Nominierung zur Eintragung in die UNESCO Welterbeliste

Managementplan

Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Impressum

»»Herausgeber: Freie und Hansestadt Kulturbehörde/ Denkmalschutzamt Große Bleichen 30, 20354 Hamburg Tel./ Fax: 040/ 42824-750/ 42731-0008

»»Autoren: Michael Kloos mit Martin Ritscherle Kunibert Wachten scheuvens + wachten Friedenstraße 18, 44139 Dortmund

Institut für Städtebau und Landesplanung, UNESCO Chair in World Cultural and Urban Landscapes RWTH Aachen University Wüllner Str. 5b, 52062 Aachen

»»in Zusammenarbeit mit:

Freie und Hansestadt Hamburg Dr. Agnes Seemann Kulturbehörde/ Denkmalschutzamt Projektleitung Welterbe Große Bleichen 30, 20354 Hamburg Tel./ Fax: 040/ 42824-750/ 42731-0008

»»Layout: scheuvens + wachten (Dortmund)

»»Druck: elbblut, Hamburg Nominierung zur eintragung in die UNESCO WELTERBELISTE SPEICHERSTADT und Kontorhausviertel mit Chilehaus MANAGEMENTPLAN 4 I I 5

Inhalt

1. Einleitung 9 1.1 ziel des Managementplans 9 1.2 die Idee des Welterbes und der Welterbekonvention 11 1.3 Koordination des Nominierungsprozesses 12 1.4 rechtlicher Status von Welterbestätten und des vorliegenden Managementplans 12 1.5 Struktur des Managementplans 13

TEIL I_BESCHREIBUNG 15

2. Beschreibung der Stätte 17 2.1 Kenndaten des Orts und der Umgebung 17 2.2 geschichte und Beschreibung der Hamburger Speicherstadt und des Kontorhausviertels 17 2.2.1 geschichtlicher Hintergrund der Entstehung der Speicherstadt 18 2.2.2 geschichte und Entwicklung des Kontorhausviertels 32

3. Welterbeeigenschaften 39 3.1 vorschlag zur Feststellung der Bedeutung der Stätte 39 3.2 außergewöhnlicher universeller Wert 40 3.3 Integrität 41 3.4 Authentizität 41 3.5 Schutz- und Verwaltungsplan 42

4. Schutzgut, Schutzziele und rechtliche Instrumente zum Erhalt und zur nachhaltigen Weiterentwicklung des zukünftigen Welterbes 43 4.1 Schutzgut 43 4.2 Schutz- und Leitziele 43 4.3 Welterbekonvention und internationale Vereinbarungen 45 4.3.1 die Welterbekonvention 45 4.3.2 arbeitsrichtlinien (Operational Guidelines) 46 4.3.3 Chartas und Erklärungen 46 4.4 Nationale und landesrechtliche Gesetze und Planungssysteme 47 4.4.1 Baugesetzbuch (BauGB) 47 4.4.2 Hamburgische Bauordnung (HBauO) 47 4.4.3 Flächennutzungsplan 48 4.4.4 Bebauungsplan 48 4.4.5 entlassung der Speicherstadt aus dem Hafenentwicklungsgesetz und Bebauungsplan Speicherstadt 48 4.4.6 denkmalschutzgesetz Hamburg 49 6 I

5. Welterbegebiet 51 5.1 Welterbegebiet 51 5.2 Pufferzone 52 5.3 Sichtverbindungen, Silhouetten- und Panoramaschutz 53 5.3.1 Sichtverbindungen von der Innenstadt zum Welterbegebiet 53 5.3.2 Sichtverbindungen innerhalb der Speicherstadt 56 5.3.3 Sichtverbindungen von der zum Welterbegebiet 58 5.3.4 Weitere Sichtverbindungen 59

TEIL II_VERWALTUNG UND MANAGEMENT 61

6. Verwaltung des Welterbes – Koordination und Organisation 63 6.1 Koordination 63 6.1.1 Welterbekoordination und behördenübergreifende Lenkungsgruppe 63 6.1.2 Beteiligte, Behörden und Interessengruppen 65 6.1.3 eigentumsverhältnisse und Trägerschaft 66 6.2 monitoring und Qualitätssicherung 67 6.2.1 regelmäßige Berichterstattung 67 6.2.2 reaktive Überwachung 67 6.2.3 vorbeugende Überwachung 67 6.2.4 Konfliktmanagement 67

TEIL III_DIE ZUKUNFT DER WELTERBESTÄTTE 69

7. Planungs- und Handlungsgrundlagen 71 7.1 Planungs- und Handlungsgrundlagen 71 7.1.1 innenstadtkonzept Hamburg 2010 71 7.1.2 Speicherstadt Hamburg Entwicklungskonzept 72 7.1.3 verordnung zur Gestaltung der Speicherstadt 73 7.1.4 gestaltungshandbuch Speicherstadt 74 7.1.5 Bebauungsplan Speicherstadt 74 7.1.6 internationale Grundlagen und Richtlinien 74

8. Mögliche Risiken im Hinblick auf die Erhaltung der Welterbestätte 75 8.1 entwicklungsdynamik und Nutzungsveränderungen 75 8.2 Wohnen in der Speicherstadt 76 8.3 Hochwasserschutz 77 I 7

8.4 Bestehende Flutschutzanlagen und Erlebbarkeit der Speicherstadt 78 8.5 Standsicherheit der Kaimauern unter den Speichern und unter den Straßen 79 8.6 Verkehr 79 8.7 Barrierefreiheit 79 8.8 Auswirkungen aufgrund von Besuchern / Touristen 80 8.9 Behutsame Neuordnung von Bereichen und Neubauten in der Pufferzone 80 8.10 Schlüsselindikatoren für die Bewertung des Erhaltungszustandes 80

9. Strategische Maßnahmen und prioritäre Projekte 81 9.1 erhalten und Bewahren 81 9.1.1 Gestaltungskonzept Kontorhausviertel 81 9.1.2 Stärkung der Verbindung zwischen Kontorhausviertel und Speicherstadt 82 9.1.3 Stärkung und Erhaltung weiterer Sichtverbindungen 84 9.1.4 Sicherung der Holzpfahlgründungen der Speicherblöcke und der Kaimauern 84 9.1.5 Behutsame Neuordnung von Verkehr und Erschließung der Speicherstadt 85 9.2 identität und Kontinuität 85 9.2.1 Nachhaltige Nutzung des Gebäudebestandes 86 9.2.2 Kontinuität, Identität und Lebensqualität durch nachhaltige Umnutzungen in der Speicherstadt 86 9.3 Sensibilisierung und Information 88 9.3.1 einrichtung eines Welterbe-Informations-Zentrums 88 9.3.2 einbettung und Vernetzung der Bildungs- und Vermittlungsarbeit im lokalen und internationalen Kontext 89 9.4 zentrale Projektlinien 91

10. Ressourcen 93 10.1 Personal 93 10.2 Finanzierung 93 10.2.1 erhalt und Pflege 93 10.2.2 gründung einer Stiftung zur Unterstützung der Erhaltung und der Vermittlungsarbeit der Welterbestätte 93

11. Literatur- und Abbildungsverzeichnis 95 11.1 Literatur 95 11.2 Abbildungen 96 8 I I 9

1. Einleitung

1.1 Ziel des Managementplans erfordert. Das Ensemble „Speicherstadt und Kon- torhausviertel mit Chilehaus“ stellt in diesem Sinne Die Freie und Hansestadt Hamburg beabsichtigt, das ein „lebendiges Schutzgut“ dar. Ziel des vorliegen- Ensemble „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit den Managementplans ist es deshalb insbesondere, Chilehaus“ für die UNESCO-Welterbeliste zu nomi- die Sicherung des „außergewöhnlichen universellen nieren. Mit der Eintragung in die Welterbeliste gehen Werte“ der zukünftigen Welterbestätte mit den er- das Ensemble „Speicherstadt und Kontorhausviertel forderlichen Maßnahmen zu deren nachhaltiger Wei- mit Chilehaus“ im Sinne der Welterbekonvention terentwicklung zu vereinbaren. Der vorliegende Ma- in den gemeinsamen Besitz der Menschheit über. nagementplan dient in diesem Zusammenhang als Gleichzeitig entsteht für die Freie und Hansestadt ein strategisches Instrument, um Ziele im Hinblick Hamburg die Verpflichtung, alles dafür zu tun, um auf die Erhaltung und eine nachhaltige Entwicklung das zukünftige Welterbe im Sinne der Welterbekon- zu definieren, Handlungsbedarf zu evaluieren, um vention für kommende Generationen zu erhalten. Konflikt- und Synergiebereiche aufzuzeigen und prio- Mit der Entscheidung, das Ensemble „Speicher- ritäre Maßnahmen und Projekte festzulegen. stadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ für die Welterbeliste zu nominieren, sind deshalb weitrei- chende Verpflichtungen für die Freie und Hansestadt Hamburg verbunden. Die Nominierung für die Welt- erbeliste der UNESCO ist jedoch auch eine große Chance, um durch die Sicherung eines einzigartigen Zeugnisses der kulturellen Entwicklungsgeschichte Hamburgs eine Erhaltung respektive Steigerung der Lebensqualität der Bewohner Hamburgs zu erzielen und gleichzeitig die Attraktivität Hamburgs für Besu- cher zu steigern. Vor diesem Hintergrund wurde der hier vorliegende Managementplan von der Freien und Hansestadt Hamburg erarbeitet, um für die er- folgreiche Bewältigung der mit der Nominierung zum Welterbe einhergehenden zukünftigen Aufgaben die zentralen Leitlinien, Instrumentarien und Organisati- onsstrukturen zu definieren.

Hamburg ist eine dynamische, sich ständig im Ver- änderungsprozess befindende Stadt. Das Umfeld der Speicherstadt und des Kontorhausviertels war in den letzten Jahren signifikanten Veränderungen unterworfen und auch zukünftig werden hier Trans- formationen stattfinden, die nicht zuletzt auch Aus- wirkungen auf die Verkehrsplanung und die äußere Erschließung nach sich ziehen werden. Auch das für das UNESCO-Welterbe nominierte Gebiet selbst soll zukünftig unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bewirtschaftet werden, was Bewegungsspielräume Abb. 1: Luftbild der Speicherstadt 10 I

Abb. 2: Luftbild Kontorhausviertel

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich gesetz- Ein weiteres zentrales Ziel des Managementplans lich zum Schutz ihres kulturellen Erbes verpflichtet ist es, die Erhaltung der zukünftigen Welterbestät- und setzt sich bereits seit langer Zeit mit dem Erhalt te mit den weiteren Planungszielen der Freien und und der Sicherung des Ensembles „Speicherstadt Hansestadt Hamburg zu verknüpfen. Die Freie und und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ auseinander. Hansestadt Hamburg hat für die zukünftige Entwick- Die Speicherstadt und das Kontorhausviertel ste- lung des potenziellen Welterbegebiets bereits auf hen bereits seit 1991 beziehungsweise 1983 nach unterschiedlichen Ebenen planerische Richtlinien Hamburger Denkmalrecht unter Denkmalschutz. Die erstellt. Der Managementplan baut auf diesen Richt- Eigentümer des Gebäudebestandes der Speicher- linien auf und soll deren Vereinbarkeit mit den inter- stadt, der sich von wenigen Ausnahmen abgesehen nationalen Anforderungen, die an Welterbestätten im Besitz der Hamburger Hafen und Logistik AG gestellt werden, gewährleisten. Auch hierfür werden (HHLA) befindet, sowie die verschiedenen Eigentü- die erforderlichen Richtlinien und Organisationswe- mer der Immobilien des Kontorhausviertels unter- ge aufgezeigt. Ebenfalls gilt es, die unterschiedlichen stützen die Stadt mit ihrer Kompetenz und Erfahrung Interessen von Nutzern, Bewohnern sowie der wach- bei ihren Erhaltensbemühungen. Da diese Erfahrun- senden Anzahl von Besuchern des zukünftigen Welt- gen für das erfolgreiche Management der zukünfti- erbegebiets in das Management der Welterbestätte gen Welterbestätte von erheblicher Bedeutung sind, mit einzubeziehen. Der Managementplan zeigt auf, werden auch sie im vorliegenden Managementplan wie diese unterschiedlichen lokalen Handlungsebe- berücksichtigt. nen mit den internationalen Richtlinien der UNESCO sowie deren beratenden Organen ICOMOS und ICCROM verbunden werden. I 11

Insgesamt richtet sich der vorliegende Manage- Bundesrepublik Deutschland ist dem Übereinkom- mentplan für die zukünftige Welterbestätte an alle men am 23. August 1976 beigetreten. Die Freie und Personen aus Verwaltung, Eigentümerschaft, Be- Hansestadt Hamburg hat sich in § 7 Abs. 8 Denkmal- wohnern, gewerblichen und privaten Mietern, Wirt- schutzgesetz Hamburg verpflichtet, bei Maßnahmen schaft, Tourismus und Öffentlichkeit, die am Schutz und Planungen die Verpflichtung zur Bewahrung des und an der nachhaltigen Weiterentwicklung des En- Kulturerbes dieses Übereinkommens zu berücksich- sembles „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit tigen. Mit der Unterzeichnung der Welterbekonven- Chilehaus“ teilhaben und interessiert sind. tion erkennen die Vertragsstaaten die internationale Verpflichtung an, die innerhalb ihrer Grenzen gelege- Die Nominierung des Ensembles „Speicherstadt und nen Welterbestätten zu schützen und für zukünftige Kontorhausviertel mit Chilehaus“ für die UNESCO- Generationen zu erhalten. Heute umfasst die Liste Welterbeliste ist ein Projekt, das von der Freien und des Welterbes mehr als 900 Kultur- und Naturstätten Hansestadt Hamburg und den Eigentümern der in allen Weltregionen. Deutschland ist mit 36 Welter- Schutzgüter gemeinschaftlich auf den Weg gebracht bestätten in der Liste vertreten (Stand 2012). wurde. Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Eigentümer unternehmen gemeinsam mit der Bun- Leitidee der Welterbekonvention ist die „Erwägung, desrepublik Deutschland größtmögliche Anstrengun- dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außerge- gen, einen weitreichenden Schutz mit einer nachhal- wöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil tigen Weiterentwicklung des zukünftigen Welterbes des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten wer- zu vereinbaren und in diesem Sinne den Anforde- den müssen“ (aus der Präambel der Welterbekon- rungen der Welterbekonvention zu entsprechen. Die vention). Kulturdenkmäler und Naturerbestätten wie Nominierung wird von den politischen Ebenen und die Pyramiden von Gizeh, das Taj Mahal, die Ruinen der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt und des griechischen Olympia, Ayers Rock oder der Grand uneingeschränkt unterstützt. Canyon gehören nach dem Verständnis der Welterbe- konvention somit nicht allein dem Staat, auf dessen 1.2 Die Idee des Welterbes und der Territorium sie sich befinden. Sie sind vielmehr ideel- Welterbekonvention ler Besitz der gesamten Menschheit. Der Verlust eines dieser höchst kostbaren Güter durch Verfall oder Un- Die UNESCO engagiert sich weltweit für die Erhal- tergang wäre eine Schmälerung des Erbes aller Völker tung des kulturellen und natürlichen Erbes und die der Welt. Folglich muss die Völkergemeinschaft auch Förderung der kulturellen Vielfalt. Mit dem Überein- die gemeinsame Verantwortung für das Erbe der Welt kommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes übernehmen. Da mit der Anerkennung zum Welter- der Welt (fortan kurz: Welterbekonvention) hat die be keine finanziellen Zuwendungen der UNESCO UNESCO das weitreichendste völkerrechtliche Über- verbunden sind, verpflichten sich die betreffenden einkommen geschaffen, das jemals von der interna- Regierungen und lokalen Instanzen,­ die Schutz- und tionalen Staatengemeinschaft zur Bewahrung ihres Erhaltungsmaßnahmen eigenständig zu finanzieren. gemeinsamen kulturellen und natürlichen Erbes be- schlossen worden ist. Es wurde am 16. November Bei der Auswahl von Welterbestätten richtet sich das 1972 auf der 17. Generalkonferenz der UNESCO ver- Welterbekomitee nach Kriterien, die in der Welter- abschiedet und trat am 17. Dezember 1975 in Kraft. bekonvention festgelegt sind. Das wichtigste Aus- Bis heute haben mehr als 185 Staaten das Überein- wahlkriterium ist der „außergewöhnliche universelle kommen ratifiziert, so dass die Welterbekonvention Wert“ eines Kultur- oder Naturerbes. Weitere we- als weltweit gültig angesehen werden kann. Die sentliche Kriterien sind die Einzigartigkeit, die Au- 12 I

thentizität (historische Echtheit) und die Integrität 1.4 Rechtlicher Status von (Unversehrtheit) der Stätte. Zentrale Bausteine für Welterbestätten und die Erhaltung von Welterbestätten sind die internati- des vorliegenden onalen Apelle, Entschließungen, Empfehlungen und Managementplans Chartas. Wesentliches Ziel des vorliegenden Ma- nagementplans ist es, zu gewährleisten, dass die- UNESCO-Welterbstätten werden seitens der Mit- jenigen Kriterien, die den einzigartigen universellen gliedstaaten der Welterbekonvention für die Ein- Wert des Ensembles Speicherstadt und Kontorhaus- tragung in die UNESCO-Welterbeliste nominiert. viertel mit Chilehaus ausmachen, gesichert und die Formell obliegt deshalb die Nominierung von „Spei- in diesem Zusammenhang anvisierten Maßnahmen cherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ mit den internationalen Richtlinien zur Umsetzung der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund des der Welterbekonvention zusammengeführt werden. föderalen Systems innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, in der das Kulturwesen Sache der ein- 1.3 Koordination des zelnen Bundesländer ist, erfordern Nominierung und Nominierungsprozesses Management von UNESCO-Welterbestätten eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Innerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg liegt UNESCO-Welterbestätten befinden sich auf dem die Verantwortung für das Nominierungsvorhaben Territorium einzelner Staaten, die sich verpflichten, bei der Kulturbehörde Hamburg, Frau Senatorin Prof. für deren Erhalt für kommende Generationen zu sor- Barbara Kisseler. Das Denkmalschutzamt, dem die gen. Sie unterliegen deshalb juristisch gesehen dem Koordinierung des Nominierungsvorhabens obliegt, Völkerrecht. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich ist eine Abteilung dieser Behörde. Sie können die eine Überlagerung internationaler, nationaler und lan- Verantwortlichen im Denkmalschutzamt über folgen- desrechtlicher gesetzlicher Bestimmungen. Dies ist de Kontaktdaten erreichen: ein wesentlicher Grund dafür, dass die UNESCO in- nerhalb der Operationalen Richtlinien die Erstellung Freie und Hansestadt Hamburg, Denkmalschutzamt, von „Managementplänen“ einfordert. Große Bleichen 30, D-20534 Hamburg Andreas Kellner, Leiter, Managementpläne haben im deutschen Planungs- Tel: 0049-(0)40-42824-701, recht prinzipiell nicht den rechtlichen Status her- Email: [email protected] kömmlichen Bau- und Planungsrechts. Der vorlie- Dr. Agnes Seemann, Projektleitung Welterbe, gende Managementplan besitzt jedoch vor dem Tel: 0049-(0)40-42824-750, Hintergrund des komplexen rechtlichen und orga- Email: [email protected] nisatorischen Hintergrundes sowie der hohen fach- lichen Anforderungen, die die Sicherung und nach- Den Verantwortlichen des Denkmalschutzamts ob- haltige Weiterentwicklung komplexer Schutzgüter liegt ebenfalls die Koordination des Nominierungs- wie das Ensemble „Speicherstadt und Kontorhaus- vorhabens mit den internationalen Advisory Bodies viertel mit Chilehaus“ erfordern, insbesondere im der UNESCO, insbesondere ICOMOS International Hinblick der Koordination und Vernetzung der unter- sowie dem Welterbezentrum als dem Sekretariat schiedlichen Handlungsebenen eine außerordentlich des Welterbekomitees, das letztlich über die Aufnah- hohe Bedeutung. Eine optimale Verknüpfung des me in die Welterbeliste entscheidet. Managementplanes mit bestehenden Gesetzen, Planungsgrundlagen und -richtlinien der Freien und Hansestadt Hamburg, insbesondere mit dem Denk- I 13

malschutzgesetz und der bestehenden Bauleitpla- »»Teil II - Verwaltung und Management: nung, ist daher für sein Funktionieren unabdingbar. Daneben besitzt die optimale Koordination des Ma- Erläuterungen zur Verwaltung und zum Manage- nagementplans mit bestehenden Planwerken und ment, grundlegender Leitziele zur Entwicklung des Planungszielen der Freien und Hansestadt Hamburg zukünftigen Welterbes sowie möglicher Gefähr- eine sehr große Wichtigkeit. In diesem Zusammen- dungspotenziale. hang will der vorliegende Managementplan für alle beteiligten Akteure Orientierung bieten. »»Teil III - Die Zukunft der Welterbestätte

1.5 Struktur des Managementplans Erläuterung wesentlicher Planungsgrundlagen und Handlungskorridore zur Erhaltung und nachhaltigen Die Struktur des vorliegenden Managementplans Entwicklung des zukünftigen Welterbes. gestaltet sich wie folgt:

»»Teil I - Beschreibung:

Geschichte und Beschreibung der Stätte, Vorschlag zur Feststellung der Bedeutung der Stätte, Erläute- rungen zur Definition des Welterbegebietes sowie zentraler Schutz- und Leitziele und rechtliche Instru- mente zum Erhalt und zur nachhaltigen Weiterent- wicklung des zukünftigen Welterbes.

Abb. 3: Blick auf die Speicherstadt und das Kontorhausviertel von Osten

TEIL I_BESCHREIBUNG 16 I I 17

2. Beschreibung der Stätte

2.1 Kenndaten des Orts und der 2.2 Geschichte und Beschreibung Umgebung der Hamburger Speicherstadt und des Kontorhausviertels »»Name: Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus Im 19. Jahrhundert begann sich die Globalisierung der Wirtschaft und des Handels zu intensivieren. »»Staat, Provinz oder Region: Diese Entwicklung hatte nicht nur große Auswirkun- Deutschland / Freie und Hansestadt Hamburg gen auf die Weltwirtschaft, sondern u.a. auch auf die städtebauliche Entwicklung der Hafen- und Han- »»Lage: delsstädte. Im ausgehenden 19. und beginnenden Das Welterbe-Gebiet liegt im Norden Deutschlands 20. Jahrhundert setzte in den Metropolen der Welt in der Freien und Hansestadt Hamburg, unmittelbar ein Prozess der Citybildung ein, der weltweit immer südlich angrenzend an die historische Innenstadt. mehr Innenstädte erfasste und zu einer funktionalen Das Welterbe-Gebiet misst von West nach Ost un- Entmischung sowie zur Verdrängung der Wohnbevöl- gefähr 1,5 Kilometer. kerung und anderer Nutzer durch den expandieren- den tertiären Sektor führte. »»Koordinaten: UTM 32N: Ost 56605; Nord 593343 In der Hafenstadt Hamburg, die innerhalb weniger Jahrzehnte in die Spitzengruppe der Welthäfen auf- »»Umfang: stieg, führte dies zu einem radikalen Umbau und ei- Welterbegebiet: 26,08ha nem systematischen Transformationsprozess der In- Pufferzone: 56,17ha nenstadt. Zwei historische Ereignisse Ende des 19.

Altstadt

Burchardplatz Ludwig-Erhard-Straße

Willy-Brandt-Straße

Zollkanal Oberhafen W S X U P V Bei den Mühren R Ericusgraben Q Zollkanal H Baumwall Binnenhafen Kehrwieder E G D O BrooksfleetN Brooktorhafen M L Freie und Hansestadt Hamburg K Magdeburger Hafen Am Sandtorkai Kulturbehörde Am Sandtorkai Denkmalschutzamt

Sandtorhafen Karte zum Welterbeantrag Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus

Legende Welterbegebiet Geschütztes Ensemble DSchG Hamburg Objekte Flächen/Außenanlagen E lb e Wasserflächen Pufferzone Stand: 17. Dezember 2012 Projektion: UTM32 Lagebezugssystem: ETRS89 Kartenhintergrund: DSGK (LGV, Oktober 2011) Maßstab: 1:10.000 Meter 0 100 200 300 400 500 ¸

Abb. 4: Lage des Welterbegebietes in Hamburg 18 I

Jahrhunderts waren für dafür von entscheidender 2.2.1 Geschichtlicher Hintergrund der Bedeutung: der Beitritt Hamburgs zum Deutschen Entstehung der Speicherstadt 1888 und eine verheerende Cholera-Epi- demie 1892. Die Speicherstadt entstand im Zuge der Einbeziehung Hamburgs in das Zollinland des Deutschen Reiches. Der Beitritt zum Deutschen Zollverein hatte im Vorfeld 1866 wurde Preußen durch die Annektierung des Kö- die Vertreibung von 16.000 Bewohnern der Brook- nigreichs Hannover und Schleswig-Holsteins unmittel- inseln und den Bau der Speicherstadt zur Folge, die barer Nachbar und Gesprächspartner Hamburgs. Ham- verheerende Cholera-Epidemie 1892, die rund 8600 burg trat dem norddeutschen Bund bei und gehörte ab Todesopfer gefordert hatte, die Sanierung großer Tei- 1871 zum Deutschen Reich. Zunächst wirkte sich diese le der Innenstadt. Der Hamburger Senat kaufte dafür Einigungspolitik für die alte Freie und Hansestadt po- systematisch Grundstücke auf und gab sie, nachdem sitiv aus: Mit dem ersten Köhlbrandvertrag wurde der die darauf bestehenden Gebäude nahezu vollstän- moderne Hafenausbau auf den Elbinseln ermöglicht dig abgebrochen worden waren, nach einer umfas- (1866 Bau des Sandtorhafens als erstes künstliches senden städtebaulichen Neuordnung wieder an den Hafenbecken unter Ausnützung des südlichen Stadt- Markt , um sie von privaten Investoren neu bebauen grabens); die ebenfalls nach 1866 erfolgte Verknüpfung zu lassen. Fast 50.000 Bewohner der Innenstadt wa- der drei Eisenbahnlinien machte Hamburg zum wich- ren von diesen Sanierungsmaßnahmen betroffen. tigsten Verkehrsknotenpunkt im Norden. Doch mit der von Bismarck als Reaktion auf die wirtschaftliche De- Innerhalb weniger Jahrzehnte wandelte sich die pression und die englische Konkurrenz auf dem Welt- Hamburger Innenstadt damit in der Zeit des späten markt verfolgten Schutzzollpolitik drohte Hamburg der 19. und des frühen 20.Jahrhunderts von einer Stadt Verlust des alten Freihandelsprivilegs und damit der mit vorindustriellem Charakter zu einer modernen Zusammenbruch des Handels. 1881 wurde als Kom- City mit monofunktionalen Quartieren, die einzig promiss der begrenzte Freihafen ausgehandelt. auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Großstadt, des Handels und des Welthafens Hamburgs ausge- 2.2.1.1 Entstehung der Speicherstadt richtet war. Zwei dieser Viertel, die in engem räumli- chen und funktionalen Zusammenhang stehen, weil Zur zollfreien Lagerung von Waren mussten in gro- sie als „wirtschaftliche Gegenstücke“ miteinander ßer Zahl neue Speicher im Freihafen errichtet wer- zusammenhängen und von großer historischer und den. 1882 wurde daraufhin ein technischer General- wirtschaftlicher Bedeutung für die Hafen- und Han- plan für den Freihafen erarbeitet, der eine Trennung delsstadt Hamburg sind, sind innerhalb respektive von schnellem Umschlag und von Speichern für län- unmittelbar südlich der Hamburger Altstadt erhalten: gere Lagerung und Veredelung der Waren vorsah. Während der schnelle Umschlag über Kaischuppen -- die Hamburger Speicherstadt, der Lagerkomplex sichergestellt werden sollte, die als lange, meist ein- für die über den Hafen importierten bzw. veredel- geschossige Reihen am seeschifftiefen Wasser lagen ten und umgeschlagenen Güter, und lediglich zum Sortieren und Verteilen der für den Weitertransport vorgesehenen Waren dienen sollten, -- das Kontorhausviertel mit den Kontoren der hafen- beschloss man, das Speichern, das viel Lagerraum und schifffahrtsabhängigen Unternehmen nördlich erforderte, an wenigen Stellen zu konzentrieren und des Zollkanals. mehrbödige Speicherbauten an schmaleren, nur von Schuten befahrbaren Kanälen zu errichten. Mit der Begründung, dass es bei diesen meist empfindlichen I 19

Abb. 5: Situation der Brookinseln vor und nach Errichtung der Speicherstadt

Gütern nicht unbedingt auf Schnelligkeit, sondern auf blocks W entstand allerdings erst 1927, als nördlich schonende Aufbewahrung ankäme, nahm man das des Zollkanals bereits die ersten Kontorhäuser im damit verbundene doppelte Verladen in Kauf. Kontorhausviertel errichtet wurden, übrigens in ver- gleichbar fortschrittlichem Stil. Nach längeren Diskussionen und Erörterung vieler Alternativen wurde auch der Ort festgelegt, an de- Für den Bau der Speicherblöcke wurden ab 1883 das nen die notwendigen neuen Speicher in konzent- Kehrwieder- und Wandrahmviertel mit ca. 1.000 Häu- rierter Form entstehen sollten: Mit Rücksicht auf sern geräumt und abgerissen, was die Dislokation kurze Wege zu den Handelshäusern und der Börse von ca. 16.000 Einwohnern zur Folge hatte. Die histo- wählte man den südlichsten Teil der Hamburger In- rische Topographie des vor allem im 17. und 18. Jahr- nenstadt, die schmalen, sich von Westen nach Os- hundert bebauten Gebietes war damit ausgelöscht. ten hinziehenden Brookinseln, die im Süden durch den damals modernsten Teil des Hafens, den Sand- 2.2.1.2 Die Bauherren und Nutzer der torhafen begrenzt­ wurden. 1883 wurde der westli- Speicherstadt che Teil des Quartiers bis zur Kannengießerbrücke abgerissen; durch die Begradigung und Vertiefung Um den Bau der Speicherstadt und weiterer Lager- der Fleete entstanden befahrbare Kanäle; 1885 bis häuser im Freihafen privat zu finanzieren, wurde am 1888 errichtete man hier den ersten, 1891 bis 1896 7. März 1885 die HFLG Hamburger Freihafen-Lager- den zweiten und 1899 bis 1912 den dritten Abschnitt haus-Gesellschaft gegründet. Das Gelände, auf dem der Speicherstadt. Der östliche Teil des Speicher- die Speicherstadt errichtet werden sollte, blieb aller- 20 I

dings im Staatsbesitz und wurde an die HFLG unter die spezifischen Qualitäten der Speicherstadt ohne der Bedingung verpachtet, dass die Stadt eine Ge- seinen Einfluss aber wohl kaum denkbar. winnbeteiligung erhielt. Außerdem wurde der Stadt die Option eingeräumt, sukzessiv sämtliche Aktien zu Bei der Konzeption der Blöcke griff Franz Andreas erwerben. Dieses Ziel wurde zwar erst 1928 erreicht, Meyer auf tradierte Muster der Hamburger Speicher de facto agierte die HFLG aber von Anfang an wie ein zurück, d.h. die Lagerflächen wurden in mehrge- Staatsunternehmen, da sie dem Senat alle Kostenvor- schossigen Gebäuden konzentriert, und der Trans- anschläge und Baupläne vorgelegen musste und nicht port der Lagergüter auf die Lagerböden sollte, wie einmal über die Höhe der Mieten allein entscheiden ebenfalls seit Jahrhunderten üblich, mit Hilfe von durfte. 1935 wurde die HFLG mit der Staatlichen Ka- Winden erfolgen, deren Lastseile sich an den Au- iverwaltung vereinigt und 1939 in HHLA Hamburger ßenseiten der Blöcke befanden. Jeder Lageboden Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft umbenannt erhielt deshalb an der Wasser- und an der Landseite (seit 2005 HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG). hölzerne Schiebe- oder Klapptüren, die sogenannten Für den Börsengang 2007 wurde die HHLA in die Teil- Luken. Diese wurden zu vertikalen Achsen angeord- konzerne Hafenlogistik und Immobilien gegliedert, net, die in Giebel mündeten, an denen Kupferhauben wobei letzterer auch die Speicherstadt umfasst. Diese als Witterungsschutz für die Windenausleger ange- Aktien blieben weiterhin im Besitz der Stadt. Von Bau- bracht wurden. beginn bis heute blieb die Speicherstadt damit quasi unverändert in der Hand der gleichen Eigentümer. Darin erschöpften sich allerdings auch die Gemein- samkeiten zwischen der Speicherstadt und der histori- 2.2.1.3 Der Bau der Speicherstadt schen Speicherarchitektur. Wesentliche Unterschiede bestanden hinsichtlich der modernen Konstruktions- Die technische, stadtplanerische und architektoni- arten, der fortschrittlichen technischen Ausrüstung sche Leistung der Speicherstadt ist vor allem mit mit elektrischer Beleuchtung und hydraulischen An- dem Oberingenieur der Baudeputation, mit Franz An- triebssystemen für die Winden und Hubbühnen, der dreas Meyer verbunden. Bereits zu seinen Lebzeiten Verbesserung des Brandschutzes und der rationellen wurde er als der eigentliche Schöpfer der Speicher- Grundrisse, was der Architektur der Speicherstadt ei- stadt gewürdigt. Auch wenn von Franz Andreas Mey- nen geradezu protomodernen Charakter verleiht. er nur die Pläne für die öffentlich finanzierten Objek- te wie die Brücken, die beiden Staatsspeicher oder Der erste, ca. 2/3 der Fläche der Speicherstadt umfas- die technischen Betriebsgebäude stammten, wären sende Bauabschnitt mit den Blöcken A bis O wurde

Abb. 6: Bauphasen der Speicherstadt I 21

bereits zur Eröffnung des Freihafens am 15. Oktober 1888 fertiggestellt und umfasste eine Gesamtfläche von rund 250.000 Quadratmetern. Um dieses Bau- volumen innerhalb von nur drei Jahren bis zum Zoll- anschluss im Oktober 1888 realisieren zu können, musste auf vorgefertigte Konstruktionsteile, typisier- te Grundrisse und andere Standardisierungen zurück- gegriffen werden, wobei auch streng auf Wirtschaft- lichkeit geachtet wurde, ohne jedoch Konzessionen gegenüber der handwerklichen und technischen Qua- lität und der Solidität der Bauten zu machen.

Der zweite Bauabschnitt mit den beiden Blöcken P und Abb. 8: Block E im Bau Q/R entstand von 1891 bis 1896 und der dritte Bau- abschnitt mit den Blöcken S bis X von 1899 bis 1927. Die gesamte Speicherstadt wurde auf Holzpfahl- 1912 war der dritte Bauabschnitt jedoch bereits nahezu gründungen errichtet. Die Blöcke, die durch Quer- komplett. Nur die östliche Hälfte von Block W wurde wände in Brandabschnitte aufgeteilt wurden, sind noch nach dem Ersten Weltkrieg errichtet (1925-27). in Skelettbauweise errichtet worden, um möglichst Die Realisierung des vierten Bauabschnitts (Blöcke Y ungeteilte und somit flexibel nutzbare Flächen zu er- und Z), für die 1914 vermutlich bereits Entwürfe vorla- zielen. Da sich die im ersten Bauabschnitt verwende- gen, scheiterte dagegen am Ersten Weltkrieg und den ten Schmiedeeisen-Skelettkonstruktionen als nicht wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Republik. Die Eri- feuerbeständig erwiesen hatten, erhielten die Spei- cusspitze im Südosten der Speicherstadt blieb deshalb cher ab 1892 Holzgerüste; ab 1903 kamen Betonde- bis in die jüngste Vergangenheit unbebaut. cken und verkleidete Gusseisensäulen auf, später ummantelte Stahl-Skelette. Seit dem Wiederaufbau einiger Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg sind Beton-Skelettkonstruktionen üblich.

Die Skelettkonstruktionen sind bei den meisten Blö- cken unabhängig von den Umfassungsmauern errich- tet, so dass letztere keine wirkliche statische Bedeu- tung haben, sondern eher als Hüllen dienen, die das Klima in den Speichern konstant halten: eine wichtige Voraussetzung für das Lagern empfindlicher Güter.

Bis 1927 entstanden 17 großformatige fünf- bis sie- bengeschossige Speicherkomplexe. Hinzu kamen mehrere freistehende Einzelgebäude bzw. Gebäude- gruppen, die als technische Infrastruktur oder ande- ren direkt mit den Speichern verbundenen Zwecken dienten, wie z.B. die Maschinenzentralstation und das Kesselhaus oder auch für Sondernutzungen wie Abb. 7: Schnitt durch ein Speichergeb. (Block D) z.B. die Verwaltung und den Zoll . 22 I

Abb. 9: Gesamtansicht Speicherstadt + Zollkanal Abb. 10: Historische Aufnahme Block O

Die Gestaltung der historischen Blöcke sie hier durchgängig mit großen Fenstern verse- hen wurden. Darüber waren jeweils drei Lagerge- Sämtliche Blöcke im ersten Bauabschnitt sowie schosse angeordnet, was sich an dem Wechsel der Block P im zweiten Bauabschnitt wurden nach ei- Fensterformate und an den Luken ablesen ließ, auf nem einheitlichen Schema gegliedert, wobei die die in den Bürogeschossen verzichtet wurde. Block Fassaden an der Land- und an der Wasserseite ver- H bot sich aufgrund seines trapezförmigen Grund- gleichbar gestaltet wurden. Über ein bis zwei So- risses dagegen für eine Nutzung als Bürohaus an, ckelgeschossen mit großen Fenstern, die in erster wenn auch mit einem geringen Anteil an Lagerflä- Linie für die Büros der Lager- und Handelsfirmen chen, weshalb er nur im Innenhof über Lukenach- gedacht waren, aber auch Lagerflächen enthalten sen verfügte und sämtliche Geschosse große Fens- konnten, wurden vier bzw. drei weitere Geschosse teröffnungen aufwiesen. angeordnet, die ausschließlich zum Lagern dienten und deshalb kleinere Fenster aufwiesen. Alle Blöcke erhielten abgewalmte Steildächer, deren große un- gebrochene Flächen durch die Giebel der Winden- häuschen rhythmisiert wurden. Die vertikalen Lu- kenachsen, die sich in der Regel vom Erdgeschoss bis zu den Windenhäuschen erstreckten, verklam- merten diese drei heterogenen Fassadenzonen. Exponierte Bauteile wie die Blockenden wurden durch Giebel und Türme hervorgehoben, was der Speicherstadt eine starke Fernwirkung verlieh.

Bei drei Blöcken wurde dieses Gliederungsschema variiert. Die Blöcke N und O, die für den Kaffeehan- del reserviert waren, enthielten in den unteren drei Geschossen ausschließlich Büroflächen, weshalb Abb. 11: Hist. Aufnahme Blöcke O, G, Q und R I 23

Auch die Blöcke Q und R im zweiten Bauabschnitt lichen Mischung aus Renaissanceformen und spät- sowie die Blöcke S, T, U, V, W (westliche Hälfte) und gotischem Maßwerk ausgebildet wurden. Das ers- X im dritten Bauabschnitt wurden nach diesem Glie- te Verwaltungsgebäude ordnete sich dagegen dem derungsprinzip gestaltet. Im Unterschied zu den neogotischen Charakter von Block O unter. Da beide älteren Blöcken, die, wie dargestellt, durchgängig Gebäude als Kopfbauten an die jeweiligen Blöcke Steildächer aufwiesen, wurden diese Blöcke aber gefügt wurden, konnten sie sich nach drei Seiten mit flachen Satteldächern errichtet, was den Vorteil hin frei entfalten und somit trotz ihrer relativ gerin- bot, dass die Zahl der Normalgeschosse von fünf auf gen Größe eine starke Präsenz in der Speicherstadt sieben erhöht werden konnte. Außerdem wurden entwickeln, die durch eine reiche Dachlandschaft mit diese Blöcke an den Wasserseiten mit „Westphalen- Giebeln, (Erker-) Türmen und Dachhäuschen bzw. türmen“ versehen: runden Erkertürmen, die Wendel- Zwerchhäusern noch verstärkt wurde. treppen umschlossen und als Notausgänge dienten.

Sämtliche Fassaden wurden mit roten Backsteinen verblendet und mit Friesen, Gesimsen, Wasserschlä- gen, Blendbogen, Erkern, Konsolen, flachen Risaliten und (Erker-) Türmen in den Formen der „Hannover- schen Schule“ aufwändig dekoriert. Die Fensterach- sen der Obergeschosse wurden zudem in der Regel vertieft in das kompakte Mauerwerk eingelassen, so dass ein kraftvolles Relief aus unterschiedlichen Fas- sadenschichten entstand. Bänderungen und Orna- mente aus farbigen Ziegeln, teilweise mit glasierten Oberflächen, oder Klinkern sowie vereinzelt auch klei- nere Felder aus Fliesen und dunkelgrünen Glasstei- nen setzten Akzente auf dem roten Sichtmauerwerk, sodass der Eindruck eines „Schatzkästchens“ für die wertvollen Waren der Kaufleute entstand. Abgese- hen von den Verwaltungsgebäuden der HFLG bildete Abb. 12: Erstes Verwaltungsgebäude der HFLG Werkstein dagegen die Ausnahme und blieb nur auf wenige exponierte Bauteile wie die Eingangsportale Besonders der von Johannes Grotjan und Hanssen beschränkt, so dass sich in der Wahl der Materialien & Meerwein errichtete und heute als Hauptsitz der auch die Hierarchie der Bauaufgaben widerspiegelte. HHLA fungierende aufwändig gegliederte Kopfbau zwischen dem Holländischen Brook und dem Wand- Die beiden Verwaltungsgebäude der HFLG (heute rahmsfleet (Bei St. Annen 1) hebt sich demonstrativ Hamburger Hafen- und Logistik AG) wurden nahtlos aus der Reihe der Speicher heraus und wird häufig an die Blöcke O bzw. U angefügt und somit eben- als „Rathaus der Speicherstadt“ bezeichnet. falls in die Blockstruktur der Speicherstadt eingebun- den. Im Unterschied zu den übrigen Blöcken wurden Mit Block X (1908-12) und der östlichen Hälfte von die Fassaden hier aber mit repräsentativen Gliede- Block W (1925-27) hielt die Moderne in der Speicher- rungen und Dekorationen aus Sandstein nobilitiert, stadt Einzug. Block X wurde zwar an den Traufkanten die bei dem zweiten Verwaltungsgebäude in Block noch mit historisierenden Rundbogenfriesen deko- U zudem in einer für die Speicherstadt ungewöhn- riert. Für die übrigen Flächen wurden aber abstrakte 24 I

wenn auch charakteristische Motive wie die Luken- achsen, die Westphalentürme oder die Teilung der Fassaden in Sockel- und Lagergeschosse wiederauf- genommen wurden.

Die historischen Zollgebäude

Einige Gebäude in der Speicherstadt wurden aus funktionalen Gründen oder aufgrund der unterschied- lichen Eigentumsverhältnisse nicht in die Blockstruk- tur eingebunden. Hier sind vor allem die Zollgebäude am Zollkanal und am Binnenhafen zu nennen, deren Abb. 13: „Rathaus“ der Speicherstadt, heutiger Sitz der Südufer bis 2003 die Freihafengrenze markierten. HHLA und Block U Zusammen mit den Schuppen für die Abfertigung der Oberländer Kähne säumten diese zumeist ein- geometrische Formen gewählt, entsprechend dem bis zweigeschossigen Gebäude das Ufer ursprüng- Trend zur Versachlichung, der die deutsche Architek- lich in einer nahezu geschlossenen Kette, was der tur um 1910 erfasste. Außerdem herrschte in den Speicherstadt zur Innenstadt hin einen geradezu her- Obergeschossen ungegliedertes Mauerwerk vor metischen Charakter verlieh. und auch auf farbliche Kontraste, etwa durch Bän- derungen, wurde verzichtet. Die östliche Hälfte von Am Alten Wandrahm entstanden insgesamt vier Block W hob sich dagegen mit seinen schlichten korrespondierende Einzelbauten, von denen drei Ab- Formen und seinen expressiven Pfeilerfassaden aus fertigungshallen in den Erdgeschossen enthielten, dunkelrotem Klinker von den früheren Blöcken ab, die mit Verwaltungsräumen in den Obergeschossen kombiniert wurden, während der vierte ausschließ- lich Verwaltungszwecken diente. Diese Gebäu- degruppe wurde von der Baudeputation, Sektion Strom- und Hafenbau, besonders aufwändig in den

Abb. 14: Speicherstadt Block W Abb. 15: Zollbauten am Zollkanal und Block W I 25

Formen der „Hannoverschen Schule“ gestaltet, ma- Auch der kleine eingeschossige neogotische Sattel- nifestierte sich in ihr doch die Souveränität des Stadt- dachbau für die Feuermeldestation, der sich auf zwei staates Hamburgs, der innerhalb des Freihafens die Rundpfeilern aus Granit über dem Holländischbrook- Zollhoheit beanspruchen durfte. fleet erhebt, wurde aufgrund seiner exponierten Lage aufwändiger gestaltet, als es die Bauaufgabe Das Haus der Windenwärter (Wasserschlösschen) eigentlich erfordert hätte. und die Feuermeldestation (Fleetschlösschen) Die Infrastruktur der Speicherstadt

Um Einzelgebäude handelte es sich auch bei der Neben den Bauten ist es vor allem die Infrastruktur, ehemaligen Feuermeldestation an der St. Annen- die die Speicherstadt bis heute prägt. brücke und dem sogenannten Haus der Winden- wärter an der Dienerreihe. Letzteres umfasste ne- a) Die Wasserstraßen ben Dienstwohnungen für die Techniker, die für die Wartung und Reparatur der hydraulischen Winden Der Warentransport innerhalb des Hamburger Ha- zuständig waren, auch eine Wagenhalle und eine fens erfolgte früher in erster Linie mit Leichtern, Reparaturwerkstatt im Erdgeschoss. Der kompakte den sogenannten Schuten. Die Speicherstadt wur- Walmdachbau mit Uhrtürmchen und Erkern wurde de deshalb mit drei 20 bis 25 Meter breiten Kanälen als Point de Vue auf einer Halbinsel zwischen dem erschlossen: einem Hauptkanal, der sie in gesamter Wandrahmsfleet und dem Holländischbrookfleet Länge von der Kehrwiederspitze im Westen bis zum errichtet, was die anspruchsvolle Gestaltung mit Oberhafen im Osten durchquerte, dem parallel ver- Bänderungen aus grünen Glasurziegeln und Werk- laufenden Wandrahmsfleet, das lediglich den zwei- steingliederungen erklärt, die die neogotischen ten und den dritten Bauabschnitt erschloss, und dem Backsteinfassaden akzentuieren. Kleinen Fleet, das als Verbindung zwischen beiden

Abb. 16: Haus der Windenwärter Abb. 17: Feuermeldestation (Fleetschlösschen) 26 I

diente. Der Hauptkanal erhielt keinen durchgängigen Die Entwürfe stammten von Franz Andreas Mey- Namen, sondern wurde nach den jeweils angrenzen- er bzw. seinen Nachfolgern Eduard Vermehren und den Straßen abschnittsweise als Kehrwiederfleet, Friedrich Sperber. Insgesamt 19 Brücken wurden Brooksfleet, St. Annenfleet und Holländischbrook- bis zum Ersten Weltkrieg errichtet; rechnet man die fleet bezeichnet. Von der Innenstadt wird die Spei- bereits erschlossene, aber nicht mehr mit Speichern cherstadt durch den 45 Meter breiten Zollkanal, den bebaute Ericusspitze hinzu, waren es sogar 22. westlich anschließenden Binnen- und den östlich anschließenden Oberhafenhafen getrennt, welche Ein dermaßen umfangreiches Bauprogramm ließ zugleich die ehemalige Freihafengrenze markieren. sich nur mit einer gewissen Standardisierung hin- sichtlich der Konstruktion und der Gestaltung bewäl- b) Die Straßen tigen. Es handelte sich daher bei fast allen Brücken in der Speicherstadt um Bogenbrücken aus genieteten Bis auf die Kaistraßen am Sandtorhafen und später Stahlprofilen mit einer unten liegenden Fahrbahn. auch am Brooktorhafen, die lediglich verbreitert wer- Die Brücken im ersten und zweiten Bauabschnitt ein- den mussten, wurde das gesamte Straßennetz der schließlich der Wandbereiterbrücke, die sämtlich von Speicherstadt neu angelegt. Die Speicherstadt wur- Meyer stammten, wurden mit aufwändig gestalte- de in westöstlicher Richtung mit drei Straßenzügen ten schmiedeeisernen Geländern versehen, woge- erschlossen, die möglichst parallel zu den Kanälen gen die später realisierten Brücken nur einfache Ge- angelegt wurden, um reguläre Blockzuschnitte zu länder mit horizontalen und vertikalen Streben aus erzielen, was aufgrund der irregulären Topographie Rundstählen erhielten. der Brookinseln jedoch nicht überall gelang. Diese Grundstruktur wurde in nordsüdlicher Richtung mit Eine Sonderrolle nahmen die Brücken über den Zoll- sieben Straßen und der Hilfe von zehn Brücken ge- kanal ein – die Brooksbrücke und die Jungfernbrücke kreuzt. Die Straßen wiesen durchgängig Granitpflas- (beide 1886/87) sowie die Große Wandrahmsbrücke ter auf, das im Reihenverband verlegt wurde. (1907-09) – , die sich zwar in konstruktiver Hinsicht nicht prinzipiell von den Brücken innerhalb der Spei- Das Straßennetz wurde durchgängig mit Gehwegen cherstadt unterschieden, aber an den Brückenköpfen ergänzt, die ebenfalls gepflastert und mit Bordsteinen durch Türme bzw. Torgebäude hervorgehoben wur- aus Granit abgesetzt wurden. Da die Blöcke keine den, die an mittelalterliche Festungsbauwerke erin- Rampen hatten, dienten die Gehwege auch als Ar- nerten und somit das Bild einer Stadt aus Speichern beitsflächen, auf denen die Güter für das Hieven auf augenfällig machten. Im Zusammenspiel mit der die Lagerböden bereitgestellt oder mit den Winden ab- Wasserfläche des Zollkanals wurde so zusätzlich die gesetzt werden konnten. Als die Blöcke in den 1950er innerstädtische Freihafengrenze bildhaft „inszeniert“. Jahren Kellerluken erhielten, wurden in die Gehwege Schächte mit Klappdeckeln aus Stahl eingelassen. Bei der vierten Brücke über den Zollkanal, der Kornh- ausbrücke (1887/88), handelte es sich als einzige nicht c) Die Brücken um eine Bogenbrücke. Hier wurde die Fahrbahn mit- tels Zugstangen an Stahlfachwerkträgern abgehängt, Zusammen mit dem Straßen- und Kanalnetz der die auf vier Granitpfeilern auflagen. Außerdem wurde Speicherstadt wurden auch sämtliche Brücken neu hier auf ein Brückentor verzichtet. Stattdessen erhielt errichtet. Lediglich die 1859 fertiggestellte Wand- die Kornhausbrücke vier überlebensgroße Skulpturen rahmsbrücke am Oberhafen blieb zunächst erhalten aus rotem Sandstein, die auf die Pfeiler gestellt wur- und wurde erst 1909 durch einen Neubau ersetzt. den: Christoph Columbus und Vasco da Gama von I 27

2.2.1.4 Kriegszerstörung und Wiederaufbau

Trotz der Schäden im Zweiten Weltkrieg und der sukzessiven Umnutzung der Blöcke in den letzten anderthalb Jahrzehnten hat die Speicherstadt ihren einzigartigen städtebaulichen und architektonischen Charakter bewahrt und weist einen hohen Grad an Integrität und Authentizität auf. Ihre ursprüngliche Funktion als Lagerzentrum des Hamburger Hafens ist lesbar geblieben, und Sonderbauten wie die Kaf- feebörse oder die Zollgebäude am Alten Wandrahm dokumentieren überdies ihre einstige Bedeutung als Handelszentrum bzw. ihre ehemalige Zugehörigkeit zum Freihafen. Diese Tatsache ist sicher nicht zuletzt Abb. 18: Kornhausbrücke über den Zollkanal dem Eigentümer zu verdanken, der Hamburger Ha- fen und Logistik AG (HHLA), in deren Besitz die über- Carl Boerner bzw. Hermann Husaeus auf der Nordsei- wiegende Zahl der Bauten der Speicherstadt seit der te und Cook und Magellan, deren Künstler unbekannt Zeit ihrer Entstehung ist. Nicht zuletzt diese Kontinui- ist, auf der Südseite (jeweils 1903). tät der Eigentumsverhältnisse hat dazu geführt, dass trotz der Kriegsschäden und jüngeren Nutzungsän- In die mit Backstein verblendeten und mit Details derungen die Authentizität dieses großen Ensemb- aus Werkstein wie Konsolen, Brüstungen oder Qua- les gewahrt blieb. derungen an den Kanten geschmückten Widerlager der Brücken wurden teilweise Wassertreppen inte- Das Straßen- und Kanalnetz ist in dem nominierten griert, die an der Kannengießerortbrücke und an der Gebiet in der ursprünglichen Ausdehnung erhalten Korn­hausbrücke auch als Zugänge zu öffentlichen und hat auch im Hinblick auf die Querschnittprofile Toiletten dienten, die sich mit Fenster- und Türeinfas- kaum Veränderungen erfahren. Auch die mit Klinker sungen aus Werkstein dem Gesamtbild unterordne- verblendeten Kaimauern und die gepflasterten Stra- ten. An der St. Annenbrücke wurden die Wassertrep- ßen und Gehsteige sind zum weitaus größten Teil pen mit der Feuermeldestation der Speicherstadt im historischen Zustand überliefert, sieht man von kombiniert. den beiden Straßen Am Sandtorkai und Brokktorkai im südlichen Randbereich der Speicherstadt ab, die nach dem Zweiten Weltkrieg asphaltiert wurden. Von den ursprünglich 14 historischen Brücken im nomi-

Abb. 19: Querschnitt durch die Speicherstadt 28 I

Abb. 20: Speicherstadt, Block L nach der Wiederherstellung Abb. 22: Speicherstadt, Brooksfleet mit Block M/ N und E nierten Gebiet sind zwölf vollständig oder doch zu- Auch die technische Ausrüstung der Blöcke ist größ- mindest überwiegend im Originalzustand erhalten, tenteils überliefert und prägt bis heute mit ihren so dass die Infrastruktur der Speicherstadt noch charakteristischen Elementen die Speicherstadt: mit weitgehend ihrer Erbauungszeit entspricht. Aller- den Bedienungsstangen für die Winden, die außen dings erfuhren auch die erhaltenen historischen Brü- an den Luken angebracht sind, den Schutzdächern cken in der Nachkriegszeit einige Veränderungen. Die über den Windenauslegern und den stählernen Last- Brooksbrücke und die Jungfernbrücke büßten An- seilen der Winden mit den in die Seile integrierten fang der 1950er Jahre die kriegsbeschädigten Tore Gewichtskugeln. Letztere sind an den Landseiten an den Brückenköpfen ein, als ihre Fahrbahnen im der Blöcke noch vollständig, an den Wasserseiten Interesse einer besseren Schiffbarkeit des Zollkanals dagegen nur noch sporadisch vorhanden, weil die angehoben wurden. Winden hier bereits vor 20 Jahren stillgelegt wur- den. Es sind aber noch etliche Elektromotoren für den Antrieb der Winden erhalten, die auch noch zu einem erheblichen Teil betriebsfähig sind.

Von den 15 Blöcken im nominierten Gebiet der Spei- cherstadt haben elf im Zweiten Weltkrieg schwere- re Schäden erlitten. Diese hohe Zahl relativiert sich jedoch, wenn man in Betracht zieht, dass es sich zumeist um Teilschäden handelte, die lediglich ein- zelne isolierte Brandabschnitte betrafen, wogegen die benachbarten Brandabschnitte überhaupt nicht oder nur geringfügig beschädigt wurden. Außerdem waren die Fassaden an etlichen schwer beschädig- ten Brandabschnitten nur zum Teil eingestürzt oder blieben sogar völlig intakt und konnten somit beim Abb. 21: Speicherstadt, Pickhubenbrücke Wiederaufbau Verwendung finden. Auch die Holz- I 29

pfahlgründungen der Speicherstadt hatten im Zwei- deraufbau nur die landseitigen Fassaden erhalten, ten Weltkrieg nur relativ geringe Schäden erlitten die in angepasste Neubauten integriert wurden. und konnten deshalb beim Wiederaufbau mitsamt Während die Fassade von Block R 3 dabei lediglich den Kaimauern weiter verwendet werden. in der Dachzone vereinfacht wurde und ansonsten im historischen Zustand überliefert ist, wurde die Einem glücklichen Zufall ist zu verdanken, dass die Fassade von Block M aufgestockt und mit modernen repräsentativen und auch städtebaulich exponier- Windengiebeln neu interpretiert. ten Sonderbauten, die die Speicherstadt besonders stark prägen, die beiden Verwaltungsgebäude der Wo eine solche Herangehensweise aufgrund der HFLG Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft, besonders starken Schäden oder der erwünschten das Haus der Windenwärter (Wasserschlösschen), Neuordnung der Lager- und Büroflächen nicht mög- die Feuermeldestation an der St. Annenbrücke lich war, wie bei den westlichen Blockabschnitten (Fleetschlösschen) und die vier Zollgebäude am Al- von Block O und den östlichen von Block G und Block ten Wandrahm, im Zweiten Weltkrieg keine oder nur R, wurden die Ruinen bis auf die Fundamente abge- relativ geringe Schäden erlitten haben. Allerdings brochen und die Lücken mit angepassten Neubauten wurde eines der vier Zollgebäude in den 1950er Jah- geschlossen. Lediglich Block T war im nominierten ren durch eine Aufstockung und den Einbruch einer Gebiet der Speicherstadt so stark beschädigt, dass, Durchfahrt überformt. Auch das ehemalige Kessel- abgesehen von den Fundamenten, keine historische haus ist im Originalzustand erhalten, sieht man von Bausubstanz mehr überliefert ist. Anstelle dieses den beiden Schornsteinen ab, die verloren waren kleinen Blocks entstand ein Neubau. und 2002 im Rahmen der denkmalgerechten Mo- dernisierung in Form von Gitterkonstruktionen nach- Für die neuen Bürohäuser im Block T bzw. für die empfunden wurden, um den charakteristischen Um- östlichen Neubauteile von den Blöcken R und G riss des Gebäudes wiederzugewinnen. entwickelte Werner Kallmorgen zeittypischen Ras- terfassaden. Die nahezu durchgängige Verblendung Wie oben dargestellt, wurden die meisten kriegsbe- mit roten Ziegeln und die betont handwerklichen schädigten Blöcke in enger Anlehnung an den histo- Details, wie die auf Stich gemauerten Rollschichten rischen Zustand wiederaufgebaut. Von den schwer der Stürze, verliehen aber auch diesen konsequent beschädigten Blöcken M und R 3 blieben beim Wie- modernen Entwürfen eine traditionalistische Note.

Abb. 23: Speicherstadt, wiederhergestellter Block M/ N Abb. 24: Speicherstadt, Neubau östlicher Abschnitt Block R 30 I

Die Präzision, mit der alle Fassadendetails aus den 2.2.1.5 Die Entwicklung der Speicherstadt von genormten Ziegelformaten entwickelt wurden, er- 1945 bis heute innerte an die Materialästhetik der „Hannoversche Schule“. Wie schon bei der neuen Fassade von Block Neben der weiterhin vorhandenen Lagernutzung P erinnern auch die gekuppelten Fenster der Blöcke werden die Gebäude der Speicherstadt seit 2000 R und T an die historische Speicherarchitektur. zunehmend für Büronutzungen umgewandelt und sporadisch wird auch Einzelhandel und Gastronomie Lediglich der Neubau der Kaffeebörse, der 1955/56 in den Erdgeschossen angesiedelt. Andere Speicher östlich des Blocks G nach einem Entwurf von Kall- sind für kulturelle Nutzungen umgewandelt worden, morgen und Schramm & Elingius errichtet wurde, wie z.B. für das Speicherstadtmuseum, für das „Mi- weicht von diesem Schema ab, sowohl was die Ar- niaturwunderland“, für einen „Dialog im Dunkel“ und chitektursprache als auch was das Material angeht, einiges mehr. Wohnungen bilden dagegen die Aus- und macht damit die Bedeutung des Kaffeehandels nahme. Alle Änderungsmaßnahmen erfolgen in en- in der Speicherstadt deutlich. ger Abstimmung mit der Denkmalpflege.

Die Neubauten aus der Nachkriegszeit sind nahezu Eingriffe in die historische Bausubstanz beschränken vollständig im ursprünglichen Zustand überliefert. sich möglichst auf den Einbau neuer Sanitäranlagen Lediglich die beiden westlichen Speicherabschnitte und Erschließungen, z.B. Fahrstuhlschächte sowie von Block O wurden 2003 abgebrochen und durch auf raumtrennende Elemente aus Glas, damit mög- ein maßstäblich und gestalterisch angepasstes Park- lichst viel vom Raumeindruck der großen Speicher haus ersetzt. erfahrbar bleibt. Das äußere Erscheinungsbild der Gebäude bleibt weitgehend unangetastet, und auch Beim Wiederaufbau oder bei den Neubauten fanden im Innern prägen weiterhin die originalen Skelettkon- grundsätzlich die historischen Pfahlgründungen mit- struktionen aus Stahl, Holz oder Gusseisenstützen samt den Kaimauern wieder Verwendung, so dass das Bild. Außerdem werden die ursprünglichen Er- sich, mit Ausnahme des neuen Parkhauses, die ge- schließungskerne berücksichtigt. Nach diesen Krite- samte Speicherstadtbebauung auf ihren ursprüngli- rien wurden bereits die Blöcke D, P, Q, R, S, W (west- chen Fundamenten erhebt. liche Hälfte) und U revitalisiert.

Abb. 25: Speicherstadt, Neubau Kaffeebörse Abb. 26: Speicherstadt, Modernisierung Block U I 31

Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde auch das lich austauschbare Freizeitattraktionen suchen, son- zweite Verwaltungsgebäude der HFLG in Block U dern gerade auch die authentische Atmosphäre der denkmalgerecht modernisiert und mit dem angren- Hafen- und Handelsstadt Hamburg erleben möchten. zenden Speicherblock U zur Firmenzentrale der HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG vereinigt. Damit der authentische Charakter der Speicherstadt Hierfür wurde der Lichthof des Verwaltungsgebäu- auch in Zukunft erhalten bleibt, ist in den letzten des, der unmittelbar an Block U grenzt, mit einem Jahren ein „Speicherstadt Hamburg Entwicklungs- filigranen Glasdach versehen, um für beide als ge- konzept“ erarbeitet und einvernehmlich abgestimmt meinsame Eingangshalle zu dienen. Außerdem worden. wurde in den Innenhof ein gläserner Fahrstuhlturm eingefügt, der eine zentrale Erschließung sämtlicher Büros gewährleistet und zugleich einen barrierefrei- en Zugang des Komplexes für behinderte Menschen ermöglicht.

Seit 2010 werden auch die Nachkriegsbauten saniert und teilweise für neue Nutzungen denkmalverträg- lich modernisiert. Dabei handelt es sich überwie- gend um Bürohäuser in Stahlbetonskelettbauweise. Diese werden unter Erhalt der Fassaden, der Ske- lettkonstruktionen und der Erschließungskerne weit- gehend neu ausgebaut. Der ehemalige Bürokomplex der Kaffeehändler in Block O wird zurzeit in ein Hotel umgewandelt. Auch die ehemalige Kaffeebörse, die mit Block O über eine verglaste Fußgängerbrücke verbunden ist, wird dem Hotelbetrieb angegliedert und dient demnächst als Gastronomie- und Event- bereich.

Neue Aufgaben sind auch für andere Sondergebäu- de gefunden worden. So bot sich das ehemalige Zollgebäude Alter Wandrahm 15-16, das neben Büro- räumen im Obergeschoss auch eine große Abferti- gungshalle im Erdgeschoss umfasst, als Standort für das Deutsche Zollmuseum an. In den ehemaligen Werkstatträumen im Haus der Windenwärter an der Dienerreihe ist nunmehr ein Restaurant unterge- bracht.

Die seit einigen Jahren neu etablierten kulturellen und touristischen Angebote tragen maßgeblich dazu bei, dass die Speicherstadt jedes Jahr Millionen Be- sucher anzieht, die hier nicht nur beliebige und letzt- 32 I

2.2.2 Geschichte und Entwicklung des bei, das in erster Linie von handels- und schifffahrts- Kontorhausviertels abhängigen Unternehmen genutzt wurde, die hier von der fußläufigen Entfernung zu den Lagerhäusern Nach der verheerenden Choleraepidemie 1892 hatte der Speicherstadt und der Nähe zum östlichen Frei- der Senat die Sanierung großer Bereiche in der Ham- hafen profitierten. burger Alt- und Neustadt beschlossen. Zunächst wurde die Sanierung in der Neustadt umgesetzt. Der Bau des Kontorhausviertels fiel in eine Zeit politi- scher und wirtschaftlicher Krisen. Die ersten Gebäu- Da das Sanierungsgebiet in der Altstadt sehr um- de wurden während der Inflationsjahre errichtet, als fangreich war, wurden die Maßnahmen hier zeitlich chronischer Kapitalmangel herrschte. Andererseits gestreckt. Zunächst wurde das Gebiet nördlich der profitierten der Hafen und der Handel aber auch Steinstraße saniert, wobei auch die rund 750 Meter schon bald nach Kriegsende wieder von der starken lange Mönckebergstraße entstand (1908-13), die Exportorientierung der deutschen Wirtschaft, zumal ausschließlich für Büro- und Einzelhandelsflächen der kontinuierliche Währungsverfall bei Ausfuhren reserviert war. Anschließend wurde die Sanierung auch einen Wettbewerbsvorteil bedeutete. Nach der des Gebietes in Angriff genommen, das im Südos- Hyperinflation 1923 konnte sich der Hafen rasch er- ten des Stadtteils Hamburg-Altstadt zwischen der holen. Steinstraße und dem Meßberg liegt, das Gebiet des heutigen Kontorhausviertels. Der Baufortschritt im Kontorhausviertel spiegelt die- se Entwicklung wider. Das Chilehaus, der Meßberg- Im Süden grenzt das Kontorhausviertel an die Spei- hof und das Miramar-Haus wurden in der Inflations- cherstadt, von der es nur durch den Zollkanal ge- zeit gebaut (jeweils 1922-24). Nach dem Ende der trennt wird. Die Große Wandrahmsbrücke, die 1962 Inflation entstanden der Montanhof (1924/25), Haus durch eine Fußgängerbrücke ersetzt wurde, bildete Gülden Gerd (1924/25), das Post- und Fernmeldeamt ursprünglich die direkte Verbindung zwischen diesen Niedernstraße (1924-26), der Mohlenhof (1927/28), beiden Ensembles. Diese verkehrsgünstige Lage die ersten beiden Bauabschnitte des Sprinkenhofs trug maßgeblich zum Erfolg des Kontorhausviertels (1927-30), Haus Hubertus (1930/31) und das Rode-

Abb. 27: Sanierungsgebiet Altstadt Abb. 28: Chilehaus und Alte Wandrahmsbrücke I 33

waldthaus (1930/31). In der NS-Zeit wurden das Bar- hausviertels aus. Hierdurch konnten die Kontorhäu- tholomay-Haus (1937/38), das Pressehaus (1938/39) ser uneingeschränkt den Stadtraum dominieren. und der dritte Bauabschnitt des Sprinkenhofs errich- tet (1939-43). Ein Sonderfall waren die beiden Wohn- 2.2.2.2 Das Welterbegebiet des Kontorhaus­ komplexe an der Steinstraße (1935/36 bzw. 1936/37), viertels mit Chilehaus, Meßberghof, die bald nach der Weltwirtschaftskrise geplant wur- Sprinkenhof und Mohlenhof den, als es offenbar noch keinen Bedarf an weiterem Büroraum gab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Auffällig ist der einheitliche architektonische Cha- die noch unbebauten Sanierungsflächen wieder mit rakter des Kontorhausviertels. Bei den bis 1931 er- Kontorhäusern bebaut. richteten Bauten handelt es sich überwiegend um großmaßstäbliche, teilweise sogar blockfüllende Ge- 2.2.2.1 Infrastruktur des Kontorhausviertels bäude mit Klinkerfassaden, weißen Sprossenfens- tern, flachen Dächern und Staffelgeschossen. Die Nach dem Abriss der ursprünglichen Bebauung Gebäude aus der NS-Zeit weichen nur hinsichtlich wurde das Straßennetz erneuert, wofür die beste- der Steildächer von diesem Schema ab, sieht man henden Straßen, etwa die Niedernstraße, die Moh- von dem Pressehaus ab, das beim Wiederaufbau lenhofstraße oder die Fischertwiete, in der Regel le- nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls Staffelge- diglich stark verbreitert und begradigt wurden. Völlig schosse erhielt. neu angelegt wurden die Altstädter Straße, der zen- trale Burchardplatz und die Burchardstraße, die das Die für die Welterbeliste nominierten Gebäude des gesamte Gebiet diagonal durchschnitt, um im Südos- Kontorhausviertels, das Chilehaus, der Meßberghof, ten in die heute nicht mehr vorhandene Bergedorfer der Sprinkenhof und der Mohlenhof, ragen aufgrund Straße zu münden. Das Ergebnis dieses rigorosen ihrer exzeptionellen architektonischen Qualität aus Eingriffs in die überlieferten Stadtstrukturen waren den übrigen Bauten des Kontorhausviertels heraus. schiefwinklige Grundstücke, die die Kreativität der Diese Gebäude, die von 1922 bis 1930 und somit Architekten herausforderten, was sich besonders in den Jahren der Weimarer Republik errichtet wur- deutlich am Chilehaus zeigte. den - sieht man von dem dritten Bauabschnitt des Sprinkenhofs ab, der erst 1943 fertiggestellt wurde Das unveränderte Straßennetz weist bis heute größ- - gehören zu den bedeutendsten Bürohausentwür- tenteils das originale Großpflaster aus Granit auf, das fen ihrer Zeit. Aber nicht nur in qualitativer, sondern im Reihenverband verlegt und mit Teer ausgegossen auch in quantitativer Hinsicht setzen diese Bauten ist. Auch die Bordsteine, ebenfalls aus Granit, stam- Maßstäbe: Das Chilehaus bot 36.000 Quadratmeter men aus der Ursprungszeit. Straßenbegleitende Bruttogeschossfläche; der Sprinkenhof, der zeitwei- Bäume waren damals in der Hamburger Innenstadt lig eines der größten Bürohäuser in Europa war, so- nicht üblich. Auch auf Brunnen, Denkmäler oder an- gar 52.000 Quadratmeter. Der Meßberghof brachte dere schmückende Elemente im Stadtraum wurde, es 1924 immerhin auf 18.200 Quadratmeter. Dem- mit Ausnahme des Platzes am Meßberg, verzichtet, gegenüber war der Mohlenhof nach den damaligen so dass der Burchardplatz und das platzartige erwei- Hamburger Maßstäben mit 7.800 Quadratmetern als terte südöstliche Ende der Burchardstraße bis heute ein wohl eher mittelgroßes Bürohaus zu charakteri- als Parkplätze dienen. Andererseits machte diese sieren. Die Hamburger Kontorhausarchitektur war nüchterne Gestaltung, die erst in den vergangenen in Deutschland, aber auch in Europa nahezu ohne 20 Jahren durch Bepflanzungen abgemildert wurde, Beispiel, was bereits von den Zeitgenossen erkannt aber auch den besonderen Charakter des Kontor- wurde. So schrieb die Deutsche Bauhütte 1914: „Die 34 I

Abb. 29: Situation am Meßberg (um 1950) Abb. 30: Chilehaus

Anforderungen an die Geschäftsstadt haben dem Verblendmauerwerk, insbesondere aus Klinkern, be- privaten Bauwesen [in Hamburg, R. L.] eine eigen- vorzugt. Diese Versachlichung zeigte sich bei Höger artige Bauaufgabe gestellt, die wir in dieser Art nur besonders deutlich in den Kontorhausentwürfen, die noch in London und in amerikanischen Großstädten immer stärker zu einer Vereinheitlichung der Linien- wiederfinden – die Erbauung des Kontorhauses.“ führung tendierten, was schließlich in dem Vertikalis- mus des Chilehauses kulminierte. 2.2.2.3 Fritz Höger und das Chilehaus Höger machte für diese Vereinheitlichung in erster Fritz Höger, der Schöpfer des Chilehauses und, in Linie wirtschaftliche Gründe geltend, wie er 1925 im Kooperation mit Hans und Oskar Gerson, des Sprin- Zentralblatt der Bauverwaltung erläuterte: „Der Ein- kenhofs, gilt als einer der bedeutendsten deutschen fach- oder Einzelrhythmus bleibt für ein Haus, das Architekten des 20. Jahrhunderts, dessen Werk auch nach seiner Fertigstellung quadratzentimeterweise international auf großes Interesse stößt. Wie Hans vermietet wird, und wofür für die Raumaufteilung und Oskar Gerson zählte Höger zu der Reformgene- allergrößte Freizügigkeit vorhanden sein muß, das ration, die sich in den letzten Jahren vor dem Ersten einzig Richtige. Der Doppelrhythmus oder jede Un- Weltkrieg anschickte, die Architektur zu erneuern, regelmäßigkeit an den Fronten, gleich, ob diese sich ohne die Traditionen zu leugnen. Das Ergebnis war ergeben aus falscher Konstruktion oder missver- eine regional gefärbte Moderne, deren Sachlichkeit standener Architektur, ist ein niemals wieder gut zu durch konventionelle Gliederungen, traditionelle, be- machender Fehler.“ Diese Entwicklung hatte jedoch tont handwerklich verarbeitete Materialien und spar- auch ästhetische Gründe. Die Fassaden wirkten hier- same Dekorationen gemildert wurde. Dabei wurde durch straffer, geschlossener und vor allem auch dy- I 35

namischer, was mit den expressionistischen Dekora- tionsformen korrespondierte, die Anfang der 1920er Jahre aktuell wurden.

Das Chilehaus, ein Hauptwerk von Fritz Höger, wur- de von 1922 bis 1924 realisiert. Bauherr war Henry Brarens Sloman, der Salpeterminen in Chile besaß und somit über Devisen verfügte, was ihm ermög- lichte, das Gebäude während der Inflationsjahre zu errichten. Die Planungsgeschichte lässt sich nur in Ansätzen rekonstruieren, da das Archiv von Höger bei einem Bombenangriff größtenteils verbrannt ist. Entwürfe lagen auch von Hans und Oskar Gerson und Puls & Richter vor, die mit Höger um den Auftrag Abb. 31: Chilehaus, Eingangshalle A konkurrierten. zusammenschieben, dass die Fensterachsen nicht Die Überbauung der Fischertwiete, die das Grund- mehr zu sehen sind und die Fassaden wie geschlos- stück teilte und das Kontorhausviertel über den sene homogene Klinkerflächen wirken. Oder wie es Wandrahmsteg direkt mit der Speicherstadt verband, Höger 1925 im Zentralblatt der Bauverwaltung selbst war von vornherein Bestandteil von Högers Konzept, formuliert hat: „Im kleinachsigen Einzelrhythmus liegt wogegen sich der signifikante Gebäudeumriss und auch der Hauptwesenszug der künstlerischen Quali- die charakteristische Fassadengliederung erst all- tät des Chilehauses. Nur durch den kleinachsigen Ein- mählich herauskristallisierten. Diesen Schluss legt zelrhythmus werden die durch viele Fenster gänzlich der einzige erhaltene Vorentwurf von Höger nahe, aufgelöste Fronten in der Verkürzung wieder zu ruhi- der vom 19. Januar 1922 datiert und in den amtlichen gen Flächen, und diese geschlossen, ergeben wieder Bauakten des Gebäudes überliefert ist. Er zeigt eine den monumentalen Körper.“ Ansicht der Nordfassade, die hinsichtlich der gequa- derten Eckpfeiler, der Kastenerker und der historisie- Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Chilehaus keine renden Formen, die das Tor an der Einmündung der schweren Schäden und ist deshalb, abgesehen Fischertwiete aufweist, noch an sein Rappolthaus von dem Verlust einiger Details der Ausstattung im erinnert. Richtungweisend an diesem frühen Ent- Eingangsbereich von Portal B und des Terrakotta- wurf waren einzig die Staffelgeschosse. Schmucks des südlichen Portals C, mitsamt seiner Bauplastik, seinen unzähligen weiß lackierten Spros- Neben der Modellierung des Baukörpers war Högers senfenster sowie der repräsentativen Ausstattung besonders Anliegen die Detaillierung der Fassaden, der Vestibüle und Treppenhäuser nahezu unverän- wobei bemerkenswert ist, dass er hier seine bisweilen dert erhalten. Lediglich die Schaufenster waren nicht überbordende Phantasie im Umgang mit dem Klinker mehr im Originalzustand erhalten, weshalb sie, in gezügelt und sich auf ein einziges Gliederungsmotiv Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt Hamburg, beschränkt hat. Vor die Fassadenpfeiler sind Vorlagen im Rahmen einer denkmalgerechten Modernisierung gesetzt, die um 45 Grad gegenüber dem Gebäude des gesamten Komplexes durch das Architekturbüro gedreht sind, so dass sie wie spitze Grate wirken. WGK Planungsgesellschaft mbH in freier Interpreta- Diese haben den Effekt, dass sie sich, aus einem tion des ursprünglichen Zustands neu gestaltet wur- bestimmten Blickwinkel betrachtet, optisch so dicht den (1990-93). Außerdem wurde die Fischertwiete 36 I

in eine Fußgängerzone umgewandelt, wofür die ur- sprüngliche Straßenpflasterung durch einen Belag aus Granitplatten ersetzt wurde.

2.2.2.4 Der Meßberghof

Der Meßberghof wurde von 1922 bis 1924 nach ei- nem Entwurf von Hans und Oskar Gerson errichtet. Investor war eine Kapitalgesellschaft, die Ballinhaus GmbH, zu der sich mehrere Firmen zusammenge- schlossen hatten.

Im Unterschied zum benachbarten Chilehaus weist der Meßberghof flächige Fassaden auf, die weitge- hend schmucklos sind. Hierdurch kommt die hand- Abb. 32: Meßberghof werklich anspruchsvolle Verarbeitung des Verblend- mauerwerks umso deutlicher zur Geltung und verleiht entfernt und gingen verloren, so dass eine Rekon- dem Gebäude seine spezifische Qualität. Diese puris- struktion nicht mehr möglich war. Ansonsten war tische Materialästhetik ist auch allgemein charakteris- der Meßberghof außen wie innen im historischen tisch für die Entwürfe von Hans und Oskar Gerson, Zustand erhalten. die ihr gestalterisches Credo 1925 in einem Artikel der Tonindustrie-Zeitung formulieren konnten, in dem Sämtliche nachteilige Veränderungen wurden von es um Klinkermauerwerk ging: „Die Zusammenset- den Architekten Schweger & Partner in Absprache zung der vielen nicht genau gleichen und verschieden mit dem Denkmalschutzamt Hamburg im Rahmen getönten Steine mit dem Spiel der Fugen sichert der einer denkmalgerechten Modernisierung des Ge- Fläche einen hohen ästhetischen Reiz. Wir empfinden bäudes beseitigt (1995/96). Dabei wurde auch die ur- den Reiz […] der Flächen so stark, daß wir im allge- sprüngliche Kubatur der Dachzone wiederhergestellt, meinen die Flächen nicht durch andere Mittel zu bele- wofür bewusst moderne Strukturen und Materialien ben versuchen und nach Möglichkeit vermeiden, die wie Titanzinkblech gewählt wurden. Die verlorenen Körper [der Gebäude, R.L.] zu zergliedern.“

Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Meßberghof nur rela- tiv geringe Schäden. Das Dach und ein Teil der Staf- felgeschosse an der Straße Pumpen wurden 1945 bei einem Luftangriff zerstört und bereits in den ers- ten Nachkriegsjahren vereinfacht wiederaufgebaut. Dabei erhielt das Gebäude ein Flachdach, aus dem unvermittelt der erhaltene Turm ragte. Ein weiterer Eingriff betraf das Erdgeschoss der Westfassade, in das zwei große Schaufenster eingebaut wurden. Außerdem wurden die an den Fassadenpfeilern an- gebrachten Sandsteinskulpturen von Ludwig Kunst- mann 1968 aufgrund starker Witterungsschäden Abb. 33: Meßberghof, Treppenhaus I 37

Skulpturen wurden 1997 durch abstrahierende Bron- zeplastiken von Lothar Fischer ersetzt.

2.2.2.5 Sprinkenhof und Mohlenhof

Der Sprinkenhof war zum größten Teil ein Gemein- schaftsprojekt von Fritz Höger und Hans und Oskar Gerson, die für die ersten beiden Bauabschnitte verantwortlich zeichneten, die von 1927 bis 1928 bzw. von 1929 bis 1930 entstanden. Der dritte Bau- abschnitt, der von 1939 bis 1943 realisiert wurde, stammte von Höger allein. Abgesehen von dem drit- ten Bauabschnitt muss offen bleiben, welchen Anteil die Architekten an den Entwürfen hatten. Lediglich die Wendeltreppen in den Haupttreppenhäusern der Abb. 34: Sprinkenhof ersten beiden Bauabschnitte lassen sich wohl ein- deutig Hans und Oskar Gerson zuordnen, die eine Der Mohlenhof, der von 1927 bis 1928 errichtet wur- vergleichbare Treppe bereits für den Meßberghof de, stammte von den Architekten Klophaus, Schoch, entworfen hatten. zu Putlitz. Bauherr war die Mohlenhof-Gesellschaft mbH, die von der Baufirma Paul Hammers gegrün- Der erste Bauabschnitt des Sprinkenhofs erlitt im det wurde. Auch die Planungsgeschichte des Moh- Zweiten Weltkrieg keine gravierenden Schäden und lenhofs ist nur in Ansätzen bekannt. Der Vorentwurf ist deshalb vollständig im Originalzustand überliefert. datiert vom August 1927. Hatten die Architekten ur- Die beiden anderen Bauabschnitte mussten dage- sprünglich eine Skelettfassade mit den damals aktu- gen Schäden verzeichnen. Die Verluste an originaler ellen expressionistischen Dreiecksmotiven vorgese- Bausubstanz waren aber jeweils relativ gering, zu- hen, so musste auch dieser Entwurf auf Betreiben mal die Stahlbetonskelette keine schweren Schäden der Baupflegekommission überarbeitet werden. Ge- aufwiesen und auch die Fassaden intakt geblieben fordert war eine möglichst neutrale Fassade, wobei waren. Selbst im Innenbereich sind viele historische wiederum die Nachbarschaft zum Chilehaus eine Details erhalten, im zweiten und dritten Bauabschnitt Rolle spielte. sogar historische Paternoster. Das Gebäude erhielt stattdessen seriell geglieder- Der erste und der zweite Bauabschnitt des Sprinken- te Lochfassaden mit schmalen Fenstern, wobei auf hofs wurden von Kleffel, Köhnholdt und Partner Archi- Gliederungen und Dekorationen weitgehend verzich- tekten in Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt tet wurde, sieht man von dem mit Kunststein verklei- Hamburg denkmalgerecht saniert (2000-03). Dabei deten Sockelgeschoss und den beiden friesartigen wurde die Tiefgarageneinfahrt an der Springeltwiete Bändern ab, die das Kopfgebäude am Burchardplatz geschlossen, um hier die Klimazentrale unterbringen schmücken und sich an den Staffelgeschossen als zu können, und die Parkplätze im Innenhof des zwei- Brüstungen fortsetzten. Im Zweiten Weltkrieg erlitt ten Bauabschnitts mit einer gläsernen Überdachung der Mohlenhof keine gravierenden Schäden und ist versehen. Außerdem wurde die Springeltwiete für deswegen weitestgehend im historischen Zustand den Automobilverkehr gesperrt, behielt aber das ur- erhalten. Veränderungen betreffen vor allem die Fas- sprüngliche Straßenprofil. saden in den Erdgeschossen. Die Eingangshalle wur- 38 I

Abb. 35: Mohlenhof Abb. 36: Mohlenhof, Eingangshalle de in der Nachkriegszeit mit einer Wandverkleidung kam. Diese gezielte Lenkung der Gestaltung eines aus Travertinplatten und einem Marmorfußboden ganzen Innenstadtquartiers kann damals auch inter- neu gestaltet und die meisten Treppenhallen in den national als einzigartig gelten. Obergeschossen modernisiert, wobei jedoch viele Elemente der ursprünglichen Art-Déco-Ausstattung Aufgrund ihrer außergewöhnlichen kultur-, architek- erhalten blieben. tur- und stadthistorischen Bedeutung sind alle für das Welterbe nominierten Ensemblebestandteile Dass sich diese heterogenen Einzelbauten zu einem auf der Grundlage des Denkmalschutzgesetzes der harmonischen und homogenen Ganzen fügten, ist Freien und Hansestadt Hamburg rechtlich geschützt. der 1912 etablierten Baupflegekommission zu ver- Die gesamte Speicherstadt wurde 1991 mit seinen danken, der in bestimmten, als besonders schüt- Gebäuden nebst Zubehör, den Grundstücksflächen, zenswert geltenden Bereichen der Stadt sämtliche den dazu gehörigen Straßen- und Freiflächen, dem Entwürfe für Neubauten, aber auch für den Umbau Zollkanal und dem Binnenhafen, mit den darin einge- bzw. die Erweiterung bestehender Gebäude zur Be- schlossenen wasserführenden Kanälen und Becken, gutachtung vorgelegt werden mussten. Im Kontor- den Kaimauern, Brücken und den sonstigen gemein- hausviertel ist der Einfluss der Baupflegekommis- sam mit ihnen ein Bild darstellenden Sachen und sion an der einheitlichen Verblendung der Gebäude Sachteilen in die Denkmalliste Hamburgs eingetra- mit Klinker, den Staffelgeschossen und den Flachdä- gen. Die für die Welterbeliste nominierten Gebäude chern ablesbar. Außerdem wurde Wert auf eine zu- und Flächen des Kontorhausviertels wurden − mit rückhaltende Gestaltung des Sprinkenhofs und des Ausnahme des 2003 eingetragenen des Mohlenhofs Mohlenhofs gelegt, damit diese nicht in Konkurrenz − 1983 als Denkmäler rechtlich geschützt. Im Jahr zu dem bereits damals hochgeschätzten Chilehaus 1998 bzw. 2005 erfolgte Aufnahme auf die deutsche traten. Zusätzlich sorgte der städtische Baudirektor Tentativliste des Welterbes. Fritz Schumacher mit der Schaffung der Platzanlage östlich des Chilehauses dafür, dass die spektakulä- re Spitze dieses Gebäudes hinreichend zur Geltung I 39

3. Welterbeeigenschaften

Maßgebend für die Eintragung von Stätten in die Welt- maßstäblichen, teilweise sogar blockfüllenden Ge- erbeliste sind die Kriterien, mit denen ihre Eintragung bäuden mit Klinkerfassaden in expressionistischen in die Welterbeliste begründet wird. Dies sind deren oder sachlichen Formen, flachen Dächern und Staf- „außergewöhnlicher universeller Wert“ (Outstanding felgeschossen. Das Welterbegebiet wird geprägt von Universal Value), deren Integrität („Unversehrtheit“) dem 1922-24 von Fritz Höger errichtetem Chilehaus, und die Authentizität („Echtheit“). Diese Kriterien einem im Kern als Stahlbetonbau mit Umfassungs- sind auch für die Definition zentraler Leitlinien des wänden aus für den Klinkerexpressionismus typi- Schutzes und der nachhaltigen Weiterentwicklung der schen dunkelrot bis violett gebrannten Backsteinen zukünftigen Welterbestätte von zentraler Bedeutung. errichteten zehngeschossigem Kontorhaus. Weitere prägende Gebäude des Welterbegebietes sind der 3.1 Vorschlag zur Feststellung der 1923-24 durch die Gebrüder Hans und Oskar Gerson Bedeutung der Stätte errichtete Meßberghof, der in drei Abschnitten zwi- schen 1927 und 1943 von den Architekten Hans und Im südlichen Bereich der Hamburger Altstadt sind in Oskar Gerson und von Fritz Höger errichtete Sprin- engem räumlichen und funktionalen Zusammenhang kenhof sowie der 1928 nach Plänen der Architekten zwei sich ergänzende monofunktionale Quartiere Rudolf Klophaus, August Schoch und Erich zu Putlitz erhalten: auf der einen Seite die Speicherstadt, der errichtete Mohlenhof. Lagerkomplex für die über den Hafen importierten Güter, auf der anderen Seite das Kontorhausviertel Bauhistorisch spiegeln die sich funktional ergänzen- mit den Kontoren der hafen- und schifffahrtsabhängi- den Viertel eindrucksvoll und in einmalig erhaltener gen Unternehmen. Konzentration und Größenordnung die Entwicklung der europäischen Architektur des ausgehenden 19. Die zwischen 1885 und 1927 unter der Leitung von und des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts sowie Franz Andreas Meyer in drei Bauabschnitten entstan- neue Ideen der funktionalen Reorganisation der dene, im Zweiten Weltkrieg beschädigte und in der Stadt auf dem Weg zur Moderne wider. Sie boten je- Nachkriegszeit durch Werner Kallmorgen in Anleh- weils den neuen logistischen Anforderungen im Gü- nung an das historische Vorbild wiederaufgebaute terumschlag und der organisatorischen Abwicklung und durch 1950er Jahre-Bauten von hoher Qualität des Handels den optimalen Raum. Zudem machen ergänzte Speicherstadt zeichnet sich durch ihre au- sie mit ihrer hohen konzeptionellen und gestalteri- ßergewöhnliche städtebauliche und architektonische schen Qualität den Rang deutlich, den der Hambur- Geschlossenheit aus. Sie besteht aus 15 fünf- bis ger Hafen und der hiesige Außenhandel seinerzeit siebengeschossigen Lagerhäusern und einer Rei- im internationalen Vergleich innehatte. he von Einzelbauten, bis auf wenige Ausnahmen in Backsteinbauweise in neogotischen und neoroma- nischen Formen, sowie einer spezifischen funktio- nalen, baulichen und städtebaulichen Struktur mit gepflasterten Straßen, Wasserstraßen, Brücken und Eisenbahnanschlüssen.

Von vergleichbarer Homogenität ist das nördlich des Zollkanals angrenzende Kontorhausviertel. Dieses vorwiegend in den 1920er und 1930er Jahren ent- standene Quartier besteht überwiegend aus groß- 40 I

3.2 Außergewöhnlicher nung die Idealvorstellungen einer modernen, tertiä- universeller Wert risierten Stadt mit funktionaler Zonierung sowie die Citybildung. Für das Ensemble Speicherstadt und Kontorhaus- viertel mit Chilehaus werden folgende Kriterien zur »»(iii) ein einzigartiges oder zumindest Aufnahmen in die Welterbeliste vorgeschlagen, um außergewöhnliches Zeugnis von den einzigartigen universellen Wert des Schutzgutes einer kulturellen Tradition oder einer zu bestimmen: bestehenden oder untergegangenen Kultur: »»(i) ein Meisterwerk der menschlichen Schöpfungskraft Beide Quartiere, sowohl Speicherstadt als auch Kon- torhausviertel, insbesondere die Kernzone, beste- Das Chilehaus von Fritz Höger gilt mit seiner an ei- hend aus Chilehaus, Meßberghof, Sprinkenhof und nen Schiffsbug erinnernden Spitze und der charak- Mohlenhof, sind in ihren Dimensionen und ihrer ge- teristischen Detaillierung seiner Fassaden als eine stalterischen Qualität sowie in ihren Materialien und Ikone des Expressionismus in der Architektur, die Architekturformen außergewöhnliche Zeugnisse der in keinem Standardwerk über die Architektur des baulichen Tradition Hamburgs als Hanse- und Hafen- 20. Jahrhunderts fehlt. Mit der Kombination eines stadt und des Selbstverständnisses ihrer Kaufleute Eisenbetonbaus mit traditionellem Mauerwerk, ver- sowie von deren eigener, den Erfolg sichernden An- wirklicht mit einer kaum zu überbietenden gestalte- passungsfähigkeit. rischen und handwerklichen Virtuosität, schuf Höger eine moderne Bürohausarchitektur, wie sie auch in- »»(iv) ein hervorragendes Beispiel eines ternational ohne Vorbilder war. Typus von Gebäuden, architektonischen oder technischen Ensemble oder »»(ii) für einen Zeitraum oder in einem Landschaften, die einen oder mehrere Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden bedeutsame Abschnitte der Menschheit Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug versinnbildlichen: auf die Entwicklung der Architektur oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus Die beiden eng benachbarten monofunktionalen, oder der Landschaftsgestaltung sich in funktionaler Hinsicht ergänzenden Quartie- aufzeigen; re stellen zwei hervorragende Beispiele von Ge- bäude- und Ensembletypen dar, die die Folgen des Die hohe kulturgeschichtliche Bedeutung der Spei- expandierenden Welthandels im ausgehenden 19., cherstadt und des Kontorhausviertels, insbesondere respektive im beginnenden 20. Jahrhundert versinn- der Kernzone, bestehend aus Chilehaus, Meßberg- bildlichen. Aufgrund ihrer schlüssigen Konzeption hof, Sprinkenhof und Mohlenhof, liegt darin begrün- und ihrer qualitätvollen, funktional geprägten Bauten det, dass sie den städtebaulichen, architektonischen, im Kleid des Historismus bzw. der Moderne stellen technischen und funktionalen Wandel dokumentie- sie auch im internationalen Vergleich einzigartige ren, der aus der starken Expansion des Welthandels Beispiele für Ensembles von maritimen Lagerhaus- in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts resultier- komplexen bzw. von modernen Bürohausbauten der te. Die beiden monofunktionalen, sich funktional 1920er Jahre dar. ergänzenden Quartiere dokumentieren in weltweit einmalig erhaltener Konzentration und Größenord- Die Hamburger Speicherstadt, Ende des 19. Jahr- I 41

hunderts mit ihren zahlreichen Speicher- und che Virtuosität erlangten. Der Meßberghof war eines Funktionsbauten, ihrer spezifischen funktionalen, der ersten Gebäude, die der Neuen Sachlichkeit den baulichen und städtebaulichen Struktur mit gepflas- Weg ebneten, der Mohlenhof kann sogar schon der terten Straßen, Wasserstraßen, Brücken und Eisen- Neuen Sachlichkeit zugerechnet werden. Der hohe bahnanschlüssen entstanden, ist noch heute das gestalterische Anspruch der Hamburger Kontorhaus- größte zusammenhängende, einheitlich geprägte bauten setzt sich auch in den Eingangsbereichen und Speicher­ensemble der Welt. Durch den behutsa- Treppenhäusern im Inneren fort. men Wiederaufbau konnte trotz der Einwirkungen des letzten Krieges das einheitliche Bild erhalten 3.3 Integrität respektive wieder hergestellt werden. Sie zeichnet sich nicht nur durch eine hohe architektonische und Mit dem Hamburger Ensemble Speicherstadt und städtebauliche Geschlossenheit aus, die aus der Kontorhausviertel mit Chilehaus sind gleich zwei einheitlichen Gestaltung mit roten Backsteinfassa- monofunktionale Quartiere in unmittelbarer Nachbar- den, überwiegend in den neogotischen Formen der schaft in angemessener Größe und in nahezu unver- „Hannoverschen Schule“ resultiert, sondern auch änderter historischer Gestaltung intakt erhalten, die durch eine bildmächtige Inszenierung, die ihren für den Wandel Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhun- die Bauaufgabe ungewöhnlich repräsentativen Cha- derts von der durchmischten Stadt hin zur modernen rakter unterstreicht. City mit monofunktionalen Zonen dokumentieren können. Die Speicherstadt beinhaltet dabei alle Ele- Das von einer bis heute erlebbaren großen Homo- mente und Strukturen, die ihre Bedeutung als größ- genität und außergewöhnlichen Größenordnung tes, einheitlich geprägtes Speicherensemble und geprägte Kontorhausviertel repräsentiert als erstes modernstes Logistikzentrum der Welt aus der Zeit reines Büroviertel auf dem europäischen Kontinent des späten 19. Jahrhunderts zum Ausdruck bringen, eine Verdichtung bisheriger Erfahrungen in der Kon- das Kontorhausviertel, insbesondere die Bauten sei- zeption und Gestaltung von Kontorhäusern sowie ner Kernzone bestehend aus Chilehaus, Meßberg- die Verlagerung des Schwerpunkts der wirtschaftli- hof, Sprinkenhof und Mohlenhof, alle Elemente und chen Aktivitäten in Kontinentaleuropa vom sekun- Strukturen, die seine Bedeutung für die Entwicklung dären auf den tertiären Sektor. Seine Kontorhäuser, der modernen Bürohausarchitektur der 1920er und insbesondere das Chilehaus, der Meßberghof, der 1930er Jahre dokumentieren. Sprinkenhof und der Mohlenhof setzten Maßstäbe für die Entwicklung der Bürohausarchitektur und 3.4 Authentizität zählen auch im internationalen Vergleich zu den be- deutendsten Leistungen der Baugattung Bürohaus Das Hamburger Ensemble Speicherstadt und nach dem Ersten Weltkrieg. Sie weisen hohe kon- Kontorhausviertel mit Chilehaus dokumentiert in zeptionelle und gestalterische Qualitäten auf, wie weltweit einzigartig erhaltener Konzentration und sie vergleichbar seinerzeit nur in den USA zu finden Größenordnung mit den qualitätvollen, funktional waren. Während aber die Bürohausarchitektur die- geprägten Bauten im Kleid des Historismus bzw. der ser Zeit international noch durch den Beaux-Arts-Stil Moderne seiner beiden sich ergänzenden, in unmit- bzw. andere historisierende Formen geprägt wurde, telbarer Nachbarschaft liegenden monofunktionalen wiesen die Hamburger Bauten bereits moderne Klin- Quartiere in weitgehend unveränderter historischer kerfassaden in expressionistischen Formen auf, die Gestaltung den Wandel von der durchmischten Stadt beim Chilehaus und beim Sprinkenhof eine kaum hin zur modernen City mit monofunktionalen Zonen noch zu überbietende gestalterische und handwerkli- Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. 42 I

Trotz der Schäden im Zweiten Weltkrieg und der suk- gehend unverändert erhalten. Dies gilt auch für das zessiven Umnutzung der Blöcke in den letzten an- Chilehaus, dessen charakteristische Detaillierung derthalb Jahrzehnten hat die Speicherstadt in weiten der Backsteinfassaden und dessen signifikante Form Teilen in Material und Substanz ihre Form und Ge- mit Überbauung der Fischertwiete und der S-linien- staltung bewahrt, die durch ihre hohe architektoni- förmigen Fassade am Meßberg, vor allem aber mit sche und städtebauliche Geschlossenheit, durch die der an einen Schiffsbug erinnernden Spitze im Osten anspruchsvolle Verbindung zwischen architektoni- in Material und Substanz erhalten ist. scher Gestaltung der Bauten und ihren technischen Einrichtungen, die gelungene Komposition ihrer 3.5 Schutz- und Verwaltungsplan repräsentativen roten Backsteinbauten in neogoti- schen Architekturformen der Hannoverschen Schule Speicherstadt und Kontorhausviertel stehen we- und durch ihre sowohl funktionale als auch malerisch gen ihrer überragenden Bedeutung unter Denkmal- wirksame Struktur bestimmt werden. Diese Kons- schutz. Alle wichtigen lnstandsetzungs- bzw. Ver- tanten verleihen dem Ensemble das unvergleichliche änderungsmaßnahmen und alle baulichen Eingriffe Bild einer „Speicherstadt“ mit einem für die Bauauf- sind mit dem Denkmalschutzamt der Freien und gabe ungewöhnlich repräsentativen Charakter. Die Hansestadt Hamburg abzustimmen und bedürfen ursprüngliche Funktion der Speicherstadt als Lager- seiner Genehmigung. Zudem gibt es für die Spei- zentrum ist in großen Teilen erhalten, und, wo nicht, cherstadt eine Gestaltungsverordnung sowie ein zumindest lesbar geblieben. Entwicklungskonzept.

Das Hamburger Kontorhausviertel, dessen Bauten Es ist beabsichtigt auch für das Kontorhausviertel noch heute ihren ursprünglichen Zwecken dienen, eine Gestaltungsverordnung zu entwerfen. Darü- wird in Form und Gestalt sowie in Material und Sub- ber hinaus wird derzeit ein Bebauungsplan für die stanz ebenfalls weitgehend unverändert geprägt Speicherstadt erstellt (Bebauungsplan HafenCity 12/ durch moderne, in Eisen- bzw. Stahlkonstruktions- Hamburg-Altstadt 48). bauweise errichtete Bürohausbauten der 1920er und 1930er Jahre, deren sorgfältig gestaltete, teil- Um den Erhalt und die Verwaltung des für die No- weise sehr aufwändig detaillierte Klinkerfassaden minierung zum Welterbe vorgeschlagenen Ensem- expressionistische und sachliche Architekturformen bles „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit aufweisen. Auch der künstlerische Bauschmuck und Chilehaus“ gewährleisten zu können und dessen die repräsentative Ausstattung der Vestibüle und der nachhaltige Entwicklung auf eine breite Basis zu stel- Treppenhäuser sind in Material und Substanz weit- len, wurde ein Managementplan erarbeitet. I 43

4. Schutzgut, Schutzziele und rechtliche Instrumente zum Erhalt und zur nachhaltigen Weiterentwicklung des zukünftigen Welterbes

Die zentralen Vorgaben für die Sicherung des für die trägern, Bewohnern, Eigentümern und weiteren Welterbeliste nominierten Ensembles „Speicher- Interessierten ermöglicht werden, sich schnell und stadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ basieren umfassend über die internationalen, nationalen und auf der Welterbekonvention, die der Umsetzung des landesrechtlichen Vorgaben im Welterbegebiet und Welterbeprogramms zugrunde liegt, der zugehörigen der Pufferzone zu informieren. Aus diesem Grund Richtlinie für die Durchführung des Übereinkommens wird angestrebt, die Texte, Ziele und Aussagen der zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (fort- im folgenden dargestellten Instrumente, mit denen an: Operational Guidelines oder Arbeitsrichtlinien) so- der Erhalt und die nachhaltige Weiterentwicklung wie unterschiedlichen Chartas, Empfehlungen und Er- des zukünftigen Welterbes „Speicherstadt und Kon- klärungen, die seitens UNESCO und ICOMOS in den torhausviertel mit Chilehaus“ gewährleistet werden letzten Jahren erarbeitet wurden. soll, im Internet zugänglich zu machen.

Auf nationaler Ebene und auf der Ebene des Bun- 4.1 Schutzgut deslandes Hamburg werden Schutz und nachhaltige Weiterentwicklung durch das Baugesetzbuch, die Nach Artikel 1 der Welterbekonvention fallen das Landesbauordnung und das Denkmalschutzgesetz Ensemble „Speicherstadt und Kontorhausviertel der Freien und Hansestadt Hamburg gewährleistet. mit Chilehaus“ unter die Kategorie des „Kulturerbe“ Weitere Planungsrichtlinien für das zukünftige Welt- (Cultural Heritage). Im Sinne der Welterbekonventi- erbegebiet bilden das Innenstadtkonzept Hamburg, on trifft die Unterkategorie „Ensembles“ (Groups of das Speicherstadt Hamburg Entwicklungskonzept Buildings) zu: Gruppen einzelner oder miteinander vom April 2012 und das Gestaltungshandbuch Spei- verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architek- cherstadt vom Juli 2002. tur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder Konform den Arbeitsrichtlinien ist es im Rahmen der wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnli- Erstellung von Managementplänen von wesentlicher chem universellen Wert sind. Bedeutung, die nationalen und landesrechtlichen Pla- nungssysteme der Bundesrepublik Deutschland und 4.2 Schutz- und Leitziele der Freien und Hansestadt Hamburg mit den Richtli- nien der Welterbekonvention zur Deckung zu bringen. Die Welterbekonvention verlangt die Erhaltung von Dies gilt auch für die rechtliche Situation der ausgewie- Welterbestätten in Bestand und Wertigkeit. Insbe- senen Pufferzone des Welterbegebiets, da diese des- sondere sind hierbei die Kriterien zu sichern, mit der sen Umgebungsschutz garantieren soll. Es geht also die Eintragung in die Welterbeliste begründet wurde: nicht nur um den Erhalt des baulichen Erbes selbst, der Outstanding Universal Value, die Authentizität sondern auch die Sicherung von dessen räumlicher und die Integrität der Welterbestätte. Da es sich um und visueller Erlebbarkeit spielt eine zentrale Rolle. Im ein Ensemble innerhalb der Innenstadt Hamburgs Folgenden werden daher wesentliche Eckpunkte der handelt, in dem gearbeitet und gewohnt wird, und Zielsetzungen der UNESCO-Welterbekonvention er- das auch nach der Einschreibung in die Welterbeliste läutert und mit den nationalen und landesrechtlichen wie zuvor unter marktwirtschaftlichen Bedingungen Planungssystemen und -zielen in Bezug gesetzt. bewirtschaftet werden wird, gilt es, diese Belange mit einer nachhaltigen Weiterentwicklung der Welt- Im Sinne einer größtmöglichen Transparenz und erbestätte zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund der in den Arbeitsrichtlinien gemachten Aussagen werden die wesentlichen Schutzziele auf folgenden soll es internationalen Akteuren, Fachstellen, Bau- drei Handlungssträngen aufgebaut: 44 I

Abb. 37: Drei-Säulen-Modell der Schutzziele des zur Nominierung vorgeschlagenen Ensembles Speicherstadt und Kontor- hausviertel mit Chilehaus I 45

1. Erhalten und Bewahren: Erhaltung der histori- -- Vermittlung von mit der zukünftigen Welterbestät- schen Substanz und der charakteristischen Ensem- te verbundenen Werten an die Bevölkerung Ham- blewirkung von Speicherstadt und Kontorhausviertel burgs sowie an Vertreter aus Wirtschaft und Politik. und deren typische Erscheinung im Stadtbild durch: -- Vermittlung von mit der zukünftigen Welterbestät- -- Pflege und verantwortungsvolle Nutzung von de- te verbundenen Werten an Besucher der Stadt. ren Bausubstanz und der daran angrenzenden öf- fentlichen Räume, 4.3 Welterbekonvention und internationale Vereinbarungen -- Sicherung der visuellen Integrität der Ensemb- les im Stadtbild durch die Erhaltung bestehender Um diese Zielsetzungen erreichen zu können, spie- Sichtkorridore für deren Wahrnehmung im Ham- len die Konzeption und Leitziele der Welterbekon- burger Stadtbild, vention, der zu ihrer Umsetzung dienenden Arbeits- richtlinien sowie die international gültigen Chartas -- Sicherung der Erlebbarkeit der ursprünglichen und Leitlinien eine wichtige Rolle. Ausdehnung der Speicherstadt von der Kehrwie- derspitze bis zur Poggenmühle, 4.3.1 Die Welterbekonvention -- Sicherung der Erlebbarkeit der Insellage der Spei- cherstadt und ihrer spezifischen Struktur einer Leitidee der Welterbekonvention ist die „Erwägung, „Stadt“ mit Straßen, Wasserstraßen und Brücken dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außerge- wöhnlicher universeller Bedeutung sind und daher als -- Erhaltung der Erlebbarkeit des spezifischen, auf Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit er- ihre Nutzung ausgelegten Charakters von Spei- halten werden müssen“ (aus der Präambel der Welter- cherstadt und Kontorhausviertel, bekonvention). Kulturdenkmäler und Naturerbestätten gehören nach dem Verständnis der Welterbekonventi- 2. Identität und Kontinuität: Erhaltung respektive on somit nicht allein dem Staat, auf dessen Territori- Steigerung der Lebensqualität der Bewohner Ham- um sie sich befinden. Sie sind vielmehr ideeller Besitz burgs durch die Sicherung eines einzigartigen und der gesamten Menschheit. Mit der Unterzeichnung Identität stiftenden Zeugnisses der kulturellen Ent- der Welterbekonvention erkennen die Vertragsstaaten wicklungsgeschichte der Stadt durch: die internationale Verpflichtung an, die innerhalb ihrer Grenzen gelegenen Welterbestätten zu schützen und -- Fortführung der hohen Kontinuität im Umgang mit für zukünftige Generationen zu erhalten. der historischen Bausubstanz (Bauunterhaltung und Pflege). Mit der Unterzeichnung der Welterbekonvention ha- ben sich die Unterzeichnerstaaten insbesondere ver- -- Nachhaltige Nutzung, Bewirtschaftung, Erhaltung pflichtet: und Entwicklung der zukünftigen Welterbestätte. -- eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf 3. Sensibilisierung und Information: Langfristige und gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine nachhaltige Sicherung von Speicherstadt und Kontor- Funktion im öffentlichen Leben zu geben und den hausviertel durch: Schutz dieses Erbes in erschöpfende Planungen einzubeziehen, 46 I

-- wissenschaftliche und technische Untersuchun- -- Die Einschreibung von Welterbestätten in die gen und Forschungen durchzuführen und Arbeits- Welterbeliste und die Liste gefährdeter Welterb- methoden zu entwickeln, die es ihm ermöglichen, stätten, die seinem Kultur- und Naturerbe drohenden Ge- fahren zu bekämpfen und, -- den Schutz für Welterbestätten,

-- geeignete rechtliche, wissenschaftliche und tech- -- die internationale Hilfe des World Heritage Funds, nische, Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen zu treffen, die für Erfassung, Schutz, Erhaltung in -- und die Mobilisierung internationaler Unterstüt- Bestand und Wertigkeit sowie die Revitalisierung zung zugunsten der Welterbekonvention exakt dieses Erbes erforderlich sind. definiert.

Die Welterbekonvention wurde seitens der Bun- Die Arbeitsrichtlinien werden in regelmäßigen Ab- desrepublik Deutschland 1976 ratifiziert, jedoch zu ständen ergänzt, um aktuelle Entscheidungen des diesem Zeitpunkt nicht in nationales Recht über- Welterbekomitees integrieren zu können. Sie de- führt. Von hoher Bedeutung für den Erhalt, die nach- finieren die zentralen Handlungskorridore für das haltige Weiterentwicklung und das Management Management der Welterbestätte. Innerhalb dieses des zukünftigen Welterbegebiets ist es daher, eine Managementplans getroffene Verweise auf die Ar- Kompatibilität der nationalen und landesrechtlichen beitsrichtlinien beziehen sich auf die Version 2011. Planungssysteme mit den Zielen der Welterbekon- vention zu erreichen. 4.3.3 Chartas und Erklärungen Ein wichtiger Schritt hierzu wurde mit der am 1. Mai 2013 in Kraft getretenen Hamburgischen Denkmal- Im Gegensatz zu den unter 4.4 aufgeführten nati- schutzgesetz vom 5. April 2013 gemacht, in dem die onalen und landesrechtlichen Planungsgrundlagen Belange des Welterbes explizit erwähnt werden. In haben die Chartas, Erklärungen und Empfehlun- §7 Abs. 8 heißt es dort: „Bei Maßnahmen und Pla- gen von UNESCO und ICOMOS eine empfehlende nungen ist die Verpflichtung zur Bewahrung des Kul- Funktion. Sie präzisieren die Aufgabenstellung des turerbes gemäß dem Übereinkommen zum Schutz Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutzes, so des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16.11.72, dass die hier formulierten Zielsetzungen zur inhaltli- (BGBl. 1977 II, S. 215) zu berücksichtigen“ (Hmb chen Umsetzung der Welterbekonvention sowie zur DSchG vom 5. April 2013, Hmb GVBL. S.142). Erhaltung, der Nutzung und der nachhaltigen Wei- terentwicklung von Welterbestätten dennoch von zentraler Bedeutung sind. Relevant im Hinblick auf 4.3.2 Arbeitsrichtlinien (Operational Guidelines) das Ensemble „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ sind insbesondere die Charta von Ve- Eine wesentliche Grundlage zur Umsetzung dieser Zie- nedig (Venice Charter), die Charta von Washington le sind die Operational Guidelines for the Implementa- (Washington Charter), das Dokument von Nara zur tion of the World Heritage List (kurz: Operational Gui- Authentizität (Nara Document on Authenticity), die delines, hier: Arbeitsrichtlinien). Diese haben zum Ziel, Charta von Burra (Burra Charter) sowie die jüngeren die Umsetzung der Welterbekonvention zu erleichtern. Empfehlungen zur Erhaltung historischer Stadtland- Hier wurden insbesondere die Prozedere für: schaften. Es wird angestrebt, diese international gültigen Richtlinien für alle an der Sicherung der zu- I 47

künftigen Welterbestätte beteiligten Akteure und für 4.4 Nationale und landesrechtliche Interessierte auf einfache Weise im Internet zugäng- Gesetze und Planungssysteme lich zu machen. Neben diesen internationalen Richt- und Leitlinien Da es sich bei der vorliegenden Nominierung zum sind im zukünftigen Welterbegebiet folgende nationa- Welterbe um ein Ensemble innerhalb einer urbanen le und landesrechtliche Gesetze und Planungsinstru­ Agglomerationen handelt, das sowohl räumlich als mentarien der Bauleitplanung relevant: auch im Hinblick auf aktuelle Stadtentwicklungsziele außerordentlich eng mit seiner städtebaulichen Um- gebung verknüpft ist, ist hier die vom Welterbekomi- 4.4.1 Baugesetzbuch (BauGB) tee 2011 verabschiedete Erklärung zur Historischen Stadtlandschaft von besonderer Bedeutung (Recom- Die Vorgaben des Baugesetzbuchs der Bundesrepu- mendation on the Historic Urban Landscape, Down- blik Deutschland sind maßgebend für die bauliche load: http://whc.unesco.org/uploads/activities/docu- Entwicklung im Welterbegebiet und in der Puffer- ments/activity-47-1.pdf ). Der Ansatz der Historischen zone und bieten gleichzeitig die Instrumente zum Stadtlandschaft fußt auf bestehenden Erklärungen Schutz des zukünftigen Welterbes durch die Bauleit- und Chartas und trägt der Tatsache Rechnung, dass planung, Erhaltungs- und Gestaltungsverordnungen Welterbestätten innerhalb urbaner Agglomerationen und weiteren Handlungsebenen. einem kontinuierlichen Wandel unterworfen sind. Ebenso wird anerkannt, dass die in und um Welt- erbstätten lebenden sozialen Gemeinschaften beim 4.4.2 Hamburgische Bauordnung (HBauO) Erhalt und bei der nachhaltigen Weiterentwicklung urban geprägter Welterbestätten eine zentrale Rolle Die Hamburgische Bauordnung vom 14. Dezem- spielen und deshalb eng in die Umsetzung von deren ber 2005 (zuletzt geändert am 15. Dezember 2009) Erhaltung und nachhaltiger Entwicklung einzubinden enthält allgemeine Bauvorschriften, regelt die recht- sind. lichen Grundlagen zwischen Grundstücken und ih- rer Bebauung, enthält Vorschriften zur Gestaltung, Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Erklärung zur Anforderungen an die Bauausführung sowie Bau- Historischen Stadtlandschaft, die Erhaltung kulturel- produkten und Bauarten, Wänden, Decken und Dä- len Erbes innerhalb urbaner Agglomerationen nicht chern, Rettungswegen, technischer Gebäudeausrüs- mehr isoliert, sondern innerhalb eines breiteren Kon- tung und nutzungsbedingten Anforderungen. textes zu betrachten, der auch dynamische gesell- schaftliche Prozesse mit einbezieht. Historische Ge- Die HBauO definiert zudem die Aufgaben und Be- biete sollen deshalb als integraler Bestandteil ihres fugnisse von am Bau Beteiligten, von Bauaufsichts- städtischen Zusammenhangs identifiziert und ge- behörden, vorsorgender Überwachung, bauauf- schützt werden. Auch ihr Management ist in diesen sichtlichen Maßnahmen, Ordnungswidrigkeiten und gesamtstädtischen Kontext einzubinden und sollte Rechtsverordnungen. deshalb mit übergeordneten Leitzielen der Stadtent- wicklung abgestimmt werden. Möglichst alle Akteu- re, die an städtischen Planungsprozessen beteiligt sind, sollen mit eingebunden werden. Auch eine enge Kooperation mit Akteuren des privaten Sektors und Interessensgruppen wird empfohlen. 48 I

4.4.3 Flächennutzungsplan 4.4.5 Entlassung der Speicherstadt aus dem Hafenentwicklungsgesetz und Die Freie und Hansestadt Hamburg hat gemäß § 1 Bebauungsplan Speicherstadt III und §5 ff BauGB einen Flächennutzungsplan für die gesamte Stadt und damit auch das zukünftige Die Speicherstadt lag bis zum Jahr 2012 im Gel- Welterbegebiet und die Pufferzone als Bauleitplan tungsbereich des Hafenentwicklungsgesetzes (Ha- aufgestellt. Der Flächennutzungsplan für die Freie fenEG) vom 25. Januar 1982, zuletzt geändert am und Hansestadt Hamburg in der Fassung der Neu- 19. April 2011 (HmbGVBl. S. 123). Mit der Verände- bekanntmachung vom 22. Oktober 1997 (HmbGVBl. rung der hafenwirtschaftlichen Anforderungen an S. 485) enthält für das Plangebiet zurzeit noch die die Logistik (Entwicklung weg vom Stückgut hin zur Darstellung „Hafen“ als nachrichtliche Übernahme. Containerisierung u. ä.) und mit der Entwicklung der Der Flächennutzungsplan wird hier parallel zum HafenCity veränderten sich die Rahmenbedingun- Bebauungsplan geändert und zukünftig die Darstel- gen für die Speicherstadt signifikant. Es setzte eine lung “Gemischte Baufläche“ aufweisen. Dieser Plan Umwandlung der Speicherstadt durch die Aufgabe legt die Grundzüge für die Flächennutzung und Be- hafenbezogener Nutzungen und der nachfolgend bauungsmöglichkeiten für das gesamte Gebiet der zunehmenden Nachfrage von städtischen Nutzern Hamburger Innenstadt fest. ein. Aufgrund dieses starken Strukturwandels wurde die Speicherstadt am 10.10.2012 aus dem Hafenent- wicklungsgesetz entlassen. 4.4.4 Bebauungsplan Mit der Entlassung der nunmehr zum Ortsteil Ha- Für die Hamburger Innenstadt, zu der auch das Kon- fenCity gehörenden Speicherstadt mit deren ein- torhausviertel zählt, wurde auf Grundlage der Bau- geschlossenen Fleeten und den Wasserflächen polizeiverordnung von 1938 zunächst der Baustu- des Zollkanals und des Binnenhafens vom Kehr- fenplan Innenstadt in der Fassung seiner erneuten wiedersteg bis zur Oberbaumbrücke aus dem Ha- Feststellung vom 14. Januar 1955 (Amtl. Anz. S. 61) fengebiet soll die Entwicklung der Speicherstadt aufgestellt. Bis heute wurde dieses Planungsrecht in zu einem attraktiven Bindeglied zwischen Innen- großen Bereichen durch zahlreiche Bebauungspläne stadt und HafenCity mit städtischer Nutzung ge- nach BBauG bzw. BauGB ersetzt. fördert werden.

Der als Welterbegebiet vorgesehene Bereich des Da die Flächen im Geltungsbereich des Hafenent- Kontorhausviertels ist planungsrechtlich auf der wicklungsgesetzes einer Planfeststellung nach dem Grundlage des Bebauungsplans HH-Altstadt 30 vom Baugesetzbuch nicht zugänglich waren, ist für die 14.06.1994 und des Textbebauungsplans HH-Altstadt Speicherstadt bisher noch kein Bebauungsplan auf- 47 / Neustadt 49 vom 05.07.2011 als Kerngebiet aus- gestellt worden. Mit der Entlassung der Speicher- gewiesen, in dem Wohnen ausnahmsweise zulassen stadt aus dem Geltungsbereich des Hafenentwick- werden kann (§ 7 Abs. 3 Baunutzungsverordnung). lungsgesetzes haben sich jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert, so dass jetzt ein Nach der Entlassung der Flächen der Speicherstadt Bebauungsplan aufgestellt werden kann. Dabei sol- aus dem Geltungsbereich des Hafenentwicklungs- len auch die Belange des Welterbes angemessen gesetzes am 10.10.2012 wurde am 17.10.2012 ein berücksichtigt werden. Derzeit ist laut „Anordnung Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan ge- über Zuständigkeiten im Bauordnungswesen vom 8. fasst (s. 4.4.5 und 7.1.5). August 2006“ (Amtl. Anz. S. 2085) die Behörde für I 49

Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) dafür zustän- Brücken und den sonstigen gemeinsam mit ihnen dig, die Hamburgische Bauordnung in der Speicher- ein Bild darstellenden Sachen und Sachteilen“ ste- stadt umzusetzen (vgl. 7.1.5). hen seit 1991 nach Hamburger Denkmalrecht unter Denkmalschutz. Für die Baugenehmigungen in der Speicherstadt ist das Amt für Bauordnung und Hochbau in der Be- Kontorhausviertel: Die in Bezug auf das Welterbe re- hörde für Stadtentwicklung und Umwelt zuständig. levanten Gebäude des Kontorhausviertels stehen als Die Zuständigkeit für die Unterhaltung der Wasser- Teil des Ensembles Kontorhausviertel nach Hambur- flächen und der Kaimauern wird auch zukünftig bei ger Denkmalrecht unter Denkmalschutz. Die Eintra- der Hamburg Port Authority verbleiben. Die Brücken gung des Mohlenhofs erfolgte 2003, alle anderen für und Straßen fallen unter den Zuständigkeitsbereich das Welterbe nominierten Gebäude wurden bereits des Bezirks Hamburg-Mitte. Besondere Aufgaben, 1983 als Denkmäler in die Hamburger Denkmalliste wie die Erschließung der Speicherstadt auf Antrag aufgenommen. Auch die angrenzenden Straßenflä- der Finanzbehörde, werden von der Behörde für chen und Außenräume sind als Teil des Ensembles Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) wahrge- Kontorhausviertel denkmalgeschützt. nommen, die sich zur Durchführung dieser Aufgaben des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer Umgebungsschutz: Die unmittelbare Umgebung der (LSBG) bedient. Denkmäler „Speicherstadt“ und „Kontorhausvier- tel“ unterliegt lt. § 8 des Denkmalschutzgesetzes Hamburg dem Umgebungsschutz. „Die unmittelba- 4.4.6 Denkmalschutzgesetz Hamburg re Umgebung eines Denkmals, soweit sie für des- sen Erscheinungsbild von prägender Bedeutung ist, Das Hamburgische Denkmalschutzgesetz, neu ge- darf ohne Genehmigung der zuständigen Behörde fasst am 5. April 2013 (Hmb GVBL. S. 142) dient durch Errichtung, Änderung oder Beseitigung bauli- dem direkten Schutz von Baudenkmälern, Ensemb- cher Anlagen, durch die Gestaltung der unbebauten les, Gartendenkmälern und Bodendenkmälern und öffentlichen oder privaten Flächen oder in anderer beweglicher Denkmäler, deren Schutz unanfechtbar Weise nicht dergestalt verändert werden, dass das geworden ist (§4). Flächen, Straßen, Gewässer, Kai- Erscheinungsbild des Denkmals wesentlich beein- mauern und Brücken im Welterbegebiet sowie deren trächtigt werden“. Umgebung dürfen im Sinne von § 9 des Denkmal- schutzgesetzes ohne Genehmigung der zuständigen Denkmalrat: Für die Zwecke des Denkmalschutzes Behörde nicht ganz oder teilweise beseitigt, wie- und der Denkmalpflege ist der zuständigen Kulturbe- derhergestellt, erheblich ausgebessert, von ihrem hörde der aus 12 Mitgliedern bestehende Denkmal- Standort entfernt oder sonst verändert werden. rat als unabhängiger sachverständiger Beirat beige- ordnet. Er setzt sich zusammen aus Vertreterinnen Speicherstadt: Die Speicherstadt gilt als die städ- und Vertretern der Fachgebiete der Denkmalpflege, tebaulich und architektonisch bedeutsamste Denk- Geschichte und Architektur sowie aus in der Sache mallandschaft Hamburgs. Das „Ensemble der Spei- engagierten Bürgern und Institutionen der Freien cherstadt mit seinen Gebäuden nebst Zubehör, den und Hansestadt Hamburg. Er berät die zuständige Grundstücksflächen, den dazu gehörigen Straßen- Behörde und nimmt Stellung zu grundsätzlichen und und Freiflächen, mit dem Zollkanal und dem Bin- aktuellen Fragestellungen des Denkmalschutzes und nenhafen und mit den darin eingeschlossenen was- der Denkmalpflege. serführenden Kanälen und Becken, den Kaimauern, 50 I

Der Denkmalrat wird sich zukünftig mit besonderer Aufmerksamkeit den Belangen des Welterbes wid- men und mit seiner Expertise die Fragen der Einbin- dung der zukünftigen Welterbestätte in die Stadtent- wicklung, der anstehenden Sanierungsprojekte im Welterbegebiet und der Neubauvorhaben in dessen Pufferzone sowie weitere die Denkmalpflege betref- fende Angelegenheiten begleiten, um für eine gleich- bleibend hohe Qualität im Umgang mit der Bausubs- tanz und dem öffentlichen Raum Sorge zu tragen.

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H Denkmalschutzbereich a f e Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus n

Legende geschützte Ensembles geschützte Baudenkmale/Denkmalobjekte geschützte Denkmalflächen/Außenanlagen geschützte Gewässer nicht konstituierende Bestandteile Stand: 17. Dezember 2012 Projektion: UTM32 Lagebezugssystem: ETRS89 Kartenhintergrund: DSGK (LGV, Oktober 2011) Maßstab: 1:5.000 Meter 0 50 100 150 200 250 ¸

Abb. 38: Denkmalschutzkarte Speicherstadt und Kontorhausviertel I 51

5. Welterbegebiet

Das Welterbegebiet umfasst mit dem Ensemble zone“) konform §5, Abs. 4 des Baugesetzbuches „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chile- „nachrichtlich übernommen“ werden. Das Welter- haus“ zwei benachbarte, sich in funktionaler Hin- begebiet und seine Pufferzone sollen entsprechend sicht ergänzende Quartiere. Nachfolgend werden die im Flächennutzungsplan vermerkt werden. Bis auf Grenzen des Welterbegebiets sowie der Pufferzone, wenige Flächen der Pufferzone sind alle in Frage die dem Schutz der Integrität des Welterbes dient, stehenden Bereiche nach dem Denkmalschutzge- exakt umschrieben. Diese Grenzziehungen umfas- setz der Freien und Hansestadt Hamburg eingetra- sen alle Elemente, die einen wesentlichen Bestand- gene Kulturdenkmale. teil des Outstanding Universal Value der Welterbe- stätte ausmachen. Der präzise Umgriff des Welterbegebiets (rot), seiner Pufferzone (grau) und der nach Hamburger Insbesondere sollen die Grenzziehungen der Welter- Denkmalschutzgesetz geschützten Bereiche (gelb bestätte garantieren, umrandet) sind in Abbildung 39 dargestellt.

-- dass das eingeschlossene zukünftige Welterbe- 5.1 Welterbegebiet Ensemble und seine Werte in seiner Gesamtheit ohne Beeinträchtigung des Outstanding Universal Das Welterbegebiet umfasst die für das Welterbe Value, der Authentizität und der Integrität für kom- relevanten Teile der unmittelbar benachbarten, sich mende Generationen erhalten werden kann, in funktionaler Hinsicht ergänzenden Quartiere Kon- torhausviertel und Speicherstadt und verläuft vom -- dass das heutige visuelle Erlebnis des zukünfti- nordöstlichen Punkt entgegen dem Uhrzeigersinn gen Welterbe-Ensembles einschließlich wichtiger entlang folgender Punkte und Gemarkungen: Sichtachsen auch zukünftig gewahrt bleibt, Quartier 1: Kontorhausviertel: Im Kontorhausvier- -- dass ein effizientes Management der Welterbe- tel folgt die Grenzziehung dem Mittelstreifen Alt- stätte möglich ist. städter Straße, von der Straße Johanniswall bis Burchardplatz, Nordseite Burchardplatz, schräg Die Grenzen des Welterbegebietes liegen innerhalb über Burchardstraße zur Westgrenze des Gebäu- des Schutzbereiches, der bereits nach Hamburger des Mohlenhof (Flurstück 224). Dann schräg über Denkmalschutzgesetz rechtlich geschützt ist. Hier- Niedernstraße zur Ecke Niedernstraße/ Depenau, durch wird eine größtmögliche Übereinstimmung Westseite Straße Depenau bis Südseite Straße zwischen bestehenden landesrechtlichen Grundla- Klingberg, entlang der Südseite Straße Klingberg gen und den oben genannten Zielsetzungen gewähr- bis zur Ostgrenze des Flurstücks 1650. Weiter nach leistet. Süden verläuft die Grenzziehung entlang der West- grenze des Flurstücks 1914 (Meßberg) bis zur Nord- Von fundamentaler Bedeutung für die Sicherung der seite Zollkanal. Dann schräg in Richtung Nordosten zukünftigen Welterbestätte ist, dass deren Grenzen über die Willy-Brandt-Straße bis zur Südostecke des (Welterbegebiet und Pufferzone) von allen Akteu- Gebäudes Meßberghof, in Richtung Norden entlang ren, die in Planungs- und Nutzungsprozesse in und der Ostgrenze des Gebäudes Meßberghof bis zur um die Welterbestätte einbezogen sind, erkannt Südgrenze der Straße Pumpen. Anschließen nach werden können. Im Sinne einer größtmöglichen Osten entlang der Südgrenze der Straße Pumpen Transparenz für alle Beteiligten soll das vorgesehe- und der Burchardstraße bis zur Nordostsputze ne Welterbegebiet und seine Schutzzonen („Puffer- des Gebäudes Burchardstraße 1, schräg über die 52 I

Abb. 39: Welterbegebiet (rot umrandet), Pufferzone (grau), nach Hamburger DschG geschütztes Ensemble (gelb umrandet)

Burchardstraße in Richtung Norden bis zur West- über die Straße Poggenmühle entlang der Südseite seite der Straße Johanniswall. Dann wiederum von des Holländischbrookfleet bis zur Oberbaumbrücke. der Westseite der Straße Johanniswall Richtung Anschließend entlang der Westseite der Oberbaum- Norden folgend bis zur Höhe des Mittelstreifens brücke in Richtung Norden zur Nordseite Oberha- der Altstädterstraße. fen sowie Richtung Westen entlang der Nordseite Oberhafen bis zur Südostspitze des Flurstücks 1914 Quartier 2: Speicherstadt: Die Grenzziehung um die (Meßberg). Speicherstadt verläuft entlang der Nordseite des Zollkanals nach Westen folgend bis zur Kehrwieder- 5.2 Pufferzone steg-Brücke über den Binnenhafen. Die Westseite des zukünftigen Welterbegebiets wird durch die Wie in den Operational Guidelines, § 103 und 104, Kehrwiedersteg-Brücke über den Binnenhafen und gefordert, wurde für das zukünftige Welterbe-Ge- den Kehrwiedersteg markiert und verläuft bis zur biet eine Pufferzone ausgewiesen. Die Pufferzone Ecke Kehrwiedersteg/ Am Sandtorkai. Dann ent- leistet zur Sicherung der zukünftigen Welterbestät- lang der Nordgrenze der Straße Am Sandtorkai und te einen wesentlichen Beitrag, indem sie sicher- Brooktorkai nach Osten bis zur Ecke Poggenmühle, stellt, dass deren visuelle Erlebbarkeit gewährleis- nach Norden entlang der Ostseite des Speicher- tet bleibt. Die Pufferzone umfasst das Umfeld des blocks X bis zum Holländischbrookfleet, nach Osten Welterbegebiets bis zu manifesten oder sinnvoll I 53

ausgewählten Raumkanten. Sie orientiert sich damit 5.3 Sichtverbindungen, an den landesrechtlichen Vorgaben des Hamburger Silhouetten- und Denkmalschutzgesetzes, das für die unmittelbare Panoramaschutz Umgebung eines Denkmals, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von prägender Bedeutung ist, ei- Von wesentlicher Bedeutung für das Erscheinungs- nen Umgebungsschutz vorsieht. Die Pufferzone be- bild, das Erleben und das Verständnis der zukünf- rücksichtigt vorhandene Freiräume und Wasserflä- tigen Welterbestätte sind die unterschiedlichen chen, die in der Erlebbarkeit des Zusammenhangs Sichtverbindungen, durch die eine Bezugnahme des des Welterbe-Ensembles und dem umgebenden zukünftigen Welterbe-Ensembles auf seine Umge- Stadtraum eine wichtige Rolle spielen. Auch Sicht- bung und vice versa möglich ist. Den bestehenden achsen und Flächen im weiteren Umfeld des Welt- Sichtachsen kommt vor allen Dingen auch deswegen erbegebiets, die in Bezug auf die (visuelle) Unver- eine außerordentlich große Bedeutung zu, da sich sehrtheit des zukünftigen Welterbes eine wichtige im Umfeld des zukünftigen Welterbe-Ensembles Rolle spielen, wurden im Rahmen der Ausweisung in den letzten Jahren durch den Bau der HafenCity der Pufferzone berücksichtigt. Die Pufferzone zielt große Veränderungen ergeben haben. Insbesondere darüber hinaus darauf ab, Gebiete, die in histori- die Erlebbarkeit der Süd- und der Westansicht der scher Verbindung zum zukünftigen Welterbegebiet Speicherstadt von der Elbe und vom Sandtorhafen stehen, zu integrieren. Hierzu zählen insbesondere aus wurde hierdurch erheblich eingeschränkt. Ziel die Westspitze der Speicherstadt sowie die Flächen der Definition der Sichtachsen ist es daher, die ver- südlich der Straßen Am Sandtorkai und Brooktor- bleibenden Sichtverbindungen aus dem Umfeld der kai , die im 2. Weltkrieg starke Schäden erlitten und Stadt zum zukünftigen Welterbegebiet zu erhalten. mit Neubauten versehen worden sind und des- halb nicht in das Welterbegebiet einbezogen wur- Die Sichtachsen lassen sich in folgende Kategorien den, jedoch für das Verständnis des ursprünglichen einteilen: Zuschnitts der Speicherstadt eine wichtige Rolle spielen. Im nördlich der Speicherstadt liegenden 1. Sichtverbindungen von der Innenstadt zum Welt- 1. Quartier umfasst sie über die Kernbauten Chile- erbegebiet. haus, Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof hi- naus die Bauten des gesamten Kontorhausviertels 2. Sichtverbindungen innerhalb des Welterbege- sowie der Gebäude der Cityhof-Hochhäuser aus der biets, Nachkriegszeit. 3. Sichtverbindungen von der HafenCity zum Welt- Innerhalb der Pufferzone sind bauliche Maßnahmen erbegebiet. und Vorhaben auf ihre Verträglichkeit mit der zu- künftigen Welterbestätte, insbesondere hinsichtlich ihrer Höhenentwicklung und ihrem baulichen Maß 5.3.1 Sichtverbindungen von der Innenstadt zu prüfen und verträglich mit den schützenswerten zum Welterbegebiet Ansichten und Sichtbeziehungen des zukünftigen Welterbe-Ensembles zu realisieren. Eventuelle Pla- Ein wesentliches Qualitätsmerkmal der Sichtverbin- nungsvorhaben sind generell mit der Welterbekordi- dungen aus der Hamburger Innenstadt und der Ha- natorIn abzustimmen. fenCity zum zukünftigen Welterbegebiet ist, dass sie gleichzeitig integraler Bestandteil bestehender res- pektive geplanter Wegeverbindungen sind, die das 54 I

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wieder- r Kehr st i andtorka e Am S Freie und Hansestadt Hamburg g Kulturbehörde torkai Am Sand Denkmalschutzamt M 6 agde 11 10 Karte zum Welterbeantrag en bur Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus Sandtorhaf ge r Legende

H af Welterbegebiet e n Objekte Flächen/Außenanlagen 9 Wasserflächen Pufferzone 8 Sichtachsen 1 Sichtachsennummer Projektion: UTM32 Lagebezugssystem: ETRS89 Kartenhintergrund: DSGK (LGV, Oktober 2011) Maßstab: 1:5.000 Meter 0 50 100 150 200 250 ¸

Abb. 40: Sichtverbindungen zwischen dem Welterbegebiet und seiner Umgebung

Stadtgebiet der Innenstadt mit der HafenCity verknüp- überdies integraler Bestandteil der Wegeverbindung fen. Die Sichtverbindungen spielen daher nicht nur im vom Ballindamm zum Baakenhöft, die im Rahmen Hinblick auf die visuelle Erlebbarkeit des zukünftigen der Verknüpfung der Hamburger Innenstadt zum Welterbegebietes aus der Innenstadt eine wichtige östlichen Teil der HafenCity eine wichtige Funktion Rolle, sondern sie besitzen auch für die räumliche Ver- einnehmen wird. knüpfung beider Bereiche eine große Wichtigkeit. Die Sichtverbindung von der durch das Chilehaus »»1+1a Sichtachse St. Jacobi – Burchardplatz hindurchführenden Fischertwiete in Richtung des – Fischertwiete – Wandrahmsteg – Wandrahmstegs und der Speicherstadt hat darüber Speicherstadt hinaus eine große historische Bedeutung, da sie das stadträumliche Gelenk darstellt, mit dem das Kon- Die Sichtachse St. Jacobi – Burchardplatz – Speicher- torhausviertel und die Speicherstadt funktional und stadt ist einerseits für das visuelle Erleben des Kon- visuell miteinander verknüpft waren. torhausviertels aus dem Raum der Innenstadt von hoher Bedeutung. Andererseits spielt sie für die Be- »»2 Sichtachse Domplatz – Speicherstadt greifbarkeit des funktionalen und inhaltlichen Zusam- menhangs des Kontorhausviertels mit der Speicher- Die Sichtachse Domplatz – Speicherstadt ist im Er- stadt eine zentrale Rolle. Diese Sichtverbindung ist leben der Speicherstadt von erheblicher Bedeutung, I 55

Abb. 41: Heutiger Blick durch die Fischertwiete in Rich- Abb. 42: Blick vom „Rathaus“ der Speicherstadt über den tung Zollkanal und Speicherstadt Domplatz zur St. Petri-Kirche da sie eine der drei visuellen Verbindungen zwischen der Hamburger Innenstadt zum zukünftigen Welter- begebiet darstellt. Hier erschließt sich überdies die „Mitte“ der Speicherstadt mit dem Verwaltungs- gebäude der HHLA, auch „Speicherstadt-Rathaus“ genannt, das in der Speicherstadt seit jeher einen auffälligen Akzent darstellt, weil es besonders reprä- sentativ gestaltet wurde und noch heute die Haupt- verwaltung der HHLA beherbergt, sowie zu weiteren wichtigen historischen Gebäuden. Die Sichtverbin- dung ist darüber hinaus integraler Bestandteil der zukünftigen Wegeverbindung von der Binnenalster zum Magdeburger Hafen, die im Innenstadtkonzept Hamburg 2010 angedacht wurde.

»»3 Sichtachse Willy-Brandt-Straße – Meßberg

Die Sichtachse von der Willy-Brandt-Straße zum Meßberg ist für die Erlebbarkeit des Kontorhaus- viertels von zentraler Bedeutung. Die Willy-Brandt- Straße läuft direkt auf die abgestaffelte Fassade des Meßberghofes zu. Diese Blickachse hat auch des- halb eine hohe Wichtigkeit, weil sie täglich von Tau- senden von Autofahrern erlebt wird. Abb. 43: Sichtverbindung Willy-Brandt-Straße - Meßberg 56 I

»»4 Sichtachse Hopfenmarkt – Cremoninsel – Speicherstadt

Die Sichtachse Hopfenmarkt – Cremoninsel – Spei- cherstadt ist für das Erleben des westlichen Teils der Speicherstadt von besonderer Bedeutung. An dieser Stelle ist seitens der HHLA geplant, die bestehenden Speicher möglichst auch zukünftig als Teppichlager zu nutzen, so dass sich hier das historische Bild der Speicherstadt im Zusammenspiel mit deren originä- rer Nutzung durch Stückgutlagerung zeigt. Sie besitzt auch deshalb eine besondere Wichtigkeit, weil südlich der Brooksbrücke die am meisten besuchten Muse- Abb. 44: Sichtverbindung vom Baumwall zur Speicherstadt en und Kultureinrichtungen der Speicherstadt liegen, so dass hier für viele Besucher der Speicherstadt ein 5.3.2 Sichtverbindungen innerhalb der „Hauptzugang“ liegt. Die Sichtverbindung ist darüber Speicherstadt hinaus integraler Bestandteil der zukünftigen im In- nenstadtkonzept Hamburg 2010 angedachten Wege- Generell besitzen die Sichtverbindungen im Inne- verbindung vom Hopfenmarkt zum Sandtorkai. Hier ren der Speicherstadt eine ausgesprochen große sind die historischen funktionalen Verflechtungen zwi- Relevanz. Insbesondere von den unterschiedlichen schen Speicherstadt und Sandtorkai noch visuell er- Brücken aus ist hier die Homogenität des Ensem- lebbar. Die Sichtachse findet im „Traditionsschiffhafen bles und der Zusammenhang des Kontinuums aus HafenCity“ einen räumlichen Abschluss. Speichern, Straßen bzw. Fleeten, Kaimauern und Treppen in einzigartiger Art und Weise erlebbar. Die »»5 Sichtachse Baumwall – Kajen – hier bestehenden Sichtverbindungen machen den Speicherstadt / Hochbahntrasse besonderen Wiedererkennungswert der Speicher- Speicherstadt stadt aus.

Die Sichtverbindung vom Baumwall respektive Ka- jen über den Binnenhafen und den Zollkanal zur Speicherstadt lässt deren westlichen Teil erlebbar werden. Über die Niederbaumbrücken besteht hier darüber hinaus eine Wegebeziehung zur Speicher- stadt, die mit der Fertigstellung der Elbphilharmo- nie zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. Die Sichtverbindung ist zudem ein integraler Bestand- teil der zukünftigen Wegeverbindung von der Bin- nenalster zur neuen . Überdies besteht hier von der Haltestelle Baumwall der be- stehenden Hochbahntrasse ein „Panoramablick“ auf die Nordfassade der Speicherstadt, der täglich von vielen Benutzern dieses öffentlichen Verkehrs- Abb. 45: Sichtverbindung aus der Speicherstadt zum mittels wahrgenommen wird. alten Polizeigebäude I 57

»»6 Sichtverbindung von der Speicherstadt Hafengebieten oder durch die Speicherstadt hindurch zum alten Polizeigebäude herstellen, so dass die Speicherstadt durch solche Blickbeziehungen in voller Breite „durchschnitten“ Auch die Sichtverbindung von der Speicherstadt zum wird. Bei Nord-Süd-Blickbeziehungen sind regelmäßig alten Polizeigebäude lässt die räumliche Konfiguration Blickpunkte wie Gebäude, Brückenanlagen oder Vege- der Innenansicht der Speicherstadt mit ihren Speicher- tation vorhanden, während Sichtbeziehungen in Ost- gebäuden, Brücken und Fleeten in besonderer Weise West-Richtung zumeist sehr weit in die Tiefe reichen. erlebbar werden. Sie besitzt darüber hinaus eine gro- ße historische Relevanz, weil hier die ursprüngliche Einen großen Teil ihres Wiedererkennungswerts ver- Ausdehnung der Speicherstadt nach Westen auch dankt die Speicherstadt dem typischen Erscheinungs- heute noch wahrgenommen werden kann. bild ihrer Fleete. Deren besondere Charakteristik ent- steht durch ein Kontinuum von senkrechten Kaimauern, »»7 Blickbeziehungen innerhalb der hierin eingelassene Treppenanlagen sowie den direkt Speicherstadt über den Kaimauern angeordneten Speichern. Typisch für das Erscheinungsbild der Fleete ist daneben, dass In der Speicherstadt bestehen Blickbeziehungen in diese frei von Einbauten wie Stegen oder Pontons Nord-Süd- und Ost-West-Richtung, die grundlegende sind, da sonst die Anlieferung und das Umladen der Unterschiede aufweisen. Blickbeziehungen in Ost- Waren behindert worden wäre. Insbesondere von den West-Richtung lassen lange Distanzen erlebbar wer- Brücken innerhalb der Speicherstadt bestehen hier den, während die Blickbeziehungen in Nord-Süd-Rich- zahlreiche Sichtverbindungen, die für das Erleben der tung optische Verbindungen zwischen Altstadt und Speicherstadt von großer Bedeutung sind.

Abb. 46: Blickbeziehungen in Süd-Nord- und West-Ost- Abb. 47: Historischer Zustand der Fleete und Blick in den Richtung in der Speicherstadt Brooksfleet im heutigen Zustand 58 I

5.3.3 Sichtverbindungen von der HafenCity an Bedeutung gewinnen, weil sie das Zentrum der zum Welterbegebiet HafenCity um den Magdeburger Hafen visuell und funktional mit der Speicherstadt verbindet. »»8 Sichtverbindung Magellan-Terrassen – Speicherstadt »»11 Sichtverbindung Shanghaiallee – Brooktorkai Der Bereich um die Magellan-Terrassen ist einer der lebendigsten und belebtesten Bereiche der Hafen- Die Sichtachse Shanghaiallee – Speicherstadt ist City. Das visuellen Erleben der Speicherstadt von heute eine bedeutende visuelle Verbindung zur Spei- dieser Stelle aus besitzt deshalb eine große Bedeu- cherstadt aus südlicher Richtung. tung, um beide Stadtquartiere zu verbinden und da hier die Südseite der Speicherstadt nach wie vor »»12 Sichtverbindung Oberbaumbrücke – erlebbar ist. Brooktorkai – Speicherstadt

»»9 Sichtverbindung Sandtorpark – Speicherstadt Die Sichtachse Oberbaumbrücke – Brooktorkai – Speicherstadt hat für das „alltägliche Erleben“ der Auch von der Überseeallee aus besteht ein Sichtkor- Speicherstadt eine besondere Bedeutung, da der ridor aus südlicher Richtung auf die Speicherstadt, Brooktorkai eine stark befahrene Straße ist, die zu- der für die Zukunft zu sichern ist, da dies einer der dem in Hochlage verläuft und hierdurch die Ostsei- wichtigsten Punkte ist, von dem die Speicherstadt te der Speicherstadt „in Szene setzt“. Hier besteht vom Gebiet der HafenCity aus visuell erlebbar ist. eine Sichtverbindung zum „Wasserschlösschen“, ei- nem der bekanntesten „Images“ der Speicherstadt. »»10 Sichtverbindung Osakaallee – Speicherstadt Durch die Errichtung einer Wasserstofftankstelle in jüngster Zeit unmittelbar zwischen Oberbaumbrücke Die Sichtachse Osakallee – Speicherstadt ist heute und Speicherstadt wurde diese Sichtverbindung ein- die bedeutendste visuelle Verbindung zur Speicher- geschränkt, ist aber trotzdem noch erlebbar. Der Ab- stadt aus südlicher Richtung. Sie wird zukünftig noch bau der Tankstelle ist mittelfristig vorgesehen.

Abb. 48: Sichtverbindung von der Osakaallee zur Spei- Abb. 49: Der Blick auf das so genannte „Wasserschlöss- cherstadt chen“ gehört zu den bekanntesten Bildern der Speicherstadt. I 59

»»13 Sichtverbindungen Burchardstraße – Daneben bestehen vielfältige Sichtverbindungen von Kontorhausviertel den das Kontorhausviertel umgebenden Straßenräu- men zum zukünftigen Welterbegebiet, die im alltägli- Eine der wichtigsten Sichtverbindungen zum Kon- chen Erleben dieses Ensembles eine wichtige Rolle torhausviertel bietet sich von der Verlängerung der spielen und deshalb ebenfalls zu erhalten sind. Burchardstraße aus. Diese Blickbeziehung wird durch die spitz zulaufende Ostseite des Chilehauses geprägt, ist daher eines der bekanntesten Erschei- nungsbilder des Kontorhausviertels und aus diesem Grund für das visuelle Erleben der zukünftigen Welt- erbestätte von außerordentlich großer Relevanz.

5.3.4 Weitere Sichtverbindungen

Es bestehen noch eine Reihe weiterer Sichtverbin- dungen zum zukünftigen Welterbegebiet, die für dessen Erleben relevant sind. Zu nennen sind hier insbesondere die nördlich des Zollkanals angren- zenden Quartiere. Von hier aus bestehen aus Flee- ten oder aus kleineren Straßen über den Zollkanal hinweg zahlreiche visuelle Verknüpfungen zum zukünftigen Welterbegebiet. Diese Sichtverbin- dungen wurden ebenfalls kartografisch vermerkt, bilden einen integralen Bestandteil der ausgewie- senen Pufferzone und sind ebenfalls entsprechend zu sichern.

Abb. 50: Blick aus der Verlängerung der Burchardstraße in Abb. 51: Sichtverbindungen von der Springeltwiete Richtung der Ostspitze des Chilehauses und des zum Sprinkenhof, von der Niedernstraße zum Kontorhausviertels Chilehaus sowie über den Zollkanal in Richtung Speicherstadt

TEIL II_VERWALTUNG UND MANAGEMENT 62 I I 63

6. Verwaltung des Welterbes – Koordination und Organisation

Das für die Nominierung zum Welterbe vorgeschla- sondern auch dessen Pufferzone sowie die Berei- gene Ensemble Speicherstadt und Kontorhausviertel che der in Kapitel 5 angegebenen Sichtachsen, die mit Chilehaus gehört heute teilweise zum Stadtteil über die Pufferzone hinausgreifen, mit ein. Dies ist Hamburg-Altstadt (Kontorhausviertel) und teilweise erforderlich, um auch hier eine möglichst reibungs- zum neuen Stadtteil HafenCity (Speicherstadt). Es ist freie Abstimmung zu ermöglichen und eventuelles damit ein integraler Bestandteil des räumlichen Ge- Konfliktpotenzial frühzeitig zu erkennen, so dass die füges eines der lebendigsten Bereiche des Hambur- erforderliche Qualitätssicherung für das Welterbe ge- ger Stadtgebietes. Ein effizientes und gut vernetztes währleistet werden kann. Insbesondere im Hinblick Management ist daher von ausgesprochen großer auf die Sicherung der visuellen Integrität der zukünf- Bedeutung, um den langfristigen Erhalt der zukünf- tigen Welterbestätte spielt es eine zentrale Rolle, tigen UNESCO-Welterbestätte zu sichern. alle relevanten Projekte in diesem Bereich auf ihre Welterbeverträglichkeit zu prüfen und mit dem/der Nachfolgend werden deshalb die Funktionsweise WelterbekoordinatorIn abzustimmen. und die Aufgaben des erforderlichen Welterbe-Ma- nagements detailliert beschrieben. Ebenso werden wesentliche Akteure benannt, die in das Manage- 6.1.1 Welterbekoordination und ment eingebunden werden sollen. behördenübergreifende Lenkungsgruppe

6.1 Koordination Der / die WelterbekoordinatorIn wird eng mit den Ver- antwortlichen weiterer Behörden, den Eigentümern Die Leitung der Koordination des Welterbemanage- und relevanten Interessengruppen zusammenarbei- ments wird beim Denkmalschutzamt liegen. Im ten. Hierzu ist vorgesehen, eine behördenübergrei- Falle einer erfolgreichen Einschreibung des Ensem- fende Lenkungsgruppe einzurichten, die in regelmä- bles „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chile- ßigen Abständen zusammenkommt. Aufgrund der haus“ ist von der Kulturbehörde vorgesehen, für die fachlichen Zuständigkeiten ist geplant, Vertreter des Koordination des Managements im Denkmalschutz- Denkmalschutzamtes, der Behörde für Stadtentwick- amt die Stelle einer Welterbekoordinatorin / eines lung und Umwelt (BSU), des Bezirksamtes Hamburg- Welterbekoordinators einzurichten. Die erforderli- Mitte sowie der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und chen Finanzmittel hierzu sind gesichert. Innovation (BWVI) in den engeren Kreis der Lenkungs- gruppe einzubinden. Die zuständigen Behörden wer- Ziel des Welterbemanagements respektive des / der den hierzu eine verantwortliche Person benennen, die Welterbekoordinators/in ist es, für eine reibungslose damit betraut wird, das Welterbemanagement betref- Kommunikation mit den unten genannten Behörden, fende Angelegenheiten wahrzunehmen und relevan- Eigentümern und sonstigen AkteurInnen zu sorgen, te Fragen in der eigenen Behörde zu kommunizieren. diese Arbeit mit nationalen und internationalen Insti- tutionen zu vernetzen, um so für die zukünftige Welt- Um eine möglichst direkte und reibungslose Kom- erbestätte die erforderliche Qualitätssicherung zu munikation zu ermöglichen, ist angedacht, zu dieser gewährleisten. Im Falle von Interessensüberlagerun- behördenübergreifenden Lenkungsgruppe ebenfalls gen spielt der / die WelterbekoordinatorIn daneben jeweils eine VertreterIn der HHLA sowie eine Ver- eine wichtige Rolle im Konfliktmanagement. treterIn der Eigentümer des Kontorhausviertels ein- zubeziehen. Darüber hinaus ist geplant, bei Bedarf Ausdrücklich bezieht die Zuständigkeit des Welterbe- VertreterInnen weiterer Behörden und Interessens- managements nicht nur das Welterbegebiet selbst, gemeinschaften zu diesem Kreis hinzuzuziehen. 64 I

Altstadt

B ur Lu ch dw ard ig-E pl rha atz rd-St raße

dt-Straße Willy-Bran

anal Zollk Ob W erh afe S n X U en Be P V sgrab i den Mühren R Ericu Zollkanal Q n H en Baumwall nenhafe der haf Bin Kehrwie E G tor et ook Brooksfle O Br D N ai M L Sandtork K Am a ndtorkai g Am Sa d e Free and Hanseatic City of Hamburg b u Ministry of Culture afen r ndtorh g Sa e Department for Heritage Preservation r

H a f Map for World Heritage application e n Speicherstadt and with Chilehaus

Legend Abb. 52: Das Gebiet und die Pufferzone der zukünftigen Welterbestätte Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus Nominated property und Umgebung E Objects l b Areas e Water areas Buffer zone Stand: 17. Dezember 2012 Projection: UTM32 Der / die WelterbekoordinatorIn wird Position reference system: ETRS89 Map background: DSGK (LGV, Oktober 2011) ebenfalls dafür Sorge tragen, dass eine Scale: 1:10.000 Meter enge Kommunikation mit dem Welterbe- 0 100 200 300 400 500 ¸ komitee über dessen Sekretariat, dem Welterbezentrum, möglich ist. Ebenso wird durch die / die WelterbekoordinatorIn ein enger Kontakt mit den Beratungsor- ganisationen des Welterbekomitees, ins- besondere ICOMOS, gewährleistet. Falls erforderlich, wird der / die Welterbekoordi- natorIn auch Organen auf Bundesebene, z. B. dem Bundesaußenministerium oder der Kultusministerkonferenz der Länder, Informationen zukommen lassen.

Ein weiterer Aufgabenbereich der Welt- erbekoordination liegt darin, das Welter- bemanagement eng mit VertreterInnen unterschiedlicher lokaler und regionaler Abb. 53: Prinzip des Welterbe-Managements I 65

Interessensgruppen sowie der Bevöl- kerung zu vernetzen. In diesem Zusam- menhang spielt die Koordination und Durchführung von Bildungsmaßnahmen und touristischer Angebote in und um die Welterbestätte eine wichtige Rolle (vgl. 9.3).

6.1.2 Beteiligte, Behörden und Interessengruppen

Die Aufgaben des Schutzes und des Managements der zukünftigen Welter- bestätte überlagern sich mit den Zustän- digkeitsbereichen folgender Behörden, Eigentümer, Institutionen und Interes- sengruppen:

Abb. 54: Akteure und Verantwortlichkeiten inner- halb des Welterbe-Managements 66 I

6.1.3 Eigentumsverhältnisse und Trägerschaft

Nachfolgend sind alle Eigentümer von Immobilien innerhalb des Welterbegebiets aufgeführt. Die Eigentumsver- hältnisse in der Speicherstadt werden sich auch in Zukunft nicht ändern.

Objekt Eigentümer

Speicherstadt

Grundstücksflächen, auf denen die Gebäude stehen, Freie und Hansestadt Hamburg Straßen, Plätze, Brücken, Stellflächen, Gewässerflächen

Zollhäuser 2, 3, 4, Wasserschlösschen Freie und Hansestadt Hamburg (LIG-Immobilien- management)

Zollmuseum und ehemalige Zollverwaltung an der Bundesrepublik Deutschland, Bundesanstalt für Poggenmühle Immobilienaufgaben (BIMA)

Alle sonstigen Immobilien Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)

Kontorhausviertel

Straßen, Plätze, Parkstellflächen Freie und Hansestadt Hamburg

Chilehaus Union Invest Real Estate GmbH, Hamburg

Meßberghof (ehem. Ballinhaus) Heinrich Bauer Verlag KG, HH

Sprinkenhof 1 Objekt Burchardplatz GmbH & Co. KG

Sprinkenhof 2 alstria office REIT-AG

Mohlenhof Grundstücksgesellschaft Theodor Wille GmbH&Co I 67

6.2 Monitoring und 6.2.3 Vorbeugende Überwachung Qualitätssicherung Das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS hat Der / die WelterbekoordinatorIn werden ebenfalls für eine Monitoringgruppe eingerichtet, die deutsche ein regelmäßiges Monitoring und die Qualitätssiche- Welterbestätten betreut. Die Mitglieder der Moni- rung in der zukünftigen Welterbestätte Sorge tragen. toringgruppe beobachten aktuelle Entwicklungen in Dies schließt insbesondere nachfolgend aufgeführte den Welterbestätten, nehmen Ortstermine wahr und Tätigkeiten mit ein: verfassen jährlich Berichte, die unter Umständen zum unter 6.2.4 angeführten Verfahren der „Reakti- ven Überwachung“ führen. 6.2.1 Regelmäßige Berichterstattung Zentrales Ziel der Monitoringgruppe ist es, zur Kon- Der / die WelterbekoordinatorIn wird, konform Art. fliktvermeidung in Welterbestätten beizutragen. Sei- 29 der Welterbekonvention sowie konform §169-176 tens des / der WelterbekoordinatorIn wird daher eine der Arbeitsrichtlinien (Stand 2011), in dem sich die enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen National- Unterzeichnerstaaten der Welterbekonvention zu ei- komitee von ICOMOS und speziell den zuständigen ner regelmäßigen Berichterstattung verpflichten, ei- Mitgliedern der Monitoringgruppe angestrebt und nen Rapport zum Erhaltungszustand der zukünftigen unterstützt. Welterbestätte abfassen.

6.2.4 Konfliktmanagement 6.2.2 Reaktive Überwachung Die zentrale Rolle im Konfliktmanagement nimmt je- Wie in §172 der Arbeitsrichtlinien gefordert, wird der doch die WelterbekoordinatorIn ein. Dem/ der Welt- / die WelterbekoordinatorIn dafür Sorge tragen, dass erbekoordinatorIn obliegt es, für eine reibungsfreie bei außerordentlichen Vorkommnissen, insbeson- Koordination zwischen unterschiedlichen Akteuren dere bei konkreten Gefährdungen des Outstanding zu sorgen und gegebenenfalls das Welterbezentrum Universal Value, der Authentizität und der Integrität und die Beratungsorganisationen einzuschalten. Vor- der Welterbestätte – beispielsweise durch das Stadt- rangiges Ziel sollte jedoch immer bleiben, etwaige bild beeinflussenden Baumaßnahmen – gesonderte Zielkonflikte auf lokaler Ebene zu lösen. Berichte an das Welterbekomitee erstellt werden. Diese werden spätestens bis zum 1. Februar nach Über diese Einrichtungen und Mechanismen hinaus diesen Vorkommnissen beim Welterbezentrum ein- soll gegebenenfalls auch die vorhandene Erfahrung gereicht. und Kompetenz des Denkmalrates dazu genutzt werden, Konflikte in und um die zukünftige Welter- Falls konform §174 der Arbeitsrichtlinien Berichte von bestätte zu vermeiden. Dritten beim Welterbezentrum eingehen und dieses hierzu Rückfragen über den Erhaltungszustand stellt, wird der / die WelterbekoordinatorIn hier Unterstüt- zung leisten. Wenn das Welterbekomitee darum bit- tet, wird auch ICOMOS als zuständige Beratungsor- ganisation in dieses Verfahren mit einbezogen.

TEIL III_DIE ZUKUNFT DER WELTERBESTÄTTE 70 I I 71

7. Planungs- und Handlungsgrundlagen

Ziel von TEIL III des Managementplans ist es, die we- Aufgabe des „Innenstadtkonzepts Hamburg 2010“ sentlichen Direktiven für den Erhalt und die nachhalti- ist es vor allem, die im Süden der Innenstadt lie- ge Entwicklung der Welterbestätte aufzuzeigen. Hier- gende HafenCity als Teil der Innenstadt neu zu ent- für gilt es insbesondere, die innerhalb der Feststellung wickeln. Da die HafenCity mit ihrer Größe von 157 der Bedeutung der Stätte (s. Kapitel 3) angeführten ha die Fläche der Innenstadt um nahezu 40 Prozent Kriterien des einzigartigen universellen Wertes, der erweitert, entstehen im Gefüge der Hamburger In- Authentizität sowie der Integrität des Ensembles nenstadt Gewichtsverlagerungen in den innerstädti- „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“, schen Funktionen, in der Gunst von Lagen und der mit denen die Aufnahme in die Welterbeliste begrün- Bedeutung von Verbindungen, die heute und für die det wurde, mit aktuellen Zielen der Stadtentwicklung Zukunft ein neues Austarieren für die gesamte In- Hamburgs in Übereinstimmung zu bringen. Ein weite- nenstadt verlangen. res Erfordernis ist es, die Sicherung der Welterbekri- terien ebenfalls mit den Leitlinien der Bewirtschaftung Als integriertes Handlungskonzept fokussiert das der Gebäudebestände abzustimmen. Innenstadtkonzept Hamburg 2010 unterschiedli- che Handlungsfelder und verknüpft diese zu einer Nachfolgend werden zunächst relevante Planungs- Gesamtheit. Im Fokus stehen vor allem die Kulti- und Handlungsgrundlagen aufgeführt. Im Sinne der vierung des öffentlichen Raums, die Entwicklung Welterbekonvention, nach der sich die Verpflichtung innerstädtischen Wohnens sowie die Stärkung des ergibt, „eine allgemeine Politik zu verfolgen, die dem Einzelhandels. Weitere im Innenstadt Hamburg 2010 Erbe eine Funktion im öffentlichen Leben gibt“ so- thematisierte Aspekte sind die Festlegung des zen- wie „den Schutz des Erbes in umfassende Planun- tralen Dienstleistungsstandortes, der Ausbau des gen einzubeziehen“ (Richtlinien, § 15 b und c), wer- Kulturstandortes, die Profilierung der Gestaltquali- den nachfolgend die zentralen Leitziele für den Erhalt tät, wobei insbesondere die Umwandlung der Nach- und die nachhaltige Entwicklung der Welterbestätte kriegsareale in urbane Stadträume im Fokus steht, definiert. sowie die stadtverträgliche Führung des Verkehrs. Im Dialog zwischen den neu geschaffenen attraktiven 7.1 Planungs- und Wasserlagen und der althergebrachten Mitte Ham- Handlungsgrundlagen burgs war das Ziel, die stadträumlichen Konturen zu schärfen und nach innen hin ein dichtes Netz von Ver- Folgende Planungsgrundlagen spielen in diesem Zu- bindungswegen zu schaffen. Ziel ist, die Innenstadt sammenhang eine wesentliche Rolle. Hamburgs zum wichtigsten Einzelhandelsstandort Hamburgs zu entwickeln.

7.1.1 Innenstadtkonzept Hamburg 2010 Generell wird mittels des Innenstadtkonzepts Ham- burg 2010 angestrebt, das Zusammenwachsen von Das Innenstadtkonzept Hamburg 2010 fußt auf dem historischem Stadtkern und maritimer Stadterwei- „Programmplan der Stadt Hamburg 1981“, mit dem terung voranzutreiben. Das Kontorhausviertel und auf die Öffnung der Hamburger Innenstadt zur Elbe, die Speicherstadt spielen aufgrund ihrer Lage zwi- eine Verbesserung stadträumlicher Qualitäten und schen der nördlich angrenzenden Innenstadt und auf Entgegenwirken der Entmischung und Entlee- der südlich angrenzenden HafenCity im Innenstadt- rung der Innenstadt hingewirkt werden sollte. Eben- konzept Hamburg 2010 eine wichtige Rolle. Insbe- falls sollte die Innenstadt als Wohnstandort gestärkt sondere die Speicherstadt mit ihrem Inselcharakter, werden. der durch den Ost-West-orientierten Grundriss und 72 I

die Trennung durch Zollkanal und Binnenhafen ge- 7.1.2 Speicherstadt Hamburg prägt wird, ist nun integraler Bestandteil der hier Entwicklungskonzept aufgezeigten Wegebeziehungen, mit denen Pas- santen- und Verkehrsströme neu ausgerichtet und Das Speicherstadt Hamburg Entwicklungskonzept der Stadtraum innerhalb der Eckpunkte des neuen (im Folgenden: Entwicklungskonzept Speicherstadt) Einkaufsdreiecks Mönckebergstraße, Jungfernstieg wurde von der Behörde für Stadtentwicklung und und Magdeburger Hafen von Grund auf neu belebt Umwelt (BSU) in Abstimmung mit der HHLA, ande- werden sollen. Hierzu wurden bezüglich der unter- ren Hamburger Fachbehörden und der Bezirksver- schiedlichen Wegeverbindungen Potenziale und De- waltung erarbeitet, im April 2012 durch den Senat in fizite herausgearbeitet. Kraft gesetzt und von der Bürgerschaft zur Kenntnis genommen. Das Entwicklungskonzept Speicher- Seit 2012 werden die Aussagen des 2010 entwickel- stadt ist eine informelle Planung und dient als Rah- ten Innenstadtkonzeptes intensiv mit der Bürger- menplan, um die zukünftige Entwicklung der Spei- schaft diskutiert und weiterentwickelt. In einem breit cherstadt zu steuern. Ein zentraler Ausgangspunkt angelegten Prozess werden die im Innenstadtkon- für dessen Erstellung war, dass zukünftig die Aufnah- zept dokumentierten Handlungsfelder und Ziele dis- me der Speicherstadt in die Welterbeliste erfolgen kutiert, hinterfragt und ergänzt. Kern des Verfahrens- soll. Das Entwicklungskonzept Speicherstadt soll vorschlages bildeten in mehreren Phasen moderierte daneben als Grundlage eines Bebauungsplans für thematische Workshops, geführte Stadtteilrundgän- die Speicherstadt dienen, dessen Erarbeitung nach ge und öffentliche Informationsveranstaltungen. deren Entlassung aus dem Hafenentwicklungsge- setz eingeleitet wurde. Damit hat das Entwicklungs- Die Workshops waren in vier Themenbereiche ge- konzept Speicherstadt sowohl für den Erhalt und die gliedert: nachhaltige Weiterentwicklung der für die Nominie- rung zum Welterbe vorgeschlagenen Speicherstadt -- Baukultur / Stadtkultur / Denkmalschutz als auch für den vorliegenden Managementplan eine zentrale Bedeutung, weil hier bereits die wesentli- -- Wohnen chen Fakten, Rahmenbedingungen und Direktiven zusammengefasst wurden, die diese Aufgabe mit -- Öffentlicher Raum sich bringt.

-- Einzelhandel /Büromarkt Die Speicherstadt stellt nach der Realisierung der HafenCity einen Stadtteil dar, der die HafenCity und Die Teilnehmerschaft setzte sich aus BürgerInnen die Innenstadt verbindet. Eine besondere Heraus- und der Fachöffentlichkeit zusammen. forderung ist in diesem Zusammenhang, dass die Speicherstadt bisher ein abgeschlossenes Quartier In zwei Runden wurden eine breite Fachöffentlichkeit mit Ost-West-orientierten Strukturen war, während und eine große Anzahl von Bürgern beteiligt. Auf der nun die bisher eine untergeordnete Rolle spielen- Grundlage des Abschlussberichts der Beteiligungs- den Nord-Süd-Verbindungen an Wichtigkeit gewin- phase, der die Ergebnisse und Empfehlungen der nen. Deshalb gilt es, diese Veränderungen unter TeilnehmerInnen der Workshops und des Sprecher- Wahrung der historischen Substanz, des Erschei- kreises zusammenfasst, wird das Innenstadtkonzept nungsbildes und der prägenden Strukturen zu be- überarbeitet und in einer öffentlichen Veranstaltung werkstelligen. vorgestellt. I 73

Weitere Herausforderungen, die im Entwicklungs- -- Sicherung der Holzpfahlgründungen unter den Kai- konzept Speicherstadt fokussiert werden, sind die mauern und unter den Speichern hier derzeit vorhandenen Wandlungen der Nutzung, die sich im Verlust von Umschlag und Logistik äußert, -- Verkehr (Erschließung, ruhender Verkehr, Gestal- während sich immer mehr Dienstleistungsunterneh- tung von Verkehrsflächen, Brücken) men, Handel und kulturelle Einrichtungen etablieren. Auch das Interesse am Wohnen in der Speicherstadt -- Freiraum und Freiraumgestaltung nimmt zu. Ein umfangreiches Wohnen ist in der Spei- cherstadt jedoch nur möglich, wenn ein flächende- -- Beleuchtung ckender Hochwasserschutz vorhanden ist. Hierzu wurde im Rahmen der Erstellung des Entwicklungs- -- Ökologischer Bestand konzeptes Speicherstadt ein Flutschutzkonzept erar- beitet, das bisher jedoch noch nicht im Hinblick auf seine Denkmalverträglichkeit geprüft wurde (Drucksa- 7.1.3 Verordnung zur Gestaltung der che 20/4388, S. 4). Weitere zentrale Herausforderung Speicherstadt für die Zukunft ist darüber hinaus, die Qualität des öffentlichen Raumes zu erhalten. Die Sicherung der Um die Einhaltung denkmalpflegerischer Belange Tragfähigkeit der statisch wirksamen Balkenköpfe der insbesondere am äußeren Erscheinungsbild der Holzpfahlgründungen in der Speicherstadt stellt eine Speicherstadt zu erleichtern, hat der Senat am 05. weitere wichtige Aufgabe dar. August 2008 eine Gestaltungsverordnung erlassen, die spezielle, auf die Speicherstadt ausgerichtete Re- Ziel des Entwicklungskonzept Speicherstadt ist es gelungen beinhaltet. Die Verordnung zur Gestaltung ebenfalls, unter angemessener Berücksichtigung der Speicherstadt (HmGVBl. S. 285) legt als Grund- des historischen Erbes und des Ansinnens, die voraussetzung für Umbaumaßnahmen der Speicher- Speicherstadt zum Welterbe zu nominieren, Verän- gebäude die Vereinbarkeit mit dem Denkmalschutz derungs- und Ergänzungsspielräume aufzuzeigen, fest und enthält Vorschriften zur ohne den bestehenden Gebietscharakter in Frage zu stellen. Es stellt hierfür erforderliche Kriterien dar -- Fassadengestaltung und benennt gleichzeitig die technischen und recht- lichen Rahmenbedingungen. Für den öffentlichen -- Dächern Raum wurde ein Verkehrs- und Gestaltungskonzept entwickelt. -- Gebäudetechnik

Unter dem Vorbehalt denkmalrechtlicher Erlaubnisse -- Werbeanlagen/Automaten enthält das Entwicklungskonzept Speicherstadt aus- führliche Angaben zu folgenden Aspekten: -- Außenraumgestaltung

-- Nutzungen und Umnutzungen (Lagern und Han- Diese Vorschriften orientieren sich am historischen del, Dienstleistung, Wohnen, kulturelle Einrichtun- Bestand und stellen somit ein wichtiges Instrument gen) zur Erhaltung des Erscheinungsbildes dieses Teils der künftigen Welterbestätte dar. Unabhängig da- -- Hochwasserschutz von ist der Genehmigungsvorbehalt aufgrund des Schutzstatus nach Denkmalschutzgesetz wirksam. 74 I

7.1.4 Gestaltungshandbuch Speicherstadt Bis der neue Bebauungsplan die Planreife erreicht, können auf Grundlage des Bebauungsplanaufstel- Die Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesell- lungsbeschlusses unerwünschte Entwicklungen in schaft (HHLA), die Eigentümerin nahezu aller Im- der Speicherstadt durch die Instrumente der Zurück- mobilien der Speicherstadt, hat im Jahr 2002 den stellung und der Veränderungssperre verhindert wer- Auftrag erteilt, ein „Gestaltungshandbuch“ für die den (§§15 und 16-18 BauGB). Speicherstadt zu entwickeln. Das Gestaltungshand- buch Speicherstadt ist nicht durch die Bürgerschaft verabschiedet und hat deswegen keine rechtsbin- 7.1.6 Internationale Grundlagen und dende Funktion. Es wird seitens der HHLA jedoch Richtlinien seit Jahren als Gestaltungsleitlinie genutzt und ist in diesem Sinne für die Qualitätssicherung in der Spei- An dieser Stelle sei nochmals auf die unter 4.3 auf- cherstadt von hoher Bedeutung. geführten internationalen Leitlinien und Richtlinien verwiesen, die ebenfalls eine wesentliche Grundlage Im Gestaltungshandbuch Speicherstadt werden für die Entwicklung der zukünftigen Welterbestätte wesentliche Leitbildbausteine definiert sowie Ge- darstellen. staltungsgrundsätze für Gebäude und Werbeanla- gen hergeleitet und erläutert. Ebenso werden die Gestaltungsgrundsätze für die Übergangsbereiche zur HafenCity, Empfehlungen zu städtebaulichen As- pekten, zur Gestaltung des öffentlichen Raums, zur Gestaltung der Gebäude, der Fassaden und Dächer, der Eingangsbereiche sowie Festsetzungen und Ein- schränkungen, die als Bestandteil der Mietverträge mit privatrechtlichem Charakter die Mieter der Spei- chergebäude betreffen, festgelegt.

7.1.5 Bebauungsplan Speicherstadt

Derzeit befindet sich für das Gelände der Speicher- stadt ein Bebauungsplan in Aufstellung, der die Zielsetzungen der zukünftigen Bauleitplanung in der Speicherstadt nach deren am 10.10.2012 erfolgter Entlassung aus dem Hafenentwicklungsgesetz kon- kretisieren wird. Er bezieht sich insbesondere auf die Festsetzung der Art der Nutzung, die im Zuge des anhaltenden Wegfalls der ursprünglichen Nutzungen von besonderer Bedeutung ist. Der Bebauungsplan sieht weiter vor, den Wandrahmsteg wieder an sei- ne ursprüngliche Stelle zu verlegen (hierfür wurde jedoch noch kein Realisierungsdatum definiert). I 75

8. Mögliche Risiken im Hinblick auf die Erhaltung der Welterbestätte

Mit den oben genannten Planungsgrundlagen und ständig verschwinden soll, weil dies einen wichtigen insbesondere mit dem vom Senat verabschiedeten Teil ihres typischen Charakters ausmacht. Zurzeit Entwicklungskonzept Speicherstadt bestehen weit- werden von den ca. 300.000 qm Gesamtnutzflä- reichende Grundlagen für die Sicherung aller wei- che noch ca. 96.000 qm als Lager genutzt und es teren, das zukünftige Welterbegebiet betreffenden ist davon auszugehen, dass auch zukünftig etwa ein Planungen und Entscheidungen. Dennoch bleiben Drittel aller Flächen für Lagernutzungen erforderlich Fragen offen, die sich allerdings nicht direkt aus der sein wird. Der verbleibende Gebäudebestand wurde Nominierung von Speicherstadt und Kontorhausvier- mittlerweile ca. zu einem Drittel umgenutzt. Inzwi- tel zum UNESCO-Welterbe ergeben, sondern für die schen sind in der Speicherstadt mehrere Firmen des generell in Zukunft unter Berücksichtigung aller In- Mode- und Textilbereichs ansässig, die stellenweise teressen angemessene Lösungen gefunden werden ein Mischkonzept zwischen Lager und Kollektions- müssen, um Zielkonflikte zu vermeiden. präsentation haben und somit die traditionelle Nut- zung der Speichergebäude fortentwickeln. Ebenfalls Derzeit sind im Hinblick auf die oben genannten Leit- sind ca. 81.000 qm der vorhandenen Flächen mit Bü- ziele insbesondere folgende Fragen erkennbar, die ros belegt. Ein weiteres jüngeres Nutzungssegment zukünftig noch einer weiteren Klärung bedürfen: sind kulturelle Einrichtungen und Freizeitangebote, die sich verstärkt seit der Aufgabe des Freihafenpri- 8.1 Entwicklungsdynamik und vilegs in der Speicherstadt angesiedelt haben. Kul- Nutzungsveränderungen tur-, Freizeit und Gastronomienutzungen nehmen derzeit ca. 25.000 qm Nutzfläche in Anspruch, tra- Während sich derzeit im Kontorhausviertel − abge- gen zur Belebung und Attraktivität der Speicherstadt sehen von der Absicht, in den Staffelgeschossen zu- bei und sollen deshalb zukünftig weiter ausgebaut künftig eventuell Wohnungen unterzubringen − nur werden. Die Atmosphäre der historischen Bebauung wenige Nutzungsveränderungen vollziehen, stellt und die Flächenzuschnitte der Speichergebäude ma- sich die Situation in der Speicherstadt anders dar. chen die Speicherstadt darüber hinaus für künstleri- Seit längerer Zeit hat hier ein Umnutzungsprozess sche und kreative Nutzungen attraktiv. Deshalb ist eingesetzt, weil viele der Speicher nicht mehr für geplant, zukünftig in der Speicherstadt ca. 10.000 hafennahe Nutzungen benötigt werden. Auch im qm für Künstlerateliers zur Verfügung zu stellen, ca. Segment der Waren, die derzeit in der Speicherstadt 5.000qm davon zu sehr günstigen Preisen, so dass noch gelagert und umgeschlagen werden, kam es auch junge Künstler angesprochen werden. in den letzten Jahrzehnten zu signifikanten Verän- derungen. Während früher Kaffee, Tee, Kakao, Tro- Da es sich um ein nach Hamburger Denkmalrecht ckenfrüchte, Nüsse, Gewürze eingelagert, veredelt geschütztes Ensemble handelt, erfolgten bereits in und umgeschlagen wurden, hat hier seit einigen der Vergangenheit alle Umnutzungen und damit in Jahrzehnten die Lagerung von Orientteppichen vor- Zusammenhang stehende bauliche Veränderungen rangige Bedeutung. Auch in diesem Segment sind von Speichergebäuden in enger Abstimmung und im jedoch in den letzten Jahren Rückgänge erkennbar, Genehmigungsverfahren mit dem Hamburger Denk- so dass davon auszugehen ist, dass zukünftig ca. nur malschutzamt, mit dem Ziel, die Eingriffe in die Bau- noch ein Drittel aller Speicherblöcke in ihrer originä- substanz möglichst gering zu halten. Dieser Weg, ren Nutzung als Lagergebäude verbleiben werden. auf dem bereits ein reicher Erfahrungsschatz im Hin- blick auf die Umnutzung der Gebäude der Speicher- Derzeit ist es Konsens, dass die Funktion der Lage- stadt gesammelt werden konnte, soll auch zukünftig rung und Distribution in der Speicherstadt nicht voll- fortgeführt werden. Dabei gilt es auch zu bedenken, 76 I

Abb. 55: Historische und aktuelle Nutzung der Gebäude der Speicherstadt dass Nutzungsänderungen nicht nur Einfluss auf die Um zukünftige Handlungskorridore für das Woh- Gestalt und die Substanz der Gebäude haben, son- nen in der Speicherstadt abzutasten, wurde 2012 dern auch eine Anpassung der öffentlichen Wegeflä- von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt chen erfordern. (BSU) gemeinsam mit der HHLA ein Ideenwett- bewerb zu diesem Thema durchgeführt, wobei 8.2 Wohnen in der Speicherstadt zugunsten eines angemessenen Wohnungsmixes Größen zwischen 50 und 180 qm berücksichtigt Ein Punkt, der im Hinblick auf gegenwärtige und werden sollten. Im Fazit kamen die Auslober zu zukünftige Umnutzungen besonders großer Auf- folgenden Ergebnissen: Der Wunsch zur Etablie- merksamkeit bedarf, ist die eventuelle Umnutzung rung von Wohnungen in der Speicherstadt setze von Speichergebäuden zu Wohnzwecken. Da es ein voraus, dass nicht nur das äußere sondern auch wichtiges Ziel innerhalb der Stadtentwicklung Ham- das innere Ambiente als Genius Loci erhalten blei- burgs ist, das innerstädtische Wohnen zu fördern be. Vor diesem Hintergrund wurde empfohlen, den und eine einseitige Entwicklung einer Bürostadt zu Wunsch einer Mischung größerer und kleinerer verhindern, wurde ins Auge gefasst, zukünftig auch Wohnungen zugunsten typischer Loft-Wohnungen in der Speicherstadt vermehrt Wohnungen zu integ- mit minimierten Installations- und Umbauaufwand rieren. Die Umnutzung bestehender Speicherblöcke zu relativieren, wodurch sich auch Einschränkungen zu Wohnzwecken setzt allerdings eine − verglichen hinsichtlich einseitig orientierter Wohnungen und mit anderen Umnutzungsvarianten − relativ große Belichtungsvorschriften ergeben können. Außer- Eingriffstiefe in den Speicherblöcken voraus. Die na- halb der typischen Speicherböden (z. B. Dachge- türliche Belichtung, Erschließung und Haustechnik schoss und Spitzböden) empfahl das Preisgericht, erfordern aufgrund der relativ großen Gebäudetie- bevorzugt Maisonette-Wohnungen und Ateliers fen größere Änderungen der Gebäudestruktur, z. B. unter Wahrung der historischen Tragkonstruktionen durch die Schaffung von Lichthöfen, Fensterflächen, und Dachstühle zu errichten. Dabei sei auch große Brandschutzmaßnahmen etc.. Sorgfalt auf die Dachlandschaft, insbesondere die sich von den Fleeten und vom Sandtorkai ergeben- den Blickbeziehungen zu legen. I 77

Weitere Anforderungen für das Wohnen in der Spei- 8.3 Hochwasserschutz cherstadt ergeben sich aus dem Hochwasserschutz, der entweder flächendeckend zu gewährleisten ist Da die Speicherstadt außerhalb der öffentlichen (vgl. 8.3) oder einen direkten Anschluss der Speicher Hauptdeichlinie zwischen der von Hochwasser- an hochliegende Rettungswege erfordert. Bisher ist schutzanlagen geschützten Innenstadt und der auf dies nur in denjenigen Speichern gewährleistet, die Warftkörpern oberhalb des Bemessungswasser- über einen direkten Anschluss an die Kibbelstegbrü- standes liegenden HafenCity liegt, besteht bisher cke verfügen, beispielsweise beim Speicher N, der kein flächendeckender baulicher Hochwasserschutz bereits in einem kleinen Bereich eine Kombination in Form einer geschlossenen Linienlösung, der die von Büro- und Wohnnutzung aufweist. Sicherung der Speicherstadt vor Überflutungen ge- währleistet. Mit Geländehöhen von 4.50 und 5.50 m NN liegen die Speichergebäude deutlich unter dem derzeit gültigen Bemessungswasserstand von 7.30

Abb. 56: Geplante Nutzungen ohne Integration der Speicherstadt in den flächendeckenden Hochwasserschutz

Abb. 57: Geplante Nutzungen mit Integration der Speicherstadt in den flächendeckenden Hochwasserschutz 78 I

m NN, der zukünftig noch auf 8,10 m NN angeho- Generell gilt es im Falle der eventuellen Durchführung ben werden soll (Drucksache 20/5561). Aus diesem eines umfassenden Flutschutzes in der Speicherstadt Grund kam es in der Vergangenheit in der Speicher- zu beachten, dass durch die Errichtung neuer Flut- stadt häufiger zu Überflutungen. Für die Substanz schutzanlagen weder die historische Substanz noch der Gebäude der Speicherstadt stellen diese Über- das historische Bild der Speicherstadt beeinträchtigt flutungen jedoch keine Gefährdung dar. Bis heute wird. Insbesondere sollte die Zäsur zwischen dem sind an den Gebäuden der Speicherstadt noch keine westlichen Quartier und dem Welterbegebiet der substanziellen Schäden festgestellt worden, die auf Speicherstadt nicht weiter verstärkt werden. Das zu- solche Überflutungen zurückzuführen sind. künftige Welterbe-Management, aber auch ICOMOS als Beratungsorganisation des Welterbekomitees soll- Für die Nutzungen der Speichergebäude als Lager ten deshalb eng in künftige Planungen eines solchen oder als Gewerbe- und Büroflächen wurde zum Teil Flutschutzes eingebunden werden. Vorsorge vor Überflutungen getroffen. In einem Teil der Speichergebäude ist ein Objektschutz vorhan- 8.4 Bestehende Flutschutzanlagen den, durch den die Überflutung der Keller und Erdge- und Erlebbarkeit der schosse einzelner Gebäude verhindert werden kann. Speicherstadt

Da für eine mögliche Realisierung von Nutzungsverän- Unabhängig von einer eventuellen Errichtung eines derungen hin zu Wohn- oder Hotelnutzungen jedoch umfassenden baulichen Flutschutzes für die Spei- ein flächendeckender Hochwasserschutz sowie ent- cherstadt ist auch im Umgang mit den bereits be- sprechende Rettungswege, die auch im Hochwas- stehenden Flutschutzanlagen auf das historische serfall funktionieren, zwingend erforderlich wären, Erscheinungsbild der Speicherstadt zu achten. Dies wurde im Rahmen der Erarbeitung des Entwicklungs- betrifft insbesondere den nördlichen Bereich des konzepts Speicherstadt eine Studie für ein bauliches Zollkanals, der einerseits für die Erscheinungsbild Flutschutzkonzept erstellt, die in zwei Hauptvarianten der Speicherstadt vom Gebiet der Hamburger In- entwickelt wurde. Ergebnis dieser Studie war, dass nenstadt aus eine wichtige Rolle spielt, andererseits ein baulicher Flutschutz technisch-konstruktiv mach- jedoch auch als Hauptdeichlinie dient. Hier sollte die bar, aber aufgrund der zu erwartenden hohen Kosten Erlebbarkeit der Speicherstadt auch zukünftig mög- allerhöchstens langfristig realisierbar ist und noch wei- lichst uneingeschränkt gewährleistet bleiben. tere, vertiefende Untersuchungen erfordert.

Abb. 58: Bestehende Flutschutzanlagen am Zollkanal und Nutzung von Flutschutzanlagen am Zollkanal als Aussichtspunkt auf die Speicherstadt I 79

Bereits jetzt bestehen gute Beispiele, wie die Anfor- 8.6 Verkehr derungen des Flutschutzes mit der Erlebbarkeit der Speicherstadt im Hamburger Stadtbild und den Anfor- Vor der Lockerung und Aufhebung des Freihafensta- derungen des Denkmalschutzes in Einklang gebracht tus war der Verkehr in der Speicherstadt fast aus- werden können, beispielsweise, indem vorhandene schließlich Ziel- und Quellverkehr. Lediglich die Stra- Flutschutzanlagen gleichzeitig als Aussichtspunkt ge- ßen Bei St. Annen und Am Sandtorkai/ Brooktorkai staltet wurden. Um im Falle von Veränderungen des dienten der Abwicklung des Durchgangsverkehrs Flutschutzes zu einvernehmlichen Lösungen zu kom- über die Freihafenbrücken in die südlichen Hafenge- men, sollten solche Maßnahmen auch zukünftig in en- biete und nach Harburg. Mittlerweile ist der Verkehr ger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt respek- in der Speicherstadt stark angestiegen und auch die tive dem zukünftigen Welterbe-Management erfolgen. Anzahl von Radfahrern und Fußgängern hat sich er- heblich erhöht. Weitere Nutzungsänderungen in der 8.5 Standsicherheit der Kaimauern Speicherstadt und die Fortentwicklung der Hafen- unter den Speichern und unter City werden zudem auch in der Zukunft zu neuen den Straßen Anforderungen an die Verkehrs- und Wegeflächen führen. Da die bisher nahezu unverändert erhaltene In den letzten Jahren wurden Schäden an den 120 Jah- Infrastruktur der Speicherstadt zu einem ihrer prä- re alten Kaimauern der Speicherstadt sowohl im was- genden und schutzwürdigen Bestandteile gehört serseitigen Bereich als auch im Bereich der Speicher- (s.Punkt 2), gilt es, in der zukünftigen Entwicklung gebäude festgestellt. Dies betrifft insbesondere die der Speicherstadt einerseits zu berücksichtigen, Speicherkeller. Im Auftrag der HHLA wurde daraufhin dass derzeit neue Anforderungen an die Verkehrs- ein Gutachten zur Überprüfung der Standsicherheit und Wegeflächen entstehen, andererseits aber der Kaimauern erstellt, das zum Ergebnis kam, dass auch ein denkmalgerechter Umgang mit der vor- eine Sanierung der Kaimauern zwingend erforderlich handenen historischen Substanz erforderlich ist. ist und auch die Köpfe der Gründungspfähle in ein Sa- nierungskonzept mit einzubeziehen seien. 8.7 Barrierefreiheit

Ein zweites, im Auftrag der Freien und Hansestadt Ein Punkt von besonderer Bedeutung ist die Barriere- Hamburg in Auftrag gegebenes Gutachten kommt freiheit im zukünftigen Welterbegebiet, das zukünftig hingegen zu dem Ergebnis, dass die beobachteten inklusiv nutzbar bleiben muss. Generell sind hier die Schäden eher lokale Beeinträchtigungen der Dau- Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention so- erhaftigkeit der Kaimauern darstellen, die keinen wie die des dazugehörigen Landesaktionsplans der unmittelbaren Handlungsbedarf auslösen, sondern Freien und Hansestadt Hamburg einzuhalten. Eben- mittelfristig (3-5 Jahre) bis langfristig (10-15 Jahre) falls gilt es, hier zukünftig Lösungen zu finden, die im beseitigt werden können. Einvernehmen mit den Anforderungen an die Erhal- tung der Materialität der Straßenräume eine sichere Die langfristige Sicherung der Standsicherheit der Kai- Nutzbarkeit der Wegeflächen von Senioren und Men- mauern ist für die Erhaltung der Speicherstadt von aus- schen mit Behinderungen ermöglichen. Es gilt, diese gesprochen hoher Bedeutung. Da beide Gutachten teil- Anforderung mit einem denkmalgerechten Umgang weise zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, mit den Verkehrs- und Wegeflächen im Gebiet von gilt es zukünftig, ein angemessenes Sanierungskon- Speicherstadt und Kontorhausviertel in Einklang zu zept für die Kaimauern zu erarbeiten, das von allen be- bringen. teiligten Akteuren uneingeschränkt mitgetragen wird. 80 I

8.8 Auswirkungen aufgrund von 8.10 Schlüsselindikatoren Besuchern / Touristen für die Bewertung des Erhaltungszustandes Die Speicherstadt, das Kontorhausviertel und das Chilehaus sind ein fester Bestandteil des Tourismus- Vor dem Hintergrund der oben genannten Fragestel- marketings der Freien und Hansestadt Hamburg. lungen wurden folgende Schlüsselindikatoren defi- Gemeinsam mit weiteren touristischen Attraktionen niert, die in regelmäßigen zeitlichen Taktungen eva- bilden sie einen festen Bestandteil bestehender tou- luiert werden sollen, um Zielkonflikte zu vermeiden: ristischer Angebote. Dies gilt insbesondere für die Speicherstadt an sich sowie für bestimmte dort lie- Faktor Zeitliche Verantwortlichkeit gende touristische Anziehungspunkte wie das „Mi- Taktung niaturwunderland“ oder das „Hamburg Dungeon“, die jährlich sehr viele Touristen anziehen und zu den Stadtbild / Stadt- kontinuierlich Denkmalschutzamt silhouette / BSU Hauptattraktionspunkten Hamburgs gehören. Ge- genwärtig ist nicht erkennbar, dass durch die Aus- Öffentlicher kontinuierlich Denkmalschutzamt / wirkungen des Tourismus konkrete Gefährdungen Raum BSU / Bezirk Mitte oder Beeinträchtigungen im für das Welterbe nomi- Erhaltung der kontinuierlich HHLA / Eigentümer nierten Ensemble „Speicherstadt, Kontorhausviertel Gebäudesubs- Kontorhausviertel / und Chilehaus“ entstehen. Es gilt jedoch, durch eine tanz Denkmalschutzamt kontinuierliche Beobachtung zu gewährleisten, dass Standsicherheit kontinuierlich Hamburg Port eine Ausgewogenheit der touristischen Nutzung der Kaimauern Authority / BSU / mit den Anforderungen einer denkmalgerechten und Gebäude der Denkmalschutzamt Speicherstadt Nutzung der Gebäudesubstanz und der öffentlichen Räume gewährleistet bleibt. Nutzungen und kontinuierlich HHLA / Eigentümer Umnutzungen Kontorhausviertel / 8.9 Behutsame Neuordnung von Denkmalschutzamt Bereichen und Neubauten in Verkehr und jährlich BWVI / Denkmal- der Pufferzone Verkehrsentwick- schutzamt lung

In den nächsten Jahren werden in der Pufferzone Touristische jährlich Hamburg Tourismus weitere Bereiche neu geordnet werden. Dies wird Entwicklung GmbH / Denkmal- schutzamt /HHLA / auch mit einigen Neubauten einhergehen. Hier sind Eigentümer Kontor- insbesondere Planungen im Bereich der Cityhof- hausviertel / BSU Hochhäuser am östlichen Rand des Kontorhausvier- Entwicklungen in jährlich Denkmalschutzamt / tels, im Bereich des Areals zwischen Willy-Brandt- der Pufferzone BSU / Bezirk Mitte Straße und Zollkanal westlich des Meßbergs und ein einzelner noch zu bebauender Bereich in der benach- barten HafenCity zu nennen. Die Neubauten, die hier in Planung sind, müssen ebenfalls sehr sorgfältig auf ihre Verträglichkeit mit dem Welterbegebiet geprüft und abgestimmt werden. I 81

9. Strategische Maßnahmen und prioritäre Projekte

Um im Sinne der in Kapitel 3 zur Begründung der Chilehauses geprägt. Die Wahrnehmbarkeit dieser Aufnahme in die Welterbeliste angeführten Kriterien besonderen Raumkonstellation wird jedoch auch und der in Kapitel 4 definierten Schutz- und Leitziele hier durch den ruhenden Verkehr eingeschränkt. Es für die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung den wird daher angestrebt, durch die Neuordnung des Erhalt der zukünftigen Welterbestätte sicher zu stel- ruhenden Verkehrs eine Aufwertung des öffentlichen len, gilt es, die vorhandenen Planungs- und Hand- Raumes im Kontorhausviertel zu erreichen. lungsgrundlagen in konkrete Projektlinien zu über- führen. Dabei dienen die in Kapitel 4 zur Definition der Schutz- und Leitziele festgehaltenen drei thema- tischen Handlungsstränge als Orientierung:

-- Erhalten und Bewahren

-- Identität und Kontinuität

-- Sensibilisierung und Information

9.1 Erhalten und Bewahren

Die Welterbekonvention fordert die Sicherung von Schutzgütern in Bestand und Wertigkeit. Die Siche- rung der Bausubstanz im Welterbegebiet sowie von deren umgebenden Außenräumen hat deshalb eine hohe Priorität. Um dies zu unterstützen, sind folgen- de Maßnahmen angedacht:

9.1.1 Gestaltungskonzept Kontorhausviertel

Gegenwärtig bestehen rund um das Kontorhausvier- tel qualitative und räumliche Einschränkungen der Qualität des öffentlichen Raums, die das Erleben des zukünftigen Welterbe-Ensembles beeinträchti- gen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang der Burchardplatz, der zwar bereits in den originären Plänen, die dem Bau des Kontorhausviertels zu- grunde lagen, als „Verkehrsplatz“ konzipiert war, dessen Qualität jedoch derzeit durch den vorhan- denen ruhenden Verkehr eingeschränkt wird. Eine ähnliche Frage stellt sich derzeit in der Verlängerung der Burchardstraße an der Südwestecke des Kon- torhausviertels. Dieser Straßenraum wird durch die Abb. 59: Aktuelle Situation des ruhenden Verkehrs charakteristische Ausformung der Südwestecke des Burchardplatz / an der Burchardstraße 82 I

Aufgewertet werden sollte ebenfalls die Situation der 9.1.2 Stärkung der Verbindung zwischen Fischertwiete, die ihren ursprünglichen Charakter als Kontorhausviertel und Speicherstadt „Durchgangsstraße“ verlor und sich heute eher als ein platzartiger Innenhof darstellt. Mittelfristig sollte hier Die räumlichen und visuellen Verbindungen zwischen wieder eine Annäherung an den originären Zustand St. Jacobi, Burchardplatz und Speicherstadt sind ei- erreicht werden, so dass die funktionalen und inhaltli- nerseits für das visuelle Erleben des Kontorhausvier- chen Verbindungen zwischen Speicherstadt und Kon- tels aus dem Raum der Innenstadt von hoher Bedeu- torhausviertel wieder stärker erlebbar werden. tung. Andererseits spielen sie für die Anschaulichkeit oder das Verständnis des funktionalen und inhaltli- Eine weitere Aufgabe, die sich im Kontorhausviertel chen Zusammenhangs des Kontorhausviertels mit stellt, ist die einheitliche Gestaltung der Sockelbe- der Speicherstadt eine zentrale Rolle. Daher bedarf reiche und Außenräume. Während die Fassaden der auch die heutige Situation zwischen Kontorhausvier- Sockelbereiche in der Regel über eine hochwertige tel, Willy-Brandt-Straße, Zollkanal und Speicherstadt Gestaltung verfügen, bedarf es hier einer einheitli- einer qualitativen Verbesserung. chen, denkmalgerechten Gestaltung der Werbeanla- gen, die den hohen qualitativen Anforderungen, die Durch die bereits im Jahr 1910 als Ost-West-Verbin- an Welterbestätten gestellt werden, gerecht wird. dung projektierte und nach dem Kriege realisierte Dies gilt auch für das im Kontorhausviertel verwen- Willy-Brandt-Straße entsteht hier eine räumliche dete Stadtmobiliar. Barriere, die durch die dortigen Straßenbeschilderun- gen noch visuell verstärkt wird. Der aus der Achse Um diese Maßnahmen im Einklang mit den Anforde- gerückte Wandrahmsteg entspricht nicht der histori- rungen der Denkmalpflege und des Welterbes koor- schen Situation und verstärkt zusätzlich den Eindruck, dinieren und durchführen zu können, ist angedacht, dass zwischen Kontorhausviertel und Speicherstadt für das Kontorhausviertel ein Gestaltungskonzept zu eine Zäsur besteht. Da innerhalb der Begründung entwickeln, das − ähnlich wie dies bereits heute in zur Nominierung des Ensembles Speicherstadt und der Speicherstadt der Fall ist − eine langfristige Qua- Kontorhausviertel mit Chilehaus zum Welterbe die litätssicherung und -verbesserung der Außenräume wechselseitigen funktionalen und räumlichen Abhän- des Kontorhausviertels ermöglicht. gigkeiten zwischen beiden Ensembles eine wichti- ge Rolle spielen, um den einzigartigen universellen Wert des zukünftigen Welterbes zu begründen, ist eine Stärkung dieser (Sicht)verbindung deshalb wün- schenswert. Da dieses räumliche Segment ebenfalls eine Stärkung der Wegeverbindung vom Ballindamm zum Baakenhöft darstellt, die im Rahmen der Ver- knüpfung der Hamburger Innenstadt zum östlichen Teil der HafenCity eine wichtige Funktion einnehmen wird, wurde bereits im Entwurf des Innenstadtkon- zepts Hamburg 2010 auf diese Defizite hingewie- sen (Innenstadtkonzept Hamburg 2010, 105-107).

Eine besondere Herausforderung ist hier, eine Lö- sung zu entwickeln, die einerseits im Einklang mit Abb. 60: Heutige Situation der Fischertwiete den Anforderungen der Abwicklung des Stadtver- I 83

Abb. 61: Gegenwärtige Situation der südlichen Ansicht des Abb. 62: Frühere und heutige Situation der Verbindung Chilehauses/ der Fischertwiete, Werbeanlagen zwischen Speicherstadt und Kontorhausvier- und Beschilderungen im Sockelbereich des Sprin- tel: Historische Wandrahmsbrücke über den kenhofs bzw. in der Springeltwiete Zollkanal, Blick durch die Fischertwiete Richtung Speicherstadt, Blick von der Speicherstadt, Ausgang Unterführung Wandrahmsbrücke, in Richtung Chilehaus 84 I

kehrs steht, in dem die Straßenachse Ost-West-Stra- eine Sichtverbindung zum „Wasserschlösschen“, ei- ße - Willy-Brandt-Straße - Deichtorplatz derzeit eine nem der bekanntesten „Images“ der Speicherstadt. wichtige Erschließungsfunktion für die Innenstadt Durch die Errichtung einer Wasserstofftankstelle un- und innerhalb des Straßennetzes der Gesamtstadt mittelbar zwischen Oberbaumbrücke und Speicher- einnimmt. Andererseits gilt es hier, eine Aufwertung stadt wurde diese Sichtverbindung eingeschränkt. der bestehenden Situation zu erzeugen, so dass der Die Wasserstofftankstelle ist nur für 10 Jahre geneh- Zusammenhang zwischen Kontorhausviertel und migt und soll danach an einen anderen Ort installiert Speicherstadt im Sinne der historischen Situation werden, so dass die Sichtverbindung von der Ober- wieder deutlicher erlebbar wird als dies gegenwärtig baumbrücke zur Speicherstadt zukünftig wieder so der Fall ist. offen wie möglich gestaltet werden kann.

9.1.3 Stärkung und Erhaltung weiterer 9.1.4 Sicherung der Holzpfahlgründungen der Sichtverbindungen Speicherblöcke und der Kaimauern

Aufgrund der großen Veränderungen, die insbeson- Die Holzpfahlgründungen in der Speicherstadt wur- dere im Umfeld der Speicherstadt in den letzten den ursprünglich so konstruiert, dass die Pfahlköpfe Jahren im Zuge der Errichtung der HafenCity statt- auf ca. - 0.50 m NN, dem damaligen MTnW, lagen. fanden, ist die Erhaltung der bestehenden Sichtver- Damit war gewährleistet, dass die Holzpfahlgrün- bindungen und − wo notwendig − auch deren quali- dungen überwiegend unter Wasser standen und ge- tative Verbesserung von großer Bedeutung. gen Verrottungsprozesse geschützt waren. Da sich in den letzten Jahrzehnten der Tidenhub im Hambur- Die Sichtverbindung Oberbaumbrücke – Brooktor- ger Hafen kontinuierlich erhöhte, ist mittlerweile der kai – Speicherstadt hat insbesondere im Alltagser- MTnW auf -1,60 m NN gefallen. Hierdurch fallen die leben der Speicherstadt eine besondere Bedeutung, Holzpfahlköpfe zweimal täglich für mehrere Stunden da der Brooktorkai eine stark befahrene Straße ist, trocken, was eventuell zur Schädigung von deren die in Hochlage verläuft und hierdurch die Ostsei- Tragfähigkeit führen kann. te der Speicherstadt „in Szene setzt“. Hier besteht

Abb. 63: Blick auf das „Wasserschlösschen“ Abb. 64: Derzeitige, durch den Bau einer neuen Wasser- stofftankstelle eingeschränkte Sichtverbindung von der Oberbaumbrücke zur Speicherstadt I 85

Bislang haben die Holzpfahlgründungen in der seits aber auch ein denkmalgerechter Umgang mit Speicherstadt durch das Absinken des minimalen der vorhandenen historischen Substanz erforder- Niedrigwasserstandes kaum Schaden genommen. lich ist. Da die Tidenstände immer weiter auseinander ge- hen, stehen jedoch die Pfahlköpfe immer weiter Vor diesem Hintergrund wurden im Entwicklungs- aus dem Wasser. Derzeit bedarf es noch weite- konzept Speicherstadt auf Basis eines für die Spei- rer Klärung, inwieweit durch das Trockenfallen der cherstadt und die HafenCity angenommenen Szena- Pfahlköpfe Schäden entstehen, die die Tragfähig- rios 2025 die hieraus entstehenden Konsequenzen keit der Fundamente beeinträchtigen. Obwohl die und Maßnahmenkataloge zusammengefasst. Eben- Pfahlköpfe nicht vollständig austrocknen, könnten falls sind dort ausführlich die geplanten Maßnahmen durch die vorhandene Sauerstoffzufuhr möglicher- zum Umgang mit den öffentlichen Flächen in der weise schädliche Bakterien in die Pfahlköpfe ge- Speicherstadt dargestellt. Dies betrifft auch Aussa- langen. gen zur derzeitigen und zukünftigen Gestaltung und Materialität der Straßenräume. Unabhängig von der Nominierung der Speicherstadt für das Welterbe sollte insbesondere für den Erhalt Auf der Basis der im Entwicklungskonzept Speicher- der Standsicherheit der Gebäude kein Risiko einge- stadt dargelegten Vorgaben wird nunmehr von der gangen werden. Es gilt daher zukünftig, die Holz- BWVI und der BSU eine Erschließungsplanung erar- pfahlgründungen eingehend zu untersuchen und ein beitet. Konzept für die langfristige Sicherung der Standsi- cherheit der Speicherblöcke und der Kaimauern zu 9.2 Identität und Kontinuität entwickeln. Die Stadt Hamburg, die für die Stand- sicherheit der Kaimauern verantwortlich ist, hat sich Die Richtlinien zur Umsetzung der Welterbekonvention verpflichtet, die notwendigen Mittel dafür bereitzu- legen dar, dass eine Vielzahl von Nutzungen der Welter- stellen (Drucksache 20/4388). begüter möglich ist, sofern sie ökologisch und kulturell nachhaltig sind. Maßgebend sind dabei die 1992 am Erdgipfel von Rio de Janeiro gefassten Beschlüsse, 9.1.5 Behutsame Neuordnung von Verkehr und nach denen sich 180 Länder dazu verpflichtet haben, Erschließung der Speicherstadt ein Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert umzuset- zen. Dieses Aktionsprogramm − die Lokale Agenda 21 Wie unter 8.6. aufgeführt, haben die Veränderungen oder LA 21 − versucht, in Entwicklungsfragen die Ba- in und im Umfeld der Speicherstadt schon bisher zu lance zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und starken Veränderungen im Bereich Verkehr geführt, ökologischen Ansprüchen zu finden. eine Entwicklung, die sich auch in Zukunft noch fort- setzen wird. Vertragsstaaten und alle Partner der Welterbekon- vention haben sicher zu stellen, dass die nachhaltige Da die bisher nahezu unverändert erhaltene In- Nutzung keine nachteiligen Auswirkungen auf den frastruktur der Speicherstadt zu einem ihrer prä- außergewöhnlich universellen Wert, die Unversehrt- genden und schutzwürdigen Bestandteile gehört heit und/oder die Echtheit des Gutes hat. Dieses (siehe Punkt 2.2.), gilt es, in der zukünftigen Ent- Ziel soll in dem für die Nominierung zum Welterbe wicklung der Speicherstadt einerseits zu berück- vorgeschlagenen Ensemble Speicherstadt und Kon- sichtigen, dass derzeit neue Anforderungen an die torhausviertel mit Chilehaus durch folgende strategi- Verkehrs- und Wegeflächen entstehen, anderer- sche Leitlinien erreicht werden: 86 I

9.2.1 Nachhaltige Nutzung des 9.2.2 Kontinuität, Identität und Lebensqualität Gebäudebestandes durch nachhaltige Umnutzungen in der Speicherstadt Das Kontorhausviertel wird seit seiner Errichtung im Sinne seiner ursprünglichen Nutzungsbestimmung Um den in der Speicherstadt vorhandenen Wand- bewirtschaftet. Der Zustand der sich im Welterbege- lungsprozessen gerecht werden zu können, wurden biet befindenden Gebäude kann derzeit als hervorra- hier in den letzten Jahren in enger Absprache mit gend bezeichnet werden. Großmaßstäbliche Verän- dem Denkmalschutzamt bereits unterschiedliche derungen vorhandener Nutzungen sind aus jetziger Umnutzungen durchgeführt. Auch für die Zukunft Sicht nicht zu erwarten. Damit bestehen hier sehr ist die Umnutzung weiterer Speicherblöcke geplant, gute Voraussetzungen zur Erhaltung der dortigen Ge- was im Einvernehmen mit dem Denkmalschutzamt bäudesubstanz. umgesetzt werden soll. Durch diese enge Zusam- menarbeit soll das geschlossene Erscheinungsbild Der Gebäudebestand der Speicherstadt befindet der Speicherstadt, die historische Substanz, die in- sich seit deren Bau von wenigen Ausnahmen abge- genieurtechnische Konstruktion sowie die Charak- sehen im Besitz der Hamburger Hafen und Logistik teristik des Inneren der Speicherbauten auch in Zu- GmbH. Zukünftig wird sich an dieser Konstellation kunft gewahrt bleiben. nichts ändern. Bei der HHLA wurde ein reicher Erfah- rungsschatz in Bezug auf die Pflege und Wartung mit Ohne deren typische Charakteristik und die histori- der historischen Bausubstanz der Speicherstadt auf- sche Substanz seiner Gebäude zu gefährden, soll die gebaut, wodurch im Hinblick auf die Erhaltung und Speicherstadt im Zuge dieser Maßnahmen zu einem nachhaltige Entwicklung der Speicherstadt eine hohe lebendigen und vitalen Quartier weiterentwickelt wer- Kontinuität gewährleistet ist. Im Zuge der Teilprivati- den, das nicht nur aufgrund seiner kulturhistorischen sierung der HHLA wurde das Quartier der Speicher- Bedeutung und Atmosphäre eine große Identität stif- stadt von deren übrigen operativen Geschäft sepa- tende Wirkung und Attraktivität besitzt, sondern auch riert. Die Gebäude wurden nicht börsenorientierten dadurch, dass das Quartier auch im gegenwärtigen Spartenaktien zugeordnet, die sich ausschließlich im und zukünftigen kulturellen Leben Hamburgs eine Eigentum der stadteigenen Hamburger Gesellschaft wichtige Rolle spielt. Dabei spielen nicht nur die neuen für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH Nutzungssegmente innerhalb des Quartiers, sondern (HGV) befinden. auch die Besucher aus Hamburg, der Umgebung der Stadt oder von außerhalb, die durch neue Kultur- und Mit der Bürgerschaftsdrucksache zum Teilbörsen- Dienstleistungsangebote angesprochen werden, eine gang der HHLA aus dem Jahre 2007 hat die Bürger- wichtige Rolle. Um die Nachhaltigkeit dieser Maßnah- schaft den Weg der HHLA zu einer behutsamen Ent- men zu gewährleisten, wird auf einen ausgewogenen wicklung der Speicherstadt bestätigt. Damit wurde Nutzungsmix abgezielt. ein wesentlicher Baustein geschaffen, um die Spei- cherstadt nachhaltig zu bewirtschaften und weiter entwickeln zu können, so dass sie langfristig erhal- ten werden kann. I 87

Abb. 65: In der Vergangenheit bereits durchgeführte und für die Zukunft geplante Umnutzungsmaßnahmen in der Speicherstadt 88 I

9.3 Sensibilisierung und Als ein möglicher zentraler Standort des Welterbe- Information Informations-Zentrums ist die ehemalige Energie- zentrale der Speicherstadt, das Kesselhaus, ange- Die Aufnahme in die Welterbeliste geht mit der Ver- dacht. Das Kesselhaus wurde bereits in den letzten pflichtung einher, die Welterbe-Idee zu vermitteln Jahren als Informationszentrum für die HafenCity und die Welterbestätte in einer breiten Öffentlichkeit herangezogen. Angedacht ist ferner, im Gebiet des bekannt zu machen. Dieser Aspekt ist ebenfalls we- Kontorhausviertels eine „Dependance“ des Welt- sentlich, um eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit erbe-Informations-Zentrums einzurichten, um ein für die Belange des Welterbes im Allgemeinen und flächendeckendes Informationsangebot zu gewähr- die einer qualitätvollen Pflege kulturhistorischen Er- leisten. bes im Besonderen zu erreichen. Der dritte Baustein angedachter Projekte thematisiert deshalb die Bil- Da das zukünftige Welterbegebiet an verschiedenen dungs- und Vermittlungsarbeit. Punkten Zugänge hat, gilt es, insbesondere an die- sen Punkten „Adressen“ zu schaffen, die Besuchern gleichzeitig Orientierung und Information bieten. 9.3.1 Einrichtung eines Welterbe-Informations- Dies kann mittels einer Ergänzung der bereits beste- Zentrums henden Beschilderungen mittels digitaler Informati- onsangebote gewährleistet werden. Eine zentrale Funktion im angedachten Bildungs- und Vermittlungskonzept kommt dem Welterbe-Informa- Zur Gewährleistung einer möglichst flächendecken- tions-Zentrum zu, das Aufgaben der Öffentlichkeits- den Information bietet es sich an, Synergien mit und Bildungsarbeit, der Tourismus- und Besucherlen- bereits bestehenden Kulturangeboten im Welterbe- kung übernehmen soll. gebiet zu erzeugen, so dass ein nachhaltiges und dennoch kostengünstiges Vermittlungskonzept ent-

Abb. 66: Zentrale Komponenten des Konzeptes des Welterbe-Informations-Zentrums I 89

-- die Ergänzung des Bildungs- und Vermittlungsan- gebotes durch bestehende Kultureinrichtungen in und um das zukünftige Welterbegebiet

-- die Einbindung des bestehenden Beschilderungs- systems und Ergänzung mit einem digitalen Infor- mationssystem sowie eventuell einem virtuellen Informationssystem (denkbar wäre z. B. ein „Welt- erbe-App“)

9.3.2 Einbettung und Vernetzung der Bildungs- und Vermittlungsarbeit im lokalen und Abb. 67: Kesselhaus internationalen Kontext steht. Ein weiterer wichtiger Baustein des Welterbe- Für eine breite Verankerung der Bildungs- und Ver- Informations-Zentrums ist daher die Einbindung be- mittlungsarbeit ist eine enge Vernetzung mit weite- stehender Kultureinrichtungen, deren thematische ren touristischen Angeboten in Hamburg von großer Arbeit mit der Historie der Speicherstadt und des Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als die Freie und Kontorhausviertels zusammenhängt. Dies gilt insbe- Hansestadt Hamburg bereits heute stark auf den sondere für das Speicherstadtmuseum, wo bereits Fremdenverkehr ausgerichtet ist. Hamburg zählte im heute die Historie der Lagerung von Gütern und die Jahr 2010 8.95 Millionen Übernachtungen und 111 Baugeschichte der Speicherstadt illustriert sowie Millionen Tagesgäste. Der Umsatz im Tourismus be- regelmäßige Führungen mit unterschiedlichen The- trug 7.4 Milliarden Euro. Mit der Hamburg Tourismus menschwerpunkten abgehalten werden. Auch im GmbH, die das Tourismusmarketing Hamburgs ver- Umfeld der Speicherstadt bestehen zahlreiche kultu- tritt und koordiniert, besteht hier bereits ein fester relle Angebote, die in dieses Konzept mit eingebun- organisatorischer Rahmen. den werden können. Die Speicherstadt, das Kontorhausviertel und das Wesentliche Komponenten der Vermittlungsstruktur Chilehaus machen bereits heute einen festen Be- sind damit: standteil im Tourismusmarketing der Freien und Hansestadt Hamburg aus. Gemeinsam mit weiteren -- ein zentrales Welterbe-Informations-Zentrum in touristischen Attraktionen bilden sie einen festen Be- der Speicherstadt und eine Dependance im Kon- standteil bestehender touristischer Angebote. Viele torhausviertel mit den wesentlichen Elementen: dieser Destinationen, beispielsweise der Hambur- ger Hafen, der Elbstrand, der Hafenrand mit dem -- Ausstellungs- und Informations-Zentrum zum Hamburger Fischmarkt und den Landungsbrücken Weltkulturerbe in Hamburg sind thematisch mit den Inhalten des zukünftigen Welterbes verknüpft. Mit den Hafenrundfahrten, -- Informationen über deutsche Welterbestätten thematischen Stadtrundgängen und Stadtrundfahrt- bussen besteht hier bereits eine eng verflochtene -- Informationen über die UNESCO-Welterbeliste „touristische Infrastruktur“. Hierdurch ist die zukünf- und über Aktivitäten der UNESCO tige Welterbestätte bereits jetzt in einen deutlich 90 I

definierten inhaltlichen Kontext eingebettet, so dass HafenCity-Universität Hamburg waren bereits in gute Voraussetzungen für eine Verbreiterung des Bil- die Erarbeitung der Nominierungsunterlagen des dungs- und Vermittlungskonzeptes bestehen. Dies zukünftigen Welterbe-Ensembles mit einbezogen. soll zusätzlich mit folgenden Maßnahmen stimuliert Diese Beziehung soll auch zukünftig fortgesetzt und werden: intensiviert werden.

Die Nutzung des „UNESCO-Logos“ soll dazu beitra- Um die Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit gen, den Wiedererkennungswert und die Bedeutung Chilehaus als einen Ort der Kommunikation und Be- des Welterbes und das Bewusstsein für die Chancen gegnung erlebbar zu machen, wird eine Beteiligung und Verpflichtungen, die im Rahmen von dessen Er- an der Veranstaltungsreihe des Welterbetags ange- haltung entstehen, zu erhöhen. Das UNESCO-Logo strebt, der jährlich am ersten Sonntag im Juni in einer soll sowohl auf einschlägigen (Internet)Präsentationen anderen deutschen Welterbestätte begangen wird. als auch im Welterbegebiet an geeigneten Stellen, insbesondere an den Zugangsbereichen des zukünf- In Hamburg wird der Tag des offenen Denkmals (2. tigen Welterbegebietes sowie den weiteren Standor- Sonntag im September), der dazu dient, die Öffent- ten der Welterbeinformation angebracht werden. lichkeit für Fragen des Denkmalschutzes zu sensibili- sieren, bereits jetzt regelmäßig durchgeführt. Im Fall Da es für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit von einer erfolgreichen Nominierung ist daher geplant, entscheidender Bedeutung ist, junge Menschen das zukünftige Welterbegebiet prominent in diese zu erreichen, wird eine enge Zusammenarbeit mit Aktivitäten einzubetten. Ein weiterer Tag, der im Fall UNESCO-Projektschulen angestrebt. Im Sinne des einer erfolgreichen Nominierung der Vermittlung des Programms World Heritage in Young Hands, das da- Welterbes dienen wird, ist der Internationale Denk- rauf abzielt, durch pädagogische Aktivitäten Jugend- maltag, der am 18.4. jeden Jahres stattfindet. liche auf die Bedrohung des Welterbes aufmerksam zu machen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, an Um die zukünftige Welterbestätte eng in das be- seiner Erhaltung mitzuwirken, sollen die in Hamburg stehende Netzwerk der touristischen Interessens- bestehenden UNESCO-Projektschulen (Helene-Lan- vertretung deutscher Welterbestätten einzubinden, ge-Gymnasium, Schule Altonaer Straße, Gymnasium bietet sich ein Beitritt zum Verein UNESCO-Welter- Allee, Altona, Gymnasium Allermöher, Gymnasium bestätten Deutschland e. V. an. Grootmoor und Technische Fachschule HEINZE) eng in die Bildungsarbeit einbezogen werden. Die im Rahmen der Internationalen Konferenz im Rah- men der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 13. Ein weiteres Segment der Einbettung der Bildungs- und 14. Juni 2007 in Lübeck entstandene Lübecker und Vermittlungsarbeit ist die Zusammenarbeit mit Erklärung regt eine themenbezogene Vernetzung wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Freie und einzelner Welterbestätten und eine Verstärkung der Hansestadt Hamburg verfügt mit der Universität überregionalen und internationalen Zusammenarbeit Hamburg, der HafenCity-Universität Hamburg und einzelner Welterbestätten an. Hierfür bietet sich die der Technischen Universität Hamburg Harburg über Bildung eines Netzwerks weiteren Hansestädten im drei renommierte Universitäten. Ein weiteres re- Ostseeraum, von denen bereits viele innerhalb und nommiertes privates akademisches Institut ist die außerhalb Deutschlands auf der Welterbeliste regis- Academy for Architectural Culture (aac), die Zusatz- triert sind, mit wichtigen Zielpunkten historischer qualifikation für begabte Architekturstudenten, Ab- Handelsverbindungen Hamburgs mit Hafenstädten solventen und Architekten anbietet. Experten der innerhalb und außerhalb Europas sowie Städten, in I 91

denen wichtige historische und typologische Ent- wicklungen von Bürogebäuden stattfanden, an.

9.4 Zentrale Projektlinien

Die zentralen Projektlinien zur Erhaltung und nach- haltigen Entwicklung des Ensembles Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus lassen sich da- mit folgendermaßen zusammenfassen:

Abb. 68: Thematische Projektlinien zur Verbindung von Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung des Ensembles 92 I I 93

10. Ressourcen

Für die Sicherung des Unterhaltes der zukünftigen Planungen für Grundinstandsetzungen und zum Teil Welterbestätte sowie den erforderlichen Aufgaben auch deren Überwachung werden an denkmalerfah- der Koordination und für die Vermittlung ist die Bereit- rene Architektenbüros vergeben. Denkmalerfahrene stellung entsprechender finanzieller Mittel und von Architekten, Restauratoren und Fachingenieure sind fachkundigem Personal von sehr hoher Bedeutung. in Hamburg ausreichend vorhanden. Auf diesem Sektor forschen und lehren in Hamburg mehrere uni- 10.1 Personal versitäre Einrichtungen und Fachhochschulen. Eben- so sind geeignete bauausführende Fach- und Hand- Für die Erhaltung und Unterhaltung des Ensembles werksfirmen in Hamburg und im Hamburger Umland Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus ausreichend verfügbar. ist gewährleistet, dass die Betreuung des Denkmal- bestandes durch das wissenschaftliche Fachperso- 10.2 Finanzierung nal im Hamburger Denkmalschutzamt erfolgt. Die Mitarbeiter sind ausgebildete Kunsthistoriker, Archi- 10.2.1 Erhalt und Pflege tekten, Landschaftsarchitekten oder Restauratoren. Bei allen zum Welterbegebiet angemeldeten En- Für die Aufgaben der Welterbekoordination wird im semblebestandteilen handelt es um rechtskräftig ge- Denkmalschutzamt eine Stelle eingerichtet, die ent- schützte Denkmale nach Hamburger Denkmalrecht. sprechenden Finanzmittel hierfür sind gesichert. Aus dem Hamburgischen Denkmalschutzgesetz vom 5. April 2013 (Hmb GVBL. S.142) ergibt sich eine Ver- Die Mitglieder des Denkmalrates, der als unabhängi- pflichtung des Eigentümers, „ein Denkmal im Rah- ger sachverständiger Beirat gemäß § 3 des Hambur- men des Zumutbaren denkmalgerecht zu erhalten, gischen Denkmalschutzgesetzes die für den Denk- vor Gefährdungen zu schützen und instand zu set- malschutz zuständige Behörde berät, unterstützen zen” (§ 7 Abs.1). Die Bauunterhaltung der Gebäude die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung der Welt- ist daher Aufgabe der Eigentümer, die in der Regel erbestätte. hierfür die Finanzmittel zur Verfügung stellen. Für die Unterhaltung der öffentlichen Straßen, Wege, Kai- Sie werden sich zukünftig mit besonderer Aufmerk- mauern und Freiflächen werden nach Maßgabe des samkeit den Belangen des Welterbes widmen und laufenden Landeshaushaltes Mittel bereitgestellt. mit ihrer Expertise die Fragen der Einbindung der zukünftigen Welterbestätte in die Stadtentwicklung, der anstehenden Sanierungsprojekte im Welterbe- 10.2.2 Gründung einer Stiftung zur gebiet und der Neubauvorhaben in dessen Pufferzo- Unterstützung der Erhaltung und der ne sowie weitere die Denkmalpflege betreffende An- Vermittlungsarbeit der Welterbestätte gelegenheiten begleiten, um für eine gleichbleibend hohe Qualität im Umgang mit der Bausubstanz und Um die Vermittlungsarbeit nach einer Anerkennung dem öffentlichen Raum Sorge zu tragen. des Ensembles „Speicherstadt und Kontorhaus- viertel mit Chilehaus“ als UNESCO Welterbestätte Darüber hinaus verfügen sowohl die anderen betei- sicher zu stellen, ist für den Fall einer erfolgreichen ligten Behörden und Institutionen als auch Eigentü- Nominierung die Einrichtung einer Stiftung geplant, mer- bzw. Eigentümergesellschaften über erfahrene deren Ziel es ist, diese Aktivitäten zu unterstützen. Mitarbeiter und Fachpersonal für laufende Instand- Es ist beabsichtigt, für den Aufbau dieser Stiftung setzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen. die Unterstützung interessierter und engagierter 94 I

Hamburger Bürgerinnen und Bürger, der Eigentümer der Immobilien im Welterbegebiet sowie weiterer Unternehmen und Institutionen der Privatwirtschaft einzuwerben. Die Stiftung dient damit auch als ein wichtiges Element zur Verstetigung der Idee des Welterbes vor Ort. I 95

11. Literatur- und Abbildungsverzeichnis

11.1 Literatur Ringbeck, Birgitta: Managementpläne für Welter- bestätten. Ein Leitfaden für die Praxis, Bonn 2008 Bandarin, Franceso und Oers van, Ron: The Historic (http://www.unesco.de/fileadmin/medien/Dokumen- urban Landscape. Managing Heritage in an Urban te/Bibliothek/Managementplaene_Welterbestaet- Community, Chichester 2012 ten.pdf)

Bernecker, Roland, Eschig, Gabriele, Klein, Paul, UNESCO: World Heritage Papers 9: Partnership for Viviani-Schaerer, Madeleine: Die Idee des univer- World Heritage Cities, Paris 2002 sellen Erbes, in: Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, UNESCO: World Heritage Papers 25: World Heritage Luxemburg, Österreich und der Schweiz, Bonn 2009 and Buffer Zones, Paris 2008 (http://www.unesco.de/fileadmin/medien/Dokumen- te/Bibliothek/Welterbe-Manual_DUK_2009/Welter- UNESCO: World Heritage Information Kit, Paris be-Manual_2__Aufl_volltext.pdf) 2008 (http://whc.unesco.org/uploads/activities/docu- ments/activity-567-1.pdf) Deutsche UNESCO Kommission: Lübecker Erklä- rung, Lübeck 2007 (http://www.unesco.de/luebe- UNESCO: World Heritage Papers 27: Managing His- cker_erklaerung.html) toric Cities, Paris 2010

Freie und Hansestadt Hamburg: Verordnung zur Ge- UNESCO: Operational Guidelines for the Implemen- staltung der Speicherstadt, Hamburg 2008 tation of the World Heritage Convention, (opguide11- en.pdf), Paris 2011 (http://whc.unesco.org/archive/ Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadt- opguide11-en.pdf) entwicklung und Umwelt (Hg.): Innenstadtkonzept Hamburg 2010, Hamburg 2010 UNESCO: Recommendation on the Historic Ur- ban Landscape, including a glossary of definitions, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadt- Paris 2011 (http://portal.unesco.org/en/ev.php- entwicklung und Umwelt (Hg.): Speicherstadt Ham- URL_ID=48857&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SEC- burg Entwicklungskonzept, Hamburg 2012 TION=201.html (Zugriff am 05.05.2012)

Freie und Hansestadt Hamburg, Hamburger Touris- UNESCO / ICCROM / ICOMOS / IUCN: Preparing mus GmbH Monitoring und Consulting: Zahlen Fak- World Heritage Nominations, Second Edition 2011, ten Trends, Hamburg 2011 Paris 2011

HHLA / Heinz und Jahnen: Gestaltungshandbuch UNESCO World Heritage Centre, City of Vienna: Speicherstadt Hamburg, Juli 2008 World Heritage and Contemporary Architecture. Ma- naging the Historic Urban Landscape, Wien 2005 HHLA: Leistungskontrolle für das technische Facility- management, Hamburg 2011

ICOMOS: International Chartas for Conservation and Restauration (http://www.international.icomos.org/ charters/charters.pdf ) 96 I

11.2 Abbildungen

Archiv Speicherstadtmuseum: Abb. 8

Bernhard Meyer-Marwitz, Hamburgs Weg zum Welt- hafen, Hamburg 1960, Verlag Okis Dr. Karl Josef Sat- telmair: Abb. 9 + 19

Bildarchiv des Denkmalschutzamts Hamburg: Abb. 1 - 3, 10, 11, 13-17, 20-25, 28, 29-36, 41-42, 44-47, 49-50, 55.1, 62.1, 63

Denkmalschutzamt Hamburg: Abb. 4, 12, 38-40, 43, 51

Die Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft 1885-1910, Denkschrift zum 25. Jubiläum, Hamburg 1910: Abb. 5+6

Hamburg und seine Bauten, 1890: Abb. 7

Hamburg und seine Bauten, 1914: Abb. 27

HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG: Abb. 26, 55.2, 56-57, 65

ISL: Abb. 37, 48, 52-54, 58, 59, 60, 61, 62.2+3, 64, 66, 67, 68

Pachnio, Astrid: Abb. 18