer von der Stutt- Familienfreundlich und Tiroler Lechtal bereitet ei- zur Auswahl: von Häsel- taler Alpen sind Kletterern garter Hütte östlich Zürs mustergültig angelegt prä- nen Radführer Lechtal vor, gehr sind Lichtspitze vorbehalten. Kaisers mit bis zur Wolfratshausener sentiert sich der Radwan- der im Herbst 2001 er- (2356 m, 4-4,5 Std.), dem Edelweißhaus ist Hütte oberhalb Lermoos derweg durch das Lechtal. scheinen soll. Infos unter Wannespitze (2362 m, Ausgangspunkt für Hahn- führt. Als „Königsetappe“ Mit geringen Steigungen Tel.: 0043/5634/5315, 4 Std., Übergang zur leskopf (2210 m, 2 Std.) dieser hochalpinen Berg- führt er großteils auf gut Fax: 0043/5634/5316, Karlespitze, 2378 m, 15 bzw. Griestaler Spitze fahrt gilt der Augsburger beschilderten Wirtschafts- E-Mail: [email protected] min) zu erreichen (Aufstieg (2622 m, 2 Std. vom Höhenweg, der sich als wegen und oft direkt am Hahnleskopf), für Pimig sehr anspruchsvolle Lech entlang über gut 50 (2406 m, über Mahdberg, Variante für den erfahrenen Kilometer von Reutte bis ca. 4 Std.), Schwarzer Berggänger empfiehlt. Von Steeg. Will oder kann man Kranz (2494 m, ca. 4 Std., der Ansbacher Hütte geht

Foto: Andreas Riedmiller Foto: nicht in einem durchradeln, Stellen II+) und Feuer- es über die Augsburger lässt sich die Strecke auch spitze (2854 m, ca. 1,5 Biwakschachtel und den Die Kiesbänke des mittleren Lechtals bieten Vogelarten wie dem Flussuferläufer (links) und Flussregenpfeifer die letzten Brutreviere. etappenweise aufteilen, Std. über das Kälberlahn- Dawinkopf (2968 m) zur Die Schnarrschrecke (Mitte oben) zählt zu den seltenen Insektenarten, die ausschließlich hier ihren Lebensraum haben. etwa folgendermaßen: zugjoch). Augsburger Hütte (8-10 Beim Füssener Lechfall verabschiedet sich der letzte Wildfluss der nördlichen Kalkalpen aus seiner ursprünglichen Form. 1: Reutte-Lechaschau- Die südlichen Seitentäler Std.), am Folgetag dann

Höfen-Weißenbach- Andreas Riedmiller Foto: des Lechtals bieten eine auf dem Spiehler Weg über den auch von besonders angepassten Tieren Pflanzendecke samt ihrer Unterlage davon, sporn für naturverträgliches Wirtschaften. Feldele- Die Seitentäler des Lech sind ein Dorado für Radler. Vielzahl weiterer lohnender die Patrolscharte (Abste- bewohnt. Als kiesbrütende Watvögel haben dafür wird anderswo Neuland gebildet.Die- Denn die Lebensräume der Wildflussland- (und zurück, ca. 48 km, Bergtouren, hier sei auf cher auf die Parseierspitze, Flussuferläufer und Flussregenpfeifer auf se Dynamik schafft die Voraussetzung für schaften bleiben nur erhalten, wenn der 130 Hm, 3,5 Std.), Aktiv im nassen Element auf beide Gipfel auch aus den Alpenvereinsführer mit 3036 m nördlichster solchen Schotterinseln Brutplätze und Pionierarten und insgesamt für den beson- Lech nicht weiter eintieft, sondern sein na- 2: Vorderhornbach-Klimm- Der Lech mit seinen 70 dem Gries Tal möglich); Lechtaler Alpen verwiesen, Dreitausender der Alpen) durchstöbern an den flachen Ufern ange- ders hohen Artenreichtum von Auen. Zwar türliches Regime behalten darf oder durch Häselgehr--Bach- Kilometern uriger Fluss- von Obergrünau bietet die der kompetent weiterhilft. zur Memminger Hütte schwemmtes Genist. Beim sommerlichen wurden auch am Lech seit Jahrhunderten die erwähnten Rückbaumaßnahmen wieder Stockach-Dürnau-Hägerau- landschaft eignet sich her- Ruitelspitze (2580 m, 4,5 Gleiches gilt für die nörd- (4,5-6 Std.). Wandern über spärlichen Bewuchs in den Flussbauten errichtet und erst dadurch Tal- bekommt. Steeg (und zurück, ca. 64 vorragend für Touren auf Std.) schöne Ausblicke, die lich in die Allgäuer Alpen Kürzer und weniger spekta- Lechauen fallen die Gefleckten Schnarr- böden urbar gemacht. Die zunächst er- Die Berge mit wasserspeichernden und km, 220 Hm, 4,5-5 Std.). dem Wasser. Besonders Peischelspitze (2424 m, abzweigenden Täler zu den kulär, dafür aber von einem schrecken auf.Solange sie am Boden sitzen, wünschte Eintiefung des Flusses drohte wasserstauenden Gesteinsschichten, mit Wer es gerne etwas an- Anfänger finden im leichten 4 Std.) ist ein selten be- Gipfeln der Hornbachkette Abwechslungsreichtum, Fotos: Georg Hofmann (2), Johann Waskala (Mitte unten) Georg Hofmann (2), Johann Waskala Fotos: bemerken wir sie in ihrem Tarnkleid kaum. aber außer Kontrolle zu geraten, nachdem ihren Verwitterungsprodukten, die von den strengender hat, kann mit Wildwasser des Lech den suchtes Ziel, das vom bzw. des Allgäuer Haupt- der seinesgleichen sucht, Sobald sie aber knapp vor uns auffliegen, im zwanzigsten Jahrhundert in einigen Sei- Flüssen aufgenommen, gerollt, geschliffen dem Mountainbike die idealen Einstieg für Kajak-, Aussichtspunkt „Scheibe“ kamms (siehe Alpenver- ist der „Stuttgarter Weg“, zeigen sie leuchtendrote Flügel und erzeu- tentälern Geschiebesperren und an man- und aus dem Gebirge befördert werden, all Seitentäler erkunden: von Canadier- oder Raftingtou- oberhalb Holzgau auf dürf- einsführer Allgäuer Alpen). der in 4-5 Tagen vom gen ein lautes Schnarrgeräusch, um im chen Lechstrecken schwere Steindämme das bestimmt den Charakter des Lech,bildet Weißenbach über den alten ren. Ausprobieren kann tig bezeichnetem Steig zu Edelweißhaus in Kaisers Von Hütte zu Hütte Augenblick der Landung wieder unsichtbar gebaut wurden.In den letzten Jahren öffnet mit ihm eine Ganzheit. Das Wasser ist darin Gaichtpaßweg Richtung man den Wildwassersport erwandern ist. Erfahrene über die Frederic-Simms- Tannheimer Tal oder durch bei der Lechtaler Wildwas- Alpinisten lockt die mit Als Kettengebirge bieten Hütte nach Madau, zum zu werden.Mit diesem Überraschungseffekt man die Sperren allmählich wieder und das verbindende Transport- und Informati- das Rotlechtal nach Rinnen serschule in Häselgehr, ihren gewaltigen N- und O- die Lechtaler Alpen beste Württemberger Haus und können sie sowohl Feinde verblüffen als trägt allzu beengende Einbauten ab,um dem onsmedium, dabei selbst wieder Lebens- bzw. zur Raazalp; von Tel./Fax: 0043/5634/6304, Abstürzen imponierende Voraussetzungen für Höhen- über die Hanauer Hütte auch Partner anlocken.Am Lech treffen wir Lech ein Mindestmaß an Raum und Material stätte für Algen und Gliederfüßler, Fische Klimm/ durch das Internet: www.fun-rafting.at. Holzgauer Wetterspitze wege entlang des Haupt- nach Boden im Bschlaber diese Art in Mengen an,aber anderswo ist sie zurückzugeben.Auch im Flussbau wird man und die vielen anderen Flussbewohner. Bschlaber Tal Richtung Wandertouren aus dem (2895 m). Von der Simms- kammes, zumal zahlreiche Tal führt. Hierzu hat die extrem selten oder ausgestorben. sich der Grenzen der Technik bewusst. Die Menschen des Tiroler Lechtals mus- ; von Elbigen- Lechtal Hütte ist sie über das urige Alpenvereinshütten Sektion Stuttgart den infor- Wiederkehrende Überflutungen ma- Der von der örtlichen Stromfirma beab- sten allezeit mit dem wilden Fluss ebenso alp ins Bernhardstal oder Wer eine der Lechtaler Ort- Fallenbacher Joch und die das Gebirge erschließen. mativen, naturkundlich ori- chen die Flussauen zwar zu einer unruhigen sichtigte Bau von einem Dutzend Wasser- kämpfen wie mit dem wilden Gebirge. Sie zum Wirtshaus Kasermandl schaften zum Stützpunkt mit Drahtseilen versehene Berühmt ist der Lechtaler entierten Führer „Naturer- Wohnstätte, reichern sie aber auch mit kraftwerken im inneren Tiroler Lechtal wur- schufen dabei eine Kulturlandschaft,die ge- und Richtung Hermann- gewählt hat und sich einen Südrinne zur erreichen Höhenweg, der in zehn lebnis Lechtaler Alpen“ Feuchtigkeit und nährenden, bodenbilden- de nach jahrzehntelangem Widerstand der rade durch die erhalten gebliebenen Reste von-Barth-Hütte; von Steeg Überblick über die Talschaft (3 Std., II), die anderen bis 15 Tagesetappen über herausgebracht. den Feinsedimenten an. In begrenzten Be- „Arbeitsgemeinschaft Tiroler Lechtal“, ei- von Wildnis einmalig ist.Heute erkennen sie nach Kaisers. Der Touris- verschaffen will, hat diverse Routen auf den sechst- eine Strecke von gut 100 gh reichen spült ein Hochwasser einmal die nem Zusammenschluss von Fachleuten, allmählich die naturräumliche Einzigartig- Alpin- und Naturschutzverbänden, endlich keit und Schönheit ihrer Heimat als behut- Literatur auch vom Land Tirol offiziell abgelehnt.Wir sam zu entwickelndes Wirtschaftspotenzial. begreifen heute ein Flusssystem als ganz- Wir können sie dabei unterstützen, indem Deutscher Alpenverein Sektion Stuttgart: heitlichen Organismus,in dem Eingriffe sich wir das Lechtal besuchen.Wer seine Flüsse, Naturerlebnis LECHTALER ALPEN auch weit flussabwärts folgenschwer aus- Berge und Menschen kennen gelernt und er- Zu beziehen über Tel.: 0711/62 70 04, wirken können. Große natürliche Überflu- lebt hat, auf welch faszinierende Weise sie Fax: 0711/6 15 93 87 tungsräume sind dagegen der beste und bil- zusammengehören und voneinander ab- Werner Gamerith: LECHTAL. ligste Hochwasserschutz. hängig sind, kommt gerne wieder. Eine Landschaft erzählt ihre Geschichte. Eine Wildflusslandschaft reagiert bei al- Verlagsanstalt Tyrolia ler Naturgewalt, die hier sichtbar wird, sen- Werner Gamerith ist als Autor, Fotograf Heinz Groth/Rudolf Wutscher: sibel auf Veränderungen im dynamischen vor allem durch Publikationen und zahlreiche Lechtaler Alpen. Gebietsführer für Wan- Gleichgewicht von Gefälle und Bettbreite, Diavorträge bekannt. 1984 verlieh ihm die derer und Bergsteiger. Bergverlag Rudolf Wasser- und Feststoffmengen. Daher ist der österreichische Bundesregierung den Konrad- Rother. Zu bestellen bei der DAV Service seit kurzem verordnete Schutz des Lechtals Lorenz-Preis für Umweltschutz, 1993 das GmbH unter Fax: 089/82 99 94-14 als „Natura 2000 Gebiet“ zugleich Zeichen Land Niederösterreich den Josef-Schöffel-Preis eines ökologischen Umdenkens und An- für Naturschutz.

28 DAV Panorama Nr. 4/2001 Nr. 4/2001 DAV Panorama 29 Unterwegs IM LECHTAL

Anna Stainer Knittel alias Geierwally Elbigenalp im Lechtal hat eine ganze Reihe von Künstlern hervorgebracht, die über Tirol hinaus bekannt geworden sind.Eine davon war Anna Rosa Knittel, die als Geierwally weltberühmt wurde.

Ausbruch aus dem Lechtal übersetzt in über zehn Sprachen und viele 1841 geboren und aus einer kunstsinnigen Male aufgelegt –, als Bühnenfigur in einem Familie stammend war Anna Knittel nicht rührseligen Volksstück. Denn die geschäft- nur zeichnerisch hochtalentiert, sondern stüchtige Wilhelmine v.Hillern schrieb auch eine selbstbewusste Frau, die ganz ihren „Renner“ bald zu einem Bühnenwerk und gar nicht dem üblichen Frauenbild um, das einige Jahre später sogar Stoff für des 19. Jahrhunderts entsprach und nie eine Oper bot. 1892 an der Mailänder Scala und nimmer ein Leben als Hausfrau und uraufgeführt, stand diese dann eher selten Bäuerin führen wollte. Obwohl „Malen nix auf dem Programm der Musikhäuser,bis sie is für die Lechtaler Weiberleut’“ – wie ihre 1990 anlässlich der Bregenzer Festspiele Mutter immer wieder betonte, konnte ein erfolgreiches Comeback erlebte. Anna Knittel der Enge und Armut ihres Zudem flimmerte die Geierwally in meh- Heimattales entkommen. Als Achtzehn- reren bekannten Filmen über die Lein- jährige verließ sie Elbigenalp und nahm in wand und wurde auch in einem Musical München das Studium der Malerei in verewigt. Angriff – in einer privaten „Vorschule“, Anna Knittel kümmerte der Geierwally-

denn die staatliche Akademie nahm damals Heimatmuseum Reutte Foto: Rummel wenig, obwohl das Theaterstück keine Frauen auf. Selbstporträt der Malerin Anna Stainer zu Annas Zeit auch in Innsbruck aufgeführt Die junge Anna war bereits regional Knittel (1841–1915), die als „Geierwally“ wurde.Tatsächlich hatte die Hillernsche bekannt geworden, hatte sie doch im berühmt wurde. Kunstfigur,die gegen patriarchalische Alleingang einen Adlerhorst in der Saxer- Gewalt rebelliert, wenig mit ihrem Vorbild wand ausgehoben, wozu kein Bursche den Anna Knittel nach etwa drei Jahren ins Anna Knittel zu tun. Die Wally der Dich- Mut gehabt hatte. Adler rissen Schafe auf Lechtal zurückkehren, um sich hier als tung fügt sich letztlich doch dem Frauen- den Bergweiden und wurden entspre- freischaffende Malerin ihr Brot selbst zu bild des 19. Jahrhunderts und endet in zer- chend gejagt.Anna hing also als mutige verdienen – für eine Frau des 19. Jahrhun- knirschter Unterwerfung, Anna Knittel Adlerjägerin über dem Abgrund am Seil, derts ein schier vermessenes Unterfangen! hingegen erlebte ein für jene Zeit untypi- gehalten vom Bruder und den anderen Doch Anna setzte sich durch. Ein von ihr sches Happyend. Burschen, während ihr Vater mit angeschla- gemaltes „Selbstporträt in der Lechtaler- gener Büchse auf die womöglich zurück- tracht“ wurde vom Tiroler Landesmuseum Liebesheirat kehrenden Elternvögel lauerte. So schweb- angekauft und bildete den Grundstein für Sie verliebte sich in Engelbert Stainer,einen te die „Geierwally“ ihrem Ruhm entgegen ein selbstständiges Künstlerleben. Sie ent- Gipsfigurengießer aus Innsbruck und (mit „Geier“ wurden im Volksmund alle wickelte sich zur beliebten Porträtistin und heiratete ihn 1867, allen familiären Wider- Greifvögel bezeichnet), kletterte in den anerkannten Alpenblumenmalerin.Von der ständen zum Trotz. Das Ehepaar hatte vier Adlerhorst und hob den Jungvogel aus. Die Wiener Weltausstellung gingen ihre Werke Kinder und führte ein glückliches Leben Aufsehen erregende Story ging durch die ins Ausland, nach Belgien, England und bis ins hohe Alter. Anna eröffnete in Gazetten – und Anna nach München, wo Amerika. Innsbruck einen gut gehenden Andenken- sie auch als „einziges Frauenzimmer unter laden und trug durch ihre künstlerische lauter Manderleut“ keine Angst zeigte. Die Geierwally Tätigkeit maßgeblich zum Familienunter- Aus Geldmangel und weil ihr als Frau ein geht um die Welt halt bei.

Foto: Andreas Riedmiller Foto: Stipendium versagt geblieben war,musste 1864 hatte Anna Knittel ihr Adlerabenteuer Anna Stainer-Knittel wurde zur Stamm- auf der Leinwand verewigt. Dieses Gemäl- mutter einer weitverzweigten Familie, die de regte die Autorin Wilhelmine v.Hillern heute zu den angesehensten in Tirol zählt. zu ihrem Erfolgsroman „Die Geierwally“ Bis zu ihrem Tod 1915 lenkte sie tatkräftig an. Anna wurde zur Walburga,der Adler und mutig ihr Schicksal und das ihrer zum Geier,der Schauplatz ins bekanntere Familie. Und sie gab ihre künstlerische Ötztal verlegt. Die Geierwally war geboren Begabung weiter: Wer heute eine Auffüh- und trat ihren Siegeszug an, als Heldin rung der Freilichtbühne „Geierwally“ in eines herzzerreißenden Heimatschinkens – Elbigenalp besucht, kann dort die Musik Elbigenalp ist das kulturelle Zentrum des von Toni Knittel erleben,eines Nachkom- Lechtals und bietet mit den „Geierwally- men der Anna,der sich als Dialektsänger Festspielen“ alljährlich eine Attraktion für mit dem Duo „Bluatschink“ einen Namen die Besucher. über das Lechtal hinaus gemacht hat. gh

30 DAV Panorama Nr. 4/2001